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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
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|
Urteilskopf
123 III 332
52. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 13. August 1997 i.S. H. (Beschwerde)
|
Regeste
Lohnpfändung für Unterhaltsansprüche (
Art. 93 SchKG
).
Die Rechtsprechung des Sachrichters, welche dem erwerbstätigen unterhaltspflichtigen Ehegatten auf jeden Fall das betreibungsrechtliche Existenzminimum belässt, ändert nichts daran, dass - entsprechend ständiger vollstreckungsrechtlicher Praxis - im Rahmen einer Lohnpfändung in das Existenzminimum des unterhaltspflichtigen Schuldners eingegriffen werden kann.
|
Sachverhalt
ab Seite 332
BGE 123 III 332 S. 332
Von der unterhaltsberechtigten Ehefrau wurde ein Beschluss, den das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs am 23. Juni 1997 gefällt hatte, an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Diese schützte die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass im Rahmen der beim unterhaltspflichtigen Schuldner vollzogenen Lohnpfändung in dessen Existenzminimum eingegriffen werden könne.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Das Bezirksgericht Hinwil hat seinem Beschluss vom 27. Februar 1997 die Rechtsprechung zugrunde gelegt, wonach - unter hier nicht weiter zu diskutierenden Voraussetzungen - in das Existenzminimum des Schuldners eingegriffen werden kann, wenn als betreibende Gläubiger Familienmitglieder des Schuldners auftreten, die ihn für Unterhaltsforderungen aus dem letzten Jahr vor
BGE 123 III 332 S. 333
Zustellung des Zahlungsbefehls belangen (
BGE 116 III 10
E. 2;
BGE 111 III 13
E. 5;
BGE 106 III 18
E. 1, mit weiteren Hinweisen; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage Bern 1997, § 23 N. 67 ff.). Es hat das Betreibungsamt angewiesen, entsprechend der von der Rechtsprechung (
BGE 111 III 13
E. 5b;
BGE 71 III 174
E. 3) entwickelten Formel und unter Berücksichtigung der Feststellung, dass die unterhaltsberechtigte Beschwerdeführerin auf Beiträge im Umfang von Fr. 1'216.80 angewiesen sei, die pfändbare Quote neu zu berechnen. Diese Berechnung hat zu einem Eingriff in den Notbedarf des unterhaltspflichtigen Schuldners geführt.
Demgegenüber betrachtet das Obergericht des Kantons Zürich einen Eingriff in das Existenzminimum des Schuldners als unzulässig. Es stützt sich für seine Auffassung auf Urteile, welche die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde gefällt hat, nämlich auf
BGE 123 III 1
, wo erkannt worden ist, dass das Existenzminimum dem Rentenschuldner auch dann belassen werden muss, wenn Kinderalimente zuzusprechen sind, und auf
BGE 121 I 97
, wo eine Unterhaltsregelung für die Dauer des Scheidungsprozesses, die dem erwerbstätigen unterhaltspflichtigen Ehegatten auf jeden Fall das betreibungsrechtliche Existenzminimum belässt und einen allfälligen Fehlbetrag einzig beim Unterhaltsanspruch des anderen Ehegatten berücksichtigt, als nicht verfassungswidrig bezeichnet worden ist. Diese Rechtsprechung, welche die Festsetzung von Unterhaltsansprüchen gemäss
Art. 163 und 176 ZGB
bzw.
Art. 145 Abs. 2 ZGB
durch den Massnahmerichter zum Gegenstand hat, möchte das Obergericht auch im Zwangsvollstreckungsverfahren angewandt wissen.
2.
Der Beschwerdeführer hält dem von ihm angefochtenen Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich zu Recht entgegen, dass die im Rahmen vorsorglicher Massnahmen zur familienrechtlichen Unterhaltspflicht entwickelte Rechtsprechung, welche einen Eingriff in das Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen verbietet, nicht ohne weiteres auf das Zwangsvollstreckungsverfahren, in welchem Unterhaltsbeiträge betrieben werden, übertragen werden könne.
Wollten der Betreibungsbeamte oder die seine Tätigkeit prüfenden Aufsichtsbehörden Überlegungen anstellen, wie sie in
BGE 121 I 97
und
BGE 123 III 1
Ausdruck gefunden haben, so würden sie damit materiellrechtliche Ansprüche bzw. Verpflichtungen beurteilen. Das aber ist ihnen grundsätzlich untersagt (vgl.
BGE 113 III 2
BGE 123 III 332 S. 334
E. 2b). Tangiert würde insbesondere der Aufgabenbereich des Richters, der zuständig ist für die Herabsetzung der vom Scheidungsrichter zugesprochenen Rente in jenen Fällen, wo die Vermögensverhältnisse des Pflichtigen der Höhe der Rente nicht mehr entsprechen (
Art. 153 Abs. 2 ZGB
).
Der Massnahmerichter und der Scheidungsrichter befinden darüber, welche Leistung dem Unterhaltsverpflichteten zugemutet werden kann. Steht diese Verpflichtung betragsmässig fest, so muss sie im Zwangsvollstreckungsverfahren durchgesetzt werden können. Es darf insbesondere nicht dazu kommen, dass - wie die Beschwerdeführerin zutreffend erklärt - rechtskräftig festgesetzte Unterhaltsbeiträge von einem zahlungsunwilligen Unterhaltsverpflichteten nicht bezahlt werden, weil er sich so einzurichten weiss, dass im Falle einer Betreibung keine pfändbare Quote mehr übrigbleibt. Jedenfalls würde es - wenn man der vom Obergericht des Kantons Zürich vertretenen Rechtsauffassung nachlebte - dazu kommen, dass der Betreibungsbeamte (oder die Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen) die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Schuldners anders beurteilt als der Massnahmerichter oder der Scheidungsrichter.
Mit der Rechtsprechung, auf welche sich der angefochtene Beschluss stützt, wollte die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts nicht bewirken, dass die Möglichkeit des Eingriffs in den Notbedarf des Schuldners, wie er in ständiger vollstreckungsrechtlicher Praxis für Unterhaltsbeiträge zugelassen worden ist, untersagt werden sollte. Die Begrenzung des Eingriffs in das Existenzminimum, welche in
BGE 121 I 97
E. 3b, S. 102, erwähnt wird, hat besondere Gründe, die im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.
Indem es die Zulässigkeit des Eingriffs in das Existenzminimum des unterhaltspflichtigen Schuldners verneint hat, hat das Obergericht des Kantons Zürich
Art. 93 SchKG
verletzt. Die Beschwerde erweist sich als begründet und ist demzufolge gutzuheissen.
| null |
nan
|
de
| 1,997 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a8dc48da-7435-41df-badd-ddf618ae5fbb
|
Urteilskopf
99 V 157
49. Urteil vom 27. November 1973 i.S. Messmer gegen Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
|
Regeste
Hilfsmittel gemäss
Art. 21 IVG
und 14 IVV: Fahrzeug, räumliche Veränderung, Fahrstuhl.
Die am Wohnhaus des gehunfähigen Versicherten angebrachte liftähnliche Hebebühne erfüllt keinen dieser Begriffe.
|
Sachverhalt
ab Seite 157
BGE 99 V 157 S. 157
A.-
Elisabeth Messmer, geboren 1945, zog sich bei einem Automobilunfall im Juli 1970 eine Querschnittläsion zu, weshalb sie ihr Coiffeurgeschäft aufgeben musste. Sie schulte sich von der Coiffeurmeisterin zur kaufmännischen Angestellten um. Die Versicherte ist an einen Rollstuhl gebunden und daher ausserstande, die Treppen des ihr gehörenden Einfamilienhauses ohne fremde Hilfe zu überwinden. Es wurde deshalb auf der Höhe des ersten Stockwerkes, wo sich das Zimmer von Elisabeth Messmer befindet, ein Balkon angebaut und dieser mittels einer Hebebühne vom Garten her zugänglich gemacht. Auf diese Weise vermag die Invalide ohne Dritthilfe von ihrem Invalidenauto direkt in ihr Zimmer und das Haus zu gelangen. Die Invalidenversicherung ist für medizinische und berufliche Massnahmen sowie für Hilfsmittel aufgekommen, hat es aber abgelehnt, "die eigentlichen Umbauten am Haus", worunter
BGE 99 V 157 S. 158
auch die Erstellung der Hebebühne zu verstehen ist, zu übernehmen (Verfügung der Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber vom 20. Januar 1972).
B.-
Gegen die Verweigerung der erwähnten Kostenübernahme liess Elisabeth Messmer Beschwerde erheben, die von der AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich am 30. Januar 1973 jedoch abgewiesen worden ist.
C.-
Die Versicherte verlangt mit ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneut, dass die Kosten der Hebebühne der Invalidenversicherung belastet werden. Diese Vorrichtung brauche sie zur Überwindung des Weges von der Wohnung zur Strasse und damit zur Ausübung ihres Berufes.
Die Ausgleichskasse verzichtet ausdrücklich auf eine Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, deren Abweisung vom Bundesamt für Sozialversicherung beantragt wird.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 21 Abs. 1 IVG
hat der Versicherte im Rahmen der in
Art. 14 Abs. 1 IVV
aufgeführten Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, die er unter anderem für die Ausübung der Erwerbstätigkeit benötigt. In der erwähnten Liste sind die in Frage kommenden Hilfsmittelkategorien abschliessend, die unter die einzelnen Kategorien fallenden Hilfsmittel hingegen nur exemplifikatorisch aufgezählt (
BGE 98 V 50
, ZAK 1969 S. 611).
Es fragt sich also, ob die von der Beschwerdeführerin verlangte Hebebühne sich unter eine dieser Hilfsmittelgruppen subsumieren lässt.
Art. 14 Abs. 1 lit. g IVV
nennt "Fahrzeuge mit den jeweils notwendigen Anpassungen an das Gebrechen, wie Zimmer- und Strassenfahrstühle, Selbstfahrer, zwei- oder dreirädrige Fahrräder, Motorroller mit zwei oder drei Rädern, Kabinenroller und Kleinautomobile". Aus dieser Aufzählung geht hervor, dass unter Fahrzeugen im Sinn invalidenversicherungsrechtlicher Hilfsmittel nur solche Transportmittel zu verstehen sind, die auf dem Boden durch eigene oder fremde Kraft unabhängig von Schienen fortbewegt werden können. Bei der Hebebühne dagegen handelt es sich um eine Einrichtung, die durch motorischen Antrieb entlang einem Führungselement sich liftähnlich nur in vertikaler Richtung bewegen lässt. Sie unterscheidet sich also wesentlich von den Hilfsmitteln, welche die lit. g zum Gegenstand hat, und lässt sich selbst bei extensiver
BGE 99 V 157 S. 159
Interpretation des Fahrzeugbegriffs nicht bei der dort erwähnten Hilfsmittelkategorie einordnen.
Die Hebebühne fällt auch nicht unter die in lit. h des
Art. 14 Abs. 1 IVV
aufgeführte Art von Hilfsmitteln. Dort werden genannt "Hilfsgeräte am Arbeitsplatz, wie besondere Arbeitsgeräte und Sitzvorrichtungen, Zusatzgeräte für die Bedienung von Apparaten und Maschinen, Anpassung der Arbeitsfläche und der maschinellen Einrichtungen sowie räumliche Veränderungen". Bei diesen räumlichen Veränderungen handelt es sich ausschliesslich um Anpassungen am Arbeitsplatz selber, wie aus dem französischen und italienischen Verordnungstext eindeutig hervorgeht, wo von "aménagement... des locaux de travail" bzw. von "adeguamento... dei locali di lavoro" die Rede ist (ZAK 1966 S. 210).
Die übrigen in
Art. 14 Abs. 1 IVV
erwähnten Hilfsmittelkategorien fallen zum vornherein ausser Betracht.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Hebebühne bei keiner Hilfsmittelgruppe des
Art. 14 Abs. 1 IVV
eingeordnet werden kann, weshalb der Beschwerdeführerin aus dieser Bestimmung (in Verbindung mit
Art. 21 Abs. 1 IVG
) kein Anspruch zusteht.
2.
Unabhängig von der Eingliederungsmöglichkeit hat der Versicherte Anspruch auf die in
Art. 14 Abs. 2 IVV
abschliessend aufgezählten Hilfsmittel, wenn er infolge seiner Invalidität für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge jener Geräte bedarf (
Art. 21 Abs. 2 IVG
).
Art. 14 Abs. 2 lit. f IVV
sieht die Abgabe von Fahrstühlen vor. Dazu gehören nach der Rechtsprechung lediglich Zimmer- und Strassenfahrstühle ohne Motor (ZAK 1970 S. 627). Und nachdem das Gericht ausdrücklich verneint hat, dass ein elektrisch angetriebener Treppenlift unter die erwähnte lit. f untergeordnet werden kann (
BGE 98 V 48
), gilt dies noch in vermehrtem Mass für die motorisch betriebene Hebebühne. Die übrigen in
Art. 14 Abs. 2 IVV
aufgezählten Hilfsmittel fallen zum vornherein ausser Betracht.
Somit vermag die Beschwerdeführerin auch aus
Art. 14 Abs. 2 IVV
nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
| null |
nan
|
de
| 1,973 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a8e78da0-64fa-44e3-9fa1-73acbd6d1e54
|
Urteilskopf
104 IV 175
42. Urteil des Kassationshofes vom 3. Mai 1978 i.S. Adams gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt
|
Regeste
Art. 273 StGB
. Wirtschaftlicher Nachrichtendienst;
Art. 162 StGB
. Verletzung des Geschäftsgeheimnisses.
a) Geschäftsgeheimnis (Erw. 1b, c).
b) Schutzwürdigkeit des Geheimhaltungsinteresses (Erw. 2).
c) Zuständigkeit,
Art. 7 StGB
(Erw. 3).
d) Vorsatz (Erw. 4).
e) Rechtsirrtum,
Art. 20 StGB
(Erw. 5).
f) Sachverhaltsirrtum,
Art. 19 StGB
(Erw. 6).
|
Sachverhalt
ab Seite 176
BGE 104 IV 175 S. 176
A.-
Stanley Adams war Mitarbeiter der Marketing-Gruppe M 2/Übersee bei F. Hoffmann-La Roche & Co. AG in Basel (Roche). Im Verlauf des Jahres 1973 gab er den Organen der Europäischen Gemeinschaften (EG) den Inhalt mehrerer sog. Management-Informations und des sog. Jann-letter vom 25. Juni 1973 bekannt.
B.-
Das Strafgericht Basel-Stadt sprach Adams am 1. Juli 1976 in contumaciam des fortgesetzten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes und der fortgesetzten Verletzung von Geschäftsgeheimnissen schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 12 Monaten sowie zu 5 Jahren Landesverweisung.
Auf Appellation Adams' bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt das erstinstanzliche Urteil mit der Massgabe, dass die Landesverweisung aufgehoben wurde.
C.-
Adams führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das appellationsgerichtliche Urteil aufzuheben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die der EG-Kommission offenbarten Sachverhalte seien nicht Geschäftsgeheimnisse gemäss
Art. 273 StGB
. Der Kreis der Personen, die den Inhalt der Management-Informations und des Jann-letter kannten, sei nicht geschlossen, ihre Zahl nicht bestimmt oder bestimmbar gewesen. Nicht auf die Zahl und Art der Personen, die die Schriftstücke kennen konnten, sei abzustellen, sondern darauf, wieviele und welche Personen von den in den Management-Informations mitgeteilten vertraglichen Bindungen von Roche mit andern Unternehmen wussten. Dieser Personenkreis habe ebenso wie jener der Empfänger und sonstigen Mitwisser der Management-Informations und des Jann-letter weit über die Grenzen der Schweiz hinausgereicht, sodass es an der Beschränkung des Mitwisserkreises auf die Schweiz gebreche, einer elementaren Voraussetzung des
Art. 273 StGB
. Die in den Management-Informations enthaltenen Vertragsabreden hätten zudem ausschliesslich Geschäftsbeziehungen zwischen den selbständigen ausländischen Roche-Gesellschaften und deren ausländischen Vertragspartnern betroffen und nicht das
BGE 104 IV 175 S. 177
schweizerische Wirtschaftsleben, wie
Art. 273 StGB
voraussetze.
a) Die Rüge, der Personenkreis, dem der Inhalt der Management-Informations und des Jann-letter zugänglich war, sei nicht geschlossen, die Zahl der Mitwisser weder bestimmt noch bestimmbar, betrifft tatsächliche Verhältnisse und kann deshalb mit der auf die Verletzung eidgenössischen Gesetzesrechtes beschränkten Nichtigkeitsbeschwerde nicht erhoben werden (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
Der Einwand, bei der Bestimmung des Mitwisserkreises sei auf die Zahl derer abzustellen, die die in den Management-Informations genannten vertraglichen Abmachungen von Roche mit andern Firmen kannten, nicht auf die jener, welche von den Management-Informations und dem Jann-letter wussten, ist unbehelflich, zumal nach der von der Vorinstanz übernommenen tatsächlichen Feststellung des Strafgerichts die Management-Informations ausser vertraglichen Abmachungen auch Weisungen für die Geschäftspolitik der Unternehmen der Roche-Konzerns enthielten.
b) Geheim ist eine Tatsache, solange sie dem vom Gesetz genannten fremden Destinatär nicht bekannt oder zugänglich geworden ist (
BGE 65 I 50
E. 1). Das traf für den Inhalt der Management-Informations und des Jann-letter im Verhältnis zur EG-Kommission, bevor der Beschwerdeführer ihr ihn offenbarte, selbst dann zu, wenn er den ausländischen Gesellschaften des Roche-Konzerns wie auch, soweit Vertragsabrede betreffend, den ausländischen Vertragspartnern geläufig, von ihnen aber nie allgemein bekannt gemacht worden war.
c) Die Behauptung, die in den Management-Informations enthaltenen Vertragsabreden hätten ausschliesslich Geschäftsbeziehungen zwischen den selbständigen ausländischen Roche-Gesellschaften und deren ausländischen Vertragspartnern betroffen, stösst sich an der gegenteiligen, für den Kassationshof verbindlichen tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
), die Dokumente behandelten durchwegs höchst vertrauliche Abmachungen und Beschlüsse "der hiesigen Konzernleitung" (Urteil S. 7), sowie des Strafgerichts (Urteil S. 19), die Exklusivlieferungsvereinbarungen seien "von Zentrale zu Zentrale" abgeschlossen worden. Mit ihr kann daher nicht dargetan werden, es habe sich beim Inhalt der Management-Informations und des Jann-letter nicht um
BGE 104 IV 175 S. 178
schweizerische Geschäftsgeheimnisse und Tatsachen des schweizerischen Wirtschaftslebens gehandelt.
2.
Der Beschwerdeführer beruft sich sodann auf fehlende Schutzwürdigkeit des Geheimhaltungsinteresses. Zweck von
Art. 273 StGB
sei nach der Entstehungsgeschichte die Schaffung eines wirksamen Schutzes der Eidgenossenschaft und ihrer Rechtsunterworfenen gegenüber ausländischen totalitären Staaten. Schutzwürdig sei das Geheimhaltungsinteresse daher nur, wenn die Verhältnisse im Empfängerstaat eine Geheimhaltung rechtfertigten, was zutreffe, wenn er die Verletzung seiner Normen durch Sanktionen ahnde, die nach schweizerischer Auffassung der Art des Vergehens nicht adäquat seien, oder dessen materielle Vorschriften mit dem schweizerischen ordre public oder Rechtsempfinden nicht vereinbar seien. Da im Rechtskreis der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) nicht einem Diktaturstaat vergleichbare Verhältnisse herrschten, sei das Geheimhaltungsinteresse von Roche nicht schützenswert. Ein schweizerisches volkswirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse fehle beim Verhalten ausländischer Gesellschaften und ihren Geschäftsbeziehungen auf ausländischen Märkten und werde durch die zwischen der EWG und der Schweiz bestehenden staatsvertraglichen Vereinbarungen ausgeschlossen. Sodann sei das Verhalten von Roche mit den schweizerisches Recht darstellenden Bestimmungen von Art. 23 ff des Freihandelsabkommens (FHA) unvereinbar, unabhängig davon, ob die EG-Kommission Fehlbare aufgrund dieser Vorschriften oder jener von Art. 86 des EG-Vertrages ins Recht fasse und eine direkte Sanktion gestützt auf Art. 23 ff FHA ausgeschlossen sei. Den ihren staatsvertraglichen Verpflichtungen zuwiderlaufenden Geschäftsgeheimnissen könne die Schweiz keinen Schutz gewähren, die sich in
Art. 22 Abs. 2 FHA
dazu verpflichtet habe, die geeigneten Massnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen aus diesem Abkommen zu treffen, in Art. 27 Abs. 3 lit. a zudem, dem Gemischten Ausschuss alle zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderliche Hilfe zu leisten. Der zwischen innerstaatlichem Recht und staatsvertraglicher Pflicht bestehende Gegensatz müsse so behoben werden, dass jenes gegenüber dieser zurückzutreten habe.
a) Die Berufung des Beschwerdeführers auf die Entstehungsgeschichte des
Art. 273 StGB
geht fehl. Ihr kommt gegenüber
BGE 104 IV 175 S. 179
dem klaren Gesetzeswortlaut, nach welchem es auf die beim Destinatär herrschenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse nicht ankommt, keine entscheidende Bedeutung zu (
BGE 74 IV 210
, auch
BGE 102 Ib 31
/32).
b) Soweit der Rüge, es fehle an der Schutzwürdigkeit des Geheimhaltungsinteresses, die Voraussetzung zugrundeliegt, beim Inhalt der Management-Informations und des Jann-letter habe es sich um ausschliesslich ausländische Roche-Gesellschaften und Märkte betreffende Tatsachen gehandelt, geht sie schon deshalb fehl, weil eine solche Annahme den durch die Vorinstanzen für den Kassationshof verbindlich festgestellten tatsächlichen Verhältnissen widerspricht (vgl. E. 1c).
Inwiefern ein schweizerisches volkswirtschaftliches Interesse an der Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen durch die zwischen der EWG und der Schweiz bestehenden staatsvertraglichen Vereinbarungen ausgeschlossen wird, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.
c) Der Beschwerdeführer versäumt es auch, das konkrete, angeblich mit dem Freihandelsabkommen unvereinbare Verhalten von Roche sowie die Bestimmung, der es zuwiderlaufen soll, zu nennen. Dabei käme nur ein Verhalten in Betracht, das den Warenverkehr zwischen der EWG und der Schweiz zu beeinträchtigen geeignet ist (
Art. 23 Abs. 1 FHA
). Die Rüge des Beschwerdeführers erwiese sich aber bereits an sich als nicht stichhaltig. Das Freihandelsabkommen ist ein reines Handelsabkommen, das sich im wesentlichen auf die Regelung des industriellen Freihandels beschränkt (BBl 1972 II 661). Bei seiner Aushandlung wurde nicht nur eine Pflicht zur gegenseitigen Angleichung der gemeinschaftlichen und der schweizerischen Rechtsnormen bewusst ausgeschlossen (BBl 1972 II 730; Antwort des Bundesrates auf die Einfache Anfrage Jauslin, act. 415b), sondern es wurden vielmehr die bestehenden Rechtsordnungen gegenseitig anerkannt und deren uneingeschränkte autonome Durchsetzung gutgeheissen (Amtsbericht des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), act. 415a). Aus
Art. 22 Abs. 2 FHA
kann deshalb eine derartige Pflicht ebensowenig hergeleitet werden wie aus
Art. 27 Abs. 3 lit. a FHA
.
Art. 23 FHA
schafft sodann kein Verhaltensrecht für Private (Amtsbericht EJPD, act. 415a); er stellt lediglich fest, welche Praktiken mit dem guten Funktionieren des Freihandelsabkommens unvereinbar seien, verbietet diese aber nicht, bezeichnet
BGE 104 IV 175 S. 180
sie auch nicht als rechtswidrig und erklärt sie im Gegensatz zu Art. 85 und 86 des EG-Vertrages weder als nichtig noch sieht er Sanktionen vor; er ermächtigt die Vertragsparteien lediglich, gemäss den in
Art. 27 FHA
festgelegten Voraussetzungen und Verfahren geeignete Massnahmen zu treffen. Die Anwendung innerstaatlicher Rechtsnormen hat demnach nicht zurückzustehen, wenn die Wettbewerbsgrundsätze des Freihandelsabkommens beeinträchtigt werden. Ist
Art. 23 FHA
keine Verbotsnorm, so kann er auch nicht verletzt werden (Amtsbericht EJPD, act. 415a). Schon in seiner Antwort auf die Einfache Anfrage Jauslin (act. 415b) hatte der Bundesrat darauf hingewiesen, das Freihandelsabkommen und dessen Wettbewerbsgrundsätze berührten die beiderseitigen Strafgesetze, insbesondere
Art. 273 StGB
nicht. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen läuft deshalb den staatsvertraglichen Verpflichtungen der Schweiz aus dem Freihandelsabkommen nicht zuwider; eine Kollision zwischen innerstaatlichem und staatsvertraglichem Recht liegt nicht vor.
3.
Der Beschwerdeführer hält die schweizerischen Gerichte zur Beurteilung der ihm zur Last gelegten Verletzung von Geschäftsgeheimnissen für unzuständig. Sein Brief von anfangs 1973 an die EG-Behörden sei bloss eine straflose Vorbereitungshandlung. Die eigentliche Mitteilung der Geschäftsgeheimnisse darstellenden Tatsachen an die EG-Kommission sei in Brüssel erfolgt. Da die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen nicht ein Erfolgsdelikt sei, liege der Begehungsort gemäss
Art. 7 StGB
ausserhalb der Schweiz. Sei der fragliche Brief blosse Vorbereitungshandlung, könne im vornherein kein fortgesetzter wirtschaftlicher Nachrichtendienst vorliegen.
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz fasst der Beschwerdeführer den Vorsatz, sich den EG-Behörden mitzuteilen, in Basel. Um ihn verwirklichen zu können, richtete er von der Schweiz aus nicht bloss den Brief von anfangs 1973 an diese, sondern nahm auf den Antwortbrief mit deren Organen telefonische Fühlung, vereinbarte mit ihnen das Datum für eine Unterredung, nahm hier die der EG-Kommission zugänglich gemachten Unterlagen von Roche an sich, trat die Reise nach Brüssel in der Schweiz an und pflegte von hier auch nach seinem Besuch in Brüssel mit den EG-Behörden weitere Kontakte, bei denen er ergänzende Auskünfte zu den früher preisgegebenen Geschäftsgeheimnissen erteilte. Wenn
BGE 104 IV 175 S. 181
nicht bereits durch die ihr vorausgegangenen Tätigkeiten, war jedenfalls mit der Vorbereitung und dem Antritt der Reise nach Brüssel nach dem Plan des Beschwerdeführers jener letzte entscheidende Schritt auf dem Weg zum Erfolg getan, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen (
BGE 99 IV 153
), also mit der Ausführung des Vergehens begonnen worden. Das geschah in der Schweiz, sodass die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Beurteilung auch des Tatbestandes der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen gemäss
Art. 7 Abs. 1 StGB
gegeben war.
b) Der Beschwerdeführer hat nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zumindest eine Kopie des Jann-letter den EG-Behörden in einem späteren Zeitpunkt übergeben, als er sie mündlich über die als Geschäftsgeheimnisse anzusprechenden Tatsachen orientierte und ihnen eine Kopie der Management-Informations zukommen liess. Das geschah nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz gestützt auf ein und denselben Willensentschluss. Der Schuldspruch wegen fortgesetzter Tatbegehung ist daher nicht zu beanstanden.
4.
Die Vorinstanz ist nach Auffassung des Beschwerdeführers von einem unzutreffenden Begriff des Vorsatzes ausgegangen. Die Kenntnis einer arbeitsvertraglichen Geheimhaltungspflicht, welche die Vorinstanz einzig bejahe, könne dem Wissen um den staatlichen Schutz privater Geschäftsgeheimnisse gegenüber dem Ausland nicht gleichgesetzt werden, das für die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes von
Art. 273 StGB
erforderlich sei und ihm gefehlt habe. Da das Wissen sich auf alle Elemente des gesetzlichen Straftatbestandes beziehen müsse, genüge es nicht, wenn der Täter sich bewusst sei, ein Geschäftsgeheimnis zu verraten, und es einem der genannten Adressaten zukommen lasse, sondern darüber hinaus sei das Wissen um die Rechtswidrigkeit erforderlich, das weiter gehe als das unbestimmte Unrechtsbewusstsein, und auf das wegen der Ausgefallenheit des Straftatbestandes und der relativen Unbestimmtheit des geschützten Rechtsgutes nicht verzichtet werden könne. Im weitern habe er nicht gewusst, dass es sich bei der EG-Kommission um eine fremde amtliche Stelle handle.
BGE 104 IV 175 S. 182
a) Das zum Vorsatz erforderliche Wissen verlangt einzig, dass der Täter die objektiven Merkmale eines Straftatbestandes kenne (SCHULTZ, I, S. 173; SCHWANDER, S. 91; HAFTER, AT, S. 115; THORMANN/OVERBECK, N. 11 zu
Art. 18 StGB
; LOGOZ, N. 5 a und b zu
Art. 18 StGB
). Dass er, soweit es mit diesen nicht identisch ist, um das Rechtsgut oder Interesse wisse, dessen Schutzbedürftigkeit zur Strafnorm Anlass gab, ist nicht erforderlich (THORMANN/OVERBECK, N. 17 zu
Art. 18 StGB
; im besonderen hinsichtlich
Art. 273 StGB
: PFENNINGER, ZSR 37, S. 158; LOHNER, ZStR 83, S. 152; HUG, Der wirtschaftliche Nachrichtendienst, Diss. Bern 1958, S. 92). Ebensowenig muss sich der Täter der Rechtswidrigkeit (
BGE 90 IV 48
E. 3 mit Verweisen) oder der Strafbarkeit seines Verhaltens bewusst sein (SCHWANDER, S. 91; HAFTER, AT, S. 115; THORMANN/OVERBECK, N. 15 zu
Art. 18 StGB
; LOGOZ, N. 5b zu
Art. 18 StGB
).
Als Tatsachen des wirtschaftlichen Lebens, an deren Geheimhaltung nach schweizerischer Auffassung ein schutzwürdiges Interesse besteht und die deshalb dem Ausland gegenüber geschützt werden sollen (
BGE 101 IV 199
E. 4a), und damit als Geschäftsgeheimnis im Sinne von
Art. 273 StGB
gelten namentlich Betriebsgeheimnisse, die ein schweizerisches Wirtschaftsunternehmen geheimhalten will; ihre Preisgabe verletzt nicht nur private, sondern mittelbar zugleich nationale volkswirtschaftliche, also staatliche Interessen (
BGE 98 IV 211
). Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kannte der Beschwerdeführer den Geheimnischarakter der die Roche-Unternehmen betreffenden, in den Management-Informations und im Jann-letter dargestellten wirtschaftlichen Vorgänge. Ein mehreres aber war zur Annahme, er habe diese Geschäftsgeheimnisse im Sinne von
Art. 273 StGB
darstellenden Tatsachen vorsätzlich bekannt gemacht, nicht erforderlich. Ob er um den staatlichen Schutz solcher Geheimnisse und damit um die Verletzung nicht bloss privater, sondern auch staatlicher Interessen im Falle ihrer Preisgabe wusste, ist unerheblich, weil nicht das objektive Tatbestandsmerkmal des Geschäftsgeheimnisses betreffend (
BGE 99 IV 58
f.). Fehl geht auch die Berufung auf mangelndes Bewusstsein der Rechtswidrigkeit seines Handelns sowie auf Unkenntnis der Strafnorm von
Art. 273 StGB
(
BGE 99 IV 59
).
b) Ob der Beschwerdeführer wusste, dass es sich bei der EG-Kommission um eine fremde amtliche Stelle handelt, ist nicht
BGE 104 IV 175 S. 183
Rechts-, sondern Tatfrage, welche die Vorinstanz für den Kassationshof verbindlich entschieden hat. Dass sie von einem unrichtigen Begriff der fremden amtlichen Stelle ausgegangen wäre, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Wieso Unkenntnis der Strafnorm von
Art. 273 StGB
das durch die Vorinstanz festgestellte Wissen auszuschliessen vermocht hätte, wie der Beschwerdeführer behauptet, ist unerfindlich.
5.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf Verbotsirrtum, da er
Art. 273 StGB
nicht gekannt habe. Diese Bestimmung sei dogmatisch dem Nebenstrafrecht zuzuordnen; wegen ihrer Ausgefallenheit und Einzigartigkeit habe ein Unrechtsbewusstsein bei ihm nicht aufkommen können. Er habe ferner aus zureichenden Gründen angenommen, zur Tat berechtigt zu sein. Nach bisheriger Tätigkeit und persönlichen Verhältnissen habe er mit dem schweizerischen Recht und insbesondere mit einer derart aussergewöhnlichen Strafbestimmung wie der von
Art. 273 StGB
nicht vertraut sein können. Bundespolizei-Kommissär Hofer habe nach seinen Zeugenaussagen bei der ersten Abhörung den bestimmten Eindruck gehabt, er sei sich nicht bewusst gewesen, eine unrechte Tat begangen zu haben. Zudem habe er in der Überzeugung gehandelt, Unrecht entdeckt und dieses der zuständigen Behörde angezeigt zu haben. Wenn der Erste Staatsanwalt sich zur Beantwortung der Frage ausserstande erklärte, ob es sich bei der EG-Kommission um eine fremde amtliche Stelle handle, und der Strafgerichtspräsident für deren Entscheid beim Eidg. Justiz- und Polizeidepartement ein Gutachten einholte, so könne bei ihm als Ausländer mit relativ kurzer Aufenthaltsdauer in der Schweiz nicht vorausgesetzt werden, dass er über die mit dem Rechtsempfinden nicht in Übereinstimmung zu bringende verfahrensrechtliche Regelung des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und der EWG sowie darüber habe im klaren sein können, dass es sich bei der EG-Kommission um eine fremde amtliche Stelle handle.
a) Nach der Feststellung des Strafgerichts hatte der Beschwerdeführer das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun, als er die Management-Informations und den Jann-letter der EG-Kommission übergab, was er durch sein Zugeständnis in der Beschwerde, die arbeitsvertragliche Geheimhaltungspflicht gekannt zu haben, zudem selber anerkennt. Ob Kommissär Hofer den gegenteiligen Eindruck hatte, ist belanglos; die Feststellung
BGE 104 IV 175 S. 184
des Strafgerichts betrifft tatsächliche Verhältnisse und ist daher für den Kassationshof verbindlich. Handelte der Beschwerdeführer aber im Bewusstsein der Verletzung einer arbeitsrechtlichen Pflicht, so hatte er das bestimmte Empfinden, unbefugt zumindest gegen subjektive Rechte anderer zu verstossen, was die Annahme von Verbotsirrtum ausschliesst (
BGE 70 IV 100
E. 5). Da die vom Beschwerdeführer offenbarten Tatsachen Geschäftsgeheimnisse sowohl im Sinne von
Art. 162 StGB
wie von
Art. 273 StGB
sind, und Art. 273 an die Verratshandlung als solche keine weitergehenden Anforderungen stellt als Art. 162, das Vorhandensein des Unrechtsbewusstsein im einen es auch für den andern Fall impliziert, geht die Berufung auf die angebliche Ausgefallenheit und Einzigartigkeit jener Strafnorm und ihre behauptete dogmatische Zugehörigkeit zum Nebenstrafrecht fehl, um zureichende Gründe für ein in deren Anwendungsbereich angeblich fehlendes Unrechtsbewusstsein darzutun. Dem Beschwerdeführer kann auch die behauptete Unkenntnis der Strafnorm von
Art. 273 StGB
nicht helfen, da
Art. 20 StGB
nicht schon anwendbar ist, wenn der Täter zureichende Gründe hatte, die Tat nicht für strafbar zu halten, sondern einzig dann, wenn seine Gründe die Annahme, er tue überhaupt kein Unrecht, zu entschuldigen vermögen (
BGE 100 IV 51
E. 2). Der Beschwerdeführer wusste nach der verbindlichen tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz, dass es sich bei der EG-Kommission um eine nicht schweizerische und damit fremde amtliche Stelle handelt, sodass, was er hiegegen einwendet, sich als unzulässige Kritik am Beweisergebnis erweist (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
); es war demnach auch in bezug auf dieses objektive Tatbestandsmerkmal keine Rechtsfrage zu lösen, die der Beschwerdeführer wegen ihrer besonderen Natur und erhöhten Kompliziertheit nicht erkennen konnte, was die ausnahmsweise Zubilligung von Rechtsirrtum an einen rechtsunkundigen Täter erlaubt hätte (
BGE 98 IV 303
E. 4a). Ob er die im Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EWG getroffene verfahrensrechtliche Regelung kannte, bleibt unter diesen Umständen unerheblich.
b) Handelt der Täter im Bewusstsein, Unrecht zu tun, so ist Rechtsirrtum schlechthin ausgeschlossen (
BGE 99 IV 250
E. 1). Es kommt daher nichts darauf an, ob der Beschwerdeführer die Geschäftsgeheimnisse darstellenden Tatsachen der EG-Kommission
BGE 104 IV 175 S. 185
in der Überzeugung zugänglich machte, Unrecht entdeckt zu haben und dieses der zur Ahndung zuständigen Behörde anzuzeigen.
6.
Schliesslich behauptet der Beschwerdeführer Sachverhaltsirrtum in bezug auf die Qualifikation der EG-Kommission als fremde amtliche Stelle. Er sei der Auffassung gewesen, das von ihm festgestellte rechtswidrige Verhalten von Roche der für die Beurteilung zuständigen Stelle gemeldet zu haben.
Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts und der Vorinstanz wusste der Beschwerdeführer, dass die Schweiz nicht EWG-Mitglied ist und dass es sich bei der EG-Kommission um eine fremde, also nicht schweizerische amtliche Stelle handelte. Das schliesst eine irrige Vorstellung über den Sachverhalt aus. Ob die EG-Kommission die für die Beurteilung der vom Beschwerdeführer angeprangerten Geschäftspraktiken von Roche zuständige Stelle war, ist unerheblich.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
| null |
nan
|
de
| 1,978 |
CH_BGE
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CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
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a8e95e87-d193-4b73-8d85-9ce49978532f
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Urteilskopf
92 I 60
12. Urteil vom 4. Februar 1966 i.S. Einwohnergemeinde Laufenburg gegen Regierungsrat des Kantons Aargau.
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Regeste
Sperrfrist für die Weiterveräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke; Ausnahmebewilligung (
Art. 218, 218 bis OR
).
1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).
2. Legitimation zur Beschwerde (Erw. 2).
3. Voraussetzungen der Ausnahmebewilligung. Es ist nicht erforderlich, dass wichtige Gründe bei beiden Vertragsparteien vorliegen (Erw. 4).
4. Verweigerung der Ausnahmebewilligung in einem Falle, in dem der Verkäufer einen Spekulationsgewinn erzielen und der Käufer, eine Gemeinde, sich eine Baulandreserve vor einem weiteren Anstieg der Bodenpreise sichern will (Erw. 5).
|
Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 92 I 60 S. 61
A.-
Der Kaufmann Emil Stutz, in Lenzburg, kaufte am 4. Januar 1963 das in der Gemeinde Laufenburg liegende, 406,64 a messende landwirtschaftliche Grundstück "Grosse Schollenhalde" zum Preise von Fr. 191, 120.80. Am 5. Januar 1965, also vor Ablauf der zehnjährigen Sperrfrist des
Art. 218 OR
, verkaufte er es zum Preise von Fr. 406'640.-- an die Einwohnergemeinde Laufenburg, welche überdies die Bezahlung der Grundstückgewinnsteuer übernahm.
Er und die Gemeinde ersuchten die Landwirtschaftsdirektion des Kantons Aargau unter Berufung auf
Art 218 bis OR
, diese Veräusserung zu gestatten. Die Landwirtschaftsdirektion wies das Gesuch ab.
Auf Beschwerde der Gemeinde hin bestätigte der Regierungsrat des Kantons Aargau diese Verfügung mit Entscheid vom 15. Juli 1965. Er führte aus, die Gemeinde habe das Grundstück ursprünglich für den Bau eines Spitals verwenden wollen, doch habe sie diese Absicht aufgegeben, so dass auf ihrer Seite ein wichtiger Grund im Sinne des
Art. 218 bis OR
nicht mehr vorliege. Auf jeden Fall fehle ein solcher Grund auf Seiten des Verkäufers Stutz. Die Veräusserung habe spekulativen Charakter; würde sie doch dem Verkäufer nach einer Besitzesdauer von nur zwei Jahren einen hohen Gewinn verschaffen, mit dem er wiederum Land zum Zwecke der Spekulation erwerben könnte.
B.-
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Einwohnergemeinde Laufenburg, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben und den Kaufvertrag vom 5. Januar 1965 zu genehmigen.
Es wird geltend gemacht, der angefochtene Entscheid verletze
Art. 218 bis OR
. Die Auffassung des Regierungsrates, dass wichtige Gründe bei beiden Vertragsparteien vorliegen müssten, sei willkürlich. Auf Seiten der Beschwerdeführerin beständen solche Gründe. Da sie gebietsmässig eine der kleinsten Gemeinden des Kantons Aargau sei und ihre Baulandreserve nur 6 ha umfasse, sei sie dringend auf weiteres Bauland angewiesen. Mit dem Übergang an sie werde die "Grosse Schollenhalde" der Spekulation entzogen. Auf dem Land könnten später öffentliche
BGE 92 I 60 S. 62
Bauten oder Wohnbauten, welche voraussichtlich zu vernünftigen Bedingungen vermietet würden, erstellt werden. Die Gemeinde habe ein grosses Interesse daran, das Grundstück jetzt zu erwerben, da es noch zu einem annehmbaren Preise erhältlich sei. Es müsse damit gerechnet werden, dass nach Ablauf der Sperrfrist die Bodenpreise weiter gestiegen sein werden, und es sei nicht sicher, dass das Land dannzumal nicht wieder in private Hände übergehe.
Der Regierungsrat lasse denn auch durchblicken, dass er wichtige Gründe bei der Beschwerdeführerin noch annehmen könnte. Er lege entscheidendes Gewicht auf die Verhältnisse beim Verkäufer Stutz. Leider habe die Gemeinde sich nicht schon zwei Jahre früher um das Grundstück beworben. Damals habe Stutz noch kaum mit einem so raschen Weiterverkauf rechnen können. Die blosse Möglichkeit, dass er mit dem Verkaufsgewinn anderes Land in spekulativer Absicht erwerben werde, rechtfertige es jedenfalls nicht, das Vorliegen eines wichtigen Grundes auf Seiten der Gemeinde zu verneinen.
C.-
Der Regierungsrat des Kantons Aargau und das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 218 Abs. 1 OR
dürfen landwirtschaftliche Grundstücke während einer Frist von zehn Jahren, vom Eigentumserwerb an gerechnet, weder als Ganzes noch in Stücken veräussert werden. Diese Bestimmung ist gemäss Abs. 2 daselbst nicht anwendbar auf Bauland, auf Grundstücke, die sich in vormundschaftlicher Verwaltung befinden, und auf Grundstücke, die im Betreibungs- und Konkursverfahren verwertet werden.
Art. 218 bis OR
sieht eine weitere Ausnahme vor: Die vom Kanton der gelegenen Sache als zuständig erklärte Behörde kann aus wichtigen Gründen eine Veräusserung vor Ablauf der zehnjährigen Frist gestatten, wie namentlich zum Zwecke einer erbrechtlichen Auseinandersetzung, der Abrundung landwirtschaftlicher Betriebe sowie zur Verhinderung einer Zwangsverwertung.
Art. 218 bis OR
bestimmte ursprünglich in einem zweiten Satz, dass die kantonale Behörde endgültig entscheidet. Danach konnte der Entscheid der einzigen oder letzten kantonalen Instanz nicht mit einem ordentlichen eidgenössischen Rechtsmittel,
BGE 92 I 60 S. 63
sondern nur mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte angefochten werden. Durch das Bundesgesetz vom 19. März 1965 über die Änderung der Vorschriften des ZGB und des OR betreffend das Baurecht und den Grundstückverkehr ist der zweite Satz des
Art. 218 bis OR
aufgehoben und ein neuer Art. 218 quater in das OR eingefügt worden, welcher u.a. gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über die Anwendung des
Art. 218 bis OR
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässt. Nach dieser neuen Ordnung, die am 1. Juli 1965 in Kraft getreten ist, unterliegt der angefochtene Entscheid des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 15. Juli 1965 der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
2.
Die Gemeinde Laufenburg ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (
Art. 103 Abs. 1 OG
); denn sie war in dem angefochtenen Entscheide als Partei beteiligt, und zudem ist sie durch ihn, wie sie geltend macht, in ihren Rechten verletzt, wenn vorausgesetzt wird, er sei objektiv rechtswidrig.
3.
Es ist nicht bestritten, dass die "Grosse Schollenhalde" ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des
Art. 218 Abs. 1 OR
darstellt und nicht unter die in Abs. 2 ebenda (für Bauland usw.) vorgesehenen Ausnahmen fällt. Die Liegenschaft untersteht daher dem Verbot der Veräusserung vor Ablauf der zehnjährigen Sperrfrist, es sei denn, dass sie davon nach
Art. 218 bis OR
auszunehmen wäre.
4.
Das Veräusserungsverbot des
Art. 218 Abs. 1 OR
bezweckt, den bäuerlichen Grundbesitz durch Unterbindung der Spekulation mit landwirtschaftlichen Grundstücken zu erhalten.
Art. 218 bis OR
ermöglicht es, Härten des grundsätzlich geltenden Verbots zu mildern, sofern die besonderen Verhältnisse des einzelnen Falles dies rechtfertigen (
BGE 89 I 9
). In der Fassung dieser Bestimmung als Kann-Vorschrift kommt zum Ausdruck, dass der kantonalen Behörde bei der Beurteilung des Sachverhalts ein weiter Spielraum des Ermessens eingeräumt ist.
Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat sich früher auf den Standpunkt gestellt, dass eine Ausnahme nach
Art. 218 bis OR
nur bewilligt werden könne, wenn wichtige Gründe bei beiden Vertragsparteien vorhanden seien (Beispiel: BGE 88 1 203). Auch im angefochtenen Entscheide scheint er von dieser Auffassung auszugehen; denn er führt dort aus, selbst wenn
BGE 92 I 60 S. 64
bei der Gemeinde Laufenburg wichtige Gründe vorlägen, müsste die Genehmigung des Kaufvertrages verweigert werden, weil auf der Seite des Verkäufers solche Gründe zweifellos fehlten.
Nun hat aber das Bundesgericht schon zur Zeit, da seine Prüfung auf den Gesichtspunkt der Willkür beschränkt war, erklärt, dass die starre Anwendung dieses Grundsatzes mit
Art. 218 bis OR
nicht vereinbar sei. Dass dem so ist, ergibt sich in der Tat aus den in dieser Bestimmung erwähnten Beispielen, bei denen ein wichtiger Grund in aller Regel nur bei einer der Vertragsparteien vorliegt. Das Bundesgericht hat es daher als willkürlich bezeichnet, wenn die kantonale Behörde "das Vorliegen wichtiger Gründe nicht im Zusammenhang mit dem ganzen Kaufgeschäft und als Einheit, sondern getrennt beim Verkäufer und beim Käufer prüft und die Bewilligung zum vorzeitigen Verkauf ohne jede Rücksicht auf das Gewicht und die Bedeutung der bei der einen Vertragspartei bestehenden Gründe verweigert, wenn bei der anderen Vertragspartei keine wichtigen Gründe im Sinne von
Art. 218 bis OR
vorliegen" (Urteil vom 19. Dezember 1962 i.S. Scheuber gegen Aargau, Erw. 2, abgedruckt im ZBl 64/1963 S. 155). Hieran ist festzuhalten. In seiner Vernehmlassung schliesst sich übrigens auch der Regierungsrat dieser Betrachtungsweise an.
5.
Prüft man den Sachverhalt, wie er sich bei beiden Vertragsparteien und im Zusammenhang darstellt, so ergibt sich:
a) Es ist offenbar nicht bestritten, dass beim Verkäufer Stutz keine wichtigen Gründe zu einem vorzeitigen Verkauf bestehen. Er würde, wenn der Vertrag genehmigt würde, nach einer Besitzesdauer von nur zwei Jahren einen Gewinn von rund Fr. 215'500.-- erzielen. Er hat das Grundstück nicht für den Eigengebrauch erworben, sondern in der Absicht, es möglichst bald wieder mit Gewinn zu veräussern, d.h. zum Zwecke der Spekulation. Solche Spekulationsgeschäfte zu erschweren, ist gerade der Zweck der Sperrfrist des
Art. 218 OR
(
BGE 88 I 204
). Durch eine Ausnahmebewilligung würde also im vorliegenden Falle genau das ermöglicht, was das Gesetz verhindern will. Ob der Verkäufer schon beim Erwerb der Liegenschaft einen so baldigen und so grossen Gewinn beabsichtigt oder vorausgesehen hat, ist unerheblich. Wenn der Gewinn seine Erwartungen übertrifft, ändert dies nichts daran, dass es sich bei
BGE 92 I 60 S. 65
ihm um ein typisches Spekulationsgeschäft handelt. Unter diesen Umständen braucht die Annahme des Regierungsrates, dass der Verkäufer wohl mit dem Gewinn alsbald wieder anderes Land in Spekulationsabsicht erwerben würde, nicht weiter geprüft zu werden.
b) Die Gemeinde Laufenburg benötigt die "Grosse Schollenhalde" nicht für einen sofort zu verwirklichenden öffentlichen Zweck, insbesondere nicht für den Bau eines Spitals. Aus der Beschwerdeschrift geht hervor, dass auch der Wohnbau, für den das Grundstück eventuell in Aussicht genommen ist, nicht etwa unmittelbar bevorsteht. Benötigt aber die Gemeinde das Land nicht vor dem Jahre 1973 (Ablauf der Sperrfrist), so wird ihre Chance, es noch rechtzeitig erwerben zu können, durch das Verbot eines vorzeitigen Kaufs nicht zerstört. Die Gemeinde fürchtet allerdings, das Grundstück könnte ihr entgehen, wenn sie es nicht jetzt kaufen kann. Allein unter gleichen Verhältnissen kann der heutige Eigentümer die "Grosse Schollenhalde" vor dem Ablauf der Sperrfrist auch keinem Dritten verkaufen. Ernster zu nehmen ist die Befürchtung der Gemeinde, dass die Bodenpreise weiter ansteigen, sie also im Jahre 1973 einen höheren Preis werde auslegen müssen als jetzt. Auch wenn, wie der Regierungsrat in der Vernehmlassung ausführt, die Bodenpreise zurzeit "eher sinkende Tendenz aufweisen", ist doch mit einer weiteren Verteuerung bis zum Jahre 1973 ernsthaft zu rechnen. Das ist aber der einzige Gesichtspunkt, den die Gemeinde als wichtigen Grund für einen sofortigen Erwerb der "Grossen Schollenhalde" anführen kann.
c) Als wichtige Gründe stehen sich also gegenüber die Verhinderung eines rechtlich verpönten Spekulationsgeschäftes auf der einen, die Ermöglichung des sofortigen Bodenerwerbs durch die Gemeinde, um einer allfälligen Erhöhung des Bodenpreises zuvorzukommen, auf der anderen Seite. Wenn der Regierungsrat bei diesem Sachverhalt die Verunmöglichung des Spekulationsgeschäfts in den ersten Rang gestellt und deshalb die Ausnahmebewilligung verweigert hat, so hat er das ihm zustehende Ermessen weder überschritten noch missbraucht. Nur dann, wenn ihm ein solcher Ermessensfehler vorzuwerfen wäre, läge aber eine Rechtsverletztung vor, die durch das Bundesgericht zu beheben wäre (
BGE 87 I 438
/9,
BGE 89 I 340
). Die Befugnis der Gemeinde, die "Grosse Schollenhalde" nach Ablauf der Sperrfrist zu erwerben, steht nicht
BGE 92 I 60 S. 66
im Streit. Ihre Chance, das Land zu erhalten, wird dannzumal kaum geringer sein als jetzt. Sollte die Gemeinde indessen aus einem Grunde, der heute noch nicht ersichtlich ist, das Grundstück schon vor Ablauf der Sperrfrist zur Überbauung benötigen, so kann sie es bereits vorher kaufen, sobald es in Bauland umgewandelt worden ist. Alsdann gilt nicht mehr
Art. 218 Abs. 1 OR
, sondern Abs. 2 ebenda, welcher Bauland von der Sperrfrist ausnimmt. Der heutige Eigentümer kann das Land erschliessen, sei es ohne, sei es mit finanzieller Beihilfe der Gemeinde, oder diese kann mit seiner Zustimmung die Erschliessung auch gleich selber besorgen. Vorbehalten bleibt ferner das Recht der Gemeinde, die Enteignung des Grundstückes für die Ausführung eines im öffentlichen Interesse liegenden konkreten Bauvorhabens zu verlangen.
Durch die Verweigerung der Ausnahmebewilligung hat also der Regierungsrat weder die gegenwärtigen Bedürfnisse der Gemeinde Laufenburg missachtet, noch ihr verunmöglicht, ihre allfälligen künftigen Interessen zu wahren. Mit der Hintanstellung der Gefahr, dass die Gemeinde bei Ablauf der Sperrfrist für den Boden vielleicht mehr wird bezahlen müssen als heute, hat er die Rangordnung der sich gegenüberstehenden wichtigen Gründe nicht sachwidrig bestimmt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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public_law
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nan
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| 1,966 |
CH_BGE
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CH_BGE_001
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CH
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Federation
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a8f274ca-3949-4590-988b-34a61eee03f5
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Urteilskopf
112 Ia 107
19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. April 1986 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste
Art. 4 BV
, Begründungspflicht; Grundsatz "nulla poena sine lege".
1. Aus
Art. 4 BV
folgt die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen. Die Begründungsdichte lässt sich aber nicht einheitlich festlegen. Sie ist vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sowie der Interessen des Betroffenen im Blick auf die in der Rechtsprechung des Bundesgerichts entwickelten Grundsätze festzulegen (E. 2).
2. Das Prinzip "nulla poena sine lege" ist verletzt, wenn die Exekutive ein Verhalten untersagt und unter Strafe stellt, das der Gesetzgeber nicht verbieten wollte (E. 3).
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Sachverhalt
ab Seite 108
BGE 112 Ia 107 S. 108
Gemäss § 19 der aargauischen Verordnung zum Wirtschaftsgesetz vom 16. August 1976 (VV WG) ist Jugendlichen, welche das 16. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben, der Aufenthalt in Spiellokalen untersagt. Das Bezirksgericht Zofingen erklärte am 8. Dezember 1983 B. in Anwendung dieser Bestimmung des Duldens eines Jugendlichen unter 16 Jahren im Spielsalon X. in A. schuldig und büsste sie mit Fr. 100.--.
B. gelangte an das Obergericht des Kantons Aargau mit dem Antrag auf Aufhebung des bezirksgerichtlichen Urteils und Freisprechung von Schuld und Strafe. Die 1. Strafkammer dieses Gerichts wies mit Entscheid vom 29. März 1984 die Berufung ab, wobei sie bloss auf das Berufungsbegehren eintrat, nicht aber auf dessen Begründung in der Annahme, diese sei durch eine nicht zur Ausübung der Advokatur im Kanton Aargau befugte Person unterzeichnet worden. Eine dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil vom 22. Oktober 1984 wegen überspitzten Formalismus gut. Die 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau wies die Berufung von B. mit Entscheid vom 22. November 1984 erneut ab. Dabei erwog sie im wesentlichen, § 19 VV WG biete eine hinreichende gesetzliche Grundlage eines Zutrittverbotes für Jugendliche unter 16 Jahren in Spiellokalen, genüge dem strafrechtlichen Legalitätsprinzip und gestatte, auch die Aufsichtsperson über das Lokal zu bestrafen, sofern diese schuldhaft den Aufenthalt Unbefugter dulde.
B. führt auch gegen dieses Urteil staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, es wegen Verletzung von
Art. 4 BV
aufzuheben. Sie rügt einerseits eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör mangels hinreichender Begründung des angefochtenen Entscheides, anderseits eine Verletzung des Grundsatzes "nulla poena sine lege".
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Sie wirft der kantonalen Instanz
BGE 112 Ia 107 S. 109
vor, sich im angefochtenen Entscheid nicht einlässlich mit den von ihr vorgetragenen Berufungsgründen auseinandergesetzt zu haben. Insbesondere äussere sich das Obergericht weder im ersten noch im zweiten Urteil zur zentralen Frage, ob der als Grundlage für die Verurteilung dienende § 19 VV WG durch eine Delegationsnorm des Gesetzes über das Wirtschaftswesen und den Handel mit geistigen Getränken (Wirtschaftsgesetz) vom 2. März 1903 (WG) abgedeckt sei.
a) Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör bestimmt sich in erster Linie nach den kantonalen Verfahrensvorschriften. Wo sich jedoch der kantonale Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus
Art. 4 BV
folgenden Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz. Das Gesetz über die Strafrechtspflege (Strafprozessordnung - StPO) vom 11. November 1958 regelt die Begründung von Berufungsurteilen nicht ausdrücklich (vgl. § 223). Die Beschwerdeführerin macht deshalb auch nicht geltend, eine Norm des kantonalen Rechts verpflichte die Behörde zu einer einlässlicheren Begründung ihres Entscheides, als dies
Art. 4 BV
gebiete. Es ist daher einzig - und zwar mit freier Kognition - zu prüfen, ob das Obergericht des Kantons Aargau mit der gegebenen Begründung den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör, wie er unmittelbar aus
Art. 4 BV
fliesst, verletzt hat (
BGE 110 Ia 81
E. 5b, 85 E. 3b, 101 E. 4a; mit Hinweisen).
b) Das rechtliche Gehör als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt (vgl. dazu
BGE 112 Ia 3
E. 3c mit Hinweisen). Daraus folgt die grundsätzliche Pflicht der Behörden, ihren Entscheid zu begründen (
BGE 111 Ia 1
E. 2a;
BGE 107 Ia 248
E. 3a; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte. Besonderer Teil, Bern 1985, S. 250 ff.; vgl. dazu auch
Art. 35 VwVG
;
BGE 104 V 154
;
BGE 99 V 188
;
BGE 98 Ib 195
E. 2). Der Bürger soll wissen, warum die Behörde entgegen seinem Antrag entschieden hat. Zudem kann durch die Verpflichtung zur Offenlegung der Entscheidgründe verhindert werden, dass sich die Behörde von unsachlichen Motiven leiten lässt. Die Begründungspflicht erscheint so nicht nur als ein bedeutsames Element transparenter Entscheidfindung, sondern dient zugleich auch der wirksamen Selbstkontrolle der Behörde (vgl. dazu
BGE 103 Ia 205
E. 4c; Urteil vom 26. Januar
BGE 112 Ia 107 S. 110
1977, E. 2b, in EuGRZ 1977, S. 108; THOMAS COTTIER, Der Anspruch auf rechtliches Gehör (
Art. 4 BV
), in recht 1984, S. 126).
Aufgrund dieses allgemeinen verfassungsrechtlichen Anspruchs lassen sich allerdings keine generellen Regeln aufstellen, denen eine Begründung zu genügen hätte. Es wäre deshalb auch verfehlt, das von
Art. 4 BV
geforderte Mass, die Begründungsdichte, im Sinne eines Minimalstandards einheitlich festzulegen (THOMAS COTTIER, a.a.O., S. 126 f.). Die Anforderungen sind vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles sowie der Interessen des Betroffenen im Blick auf folgende, in der Rechtsprechung des Bundesgerichts entwickelte Grundsätze festzulegen: Da dem Anspruch gestützt auf
Art. 4 BV
gegenüber dem kantonalen Verfahrensrecht nur subsidiäre Bedeutung zukommt, dürfen an die Begründung eines kantonalen Entscheides keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, insbesondere dann nicht, wenn das kantonale Recht selbst keine Pflicht zur Begründung vorsieht (
BGE 104 Ia 322
E. 3a mit Hinweisen sowie
BGE 111 Ia 1
E. 2a;
BGE 101 Ia 305
E. 4c,
BGE 99 Ia 692
E. 5 mit Hinweis). Die Begründung eines Entscheides muss so abgefasst sein, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Dies ist nur dann möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt (
BGE 105 Ib 248
E. 2a;
BGE 101 Ia 48
E. 3; vgl. auch
BGE 107 Ia 248
E. 3a). Das bedeutet indessen nicht, dass sich diese ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (
BGE 99 V 188
mit Hinweisen). Weiter ist die verfassungsmässige Begründungsdichte abhängig von der Entscheidungsfreiheit der Behörde und der Eingriffsintensität des Entscheides. Je grösser der Spielraum, welcher der Behörde infolge Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriffe eingeräumt ist (
BGE 104 Ia 213
E. 5g;
BGE 98 Ia 465
E. 4a; mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 108 Ib 195
E. 5d sowie VPB 1977 Nr. 114, S. 123), und je stärker ein Entscheid in die individuellen Rechte eingreift (
BGE 101 Ia 305
E. 4c), desto höhere Anforderungen sind an die Begründung eines Entscheides zu stellen.
c) Im vorliegenden Falle hat sich das Obergericht des Kantons Aargau mit dem Einwand der Beschwerdeführerin, § 19 VV WG
BGE 112 Ia 107 S. 111
biete keine hinreichende gesetzliche Grundlage für ihre Bestrafung, auseinandergesetzt. Es hat erwogen, die Vollziehungsverordnung als Gesetz im materiellen Sinne könne die Grundlage eines Übertretungstatbestandes abgegeben und der Regierungsrat sei gestützt auf
§ 49 Abs. 2 WG
, der ihn unter anderem beauftrage, für den Schutz der Minderjährigen zu sorgen, befugt gewesen, dieses Verbot zu erlassen. Damit hat die kantonale Instanz hinreichend dargelegt, weshalb ihrer Auffassung nach das strafrechtliche Legalitätsprinzip nicht verletzt sei. Der angefochtene Entscheid wahrt deshalb die aus
Art. 4 BV
abgeleiteten Anforderungen an die Begründung eines Entscheides. Unerheblich ist dabei, dass die gerichtlichen Motive weniger ausführlich ausgefallen sind als die Berufungsbegründung der Beschwerdeführerin. Dass sie ausreichten, die Erwägungen des Gerichtes zu erkennen und sich mit ihnen im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens sachgerecht auseinanderzusetzen, zeigt auch gerade die Rüge der Beschwerdeführerin, welche sich in bezug auf die Verletzung des Prinzips "nulla poena sine lege" als berechtigt erweist (vgl. E. 3). Das Gericht war auch deshalb nicht zu einer ausführlicheren Begründung verpflichtet, weil die der Beschwerdeführerin auferlegte Busse keinen schweren Eingriff in ihre persönlichen Rechte bedeutet. Zudem war eine reine Rechtsfrage zu beantworten, nämlich, ob § 19 VV WG eine genügende gesetzliche Grundlage für die verhängte Busse darstellt. Der Vertreter der Beschwerdeführerin war als Jurist ohne weiteres in der Lage, zu erkennen, warum die Argumentation des Obergerichts zweifelhaft sein könnte.
Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang auch der Einwand der Beschwerdeführerin, das Obergericht des Kantons Aargau habe sich im wesentlichen darauf beschränkt, die Begründung seines ersten, im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren aufgehobenen Entscheides vom 29. März 1984 wiederzugeben. Das Bundesgericht hat diesen nicht aus materiellen Gründen, sondern ausschliesslich wegen überspitzten Formalismus aufgehoben und das Obergericht verpflichtet, die Berufungsbegründung zu beachten. Kam dieses in der Sache trotzdem zu keinem anderen Ergebnis, so durfte es ohne weiteres auf die Erwägungen seines ersten Entscheides zurückgreifen. Ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine erweiterte oder geänderte Begründung bestand nicht. Die zu beurteilenden Rechtsfragen blieben unbesehen der Berücksichtigung der Ausführungen in der Berufungsschrift dieselben.
BGE 112 Ia 107 S. 112
Genügt demnach die Begründung des angefochtenen Entscheides den Anforderungen von
Art. 4 BV
, so erweist sich die Rüge einer Gehörsverletzung als unbegründet.
3.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei bestraft worden, ohne dass dafür eine hinreichende gesetzliche Grundlage bestehe, weshalb das Obergericht des Kantons Aargau das Prinzip "Keine Strafe ohne Gesetz" verletzt habe.
a) Der Grundsatz "nulla poena sine lege" folgt aus
Art. 4 BV
und ist dann verletzt, "wenn ein Bürger wegen einer Handlung, die im Gesetze überhaupt nicht als strafbar bezeichnet ist, strafrechtlich verfolgt wird, oder wenn eine Handlung, derentwegen ein Bürger strafrechtlich verfolgt wird, zwar in einem Gesetz mit Strafe bedroht ist, dieses Gesetz selber aber nicht als rechtsbeständig angesehen werden kann, oder endlich, wenn der Richter eine Handlung unter ein Strafgesetz subsumiert, die darunter auch bei weitestgehender Auslegung nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nicht subsumiert werden kann" (BGE 27, S. 339 E. 1). Der Bundesgesetzgeber hat dieses Prinzip in
Art. 1 StGB
übernommen. Würde es sich um die Anwendung eidgenössischen Strafrechts handeln, so könnte nur noch die Verletzung der genannten Regel des Strafgesetzbuches mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden. Das Obergericht hat jedoch kantonales, nicht eidgenössisches Strafrecht angewendet, sodass sich die Beschwerdeführerin auf
Art. 4 BV
berufen kann mit der Behauptung, das angefochtene Urteil verletze den Satz "Keine Strafe ohne Gesetz" (
BGE 103 Ia 96
E. 4 mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, es bestehe für ihre Bestrafung gar keine gesetzliche Grundlage, noch rügt sie, das Obergericht habe ihre Handlung bzw. Unterlassung in willkürlicher Weise unter § 19 VV WG subsumiert. Es ist deshalb einzig zu prüfen, ob diese Bestimmung einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält. Soweit im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde geltend gemacht wird, eine kantonale Norm sei verfassungswidrig, kann diese Rüge auch noch bei der Anwendung der fraglichen Bestimmung mit der Beschwerde gegen einen gestützt darauf ergangenen Entscheid erhoben werden; sie führt zu einer inzidenten Normenkontrolle (
BGE 109 Ia 99
E. 1b mit Hinweisen).
b) Jede Strafe, welche einen Freiheitsentzug mit sich bringt, bedarf als schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit einer klaren Grundlage in einem formellen Gesetz (
BGE 99 Ia 269
E. 5; vgl. auch
BGE 64 I 375
E. 5;
BGE 63 I 330
E. 2 sowie
BGE 90 I 39
E. 4 und 5; THOMAS
BGE 112 Ia 107 S. 113
COTTIER, Die Verfassung und das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage, Diessenhofen 1983, S. 53 ff., 64; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 16 f.; ANDRÉ GRISEL, La liberté personnelle et les limites du pouvoir judiciaire, in Revue internationale de droit comparé, 1975, S. 549 ff.; vgl. auch PETER NOLL, Schweizerisches Strafrecht. Allgemeiner Teil I, Allgemeine Voraussetzungen der Strafbarkeit, Zürich 1981, S. 41). Für andere Strafen genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Verordnung, die sich im Rahmen von Verfassung und Gesetz hält (
BGE 96 I 29
E. 4a mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 64 I 375
E. 5). Eine materiell hinreichende gesetzliche Grundlage vermag die Verordnung somit nur abzugeben, wenn sie die Schranken wahrt, die ihrem Regelungsbereich insbesondere durch die Prinzipien der Gewaltenteilung und der Normenhierarchie gesetzt sind. Aber auch auf dieser Normstufe müssen die Merkmale strafbaren Verhaltens und dessen Folgen im Zeitpunkt seiner Ausführung bestimmt und für jedermann klar erkennbar gewesen sein (HANS SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, Band 1, 4. Auflage, Bern 1982, S. 52; GÜNTHER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht. Allgemeiner Teil I: Die Straftat, Bern 1982, S. 72 ff.; ROBERT HAUSER/JÖRG REHBERG, Grundriss Strafrecht I, Verbrechenslehre, Zürich 1983, S. 34 f.). In älteren Entscheiden hat das Bundesgericht festgehalten, es sei auf dem Gebiete des Verwaltungsrechts nicht erforderlich, dass das formelle Gesetz den Verordnungsgeber ausdrücklich ermächtige, Strafandrohungen zur Durchsetzung von Geboten und Verboten zu erlassen. In der Befugnis der Behörde, solche Normen aufzustellen, sei beim Fehlen einer abweichenden positiven Anordnung die Kompetenz eingeschlossen, auf die Übertretung dieser Vorschriften Strafe anzudrohen (
BGE 63 I 330
E. 2 mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 64 I 375
E. 5). Es kann hier offenbleiben, ob diese Rechtsprechung aufgrund der neueren Praxis zur Delegation der gesetzgebenden Gewalt an die Exekutive neu überdacht werden müsste, denn wie die folgenden Erwägungen zeigen, erweist sich bereits die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Gesetzgeber habe das vom Regierungsrat in § 19 VV WG unter Strafe gestellte Verhalten gar nicht verbieten wollen, als zutreffend.
c) § 49bis des Wirtschaftsgesetzes regelt den Betrieb von Spielapparaten in Gastwirtschaften und Spiellokalen. Das Aufstellen und der Betrieb solcher Geräte ist bewilligungspflichtig (Abs. 1). Das Gesetz unterscheidet zwischen Geldspielautomaten, d.h.
BGE 112 Ia 107 S. 114
solchen, welche einen Geld- oder Sachgewinn abgeben, sowie einfachen Spielapparaten, welche nicht der materiellen Gewinnerzielung dienen. Sowohl in Gastwirtschaftsbetrieben wie in Spiellokalen ist bloss ein Geldspielapparat zulässig (Abs. 2). Im weiteren enthält das Gesetz eine Jugendschutzvorschrift, indem es Jugendlichen unter 16 Jahren das Spielen an Geldspielautomaten untersagt und den Anschlag dieser Ordnung am Eingang des Lokales verlangt (Abs. 4 und 5). Die Patentinhaber und veranwortlichen Organe sind verpflichtet, in Zweifelsfällen einen Altersnachweis zu verlangen (Abs. 5).
Der Regierungsrat hat seinerseits in § 19 VV WG unter der Marginale "Jugendschutz" Jugendlichen, welche das 16. Altersjahr nicht zurückgelegt haben, den Aufenthalt in Spiellokalen untersagt. Es ist zu prüfen, ob der Regierungsrat damit etwas verboten hat, was der Gesetzgeber erlauben wollte.
aa) Bereits nach dem Wortlaut ist zu vermuten, dass § 19 VV WG über
§ 49bis Abs. 4 WG
hinausgeht. Das Verbot, Spiellokale zu betreten, geht klarerweise weiter als das Verbot, an Geldspielautomaten zu spielen. Die Benützung von einfachen Spielapparaten ist dem Jugendlichen unter 16 Jahren nach dem Gesetz nicht untersagt. Solche Geräte aber dürften die hauptsächlichste Einrichtung jeden Spiellokales ausmachen, sind doch auch dort die Geldspielautomaten auf eine Anlage pro Lokal beschränkt. Der Gesetzgeber wollte somit nur die Benützung von Geldspielapparaten durch Jugendliche unter 16 Jahren untersagen, nicht auch weitergehend das Betreten von Spiellokalen schlechthin. Die Vermutung, es handle sich hier um ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers, wird durch die Materialien bestätigt.
bb) Der Gesetzesentwurf des Regierungsrates sah vor, Jugendlichen unter 18 Jahren das Spielen an Geldspielautomaten zu verbieten und ihnen den Zutritt zu Spiellokalen nur in Begleitung des Inhabers der elterlichen Gewalt zu gestatten. Anlässlich der ersten Lesung des Gesetzes im Grossen Rat des Kantons Aargau am 7. Mai 1980 gaben sowohl die Altersgrenze wie die Begleitungspflicht Anlass zu Diskussionen (Verhandlungen des Grossen Rates des Kantons Aargau, 1980, S. 2126 ff.). Ergebnis dieser Lesung war, dass die Altersgrenze von 18 Jahren für die Benützung von Geldspielautomaten beibehalten, die Begleitungspflicht für jüngere Benützer von Spiellokalen dagegen gestrichen wurde (S. 2130). Anlässlich der zweiten Lesung des Gesetzes am 23. September 1980 beantragte der Präsident der vorberatenden Kommission in deren
BGE 112 Ia 107 S. 115
Namen die Herabsetzung der Altersgrenze für die Benützung von Geldspielapparaten auf 16 Jahre (S. 2433). Vorgeschlagen wurde im Wortlaut die heutige Fassung von
§ 49bis Abs. 4 WG
, welche nach einer zusätzlichen Diskussion über die Altersgrenze zum Beschluss erhoben wurde (S. 2434).
Der Wille des Gesetzgebers ging somit nach den Materialien eindeutig dahin, nur die Benützung von Geldspielautomaten von einer Altersgrenze abhängig zu machen, nicht dagegen, Jugendlichen unter dieser Grenze generell das Betreten von Spiellokalen zu verbieten.
cc) Nach
§ 49bis Abs. 5 WG
ist die Jugendschutzvorschrift, wonach Jugendlichen unter 16 Jahren das Spielen an Geldspielautomaten untersagt ist, durch entsprechenden Anschlag am Eingang des Lokals deutlich bekannt zu geben. Auch diese Vorschrift verträgt sich nicht mit einem absoluten Betretungsverbot für diese Jugendlichen. Wäre ihnen der Zutritt zum Lokal schlechthin verwehrt, verlöre der Hinweis, wonach sie die Geldspielapparate nicht benützen dürfen, jeden Sinn. Auch die systematische Gesetzesauslegung führt dazu, in bezug auf die Frage, ob der Gesetzgeber den Jugendlichen unter 16 Jahren das Betreten von Spiellokalen verbieten wollte, ein qualifiziertes Schweigen anzunehmen.
dd) Eine durch Vollziehungsverordnung schliessbare Gesetzeslücke liegt somit offensichtlich nicht vor. Von einer echten Gesetzeslücke kann nur gesprochen werden, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann (
BGE 108 Ib 82
E. 4b). Das aargauische Wirtschaftsgesetz ist in diesem Sinne nicht unvollständig. Der Gesetzgeber hat sich darauf beschränkt, die Benützung bestimmter Automaten altersmässigen Beschränkungen zu unterstellen. Dagegen hat er es ausdrücklich abgelehnt, Jugendlichen unter 16 Jahren irgendwelche Betretungsbeschränkungen aufzuerlegen. Er hat damit den Besuch solcher Lokale auch Jugendlichen unter 16 Jahren grundsätzlich freigegeben, allerdings mit der Einschränkung, dass sie von der Benützung von Geldspielapparaten ausgeschlossen sind. Das generelle Betretungsverbot von § 19 VV WG hält somit vor dem Gesetz nicht stand und verletzt dadurch den in
Art. 4 BV
enthaltenen Grundsatz "nulla poena sine lege".
ee) Das Obergericht vertritt indessen die Meinung, gemäss
§ 49 Abs. 2 WG
habe der Regierungsrat für den Schutz der Minderjährigen
BGE 112 Ia 107 S. 116
zu sorgen. Er habe diesen Auftrag erfüllt, indem er in § 19 VV WG Jugendlichen, welche das 16. Altersjahr nicht zurückgelegt haben, den Aufenthalt in Spiellokalen generell untersagt. Ist aber in bezug auf ein solches Verbot auf ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers zu schliessen, so darf der Regierungsrat ohne Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht gestützt auf eine allgemein gehaltene Ausführungsbestimmung das erlaubte Verhalten trotzdem verbieten. Es lässt sich auch nicht sagen, das umstrittene Verbot sei nicht so wichtig, dass es auf der Verordnungsstufe hätte normiert werden können (vgl. dazu allgemein GEORG MÜLLER, Inhalt und Formen der Rechtsetzung als Problem der demokratischen Kompetenzordnung, Basel/Stuttgart 1979, S. 110 ff.) oder der Regierungsrat sei zu seinem Erlass sachlich besser geeignet gewesen (THOMAS COTTIER, Die Verfassung und das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage, Diessenhofen 1983, S. 171 ff.). Zuständig zum wertenden Entscheid über die Regelungsstufe eines Lebenssachverhaltes ist im demokratischen Staat der Gesetzgeber, sofern Verfassung und Gesetz nicht bereits eine Lösung enthalten (vgl. dazu auch
BGE 103 Ia 381
E. 6; GEORG MÜLLER, a.a.O., S. 123 ff.).
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich somit in diesem Punkt als begründet, und der angefochtene Entscheid ist aufzuheben.
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public_law
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nan
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de
| 1,986 |
CH_BGE
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CH_BGE_002
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CH
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Federation
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a8f359b6-0784-4a7e-b2e3-0e98589a3a0a
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Urteilskopf
108 Ib 85
15. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. Februar 1982 i.S. Joseph Müller AG gegen Bergesen und Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste
Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958.
- Verbindlichkeit des Schiedsspruches als Voraussetzung der Vollstreckung. Bedeutung und Schranken der Parteiautonomie in bezug auf die Gestaltung der Schiedsverfahrensordnung (E. 4a, b).
- Die Parteiautonomie verschafft den Litiganten insbesondere die Möglichkeit, durch Abrede den Zeitpunkt zu bestimmen, in welchem der Schiedsspruch unter ihnen verbindlich werden soll (E. 4c). - Verhältnisse im vorliegenden Fall (E. 4d).
- Zur Annahme der Verbindlichkeit genügt, dass der Schiedsspruch dem Exequatur zugänglich ist (E. 4e).
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Sachverhalt
ab Seite 86
BGE 108 Ib 85 S. 86
Die Joseph Müller AG, Zürich, und Sigval Bergesen, wohnhaft in Stavanger (Norwegen), schlossen am 3. September 1969, 20. Oktober 1970 und 17. März 1971 je einen Chartervertrag. Die drei Verträge weisen je eine Schiedsklausel auf, die folgenden Wortlaut hat (beglaubigte Übersetzung aus dem Englischen):
"Das Schiedsverfahren findet in der Stadt New York (Staat) New York, statt; es unterliegt den Gesetzen des Staates New York; der mehrheitlich gefällte Schiedsspruch ist durch jedes zuständige Gericht vollstreckbar und für die Parteien in der ganzen Welt endgültig rechtskräftig und bindend."
Zwischen den Parteien entstand in der Folge Streit, worauf das Schiedsverfahren eingeleitet wurde. Das Schiedsgericht verurteilte die Joseph Müller AG am 14. Dezember 1978 zur Zahlung von total $ 61'406.09 zuzüglich 8% Zins bis zur Bezahlung der Forderung.
Mit Verfügung vom 7. November 1979 erklärte der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirks Zürich den Schiedsspruch für vollstreckbar und gewährte definitive Rechtsöffnung im Betrag von Fr. 106'846.60 nebst 8% Zins seit 30. Juni 1979. Auf Rekurs der Joseph Müller AG hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer) die erstinstanzliche Verfügung mit Beschluss vom 8. Dezember 1980.
Dagegen richtet sich die staatsrechtliche Beschwerde der Joseph Müller AG. Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und das Verfahren zur Abweisung des Begehrens und der Vollstreckbarerklärung an das Obergericht zurückzuweisen. Sie beruft sich auf eine Verletzung von Art. V Ziff. 1 lit. e des Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (SR 0.277.12; im folgenden New Yorker Übereinkommen). Die Verletzung dieses Staatsvertrages erblickt sie darin, dass das Obergericht zu Unrecht den Schiedsspruch als verbindlich betrachtet habe. Nach dem Recht des Staates New York müsse ein Schiedsspruch innerhalb eines Jahres von einem staatlichen Gericht bestätigt werden (sog. "confirmation of award"). Erst der durch die "confirmation" bekräftigte Schiedsspruch stelle ein verbindliches und vollstreckbares Urteil im Sinne des New Yorker Übereinkommens dar. Der Beschwerdegegner beantragt die Beschwerde abzuweisen. Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtet auf Vernehmlassung.
BGE 108 Ib 85 S. 87
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Anerkennung und Vollstreckung eines in den USA gefällten Schiedsspruchs bestimmen sich nach dem New Yorker Übereinkommen, dem sowohl die USA als auch die Schweiz beigetreten sind (AS 1976, 618/9).
2.
a) Bei staatsrechtlichen Beschwerden wegen Verletzung von Staatsverträgen braucht der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft zu sein (
Art. 86 Abs. 3 OG
;
BGE 105 Ib 39
mit Hinweis). Andere Rügen, die die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs voraussetzen, erhebt die Beschwerdeführerin nicht.
Das Bundesgericht prüft frei, ob der angefochtene Entscheid gegen Bestimmungen eines Staatsvertrages verstösst. Es beschränkt sich dabei nur auf die Prüfung der in der Beschwerde erhobenen Rügen (
BGE 101 Ia 524
E. 1 mit Hinweisen). Neue tatsächliche oder rechtliche Vorbringen sind zulässig (
BGE 105 Ib 40
E. 2).
b) Im Falle der Gutheissung der Beschwerde wird der angefochtene Entscheid aufgehoben. Es wird in diesem Fall Sache des Obergerichts sein, im Lichte der bundesgerichtlichen Erwägungen einen neuen Entscheid zu fällen. Weitere Anordnungen des Bundesgerichts sind nicht notwendig. Insofern daher die Beschwerdeführerin mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt, ist die Beschwerde unzulässig. Im übrigen ist auf die Beschwerde einzutreten.
3.
Art. V des New Yorker Übereinkommens nennt die Gründe, nach denen die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches versagt werden kann. Auf Antrag der Partei, gegen die der Schiedsspruch geltend gemacht wird, hat dies zu geschehen, wenn die Partei der zuständigen Behörde des Landes, in dem um Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, den Beweis erbringt, unter anderem:
"dass die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren der Vereinbarung der Parteien oder, mangels einer solchen Vereinbarung, dem Recht des Landes, in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattfand, nicht entsprochen hat;" (Ziff. 1 lit. d) oder
"dass der Schiedsspruch für die Parteien noch nicht verbindlich geworden ist oder dass er von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben oder in seinen Wirkungen einstweilen gehemmt worden ist." (Ziff. 1 lit. e)
BGE 108 Ib 85 S. 88
Der Sache nach geht es im vorliegenden Fall einzig darum, ob der Schiedsspruch vom 14. Dezember 1978 verbindlich geworden ist. Die Beschwerdeführerin hat zu beweisen, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist. Dazu gehört auch der Nachweis des zuständigen ausländischen Rechts, soweit dessen Verletzung geltend gemacht wird (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juli 1979 i.S. H. E. 3 in fine).
4.
a) Die Beschwerdeführerin hält den Schiedsspruch für unverbindlich, weil der Beschwerdegegner die nach § 7510 New York Civil Practice Law and Rules (im folgenden CPLR) erforderliche Bestätigung nicht verlangt habe. § 7510 CPLR hat folgenden Wortlaut:
"The court shall confirm an award upon application of a party made within one year after its delivery to him, unless the award is vacated or modified upon a ground specified in section 7511."
In § 7511 CPLR wird sodann das Rechtsmittelverfahren gegen Schiedssprüche geregelt. Insbesondere sind die Gründe für die Aufhebung (vacating) und Abänderung (modifying) geregelt. Aus welchen Gründen hingegen die "confirmation of award" verweigert werden kann, folgt nicht aus dem Gesetzestext.
Nach Auffassung des Obergerichts dient die "confirmation" der Feststellung der Vollstreckbarkeit (enforcement) des Schiedsspruches. Ziel des New Yorker Übereinkommens sei jedoch gewesen, das doppelte Exequaturverfahren zu vermeiden, wie es unter dem Geltungsbereich des Genfer Abkommens vom 26. September 1927 (SR 0.277.111) zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, aber in der Praxis notwendig war. Nach dem New Yorker Übereinkommen bedürfe es keiner gerichtlichen Vollstreckbarerklärung des Staates, unter dessen Recht das Schiedsverfahren durchgeführt wurde.
b) Ob ein Schiedsspruch für die Parteien verbindlich (französisch "obligatoire"; englisch "binding") geworden ist, richtet sich in erster Linie nach dem für das schiedsrichterliche Verfahren massgebenden Recht. Die Wahl des Verfahrensrechts kann im Rahmen der Parteiautonomie frei bestimmt werden (vgl. Art. V Ziff. 1 lit. d New Yorker Übereinkommen). Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass das Schiedsverfahren in erster Linie durch die von den Parteien selbst vereinbarte Ordnung und, beim Fehlen einer Parteivereinbarung, subsidiär durch das Recht des Staates, wo das Schiedsverfahren stattfindet, beherrscht wird (vgl.
BGE 108 Ib 85 S. 89
Botschaft des Bundesrats betreffend die Genehmigung des New Yorker Abkommens vom 18. September 1964, BBl 1964 II, 616). Der durch das New Yorker Übereinkommen aufgestellte Vorrang des Parteiwillens verschafft den Parteien die Möglichkeit, entweder eine eigene Verfahrensordnung aufzustellen oder ein bereits bestehendes, privates oder staatliches Verfahrensrecht zu wählen. Aus der Befugnis zur freien Gestaltung der Verfahrensordnung folgt ferner, dass durch Parteiabrede auch zwingende staatliche Verfahrensvorschriften unanwendbar erklärt und gegebenenfalls durch eigens getroffene Vorschriften ersetzt werden können (SCHLOSSER, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, Bd. 1, S. 415 f.; FOUCHARD, L'arbitrage commercial international, Bd. 2, S. 335 f.; BERTHEAU, Das New Yorker Abkommen vom 10. Juni 1958..., Diss. Zürich 1965, S. 87). Die Parteiautonomie besteht jedoch nicht schrankenlos. Sie unterliegt insofern der staatlichen Kontrolle, als die Parteien in jedem Fall an die Grundsätze des ordre public des Vollstreckungsstaates gebunden sind (Art. V Ziff. 2 lit. b New Yorker Übereinkommen); ob bei der Wahl eines bestimmten nationalen Verfahrensrechts auch dessen ordre public beachtet werden muss, ist umstritten (ablehnend SCHLOSSER, a.a.O., S. 417; anders BERTHEAU a.a.O., S. 87/8). Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Beschwerdeführerin sich nicht auf eine Verletzung des New Yorker ordre public beruft. Wenn ein Schiedsspruch nach dem massgebenden Verfahrensrecht keinem Rechtsmittel unterworfen ist, besteht unter dem Gesichtspunkt des schweizerischen ordre public kein Grund, die Vollstreckung im Inland zu verweigern. Weder das Genfer Abkommen (Art. 1 Abs. 2 lit. d) noch das New Yorker Übereinkommen, welches in diesem Punkte vom Genfer Abkommen nicht abwich (Art. V Ziff. 1 lit. e), setzen voraus, dass ein Schiedsspruch der Kontrolle durch ein staatliches Gericht unterworfen sein muss. Wie das Bundesgericht in
BGE 101 Ia 158
ausführte, wäre es nicht angängig, die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs unter Berufung auf den einheimischen ordre public vom Bestehen bestimmter Rechtsmittelmöglichkeiten abhängig zu machen. Eine zwingende Rechtsmittelkontrolle des Schiedsspruchs als Voraussetzung der Vollstreckung wäre denn auch sachlich nicht angebracht. Es genügt, dass der Vollstreckungsbeklagte die in Art. V Ziff. 1 lit. a-g New Yorker Übereinkommen genannten Einwendungen vorbringen kann, soweit das Übereinkommen anwendbar ist.
BGE 108 Ib 85 S. 90
c) Die Parteiautonomie im Sinne von Art. V Ziff. 1 lit. d New Yorker Übereinkommen verschafft den Parteien die Möglichkeit, statt einer staatlichen eine vollkommen eigen gestaltete Verfahrensordnung aufzustellen. Weltweit gesehen existieren denn auch verschiedene Schiedsordnungen, die den Ablauf des schiedsrichterlichen Verfahrens umfassend regeln (Nachweise bei SCHLOSSER a.a.O., Bd. 2, S. 153-274). Dieser Grundsatz verschafft den Parteien auch die Möglichkeit, zwar grundsätzlich eine staatliche Verfahrensordnung als anwendbar zu erklären, diese jedoch im einzelnen durch besondere Abreden zu ergänzen oder zu ersetzen. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Schiedsspruch unter den Parteien verbindlich wird (SCHLOSSER, a.a.O., Bd. 1, S. 623).
d) Im vorliegenden Fall vereinbarten die Parteien, dass das Schiedsverfahren den Gesetzen des Staates New York unterliegen sollte und der mehrheitlich gefällte Schiedsspruch durch jedes zuständige Gericht vollstreckbar und für die Parteien in der ganzen Welt endgültig rechtskräftig und bindend zu sein habe. Sie schlossen damit jeden Weiterzug des Schiedsspruchs aus. Dessen Verbindlichkeit trat somit nicht erst mit Ablauf der Rechtsmittelfrist von 90 Tagen gemäss § 7511 CPLR, bzw. der "confirmation of award" ein, sondern bereits mit der Fällung des Schiedsspruches. Diese Rechtsfolge sehen denn auch mehrere Schiedsordnungen privater und öffentlichrechtlicher Organisationen vor (z.B. Art. 29 der Vergleichs- und Schiedsordnung der internationalen Handelskammer; Rule 19 The Copenhagen Rules 1950). Dass der vorliegende Schiedsspruch durch ein New Yorker Gericht aufgehoben bzw. in seinen Wirkungen einstweilen gehemmt worden wäre, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Die Vereinbarung der Parteien hat deshalb zur Folge, dass der Schiedsspruch seit 14. Dezember 1978 im Sinne von Art. V Ziff. 1 lit. e des New Yorker Übereinkommens verbindlich geworden ist.
e) Die Beschwerdeführerin behauptet freilich, der Schiedsspruch sei ohne "confirmation of award" nach New Yorker Recht nicht verbindlich. Sie erklärt nicht, wie sie diese Behauptung mit der vorstehenden Schiedsklausel vereinbart und unter welchem Titel New Yorker Recht eingreifen sollte, kraft Parteivereinbarung oder als unabdingbares Recht des Staates, in dem der Schiedsspruch erging. Alle diese Fragen können jedoch offen bleiben. Nach Art. V Abs. 1 Einleitungssatz des New Yorker Übereinkommens hat der Beklagte die von ihm behauptete Unverbindlichkeit
BGE 108 Ib 85 S. 91
des Schiedsspruchs zu beweisen. Diesen Beweis hat die Beschwerdeführerin nicht geleistet. Das von ihr vorgelegte Gutachten nimmt keinen Bezug auf das New Yorker Übereinkommen, fasst den Begriff der Verbindlichkeit nach dessen Art. V Ziff. 1 lit. e nicht ins Auge und prüft nicht, wie die "confirmation of award" im Lichte des Übereinkommens zu qualifizieren ist. Selbst wenn der Schiedsspruch am Ort, wo er erging, nicht vollstreckbar erklärt wurde, kann die Verbindlichkeit gegeben sein. Das Erfordernis der Vollstreckbarerklärung am Ursprungsort des Schiedsspruchs würde dem Sinn des New Yorker Übereinkommens stracks zuwiderlaufen, welches das doppelte Exequatur vermeiden wollte (BERTHEAU, a.a.O., S. 91 ff., Botschaft, a.a.O., 617). Es genügt vielmehr für die Verbindlichkeit, dass der Schiedsspruch im Urteilsstaat einem Exequatur zugänglich ist (vgl. KLEIN, La convention de New York pour la reconnaissance de l'exécution des sentences arbitrales étrangères, SJZ 57 (1961) S. 248). Wenn der von der Beschwerdeführerin angerufene Gutachter, den "unconfirmed award" als "inchoate and unchallenged right to seek judgment thereon" und als "mere expectation" bezeichnet, handelt es sich dabei um eine Charakterisierung im Lichte des New Yorker Rechts, aber nicht im Lichte des Übereinkommens. Dass der Beschwerdegegner nach den Angaben des Beschwerdeführerin schliesslich in der Zwischenzeit das Verfahren zur Erlangung der "confirmation of award" einleitete, ändert unter dem Gesichtswinkel des New Yorker Übereinkommens an der Verbindlichkeit des Schiedsspruchs nichts. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
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public_law
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nan
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de
| 1,982 |
CH_BGE
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CH_BGE_003
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CH
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Federation
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a8fed125-6b66-4944-bf8b-7c6c7349ef63
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Urteilskopf
100 II 427
63. Arrêt de la Ire Cour civile du 22 octobre 1974 dans la cause X. contre Y.
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Regeste
Berufung,
Art. 48 Abs. 1, 50 OG
.
Begriff des Endentscheides im Sinne von
Art. 48 OG
(Erw. 1).
Die Anwendung von
Art. 50 OG
setzt voraus, dass das Bundesgericht den Prozess endgültig erledigt, indem es den im Vor- oder Zwischenentscheid beurteilten Punkt anders entscheidet (Erw. 2).
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Sachverhalt
ab Seite 427
BGE 100 II 427 S. 427
A.-
Les sociétés X. et Y. ont conclu un contrat par lequel la première s'engageait notamment à fournir un matériau de
BGE 100 II 427 S. 428
collage, ainsi que les indications nécessaires à son utilisation et à son application, pour l'assemblage d'éléments en béton destinés à la construction d'estacades flottantes dans le port de petite batellerie de Vidy. Un des éléments collés à l'aide d'une résine dont le mélange et l'application avaient été effectués par Y. sur les indications de X. s'est rempli d'eau à fin décembre 1968. Par la suite, d'autres caissons se sont mis à prendre l'eau et ont cédé successivement. Y. a rendu X. responsable des dégâts et des frais en découlant.
Le 18 novembre 1969, la société X. a adressé la récapitulation de ses factures à la société Y. Celle-ci a refusé de régler le montant réclamé, en invoquant la compensation avec le préjudice qu'elle prétendait avoir subi et qu'elle imputait à X.
B.-
Par demande du 24 juin 1971, la société X. a ouvert action contre la société Y. en paiement du montant total de ses factures; elle demandait également la mainlevée définitive de l'opposition formée par la défenderesse au commandement de payer qui lui avait été notifié.
La défenderesse a conclu à libération des fins de la demande et, reconventionnellement, au paiement par la demanderesse de dommages-intérêts.
La demanderesse a conclu au rejet des conclusions reconventionnelles, en soulevant l'exception de tardiveté de l'avis des défauts.
Par convention de procédure du 5 juillet 1973, les parties ont requis du tribunal "qu'il lui plaise disjoindre l'instruction et le jugement de la question de savoir si l'exception de tardiveté de l'avis des défauts soulevée par la demanderesse peut être admise et si, dans ce cas, cela entraîne l'admission des conclusions de la demanderesse et le rejet des conclusions reconventionnelles de la défenderesse. Dans la négative, le procès continuera, les parties se réservant alors de compléter la procédure écrite en déposant un procédé complémentaire".
Par jugement du 14 mai 1974, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté l'exception de tardiveté de l'avis des défauts soulevée par la demanderesse. Elle considère en substance qu'en avisant la demanderesse au début de mars 1969 des défectuosités présentées par l'assemblage des éléments, la défenderesse a agi dans un délai raisonnable compte tenu des circonstances et de la nature des défauts constatés.
C.-
La demanderesse recourt en réforme au Tribunal
BGE 100 II 427 S. 429
fédéral en concluant à l'admission de l'exception de tardiveté de l'avis des défauts.
L'intimée propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'art. 48 OJ, le recours en réforme n'est recevable en règle générale que contre une décision finale prise par l'autorité cantonale suprême. En principe, seules les décisions qui statuent sur l'ensemble du litige sont finales au sens de cette disposition (RO 91 II 60), à moins que l'autorité cantonale n'ait renvoyé les questions litigieuses non tranchées à une autre procédure, qui doit être introduite ab initio et qui est sans rapport organique avec la précédente (RO 61 II 49, 62 II 216, 227, 63 II 291 consid. 2). Il n'y a en particulier pas décision finale, dans un litige qui porte sur une action principale et une action reconventionnelle, lorsque le juge n'a statué que sur l'une d'entre elles (RO 37 II 338 s., 62 II 227 s.; arrêt non publié Ulli c. Deluigi, du 3 décembre 1965, consid. 1). D'autre part, le recours en réforme n'est recevable que contre un prononcé qui statue sur le fond du droit, ou qui refuse d'en connaître pour un motif excluant définitivement que la prétention litigieuse fasse l'objet d'un nouveau procès entre les mêmes parties (RO 98 II 154 s. et les arrêts cités). Tel n'est pas le cas du prononcé qui rejette une exception, de fond ou de procédure, car il ne met précisément pas fin au procès (A. WURZBURGER, les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, thèse Lausanne 1964, p. 184).
En l'espèce, le jugement déféré ne constitue pas une décision finale au sens de l'art. 48 OJ, puisqu'il ne statue pas sur l'ensemble du litige, mais qu'il traite uniquement d'une question en rapport avec la seule demande reconventionnelle. De surcroît, il ne met pas fin au procès, puisqu'il rejette l'exception de tardiveté de l'avis des défauts. Contrairement à ce que soutient implicitement la recourante, il importe peu, pour juger si la décision cantonale est finale au sens de l'art. 48 OJ, qu'un arrêt du Tribunal fédéral réformant cette décision mette fin au litige.
2.
L'art. 50 al. 1 OJ admet à titre exceptionnel la recevabilité du recours en réforme contre une décision incidente ne concernant pas une question de compétence (art. 49 OJ),
BGE 100 II 427 S. 430
lorsqu'une décision finale peut ainsi être provoquée immédiatement. Cela suppose que le Tribunal fédéral puisse mettre fin définitivement à la procédure en tranchant la question qui lui est soumise, alors que le procès devrait se poursuivre selon la décision attaquée (cf. RO 84 II 231 s. consid. 2). La solution de cette question doit donc être déterminante, un jugement différent sur le point tranché dans la décision préjudicielle ou incidente entraînant une décision finale au sens de l'art. 48 OJ à l'égard de toutes les parties au litige (RO 85 II 52, 91 II 62; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 179 s.). L'art. 50 OJ n'est en revanche pas applicable lorsque le Tribunal fédéral devrait, s'il admettait le recours, renvoyer la cause à la juridiction cantonale (arrêt précité Ulli c. Deluigi, consid. 2 in fine; WURZBURGER, op.cit., p. 224).
En l'espèce, le jugement déféré se borne à rejeter l'exception de tardiveté de l'avis des défauts soulevée à l'encontre de la demande reconventionnelle. Il n'examine pas quel serait l'effet de l'admission de cette exception sur les conclusions des parties.
L'exception de tardiveté de l'avis des défauts pourrait être décisive pour le sort de la demande reconventionnelle si celle-ci reposait uniquement sur un contrat de vente, éventuellement sur un contrat d'entreprise. Elle ne joue en revanche pas de rôle déterminant si les conclusions reconventionnelles peuvent se fonder sur une autre base juridique, par exemple un contrat de mandat. Le Tribunal cantonal admet que le contrat conclu par les parties, portant sur la fourniture d'un matériau et des indications nécessaires à son utilisation et à son application, est principalement une vente. Il réserve toutefois expressément "la question de savoir si, à côté du contrat de vente, existe un mandat consistant en l'octroi de conseils de savoir-faire". Le jugement attaqué ne dit pas non plus si les défauts qui se sont manifestés étaient dus au matériau, à des conseils ou indications erronés de la demanderesse relatifs à l'utilisation et à l'application de celui-ci, ou encore à une application incorrecte imputable à la défenderesse.
L'exception de tardiveté de l'avis des défauts n'étant pas décisive pour le sort de la demande reconventionnelle, dans la mesure où celle-ci peut se fonder par exemple sur l'inexécution d'un contrat de mandat - hypothèse réservée par l'autorité cantonale -, on ne saurait dire que l'admission de cette
BGE 100 II 427 S. 431
exception aurait comme conséquence nécessaire et immédiate le rejet des conclusions reconventionnelles. Le jugement déféré devrait en tout cas être complété quant aux faits permettant de résoudre la question de l'existence d'un contrat de mandat, ainsi que celle de la cause des défauts. Ce complément ne portant pas sur des points purement accessoires (art. 64 al. 2 OJ), le Tribunal fédéral devrait renvoyer l'affaire à l'autorité cantonale.
La première condition posée par l'art. 50 OJ n'est ainsi pas remplie, ce qui entraîne l'irrecevabilité du recours, sans qu'il soit nécessaire d'examiner encore si le recours immédiat au Tribunal fédéral permettrait d'éviter une procédure probatoire dont la durée et les frais seraient considérables.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Déclare le recours irrecevable.
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public_law
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nan
|
fr
| 1,974 |
CH_BGE
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CH_BGE_004
|
CH
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Federation
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a900c276-ccd4-4ac5-b60f-3659023bd81c
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Urteilskopf
108 Ib 509
88. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. Oktober 1982 i.S. Kyburz gegen Baukonsortium Säge, Gemeinde Oberentfelden sowie Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
|
Regeste
Art. 31 FPolG
und
Art. 1 FPolV
; Waldfeststellung.
Als Wald im Sinne des Forstpolizeirechts gilt auch das spitz auslaufende Ende einer Insel, dessen früher dichte, heute jedoch verminderte Bestockung mit Waldbäumen in einem Wuchszusammenhang mit dem übrigen Inselwäldchen steht.
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Sachverhalt
ab Seite 509
BGE 108 Ib 509 S. 509
Lea Kyburz wandte sich als Miteigentümerin der Nachbarliegenschaft gegen ein Bauvorhaben des Baukonsortiums Säge, weil dieses den gesetzlichen Mindestabstand zum Wald auf der Suhreinsel in Oberentfelden nicht einhalte. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau entschied als letzte kantonale Instanz, dass es sich bei der fraglichen Fläche auf der Nordspitze der Suhreinsel nicht um Wald handle, weshalb die Vorschriften über den Waldabstand nicht verletzt würden. Lea Kyburz ficht diesen Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an, das die Beschwerde nach Durchführung eines Augenscheins und unter Beizug eines forstwissenschaftlichen Gutachtens gutheisst.
BGE 108 Ib 509 S. 510
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
3.
Im vorliegenden Fall ist streitig, ob das nördliche Ende der Suhreinsel in Oberentfelden als Waldareal im Sinne der Forstgesetzgebung gilt.
Das Waldareal ist Schutzobjekt des eidgenössischen Forstpolizeirechts (
Art. 31 Abs. 1 FPolG
).
Art. 1 FPolV
umschreibt den Begriff des Waldes näher. Danach gilt als Wald unter anderem jede mit Waldbäumen und -sträuchern bestockte Fläche, die Holz erzeugt oder geeignet ist, Schutz- oder Wohlfahrtswirkungen auszuüben. Bei der Prüfung, ob diese Eigenschaften in einem bestimmten Fall vorliegen, sind daher in der Regel der tatsächlich vorhandene Wuchs und seine Funktionen massgebend. Als Waldareal gelten aber auch vorübergehend unbestockte und ertragslose Flächen eines Waldgrundstücks sowie Grundstücke, für die eine gesetzliche Aufforstungspflicht besteht (
Art. 1 Abs. 1 und 2 FPolV
). Dazu gehören Flächen, die in rechtswidriger Weise gerodet worden sind; das Waldareal kann nur durch rechtmässige Rodungen im Sinne von
Art. 25 ff. FPolV
vermindert werden, wobei aber als Ausgleich Ersatzaufforstungen vorzunehmen sind (
BGE 104 Ib 235
/236 E. 2a; HANS DUBS, Rechtsfragen der Waldrodung in der Praxis des Bundesgerichts, Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 1974, S. 275 ff.).
4.
Bei der Schaffung des Zonenplans der Gemeinde Oberentfelden vom 11. März 1977 hatte das Kreisforstamt V die Suhreinsel als Ganzes als Wald bezeichnet. Mit seiner Waldfeststellungsverfügung vom 17. April 1979 gab das Kreisforstamt V diese Abgrenzung auf. Zwar bezeichnete es weiterhin den Hauptteil der Suhreinsel als Wald; die Waldeigenschaft verneinte es jedoch in bezug auf den nördlichen Fünftel der Insel. Gegen diese Änderung wendet sich die Beschwerdeführerin. Die Frage, ob die streitige, das nördliche Ende der Suhreinsel bildende Fläche von rund 20 m Länge und 8-4 m Breite zum Waldareal im Sinne von
Art. 31 FPolG
und
Art. 1 FPolV
gehört, hat forstwissenschaftliche und rechtliche Aspekte (
BGE 107 Ib 355
E. 2a). Soweit die ersteren in Betracht fallen, ist der vom Bundesgericht beigezogene Experte ersucht worden, die heutige und die frühere Bestockung auf jener Fläche festzustellen und zu prüfen, ob ein natürlicher Zusammenhang dieser Bestockung mit dem südlich anschliessenden, allseitig als Wald anerkannten Wuchs besteht, oder ob es sich bei der
BGE 108 Ib 509 S. 511
fraglichen Bestockung um Einzelbäume handelt. In seinem Gutachten äussert sich der Experte zu diesen Fragen im Sinn einer Bejahung von Wuchszusammenhang und Waldeigenschaft sowohl nach früherem als auch nach heutigem Zustand.
5.
Die am Gutachten geübte Kritik vermag nicht zu überzeugen. Wenn in den Jahren 1977/1978 einige Bäume gefällt wurden, welche die elektrische Freileitung von der Säge zur Fabrik der Knoblauch AG behinderten, so geschah dies ohne förmliche Rodungsbewilligung. Eine solche hätte auch die Wiederbepflanzung beim inzwischen erfolgten Abbruch der Leitung zu regeln gehabt. Unerheblich sind auch gewisse Betonmauern, von denen nicht behauptet wird, sie seien je bewilligt worden. Die Fläche des streitigen Gebiets spielt eine untergeordnete Rolle. Unerheblich ist auch, dass bisher im Kanton Aargau offenbar zwei bestockte Uferseiten bei der Berechnung der Waldfläche nicht gesamthaft, sondern jede für sich gemessen wurden. Die Betrachtungsweise des Experten, der bei vorhandenem Kronenschluss einer mehrseitigen Bachuferbestockung die betreffene Fläche gesamthaft bewertet, überzeugt mehr. Flugaufnahmen können je nach ihrer Qualität durchaus Beweiswert haben, wie dies hier jedenfalls für die Aufnahme von 1964 zutrifft. Auf den genauen Flächeninhalt der hier zu betrachtenden Bachuferbestockung kommt es zudem letztlich nicht an. Entscheidend ist, dass die streitige Fläche - wie sie früher bestockt war - eindeutig in einem Wuchszusammenhang mit dem südlich anschliessenden Hauptteil des Inselwäldchens gesehen werden muss (vgl.
BGE 107 Ib 53
E. 4a). Das südliche Ende der Insel ist noch schmaler als das nördliche. Die Waldeigenschaft der Südspitze wird auch von den Kritikern mit Recht nicht in Frage gestellt. Es erscheint in der Tat wenig sinnvoll, solche Waldzungen vom Rumpfareal des Waldes abzutrennen und sie gesondert zu betrachten. Das muss auch für das nördliche Ende der Insel gelten.
Dieser Ansicht waren die kantonalen Forstbeamten offenbar selbst, als sie anlässlich der Schaffung des kommunalen Zonenplans vom 11. März 1977 die gesamte Fläche der Suhreinsel als Waldareal erklärten. Dieser Auffassung war der im Namen des Kantonsoberförsters handelnde Kreisförster V noch am 23. März 1979, als er den Gemeinderat schriftlich darauf aufmerksam machte, dass der projektierte Block A den Waldabstand von 20 m nicht einhalte. Aus dem Schreiben des Kreisförsters geht zudem hervor, dass auch der Gemeinderat der Waldfestlegung von 1976
BGE 108 Ib 509 S. 512
zugestimmt hatte... Es entsteht der Eindruck, dass hier mit der Zurücknahme der Waldgrenze um rund 20 m der Wald nach dem projektierten Block A bestimmt wurde und nicht umgekehrt der Standort des Blocks nach dem Wald, wie es richtigerweise hätte geschehen sollen.
Gewichtige Argumente sind gegen den Inhalt des Gutachtens nicht vorgebracht worden. Eine Abweichung von der Auffassung des Experten würde sich im übrigen nach ständiger Rechtsprechung nur rechtfertigen, wenn die Expertise auf einer falschen Auslegung des Gesetzes beruhen oder irrtümliche tatsächliche Feststellungen, Lücken oder Widersprüche enthalten würde (unveröffentlichte E. 4b des Urteils 106 Ib 231 ff.;
101 Ib 408
E. 3b aa
;
94 I 291
;
87 I 90
E. 3). Ein solcher Tatbestand liegt hier klarerweise nicht vor, weshalb für das Bundesgericht kein Anlass besteht, von der im Gutachten vorgenommenen forstwissenschaftlichen Sachverhaltsfeststellung abzuweichen.
6.
Aufgrund der Expertise steht fest, dass selbst die heute noch vorhandenen Reste der ehemaligen Bachuferbestockung wegen ihres natürlichen Wuchszusammenhangs mit dem südlich anschliessenden Inselwäldchen als Waldzunge und mithin als Waldareal zu betrachten sind. Darüber hinaus ist aufgrund des Forstpolizeirechts festzustellen, dass für die Beurteilung nicht der heutige, sondern der frühere Wuchs massgebend ist (
BGE 104 Ib 235
/236 E. 2a). Die in der Mitte der 70er Jahre noch vorhanden gewesene Bestockung ist seither in erheblichem Mass vermindert worden; nicht nur östlich des Sägereikanals, sondern auch auf dem nördlichen Ende der Suhreinsel selbst wurden Bäume und Sträucher geschlagen. Die Akten enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Rodungshandlungen im Einklang mit dem Forstpolizeirecht vorgenommen wurden. Vielmehr geht aus dem Bericht der Gemeinde vom 8. Januar 1982 hervor, dass die damalige Grundeigentümerin eigenmächtig und ohne entsprechende Bewilligung roden liess. Im Gegensatz zur Auffassung des Gemeinderates war die Grundeigentümerin zu unbewilligten Rodungen nicht berechtigt. Der Umstand, dass das Areal bis an den Sägereikanal heran in der Wohn- und Geschäftszone lag, gab kein Recht auf unbewilligte Rodung (
BGE 101 Ib 313
). Forstpolizeirechtlich ist unerheblich, ob in dem damals gültigen Zonenplan die Insel nicht als Wald eingestuft war, sondern im übrigen Gemeindegebiet figurierte. Massgebend sind vielmehr die tatsächlichen Wuchsverhältnisse (vgl. E. 3).
BGE 108 Ib 509 S. 513
Ist aber auf die früher vorhandene Bestockung abzustellen, so ist die streitige Fläche sowohl bei gesonderter Betrachtung des Ufergehölzes auf der Nordspitze der Insel als auch aus der sich aufdrängenden Sicht des Wuchszusammenhangs mit dem übrigen Teil des Inselwäldchens als Waldareal zu betrachten. Indem das Verwaltungsgericht dies verneint und die Einhaltung des Waldabstandes durch den Block A bejaht hat, hat es Bundesrecht verletzt (
Art. 104 lit. a OG
). Die Beschwerde ist daher gutzuheissen, und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit aufzuheben. Es ist festzustellen, dass es sich bei der streitigen Fläche um Wald im Sinne der Forstpolizeigesetzgebung handelt.
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public_law
|
nan
|
de
| 1,982 |
CH_BGE
|
CH_BGE_003
|
CH
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Federation
|
a9057639-0b50-40d7-920d-70eeb023ceaa
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Urteilskopf
112 Ib 8
3. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 27 mai 1986 dans la cause Willy Auberson contre Vaud, Conseil d'Etat (recours de droit administratif)
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Regeste
Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die baulichen Massnahmen im Zivilschutz (BMG) und Art. 3 der Verordnung (BMV).
Der Eigentümer einer mit vorfabrizierten und metallenen Elementen errichteten Werkstatt unterliegt der Schutzraumpflicht gemäss
Art. 2 Abs. 1 BMG
; die Unterstellung unter das Gesetz hängt einzig vom Zweck des Gebäudes und nicht von der Bauweise ab (E. 2). Berechnung der Zahl der Pflichtschutzplätze gemäss
Art. 3 BMV
(E. 3).
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Sachverhalt
ab Seite 9
BGE 112 Ib 8 S. 9
Le 19 mars 1981, Willy Auberson a déposé auprès de la commune d'Yverdon-les-Bains une requête tendant à obtenir une dispense de l'obligation de construire un abri de protection civile sous l'atelier de mécanique de 316 m2 - fait d'éléments préfabriqués montés sur une structure métallique - qu'il désirait bâtir..
Le 23 mars 1981, l'Office cantonal de la protection civile a informé la commune qu'il acceptait de libérer Willy Auberson de l'obligation de construire un abri mais fixait à 5'000 francs la contribution de remplacement que devait payer le propriétaire ainsi avantagé.
Contestant le principe même de son assujettissement à l'obligation de verser une telle contribution, Willy Auberson a recouru auprès du Conseil d'Etat du canton de Vaud qui a rejeté sa demande le 24 février 1982.
Après avoir saisi à tort le Département fédéral de justice et police, Willy Auberson a déposé un recours de droit administratif au Tribunal fédéral contre la décision du Conseil d'Etat du 24 février 1982. Il demande l'annulation de la décision entreprise et sa libération de l'obligation de payer une contribution de remplacement au sens des art. 5 et 6 de l'ordonnance sur les constructions de protection civile du 27 novembre 1978 (RS 520.21; OCPCi). A l'appui de ses conclusions, il soutient principalement que l'atelier de mécanique en cause n'est pas un bâtiment qui exige normalement
BGE 112 Ib 8 S. 10
des caves selon l'art. 2 al. 1 de la loi fédérale sur les constructions de protection civile (RS 520.20; LCPCi) en raison de sa construction très légère.
Le Tribunal fédéral admet le recours dans le sens des considérants, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité de première instance pour nouvelle décision.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Aux termes de l'art. 2 al. 2 LCPCi, "les propriétaires d'immeubles doivent aménager des abris comprenant des sorties de secours et, au besoin, des voies et des canaux d'évacuation dans tous les nouveaux bâtiments qui devraient normalement avoir des caves...".
Dans son message du 21 septembre 1962 (FF 1962 II 703), le Conseil fédéral a proposé une définition très large de ce qu'il entend par "cave" au sens de cette disposition et a indiqué expressément que les abris doivent, autant que possible, "être créés partout où des locaux peuvent normalement être construits au-dessous du rez-de-chaussée". Cette notion comprend, dès lors, non seulement les caves au sens traditionnel du terme, mais également d'autres locaux situés en sous-sol.
En outre, s'agissant du critère relatif à la présence "normale" de cave dans un bâtiment, il ressort des travaux préparatoires que l'obligation de construire des abris a été conçue de manière très étendue et concerne aussi bien les locaux d'habitation que ceux servant à l'activité professionnelle (BO CE 1963, p. 161; Conseiller fédéral von Moos). Cette constatation s'impose d'autant plus que l'obligation de créer des organismes de protection d'établissement, imposée par les art. 18 et 23 de la loi fédérale sur la protection civile du 23 mars 1962 (RS 520.1) aux administrations et aux établissements privés et publics d'une certaine importance, ne se conçoit pas si ceux-ci ne disposent pas, par ailleurs, d'abris en suffisance; une de leurs tâches principales consiste, en effet, à aménager les abris de l'établissement et à y organiser le séjour (art. 20 de l'ordonnance sur la protection civile du 27 novembre 1978; RS 520.11). Or, l'obligation de construire des abris est prévue exclusivement par la LCPCi et notamment par son art. 2 al. 1 Il s'ensuit qu'en principe, les locaux destinés à l'exercice d'une activité professionnelle sont également assujettis à la LCPCi et que la soumission à la loi dépend moins de la nature de la construction - qu'elle soit préfabriquée,
BGE 112 Ib 8 S. 11
métallique ou en béton - que de la destination du bâtiment au moment de son édification.
b) Dès lors, contrairement à ce que prétend le recourant, le fait que son atelier soit constitué d'éléments préfabriqués et métalliques ne lui permet pas d'échapper à l'assujettissement. La manière dont a été construit l'immeuble n'a aucun effet sur la question de la soumission de la construction à la LCPCi; celle-ci dépend exclusivement de la destination du bâtiment en cause.
De ce point de vue, le critère du taux d'occupation de l'immeuble utilisé par l'autorité intimée ne saurait être retenu. Comme le Conseil d'Etat le relevait lui-même le 22 mai 1985 dans l'exposé des motifs concernant le projet de loi d'exécution de la législation fédérale sur la protection civile (cf. Bulletin des séances du Grand Conseil du canton de Vaud, 1985, No 10, p. 741), l'obligation imposée aux propriétaires ne correspond pas forcément au taux d'occupation de l'immeuble. Ainsi, un propriétaire d'une villa de dix pièces devra construire, en vertu de l'art. 3 al. 1 lettre a OCPCi, dix places protégées, même s'il est seul à occuper sa maison.
c) Par conséquent, dans la mesure où il n'est pas contesté que la construction litigieuse - bien que légère - est destinée à abriter un atelier de mécanique, celle-ci devrait normalement être pourvue de caves au sens de l'art. 2 al. 1 LCPCi; partant, le propriétaire ne peut nier le principe de son assujettissement à l'obligation de construire un abri ou de verser une contribution de remplacement, conformément aux art. 2 al. 3 LCPCi et 6 OCPCi.
Reste, cependant, à déterminer l'étendue de son assujettissement.
3.
a) Dès lors que l'obligation de construire un abri découle directement de la loi, la liste des constructions devant comporter des places protégées obligatoires figurant à l'art. 3 OCPCi ne présente qu'une valeur exemplative et ne constitue qu'un indice de l'assujettissement de ces bâtiments à la LCPCi (cf. Prises de position OFPC concernant LCPCi/OCPCi, publiées le 16 juillet 1979, p. 6, ad art. 3 al. 1 OCPCi).
Cette constatation ne concerne toutefois que la question du principe de la soumission à la loi et non celle du nombre de places protégées à prévoir concrètement pour chaque bâtiment mentionné dans la liste. Sur ce point, pour autant que la construction en cause figure dans l'énumération de l'art. 3 OCPCi, l'ordonnance du Conseil fédéral fixe avec précision la proportion de places protégées requises en fonction de la grandeur du bâtiment, et cela d'après divers critères (nombre de chambres, de lits, de postes de travail, superficie...).
BGE 112 Ib 8 S. 12
S'agissant d'un atelier de mécanique, la lettre f de l'art. 3 OCPCi dispose que les bureaux et bâtiments administratifs, de même que les entreprises industrielles et artisanales (fabriques, ateliers) doivent comporter deux places protégées pour trois postes de travail. Cette clé de répartition doit, dès lors, être appliquée au recourant.
b) Dans le cadre de la procédure cantonale, le propriétaire a prétendu travailler seul dans son atelier. L'autorité de première instance n'a pas accepté cette allégation et, considérant qu'il était peu probable que l'intéressé soit seul à travailler dans une construction de 316 m2, a fixé à cinq le nombre de places protégées mises à sa charge.
Il est indéniable que la surface à disposition pour un seul poste de travail apparaît pour le moins surprenante. Or, s'agissant de déterminer, en application de l'art. 3 al. 1 lettre f OCPCi, le nombre de postes de travail dans une construction, il faut se référer à la capacité totale du bâtiment à cet égard et non pas au nombre de personnes effectivement occupées au moment considéré. De même que les établissements ouverts au public (art. 3 al. 1 lettres b, c, d et e) doivent comporter des places protégées en fonction de leur capacité maximale, les entreprises industrielles et artisanales sont assujetties par rapport au nombre maximum de places de travail que leurs locaux peuvent offrir. Si la fixation de ce chiffre suppose une certaine appréciation de la part de l'autorité, celle-ci doit cependant se fonder sur un examen concret de chaque situation, tenant compte de tous les éléments à disposition; elle ne peut se contenter d'une estimation prima facie de la capacité de l'entreprise en se basant exclusivement sur les plans de l'immeuble sans examiner le genre d'activité déployée dans le bâtiment et sans tenir compte du nombre de places de travail susceptibles d'y être installées sans nécessiter l'octroi d'une nouvelle autorisation de construire.
En l'occurrence, l'Office cantonal de la protection civile n'a procédé à aucune mesure d'instruction spéciale pour déterminer la capacité réelle de l'atelier du recourant; il s'est borné à supposer - sans présenter la moindre motivation - que le bâtiment devrait comporter cinq places protégées, ce qui correspond à sept postes de travail. Cette manière de fixer les obligations incombant au propriétaire de la construction ne respecte pas le droit fédéral. Il appartenait à l'autorité de première instance - qui dispose d'un personnel spécialisé dans les questions touchant aux constructions - d'examiner avec soin le cas d'espèce et de fixer pour l'atelier un
BGE 112 Ib 8 S. 13
nombre de postes de travail conforme aux constatations concrètes résultant d'une instruction.
Non motivée sur ce point et basée sur des suppositions, la décision attaquée doit, par conséquent, être annulée et l'affaire renvoyée à l'autorité de première instance pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
c) Il convient cependant de souligner que, si l'instruction du cas devait laisser apparaître que le bâtiment du recourant ne contient qu'une seule place de travail, cette situation ne saurait entraîner, comme semble le soutenir l'Office fédéral dans ses observations, la libération de l'intéressé de toute obligation pécuniaire. Dans la mesure où une construction doit, en principe, comporter des places protégées en vertu de l'art. 3 OCPCi, toute dérogation à cette obligation implique le versement d'une contribution de remplacement équivalente pour la réalisation de constructions publiques de protection civile (art. 2 al. 3 LCPCi). Considérant qu'un atelier doit être pourvu de deux places protégées pour trois postes de travail, la présence d'un seul travailleur entraîne le versement d'une contribution correspondant aux 2/3 des frais supplémentaires moyens par place protégée déterminés par le canton en application de l'art. 6 al. 1 OCPCi. Aucune disposition légale ou réglementaire ne justifie de procéder dans ces cas à l'exonération complète du propriétaire.
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public_law
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nan
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fr
| 1,986 |
CH_BGE
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CH_BGE_003
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CH
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Federation
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a90aa9eb-c9c6-4588-b017-7b2093c27d4e
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Urteilskopf
136 II 405
37. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause X. contre Commission foncière et Département de l'économie du canton de Vaud (recours en matière de droit public)
2C_27/2010 du 24 juillet 2010
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Regeste
Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, EU- oder EFTA-Staatsangehörige.
Art. 5 Abs. 1 lit. a BewG
: Prüfung der Voraussetzung des rechtmässigen und tatsächlichen Wohnsitzes in der Schweiz (E. 4.2 und 4.3).
Tragweite der in
Art. 2 Abs. 2 BewV
vorgesehenen Voraussetzung einer Aufenthaltsbewilligung (E. 4.4).
Im vorliegenden Fall kann die Beschwerdeführerin nicht als Person mit Wohnsitz in der Schweiz im Sinne von
Art. 23 Abs. 1 ZGB
betrachtet werden (E. 4.5 und 4.6).
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Sachverhalt
ab Seite 406
BGE 136 II 405 S. 406
Ressortissante allemande, X. est mariée à A., citoyen américain. Le couple a trois enfants nés en 2002, 2007 et 2008. La famille est domiciliée aux Etats-Unis.
Le 1
er
avril 2006, X. a déposé ses papiers auprès du Contrôle des habitants de la Commune de Gryon. La famille a obtenu du Service de la population du canton de Vaud des autorisations de séjour CE/AELE de type B, sans activité lucrative, valables jusqu'au 31 mars 2011. Ces autorisations ont toutefois été révoquées, le 3 mars 2009, au motif que le domicile principal et le centre d'intérêt de la famille se trouvait à l'étranger. Le recours déposé par X. et sa famille à l'encontre de cette décision est actuellement pendant devant le Tribunal cantonal vaudois.
Par acte de vente du 6 juin 2006, X. a acquis, pour le prix d'un million de francs, les parcelles n
o
662, d'une surface de 2'997 m
2
, en nature de pâturage sur laquelle est érigée une habitation de 91 m
2
, et n
o
3258, d'une surface de 1'985 m
2
, en nature de pré, champ et pâturage, situées sur la Commune de Gryon. Le bâtiment érigé sur la parcelle n
o
662 est un chalet d'alpage construit en 1833, classé au recensement architectural, dont la moitié comprend une habitation vétuste de deux étages. Un droit de préemption d'une durée de 10 ans a en outre été constitué en faveur de X. sur les parcelles n
os
3011 (1'510 m
2
en nature de pâturage) et 671 (11'744 m
2
en nature de pré, champ et pâturage), jouxtant les précédentes.
Par acte de vente, division et réunion du 6 mars 2007, X. a acquis, au prix de 400'000 fr., la parcelle précitée n° 3011, ainsi qu'une surface de 131 m
2
à détacher de la parcelle n° 671 et à rattacher à la parcelle n° 3258.
Les deux actes de vente mentionnaient que X. était domiciliée à Gryon, et qu'elle avait pour adresse en Suisse la société B., à Lausanne.
Un projet de lotissement de six chalets sur les parcelles n
os
662, 3011 et 3258 a été mis à l'enquête publique en trois étapes du 9 mars au
BGE 136 II 405 S. 407
29 mai 2007. La Municipalité de Gryon a levé les oppositions formées contre ce projet, par décisions des 19 avril et 20 juin 2007. Les recours déposés contre la levée des oppositions ont été admis par le Tribunal cantonal vaudois le 30 septembre 2008.
Le 20 décembre 2007, le Département de l'économie du canton de Vaud (ci-après: le Département) a déposé une requête auprès de la Commission foncière en constatation de l'assujettissement des parcelles acquises par X. au régime de l'autorisation prévu par la législation sur l'acquisition d'immeubles par les personnes résidant à l'étranger.
Par décision du 31 octobre 2008, la Commission foncière, a constaté que l'acquisition desdites parcelles n'était pas soumise au régime d'autorisation.
Saisi d'un recours du Département contre cette décision, la Cour de droit administratif et public du Tribunal cantonal a, par arrêt du 24 novembre 2009, admis le recours et réformé la décision du 31 octobre 2008 en ce sens que l'acquisition par X. des parcelles n
os
662, 3011 et 3258 situées sur la Commune de Gryon est soumise au régime de l'autorisation.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière de droit public formé par X. contre cet arrêt dans la mesure où il était recevable.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
La question litigieuse consiste à examiner si la recourante est ou non assujettie au régime d'autorisation de la loi fédérale du 16 décembre 1983 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger (LFAIE; RS 211.412.41).
3.1
L'arrêt attaqué retient en substance que la recourante doit être considérée comme une personne à l'étranger assujettie au régime de l'autorisation, dès lors qu'il ressort des circonstances que cette dernière n'avait pas de résidence effective en Suisse et n'était donc pas domiciliée au sens juridique dans ce pays, ni au moment de l'acquisition des parcelles en juin 2006 et en mars 2007, ni par la suite.
3.2
La recourante soutient pour sa part qu'elle était bien domiciliée en Suisse au moment de l'achat des parcelles, reprochant au Tribunal cantonal de n'avoir pas tiré des constatations de fait les justes conclusions sur le plan juridique. Ainsi, selon la recourante, les
BGE 136 II 405 S. 408
éléments retenus auraient dû conduire les juges à considérer qu'elle avait manifesté la volonté de s'établir durablement en Suisse de manière reconnaissable pour les tiers et qu'elle avait placé dans ce pays le centre de ses intérêts. Elle invoque une violation des
art. 5 al. 1 let. a LFAIE
et 2 al. 1 et 2 de l'ordonnance du 1
er
octobre 1984 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger (OAIE; RS 211.412.411), ainsi que de l'art. 25 al. 1 de l'Annexe I de l'Accord du 21 juin 1999 entre la Suisse et la Communauté européenne sur la libre circulation des personnes (RS 0142.112.681; ci-après: Accord ou ALCP). Elle se plaint également d'une violation du principe de la proportionnalité.
4.
4.1
Selon l'
art. 2 al. 1 LFAIE
, "l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger est subordonnée à une autorisation de l'autorité cantonale compétente". Sont notamment considérées comme personnes à l'étranger "les ressortissants des Etats membres de la Communauté européenne ou de l'Association européenne de libre-échange qui n'ont pas leur domicile légalement constitué et effectif en Suisse" (
art. 5 al. 1 let. a LFAIE
). Entrée en vigueur le 1
er
juin 2002, cette disposition a été introduite pour adapter la LFAIE à la réglementation prévue dans l'Accord, plus particulièrement à l'
art. 7 let
. f ALCP et à l'
art. 25 Annexe I ALCP
(cf. ALVARO BORGHI, La libre circulation des personnes entre la Suisse et l'UE, 2010, n. 472 p. 222), ainsi qu'aux modifications parallèles de la Convention du 4 janvier 1960 instituant l'AELE (RS 0.632.31; JACQUES TISSOT, Questions choisies en matière de LFAIE, RNRF 87/2006 p. 69 ss, 70 note 8). L'alinéa 1 de l'
art. 25 Annexe I ALCP
prévoit en effet que "le ressortissant d'une partie contractante qui a un droit de séjour et qui constitue sa résidence principale dans l'Etat d'accueil bénéficie des mêmes droits qu'un ressortissant national dans le domaine de l'acquisition d'immeubles. Il peut à tout moment établir sa résidence principale dans l'Etat d'accueil, selon les règles nationales, indépendamment de la durée de son emploi. Le départ hors de l'Etat d'accueil n'implique aucune obligation d'aliénation." La notion de "résidence principale" au sens de cette disposition est une notion autonome dont le Tribunal fédéral a considéré qu'elle correspondait en substance à celle de domicile au sens de l'
art. 23 CC
(cf. arrêt 2A.704/2004 du 25 mai 2005 consid. 4.1, in RtiD 2005 II p. 298; BORGHI, op. cit., note 156 p. 223).
Interprété a contrario, l'
art. 5 al. 1 let. a LFAIE
institue une exception générale au régime de l'autorisation pour les ressortissants membres
BGE 136 II 405 S. 409
de l'Union européenne ou de l'AELE, dès que ceux-ci disposent d'un domicile légalement constitué et effectif en Suisse. Ils ne sont alors plus considérés comme des personnes à l'étranger et ne tombent donc plus sous le coup de la LFAIE (FELIX SCHÖBI, Das Bundesgesetz über den Grundstückerwerb durch Personen im Ausland, in Grundstückkauf [ci-après: Grundstückkauf], 2001, n. 22 p. 414 et n. 33 p. 416); ils peuvent ainsi acquérir un immeuble à leur convenance, comme les citoyens suisses (GIAN SANDRO GENNA, Personen im Ausland und schweizerisches Grundeigentum, in Ausländerrecht, 2009, n. 19.4 p. 939 s.; FELIX SCHÖBI, Das Abkommen über die Freizügigkeit und der Erwerb von Grundstücken [...], in Accords bilatéraux Suisse-UE, 2001, p. 417 ss, 420 [ci-après: Abkommen]).
4.2
Dans ce contexte, la notion de
domicile légalement constitué et effectif en Suisse
au sens de l'
art. 5 al. 1 let. a LFAIE
revêt une importance déterminante (TISSOT, op. cit., p. 70 ss). Celle-ci suppose en premier lieu un domicile en Suisse. L'
art. 2 al. 1 OAIE
se réfère aux
art. 23, 24 al. 1, 25 et 26 CC
pour définir le domicile en Suisse des ressortissants communautaires. On peut se demander si le renvoi aux
art. 24 ss CC
figurant à l'
art. 2 al. 1 OAIE
est compatible avec la notion de résidence principale prévue à l'
art. 25 Annexe I ALCP
, dont la jurisprudence a précisé qu'elle ne se référait qu'au domicile au sens de l'
art. 23 CC
(cf. supra consid. 4.1). En particulier, la conservation du domicile aussi longtemps que la personne ne s'en n'est pas créé un nouveau, telle que prévue par l'
art. 24 al. 1 CC
, pourrait se révéler délicate lorsque la personne ne vit plus en Suisse. La question peut toutefois demeurer indécise, dès lors que le litige ne concerne que le domicile au sens de l'
art. 23 al. 1 CC
. Celui-ci correspond au lieu où la personne réside avec l'intention de s'y établir (
art. 23 al. 1 CC
, en matière de LFAIE, cf. SCHÖBI, Grundstückkauf, op. cit., n. 23 p. 414). Le domicile doit en outre être légalement constitué. Selon l'
art. 2 al. 2 OAIE
, cette exigence présuppose une autorisation de séjour de courte durée, de séjour ou d'établissement CE-AELE valable permettant de créer un domicile (sur cette exigence, cf. infra consid. 4.4). Enfin, l'
art. 5 al. 1 let. a LFAIE
exige expressément que le domicile soit effectif. On peut se demander si cette dernière condition n'est pas déjà absorbée dans la notion même de domicile (cf. infra consid. 4.3).
4.3
La jurisprudence a déduit deux éléments de la notion de domicile au sens de l'
art. 23 al. 1 CC
: d'une part, la résidence, soit un séjour d'une certaine durée dans un endroit donné et la création en ce
BGE 136 II 405 S. 410
lieu de rapports assez étroits et, d'autre part, l'intention de se fixer pour une certaine durée au lieu de sa résidence qui doit être reconnaissable pour les tiers et donc ressortir de circonstances extérieures et objectives. Cette intention implique la volonté manifestée de faire d'un lieu le centre de ses relations personnelles et professionnelles. Le domicile d'une personne se trouve ainsi au lieu avec lequel elle a les relations les plus étroites, compte tenu de l'ensemble des circonstances (
ATF 135 I 233
consid. 5.1 p. 249;
ATF 132 I 29
consid. 4 p. 36). Le lieu où les papiers d'identité ont été déposés ou celui figurant dans des documents administratifs, comme des attestations de la police des étrangers, des autorités fiscales ou des assurances sociales constituent des indices qui ne sauraient toutefois l'emporter sur le lieu où se focalise un maximum d'éléments concernant la vie personnelle, sociale et professionnelle de l'intéressé (
ATF 125 III 100
consid. 3 p. 101 ss.). Les constatations relatives à ces circonstances relèvent du fait, mais la conclusion que le juge en tire quant à l'intention de s'établir est une question de droit (
ATF 120 III 7
consid. 2a p. 8; arrêt 5A_398/2007 du 28 avril 2008 consid. 3.2).
La doctrine est partagée sur le point de savoir si le domicile en Suisse doit être effectif au moment de l'acquisition (en ce sens:TISSOT, op. cit., p. 72 note 13) ou si une prise de domicile encore à intervenir permettrait de bénéficier du statut prévu par l'
art. 5 al. 1 let. a LFAIE
(en ce sens, SCHÖBI, Grundstückkauf, op. cit., n. 34 p. 417;
le même
, Abkommen, op. cit., p. 421, qui considère que l'existence d'un domicile en Suisse au moment de l'acquisition reviendrait à exiger de l'étranger qu'il commence par louer un bien immobilier en Suisse, ce qui ne serait pas justifié). La question n'a pas à être examinée plus avant, dès lors que l'arrêt attaqué envisage toutes les possibilités, lorsqu'il retient que la recourante n'était pas domiciliée en Suisse ni au moment des acquisitions immobilières en juin 2006 et en mars 2007, ni par la suite.
4.4
Selon les faits constatés dans l'arrêt attaqué, qui ne sont du reste pas contestés, la recourante, de nationalité allemande, et son époux, de nationalité américaine, ont fait une demande d'autorisation de séjour CE/AELE en mars 2006, autorisations qui leur ont été délivrées le 3 avril 2006, avant d'être révoquées en mars 2009, au motif que leur domicile principal et le centre d'intérêts de la famille se trouvaient à l'étranger. Le bien-fondé de cette révocation fait l'objet d'une procédure actuellement pendante devant le Tribunal cantonal. Une autorisation CE/AELE n'a toutefois qu'un effet déclaratoire,
BGE 136 II 405 S. 411
c'est-à-dire qu'elle atteste seulement du droit de présence de l'étranger dans l'Etat d'accueil (
ATF 136 II 329
consid. 2.2 p. 332). Elle n'est dès lors pas indispensable lorsqu'il existe un droit de séjour. L'exigence figurant à l'
art. 2 al. 2 OAIE
, selon laquelle le domicile légalement constitué présuppose une autorisation de séjour de courte durée, de séjour ou d'établissement CE-AELE ne peut donc être comprise que comme une condition formelle visant à faciliter la constatation par les autorités compétentes en matière d'acquisition d'immeubles par les étrangers de l'existence d'un droit de séjour en Suisse, étant précisé qu'un tel droit peut exister indépendamment de ce document. En l'occurrence, si l'on devait constater que la recourante dispose d'un domicile principal en Suisse, alors celle-ci aurait droit à une autorisation de séjour en vertu de l'
art. 24 Annexe I ALCP
, dès lors qu'elle possède à l'évidence des moyens financiers suffisants pour ne pas être à la charge de l'assistance publique (cf. MINH SON NGUYEN, Libre circulation des personnes et acquisition d'immeubles par des personnes titulaires d'une autorisation de courte durée, in Mélanges publiés par l'Association des Notaires Vaudois, 2005, p. 381 ss, 389).
4.5
S'agissant du domicile, l'arrêt attaqué retient qu'au début 2006, les époux X. se sont renseignés sur les conditions d'un transfert de leur résidence des Etats-Unis en Suisse. Le 1
er
avril 2006, X. a déposé ses papiers auprès de la Commune de Gryon. N'ayant pas trouvé d'objet à louer, la recourante a indiqué que la famille avait logé à l'hôtel ou chez des amis, de sorte qu'il était difficile de prouver leur lieu de séjour effectif durant la première moitié de l'année 2006, ce d'autant que les attestations avaient disparu dans l'incendie qui avait ravagé leur maison en Californie. Des documents démontrant des séjours en Suisse à l'hôtel en février, mai et juin 2006 ont toutefois été produits. Après la signature du premier acte de vente le 6 juin 2006, la famille est retournée en Californie, où la recourante, apprenant qu'elle était enceinte et souhaitant éviter tout risque pour l'enfant à naître, a renoncé à revenir en Suisse jusqu'à l'accouchement; elle est ensuite restée aux Etats-Unis, son enfant ne pouvant pas voyager pendant les six premiers mois de son existence en raison d'un problème digestif. Le 6 mars 2007, le second acte de vente a été signé en Suisse. En septembre 2007, la recourante étant de nouveau enceinte, elle n'a songé à retourner en Suisse qu'après le 2 janvier 2008, une fois le résultat de l'amniocentèse obtenu. Le 10 janvier 2008, les époux ont conclu un contrat de bail portant sur un chalet à Villars-sur-Ollon pour la période allant du 1
er
décembre 2007 au 3 mai 2008, à
BGE 136 II 405 S. 412
l'exception de la semaine du 29 décembre 2007 au 6 janvier 2008; ce contrat a été prolongé jusqu'au 21 juin 2008. Ils ont fourni une facture d'une école de Villars-sur-Ollon démontrant que, du 14 janvier au 19 mars 2008, l'écolage de l'enfant aîné de la recourante a été payé; la famille a aussi acheté un véhicule livré le 7 février 2008, mais a déposé les plaques le 26 mai 2008. La recourante est ensuite retournée aux Etats-Unis pour y accoucher en juin 2008. Il en ressort que la recourante n'a séjourné que durant de brèves périodes en Suisse, même avant juin 2006, ce que celle-ci reconnaît du reste.
Sur la base des circonstances décrites ci-dessus, le Tribunal cantonal pouvait retenir, sans violer le droit fédéral, que la recourante n'était pas domiciliée en Suisse, au sens de l'
art. 23 al. 1 CC
, lors de l'acquisition des biens immobiliers, et même après. La recourante invoque à cet égard l'arbitraire, alors que, s'agissant de droit fédéral, le Tribunal fédéral examine cette question librement (cf.
art. 95 let. a et 106 al. 1 LTF
). Quoi qu'il en soit, indépendamment de la volonté réelle de la recourante de se domicilier en Suisse, les séjours limités qu'elle a effectués dans ce pays, entrecoupés de longues périodes aux Etats-Unis, ne permettent pas d'admettre que la condition de la résidence, soit un séjour d'une certaine durée dans un endroit donné, ni celle d'une intention reconnaissable pour les tiers de faire le centre de ses relations en Suisse seraient réalisées. Or, ce dernier élément l'emporte sur le lieu où sont déposés les papiers et mentionné dans les documents administratifs. Quant à l'achat d'un véhicule, dont les plaques ont été remises après quelques mois ou une inscription dans une école pendant un trimestre, il s'agit d'indices qui ne sauraient se révéler déterminants, s'ils ne sont pas corroborés par un séjour effectif en Suisse.
4.6
L'argumentation de la recourante, qui conteste cette interprétation juridique des faits, ne peut être suivie. Les développements tendant à démontrer que la famille avait la volonté réelle de venir s'installer en Suisse pour y créer le centre de son existence ne sont pas pertinents, dans la mesure où, comme on l'a vu, il faut que cette intention ait été reconnaissable pour les tiers, ce que les circonstances extérieures et objectives ne permettent pas de retenir en l'espèce. Le fait que la maison de la famille située en Californie ait brûlé en juillet 2006 ne signifie pas que la recourante ait alors abandonné son domicile aux Etats-Unis. Au contraire, elle y a passé toute sa deuxième grossesse et n'est revenue en Suisse qu'épisodiquement depuis lors. Le paiement de l'écolage de son fils dans une école de
BGE 136 II 405 S. 413
Villars-sur-Ollon durant un trimestre, début 2008, n'était pas non plus suffisant. En outre, le fait que le Tribunal cantonal ait envisagé l'hypothèse que la famille ait véritablement eu l'intention à l'origine de s'installer en Suisse, ne permet pas d'en conclure qu'il devait admettre l'existence d'un domicile. En effet, la recourante perd de vue que les circonstances ne permettent pas d'établir une résidence effective dans ce pays. Quant à la présence de la famille en Suisse au printemps 2006, que la recourante qualifie elle-même de "constante, bien qu'instable géographiquement", puisqu'elle consistait en des séjours à l'hôtel et chez des amis, elle ne saurait, à elle seule, être l'élément déterminant pour admettre un domicile en Suisse au sens de l'
art. 23 al. 1 CC
.
Du reste, le fait que la recourante, alors qu'elle avait renoncé à se rendre en Suisse pendant toute sa deuxième grossesse débutée en juin 2006, au motif d'éviter tout risque pour son futur enfant, a quitté la Suisse en juin 2008, peu de temps avant le terme de sa troisième grossesse, pour aller accoucher aux Etats-Unis est un élément externe qui, interprété objectivement, tend à démontrer qu'elle n'avait pas déplacé en Suisse le centre de ses intérêts.
En définitive, la recourante se contente de donner un poids différent aux éléments retenus oubliant que son appréciation subjective des circonstances ne saurait primer sur l'approche objective, reconnaissable pour les tiers. Or, selon cette approche, l'arrêt attaqué, qui nie l'existence d'un domicile, n'apparaît pas contraire aux
art. 25 al. 1 Annexe I ALCP
et 5 al. 1 let. a LFAIE.
4.7
La LFAIE prévoit expressément que les ressortissants des Etats membres qui n'ont pas leur domicile légalement constitué et effectif en Suisse sont des personnes à l'étranger (
art. 5 al. 1 let. a LFAIE
) assujetties au régime de l'autorisation en cas d'acquisition d'immeubles (
art. 2 al. 1 LFAIE
). Partant, le Tribunal cantonal, dans la mesure où il considérait que la recourante n'était pas domiciliée en Suisse, n'avait d'autre choix que de constater son assujettissement au régime de l'autorisation selon l'
art. 25 al. 1
bis
LFAIE
. On ne voit pas que la législation actuelle laisse une marge de manoeuvre aux autorités, en application du principe de la proportionnalité. Le grief lié à la violation de ce principe n'a donc pas sa place ici.
4.8
Enfin, l'arrêt attaqué se limite à constater l'assujettissement de la recourante au régime de l'autorisation, sans se prononcer sur ses conséquences, notamment sur l'existence de charges éventuelles. Par conséquent, il n'y a pas lieu d'entrer en matière sur le bien-fondé d'une obligation d'aliénation, dès lors qu'elle dépasse l'objet du litige.
|
public_law
|
nan
|
fr
| 2,010 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
|
CH
|
Federation
|
a90dfa33-e62f-4bc8-ac8a-506e6652c1f6
|
Urteilskopf
107 II 319
50. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. März 1981 i.S. Keller gegen Wismer und Mitbeteiligte (Berufung)
|
Regeste
Bäuerliches Erbrecht; ungeteilte Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes zum Ertragswert.
Art. 620 Abs. 2 ZGB
.
Bei der Beurteilung, ob eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz gegeben ist, dürfen auch Liegenschaften berücksichtigt werden, die der ansprechende Erbe bereits vor dem Tode des Erblassers zusammen mit dessen Gewerbe als wirtschaftliche Einheit bewirtschaftet hat und dies auch noch für längere Zeit tun wird.
|
Sachverhalt
ab Seite 319
BGE 107 II 319 S. 319
A.-
Die am 15. Februar 1975 verstorbene Lydia Schwyn-Waldvogel hinterliess als Erben den Sohn Robert sowie vier Töchter, Clärly Wismer-Schwyn, Hedwig Vogel-Schwyn, Ruth Rohner-Schwyn und Margrit Keller-Schwyn. Zu ihrem Nachlass gehören unter anderem neun in Beringen und Neunkirch gelegene landwirtschaftliche Grundstücke im Halte von total 464 Aren mit Wohnhaus und Ökonomiegebäude. Das Land ist zum grossen Teil verpachtet. Zwei der Felder werden von Margrit Keller-Schwyn und ihrem Ehemann, der Landwirt ist, bewirtschaftet. Die Gebäude stehen seit dem Tode der Erblasserin leer.
BGE 107 II 319 S. 320
B.-
Am 21. Juni 1977 erhoben Clärly Wismer-Schwyn, Hedwig Vogel-Schwyn und Ruth Rohner-Schwyn gegen ihre Miterben beim Kantonsgericht Schaffhausen eine Klage auf Erbteilung. Sie beantragten, der Nachlass von Lydia Schwyn-Waldvogel sei festzustellen und zu teilen; die Liegenschaften seien einzeln öffentlich, eventuell unter den Erben, zu versteigern. Die Beklagte Margrit Keller-Schwyn verlangte mit einer Widerklage Zuweisung des Nachlasses an sie selbst gemäss bäuerlichem Erbrecht.
Das Kantonsgericht hiess mit Urteil vom 30. Juni 1978 die Klage gut und wies die Widerklage ab. Es wies den Nachlass von Lydia Schwyn-Waldvogel den Erben nach den Regeln des allgemeinen Erbrechts zu und ordnete die öffentliche Versteigerung der Erbschaftssachen durch die Vormundschaftsbehörde an.
Eine von der Beklagten Margrit Keller-Schwyn gegen dieses Urteil erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen am 16. Juli 1980 ab.
C.-
Die Beklagte Margrit Keller-Schwyn führt beim Bundesgericht Berufung und beantragt, es sei ihr der Nachlass von Lydia Schwyn-Waldvogel gemäss bäuerlichem Erbrecht als Einheit im Sinne von
Art. 620 ZGB
zuzuteilen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Befindet sich in einer Erbschaft ein landwirtschaftliches Gewerbe, das eine wirtschaftliche Einheit bildet und eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz bietet, so ist es gemäss
Art. 620 Abs. 1 ZGB
, wenn einer der Erben sich zu dessen Übernahme bereit erklärt und als hiefür geeignet erscheint, diesem Erben zum Ertragswert auf Anrechnung ungeteilt zuzuweisen.
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Rechtsprechung und Lehre zutreffend ausgeführt, dass diese Bestimmung dazu beitragen will, einen gesunden und leistungsfähigen Bauernstand zu erhalten, bestehende landwirtschaftliche Betriebe vor der Zersplitterung und den sesshaften Bauern vor Überschuldung zu bewahren (
BGE 95 II 395
/96 und
BGE 92 II 224
mit Hinweisen; TUOR/PICENONI, N. 12 der Vorbemerkungen zu
Art. 620 ff. ZGB
; STUDER, Die Integralzuweisung landwirtschaftlicher Gewerbe nach der Revision des bäuerlichen Zivilrechts von 1972, Diss. Fribourg 1975, S. 44 ff.; BOREL, Das bäuerliche Erbrecht, 1954, S. 13 f.; HOTZ, Bäuerliches Grundeigentum, ZSR 98 (1979) II S. 198/99; PIDOUX,
BGE 107 II 319 S. 321
Droit foncier rural, ZSR 98 (1979) II S. 416/17). Das bäuerliche Erbrecht ist als Sonderrecht nicht ausdehnend auszulegen. Es geht dem allgemeinen Erbrecht nur vor, wenn seine Voraussetzungen klar gegeben sind (
BGE 95 II 396
und 92 II 320).
a) Beide kantonalen Instanzen haben den Anspruch der Beklagten auf ungeteilte Zuweisung der Nachlassgrundstücke mit der Begründung abgewiesen, diese würden keine ausreichende landwirtschaftliche Existenz bieten.
4.
Die am 15. Februar 1973 in Kraft getretene Neufassung des
Art. 620 Abs. 2 ZGB
sieht nun allerdings vor, dass bei der Beurteilung, ob eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz gegeben sei, auch Anteile an Liegenschaften und für längere Dauer mitbewirtschaftete Liegenschaften berücksichtigt werden können. Entgegen der früheren Praxis (
BGE 81 II 108
; TUOR/PICENONI, N. 8 zu
Art. 620 ZGB
; STUDER, a.a.O., S. 76 f.) muss sich die ausreichende Existenz damit nicht mehr allein aus dem in der Erbschaft befindlichen landwirtschaftlichen Gewerbe ergeben. Bei der Neufassung dieser Bestimmung wurde in erster Linie an den Fall gedacht, dass der Erblasser seit langem und noch für lange Zeit eine Liegenschaft zu seinem Gewerbe hinzugepachtet hatte (
BGE 104 II 257
). Diesem Fall ist aber auch jener gleichzustellen, in dem der Ansprecher Eigen- oder Pachtland während längerer Zeit mitbewirtschaftet hat. Es entspricht dem Sinn und Zweck des bäuerlichen Erbrechts, auch dieses Land bei der Beurteilung der Frage, ob eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz gegeben sei, mitzuberücksichtigen. Bereits in
BGE 104 II 257
hatte das Bundesgericht die Gleichbehandlung des möglichen Übernehmers mit dem Erblasser bei Anwendung von
Art. 620 Abs. 2 ZGB
befürwortet (vgl. auch
BGE 76 II 127
). Diese Lösung entspricht auch der neueren Lehrmeinung (STUDER, a.a.O., S. 89/90 und 121; HOTZ, a.a.O., S. 195). Diese verlangt noch zusätzlich, dass allfälliges Eigen- oder Pachtland des Ansprechers von diesem bereits vor dem Tode des Erblassers erworben bzw. gepachtet und bewirtschaftet wurde und dass diese Bewirtschaftung weiterhin auf längere Zeit möglich ist (STUDER, a.a.O., S. 88 f.; TUOR/SCHNYDER, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 9. Aufl., S. 476). Ferner wird in der Lehre übereinstimmend vorausgesetzt, dass diese Grundstücke zusammen mit den Liegenschaften des Erblassers als wirtschaftliche Einheit bewirtschaftet wurden, sie somit bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers insgesamt, d.h. mit den Nachlassliegenschaften, eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz im Sinne
BGE 107 II 319 S. 322
von
Art. 620 ZGB
gewährleistet haben (STUDER, a.a.O., S. 76 ff., vor allem S. 80 ff.; TUOR/SCHNYDER, a.a.O., S. 476; ESCHER, Ergänzungsband, N. 6 zu
Art. 620 ZGB
; JUNOD, Le nouveau droit civil rural selon la loi fédérale du 6 octobre 1972, Blätter für Agrarrecht, 1973 S. 8). Dieser Lehrmeinung liegt der Gedanke zugrunde, dass vor allem der bisherige Bewirtschafter der Nachlassliegenschaft, der sich als Erbe um deren Zuweisung bemüht, geschützt zu werden verdient. Sie ist sowohl mit dem Wortlaut von
Art. 620 Abs. 2 ZGB
als auch mit den Materialien (STUDER, a.a.O., S. 81 und 89) vereinbar. Es ist in dieser Bestimmung nur von Anteilen an Liegenschaften und für längere Zeit mitbewirtschafteten Liegenschaften die Rede. Wer diese Liegenschaften bewirtschaftet haben muss, ob der Erblasser oder der ansprechende Erbe, sagt der Gesetzgeber nicht. Werden solche Grundstücke mit der Liegenschaft des Erblassers für längere Dauer mitbewirtschaftet, so ist der wirtschaftliche Effekt derselbe, ob bereits der Erblasser selbst oder der das Gut bewirtschaftende Erbe mit Hilfe von Pacht- und Eigenland eine ausreichende Existenz zu erreichen vermag, worauf auch das Bundesgericht in
BGE 104 II 257
hingewiesen hat.
Wird
Art. 620 Abs. 2 ZGB
im dargelegten Sinne ausgelegt, so kann Eigen- und Pachtland des ansprechenden Erben, das dieser schon vor dem Tode des Erblassers bewirtschaftet hat, aber nicht zusammen mit dessen Gewerbe, bei der Beurteilung der Frage, ob die Nachlassliegenschaft eine ausreichende landwirtschaftliche Existenz zu bieten vermöge, keine Berücksichtigung finden. Agrarpolitische Gründe würden zwar nicht dagegen sprechen, auch diesen Fall
Art. 620 Abs. 2 ZGB
zu unterstellen. In wirtschaftlicher Hinsicht würde er sich jedenfalls dann nicht vom oben genannten unterscheiden, wenn das Eigen- oder Pachtland des Erben zusammen mit der Nachlassliegenschaft für die Zukunft eine ausreichende Existenz böte und zudem zu einer wirtschaftlichen Einheit verbunden werden könnte. Das träfe dann zu, wenn sich das Gewerbe von einem Zentrum aus mit denselben Arbeitskräften und ohne unverhältnismässigen Aufwand rationell bewirtschaften liesse (STUDER, a.a.O., S. 111 ff., insbes. S. 114/115). Indessen sprechen sowohl der Wortlaut von
Art. 620 Abs. 2 ZGB
, vor allem auch in der französischen und italienischen Fassung (les biens-fonds exploités pendant une longue période avec l'entreprise agricole, beni immobili per lungo tempo e congiuntamente amministrati), als auch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung gegen
BGE 107 II 319 S. 323
eine solche Ausweitung ihres Anwendungsbereichs. In den Beratungen des Ständerates war in diesem Zusammenhang lediglich davon die Rede, dass neben Eigenland des ansprechenden Erben auch Pachtland zu berücksichtigen sei. Um Missbräuche mit erst abzuschliessenden Pachtverträgen zu vermeiden, wurde vom Ständerat in den Gesetzestext die Ergänzung "für längere Dauer mitbewirtschaftet" eingefügt (Sten. Bull. Ständerat 1971, S. 394).
Aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte von
Art. 620 Abs. 2 ZGB
ist somit zu schliessen, dass Liegenschaften des Bewerbers nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie bereits vor dem Tode des Erblassers mit dessen Gewerbe gemeinsam als wirtschaftliche Einheit bewirtschaftet wurden und dies für längere Zeit auch noch der Fall sein wird. Nur unter dieser Voraussetzung kommt dem agrarpolitischen Zweck, welcher dem bäuerlichen Erbrecht zugrunde liegt, gegenüber dem allgemeinen Erbrecht und dem darin statuierten Anspruch auf Gleichbehandlung aller Erben der Vorrang zu.
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public_law
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nan
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de
| 1,981 |
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CH
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Federation
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a90e0c41-dbbb-4d30-9320-4ceb28ba83ca
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Urteilskopf
113 II 49
9. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Februar 1987 i.S. S. gegen G. (Berufung)
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Regeste
Mäklervertrag. Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz (Art. 1 Abs. 1 und 413 Abs. 1 OR).
1. Auslegung nach dem Wortlaut, dem Kontext (E. 1a) und den Umständen des Vertragsschlusses (E. 1b).
2. Anwendung dieser Grundsätze auf einen Mäklervertrag, insbesondere bei Abweichung vom dispositiven Recht durch einen vorgeformten Vertrag (E. 1b).
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Sachverhalt
ab Seite 49
BGE 113 II 49 S. 49
A.-
G., Eigentümer einer in Küssnacht/SZ gelegenen Liegenschaft, erteilte am 15. April 1980 dem S. einen auf dessen Formular festgehaltenen "Verkaufsauftrag". Danach wurde S. beauftragt, für die Liegenschaft einen Käufer zu suchen und alle notwendigen Verkaufsverhandlungen zu führen; gleichzeitig erhielt er ein bis 31. Dezember 1980 befristetes Alleinverkaufsrecht. Im auf Franken 2,5 Mio. festgesetzten Kaufpreis war eine Provision von 3% oder Fr. 75'000.-- enthalten, die am Tag der Beurkundung eines Kaufvertrags fällig werden sollte (Ziff. 3 des Formularvertrags). Der ebenfalls vorgedruckte Text von Ziff. 8 lit. a lautete:
"Die volle Verkaufsprovision ist fällig, wenn während der
Vertragsdauer ein Kaufvertrag mit einem Kunden der Auftragnehmerin
beurkundet werden kann."
Nachdem S. einen Kaufinteressenten gefunden hatte, räumte G. diesem Ende August 1980 ein bis Ende 1980 befristetes Vorkaufsrecht ein. Am 1. Oktober 1980 teilte G. dem Kaufinteressenten sowie S. mit, er habe keine geeignete Ersatzliegenschaft finden können, weshalb ein Verkauf ausgeschlossen sei.
BGE 113 II 49 S. 50
B.-
Sowohl das Bezirksgericht Küssnacht wie das Kantonsgericht des Kantons Schwyz wiesen die Klage von S. auf Zahlung der vereinbarten Provision ab. Das Bundesgericht bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Würdigung des "Verkaufsauftrags" als Mäklervertrag wird zu Recht nicht angefochten. Streitig ist hinsichtlich des Hauptbegehrens einzig, ob der Kläger die Provision verdient hat, obwohl kein Vertrag beurkundet worden ist.
Das Kantonsgericht gelangt nach eingehenden Erwägungen zur Auslegung des "Verkaufsauftrags" zum Schluss, dass der Kläger nur dann einen Anspruch auf die Provision hätte, wenn es tatsächlich zu einem Verkauf der Liegenschaft gekommen wäre. Dem Beklagten sei es freigestanden, den mit dem Kaufinteressenten angestrebten Kaufvertrag schliesslich dann doch nicht abzuschliessen. Dem hält der Kläger entgegen, der Provisionsanspruch werde nicht nur durch die tatsächliche Vornahme der Beurkundung ausgelöst, sondern dafür genüge bereits die reale und naheliegende Möglichkeit dazu. Diese habe spätestens im August 1980 bestanden, als die grundsätzliche Einigung über den Kauf erzielt worden sei.
a) Die Vorinstanz nimmt das Fehlen eines tatsächlichen übereinstimmenden Parteiwillens an und legt deshalb den "Verkaufsauftrag" nach dem Vertrauensgrundsatz aus. Diese Auslegung prüft das Bundesgericht im Berufungsverfahren frei (
BGE 107 II 163
E. 6b mit Hinweisen). Nach dem Vertrauensgrundsatz sind Willenserklärungen der Parteien so auszulegen, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten (
BGE 111 II 279
E. 2b und 287 mit Hinweisen).
Der Wortlaut der isoliert betrachteten Ziff. 8 lit. a würde es zwar nicht ausschliessen, den Provisionsanspruch bereits bei der blossen Möglichkeit einer Beurkundung zuzuerkennen. Indessen muss die streitige Vertragsklausel im gesamten Zusammenhang beurteilt werden, in dem sie steht. Wenn die klar formulierte Ziff. 3 des Vertrags die Fälligkeit der Provision erst am Tage der Beurkundung eines Kaufvertrags eintreten lässt, so reicht die Möglichkeit dazu nicht aus. Die blosse Möglichkeit wäre auch viel zu unbestimmt, als dass angenommen werden könnte, auch der Beklagte habe vernünftigerweise die Fälligkeit des Provisionsanspruchs von
BGE 113 II 49 S. 51
der Möglichkeit der Beurkundung abhängig machen wollen, hätte das doch zur Folge, dass die Provision selbst dann geschuldet wäre, wenn ein Kaufinteressent bei der Beurkundung die Unterzeichnung des Kaufvertrags in letzter Minute verweigern würde. Hätten die Parteien die Provision tatsächlich bereits an die Möglichkeit der Beurkundung angeknüpft, so wären deren Voraussetzungen zweifellos näher umschrieben worden. Solche Präzisierungen sieht der Vertrag jedoch nur für den Fall vor, dass ein Kaufvertrag tatsächlich zustande kommen sollte. So enthält Ziff. 10 nähere Regelungen über den Beginn von Nutzen und Schaden, die Verlegung von Handänderungs-, Notariats- und Grundbuchgebühren sowie die Grundstückgewinnsteuer, jedoch keine Regelung für den Fall des nicht eingetretenen Erfolgs.
b) Selbst wenn der Wortlaut des Vertrags die Auslegung des Klägers zuliesse, wäre das Urteil des Kantonsgerichts nicht zu beanstanden. Lässt sich der wirkliche Parteiwille nicht feststellen, so ist für die Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz sämtlichen Umständen des Vertragsschlusses Rechnung zu tragen (
BGE 107 II 418
E. 6 und 476 mit Hinweisen), um aus den verschiedenen nach dem Wortlaut möglichen Auslegungen die richtige zu ermitteln.
In diesem Rahmen hat der Richter einmal zu berücksichtigen, welche Lösung sachgerechter ist. Für die Auffassung des Klägers könnte sprechen, dass es das Abstellen auf den tatsächlich beurkundeten Kaufvertrag dem Beklagten ermögliche, ohne Begründung den Vertragsschluss zu verweigern, nachdem der Kläger alles dafür Notwendige unternommen hat. Allein dieses Risiko ist das typische Risiko des Mäklers, wie sich aus
Art. 413 OR
ergibt, dem als Ausgleich die Erfolgsbedingtheit des Mäklerlohns gegenübersteht, die eine höhere Provision gestattet, als wenn nach Aufwand abzurechnen wäre.
Mit der Vorinstanz ist ferner zu berücksichtigen, welche Auslegung dem dispositiven Recht entspricht, das in der Regel die Interessen der Parteien genügend wahrt, weshalb eine Partei, die davon abweichen will, dies mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen muss, sofern sich der entsprechende Vertragswille nicht klar aus den Umständen ergibt (KRAMER, N. 48 zu
Art. 18 OR
; JÄGGI/GAUCH, N. 447 zu
Art. 18 OR
; vgl. auch BUCHER, OR Allg. Teil S. 155 und BUCHER in Festgabe für H. DESCHENAUX, Freiburg 1977, S. 256 ff.). Die dispositive Norm von
Art. 413 OR
setzt für den Mäklerlohn das tatsächliche
BGE 113 II 49 S. 52
Zustandekommen des Vertrags voraus. Es wäre Sache des Klägers gewesen, den heute behaupteten abweichenden Parteiwillen in einer eindeutigen Vertragsbestimmung zu bekunden. Das wird durch die Unklarheitsregel bestätigt, wonach jedenfalls bei vorgeformten Vertragsinhalten unklare Vertragsklauseln nach ständiger Rechtsprechung zu Ungunsten jener Partei auszulegen sind, die sie verfasst hat (
BGE 110 II 146
mit Hinweisen; KRAMER, N. 109 zu
Art. 1 OR
; JÄGGI/GAUCH, N. 451 ff. zu
Art. 18 OR
). Ziff. 8 lit. a des "Verkaufsauftrags" ist auf einem Formular des Klägers abgedruckt, von dem als Inhaber eines Immobilienbüros erwartet werden kann, dass er zumindest Bestimmungen von grundlegender Bedeutung derart verfasst, dass Streitigkeiten über deren Tragweite vermieden werden. Dazu kommt, dass der Kläger der Vertragsklausel eine Auslegung geben will, die nach den tatsächlichen und damit für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Kantonsgerichts in Widerspruch zu seinem bisherigen Geschäftsverhalten steht.
Dass die in Ziff. 8 lit. b-d des Formularvertrags enthaltenen Klauseln durchgestrichen worden sind, führt zu keinem anderen Ergebnis; jedenfalls lässt sich daraus nicht ableiten, dass die strittige Klausel vom Beklagten im vom Kläger behaupteten Sinn verstanden und gebilligt worden wäre.
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public_law
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nan
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de
| 1,987 |
CH_BGE
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CH_BGE_004
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CH
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Federation
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a90e7276-0aaf-409f-bd3d-dc268ce93341
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Urteilskopf
119 II 307
59. Estratto della sentenza del 3 marzo 1993 della II Corte civile nella causa Francesco Fornaciarini contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso per riforma)
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Regeste
Art. 30 Abs. 1 ZGB
. Namenswechsel eines Kindes unverheirateter Eltern.
1. Familienname eines Kindes verheirateter (E. 3b) und eines Kindes unverheirateter Eltern (E. 3c).
2. Mit einer Namensänderung kann einem Kind unverheirateter Eltern nicht ein Doppelname gegeben werden, der sich aus dem Familiennamen des Vaters gefolgt von jenem der Mutter oder umgekehrt zusammensetzt (E. 4).
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Sachverhalt
ab Seite 307
BGE 119 II 307 S. 307
A.-
Daniela Fornaciarini e Claudio Gianettoni convivono da oltre 10 anni. Dalla loro unione è nato, il 28 giugno 1982, il figlio Francesco, che porta il cognome della madre. Claudio Gianettoni ha riconosciuto il figlio, contribuisce al suo mantenimento e gli prodiga le cure necessarie alla sua educazione e al suo sviluppo, senza che
BGE 119 II 307 S. 308
vi sia tuttavia l'intenzione dei genitori di unirsi in matrimonio. Nella comunione domestica vivono pure le due figlie di Claudio Gianettoni, nate da un suo precedente matrimonio e entrambe maggiorenni. Il 10 dicembre 1990 Daniela Fornaciarini, quale rappresentante legale di Francesco Fornaciarini, ha chiesto al Consiglio di Stato del Cantone Ticino l'autorizzazione al cambiamento del cognome del figlio in Gianettoni-Fornaciarini o, in via sussidiaria, in Fornaciarini-Gianettoni. Con risoluzione 11 agosto 1992 il governo cantonale ha respinto l'istanza.
B.-
Il 9 settembre 1992 Francesco Fornaciarini, rappresentato dalla madre, ha inoltrato contro predetta decisione un ricorso per riforma, con cui ha rinnovato le richieste formulate in sede cantonale. Il Consiglio di Stato del Cantone Ticino ha proposto la reiezione del gravame. Il Tribunale federale ha respinto il ricorso e confermato la decisione impugnata.
Erwägungen
Dai considerandi:
3.
a) Il diritto al nome è principalmente istituito nell'interesse dell'individuo e appartiene essenzialmente al diritto privato (
DTF 96 I 428
consid. 1b). Dipende dai diritti della personalità e costituisce un segno distintivo che determina l'identità della persona e indica la sua appartenenza a una famiglia (A. BUCHER, Personnes physiques et protection de la personnalité, 2a ed., n. 760).
b) Per cognome coniugale si intende il cognome del marito o il cognome della sposa, qualora un'istanza degli sposi ai sensi dell'
art. 30 cpv. 2 CC
sia stata accolta. Il cognome, composto dal cognome del marito con l'aggiunta del cognome che la moglie portava da nubile, non è il cognome legale della famiglia, anche se corrisponde a un uso abbastanza corrente e permette talvolta di aumentare il carattere distintivo di cognomi ampiamente diffusi (
DTF 110 II 99
consid. 2). Anche se un coniuge utilizza nei rapporti sociali un cognome composto come appena descritto o se la moglie fa uso della facoltà conferitale dall'
art. 160 cpv. 2 CC
di anteporre il proprio cognome a quello coniugale, il cognome coniugale rimane quello del marito. Ed è quest'ultimo il cognome che viene assunto alla nascita dal figlio di genitori fra di loro coniugati (
art. 270 cpv. 1 CC
).
c) Giusta l'
art. 270 cpv. 2 CC
, il figlio di genitori non uniti in matrimonio assume il cognome della madre, ma se costei porta un doppio cognome in seguito a un matrimonio precedente, soltanto il primo
BGE 119 II 307 S. 309
cognome. Questa soluzione è dettata essenzialmente da motivi di ordine pratico. Se i genitori non hanno lo stesso cognome, è nell'interesse del bambino di avere il cognome del genitore con cui ha i legami più stretti. Di regola, un figlio naturale vive con la madre, presupponendo che i genitori non vivono nella stessa economia domestica. Dal momento che essi, invece, formano, di fatto, una famiglia, niente parrebbe imporre che il figlio acquisti il nome della madre piuttosto di quello del padre con cui intrattiene legami altrettanto stretti (VAN HOBOKEN-DE ERNEY, Familienname und Persönlichkeit. Eine namensrechtliche Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung der Namensführung von Frau und Kind, tesi, Zurigo 1984, pag. 229). La giurisprudenza del Tribunale federale ammette, e ciò anche prima dell'entrata in vigore del nuovo diritto matrimoniale, che il figlio di genitori non coniugati può a determinate condizioni - segnatamente la durata e la stabilità del concubinato dei genitori, l'interesse del figlio, l'impossibilità dei genitori di sposarsi - assumere il nome del padre al posto di quello della madre mediante la procedura prevista dall'
art. 30 CC
(cfr.
DTF 96 I 429
consid. 2,
DTF 95 II 503
segg.,
DTF 70 I 216
). In particolare il Tribunale federale ha considerato che per permettere al figlio naturale o adulterino di dissimulare, nella misura del possibile, la sua nascita illegittima, questi dev'essere autorizzato a acquisire il nome del padre naturale. Infatti il figlio non dev'essere sanzionato per le colpe dei genitori. In seguito tale giurisprudenza si è staccata dal criterio, che voleva la procedura dell'
art. 30 CC
sussidiaria alle altre vie, in particolare al matrimonio dei genitori naturali, ammettendo che, anche qualora non vi sia alcun impedimento oggettivo a un tale matrimonio, un cambiamento del nome del figlio può essere autorizzato (
DTF 107 II 289
, 105 II 241). Il Tribunale federale ha comunque sempre mantenuto il criterio della stabilità della relazione fra i genitori. La prassi ha ammesso questa possibilità sempre al fine di assimilare la situazione del figlio quanto più possibile a quella di bambini nati da genitori uniti in matrimonio. Attualmente la legislazione come la giurisprudenza tendono a evitare, in caso di rottura del rapporto di concubinato, che il figlio che vive con la madre - come succede nella maggior parte dei casi - abbia un cognome diverso da quello della madre. Tuttavia più l'unione è stabile - e la sua durata può esserne un indizio - meno si impone di far mantenere al figlio il cognome della madre.
d) La critica ricorsuale, che vede nella vigente legislazione una lacuna, è pertanto infondata. Da quanto precede è evidente che il Codice civile regola la questione del cognome dei figli naturali, e la
BGE 119 II 307 S. 310
giurisprudenza l'ha completata, al fine di tener conto del fatto che molti di essi non vivono in una famiglia monogenitore, ma con entrambi i genitori. Come rettamente rileva il governo cantonale, il ricorrente avrebbe potuto chiedere l'autorizzazione ad assumere il nome del padre.
4.
a) Il ricorrente sostiene che il cognome che intende assumere non comporta un cambiamento radicale, poiché esso si distanzia meno da quello originario di quanto, invece, sarebbe il caso con l'assunzione del solo cognome del padre, per cui esso dovrebbe essere concesso più facilmente. Inoltre un cognome doppio permette di mettere in evidenza la discendenza da entrambi i genitori.
L'argomentazione ricorsuale misconosce le ragioni che hanno portato il Tribunale federale ad ammettere il cambiamento del nome di figli nati da genitori non uniti in matrimonio. La ratio della giurisprudenza illustrata nel precedente considerando ne costituisce anche il limite. Come già precisato, la prassi permette l'assunzione del nome del padre, che vive con la madre e il figlio nella medesima economia domestica, unicamente per evitare a quest'ultimo eventuali inconvenienti, che potrebbero scaturire dal fatto che i suoi genitori non sono coniugati. Infatti nonostante una liberalizzazione dei costumi, non è possibile escludere una discriminizzazione sociale dei figli nati fuori dal matrimonio. Si tratta dunque di avvicinare il più possibile lo statuto del figlio naturale a quello di figli di genitori fra loro sposati, anche se tuttavia occorre riconoscere che l'unità del cognome di una famiglia di fatto è realizzata in modo insoddisfacente, poiché la madre continua ad avere un cognome differente.
b) A giusto titolo, poi, il Consiglio di Stato osserva che la soluzione prospettata dal ricorrente non è prevista né dal Codice civile né dalla giurisprudenza. La richiesta del ricorrente non gli permetterebbe di avere un nome che lo assimilerebbe a un membro di una famiglia composta da genitori coniugati, ma al contrario ne accrescerebbe lo statuto particolare, rivelando definitivamente la sua nascita fuori dal matrimonio. Inoltre, come indica l'Ufficio federale di giustizia, nella fattispecie si creerebbe una famiglia nella quale non esiste alcun cognome comune, tranne quello del padre e le sue due figlie di primo letto. È del resto, se contrariamente a quanto prospettato dai genitori del ricorrente, essi si dovessero un giorno sposare e avere altri figli comuni, quest'ultimi non potrebbero avere lo stesso cognome dell'istante. Questo fatto darebbe luogo a un'ineguaglianza di trattamento fra i discendenti di una medesima famiglia e più in generale fra figli di genitori coniugati e figli di persone che
BGE 119 II 307 S. 311
vivono in concubinato. Infatti a quest'ultimi verrebbe data la possibilità di assumere sia il cognome del padre che quello della madre, mentre la legislazione vigente non lo permette ai primi. Nella fattispecie non si vede poi quale sia per il ricorrente l'interesse - che prevale su quello pubblico dell'immutabilità del nome (
DTF 107 II 291
) - ad avere un cognome diverso da tutti gli altri componenti dell'economia domestica in cui vive.
c) Se si può concordare con il ricorrente che il nuovo diritto di famiglia non realizza l'intento della parità fra donna e uomo per quanto concerne la trasmissione del cognome (cfr.
DTF 115 II 201
consid. d), è necessario ricordare che il Tribunale federale, in virtù dell'
art. 113 cpv. 3 Cost.
, deve applicare le leggi federali anche qualora esse non dovessero rispettare la Costituzione. È pertanto inutile il riferimento ricorsuale a una decisione del Bundesverfassungsgericht germanico su questo punto, poiché la Corte appena menzionata può esaminare la costituzionalità delle leggi. Inoltre il ricorrente non è che toccato indirettamente da questa disparità di trattamento e non è quindi legittimato a invocarla in suo favore. Infatti vittima della ineguaglianza citata dal ricorrente è innanzi tutto la donna, che sposandosi non può né mantenere né trasmettere ai figli il proprio cognome. Nemmeno la dottrina si rivela insensibile a tali argomenti. A. BUCHER, ad esempio, ritiene inevitabile una revisione della legge (op.cit., n. 779). Tuttavia non esiste nessun autore che sostiene, per il diritto svizzero, la tesi del ricorrente tendente all'assunzione, da parte del figlio di genitori non coniugati, sia del cognome del padre che quello della madre. D'altra parte la domanda principale corrisponde al cognome composto dei genitori (Gianettoni-Fornaciarini), se essi fossero sposati, mentre quella sussidiaria (Fornaciarini-Gianettoni), potrebbe creare della confusione supplementare, poiché esso potrebbe essere scambiato con un cognome coniugale composto e far apparire il cognome Fornaciarini come quello del padre.
d) Nemmeno la CEDU dà conforto alle argomentazioni ricorsuali. A. HÄFLIGER - citando la decisione della Commissione europea dei diritti dell'uomo n. 8042/77 (DR 12, pag. 202) emanata prima dell'entrata in vigore del nuovo diritto matrimoniale svizzero - indica che il fatto di rendere facilmente identificabili i membri di una famiglia giustifica l'imposizione del nome del marito alla moglie e ai figli senza ledere l'
art. 14 CEDU
(Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Berna 1993, pag. 261). Più recentemente la Commissione nel suo rapporto del 21 ottobre 1992 nel caso Burghartz e Schnyder Burghartz c. Svizzera (la decisione
BGE 119 II 307 S. 312
impugnata è pubblicata in
DTF 115 II 193
segg.), attualmente pendente presso la Corte europea, non ha criticato il fatto che i figli di genitori uniti in matrimonio portano sempre il cognome coniugale.
e) Pur essendo esatto che in Svizzera esistono, anche se non frequenti, dei cognomi formati da due cognomi (ad esempio: Ressiga-Vacchini, Aostalli-Adamini, Robert-Tissot, Rey-Mermet), occorre tuttavia riconoscere che il diritto svizzero è fondato sul principio della trasmissione ai discendenti di un solo cognome. Del resto, il ricorrente, menzionando la possibilità della donna coniugata di mantenere il proprio cognome anteponendolo a quello del marito, misconosce il fatto che tale cognome non costituisce il cognome coniugale che è trasmesso ai figli. Inoltre, come rileva giustamente l'Ufficio federale di giustizia, il grave motivo deve riferirsi anche al nome richiesto. In concreto non si può sostenere che sia nell'interesse del figlio di pronunciare e scrivere la combinazione dei due cognomi, di cui uno è composto da quattro e l'altro da cinque sillabe. Del resto, secondo A. BUCHER, i cognomi composti assunti da numerose donne sono spesso lunghi e difficili da ricordare, con la conseguenza che l'uso corrente è di amputarne una parte (op.cit., n. 779).
5.
Infine il ricorrente afferma che la decisione impugnata viola una Convenzione delle Nazioni Unite sui diritti dell'infanzia. In linea di principio una siffatta censura è ricevibile, poiché pure i trattati internazionali costituiscono del diritto federale ai sensi dell'
art. 43 cpv. 1 OG
. Tuttavia tale critica si rivela infondata, poiché la Convenzione non è ancora stata ratificata dalla Svizzera. Il ricorso deve pertanto essere respinto, non essendovi dei gravi motivi, come prescritto dall'
art. 30 cpv. 1 CC
, per concedere il cambiamento del nome.
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public_law
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nan
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it
| 1,993 |
CH_BGE
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CH_BGE_004
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CH
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Federation
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a912010a-747d-4861-a8d4-64d7f0d2cced
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Urteilskopf
105 Ia 127
27. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 15 août 1979 dans la cause T. contre Ministère public du canton de Fribourg (recours de droit public)
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Regeste
Anspruch auf angemessene Parteientschädigung desjenigen, dessen Rechtsmittel in einer Strafsache vollumfänglich oder teilweise gutgeheissen wird.
1. Die schweizerische Rechtsordnung kennt keinen allgemeinen und unbestrittenen Grundsatz, wonach die kantonalen Behörden dem in einem Strafverfahren obsiegenden Beschwerdeführer auch bei Fehlen entsprechender Gesetzesbestimmungen eine Parteientschädigung zusprechen müssen (E. 2b).
2. Weder Art. 5 noch
Art. 6 EMRK
gewährleisten einen solchen Anspruch (E. 3).
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Sachverhalt
ab Seite 128
BGE 105 Ia 127 S. 128
A la suite d'un accident mettant en cause plusieurs automobilistes, T. et M. ont été condamnés à une amende. Ensuite d'opposition, le Préfet du district de la Sarine, statuant le 20 novembre 1978, a condamné T. à une amende de 50 fr. et il a acquitté M. La totalité des frais, par 440 fr. 20, a été mise à la charge de T.
T. ayant recouru devant la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal du canton de Fribourg, celle-ci a modifié la répartition des frais, en ce sens qu'elle a mis ceux-ci pour 2/3 à la charge du recourant et pour 1/3 à la charge du fisc. Les frais de deuxième instance ont été mis à la charge du fisc. Une conclusion tendante à l'allocation d'une équitable indemnité a été quant à elle rejetée.
T. forme un recours de droit public au Tribunal fédéral; il se plaint du refus qui a été opposé à sa demande d'indemnité. Il invoque la violation des
art. 4 Cst.
, 2 Disp. trans. Cst. et 6 de la Convention européenne des droits de l'homme (CEDH).
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
b) En réalité, le problème posé par le présent recours ne concerne nullement le cas de l'indemnité qui peut être accordée à l'accusé libéré ou acquitté, mais bien celui des indemnités ou dépens accordés à celui qui obtient totalement ou partiellement gain de cause dans un recours. La loi cantonale ne contenant aucune disposition expresse réglant cette question, convient d'examiner si, comme le soutient le recourant, l'on ne se trouve pas en présence d'une lacune que le juge devrait combler, en application d'un principe juridique clair et indiscuté en vertu duquel celui qui recourt avec succès a toujours droit à une indemnité ou à des dépens.
On relève d'emblée qu'il n'existe aucune disposition légale de droit fédéral qui, battant en brèche le principe posé à l'
art. 64
BGE 105 Ia 127 S. 129
bis al. 2 Cst.
, imposerait l'application d'un tel principe aux cantons. Un tel principe n'a pas davantage été posé par la jurisprudence du Tribunal fédéral sur la base de l'
art. 4 Cst.
Si l'on examine ensuite les diverses lois de procédure cantonale, on constate l'existence d'un éventail fort disparate de solutions sur ce point, si bien que l'on doit exclure toute idée d'un principe général et incontesté de l'ordre juridique suisse. Il existe d'abord, dans les différents cantons, des dispositions très variées en matière d'indemnité ensuite de détention injustifiée ou de dommages causés par la procédure pénale à l'accusé acquitté. Et, dans ce domaine déjà, plusieurs cantons n'englobent pas dans cette indemnité les frais d'avocat engagés pour la défense pénale de l'accusé (cf. énumération de FISCHLI, in RDS 79 (1960) II, p. 358a ss.; et HAUSER, Kurzlehrbuch des schweiz. Strafprozessrechts, p. 381 ss.). De plus, peu nombreux sont les cantons qui, à côté de ces dispositions, ont introduit le droit à une indemnité ou à des dépens en faveur de celui qui obtient gain de cause dans un recours ou qui voit le Ministère public succomber dans un recours. Certes, il existe sur ce point les dispositions claires de la loi fédérale de procédure pénale qui, à côté des
art. 122 et 176 PPF
traitant de l'indemnité due ensuite de non-lieu ou d'acquittement, prévoient expressément la possibilité d'allouer une indemnité à l'accusé qui obtient gain de cause dans un pourvoi en nullité (art. 228 al. 3 et 278 al. 3 PPF). Mais quelques cantons seulement ont adopté une solution proche ou similaire, soit dans leur législation, soit dans leur jurisprudence (Berne, St-Gall, Lucerne, Thurgovie, Zurich, Grisons; cf. FALB, Die Rechtsmittel des bernischen Strafverfahrens, p. 117, 139, 140; JAEGER, Die Nichtigkeitsbeschwerde im st. gallischen Strafprozess, thèse Zurich 1976, p. 141; STICKELBERGER, Rekurs und Beschwerde im Luzerner Strafprozess, thèse Berne 1970, p. 126; LITSCHGI, Die Rechtsmittel im thurgauischen Strafprozess, thèse Zurich 1975, p. 85; DECURTINS, Die kantonal-zürcherische Nichtigkeitsbeschwerde im Strafsachen, thèse Zurich 1971, p. 56; ZINDEL, Kosten- und Entschädigungsfolgen im Strafverfahren des Kantons Zürich, thèse Zurich 1972, p. 101; Graubünden, StPO, par. 160 al. 4).
Au contraire, la plupart, voire la totalité, des autres cantons n'ont, dans leurs lois de procédure pénale, aucune disposition prévoyant - ou permettant seulement - l'octroi d'une indemnité
BGE 105 Ia 127 S. 130
ou de dépens à la partie qui obtient gain de cause dans un recours. Dans ces situations, la doctrine et la jurisprudence admettent généralement que toute possibilité d'octroi d'une indemnité ou de dépens à la charge de l'Etat, soit du Ministère public, est exclue (cf. notamment: AMISEGGER, Die Rechtsbehelfe der Schaffhauser Strafprozessordnung, thèse Zurich 1976, p. 243/244; STEINEGGER, Die Kosten und Entschädigungspflicht im zugerischen Strafprozess, thèse Zurich 1975, p. 124-128; WEBER, Die Berufung im zugerischen Strafprozess, thèse Zurich 1978, p. 130/131). Tel est en particulier le cas des cantons romands (cf. notamment DUBI, La politique des frais de justice pénale] en Suisse romande, thèse Neuchâtel 1957, p. 66, 72; PONCET, Le nouveau code de procédure pénale genevois annoté, note ad art. 97, p. 175; pour le canton de Vaud, cf. arrêt publié in JdT 1976 III 64), et plus précisément celui du canton de Fribourg.
Dans un tel contexte, on ne saurait évidemment parler d'une lacune de la loi, ni de la violation d'un principe incontesté et général de l'ordre juridique suisse. Or, faute d'une disposition légale cantonale claire sur ce point, le Tribunal fédéral, juridiction de droit public, n'a aucune possibilité d'intervenir dans un domaine qui est du seul ressort du législateur ou des juges du canton dans la mesure où, par voie de jurisprudence, ils s'estimeraient habilités à intervenir. A cet égard, le recourant n'invoque d'ailleurs aucune jurisprudence ou pratique cantonale fribourgeoise dont il ressortirait que des dépens ou indemnités auraient été accordés aux accusés obtenant gain de cause dans un recours sur un autre point que le principe de leur acquittement de la prévention pénale.
Ainsi, dans la mesure où il est fondé sur l'
art. 4 Cst.
et l'arbitraire, le recours ne peut qu'être rejeté.
3.
a) Le recourant tente enfin de tirer argument de l'
art. 6 CEDH
et de l'exigence d'un jugement équitable (fair trial) qui y figure. C'est à juste titre que ce moyen est soulevé par la voie du recours de droit public, car la disposition invoquée porte sur des droits de nature constitutionnelle au sens de l'
art. 84 al. 1 lettre a OJ
, même s'ils figurent dans une convention internationale (
ATF 102 Ia 381
et 203 consid. 2,
ATF 101 Ia 69
).
b) L'
art. 6 CEDH
pose il est vrai un certain nombre de principes fondamentaux qui doivent être respectés pour qu'un jugement puisse être rendu de manière équitable. Mais il suffit
BGE 105 Ia 127 S. 131
de lire cette disposition pour constater qu'elle ne contient rien au sujet du droit à une indemnité de la part de l'accusé ou de la partie qui obtient gain de cause dans un procès, à quelque stade que ce soit. Les seuls éléments de la disposition qui touchent aux frais ou dépenses de l'accusé ne concernent que le cas de l'interprète qui doit être gratuit, et le cas du défenseur d'office qui doit être octroyé à celui qui est dépourvu de moyens financiers suffisants.
En réalité, la seule disposition qui traite d'une réparation ou d'une indemnité en faveur de l'accusé figure à l'
art 5 ch. 5 CEDH
, mais celui-ci impose uniquement le droit à une indemnité en faveur de la personne victime d'une arrestation ou d'une détention apparaissant en définitive comme illégale et contraire aux principes posés à l'art. 5 de la convention. Il n'oblige même pas les Etats contractants à indemniser ceux qui n'ont subi qu'une détention simplement injustifiée (cf. PONCET, La protection de l'accusé par la CEDH, p. 158; BISCHOFSBERGER, Die Verfahrensgarantien der EMRK, thèse Zurich 1972, p. 235 ss.). Ainsi, ni à l'art. 5 ni à l'
art. 6 CEDH
, on ne peut trouver la moindre base qui pourrait fonder un droit pour l'accusé d'être indemnisé des dépenses qu'il a engagées pour se défendre, en dehors du cas de détention illégale.
Les moyens du recourant tirés de la CEDH et de l'art. 2 Disp. trans. Cst. sont donc également mal fondés.
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public_law
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nan
|
fr
| 1,979 |
CH_BGE
|
CH_BGE_002
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CH
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Federation
|
a91734a2-5909-45a9-a031-513946e95d06
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Urteilskopf
90 IV 32
8. Urteil des Kassationshofes vom 21. Februar 1964 i.S. Statthalteramt Uster gegen Michel.
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Regeste
Art. 32 Abs. 1 SVG
. Pflicht zur Beobachtung der Fahrbahn.
Überblickbar im Sinne der Sichtweite, auf die der Führer anhalten können muss, ist eine Strecke nur soweit, als auch die Strassenfläche selber beobachtet werden kann.
Ist auf diese Entfernung ein Hindernis bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit rechtzeitig wahrnehmbar, so kann der Führer sich nicht darauf berufen, dass damit nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu rechnen sei.
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Sachverhalt
ab Seite 32
BGE 90 IV 32 S. 32
A.-
Michel fuhr am 22. Juli 1963 gegen 23 Uhr 30 am Steuer seines Personenwagens Ford-Consul auf der Hauptstrasse von Mönchaltorf gegen Oetwil. Ausgangs des Dorfes Esslingen, wo die Strasse 6,3 m breit ist und eine langgezogene Linksbiegung beschreibt, hielt er eine Geschwindigkeit von 75 km/Std. inne. Im letzten Drittel der
BGE 90 IV 32 S. 33
Biegung floss von rechts aus einem Kieslager Wasser über die Strasse. Michel überfuhr den 7 bis 8 m breiten Wasserstreifen, ohne die Fahrt zu mässigen. Nach etwa 20 m geriet er mit den rechten Rädern über den Strassenrand hinaus. Er versuchte, den Wagen auf die Strasse zurückzulenken, verlor dabei aber die Herrschaft über das Fahrzeug, das die Strasse nach 56 m links wieder verliess und durch eine Wiese gegen ein Quartiersträsschen fuhr, wo es seitwärts umkippte und an einem Gartenzaun stark beschädigt zum Stillstand kam. Die drei Insassen wurden nicht verletzt.
B.-
Mit Verfügung vom 27. September 1963 verfällte das Statthalteramt Uster Michel in Anwendung der Art. 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 und 90 Abs. 1 SVG in eine Busse von Fr. 40.-.
Auf das Begehren um gerichtliche Beurteilung sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirrksgerichtes Uster den Gebüssten am 3. Dezember 1963 frei, weil die Fahrgeschwindigkeit noch als zulässig betrachtet werden könne und Michel mit dem über die Strasse fliessenden Wasser, das Ursache des Unfalls gewesen sei, nicht habe rechnen müssen.
C.-
Das Statthalteramt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Einzelrichters aufzuheben und die Sache zur Bestrafung Michels wegen Übertretung des SVG an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 32 Abs. 1 SVG
ist die Geschwindigkeit stets den Umständen, namentlich den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen anzupassen. Diese Regel war teils wörtlich, teils sinngemäss schon in Art. 25 Abs. 1 MFG enthalten. Wie das Bundesgericht ständig entschieden hat, verpflichtet sie den Führer, die Geschwindigkeit jederzeit so zu bemessen, dass er innerhalb der als frei erkannten Strecke anhalten kann. Frei ist diejenige Strecke, auf der weder ein Hindernis sichtbar ist, noch mit dem Auftreten
BGE 90 IV 32 S. 34
eines Hindernisses gerechnet werden muss, das sich zwar noch nicht auf der überblickbaren Fahrbahn befindet, aber im letzten Augenblick darauf erscheinen kann (
BGE 89 IV 25
und dort angeführte Urteile). Gefahren dieser Art hat der Fahrer bei der Bemessung der Geschwindigkeit jedoch nur Rechnung zu tragen, wenn die Möglichkeit, dass plötzlich ein Hindernis in die Fahrbahn treten könnte, aus besondern Umständen, seien es Signale, Schulhäuser, Spielplätze oder dergleichen, dringlich hervorgeht (vgl.
BGE 80 IV 133
).
Anders verhält es sich, wenn ein Hindernis, das die Durchfahrt von Fahrzeugen gefährden kann, sich bereits auf der Strasse befindet. Eine Strecke ist nicht schon dann überblickbar, wenn sich dem Führer die Sicht in der Strassenrichtung z.B. bis auf Augenhöhe öffnet, ihm der Blick auf die Fahrbahn aber noch versperrt bleibt. In einem solchen Fall kann er wohl feststellen, ob sich ein Fahrzeug auf der Strecke befinde, dagegen kann er ein allfälliges Hindernis, das sich von der Strassenfläche nur wenig oder nicht abhebt, noch nicht sehen. Dies kann z.B. Gestein, ein Ast, verlorenes Transportgut, ein Verunfallter, eine vereiste Stelle, eine Öllache oder, wie hier, ein Wasserlauf zufolge eines Gewitterregens sein. Auch mit solchen Hindernissen und Gefahren muss gerechnet werden, selbst wenn sie verhältnismässig selten sind. Das gilt namentlich für Strassenbiegungen, in denen die Sicht auf die Fahrbahn durch kleine Bodenerhebungen, Anpflanzungen oder ähnliche Verhältnisse zunächst noch verdeckt bleibt. Überblickbar im Sinne der Sichtweite, auf die der Führer anhalten können muss, ist daher eine Strecke nur soweit, als auch die Strassenfläche selber beobachtet werden kann. Ist auf diese Entfernung ein Hindernis bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit rechtzeitig wahrnehmbar, so kann der Führer sich nicht darauf berufen, dass damit nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu rechnen sei. Er hat eben die Fahrbahn vor sich zu beobachten und muss die Fahrt verlangsamen und nötigenfalls sogar anhalten, wenn
BGE 90 IV 32 S. 35
er darauf ein Hindernis erblickt, mag es auch ein noch so fremdartiges sein. Tut er das nicht oder nimmt er das Hindernis infolge Unaufmerksamkeit zu spät wahr, so handelt er pflichtwidrig und ist folglich strafbar (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 12. Mai 1961 i.S. Ritter Erw. 2).
2.
Ob Michel diese Pflicht verletzt und, wenn ja, die Herrschaft über sein Fahrzeug schuldhafterweise verloren habe, wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, kann mangels genügender Feststellungen des Einzelrichters nicht nachgeprüft werden. Das angefochtene Urteil ist deshalb gestützt auf
Art. 277 BStP
aufzuheben und die Sache zur weitern Abklärung des Sachverhaltes an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ergibt sich, dass die Fahrgeschwindigkeit von 75 km/Std. dem Beschwerdegegner nicht erlaubte, innerhalb der zuverlässig überblickbaren Strecke anzuhalten, so ist er schon deshalb wegen Übertretung von
Art. 32 Abs. 1 SVG
zu bestrafen. Wird dagegen festgestellt, dass die Sichtstrecke an sich lang genug war, so stellt sich die weitere Frage, ob der Beschwerdegegner den Wasserlauf innerhalb dieser Strecke bei gehöriger Aufmerksamkeit rechtzeitig wahrnehmen konnte, um ihn mit entsprechend verminderter Geschwindigkeit zu überqueren.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Uster vom 3. Dezember 1963 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
| null |
nan
|
de
| 1,964 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
a919e7f0-6c4b-46f6-b03c-a9f11e6520ee
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Urteilskopf
123 III 115
19. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 18 février 1997 dans la cause X., Compagnie d'assurances contre dame B. (recours en réforme)
|
Regeste
Invaliditätsschaden.
Die Tafel 19 von Stauffer/Schätzle ist für die Kapitalisierung des zukünftigen Erwerbsausfalls einer unselbständig erwerbstätigen, 45-jährigen Frau massgebend (E. 6a-d).
Zeitpunkt, ab welchem auf einem zukünftigen Schaden der Zins zu berechnen ist (E. 9a).
|
Sachverhalt
ab Seite 116
BGE 123 III 115 S. 116
A.-
Dame B. est née le 7 avril 1949. Elle a travaillé comme téléphoniste auprès des PTT jusqu'en 1973. Après avoir suivi une formation d'éducatrice spécialisée, elle est entrée au service d'un institut en cette qualité au début de 1977.
Le 2 octobre 1983, dame B. a été victime d'un accident de la circulation provoqué par Z., dont la responsabilité civile de détenteur est couverte par X., Compagnie d'assurances. Grièvement blessée, dame B. a été hospitalisée durant trois mois environ. Actuellement, elle est encore en traitement. Sa capacité résiduelle de gain a été fixée à 50%.
B.-
Le 4 janvier 1989, dame B. a ouvert contre X. une action en dommages-intérêts pour un peu plus de 2,5 millions de francs. La défenderesse a conclu à libération pour une très large mesure.
Par jugement du 23 septembre 1993, le Tribunal de première instance du canton de Genève a partiellement fait droit aux conclusions de la demanderesse et a condamné la défenderesse à lui payer, avec intérêts, notamment 767'173 fr. à titre de perte de gain future et plus de 80'000 fr. pour les frais futurs de cures, d'aide ménagère et paramédicaux.
Statuant sur appel de chaque partie, la Cour de justice du canton de Genève a, par arrêt du 23 juin 1995, condamné la défenderesse à payer à la demanderesse, avec intérêts à 5% dès ce jour, entre autres, 1'190'946 fr.85 à titre de perte de gain future et 102'939 fr.90 pour les frais futurs de cures, d'aide ménagère et paramédicaux.
C.-
Admettant partiellement le recours principal de la défenderesse et partiellement dans la mesure où il était recevable le recours joint de la demanderesse, le Tribunal fédéral a réformé l'arrêt attaqué en ce sens que la perte de gain future s'élève à 837'696 fr.65 et les intérêts doivent être calculés à partir du 1er mars 1994 pour cette somme et celles afférentes aux frais futurs de cures, d'aide ménagère et paramédicaux.
Erwägungen
Extrait des considérants:
6.
La cour cantonale a capitalisé la perte de gain future de la demanderesse à l'aide du facteur 18.03 (femme âgée de 45 ans) de la table d'activité no 20 de Stauffer/Schaetzle (Tables de
BGE 123 III 115 S. 117
capitalisation, 4e éd. 1989; traduction française 1990). S'agissant de la date de la capitalisation, elle a retenu celle du 1er mars 1994 par souci de simplification, étant donné que les dernières conclusions que les parties ont prises devant elle ont été déposées le 11 mars 1994. Quant au montant à capitaliser, la cour cantonale a retenu une perte de gain moyenne de 64'491 fr.55. Ni ce montant ni l'époque de la capitalisation ne sont remis en cause par les parties. La défenderesse estime, en revanche, que la capitalisation devait être opérée à l'aide du facteur 12.49 de la table d'activité no 19 de Stauffer/Schaetzle.
a) Pour la capitalisation de la perte de gain future, la jurisprudence applique en principe la table d'activité no 20 de Stauffer/Schaetzle dans l'hypothèse d'une activité se prolongeant au-delà de l'âge de l'AVS (cf.
ATF 116 II 295
consid. 3c;
ATF 113 II 345
consid. 1b/cc;
ATF 104 II 307
consid. 9c p. 309). La table 20 repose sur la durée moyenne de la capacité de gain ou de travail probable; autrement dit, elle ne prend en considération que l'arrêt du travail pour cause d'invalidité, et non pas pour cause de prise de la retraite sans invalidité (
ATF 110 II 423
consid. 3c non publié;
ATF 104 II 307
consid. 9c p. 309, qui est imprécis dans la mesure où il fait état de la durée moyenne de la pratique d'une activité lucrative; cf. BREHM, Commentaire bernois, n. 42 et 49 ad remarques préalables ad
art. 45 et 46 CO
; STAUFFER/SCHAETZLE, op.cit., n. 633 et 989).
b) Dans un récent arrêt non publié, le Tribunal fédéral a relevé que cette jurisprudence faisait l'objet de critiques dans la littérature (R. J. contre Compagnie d'assurances B. du 13 décembre 1994, consid. 4a).
La doctrine en question reproche en effet au Tribunal fédéral d'appliquer de façon schématique la table 20, au motif qu'elle ne tient pas compte du fait que les personnes actives, tout au moins les personnes de condition dépendante, c'est-à-dire les salariés, mettent en principe un terme à leur activité lucrative à l'âge de la retraite grâce au développement des assurances sociales et de la prévoyance professionnelle (arrêt du 13 décembre 1994 cité, même passage et les références à BREHM, op.cit., n. 42 ss ad remarques préalables ad
art. 45 et 46 CO
; GIOVANNONI, Les nouvelles tables de capitalisation de STAUFFER/SCHAETZLE, in Revue jurassienne de jurisprudence 1/1991, p. 6 s.; WEBER, Der Rentenschaden: Zur Berechnung des "Invaliditätsschadens" auf neuer Grundlage, in RSJ 88/1992, p. 232; SCHAER, Grundzüge des Zusammenswirkens von Schadensausgleichsystemen, p. 56 n. 149 s. et p. 386 n. 1116). Aussi, une partie de la doctrine propose-t-elle, en tout cas pour les lésés (salariés) d'un certain
BGE 123 III 115 S. 118
âge - selon BREHM (op.cit., n. 43 ad remarques préalables ad
art. 45 et 46 CO
) au plus tard à partir de 50 ans -, de renoncer en règle générale à capitaliser selon l'activité (table 20) et de calculer seulement une rente temporaire jusqu'à l'âge présumé de la retraite.
La cessation de toute activité lucrative à l'âge de la retraite correspond sans aucun doute, au moins pour les salariés, au cours ordinaire des choses (BREHM, op.cit., n. 46; SCHAER, op.cit., p. 56 n. 149; GIOVANNONI, op.cit., p. 6 s.; WEBER, op.cit., p. 232; décision du 14 novembre 1978 du Tribunal de district de Zurzach, in RSJ 76/1980, p. 13 consid. 8a; SZÖLLÖSY/ROBERT-TISSOT, L'évaluation du dommage résultant de l'invalidité dans divers pays européens, p. 264; STAUFFER/SCHAETZLE, op.cit., n. 634; KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, II, p. 59; SCHAFFHAUSER/ZELLWEGER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, II, p. 130 n. 1181; STOESSEL, Das Regressrecht der AHV/IV gegen den Haftpflichtigen, p. 95).
c) Le Tribunal fédéral s'est écarté à plusieurs reprises de la jurisprudence afférente à la table 20. Dans un certain nombre d'arrêts publiés et non publiés, la perte de gain n'a en effet pas été capitalisée selon les tables d'activité, mais de façon temporaire jusqu'à l'âge présumé de la retraite (pour un aperçu, cf. BREHM, op.cit., n. 48 ad remarques préalables ad
art. 45 et 46 CO
; SCHAER, op.cit., p. 56 note 28; cf. aussi JdT 1985 I 425 n. 39 ainsi que le consid. 13b non publié de l'
ATF 117 II 609
). Selon l'
ATF 104 II 307
consid. 9c p. 309, lorsque la durée de la perte de gain est déterminable, il y a lieu d'appliquer la table 18, respectivement 19, lesquelles se fondent sur un âge final correspondant à celui de l'AVS (STAUFFER/SCHAETZLE, op.cit., n. 1044). Cette jurisprudence a trouvé confirmation dans l'arrêt du 13 décembre 1994 cité. Le Tribunal fédéral a en effet considéré que la cour cantonale avait appliqué avec raison la table 19, du moment que la lésée aurait cessé de travailler à l'âge de 64 ans (consid. 4b). En l'espèce, l'arrêt attaqué ne contient aucun indice permettant de retenir que la demanderesse aurait exercé une activité lucrative, même réduite, après la retraite. Sa perte de gain future doit donc être capitalisée à l'aide des facteurs de la table 19.
d) La demanderesse, née en 1949, aura 62 ans en 2011. La loi fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants (LAVS; RS 831.10) a fait l'objet d'une 10e révision le 7 octobre 1994 (FF 1994 III 1784 ss et FF 1995 III 1157). La LAVS révisée est entrée en vigueur le 1er janvier 1997 à l'exception des art. 6 al. 1 et 8 al. 1, lesquels entreront en vigueur le 1er janvier 1998 (RO 1996 II 2490). Le législateur a porté à 64 ans l'âge à partir duquel les femmes auront droit à
BGE 123 III 115 S. 119
une rente de vieillesse (
art. 21 LAVS
révisée). Cependant, selon l'al. 1 let. d des dispositions transitoires de la LAVS révisée, l'âge de la rente de vieillesse de la femme sera fixé à 63 ans quatre ans après l'entrée en vigueur de cette révision, soit le 1er janvier 2001, et à 64 ans huit ans après, savoir le 1er janvier 2005 (RO 1996 II 2488). La demanderesse devra donc atteindre l'âge de 64 ans, qu'elle aura en 2013, pour bénéficier de l'AVS.
De même qu'aujourd'hui il est en principe admis que l'activité professionnelle d'une femme s'arrête à 62 ans, on peut partir de l'idée que cet âge sera porté à 64 ans dès que la LAVS révisée déploiera tous ses effets. Le demanderesse n'en tire aucune conséquence en ce qui concerne une capitalisation selon la table 19 de sa perte de gain future. En vertu de l'
art. 63 al. 1 OJ
, le Tribunal fédéral est lié par les conclusions des parties, mais non par les motifs qu'elles invoquent. Lorsque le recours en réforme tend à l'allocation de divers postes d'un dommage reposant sur la même cause, le Tribunal fédéral n'est ainsi lié que par le montant total réclamé, si bien qu'il peut allouer davantage pour un des éléments du dommage et moins pour un autre (
ATF 119 II 396
consid. 2; POUDRET, COJ, II, n. 2.2.1 ad art. 63). Il en va de même lorsque le recours émane du défendeur à l'action en dommages-intérêts; dans ce cas, l'absence de recours du demandeur n'empêche pas le Tribunal fédéral de modifier les montants de tel ou tel poste du dommage, pour autant que le total des dommages-intérêts alloués ne dépasse pas la somme dont le demandeur se contente (
ATF 63 II 339
consid. 4;
ATF 113 II 345
consid. 3 non publié). Les parties ne mettant pas en cause le taux d'escompte de 3,5%, la perte de gain future de la demanderesse doit donc être capitalisée à l'aide du facteur 13.46 de la table 19.
9.
...
a) S'agissant d'un dommage futur, l'intérêt doit être calculé dès la date de la capitalisation, qui coïncide généralement avec celle du jugement (
ATF 89 II 56
consid. 3 p. 63; arrêt non publié B. B. contre P. B. et S. S.A. du 22 mai 1991, consid. 2c/dd et les références). Tel n'est cependant pas le cas en l'espèce. La cour cantonale a en effet fixé la date de la capitalisation au 1er mars 1994 (cf. supra consid. 6), soit à une date antérieure à celle de son arrêt. Or, en pareille hypothèse, le Tribunal fédéral a jugé que les intérêts devaient courir dès la date de la capitalisation (
ATF 110 II 423
consid. 5 non publié). Une époque antérieure à celle du 1er mars 1994 n'entre, en revanche, pas en ligne de compte. Ainsi que l'autorité cantonale l'a relevé, il s'agissait de l'ultime date jusqu'à laquelle les parties pouvaient
BGE 123 III 115 S. 120
invoquer des faits nouveaux (cf. BREHM, op.cit., n. 7 ad
art. 42 CO
). L'arrêt déféré doit donc être modifié en ce qui concerne le point de départ des intérêts de la perte de gain future et des frais futurs de cures, d'aide ménagère et paramédicaux. Ils devront être alloués à partir du 1er mars 1994.
| null |
nan
|
fr
| 1,997 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
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Federation
|
a91d7cb5-9188-4dc3-b389-84da7c6d5fea
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Urteilskopf
117 Ia 199
35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. September 1991 i.S. S. gegen Sch., Staatsanwaltschaft und Direktion der Justiz des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
|
Regeste
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
; Trennung von Haftrichter und Anklagevertreter.
Es liegt ein Verstoss gegen
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
vor, wenn ein Haftrichter, der eine Verhaftung verfügt hat, in der Folge im gleichen Fall die Anklage vertritt.
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Sachverhalt
ab Seite 199
BGE 117 Ia 199 S. 199
Die Bezirksanwaltschaft Zürich führte gegen S. eine Strafuntersuchung wegen wiederholten und fortgesetzten gewerbsmässigen Betruges sowie weiterer Delikte. Die Untersuchung wurde zuerst durch Bezirksanwalt R. und hernach durch Bezirksanwalt Sch. geführt. S. wurde zunächst am 18. Juni 1984 durch Bezirksanwalt R. und am 31. August 1987 ein zweites Mal durch Bezirksanwalt Sch. in Untersuchungshaft gesetzt. In der Folge wurde Bezirksanwalt Sch. zum ausserordentlichen Staatsanwalt gewählt, um die Anklage gegen S. erstinstanzlich vor Obergericht zu vertreten.
Nachdem Anklage erhoben worden war, stellte S. beim Obergericht des Kantons Zürich den Antrag, die Anklage sei wegen verschiedener Mängel zur Verbesserung zurückzuweisen. Das Obergericht lehnte, soweit es auf die Sache eintrat, am 20. Februar
BGE 117 Ia 199 S. 200
1991 den Antrag auf Rückweisung der Anklage ab. Gleichzeitig überwies es eine Kopie der an das Obergericht gerichteten Eingabe von S. im Sinne der Erwägungen an die Direktion der Justiz des Kantons Zürich. In den betreffenden Erwägungen hielt es fest, die von S. erhobenen Einwendungen könnten sinngemäss als Rüge des Vorliegens eines Ausstandsgrundes gegen den Anklagevertreter im Sinne von § 95 Abs. 1 Ziff. 3 Gerichtsverfassungsgesetz des Kantons Zürich vom 13. Juni 1976 (GVG) verstanden werden. Dies zu entscheiden sei jedoch Sache der kantonalen Justizdirektion als Aufsichtsbehörde über die Staatsanwaltschaft.
Die kantonale Justizdirektion wies das Ausstandsbegehren von S. gegen den ausserordentlichen Staatsanwalt und Anklagevertreter Sch. mit Verfügung vom 3. Mai 1991 ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Frage, ob die Anordnung der Untersuchungshaft durch Sch., der seither zum ausserordentlichen Staatsanwalt für die Anklagevertretung bestellt worden sei, rückblickend einen Verstoss gegen
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
darstelle, brauche nicht abschliessend geprüft zu werden. Für die Rechtmässigkeit spräche der Umstand, dass Sch. als Bezirksanwalt die Untersuchung eines Verfahrens geführt habe, von welchem zum vornherein festgestanden sei, dass es in geschworenengerichtliche bzw. obergerichtliche Zuständigkeit fallen würde. Sch. habe demnach davon ausgehen dürfen, gemäss
§ 72 GVG
werde die Anklage nicht von ihm, sondern von einem Staatsanwalt vertreten. Wenn auch für die Vertretung der Anklage ein gewisses Mass an Unabhängigkeit und Unbefangenheit erwartet werden müsse, könne dies nicht soweit reichen, wie dies für eine richterliche Tätigkeit geboten sei. Ein Justizbeamter, der früher die Haft verfügt habe, dürfe im gleichen Verfahren ohne weiteres Anklagefunktionen übernehmen. Vorliegend werde die Stellung des Angeklagten dadurch nicht beeinträchtigt, dass der in der Zwischenzeit zum ausserordentlichen Staatsanwalt ernannte und die Anklage vertretende frühere Bezirksanwalt Sch. die Untersuchung teilweise geführt und in einem frühern Zeitpunkt die Untersuchungshaft verfügt habe. Auch sei eine Befangenheit nach
§ 96 Ziff. 4 GVG
zu verneinen, da die Einwendungen, welche eine solche Befangenheit zu dokumentieren vermöchten, schon im Entscheid des Obergerichtes vom 20. Februar 1991 als unbegründet bezeichnet worden seien.
Hiegegen gelangte S. mit staatsrechtlicher Beschwerde ans Bundesgericht. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut, soweit auf sie eingetreten werden kann.
BGE 117 Ia 199 S. 201
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
a) Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung von
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
. Er beruft sich dabei auf den Fall Jutta Huber, den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 23. Oktober 1990 entschieden hat (Série A Nr. 188, in EuGRZ 1990, 502 ff.). Die angefochtene Verfügung der Justizdirektion und die Vernehmlassungen der Beschwerdegegner wollen diesen Entscheid nicht auf den vorliegenden Fall angewendet haben.
b) Im Fall Huber kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Ziffer 43 zum Schluss, die EMRK schliesse zwar nicht aus, dass ein Gerichtsbeamter, der über die Haft befindet, auch andere Funktionen ausübe. Aber seine Unbefangenheit sei in Frage gestellt, wenn er im Verlaufe des späteren Strafverfahrens als Anklagevertreter auftreten könne. Der Fall betraf einen zürcherischen Bezirksanwalt, wobei von Anfang an weitgehend feststand, dass eine allfällige Anklage in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen würde.
c) Im vorliegenden Fall stand demgegenüber anhand der Deliktsumme von Anfang an fest, dass erstinstanzlich, im Gegensatz zum Fall Jutta Huber, gegebenenfalls Anklage beim Obergericht bzw. dem Geschworenengericht erhoben und als Anklagebehörde in diesem Fall nicht die Bezirksanwaltschaft, sondern die Staatsanwaltschaft amten würde (vgl. § 44 i.V.m.
§ 72 GVG
). In der Tat erhob in der Folge dann auch die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer Anklage beim Obergericht. Anklagevertreter war aber der in der Zwischenzeit zum ausserordentlichen Staatsanwalt ernannte Bezirksanwalt, der teilweise die Untersuchung geführt und den Beschwerdeführer, nachdem dieser am 20. Juni 1984 nach zweitägiger Untersuchungshaft entlassen worden war, am 31. August 1987 erneut in Untersuchungshaft versetzt hatte. Allein dieser Umstand zeigt, dass hier grundsätzlich ein Fall vorliegt, in welchem der die Untersuchung führende Bezirksanwalt später, zwar in anderer Funktion, die Anklageschrift ausarbeitete und formell Anklage beim Obergericht erhob. Nicht entscheidend kann dabei sein, ob Bezirksanwalt Sch. gewusst hat oder damit rechnen musste, dass er in die Lage kommen könnte, einmal die Anklage zu vertreten. Richtig ist, dass im zürcherischen Strafverfahren die hier eingetretene Konstellation zumindest nicht häufig vorkommt. In den letzten Jahren wurden jedoch, wie dem Bundesgericht bekannt ist, wiederholt Bezirksanwälte wegen der grossen
BGE 117 Ia 199 S. 202
Geschäftslast der Staatsanwaltschaft zu ausserordentlichen Staatsanwälten auf Zeit oder ad hoc für einzelne Fälle ernannt. Ganz ausschliessen konnte Bezirksanwalt Sch. im Sommer 1987 dies nicht, obwohl damals der Gang der Dinge noch nicht sehr wahrscheinlich war. Es liegt somit ein Fall vor, wie ihn die Erwägungen Ziffer 43 des Strassburger Urteils vom 23. Oktober 1990 i.S. Jutta Huber durchaus im Auge hatten. Die entsprechende Rüge erscheint deshalb als begründet. Zur Präzisierung sei hier jedoch angeführt, dass die Verletzung von
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
nicht unmittelbar in der Tätigkeit von Sch. als ausserordentlicher Staatsanwalt liegt, sondern in seiner Tätigkeit als Bezirksanwalt im Zeitpunkt der Verhaftung des Beschwerdeführers. Diese Haftverfügung ist indessen nicht mehr anfechtbar. Um die von
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
geforderte Trennung von Haftrichter und Anklagevertreter überhaupt durchsetzen zu können, muss der Beschwerdeführer diese Rüge auch in einem späteren Verfahrensstadium, wenn er vom entsprechenden Mangel Kenntnis erhält, noch vorbringen und verlangen können, dass diejenige Person, die die Haft verfügte, nicht als Anklagevertreter tätig werde.
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public_law
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nan
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de
| 1,991 |
CH_BGE
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CH_BGE_002
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CH
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Federation
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a91ec4e6-2942-4fbb-a2ef-cf098a77e7b2
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Urteilskopf
109 II 193
44. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. April 1983 i.S. H. gegen S. (Berufung)
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Regeste
Art. 156 Abs. 1 ZGB
; Gestaltung der Elternrechte bei der Ehescheidung.
Kleinere Kinder sind in der Regel der Mutter zuzuteilen, sofern dieser Lösung nicht schwerwiegende Mängel anhaften oder auf seiten des Vaters nicht erhebliche Vorzüge ins Gewicht fallen (Bestätigung der Rechtsprechung).
|
Erwägungen
ab Seite 193
BGE 109 II 193 S. 193
Aus den Erwägungen:
2.
Im Scheidungsprozess hat der Richter nach
Art. 156 Abs. 1 ZGB
über die Gestaltung der Elternrechte und der persönlichen Beziehungen der Eltern zu den Kindern die nötigen Verfügungen zu treffen nach Anhörung der Eltern und nötigenfalls der Vormundschaftsbehörde. Das Gesetz vermittelt dem Richter keine Anhaltspunkte, wie er diese schwierige Aufgabe zu lösen habe. Indessen ist unbestritten, dass für den Richter allein das Wohl der Kinder wegleitend zu sein hat (
BGE 108 II 370
,
BGE 96 I 391
E. 3 unten,
BGE 94 II 2
E. 2,
BGE 79 II 241
/42,
BGE 53 II 195
). In Konkretisierung dieses Grundsatzes hat die Praxis bestimmte Regeln aufgestellt, die als solche nicht starr angewandt werden sollen, die aber einen Entscheid des Sachrichters, dem im Rahmen dieser Regeln ein weites Ermessen zusteht, erleichtern können. Im Vordergrund stehen dabei die erzieherischen Fähigkeiten der Eltern, ihre persönlichen Beziehungen zum Kind, ferner auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen sie leben und die für die äussere Entwicklung und Entfaltung der Kinder von einer gewissen Bedeutung sein können. Sind die erzieherischen Fähigkeiten, die persönlichen Beziehungen zum Kind und die äusseren Möglichkeiten bei beiden Eltern ungefähr gleich, fällt für die Frage der Zuteilung der Kinder vor allem deren Alter und die Möglichkeit der Eltern ins Gewicht, das Kind in eigener Obhut zu haben, es
BGE 109 II 193 S. 194
weitgehend persönlich betreuen und pflegen zu können. Demjenigen Elternteil, der bereit ist, im Interesse der persönlichen Betreuung und Pflege der Kinder seine berufliche Belastung zeitlich so weit als möglich einzuschränken, kommt in diesem Sinne eine gewisse Vorgabe zu.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Bundesgericht bis in die jüngste Zeit auch daran festgehalten, dass kleinere Kinder in der Regel der zur Erziehung fähigen und bereiten Mutter zuzuteilen sind, sofern dieser Lösung nicht schwerwiegende Mängel anhaften oder sofern auf seiten des Vaters nicht erhebliche Vorzüge ins Gewicht fallen (
BGE 108 II 370
). Weder in der Gerichtspraxis noch im alltäglichen Leben hat in dieser Hinsicht bisher ein "eigentliches Umdenken" stattgefunden, wie der Kläger behauptet, auch wenn Ansätze dazu durchaus vorhanden sind. Die Bedingungen des partnerschaftlichen und familiären Zusammenlebens haben sich, abgesehen von vorerst vereinzelten Fällen, noch keineswegs derart verändert, dass es sich rechtfertigen würde, vom Grundsatz der mütterlichen Vorgabe abzugehen. Der vom Kläger zitierte Dr. B. bringt denn auch nur seine persönliche Auffassung zum Ausdruck, ohne in der Lage zu sein, diese auf praktische Erfahrungen oder gar auf wissenschaftliche Ergebnisse abstützen zu können. Nach wie vor sind kleinere Kinder für ihre seelische, geistige und körperliche Entwicklung vorab auf die Fürsorge, Herzenswärme und Liebe ihrer Mutter angewiesen. Es ist zudem in aller Regel ja auch immer wieder die Mutter, die bereit ist, auf vollen beruflichen Einsatz und entsprechendes Fortkommen zu verzichten, um die Obhut über die ihr anvertrauten Kinder so weit als möglich persönlich ausüben zu können. Solange sich auf der Seite der Väter in dieser Hinsicht nichts Entscheidendes ändert, besteht entgegen der Auffassung des Klägers kein Anlass, von den in der Rechtsprechung herausgearbeiteten und in der Lehre grundsätzlich befürworteten Regeln abzugehen (HINDERLING, Schweiz. Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 153 f., Zusatzband S. 95 ff.; BÜHLER/SPÜHLER, N. 80-82 zu
Art. 156 ZGB
).
Das Kantonsgericht hat sich bei seinem schwierigen Entscheid von diesen vom Bundesgericht aufgestellten Regeln leiten lassen. Es hat festgestellt, dass die Beklagte ohne weiteres in der Lage und auch fähig sei, die beiden nunmehr 7 1/2- und 5 1/2jährigen Kinder zu erziehen. Sie habe sich auch bereit erklärt, ihre heutige Erwerbsarbeit erheblich einzuschränken, um sich persönlich den Kindern widmen zu können. In der restlichen Zeit wären die Kinder in der
BGE 109 II 193 S. 195
Obhut der Grossmutter mütterlicherseits, die mit ihrer Tochter zusammenwohnt. Auf seiten des Klägers verneinte das Kantonsgericht erhebliche Vorzüge, welche eine Zuteilung an ihn als günstiger für die weitere Entwicklung der Kinder erscheinen liessen. Die Kinder hätten zwar auch zu ihm ein gutes Verhältnis. Der Kläger hätte jedoch infolge seines starken beruflichen Engagements nicht die Möglichkeit, die Kinder selbst zu betreuen. Er müsste die Erziehungs- und Betreuungsaufgaben weitgehend seiner Freundin überlassen. Zwar wäre diese auf Grund ihrer beruflichen Ausbildung und ihrer Erfahrungen dazu durchaus geeignet. Aber der Erziehung und Betreuung durch die natürliche Mutter sei nach Möglichkeit der Vorzug zu geben.
Die Vorinstanz hat nun keineswegs Bundesrecht verletzt, wenn sie dieser Möglichkeit den Vorzug gab. Sie hat zutreffend festgestellt, dass die Vorteile einer solchen Zuteilung der beiden noch kleinen Kinder an ihre von ihrer Krankheit längst genesene Mutter, die ihnen wie der Vater geordnete äussere Verhältnisse, daneben aber die durch nichts zu ersetzende und gerade in diesem Alter besonders wichtige mütterliche Liebe und Fürsorge bieten könne und welche, anders als der Kläger, die Möglichkeit haben werde, die Kinder sehr weitgehend persönlich zu betreuen, klar überwiegen würden. Sie hat sich somit bei ihren Überlegungen vom Kindeswohl leiten lassen und sich dabei an die vom Bundesgericht aufgestellten Regeln gehalten, die vorläufig grundsätzlich und vor allem auch im konkreten Fall ihre Bedeutung und Berechtigung behalten (
BGE 108 II 370
/71 und 85 II 228 E. 1).
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public_law
|
nan
|
de
| 1,983 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
|
CH
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Federation
|
a92c316f-70fe-44bc-9bec-7a3bff4b532a
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Urteilskopf
138 III 252
39. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. AG contre Y. SA (recours en matière civile)
4A_648/2011 du 4 avril 2012
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Regeste a
Art. 316 Abs. 2,
Art. 250 lit. c Ziff. 8 und
Art. 253 ZPO
; zweiter Schriftenwechsel vor der Rechtsmittelinstanz.
Die Berufungsinstanz verfügt über einen weiten Ermessensspielraum beim Entscheid darüber, ob sie einen zweiten Schriftenwechsel anordnen will; das Bundesgericht kann einen solchen kantonalen Entscheid nur mit Zurückhaltung überprüfen. Es rechtfertigt sich, einen zweiten Schriftenwechsel nur einschränkend zuzulassen, dies erst recht, wenn die Berufung im summarischen Verfahren ergriffen worden ist (E. 2.1).
Regeste b
Art. 697a und 697b OR
; Voraussetzungen für die Sonderprüfung.
Voraussetzungen für die Einleitung einer Sonderprüfung (im Allgemeinen). Der Gesuchsteller muss glaubhaft machen, dass ein Verhalten oder Unterlassen der Organe eine bestimmte gesetzliche oder eine statutarische Bestimmung verletzt, und aufzeigen, worin diese Verletzung besteht; eine Sonderprüfung kann nicht zur reinen Ausforschung verlangt werden in der Hoffnung, dabei auf eine Verletzung zu stossen, von welcher der Gesuchsteller keine Kenntnis hatte. Die Sonderprüfung muss darauf ausgerichtet sein, konkrete Tatsachen zu ermitteln und darf nicht auf eine rechtliche Beurteilung oder ein Werturteil abzielen (E. 3).
|
Erwägungen
ab Seite 253
BGE 138 III 252 S. 253
Extrait des considérants:
2.
La recourante reproche à la cour cantonale de ne pas avoir ordonné un second échange d'écritures.
Selon les constatations qui lient le Tribunal fédéral (
art. 105 al. 1 LTF
), la recourante avait demandé un second échange d'écritures dans son acte d'appel. Lorsque la cour cantonale a informé les parties, après avoir reçu la réponse, qu'elle gardait la cause à juger, la recourante ne s'est plus manifestée.
2.1
Il faut tout d'abord examiner la question sous l'angle de la procédure fédérale, qui était applicable au stade de l'appel (
art. 405 al. 1 CPC
[RS 272]) et dont le Tribunal fédéral examine librement le respect (
art. 95 let. a et
art. 106 al. 1 LTF
).
Selon l'
art. 316 al. 2 CPC
, l'autorité d'appel "peut ordonner un deuxième échange d'écritures". Il ressort déjà de cette formulation qu'il ne suffit pas qu'une partie demande un deuxième échange d'écritures pour qu'elle y ait droit. La décision appartient à l'autorité d'appel. En indiquant qu'elle
peut
ordonner un second échange, le législateur a souligné que l'autorité dispose sur ce point d'une grande liberté de manoeuvre (NICOLAS JEANDIN, in Code de procédure civile commenté, Bohnet et al. [éd.], 2011, n° 1 ad
art. 316 CPC
; KARL SPÜHLER, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, n° 1 ad
art. 316 CPC
; PETER VOKART, in Schweizerische Zivilprozessordnung, Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [éd.], 2011, n
os
3 et 5 ad
art. 316 CPC
; LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, Les
BGE 138 III 252 S. 254
voies de recours, in Le Code de procédure civile - Aspects choisis, 2011, p. 125). Dès lors que le juge dispose d'un pouvoir d'appréciation, le Tribunal fédéral ne doit pas substituer sa propre appréciation à celle de l'autorité cantonale. Il ne revoit qu'avec réserve la décision d'équité prise en dernière instance et n'intervient que lorsque celle-ci s'écarte sans raison des règles établies par la doctrine et la jurisprudence en matière de libre appréciation, lorsqu'elle s'appuie sur des faits qui, dans le cas particulier, ne devaient jouer aucun rôle, ou à l'inverse, lorsqu'elle n'a pas tenu compte d'éléments qui auraient absolument dû être pris en considération. Il sanctionne en outre les décisions rendues en vertu du pouvoir d'appréciation lorsqu'elles aboutissent à un résultat manifestement injuste ou à une iniquité choquante (
ATF 136 III 278
consid. 2.2.1 p. 279 et les arrêts cités). Comme les faits et moyens de preuve nouveaux sont en principe proscrits en appel (
art. 317 CPC
), la doctrine estime qu'il se justifie de se montrer plutôt restrictif dans l'admission d'un second échange d'écritures (REETZ/HILBER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2010, n
os
42 s. ad
art. 316 CPC
).
A cela s'ajoute que l'appel devait être instruit en l'espèce selon les règles de la procédure sommaire (
art. 250 let
. c ch. 8 CPC). Dans une telle procédure, l'
art. 253 CPC
ne prévoit même pas en première instance la possibilité d'un second échange d'écritures (ANGELO OLGIATI, Il Codice di diritto processuale civile svizzero, 2010, p. 230 s.). En raison de la nature d'une procédure sommaire qui implique que celle-ci soit en principe plus rapide, il se justifie de se montrer restrictif pour admettre un second échange d'écritures déjà en première instance (STEPHAN MAZAN, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, n° 15 ad
art. 253 CPC
). Un deuxième échange d'écritures en première instance dans une procédure sommaire devrait être plutôt exceptionnel (MARCO CHEVALIER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2010, n° 11 ad
art. 253 CPC
). Dans le cas d'un appel en procédure sommaire, un deuxième échange d'écritures est pratiquement exclu (ALEXANDER BRUNNER, in ZPO, Kurzkommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Paul Oberhammer [éd.], 2010, n
os
1 s. ad
art. 316 CPC
).
En l'espèce, la recourante ne parvient pas à démontrer que la réponse de sa partie adverse bouleversait l'objet du litige au point qu'un second échange d'écritures s'imposait absolument. Compte tenu des
BGE 138 III 252 S. 255
principes qui viennent d'être rappelés, la cour cantonale, dans l'exercice de son large pouvoir d'appréciation, n'a manifestement pas violé le droit fédéral en n'ordonnant pas une réplique et une duplique.
2.2
La recourante invoque également à ce sujet le droit d'être entendu garanti par l'
art. 29 al. 2 Cst.
S'agissant d'un grief constitutionnel, il ne peut être examiné que dans la mesure où il a été invoqué et motivé de manière précise (
art. 106 al. 2 LTF
).
La jurisprudence a déduit du droit d'être entendu, tel qu'il est garanti par l'
art. 29 al. 2 Cst.
, notamment le droit pour le justiciable de s'exprimer sur les éléments pertinents avant qu'une décision ne soit prise touchant sa situation juridique (
ATF 135 II 286
consid. 5.1 p. 293;
ATF 135 V 465
consid. 4.3.2 p. 469). Lorsqu'un délai est fixé pour s'exprimer, celui-ci doit être approprié afin de permettre une défense efficace des droits (
ATF 133 V 196
consid. 1.2 p. 198).
La recourante se plaint du fait que le délai d'appel fixé par la loi n'est que de dix jours (
art. 314 al. 1 CPC
). Ce n'est pas parce qu'une affaire porte sur une valeur litigieuse considérable qu'elle est nécessairement complexe en fait et en droit. Déjà avant l'assemblée générale, la recourante savait quels étaient les éléments de fait et de droit qui étaient décisifs pour appuyer la demande de contrôle spécial qu'elle a formulée tout d'abord devant l'assemblée générale, puis devant le juge de première instance. La réponse donnée par la partie adverse en première instance lui permettait de circonscrire les points litigieux. La recourante ne démontre pas que le contenu du jugement de première instance aurait eu un effet déroutant pour elle. En conséquence, on ne voit pas que le délai légal aurait été insuffisant pour permettre à la recourante d'exposer à nouveau les motifs à l'appui de sa demande de contrôle spécial. Il faut souligner qu'elle a pu s'exprimer dans son acte d'appel sans aucune réserve.
A supposer qu'elle ait éprouvé le besoin de s'exprimer encore après avoir reçu la réponse de sa partie adverse, il lui était possible de le faire en envoyant immédiatement et spontanément ses observations, selon une jurisprudence bien connue (
ATF 133 I 98
consid. 2.2. p. 99 s.;
ATF 130 II 42
consid. 3.3.3 et 3.3.4 p. 46 s.) régulièrement rappelée par la doctrine sur le sujet d'un second échange d'écritures (REETZ/HILBER, op. cit., n° 45 ad
art. 316 CPC
; INGRID JENT-SØRENSEN, in ZPO, Kurzkommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Paul Oberhammer [éd.], 2010, n° 7 ad
art. 253 CPC
).
BGE 138 III 252 S. 256
La recourante a donc eu une occasion suffisante de s'exprimer et son droit d'être entendue, garanti par l'
art. 29 al. 2 Cst.
, n'a pas été violé.
3.
Invoquant une violation de l'
art. 697b al. 2 CO
, la recourante reproche à la cour cantonale de ne pas avoir institué un contrôle spécial.
3.1
Le contrôle spécial, régi par les
art. 697a-697g CO
, est une des mesures prévues par la loi pour donner aux actionnaires un droit de contrôle sur la marche de la société (
art. 696 ss CO
).
Avant de demander le contrôle spécial, l'actionnaire doit s'efforcer d'obtenir les informations qu'il souhaite en faisant valoir son droit aux renseignements et à la consultation des livres et de la correspondance, tel qu'il est prévu par l'
art. 697 CO
(
ATF 133 III 133
consid. 3.2 p. 135,
ATF 133 III 453
consid. 7.5 p. 461;
ATF 123 III 261
consid. 3a p. 264 s.). L'actionnaire doit donc tout d'abord formuler ses questions avec une certaine précision et les adresser au conseil d'administration lors de l'assemblée générale; les questions posées doivent correspondre, au moins dans les grandes lignes, à celles pour lesquelles le contrôle spécial est ensuite demandé (
ATF 123 III 261
consid. 3a p. 265). S'il n'obtient pas de réponse satisfaisante, l'actionnaire n'est pas obligé de s'adresser au juge selon la voie de l'
art. 697 al. 4 CO
et il peut choisir alternativement de demander un contrôle spécial (
ATF 133 III 133
consid. 3.2 p. 135).
Avant de s'adresser au juge, l'actionnaire doit proposer à l'assemblée générale l'institution d'un contrôle spécial (
art. 697a al. 1 CO
). Il n'est pas nécessaire que ce point soit porté à l'ordre du jour (
art. 700 al. 3 CO
). Le conseil d'administration a l'obligation de soumettre la proposition au vote de l'assemblée générale; s'il s'y refuse, son attitude équivaut à un refus de l'assemblée générale elle-même et l'actionnaire pourra s'adresser au juge (récemment:
ATF 138 III 246
consid. 3.3; ROLF H. WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. II, 3
e
éd. 2008, n° 31 ad
art. 697a CO
; PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4
e
éd. 2009, § 16 n° 38; BIANCA PAULI, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. II, 2008, n° 22 ad
art. 697a CO
; PETER V. KUNZ, Der Minderheitenschutz im Schweizerischen Aktienrecht, 2001, § 12 n° 69).
Si l'assemblée générale refuse d'instituer un contrôle spécial, un ou plusieurs actionnaires représentant 10 % au moins du capital-actions ou des actions d'une valeur nominale de deux millions au moins peuvent, dans les trois mois, demander au juge la désignation d'un contrôleur spécial (
art. 697b al. 1 CO
). Le quorum d'actions exigé par
BGE 138 III 252 S. 257
l'
art. 697b al. 1 CO
doit être réuni non seulement lors de l'introduction de la procédure, mais également au moment où le juge statue (
ATF 133 III 180
consid. 3).
Pour que le juge institue le contrôle spécial, il faut que le ou les requérants rendent vraisemblable que des fondateurs ou des organes ont violé la loi ou les statuts et qu'ils ont ainsi causé un préjudice à la société ou aux actionnaires (
art. 697b al. 2 CO
). En exigeant du demandeur qu'il rende vraisemblable une violation de la loi ou des statuts, le législateur a montré tout d'abord qu'il n'exigeait pas que l'actionnaire apporte déjà des preuves, ce qui réduirait excessivement les possibilités d'obtenir une telle mesure et paraîtrait même contradictoire, puisque le contrôle spécial tend précisément à fournir des preuves; d'un autre côté, le législateur a indiqué, en exigeant qu'une vraisemblance soit établie, qu'il ne suffit pas que l'actionnaire ne fasse qu'affirmer ou soupçonner, sans aucun indice sérieux, pour entraîner une mesure aussi lourde que le contrôle spécial qui instaure un climat de méfiance à l'intérieur de la société (cf.
ATF 120 II 393
consid. 3c p. 397 s.; arrêt 4C.64/2003 du 18 juillet 2003 consid. 5.3, in Pra 2004 n° 28 p. 135). Le requérant doit rendre vraisemblable que le comportement ou l'omission des organes a violé une disposition légale ou statutaire précise en indiquant en quoi consiste cette violation (arrêt 4A_215/2010 du 27 juillet 2010 consid. 3.1.3, in SJ 2010 I p. 554 et les auteurs cités).
Le contrôle spécial doit répondre à un intérêt actuel et digne de protection; il ne peut donc pas porter sur des faits déjà connus. Il doit avoir pour objet des informations utiles pour permettre à l'actionnaire d'exercer ses droits, en particulier d'intenter une action en responsabilité contre les organes sociaux (
ATF 123 III 261
consid. 4a p. 268; arrêt 4A_215/2010 déjà cité consid. 3.1.2). Le contrôle spécial doit tendre à établir des faits déterminés, et non pas à obtenir des appréciations ou des jugements de valeur; il n'est pas admissible de demander un examen à des fins purement exploratoires dans l'espoir de découvrir des irrégularités dont le requérant ne sait rien (arrêt 4A_215/2010 déjà cité consid. 3.1.4 et les références indiquées). Le contrôle spécial ne peut pas avoir pour but de procéder à un examen complet des comptes en se substituant à l'organe de révision (
ATF 133 III 453
consid. 7.5 p. 461).
3.2
En l'espèce, il n'est pas douteux que la recourante a préalablement posé ses questions au conseil d'administration lors de l'assemblée
BGE 138 III 252 S. 258
générale, qu'elle a proposé en vain l'institution d'un contrôle spécial et qu'elle a saisi le juge en temps utile, disposant du quorum requis. Les questions à poser au contrôleur spécial correspondent bien - mis à part le fait que leur nombre a diminué - à celles qui ont été posées au conseil d'administration et proposées à l'assemblée générale pour un contrôle spécial.
Comme l'a bien vu la recourante, la question à résoudre est de savoir si elle a rendu vraisemblable que des organes ont violé la loi ou les statuts et qu'ils ont ainsi causé un préjudice à la société ou aux actionnaires (
art. 697b al. 2 CO
).
Il faut préalablement observer que l'
art. 697b al. 2 CO
parle d'une violation de la loi ou des statuts et qu'il ne suffit donc pas de rendre vraisemblable que la gestion aurait contrevenu à telle ou telle phrase contenue dans un prospectus de cotation ou une directive interne d'investissement.
Pour dire si la recourante a ou non rendu vraisemblable une telle violation, il faut tout d'abord pouvoir déterminer quelle est la violation qui fait l'objet de l'examen. Comme on vient de le rappeler, il incombe à la partie requérante d'indiquer quelle est la violation soupçonnée et de fixer ainsi l'objet de l'examen. Elle ne saurait requérir un contrôle spécial à des fins purement exploratoires dans l'espoir de découvrir une violation dont elle n'a aucune connaissance.
Or, il faut constater en l'espèce que la recourante a maintes fois changé l'objet de ses soupçons, rendant la discussion de plus en plus confuse.
Selon l'arrêt cantonal, la recourante avait reproché aux administrateurs d'avoir maintenu un niveau excessif de liquidités uniquement dans le but de favoriser le groupe majoritaire qui éprouvait des problèmes de trésorerie. L'arrêt indique qu'elle a produit à ce sujet une expertise privée, qui a été contrée par une autre expertise fournie par l'intimée. Devant le Tribunal fédéral, la recourante ne parle plus du tout de cette question. Il faut en déduire qu'elle admet n'être pas parvenue, sur ce point, à rendre vraisemblables ses soupçons. Il doit être rappelé que l'argumentation à l'appui d'un recours au Tribunal fédéral doit être contenue dans le mémoire et qu'il n'est pas admissible de se référer à des écritures antérieures (
ATF 133 II 396
consid. 3.1 p. 399 s.).
Il ressort également de l'arrêt cantonal que la recourante aurait reproché aux administrateurs d'avoir déposé les liquidités auprès d'une
BGE 138 III 252 S. 259
seule banque, celle du groupe majoritaire. Il est indiqué par la suite que les liquidités ont été réparties sur trois banques. La recourante ne développe pas cette question devant le Tribunal fédéral. On ne parvient pas à discerner pourquoi la ou les banques choisie(s) auraient présenté un risque particulier.
Quant à la règle selon laquelle il ne fallait pas investir plus de 20 % des fonds sur un seul poste, elle ne concerne manifestement pas le dépôt des liquidités auprès d'une banque, puisqu'il ne s'agit pas là, selon le sens ordinaire des mots, d'un instrument financier. De plus, la règle des 20 % ne peut concerner qu'un investissement particulier, et non pas une catégorie de placements (les obligations évoquées par la recourante) dans son entier.
La recourante reproche aux administrateurs d'avoir conservé trop de liquidités pendant la période du 1
er
janvier 2009 au 24 juin 2010. La cour cantonale a constaté en fait - sans que l'arbitraire ne soit invoqué avec précision sur ce point - qu'au 31 décembre 2009, les liquidités correspondaient à 14,62 % des actifs, le solde étant affecté aux actions et aux obligations; à la fin du premier semestre de l'année 2010, les liquidités représentaient 9,69 % des avoirs alors que le solde était constitué d'actions et d'obligations. On ne voit pas pourquoi - et la recourante ne le dit pas non plus - un tel pourcentage serait contraire à la loi ou au statut. La cour cantonale a certes constaté que la part des liquidités était plus importante durant le premier semestre 2009; elle a cependant observé qu'une crise a frappé les marchés financiers à tout le moins jusqu'à la fin du premier semestre 2009. Une situation de crise pouvait assurément justifier - la recourante ne prétend pas le contraire - de garder un pourcentage particulièrement élevé de liquidités, plutôt que d'investir les fonds sur un marché chaotique. La recourante semble certes contester la durée de la crise financière, mais elle ne montre pas, en se référant à des pièces indiscutables du dossier, que la cour cantonale, dans sa constatation, serait tombée dans l'arbitraire.
La recourante se plaint aussi d'un rendement insuffisant des liquidités, ainsi que d'un problème d'honoraires. Etant rappelé qu'un renvoi aux écritures cantonales n'est pas admissible, on ne parvient pas à discerner, en lisant l'acte de recours, ce qui permettrait de penser que le rendement des liquidités était insuffisant ou que les honoraires étaient excessifs. On ne voit donc pas que la recourante ait rendu vraisemblable une violation de la loi ou des statuts.
BGE 138 III 252 S. 260
Devant le Tribunal fédéral, la recourante se plaint essentiellement de ce que le conseil d'administration a utilisé des liquidités pour acheter des obligations, alors que, selon le prospectus de cotation et la directive d'investissement les fonds devaient essentiellement être investis, parfois jusqu'à prendre le contrôle des sociétés, dans des entreprises non cotées des pays de la CEI et des Etats baltes. On pourrait déjà douter de la pertinence de cette argumentation parce que les questions qui devraient être posées au contrôleur spécial ne portent pas sur le pourcentage d'obligations et que la recourante ne prétend pas avoir besoin de cette mesure pour connaître les faits à cet égard. Quoi qu'il en soit, les textes cités par la recourante, en particulier les art. 3 et 3A des statuts, ne permettent en aucune façon de déduire que les placements en obligations sont prohibés. Certes, on peut déduire de ces articles que la société intimée devait se caractériser par des placements en "private equity" dans des sociétés de la zone géographique indiquée. Rien dans les textes cités ne permet de supposer que la totalité des fonds ou une quote-part déterminée de ceux-ci devait impérativement être investie de cette manière. Il n'est pas possible de penser, toujours à la lecture de ces dispositions statutaires, que les investissements en obligations étaient prohibés. La recourante admet elle-même qu'il était possible, suivant les circonstances, de maintenir des liquidités plus ou moins importantes et de procéder à d'autres placements, notamment en obligations. La cour cantonale a retenu que la crise financière - dont la constatation relève du fait - justifiait cette attitude défensive. Le propre d'une crise financière est précisément que l'on ne peut pas savoir par avance à quel moment elle s'arrête définitivement. Dès lors que la cour cantonale a retenu - d'une manière qui lie le Tribunal fédéral (
art. 105 al. 1 LTF
) - que cette crise a duré jusqu'à la fin du premier semestre 2009, on peut comprendre que les administrateurs, ne sachant pas si elle avait durablement pris fin, aient adopté encore pendant quelque temps une attitude défensive. Ainsi, la recourante n'est pas parvenue à rendre vraisemblable que les administrateurs aient violé la loi ou les statuts en achetant des obligations pendant la période litigieuse.
En se référant au résultat d'un autre fonds et à l'évolution favorable de la bourse russe, c'est-à-dire des actions cotées, la recourante reproche en définitive aux administrateurs un manque de performance. Il faut cependant rappeler qu'un contrôle spécial ne peut pas tendre à un jugement de valeur sur la gestion opérée. Pour obtenir cette mesure, la recourante devait rendre vraisemblable que les organes avaient
BGE 138 III 252 S. 261
violé la loi ou les statuts. Qu'un autre fonds, peut-être plus audacieux ou plus perspicace, ait pu obtenir de meilleurs résultats ou que les actions cotées à la bourse russe aient connu une évolution favorable est ici sans pertinence. Même si les administrateurs de l'intimée ont fait preuve d'un excès de prudence, qu'ils n'ont pas fait les choix qui apparaissent a posteriori comme les plus judicieux ou qu'ils n'aient pas démontré avoir les connaissances les plus expertes du marché considéré, cela ne suffit pas pour constituer une violation de la loi ou des statuts.
Dès lors qu'une telle violation n'est pas rendue vraisemblable, la mesure sollicitée a été refusée sans violer le droit fédéral (
art. 697b al. 2 CO
).
| null |
nan
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| 2,012 |
CH_BGE
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CH_BGE_005
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CH
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a92c6449-8314-4e49-8a1e-db8cd438b2f3
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Urteilskopf
119 IV 250
47. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 16. September 1993 i.S. H. u. S. gegen Generalprokurator des Kantons Bern
|
Regeste
Art. 346 StGB
; Gerichtsstand; Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (
Art. 293 StGB
) mittels Radio und Fernsehen.
1. Für strafbare Handlungen, die durch das Mittel von Radio und Fernsehen begangen werden, gilt grundsätzlich der Ort des Sendestudios als Ausführungsort (E. 2).
2. Die Strafverfolgungsbehörde, die - ausgehend von offensichtlich falschen rechtlichen Gesichtspunkten - ihre Zuständigkeit anerkennt, obwohl es an einem örtlichen Anknüpfungspunkt in ihrem Kanton fehlt, überschreitet das ihr bei der Bestimmung des Gerichtsstandes zustehende Ermessen (E. 3).
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Sachverhalt
ab Seite 251
BGE 119 IV 250 S. 251
A.-
Dr. H. wird als verantwortlichem Redaktor vorgeworfen, amtliche geheime Verhandlungen veröffentlicht zu haben, indem in der Sendung "Rundschau" des Schweizer Fernsehens DRS vom 15. Januar 1992 Interview-Abschnitte aus einer als Beweismittel beschlagnahmten Gesprächsaufzeichnung mit Aussagen wiedergegeben wurden. H. erklärte anlässlich einer Einvernahme vom 20. Januar 1992, Fürsprecher S. habe ihm die Untersuchungsakten herausgegeben bzw. zur Verfügung gestellt.
Am 30. Januar 1992 eröffnete der Untersuchungsrichter von Thun gegen H. und S. ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren. Dieses wurde am 17. Juli 1992 abgeschlossen; gleichzeitig wurde die Strafverfolgung durch Einleitung einer abgekürzten Voruntersuchung eröffnet gegen H. wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (
Art. 293 StGB
) und gegen S. wegen Beihilfe dazu.
Am 23. März 1993 erachtete der Untersuchungsrichter die Voruntersuchung als vollständig und erklärte diese als geschlossen. Gleichzeitig beantragte er, die beiden Beschuldigten dem Gerichtspräsidenten von Thun zur Beurteilung zu überweisen. Durch Zustimmung des stellvertretenden Prokurators vom 13. April 1993 wurde der Antrag zum Beschluss erhoben.
Anlässlich der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter von Thun vom 18. August 1993 bestritten die Beschuldigten vorfrageweise die örtliche Zuständigkeit, worauf der Gerichtspräsident die Akten dem Generalprokurator des Kantons Bern überwies. Dieser anerkannte mit Beschluss vom 18. August 1993 die Gerichtsbarkeit des Kantons Bern.
B.-
Mit Gesuchen vom 26. bzw. 31. August 1993 beantragen S. bzw. H. der Anklagekammer des Bundesgerichts, es seien die Behörden des Kantons Zürich berechtigt und verpflichtet zu erklären, ihre Strafsache zu beurteilen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt unter Hinweis auf den Beschluss des Generalprokurators des Kantons Bern, die Gesuche abzuweisen und den Gerichtsstand Kanton Bern zu bestätigen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Dem Gesuchsteller H. wird zur Last gelegt, kopierte Akten aus einer geheimen Strafuntersuchung, die er vom Gesuchsteller S.
BGE 119 IV 250 S. 252
erhalten hat, veröffentlicht und damit den Tatbestand von
Art. 293 Abs. 1 StGB
(Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen) erfüllt zu haben.
Übergeben wurden die Akten in Thun, d.h. im Kanton Bern. Veröffentlicht, d.h. einem grösseren Personenkreis bekannt gemacht, wurden sie durch die Ausstrahlung des Beitrages.
Die Übergabe der Akten an den Gesuchsteller H., d.h. an eine einzelne Person erfüllt dabei entgegen der Auffassung des Generalprokurators des Kantons Bern noch nicht den Tatbestand der Veröffentlichung (vgl. STRATENWERTH, BT II, S. 298 N 49).
b) Für strafbare Handlungen, die durch das Mittel von Radio und Fernsehen begangen werden, besteht kein
Art. 347 StGB
entsprechender Sondergerichtsstand, weshalb grundsätzlich der Ausführungsort im Sinne von
Art. 346 StGB
massgebend ist (BUESS, Strafrechtliche Verantwortlichkeit und Zeugnisverweigerungsrecht der Medienschaffenden, Diss. Bern 1991; RIKLIN, Pressedelikte im Vergleich zu den Rundfunkdelikten, ZStrR 1981, S. 194; SJZ 1967 Nr. 79)...
Erfolgt die strafbare Veröffentlichung durch den Täter wie im vorliegenden Fall aus einem Fernsehstudio, so ist davon auszugehen, dass der Ausführungsort an jenem Ort liegt, wo sich das Studio befindet bzw. wo der Täter vor die Kamera tritt (und nicht etwa im ganzen Sendegebiet des Schweizer Fernsehens DRS). Der Gesuchsteller H. hat daher - soweit sich dies anhand der spärlichen Unterlagen beurteilen lässt - die ihm vorgeworfene strafbare Handlung im Studio Leutschenbach, von wo die Sendung ausgestrahlt (act. 1, S. 5) bzw. wo über die Ausstrahlung des Beitrages entschieden wurde, im Sinne von
Art. 346 StGB
ausgeführt (vgl. auch BUESS, a.a.O., S. 137; ebenso RIKLIN, a.a.O., S. 194); der gesetzliche Gerichtsstand liegt daher im Kanton Zürich.
3.
a) Im vorliegenden Fall ist der bernische Untersuchungsrichter offenbar von Anfang an fälschlicherweise davon ausgegangen, das Delikt sei im ganzen Sendegebiet vom Schweizer Fernsehen DRS verübt worden; der Generalprokurator scheint demgegenüber davon auszugehen, die amtlichen geheimen Verhandlungen seien bereits mit der Weitergabe deren Inhaltes in Thun an den Gesuchsteller im Sinne von
Art. 293 StGB
veröffentlicht worden. Auch letzteres ist, wie oben bereits ausgeführt, nicht der Fall, denn dieser Vorgang stellt erst eine (straflose) Vorbereitungshandlung des Gesuchstellers H. und die Gehilfenschaftshandlung des Gesuchstellers S. dar, dem in der Anklage nicht vorgeworfen
BGE 119 IV 250 S. 253
wird, selbständig den Tatbestand von
Art. 293 Abs. 1 StGB
erfüllt zu haben.
b) Mit Vernehmlassungen vom 2. bzw. 6. September 1993 hat sich die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich der Auffassung des Generalprokurators des Kantons Bern angeschlossen. Damit wurde der Gerichtsstand im Kanton Bern durch Vereinbarung der beiden beteiligten Kantone anerkannt.
c) Vom gesetzlichen Gerichtsstand kann auch durch Vereinbarung unter den Kantonen abgewichen werden, sofern die Kantone damit nicht das ihnen zustehende weite Ermessen überschreiten und diesem Vorgehen nicht die Interessen des Verletzten entgegenstehen (vgl.
BGE 116 IV 86
E. 4a).
Ein örtlicher Anknüpfungspunkt besteht im Kanton Bern zwar insofern, als der Gesuchsteller H. sich die veröffentlichten Akten in Thun aushändigen liess. Dieser Vorgang stellt in bezug auf den Gesuchsteller H. noch keine eigentliche tatbestandsmässige Handlung der Veröffentlichung dar. Die strafbare Handlung wird indessen nicht erst mit jener Handlung verübt, die, wenn sie beendet wird, das eigentliche Delikt ausmacht; denn zur Ausführung im Sinne von
Art. 346 StGB
gehört schon jede Tätigkeit, die nach dem Plan des Täters auf dem Weg zur Verwirklichung des Tatbestandes den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, ausgenommen wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht verunmöglichen oder erschweren; eine blosse Vorbereitungshandlung ist für die Bestimmung des Gerichtsstandes nicht massgeblich, sofern diese nicht ausnahmsweise ausdrücklich als strafbar erklärt wird (
BGE 115 IV 272
E. 1; vgl. SCHWERI, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, N 70).
Die Übernahme der Akten in Thun kann nicht als letzter entscheidender Schritt zur Veröffentlichung derselben bezeichnet werden; denn zu diesem Zeitpunkt hätte der Gesuchsteller H. noch ohne weiteres von einer Veröffentlichung absehen können; eine solche war damals offensichtlich noch nicht unwiderruflich in die Wege geleitet. Die Aktenübergabe war daher noch blosse (straflose) Vorbereitungshandlung und nicht bereits Teil der Ausführung der strafbaren Handlung des Gesuchstellers H., die als solche in Zürich mit der Ausstrahlung der Sendung vollendet wurde.
Damit fehlt es in bezug auf den Gesuchsteller H. an einem örtlichen Anknüpfungspunkt im Kanton Bern. Unter diesen Umständen sind die Behörden des Kantons Bern bei der Anerkennung des
BGE 119 IV 250 S. 254
Gerichtsstandes von offensichtlich falschen Voraussetzungen ausgegangen, womit sie ihr Ermessen überschritten haben (vgl.
BGE 116 IV 88
E. d).
Da der Ausführungsort in bezug auf den Gesuchsteller wie oben ausgeführt offensichtlich in Zürich (Studio Leutschenbach) liegt, von wo die Sendung ausgestrahlt wurde, ist der Gerichtsstand für den Gesuchsteller H. auch in diesem Kanton zu bestimmen.
d) Gemäss
Art. 349 Abs. 1 StGB
sind die Behörden des Kantons Zürich damit auch für die Verfolgung und Beurteilung des Gesuchstellers S. zuständig.
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|
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| 1,993 |
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|
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|
Urteilskopf
119 IV 222
41. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 28 septembre 1993 dans la cause F. c. Procureur général du canton de Genève (pourvoi en nullité)
|
Regeste
Art. 185 Ziff. 4 StGB
; Geiselnahme; Strafmilderung zu Gunsten des Täters, der das Opfer freigelassen hat.
In den Genuss dieser Bestimmung kommt nicht nur, wer von der Nötigung aus eigenem Antrieb zurückgetreten ist; ihre Anwendung ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Täter die Geisel freigelassen hat, weil er an der Weiterführung der Nötigung kein Interesse mehr hatte (E. 2).
|
Sachverhalt
ab Seite 222
BGE 119 IV 222 S. 222
Afin d'assurer sa fuite après un brigandage, F. a pris en otage un des clients de l'office postal qu'il venait d'attaquer. Il s'est dirigé, avec l'otage, vers une voiture arrêtée dont les feux clignotaient, a jeté l'otage sur le siège arrière et est monté à l'avant. Comme la clé de contact ne se trouvait pas sur le tableau de bord de la voiture, il a cherché à fuir avec une motocyclette qu'il n'a pu mettre en marche; il tenta alors de s'enfuir à la course.
Pendant ce temps, l'otage, constatant que plus personne ne se trouvait à proximité du véhicule, décida de prendre la fuite; il sortit de la voiture et courut en direction de son domicile.
Condamné notamment pour prise d'otage, sans la circonstance aggravante de la menace de tuer la victime, de lui causer des lésions corporelles graves ou de la traiter avec cruauté, F. soutient qu'il aurait dû être mis au bénéfice de l'atténuation prévue par l'
art. 185 ch. 4 CP
en faveur de l'auteur qui a libéré l'otage.
Le Tribunal fédéral rejette le pourvoi dans la mesure où il est recevable.
BGE 119 IV 222 S. 223
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Conformément à l'
art. 185 CP
, se rend coupable de prise d'otage "celui qui aura séquestré, enlevé une personne ou de toute autre façon s'en sera rendu maître, pour contraindre un tiers à faire, à ne pas faire ou à laisser faire un acte". L'alinéa 4 prévoit que la peine pourra être atténuée lorsque l'auteur aura renoncé à la contrainte et libéré la victime.
En l'espèce, le recourant s'est rendu maître d'un des clients de la poste afin de contraindre les policiers à cesser toute tentative d'empêcher sa fuite à bord d'une automobile. N'étant pas parvenu à mettre le véhicule en marche, il a modifié ses plans et a cherché à fuir dans un premier temps avec une motocyclette puis, dans un deuxième temps, à pied. Le recourant a alors tenté de fuir sans l'otage, parce que celui-ci ne faisait plus que l'entraver, voire parce qu'il ne lui était pas possible de faire ressortir l'otage de la voiture. La question se pose dès lors de savoir si l'
art. 185 ch. 4 CP
est applicable dans de telles circonstances.
La condition première pour que l'on puisse considérer que l'auteur a renoncé à la contrainte est que la poursuite de la prise d'otage ait été possible. Celui qui met fin à la prise d'otage parce qu'au vu de l'évolution de la situation celle-ci ne s'avère plus propre à lui permettre d'atteindre son but ne renonce pas (voir REHBERG, Strafrecht III, 5e éd., p. 239). Certes, le bénéfice de l'
art. 185 ch. 4 CP
n'est pas réservé uniquement à celui qui a agi de son propre chef. Cette disposition tend en effet notamment à favoriser des tractations en vue de la libération de la victime en indiquant à l'auteur la possibilité de bénéficier d'une telle réduction de peine (REHBERG, op.cit., loc.cit.; SCHUBARTH, Bes. Teil III, Art. 185 N. 27; STRATENWERTH, Bes. Teil I, 4e éd., p. 124; TRECHSEL, Kurzkommentar, n. 8 ad art. 185). Il n'y a en revanche pas lieu d'en faire profiter un délinquant qui met fin à la prise d'otage parce que celle-ci ne lui est plus d'aucune utilité au vu du tour pris par les événements.
Ce que l'auteur d'une infraction voulait ou avait l'intention de faire relève des constatations de fait (
ATF 118 IV 174
consid. 4,
ATF 117 IV 286
,
ATF 116 IV 145
consid. c et les arrêts cités). En l'espèce, la cour cantonale a admis que le recourant, en abandonnant l'otage dans la voiture, n'avait eu que le désir de fuir, qu'il ne s'était plus du tout préoccupé de l'otage et que sa volonté n'était pas de le libérer, mais uniquement d'échapper aux policiers. Dès lors, l'argumentation du recourant, qui soutient avoir désiré et décidé la libération de l'otage,
BGE 119 IV 222 S. 224
repose sur un autre état de fait que celui qui ressort de l'arrêt attaqué et est pour ce motif irrecevable (
ATF 115 IV 41
consid. 3a,
ATF 106 IV 340
consid. 1). Le recourant ne cherche en réalité qu'à substituer sa version des faits à celle de l'autorité cantonale, ce qui n'est pas admissible.
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| 1,993 |
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Urteilskopf
123 II 88
13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. Februar 1997 i.S. W. Rickli gegen Ortsbürgergemeinde und Einwohnergemeinde Niederlenz, Regierungsrat, Grosser Rat sowie Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
|
Regeste
Raumplanung und Umweltschutz - Planung einer Kiesabbauzone und Baubewilligungsverfahren für ein UVP-pflichtiges Kiesabbauprojekt. Rechtsmittel.
Anfechtung einer in einem Nutzungsplan ausgeschiedenen Kiesabbauzone mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde wegen Verletzung von direkt anwendbarem Bundesverwaltungsrecht (E. 1a).
Die Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung in der Nutzungsplanung wird verletzt, wenn eine Kiesabbauzone ohne die erforderlichen Sachverhaltsabklärungen in den Bereichen Lärmschutz, Luftreinhaltung und Gewässerschutz festgesetzt wird. Die Nutzungsplanung und ein gleichzeitig hängiges Baubewilligungsverfahren für den Kiesabbau unterliegen der Koordinationspflicht (E. 2d).
|
Sachverhalt
ab Seite 89
BGE 123 II 88 S. 89
A.-
Walter Rickli ist Eigentümer der Parzelle Nr. 1045 im Gebiet "Wilägerte" in der Gemeinde Niederlenz. Nordwestlich dieses Grundstücks befinden sich die teilweise bewaldeten, der Ortsbürgergemeinde Niederlenz gehörenden Parzellen Nrn. 1044, 1046 und 667. Die Ortsbürgergemeinde beabsichtigt, ihre westlich der genannten Parzellen bereits bestehende Kiesgrube zu erweitern und dafür ihre erwähnten Grundstücke in Anspruch zu nehmen.
Nachdem das damalige Bundesamt für Forstwesen und Landschaftsschutz (heute: Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, BUWAL) der Ortsbürgergemeinde Niederlenz am 14. März 1988 die Bewilligung zur Rodung von 6'520 m2 Waldareal auf den Parzellen Nrn. 1046 und 667 zwecks Erweiterung der bestehenden Kiesgrube erteilt hatte und das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) auf eine Beschwerde Walter Ricklis gegen diese Bewilligung nicht eingetreten war, wies das Bundesgericht die Sache mit Urteil vom 12. November 1990 im Sinne der Erwägungen zur materiellen Beurteilung an das EDI zurück. Aus den Erwägungen dieses Urteils ergibt sich, dass das EDI die Beschwerdelegitimation Walter Ricklis zu Unrecht verneint und überdies die bundesrechtliche Koordinationspflicht missachtet hatte. Das Bundesgericht verlangte deshalb eine materielle und verfahrensmässige Koordination der verschiedenen Bewilligungsverfahren im Rahmen eines Leitverfahrens (vgl.
BGE 116 Ib 321
ff.).
B.-
Der Gemeinderat der Einwohnergemeinde Niederlenz hatte der Ortsbürgergemeinde bereits am 15. August 1989 die Baubewilligung für den Abbau von Kies auf den Parzellen Nrn. 667, 1044 und 1046 erteilt und die gegen das Abbauvorhaben gerichtete Einsprache von Walter Rickli abgewiesen. Dieser gelangte hierauf an den Regierungsrat des Kantons Aargau, der am 6. Januar 1993 in einem Zwischenentscheid das bei ihm hängige Beschwerdeverfahren gegen die Baubewilligung des Gemeinderats Niederlenz zum Leitverfahren für die materielle und formelle Koordination bestimmte. Weiter hielt der Regierungsrat in seinem Zwischenentscheid fest, dass der geplante Kiesabbau der UVP-Pflicht unterstehe, wobei auf einen förmlichen Umweltverträglichkeitsbericht verzichtet werde. Die Ortsbürgergemeinde sei jedoch verpflichtet, allenfalls zusätzliche
BGE 123 II 88 S. 90
Unterlagen zur Vertiefung einzelner Fragen der Umweltverträglichkeit des Vorhabens einzureichen. Auf eine Beschwerde Walter Ricklis gegen diesen regierungsrätlichen Zwischenentscheid trat das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau nicht ein, weil es sich um einen prozessleitenden Zwischenentscheid handle.
Bereits am 2. Juni 1992 hatte der Grosse Rat des Kantons Aargau den Kulturlandplan und die Nutzungsordnung Kulturland der Gemeinde Niederlenz, beide vom 29. Juni 1990, genehmigt. Der Plan scheidet u.a. in bezug auf die Parzellen Nrn. 667, 1044 und 1046 eine Kiesabbauzone aus. Der Genehmigungsbeschluss des Grossen Rats wurde im kantonalen Amtsblatt vom 22. Juni 1992 publiziert. Am 24. August 1992 stellte Walter Rickli beim Verwaltungsgericht ein Normenkontrollbegehren mit dem Hauptantrag, die vom Grossen Rat genehmigten Beschlüsse der Einwohnergemeinde Niederlenz vom 29. Juni 1990 seien als verfassungs- und gesetzwidrig aufzuheben, soweit sie die Kiesabbauzone betreffen.
Mit Entscheid vom 22. Juni 1994 wies der Regierungsrat die Beschwerde gegen die kommunale Baubewilligung für den Kiesabbau vom 15. August 1989 bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts über das Normenkontrollbegehren von Walter Rickli unter der Bedingung ab, dass das beim Verwaltungsgericht hängige Normenkontrollbegehren abgewiesen und die Zulässigkeit der Kiesabbauzone bestätigt werde. Für den Fall des Nichteintritts dieser Bedingung hiess der Regierungsrat die Beschwerde gut. Gegen diesen Entscheid des Regierungsrats erhob Walter Rickli Beschwerde an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag auf Aufhebung der vom Gemeinderat Niederlenz erteilten Kiesabbaubewilligung.
Am 26. Oktober 1995 beurteilte das Verwaltungsgericht die Beschwerde von Walter Rickli gegen den Entscheid des Regierungsrats vom 22. Juni 1994 sowie sein Normenkontrollbegehren vom 24. August 1992 in zwei separaten Urteilen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Kiesabbaubewilligung hiess es teilweise gut und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an den Regierungsrat zurück, da es die Sachverhaltsabklärungen hinsichtlich Lärmschutz, Luftreinhaltung und Gewässerschutz als ungenügend erachtete. Das Normenkontrollbegehren gegen die Nutzungsplanfestsetzung wies das Verwaltungsbericht hingegen ab.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. Oktober 1995 betreffend das Normenkontrollbegehren hat Walter Rickli am 16. Januar 1996 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots und der Eigentumsgarantie eingereicht mit dem
BGE 123 II 88 S. 91
Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben. Er bringt im wesentlichen vor, die umweltrelevanten Abklärungen hätten bereits im Nutzungsplanungsverfahren vorgenommen werden müssen, und er hält die vom Verwaltungsgericht überprüfte Interessenabwägung für mangelhaft.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Im vorliegenden Verfahren ist ein Normenkontrollentscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau betreffend den Kulturlandplan und die dazu gehörende Nutzungsordnung Kulturland der Gemeinde Niederlenz vom 29. Juni 1990 umstritten.
a) Beim Kulturlandplan und der entsprechenden Nutzungsordnung handelt es sich um einen Nutzungsplan im Sinne von Art. 14 ff. des Raumplanungsgesetzes des Bundes vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700). Kantonal letztinstanzliche Entscheide über solche Pläne unterliegen grundsätzlich der staatsrechtlichen Beschwerde (
Art. 34 Abs. 3 RPG
). Sind allerdings im Nutzungsplan enthaltene, auf Bundesverwaltungsrecht abgestützte Anordnungen umstritten oder wird das Fehlen solcher Anordnungen bemängelt, so erachtet die bundesgerichtliche Rechtsprechung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde für zulässig, soweit der Nutzungsplan die Merkmale einer Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
erfüllt und kein Ausschlussgrund gemäss
Art. 99 ff. OG
gegeben ist (
BGE 121 II 72
E. 1d S. 76, 430 E. 1c;
BGE 120 Ib 287
E. 3 S. 292 ff., je mit Hinweisen; zum Verfügungsbegriff: René Rhinow/Heinrich Koller/Christina Kiss, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel 1996, Rz. 1222 ff.; Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, S. 131 ff.; Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 126 ff.).
aa) Die hier umstrittene Kiesabbauzone wurde im Kulturplan der Gemeinde Niederlenz im Hinblick auf die von der Ortsbürgergemeinde geplante Kiesausbeutung parzellengenau festgelegt. Es handelt sich dabei um eine behördliche Anordnung im Einzelfall, durch welche eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung in bezug auf bestimmte Grundstücke rechtsgestaltend in verbindlicher Weise geregelt wird. Diese Nutzungsplanfestsetzung beruht auf kantonalem Planungsrecht und erfolgte zudem gestützt auf direkt anwendbares Bundesrecht (Umweltschutz-, Wald-, Gewässerschutzrecht etc.).
BGE 123 II 88 S. 92
bb) Der Beschwerdeführer macht geltend, die umweltrelevanten Gesichtspunkte des Lärmschutzes und der Luftreinhaltung seien in bezug auf das UVP-pflichtige Kiesabbauvorhaben nicht im Rahmen der Nutzungsplanung geprüft worden. Diese Gesichtspunkte seien aber für die Interessenabwägung erheblich; wegen ihrer Nichtberücksichtigung sei der angefochtene Entscheid mangelhaft. Die damit gerügte Verletzung von Bundesverwaltungsrecht ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorzubringen. Dies gilt auch für die darauf Bezug nehmenden Rügen, das Willkürverbot und die Eigentumsgarantie seien verletzt worden; denn zu dem nach
Art. 104 lit. a OG
im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu überprüfenden Bundesrecht gehört auch das Bundesverfassungsrecht, soweit die Rüge eine Angelegenheit betrifft, die in die Sachzuständigkeit der eidgenössischen Verwaltungsrechtspflegeinstanz fällt (
BGE 121 II 39
E. 2d/bb S. 47, 72 E. 1b, je mit Hinweisen).
cc) Im vorliegenden Fall weist die Anwendung der allgemeinen Planungsgrundsätze im Rahmen des kantonalen Planungsverfahrens einen engen Sachzusammenhang mit den der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegenden Fragen des Bundesverwaltungsrechts auf. Soweit der Beschwerdeführer planungsrechtliche Rügen erhebt, sind diese ebenfalls im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu überprüfen. Daran ändert nichts, dass der Kulturlandplan der Gemeinde Niederlenz nicht ausschliesslich der Festsetzung der umstrittenen Kiesabbauzone dient, sondern überdies die Landwirtschaftszone, eine Spezialzone "Aachmatte" sowie "Übriges Gebiet" ausscheidet (vgl.
BGE 121 II 72
E. 1b S. 75;
120 Ib 287
E. 3 S. 292 ff., je mit Hinweisen).
dd) Es sind keine Ausschlussgründe gemäss
Art. 99 ff. OG
erfüllt.
Art. 99 Abs. 1 lit. c OG
schliesst nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Nutzungspläne im Sinne von
Art. 14 ff. RPG
nicht aus (
BGE 120 Ib 287
E. 3c/dd S. 297;
BGE 118 Ib 11
E. 2c,d S. 14 f.; s. auch
BGE 120 Ib 136
E. 1). Auch geht es im vorliegenden Verfahren nicht um eine Bau- oder Betriebsbewilligung für eine technische Anlage im Sinne von
Art. 99 Abs. 1 lit. e OG
. Diese Bestimmung betrifft das technische Funktionieren einer Anlage und nicht deren umweltschutzrechtliche Auswirkungen (
BGE 121 II 156
;
BGE 118 Ib 11
E. 2d S. 15, je mit Hinweisen).
ee) Somit können alle erhobenen Rügen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht werden; für die staatsrechtliche Beschwerde besteht kein Raum (
Art. 84 Abs. 2 OG
). Nichts spricht dagegen,
BGE 123 II 88 S. 93
die als staatsrechtliche Beschwerde bezeichnete Eingabe des Beschwerdeführers in eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde umzudeuten und sie als solche entgegenzunehmen.
b) Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind erfüllt und geben zu keinen weiteren Erörterungen Anlass. Die vom Beschwerdeführer eingereichte staatsrechtliche Beschwerde ist als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegenzunehmen und als solche materiell zu behandeln.
2.
Das Bundesgericht hat bereits (in
BGE 116 Ib 321
E. 4 S. 327 ff.) festgehalten, dass das Kiesabbauvorhaben der Ortsbürgergemeinde der Koordinationspflicht unterliegt. Zudem wurde in E. 4d S. 330 des erwähnten Urteils darauf hingewiesen, die kantonalen Behörden hätten zu entscheiden, ob das Vorhaben auf dem Wege einer raumplanerischen Ausnahmebewilligung angemessen erfasst werden könne oder ob es der bundesrechtlichen Planungspflicht unterliege. Der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht haben seither sowohl die UVP-Pflicht als auch die Planungspflicht für das Vorhaben bejaht. Diese Fragen sind heute nicht mehr umstritten. Streitig ist indessen, ob die im Rahmen des Nutzungsplanungsverfahrens vorgenommene Interessenabwägung den gesetzlichen Anforderungen genügt.
a) Im Rahmen der Nutzungsplanung ist eine umfassende Beurteilung sämtlicher raum- und umweltschutzrelevanter Gesichtspunkte vorzunehmen. Im Planungsentscheid über Abbau- und Deponiestandorte sind vorsorglich auch die Anliegen des Umweltschutzes mitzuberücksichtigen, wobei der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Koordinationspflicht in geeigneter Weise Rechnung zu tragen ist. Wird zur Verwirklichung eines UVP-pflichtigen Projekts eine Änderung oder Ergänzung der Nutzungsplanung vorgenommen, so kann dieses Verfahren als das massgebliche Leitverfahren betrachtet werden (
BGE 120 Ib 207
E. 6 S. 213 f. mit Hinweisen). Dies ist in bezug auf die vorliegende Angelegenheit bereits
BGE 116 Ib 321
E. 4d S. 330 f. zu entnehmen, wobei das Bundesgericht in jenem Urteil beigefügt hat, dass das Leitverfahren bei UVP-pflichtigen Vorhaben auch das massgebliche Verfahren im Sinne von
Art. 5 Abs. 3 der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 (UVPV; SR 814.011)
darstellt. Der Regierungsrat hat in seinem Zwischenentscheid vom 6. Januar 1993 das Baubewilligungsverfahren und nicht das Nutzungsplanungsverfahren als Leitverfahren bezeichnet. Dies kann jedoch nichts daran ändern, dass im Rahmen des Nutzungsplanungsverfahrens
BGE 123 II 88 S. 94
eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung auch der umweltschutzrechtlichen Gesichtspunkte durchzuführen ist.
b) Das Verwaltungsgericht hat den hier umstrittenen Nutzungsplan im Normenkontrollverfahren unter den Gesichtspunkten der Rohstoffversorgung der Region Aarau, der Landwirtschaft (Fruchtfolgeflächen), der Waldgesetzgebung, des Grundwasserschutzes, des Landschaftsschutzes und des Immissionsschutzes (Staub und Lärm) sowie der privaten Interessen der Parteien beurteilt und ist zum Schluss gelangt, den Anliegen, welche die Ausscheidung der Kiesabbauzone nahelegten, sei in ihrer Gesamtheit prioritäre Bedeutung zuzumessen.
In seinem gleichentags in derselben Besetzung gefällten Urteil zum Baubewilligungsentscheid des Regierungsrats vom 22. Juni 1995 hält das Verwaltungsgericht fest, dass die Sachverhaltsabklärungen in bezug auf Luftreinhaltung, Lärmschutz sowie Gewässerschutz ungenügend sind. Zudem hat das Verwaltungsgericht verschiedene Mängel bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung und damit eine Verletzung des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG; SR 814.01) festgestellt.
c) Der Beschwerdeführer macht geltend, die vom Verwaltungsgericht in seinem Entscheid über die Baubewilligung festgestellten Mängel bei der Sachverhaltabklärung in bezug auf den Lärmschutz, die Luftreinhaltung und den Gewässerschutz hätten auch dazu geführt, dass das Gericht im Normenkontrollverfahren keine umfassende Interessenabwägung habe vornehmen können. Diese Kritik ist zutreffend. Tatsächlich sind die vom Verwaltungsgericht im Baubewilligungsverfahren verlangten umweltrelevanten Sachverhaltsabklärungen auch für die Überprüfung des Nutzungsplans unverzichtbar. In bezug auf die Lärmbelastung ergibt sich anhand der Akten, dass insbesondere über die heutige Lärmbelastung an der Zufahrtsstrasse sowie über die Zunahme des Lastwagenverkehrs und die damit verbundenen Lärmimmissionen Unklarheit herrscht. Ebenfalls nicht abgeklärt sind die zu erwartenden Auswirkungen des zusätzlichen Lastwagenverkehrs auf die Luftqualität. Schliesslich liegen dem angefochtenen Entscheid keine Abklärungen über die Anforderungen des Gewässerschutzes zugrunde. Zwar führt das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid aus, es seien keine besonderen Interessen des Gewässerschutzes ersichtlich, die einem weiteren Kiesabbau entgegenstünden. Ob der Materialabbau den
BGE 123 II 88 S. 95
Anforderungen des Gewässerschutzes entspricht, wurde indessen im Rahmen des Nutzungsplanungsverfahrens überhaupt nicht geprüft. Das Verwaltungsgericht beschränkte sich im angefochtenen Entscheid, darauf hinzuweisen, dass den Anliegen des Gewässerschutzes im Baubewilligungsverfahren mittels Bestimmung einer geeigneten Abbaukote Rechnung getragen werden könne.
d) Es geht nicht an, Nutzungsplanfestsetzungen, die auf ungenügenden Sachverhaltsabklärungen beruhen, im Normenkontrollverfahren zu bestätigen. Die umweltrelevanten Abklärungen sind im Rahmen der Nutzungsplanung und nicht erst im Baubewilligungsverfahren vorzunehmen (vgl.
BGE 120 Ib 207
E. 6 S. 214; Urteil des Bundesgerichts vom 1. Dezember 1995 in URP 1996 S. 206 ff. E. 2d). Dies ergibt sich für UVP-pflichtige Vorhaben auch aus
Art. 5 Abs. 3 UVPV
. Die in dieser Bestimmung verwendeten Begriffe der "Sondernutzungsplanung (Detailnutzungsplanung)" dürfen angesichts der in den Kantonen sehr unterschiedlich verwendeten Terminologie nicht zu eng verstanden werden.
Das Verwaltungsgericht hat dadurch, dass es auf die für eine umfassende Interessenabwägung erforderlichen Sachverhaltsabklärungen in den Bereichen Lärmschutz, Luftreinhaltung und Gewässerschutz verzichtet und trotz der mangelhaften Abklärungen die Nutzungsplanfestsetzung geschützt hat, die Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung in der Nutzungsplanung verletzt. Dies hat zu einer unzulässigen Nichtbeachtung von Bundesumweltschutzrecht in der Nutzungsplanung geführt. Der angefochtene Entscheid ist aus diesem Grund aufzuheben, ohne dass die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers zu prüfen wären. Die zuständigen Behörden werden für eine wirksame Koordination des Nutzungsplanungsverfahrens mit dem zur Zeit beim Regierungsrat hängigen Baubewilligungsverfahren sowie mit den übrigen zur Verwirklichung des Kiesabbauvorhabens erforderlichen Verfahren (waldrechtliche Ausnahmebewilligung [vgl.
BGE 122 II 81
], allfällige weitere Spezialbewilligungen etc.) zu sorgen haben (vgl.
Art. 25a und 33 Abs. 4 RPG
; AS 1996 965 f.; vgl. auch die diesbezügliche Botschaft in BBl 1994 III 1075 ff.).
3.
Es ergibt sich, dass die Beschwerde im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutzuheissen und der Normenkontrollentscheid des Verwaltungsgerichts vom 26. Oktober 1995 aufzuheben ist.
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public_law
|
nan
|
de
| 1,997 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
|
CH
|
Federation
|
a92f540f-7996-45f9-9911-d149af41462e
|
Urteilskopf
123 V 12
3. Arrêt du 14 mars 1997 dans la cause G. contre Caisse de compensation du canton de Fribourg et Tribunal administratif du canton de Fribourg
|
Regeste
Art. 52 AHVG
. Die Schadenersatzforderung entsteht an dem Tag, an welchem der Schaden eingetreten ist, d.h. im konkreten Fall im Zeitpunkt der Konkurseröffnung über den Arbeitgeber.
Art. 127 Abs. 4 OG
. Gesetzlich vorgesehener Meinungsaustausch zwischen dem Eidg. Versicherungsgericht und dem Schweizerischen Bundesgericht; Anwendungsfall.
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Sachverhalt
ab Seite 12
BGE 123 V 12 S. 12
A.-
La société P. SA était affiliée en tant qu'employeur à la Caisse de compensation du canton de Fribourg (la caisse). La faillite de cette société a été ouverte le 2 juillet 1990, puis suspendue le 7 septembre 1990, faute d'actifs.
Par décision du 14 janvier 1991 notifiée à G., la caisse a informé le prénommé qu'elle le rendait responsable du dommage qu'elle avait subi dans la faillite de la société P. SA (perte de cotisations paritaires), et qu'elle lui en demandait réparation jusqu'à concurrence de 1'387 fr. 90.
B.-
Le 28 janvier 1991, G. a fait opposition à la décision du 14 janvier 1991. Aussi la caisse a-t-elle porté le cas devant le Tribunal administratif du canton de Fribourg, par acte du 25 février suivant, en concluant à ce que le prénommé fût condamné à lui payer la somme de 1'387 fr. 90.
Par jugement du 17 mars 1994, la Cour cantonale a adjugé entièrement ses conclusions à la caisse demanderesse.
C.-
G. interjette recours de droit administratif contre ce jugement, dont il demande l'annulation, en concluant à sa libération. Il allègue qu'il a été au chômage du 1er janvier 1992 au 9 mars 1994, et qu'il n'est pas revenu à meilleure fortune, après faillite personnelle.
BGE 123 V 12 S. 13
La caisse intimée conclut implicitement au rejet du recours, après qu'elle eut été informée par l'Office cantonal fribourgeois des faillites (cf. une lettre du 11 juillet 1994) que la faillite personnelle de G. avait été ouverte le 31 août 1990, puis clôturée le 10 janvier 1994. Dans son préavis, l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) propose de rejeter le recours.
D.-
L'instruction du recours a permis d'établir que la caisse intimée n'a pas produit sa créance litigieuse dans la faillite personnelle de G., et que par conséquent, la créance de 1'387 fr. 90 ne figure pas dans l'état de collocation de cette faillite (attestation de l'Office des faillites prénommé du 28 septembre 1994).
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
D'après l'
art. 127 al. 4 OJ
, le Tribunal fédéral et le Tribunal fédéral des assurances se communiquent réciproquement et sans retard leurs arrêts portant sur des questions de droit d'un intérêt commun qu'ils déterminent d'un commun accord.
En l'occurrence, eu égard à deux arrêts récents (
ATF 121 III 382
et 386), la première chambre du Tribunal fédéral des assurances a consulté la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral avant de rendre le présent arrêt. Cette dernière s'est ralliée à la solution qui suit.
2.
(Pouvoir d'examen)
3.
La procédure en réparation du dommage est soumise à des règles particulières, énoncées par l'
art. 81 RAVS
. D'après cette disposition, si la caisse de compensation décide de la réparation d'un dommage causé par l'employeur, elle doit notifier à celui-ci une décision contre laquelle il peut former opposition dans les trente jours, auprès de la caisse (al. 1 et 2). Si la caisse de compensation maintient sa décision, elle doit, dans les trente jours également et sous peine de déchéance de ses droits, porter le cas devant l'autorité de recours du canton dans lequel l'employeur a son domicile (al. 3) (
ATF 122 V 67
consid. 4a).
4.
Les premiers juges n'ignoraient pas que la faillite personnelle de G. avait été ouverte le 31 août 1990. Ils ont néanmoins considéré que la situation financière du recourant n'avait pas d'incidence sur la solution du litige.
On ne saurait les suivre sur ce point. La faillite du recourant est en effet un élément qui doit nécessairement être pris en considération pour décider, à titre préalable, s'il avait encore qualité pour recevoir la
BGE 123 V 12 S. 14
décision du 14 janvier 1991, voire pour former opposition à celle-ci et défendre à la demande en réparation du dommage du 25 février suivant. Il convient de rappeler que c'est à l'administration de la faillite que doivent être notifiés les actes de la poursuite exercée contre le débiteur durant la liquidation de sa faillite, en vertu de l'une des exceptions à l'
art. 206 LP
et concernant des biens appartenant à la masse (
ATF 121 III 30
sv. consid. 3), l'administration de la faillite étant habilitée à le représenter dans une procédure en matière d'AVS (ATFA 1951 p. 190 consid. 1 et les références).
A ce propos, la caisse intimée allègue, dans sa réponse au recours de droit administratif, que la décision en réparation du dommage du 14 janvier 1991 n'a pas été produite dans la faillite personnelle du recourant, car elle était postérieure à l'ouverture de celle-ci, survenue le 31 août 1990.
Quant à l'autorité fédérale de surveillance, elle soutient dans son préavis que la créance en réparation du dommage est née au plus tôt le 7 septembre 1990, jour où la faillite de la société P. SA a été suspendue, faute d'actifs. Le recourant étant lui-même tombé en faillite le 31 août précédent, la caisse avait donc, conclut l'OFAS, un intérêt légitime à rendre sa décision en réparation du dommage à l'encontre du recourant.
5.
a) Le Tribunal fédéral a rendu récemment deux arrêts dans lesquels il s'est prononcé sur la question du moment de la naissance d'une créance en réparation du dommage fondée sur l'
art. 52 LAVS
. Dans une affaire qui a donné lieu à un arrêt du 21 novembre 1995 (
ATF 121 III 382
), il a considéré que ce moment se situe après l'ouverture de la faillite (du débiteur des cotisations), car il est constant que c'est dans une telle faillite que la caisse de compensation subit les pertes dont elle entend rendre le poursuivi responsable (loc.cit., p. 386 consid. 4). Puis, dans un second arrêt rendu le jour suivant (
ATF 121 III 386
), la Chambre des poursuites et des faillites a précisé qu'une telle créance naît au plus tard au moment où la caisse rend sa décision en réparation du dommage selon l'
art. 81 al. 1 RAVS
(loc.cit., p. 389 consid. 4).
En l'occurrence, si la créance en réparation du dommage existait déjà au jour de l'ouverture de la faillite de G., la caisse aurait dû la produire dans le cadre de cette faillite (LORANDI/CAMPONOVO, Die Kollokation öffentlich-rechtlicher Geldforderungen im Konkurs und beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung, PJA 1993 p. 1473, ad "Notwendigkeit der Anmeldung öffentlich-rechtlicher Forderungen"), et notifier sa décision fondée sur l'
art. 81 al. 1 RAVS
à l'administration de la faillite, seule compétente
BGE 123 V 12 S. 15
pour la recevoir et pour agir (
ATF 121 III 30
sv. consid. 3,
ATF 116 V 289
; VSI 1997 p. 77 consid. 3a), étant rappelé que la masse en faillite du recourant ne pouvait comprendre que les créances déjà existantes au jour de son ouverture (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3e éd. 1993, let. B p. 300; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5e éd. 1993, no 8 p. 334). Dans l'hypothèse inverse, si la créance était née postérieurement à l'ouverture de la faillite du recourant, ce dernier aurait eu qualité pour défendre et agir personnellement selon l'art. 81, al. 1 à 3 RAVS; la poursuite aurait dû se continuer par voie de saisie et la saisie n'aurait pu porter que sur des biens non compris dans la masse (GILLIÉRON, op.cit., let. c p. 294).
Il s'agit dès lors de fixer le moment de la naissance d'une créance en réparation du dommage au sens de l'
art. 52 LAVS
de manière précise, car cela détermine le sujet ayant qualité pour défendre à la procédure en réparation du dommage.
b) D'après l'
art. 52 LAVS
, l'employeur qui, intentionnellement ou par négligence grave, n'observe pas des prescriptions et cause ainsi un dommage à la caisse de compensation est tenu à réparation. Si l'employeur est une personne morale, la responsabilité peut s'étendre, à titre subsidiaire, aux organes qui ont agi en son nom (
ATF 122 V 66
consid. 4a,
ATF 119 V 405
consid. 2 et les références). Le caractère subsidiaire de la responsabilité des organes d'une personne morale signifie que la caisse de compensation ne peut agir contre ces derniers que si le débiteur des cotisations (la personne morale) est devenu insolvable (NUSSBAUMER, Die Haftung des Verwaltungsrates nach Art. 52 AHVG, PJA 1996, no 7a pp. 1074 sv.; FRÉSARD, Les développements récents de la jurisprudence du Tribunal fédéral des assurances relative à la responsabilité de l'employeur selon l'
art. 52 LAVS
, RSA 1991, no 2 p. 163).
En matière de cotisations, qui représente le champ d'application principal de cette disposition légale, un dommage (voir
ATF 112 V 157
consid. 2) se produit lorsque l'employeur ne déclare pas à l'AVS tout ou partie des salaires qu'il verse à ses employés et que les cotisations correspondantes se trouvent ultérieurement frappées de péremption selon l'
art. 16 al. 1 LAVS
(voir p. ex.
ATF 98 V 26
; ATFA 1961 p. 226, 1957 p. 215); ou lorsque des cotisations demeurent impayées en raison de l'insolvabilité de l'employeur (voir p. ex. ATF
ATF 111 V 172
; RCC 1985 p. 602 et 646). Dans la première éventualité, le dommage est réputé survenu au moment de l'avènement de la péremption (
ATF 108 V 194
consid. 2c,
ATF 98 V 28
consid. 4;
BGE 123 V 12 S. 16
ATFA 1961 p. 230 consid. 2, 1957 pp. 222 ss consid. 3); dans la seconde, au moment où les cotisations ne peuvent plus être perçues selon la procédure ordinaire, eu égard à l'insolvabilité du débiteur (
ATF 113 V 256
,
ATF 111 V 173
consid. 3a; RCC 1990 p. 304 consid. 3b/aa; FRÉSARD, La responsabilité de l'employeur pour le non-paiement de cotisations d'assurances sociales selon l'
art. 52 LAVS
, RSA 1987, no 8 p. 8; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, vol. II, p. 69).
c) En l'espèce et eu égard à ce qui précède, les cotisations en souffrance ne pouvaient plus être perçues selon la procédure ordinaire à partir de l'ouverture de la faillite de la société P. SA, le 2 juillet 1990. Le dommage subi par l'intimée est réputé survenu à ce moment-là, de sorte que la créance en réparation du dommage contre les organes de la société faillie, au sens de l'
art. 52 LAVS
, n'a pas pu naître avant cette date, faute de dommage.
Par ailleurs, il ne ressort nullement du texte de l'
art. 52 LAVS
, ni de ceux des dispositions réglementaires d'application (
art. 81, 82 et 138 RAVS
), que l'existence d'une créance en réparation du dommage dépende d'une décision de la caisse de compensation ou d'une manifestation de volonté quelconque émanant de l'administration de l'AVS. Il serait en tout cas singulier que la caisse puisse différer le moment de la naissance de sa créance jusqu'à ce que les circonstances lui soient plus favorables, telles que le retour à meilleure fortune de la personne qu'elle entend rechercher. Enfin, contrairement à ce que l'OFAS soutient, la suspension de la faillite du débiteur des cotisations, pour défaut d'actifs, n'est pas en soi de nature à fonder une telle créance.
Aussi doit-on admettre, à la lecture de l'
art. 52 LAVS
, que le jour de la survenance du dommage marque celui de la naissance de la créance en réparation de ce dernier, même si ladite créance est contestée ultérieurement (voir VSI 1994 p. 217 consid. 4b). Il convient encore de préciser que cette solution n'est pas en contradiction avec ce qui est exposé à ce sujet dans l'arrêt ATF
ATF 119 V 95
consid. 4b/bb, où il était question avant tout d'un point de procédure qui n'est pas soulevé ici. En outre, le présent litige étant survenu à la suite de la faillite du débiteur des cotisations, il n'y a pas lieu d'évoquer la situation qui aurait prévalu si l'intimée s'était vu délivrer un acte de défaut de biens définitif après saisie (
art. 115 al. 1 et 149 LP
;
ATF 113 V 258
consid. 3c).
6.
En l'espèce, la créance de l'intimée en réparation du dommage est née le 2 juillet 1990, soit avant l'ouverture de la faillite personnelle du
BGE 123 V 12 S. 17
recourant, laquelle est survenue le 31 août 1990. Dès lors, les premiers juges auraient dû se borner à constater la nullité de la décision du 14 janvier 1991 fondée sur l'
art. 81 al. 1 RAVS
, puisqu'elle avait été notifiée à une personne qui n'avait pas qualité pour la recevoir, et partant, renoncer à entrer en matière sur l'action dont ils étaient saisis en vertu de l'
art. 81 al. 3 RAVS
.
En conséquence, le jugement attaqué doit à son tour être annulé, sans qu'il y ait besoin d'examiner si les conditions d'application de l'
art. 52 LAVS
sont remplies.
7.
(Frais de justice)
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est admis et le jugement du Tribunal administratif du canton de Fribourg du 17 mars 1994 est annulé. La décision en réparation du dommage du 14 janvier 1991 est nulle.
| null |
nan
|
fr
| 1,997 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a930c6eb-4444-4f7a-8786-f1cb915d46fe
|
Urteilskopf
98 Ib 140
20. Auszug aus dem Urteil vom 25. Februar 1972 i.S. A. GmbH gegen Eidg. Steuerverwaltung.
|
Regeste
Verrechnungssteuer auf dem Ertrag von Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Unterliegt der Steuer auch die Rückerstattung der nicht auf das Stammkapital angerechneten Sacheinlagen der Gesellschafter? Bestätigung und Weiterentwicklung der Rechtsprechung (
BGE 97 I 444
Erw. 3).
|
Sachverhalt
ab Seite 140
BGE 98 Ib 140 S. 140
Aus dem Tatbestand:
A.-
Die im Jahre 1962 gegründete A. GmbH mit Sitz in der Schweiz bezweckt die Beteiligung an Unternehmungen des In- und Auslandes. Ihr Stammkapital beträgt Fr. 1'000'000.--.
BGE 98 Ib 140 S. 141
Gesellschafter waren anfänglich sieben im Ausland wohnende Mitglieder der Familie B. In der Folge starben vier Gesellschafter, die in Hamburg gewohnt hatten.
B.-
Am 14. Dezember 1962 erwarb die A. GmbH von ihren damaligen Gesellschaftern sämtliche Anteile am Stammkapital der B. GmbH Berlin zum Nominalwerte von DM 900'000. Die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) schätzte den wirklichen Wert, den diese Anteile im Zeitpunkt der Übernahme hatten, auf DM 5'300'000. Sie unterwarf die Differenz von DM 4'400'000, umgerechnet zum damaligen Kurs (DM 100 = Fr. 108) in Fr. 4'752'000, der Emissionsabgabe gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. b des BG vom 24. Juni 1937 über Ergänzung und Abänderung der eidgenössischen Stempelgesetzgebung (ErgStG). Diese Abgabe in Höhe von Fr. 95'040 wurde von der A. GmbH bezahlt.
Im Jahre 1967 wurde die B. GmbH Berlin durch Fusion mit der B. GmbH Hamburg aufgelöst. Die A. GmbH erhielt anstelle ihrer bisherigen Beteiligung an der Berliner Gesellschaft eine 10%ige Beteiligung an der Hamburger Gesellschaft im Nominalwert von DM 3'999'000. Die deutschen Steuerbehörden versagten indessen der am 14. Dezember 1962 vorgenommenen Übertragung der Anteile an der Berliner Gesellschaft auf die A. GmbH die Anerkennung. Deshalb veräusserte die A. GmbH am 2. Juni 1970 ihre 10%ige Beteiligung an der Hamburger Gesellschaft zum Preise von Fr. 1'328,790 ihren nunmehrigen Gesellschaftern. Die EStV schätzte den damaligen wirklichen Wert dieser Beteiligung auf DM 5'600'000, umgerechnet zum nunmehrigen Kurs (DM 100 = Fr. 118.50) in Fr. 6'636'000. Für den Mehrwert von Fr. 5'307,210 (Fr. 6'636'000 - Fr. 1'328,790) forderte sie von der A. GmbH gestützt auf Art. 4 Abs. 1 lit. b des BG vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG) und Art. 20 Abs. 1 der zugehörigen Vollziehungsverordnung vom 10. Dezember 1966 (VStV) die Verrechnungssteuer im Betrage von Fr. 1'592,163. Sie bestätigte die Forderung durch Entscheid vom 28. Juli 1970.
C.-
Gegen diesen Entscheid erhob die A. GmbH Einsprache. Sie machte unter Berufung auf
BGE 94 I 160
ff. geltend, sie habe ihren Gesellschaftern mit der am 2. Juni 1970 vorgenommenen Übertragung der 10%igen Beteiligung an der Hamburger Gesellschaft insoweit, "als der Verkehrswert den am 14. Dezember 1962 eingebrachten Wert nicht übersteigt",
BGE 98 Ib 140 S. 142
nicht einen Ertrag im Sinne des
Art. 4 Abs. 1 VStG
zugewendet, sondern Eigenkapital zurückerstattet. Daher sei der von der EStV ermittelte Betrag von Fr. 5'307,210 um Fr. 4'752'000 (Wert des mit der Emissionsabgabe belasteten Kapitalnachschusses vom 14. Dezember 1962) zu kürzen, so dass sich der steuerbare Ertrag auf Fr. 555'210 (Gewinn infolge der Aufwertung der DM) reduziere. Die Einsprecherin anerkannte deshalb nur die auf diesen Betrag entfallende Verrechnungssteuerforderung von Fr. 166'563; die Mehrforderung bestritt sie.
Die EStV wies die Einsprache am 26. Januar 1971 ab. Sie führte aus, auch die Rückleistung von Nachschüssen gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. b ErgStG sei als Zuwendung eines Ertrags im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG
zu betrachten. Der in dieser Bestimmung verwendete Ertragsbegriff sei so auszulegen, wie er in
Art. 20 Abs. 1 VStV
definiert ist.
D.-
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat die A GmbH beantragt, der Einspracheentscheid vom 26. Januar 1971 sei insoweit aufzuheben, "als er mehr beansprucht als den Verrechnungssteuerbetrag von Fr. 166'563."
Die EStV hat auf Abweisung der Beschwerde geschlossen.
E.-
Nach dem Entscheid des Bundesgerichts vom 11. Juni 1971 in Sachen X. GmbH (
BGE 97 I 438
) hat ein weiterer Schriftenwechsel stattgefunden.
Die A. GmbH hat geltend gemacht, auch die in diesem Urteil bezüglich der Verrechnungssteuer angestellten Erwägungen führten zur Gutheissung der Beschwerde. Es liege eine verrechnungssteuerfreie Rückübertragung eingebrachter Sachwerte in specie vor. Die in Frage stehenden Stammanteile der B. GmbH Hamburg seien zufolge Fusion an die Stelle der ursprünglich als Kapitaleinlage eingebrachten Stammanteile der B. GmbH Berlin getreten. Durch die Fusion sei die species des Beteiligungsrechtes nicht geändert worden; denn die neue Beteiligung sei rechtlich ein Surrogat der alten. Die Werte seien den Gesellschaftern, welche sie eingebracht haben, zurückgegeben worden. Daran ändere der Tod einiger Gesellschafter nichts; denn die Erben träten zufolge Universalsukzession an die Stelle des Erblassers.
Die EStV hat beantragt, nochmals zu prüfen, ob die Umschreibung des Ertrags in
Art. 20 Abs. 1 VStV
nicht in vollem Umfang als gesetzeskonform gelten könne. Sie hat beigefügt, die Beschwerde sei auch dann unbegründet, wenn an der neuen
BGE 98 Ib 140 S. 143
Rechtsprechung (
BGE 97 I 444
E. 3) festgehalten werde. Die Beschwerdeführerin habe infolge der Fusion der beiden deutschen Gesellschaften ein neues Beteiligungsrecht erhalten, so dass nicht von einer Rückübertragung in specie gesprochen werden könne. Übrigens seien die Erben eines Einlegers nicht selber Einleger im Sinne des Urteils vom 11. Juni 1971.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach
Art. 4 Abs. 1 VStG
sind Gegenstand der Verrechnungssteuer auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens die Zinsen, Renten, Gewinnanteile und sonstigen Erträge, die von den in lit. a-d aufgezählten Vermögenswerten abgeworfen werden. Art. 5 nimmt gewisse Tatbestände von der Steuerpflicht aus, doch liegt hier keiner dieser Fälle vor. Nach
Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG
unterliegen der Steuer auch die Erträge der von einem Inländer ausgegebenen Aktien, Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaftsanteile.
Art. 20 Abs. 1 VStV
bestimmt, steuerbarer Ertrag dieser Vermögenswerte sei "jede geldwerte Leistung der Gesellschaft oder Genossenschaft an die Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte oder an ihnen nahestehende Dritte, die sich nicht als Rückzahlung der im Zeitpunkt der Leistung bestehenden Anteile am einbezahlten Grund- oder Stammkapital darstellt (Bonus, Gratisaktien, Liquidationsüberschüsse und dgl.)." Nach dem Wortlaut dieser Verordnungsvorschrift unterläge der Verrechnungssteuer auch die Rückerstattung von Eigenkapital, das die Gesellschaft oder Genossenschaft ohne Erhöhung ihres Grund- oder Stammkapitals erhalten hat. Die EStV hält nach wie vor dafür, dass
Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG
in der Tat in diesem Sinne auszulegen sei.
Indessen hat das Bundesgericht anders entschieden. In
BGE 94 I 160
ff. hat es angenommen, die Rückerstattung von Kapitaleinlagen, die nicht auf das Grund- oder Stammkapital angerechnet worden sind, stelle in keinem Fall eine Zuwendung von Kapitalerträgen im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG
dar und sei daher unter allen Umständen von der Verrechnungssteuer ausgenommen. In
BGE 97 I 44
E. 3 hat es diese Rechtsprechung eingeschränkt. Es hat dort ausgeführt, nicht alle Leistungen, welche die Gesellschaft oder Genossenschaft unter dem Titel der Rückerstattung nicht zum Grund- oder Stammkapital gerechneter Kapitaleinlagen erbringt, seien von
BGE 98 Ib 140 S. 144
der Verrechnungssteuer befreit. Eine Ausnahme sei nur gerechtfertigt in den Fällen, wo Gesellschafter Sachwerte (z.B. Beteiligungsrechte), die sie selber zu einem zu niedrigen Preis in das Gesellschaftsvermögen - ohne Erhöhung des Grund- oder Stammkapitals - eingebracht haben, in specie zurückerhalten; diese Rückleistung sei steuerfrei bis zur Höhe des wirklichen Wertes, den die Sache im Zeitpunkt der Einbringung hatte. Dagegen könne nicht von einer Rückübertragung gesprochen werden, wenn die Gesellschafter, welche die unterbewerteten Sachwerte eingebracht hatten, ihre Anteile am Grund- oder Stammkapital der mit den Sacheinlagen ausgestatteten Gesellschaft an Dritte abgetreten haben und diese nun die Übertragung der von den Vorgängern stammenden Sachwerte auf sich fordern; eine solche Übertragung unterliege im vollen Umfang der Steuerpflicht.
Die EStV beantragt dem Gericht, die Rechtsprechung nochmals zu ändern und zu erkennen, dass
Art. 20 Abs. 1 VStV
in jeder Beziehung gesetzmässig sei. Die Erwägungen, mit denen sie diesen Antrag begründet, vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Sie sind im wesentlichen bereits in den früheren Verfahren vorgetragen und geprüft worden. Die EStV wendet namentlich ein, grundsätzlich unterliege jede Ausschüttung von Gesellschaftsreserven der Verrechnungssteuer; es begründe deshalb keinen Unterschied, ob die Kapitaleinlagen, welche die Gesellschaft ohne Erhöhung des statutarischen Kapitals erhalten hat, in Geld oder in Sachwerten bestanden haben, da in beiden Fällen die Reserven geäufnet worden seien. Damit sind indessen die Überlegungen, welche das Gericht dazu geführt haben, die von der EStV beanstandete Unterscheidung zu treffen, nicht widerlegt. Es besteht kein triftiger Grund, von der in
BGE 97 I 444
E. 3 vertretenen Auffassung abzugehen.
2.
Es ist nicht bestritten, dass die Anteile an der B. GmbH Berlin, welche der A. GmbH am 14. Dezember 1962 von ihren Gesellschaftern zum Nennwert von DM 900'000 abgetreten wurden, damals in Wirklichkeit den ihnen von der EStV zugeschriebenen Wert von DM 5'300'000 hatten und dass die A. GmbH im Umfange der Differenz von DM 4'400'000 = Fr. 4'752'000 Kapitaleinlagen erhielt, die nicht zu einer Erhöhung ihres Stammkapitals führten. Unbestritten ist auch, dass die dann von der A. GmbH anstelle der Anteile an der Berliner Gesellschaft übernommene und am 2. Juni 1970 den nunmehrigen
BGE 98 Ib 140 S. 145
Gesellschaftern der A. GmbH zum Preise von Fr. 1'328,790 abgetretene 10%ige Beteiligung an der B. GmbH Hamburg in diesem Zeitpunkt in Wirklichkeit den von der EStV ermittelten Wert von DM 5'600'000 = Fr. 6'636'000 hatte. Der Streit geht darum, ob der den Gesellschaftern der A. GmbH mit der Transaktion vom 2. Juni 1970 zugewendete Mehrwert von Fr. 5'307,210 (Differenz zwischen Fr. 6'636'000 und Fr. 1'328,790) im vollen Umfange der Verrechnungssteuer unterliege.
Die Beschwerdeführerin anerkennt, dass die Steuer auf der Differenz zwischen Fr. 5'307,210 und Fr. 4'752'000 = Fr. 555'210 (Gewinn infolge der Aufwertung der DM) geschuldet ist. In der Tat kann dieser Differenzbetrag auch dann nicht von der Steuerpflicht ausgenommen sein, wenn die Transaktion vom 2. Juni 1970 als Rückübertragung in specie im Sinne der Rechtsprechung zu betrachten ist; denn er stellt in diesem Fall den Wertzuwachs dar, den die eingebrachte Sache seit der Einbringung erfahren hat, Zuwachs, der den Gesellschaftern nicht steuerfrei zugewendet werden kann (
BGE 97 I 447
unten).
Zu prüfen bleibt, ob die Verrechnungssteuer auch für den Betrag von Fr. 4'752'000 - Differenz zwischen dem wirklichen Wert der Anteile an der Berliner Gesellschaft zur Zeit der Einbringung in die A. GmbH und dem dieser Gesellschaft damals angerechneten Preis - oder jedenfalls für einen Teil dieses Betrages geschuldet sei. Die Lösung hängt davon ab, ob und, wenn ja, inwieweit eine Rückerstattung in specie angenommen werden kann. Es ist streitig und zu untersuchen, welche Bedeutung unter diesem Gesichtspunkte den Tatsachen beizumessen ist, dass die A. GmbH ihren Gesellschaftern am 2. Juni 1970 nicht die am 14. Dezember 1962 erworbenen Anteile an der Berliner Gesellschaft, sondern die in der Zwischenzeit an deren Stelle übernommene 10%ige Beteiligung an der Hamburger Gesellschaft abgetreten hat, und dass in der gleichen Zwischenzeit Änderungen in der Beteiligung am Stammkapital der A. GmbH eingetreten sind.
3.
Wäre die B. GmbH Berlin bestehen geblieben, und hätte die A. GmbH den Gesellschaftern, die ihr die Anteile an der Berliner Gesellschaft eingebracht hatten, diese Anteile zurückgegeben, so hätte man es zweifellos mit einer Rückerstattung in specie im Sinne der Rechtsprechung zu tun. Infolge der Annexion der B. GmbH Berlin durch die B. GmbH Hamburg
BGE 98 Ib 140 S. 146
sind aber die Anteile der A. GmbH an der Berliner Gesellschaft erloschen und durch eine Beteiligung an der Hamburger Gesellschaft ersetzt worden. Die A. GmbH hat dann ihren Gesellschaftern diese neue Beteiligung abgetreten. Indessen besteht ein so enger Zusammenhang zwischen den beiden Beteiligungen, dass die Abtretung der neuen (jedenfalls teilweise, s. Erw. 4 hiernach) einer Rückerstattung in specie gleichzustellen ist. Die eine Beteiligung ist an die Stelle der anderen getreten, wie das zum Wesen der Annexion gehört (vgl. F. VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl., S. 352 ff.). Ob und wieweit dabei von einer Subrogation im Sinne des Zivilrechts gesprochen werden kann, ist unerheblich, so dass zu den diese Frage betreffenden Ausführungen der Rechtsschriften nicht Stellung genommen zu werden braucht. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es den Beteiligten im Grunde darum ging, die Übertragung der Anteile an der Berliner Gesellschaft auf die A. GmbH und die damit verbundene Einbringung zusätzlichen Kapitals in diese Gesellschaft rückgängig zu machen, weil die deutschen Steuerbehörden die Transaktion nicht anerkannten. Die Würdigung der Vorgänge führt zum Schluss, dass die A. GmbH den Gesellschaftern, von denen sie solches Kapital erhalten hatte, durch die Übertragung der die Anteile an der Berliner Gesellschaft ersetzenden Beteiligung an der Hamburger Gesellschaft im Ergebnis von ihnen eingebrachte Sachwerte in specie zurückerstattet, ihnen also nicht einen Kapitalertrag im Sinne des
Art. 4 Abs. 1 VStG
zugewendet hat (immer abgesehen von der Wertsteigerung seit der Einbringung).
4.
Als die Anteile an der Berliner Gesellschaft an die A. GmbH abgetreten wurden (14. Dezember 1962), waren an deren Stammkapital von Fr. 1'000'000 sechs Gesellschafter mit je Fr. 125'000 und einer mit Fr. 250'000 beteiligt. Anders verhielt es sich im Zeitpunkt der Abgabe der Beteiligung an der Hamburger Gesellschaft seitens der A. GmbH (2. Juni 1970): Damals zerfiel deren Stammkapital in fünf Stammeinlagen, nämlich zwei von je Fr. 166'000, zwei von je Fr. 332'000 und eine von Fr. 4'000, deren Inhaber die A. GmbH selbst war ("Restbetrag zufolge Spitzenausgleichs bei einer Teilung der Stammeinlagen"). Es ist anzunehmen, dass die jeweiligen Gesellschafter der A. GmbH an den Transaktionen vom 14. Dezember 1962 und vom 2. Juni 1970 im Verhältnis ihrer
BGE 98 Ib 140 S. 147
Anteile an dieser Gesellschaft beteiligt waren. Demnach haben am 2. Juni 1970 nur drei Gesellschafter, und zwar jeder bloss in dem seiner früheren Beteiligung von Fr. 125'000 entsprechenden Umfange, Kapital zurückerhalten, das sie selber am 14. Dezember 1962 eingelegt hatten. Die übrigen Beteiligungsrechte, die am 14. Dezember 1962 bestanden hatten, haben in der Zwischenzeit infolge Todes von vier Gesellschaftern die Hand gewechselt, wie sich aus den Eintragungen im Handelsregister ergibt. Zwei Eintragungen haben nach ihrem Wortlaut (Übergang auf den "Erben...", die "Erbengemeinschaft...") offenbar Handänderungen infolge erbrechtlicher Gesamtnachfolge zum Gegenstand. Dagegen ist weniger sicher, ob dies auch für eine frühere Eintragung zutrifft, welche den Rechtsgrund der Handänderungen nicht näher umschreibt.
Nach der Auffassung der EStV könnte eine Rückübertragung in specie jedenfalls nur insoweit angenommen werden, als die Empfänger der Zuwendung vom 2. Juni 1970 damit eine seinerzeit von ihnen selber geleistete Kapitaleinlage zurückerhalten haben. Insbesondere macht die EStV geltend, die Erben ausgeschiedener Einleger könnten nicht selber als Einleger betrachtet werden.
Im schweizerischen wie auch im deutschen Erbrecht (§ 1922 BGB) gilt aber der Grundsatz, dass mit dem Tode des Erblassers dessen sämtliche Rechte und Pflichten, soweit sie vererblich sind, ohne weiteres auf den Erben übergehen (Gesamtnachfolge). Diese zivilrechtliche Ordnung ist, mangels einer entgegenstehenden Bestimmung, auch bei der Anwendung des VStG zu beachten. Der Rückgabe eines in das Gesellschaftsvermögen eingebrachten Sachwertes an den Einleger selbst ist daher die Abgabe an dessen Erben gleichzustellen; auch sie ist als Rückerstattung in specie im Sinne der Rechtsprechung anzusehen. Die praktischen Schwierigkeiten, die sich daraus nach Ansicht der EStV ergeben, sind nicht unüberwindlich. Die Gesellschaft, die verrechnungssteuerfrei Kapital zurückerstatten will, hat darzutun, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Ein erbrechtlicher Übergang gesellschaftlicher Beteiligungsrechte lässt sich jedenfalls in der Regel ohne Schwierigkeit feststellen.
Anders ist dagegen der Fall zu würdigen, wo ein Gesellschafter ein Beteiligungsrecht durch ein Rechtsgeschäft, das nicht eine erbrechtliche Gesamtnachfolge begründet, auf einen
BGE 98 Ib 140 S. 148
Mitgesellschafter überträgt. Es besteht kein Grund, eine solche Abtretung anders zu behandeln als die durch ein Rechtsgeschäft gleicher Art vorgenommene Übertragung an einen bisher an der Gesellschaft nicht beteiligten Dritten. In beiden Fällen kann der Erwerber den Gesellschaftsanteil nicht verrechnungssteuerfrei zurücknehmen, weil nicht eine Rückübertragung an den Einleger (oder den ihm gleichzustellenden Erben) vorliegt (
BGE 97 I 448
Mitte).
Nach dem oben Gesagten steht nicht durchweg fest, welcher Art die Änderungen in der Beteiligung an der A. GmbH waren, die in der Zeit zwischen dem 14. Dezember 1962 und dem 2. Juni 1970 eingetreten sind. Nach den vorliegenden Akten ist die Möglichkeit nicht auszuschliessen, dass ein Teil der Handänderungen nicht auf erbrechtlicher Gesamtnachfolge beruht. Der Sachverhalt ist in dieser Beziehung noch abzuklären, weshalb die Angelegenheit an die EStV zurückzuweisen ist. Kann die Beschwerdeführerin nachweisen, dass alle Handänderungen auf Erbfolge zurückzuführen sind, so ist die strittige Steuerforderung - im Betrage von Fr. 1'425,600 - im vollen Umfange unbegründet; misslingt der Nachweis, so ist sie in einem entsprechenden Ausmass begründet.
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public_law
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nan
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de
| 1,972 |
CH_BGE
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CH_BGE_003
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CH
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Federation
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a9346da0-1768-468c-9fbd-f5677404b8d1
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Urteilskopf
134 I 209
24. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause X. contre Hôpitaux Universitaires de Genève (recours en matière civile)
5A_656/2007 du 13 mars 2008
|
Regeste
Art. 10 BV
, persönliche Freiheit; im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung angeordnete Zwangsmassnahmen.
Die im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung gemäss
Art. 397a ff. ZGB
angeordnete Unterbringung eines drogenabhängigen Patienten in einem Sicherheitszimmer stellt eine zusätzliche Freiheitsentziehung dar, welche einer genügenden gesetzlichen Grundlage bedarf (E. 2.3). Art. 50 des Gesundheitsgesetzes des Kantons Genf ist vorliegend keine solche genügende gesetzliche Grundlage (E. 2.4).
|
Sachverhalt
ab Seite 210
BGE 134 I 209 S. 210
A.
Le 18 octobre 2006, le Tribunal tutélaire du canton de Genève a prononcé l'interdiction de X., né en 1973, et a ordonné son placement à des fins d'assistance (
art. 397a ss CC
) à la clinique psychiatrique de Belle-Idée (ci-après: Belle-Idée), dans l'attente d'un possible placement non volontaire dans un établissement spécialisé dans le traitement des toxicodépendances.
Le 6 mars 2007, X. a été mis en chambre fermée à son retour d'une fugue, en raison d'une consommation de toxiques et d'un risque de fugue. Cette mesure a été levée le 8 mars 2007 au profit d'un régime pavillonnaire strict.
Le 15 mars 2007, X. a recouru auprès de la Commission de surveillance des professions de la santé et des droits des patients (ci-après: la Commission de surveillance) contre son placement le 6 mars 2007 en chambre fermée; son recours, qui portait notamment sur les conditions de sa mise en chambre fermée sous forme de "chambre sécurisée" vidée de ses meubles, avec privation de ses habits, de son téléphone portable, de son tourne-disque et de toute lecture à l'exception de la Bible, a été rejeté par décision du 19 mars 2007.
B.
Le 23 mars 2007, X. a recouru contre cette décision auprès du Tribunal administratif du canton de Genève, en concluant notamment à son annulation et à la constatation du caractère illicite de la mesure de mise en chambre fermée. Il a notamment invoqué la violation de l'art. 50 de la loi cantonale sur la santé du 7 avril 2006 (RSG K 1 03; ci-après: LS/GE) et la violation du principe de la proportionnalité, faisant valoir que le placement en chambre fermée, en particulier le régime de la chambre sécurisée, portait une atteinte disproportionnée et dépourvue de base légale suffisante à sa liberté personnelle. Le Tribunal administratif a rejeté le recours par arrêt du 2 octobre 2007.
BGE 134 I 209 S. 211
C.
Admettant le recours en matière civile interjeté par X. contre l'arrêt du Tribunal administratif, le Tribunal fédéral a annulé cet arrêt et a constaté le caractère illicite de la décision de placement du recourant prise le 6 mars 2007.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
2.3
2.3.1
Droit constitutionnel codifié aux
art. 10 al. 2 et 7 Cst.
, la liberté personnelle garantit le droit à l'intégrité physique et psychique, la liberté de mouvement (
art. 10 al. 2 Cst.
), le respect de la dignité humaine (
art. 7 Cst.
) et, de manière générale, toutes les facultés élémentaires dont l'exercice est indispensable à l'épanouissement de la personne humaine (
ATF 133 I 110
consid. 5.2;
ATF 130 I 65
consid. 3.1,
ATF 130 I 369
consid. 2;
ATF 126 I 112
consid. 3a). La liberté personnelle n'est pas absolue. Comme pour tout autre droit fondamental, des restrictions sont admissibles si elles reposent sur une base légale, si elles sont justifiées par un intérêt public et si elles respectent le principe de la proportionnalité; en outre, elles ne peuvent violer l'essence des droits fondamentaux (
art. 36 Cst.
;
ATF 133 I 27
consid. 3.1;
ATF 130 I 16
consid. 3,
ATF 130 I 65
consid. 3.1;
ATF 126 I 112
consid. 3a). L'étendue de la protection de la liberté personnelle, y compris des droits qui en découlent, et les limites à l'admissibilité des atteintes doivent être concrétisées dans chaque cas d'espèce, au vu de la nature et de l'intensité de l'atteinte et eu égard au besoin de protection particulier de la personne concernée (
ATF 133 I 58
consid. 6.1;
ATF 126 I 112
consid. 3a;
ATF 124 I 85
consid. 2a;
ATF 120 Ia 147
consid. 2a).
2.3.2
Le placement en chambre fermée, lorsqu'il est ordonné dans le cadre de l'exécution d'une mesure de privation de liberté à des fins d'assistance au sens des
art. 397a ss CC
, constitue une restriction supplémentaire de la liberté personnelle, qui doit reposer sur une base légale suffisante (cf. l'arrêt de la Cour européenne des droits de l'homme dans la cause
Schneider contre Suisse
du 31 mars 2005, publié in JAAC 69/2005 n° 129 p. 1565 ss, dans lequel il a été jugé qu'un placement en cellule d'isolement constituait une privation de liberté supplémentaire par rapport à celle déjà subie dans le cadre du régime habituel de la privation de liberté à des fins d'assistance au sens des
art. 397a ss CC
et qu'il devait donc reposer sur une base légale suffisante, laquelle était donnée en l'espèce par la clause générale de police prévue par l'art. 28 de la Constitution du canton de Berne).
BGE 134 I 209 S. 212
2.4
En l'espèce, le placement du recourant en chambre fermée, sous le régime de la chambre sécurisée, constitue une privation de liberté supplémentaire par rapport à celle déjà subie dans le cadre du régime habituel de la privation de liberté à des fins d'assistance au sens des
art. 397a ss CC
. Il doit donc reposer sur une base légale suffisante. La question litigieuse est de savoir si l'art. 50 LS/GE constitue cette base légale.
2.4.1
L'art. 50 LS/GE prévoit que par principe, toute mesure de contrainte à l'égard des patients est interdite; le droit pénal et civil en matière de mesures thérapeutiques et d'internement et de privation de liberté à des fins d'assistance est réservé, de même que la législation en matière de lutte contre les maladies transmissibles de l'homme (al. 1). A titre exceptionnel et, dans la mesure du possible, après en avoir discuté avec le patient, respectivement le représentant qu'il a désigné, le représentant légal ou ses proches, le médecin responsable d'une institution de santé peut, après consultation de l'équipe soignante, imposer pour une durée limitée des mesures de contrainte strictement nécessaires à la prise en charge du patient (a) si d'autres mesures moins restrictives de la liberté personnelle ont échoué ou n'existent pas et (b) si le comportement du patient présente un danger grave pour la sécurité ou la santé de lui-même ou d'autrui (al. 2). Le médecin responsable d'une institution de santé peut déléguer cette prérogative à un autre professionnel de la santé compétent (al. 3). La mise en cellule d'isolement à caractère carcéral est interdite (al. 4).
2.4.2
Il ressort des faits établis par l'autorité précédente, sur la base desquels le Tribunal fédéral doit conduire son raisonnement juridique (
art. 105 al. 1 LTF
), que le placement du recourant en chambre fermée, tel qu'il a été ordonné le 6 mars 2007, à son retour d'une fugue, par son médecin traitant, l'a été à titre disciplinaire ou, pour reprendre les termes de l'autorité précédente, "à titre punitif lors de la violation de règles de comportement". Au surplus, ce placement a été ordonné et exécuté sous le régime spécifique de la chambre sécurisée vidée de ses meubles, avec privation des habits, du téléphone portable, du tourne-disque et de toute lecture à l'exception de la Bible.
Les directives des Hôpitaux Universitaires de Genève (HUG) sur le programme de soins en chambre fermée ne font pas mention d'un régime particulier de "chambre sécurisée"; elles prévoient seulement à leur point 5 (intitulé "La sécurité") que les mesures appropriées doivent être prises afin d'éviter la présence d'objets potentiellement
BGE 134 I 209 S. 213
dangereux pendant le séjour en chambre fermée. Dans leur réponse au recours devant le Tribunal fédéral, les HUG - qui n'ont pas été entendus comme partie à la procédure cantonale de recours, seule la Commission de surveillance ayant été invitée par le Tribunal administratif à présenter des observations - exposent qu'"[e]n cas d'évolution imprévisible, la chambre sécurisée permet au patient concerné mais aussi aux autres patients et aux soignants d'avoir un maximum de sécurité, car les meubles sont retirés - cassés, ils peuvent servir de projectiles - et le patient est mis en robe de chambre, ce qui évite d'avoir des habits avec des éléments dangereux, par exemple ceinture ou grosses chaussures et empêche le patient de cacher des doses de drogue ou des allumettes sur lui".
En l'espèce, on ne trouve dans l'arrêt attaqué aucun élément justifiant le recours à la chambre sécurisée, dont le seul but, selon ce qui vient d'être exposé, est de garantir la sécurité du patient, des autres patients et du personnel soignant; au contraire, le D
r
B., lorsqu'il a été entendu par le Tribunal administratif, a déclaré qu'il ne se souvenait pas s'il était nécessaire d'enfermer le recourant en chambre sécurisée, mais qu'à son sens, ce n'était pas le cas.
2.4.3
La mesure litigieuse apparaît ainsi clairement comme une mesure disciplinaire, dont l'exécution selon le régime de la chambre sécurisée avait pour but de renforcer le caractère punitif. Or une telle mesure n'entre pas dans les prévisions de l'art. 50 LS/GE. Elle apparaît déjà illicite au regard de l'alinéa 4 de cette disposition, qui interdit précisément la mise en cellule d'isolement à caractère carcéral. Au demeurant, même si la licéité de la mesure litigieuse était examinée sous le seul angle de l'alinéa 2 de l'art. 50 LS/GE, force serait de constater que les conditions posées par cette disposition, soit le respect du principe de la proportionnalité - la mesure est "strictement nécessaire à la prise en charge du patient" et "d'autres mesures moins restrictives de la liberté personnelle ont échoué ou n'existent pas" - ainsi que l'existence d'un danger grave pour la sécurité ou la santé du patient lui-même ou d'autrui, n'apparaissent pas réalisées en l'espèce, sur le vu de l'état de fait arrêté par le Tribunal administratif.
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public_law
|
nan
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fr
| 2,008 |
CH_BGE
|
CH_BGE_001
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CH
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Federation
|
a9361f9e-8d90-4033-8e82-a684a21df8a3
|
Urteilskopf
118 II 27
5. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Februar 1992 i.S. K. gegen K.-Z. (Berufung)
|
Regeste
Beweislastverteilung bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung (Art. 8, 170, 200 und 208 ZGB).
1.
Art. 200 ZGB
behandelt nicht die Frage, wen die Beweislast trifft, wenn streitig ist, ob ein Vermögenswert im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes überhaupt noch vorhanden war oder nicht. Hier ist vielmehr
Art. 8 ZGB
anwendbar (E. 2).
2. Wer die Hinzurechnung nach
Art. 208 ZGB
geltend macht, hat nicht nur nachzuweisen, dass dem andern Ehegatten der entsprechende Vermögenswert zu einem bestimmten Zeitpunkt gehört hat, sondern auch, was damit geschehen ist. Weder aus Art. 170 noch aus
Art. 208 ZGB
ergibt sich eine Umkehr der Beweislast (E. 3).
3. Sind die Voraussetzungen von
Art. 208 ZGB
nicht nachgewiesen, so entsteht keine güterrechtliche Ersatzforderung, wenn Errungenschaft in ehewidriger Weise verwendet worden ist (E. 4).
|
Erwägungen
ab Seite 28
BGE 118 II 27 S. 28
Aus den Erwägungen:
2.
Das Obergericht hatte für die güterrechtliche Auseinandersetzung einen Betrag von Fr. 30'000.-- zur Errungenschaft hinzugerechnet, der aus dem Verkauf einer zur Errungenschaft gehörenden Liegenschaft stammte. Darin erblickt der Beklagte eine Bundesrechtsverletzung.
Gemäss
Art. 207 Abs. 1 ZGB
sind Errungenschaft und Eigengut jedes Ehegatten nach ihrem Bestand im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes auszuscheiden. In die Vorschlagsberechnung sind somit grundsätzlich nur jene Vermögenswerte einzubeziehen, welche die Ehegatten im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes gehabt haben, auch wenn für die Bewertung ein anderer Zeitpunkt massgebend ist, nämlich jener, zu dem die güterrechtliche Auseinandersetzung abgeschlossen wird (
Art. 214 Abs. 1 ZGB
). Wer somit eine Beteiligungsforderung geltend macht, hat nachzuweisen, dass die entsprechenden Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes vorhanden gewesen sind (
Art. 8 ZGB
). Daran ändern auch die besondern im Güterrecht enthaltenen Beweislastregeln nichts.
Art. 200 Abs. 3 ZGB
bestimmt, dass bei der Errungenschaftsbeteiligung die Zugehörigkeit eines Vermögenswertes zur Errungenschaft vermutet wird, solange nicht die Zugehörigkeit zum Eigengut bewiesen ist. Nach dem ersten Absatz der gleichen Bestimmung ist zudem Miteigentum unter den Ehegatten anzunehmen, wenn nicht die alleinige Berechtigung des einen oder andern Ehegatten nachgewiesen ist. Dieser Artikel behandelt jedoch nicht die Beweislast, wenn streitig ist, ob ein bestimmter Vermögenswert überhaupt vorhanden gewesen ist oder nicht, so dass diesbezüglich wiederum auf
Art. 8 ZGB
zurückzugreifen ist (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1992, N 16 zu
Art. 200 ZGB
; LEMP, Berner Kommentar, 1968, N 3 zu Art. 196 aZGB).
3.
Das Obergericht hat nun aber aus
Art. 170 und 208 ZGB
geschlossen, es müsse genügen, wenn ein Ehegatte beweise, dass ein Errungenschaftswert einmal vorhanden gewesen sei. Dann sei es nämlich am andern Ehegatten nachzuweisen, wofür er ihn verwendet habe, um den Verdacht zu entkräften, dass er die fraglichen Vermögenswerte im Sinne von
Art. 208 ZGB
verwendet oder zu seinen Gunsten verschwinden lassen habe. Diese Umkehr der Beweislast lässt sich aber weder
Art. 170 ZGB
noch
Art. 208 ZGB
entnehmen.
a) Wohl sieht
Art. 170 ZGB
eine umfassende, gegenseitige Auskunftspflicht der Ehegatten in wirtschaftlichen Belangen vor, die - soweit
BGE 118 II 27 S. 29
dies für das Beurteilen und Geltendmachen von Ansprüchen nötig ist - vom Richter auch durchgesetzt werden kann. Dass im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung ein Anspruch darauf besteht, Auskunft über den Verbleib von Errungenschaftswerten im einzelnen zu erhalten, kann nicht bestritten werden. Eine Beschränkung auf allgemeine Auskünfte rechtfertigt sich nur ausserhalb eines konkreten Rechtsstreites (vgl. DESCHENAUX/STEINAUER, Le nouveau droit matrimonial, Bern 1987, S. 121). Es besteht deshalb durchaus ein Anspruch, gegebenenfalls im einzelnen und genau über die Verwendung jedes Betrages Auskunft zu erhalten. Allerdings ist kein Ehegatte verpflichtet, alle Belege aufzubewahren, um in einem späteren Rechtsstreit lückenlos Auskunft über deren Verbleib geben zu können. Er ist aber nicht berechtigt, mit seinem Wissen und mit vorhandenen Belegen im Streitfall zurückzuhalten.
Kommt ein Ehegatte seiner Auskunftspflicht nicht freiwillig nach, so kann der andere neben der Auflösung des Güterstandes (
Art. 185 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB
) beim Richter die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs verlangen. Dem Richter stehen die Anordnung von Ungehorsamsstrafe nach
Art. 292 StGB
und die vom kantonalen Recht vorgesehenen Zwangsmittel zur Verfügung, wenn der Ehegatte auch vor Gericht die Auskunft verweigert. Zudem ist analog zu
Art. 581 Abs. 2 ZGB
eine Haftung für den durch die Verweigerung entstandenen Schaden denkbar, sofern ein solcher nachgewiesen werden kann (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Kommentar Eherecht, Bern 1988, N 25 zu
Art. 170 ZGB
). Eine Auskunftsverweigerung kann der Richter schliesslich auch bei der Beweiswürdigung berücksichtigen. Das bedeutet aber nicht, dass sie zu einer Umkehr der Beweislast führt. Die Auskunftsverweigerung kann nur zur Folge haben, dass das Gericht die Überzeugung gewinnt, die Behauptungen des die Auskunft verweigernden Ehegatten seien ganz oder teilweise falsch beziehungsweise dass es den Angaben des andern Ehegatten glaubt.
b) Gemäss
Art. 208 Abs. 1 ZGB
sind Errungenschaftswerte, die im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes nicht mehr vorhanden sind, unter bestimmten Voraussetzungen zur Errungenschaft hinzuzurechnen. Aus
Art. 8 ZGB
folgt, dass jener Ehegatte, der die Hinzurechnung verlangt, deren Voraussetzungen beweisen muss. Namentlich hat der anspruchsberechtigte Ehegatte nachzuweisen, dass der andere eine unentgeltliche Zuwendung in den letzten fünf Jahren vor Auflösung des Güterstandes gemacht hat oder die Vermögensentäusserung erfolgt ist, um den Beteiligungsanspruch des andern Ehegatten zu schmälern (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner
BGE 118 II 27 S. 30
Kommentar, N 66 zu
Art. 208 ZGB
). Auch diese Bestimmung erlaubt es somit nicht, einen bestimmten Vermögenswert zur Errungenschaft hinzuzurechnen, bloss weil er einmal zu dieser gehört hat.
4.
Die Klägerin will in der Berufungsantwort allerdings die Ausführungen des Obergerichts nicht im Sinne einer Umkehr der Beweislast verstanden wissen. Sie geht vielmehr davon aus, das Obergericht habe in Würdigung des Parteiverhaltens als bewiesen angesehen, dass der Beklagte noch immer im Besitz des fraglichen Geldbetrages sei oder ihn zu seinem ausschliesslichen Nutzen verwendet habe.
a) Das Urteil des Obergerichts kann indessen nicht in diesem Sinne verstanden werden. Die Vorinstanz führt wörtlich aus: "Gelingt daher dem Anspruchsberechtigten, wie hier der Klägerin, der Nachweis, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Vermögenswert der Errungenschaft bestanden hat, so hat der Anspruchsverpflichtete demgegenüber nachzuweisen, wofür er ihn verwendet hat, um den Verdacht zu entkräften, dass er die fraglichen Vermögenswerte im Sinne von
Art. 208 Abs. 1 ZGB
verwendet hat oder gar zu seinen Gunsten verschwinden liess." Deutlicher liesse sich eine Umkehr der Beweislast kaum umschreiben. Zudem wird dann auch festgehalten: "Es liegt daher der Schluss nahe, dass er den Betrag von Fr. 30'000.-- entweder zu seinem ausschliesslichen Nutzen verwendet hat, was zu einem entsprechenden Ersatzanspruch der Errungenschaft führen würde, oder dass er heute noch im Besitz dieses Geldes ist." Als Tatsachenfeststellung kann es aber nicht genügen auszuführen, es liege ein bestimmter Schluss nahe. Vielmehr muss der Sachrichter dartun, dass er diesen Schluss auch wirklich zieht, was das Obergericht nicht getan hat. Indessen braucht die Frage, ob darin eine das Bundesgericht bindende Sachverhaltsfeststellung zu sehen ist, nicht abschliessend beurteilt zu werden, da die Berufung auch diesfalls gutzuheissen wäre.
b) Das Obergericht hält nämlich zwei Sachverhaltsvarianten für möglich. Entweder sei der Vermögenswert noch vorhanden oder der Ehemann habe ihn zu seinem ausschliesslichen Nutzen verwendet. Letzterenfalls nimmt das Obergericht eine Ersatzforderung der Errungenschaft an, was zur Folge habe, dass der Vermögenswert dem Betrage nach bei der Vorschlagsberechnung berücksichtigt werden müsse, obgleich er nicht mehr vorhanden sei. Das Obergericht verkennt dabei, dass jeder Ehegatte seine Errungenschaft innerhalb der gesetzlichen Schranken frei nutzen und frei darüber verfügen kann (
Art. 201 Abs. 1 ZGB
). Kein Ehegatte ist verpflichtet, Errungenschaft
BGE 118 II 27 S. 31
zu bilden. Jeder Ehegatte ist auch grundsätzlich berechtigt, ersparte Errungenschaft zu verbrauchen, solange er dadurch nicht seine Pflicht verletzt, an den Unterhalt der Familie beizutragen (vgl. DESCHENAUX/STEINAUER, S. 305). Wird Errungenschaft in ehewidriger Weise verwendet, liegt insbesondere ein Verstoss gegen die Treue- und Beistandspflicht vor, so kann das scheidungsrechtliche Wirkungen haben. Indessen hat dies nur unter den im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen auch güterrechtliche Folgen. Entgegen der Ansicht des Obergerichts kann sich deshalb aus der Annahme, der Ehemann habe den fraglichen Betrag ausschliesslich für seine eigenen Bedürfnisse verwendet, kein Ersatzanspruch der Errungenschaft ergeben, der es ermöglichte, den verbrauchten Betrag bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung noch zu berücksichtigen.
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public_law
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nan
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de
| 1,992 |
CH_BGE
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CH_BGE_004
|
CH
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Federation
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a93aa590-db57-46cf-a826-9b1e14cfbae3
|
Urteilskopf
119 II 193
39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Mai 1993 i.S. A. X. gegen C. X. (staatsrechtliche Beschwerde)
|
Regeste
Vorsorgliche Massnahmen (
Art. 145 ZGB
und
Art. 4 BV
).
1. Im Verfahren um Erlass vorsorglicher Massnahmen ist die Verwaltung und Nutzung von Vermögenswerten der Ehegatten zu regeln und die Verfügung darüber zu beschränken, soweit die Gefährdung eines güterrechtlichen Anspruchs glaubhaft gemacht worden ist; hingegen darf in einem Massnahmeentscheid nicht über Ansprüche befunden werden, deren Beurteilung einem ordentlichen Verfahren vorbehalten ist (E. 3a).
2. Auf ein Begehren um Herausgabe von Unterlagen kann dem Gesuchsteller auch bloss ein Einsichtsrecht daran eingeräumt werden, sofern mit dieser Massnahme seine Rechte gesichert bleiben (E. 3b).
3. Für die Sperrung von Mietzinseinnahmen aus einer Liegenschaft sind weder die güterrechtliche Zuordnung noch die gesetzlichen Verwaltungsbefugnisse entscheidend (E. 3c).
4. Wer über sein eigenes Einkommen und Vermögen keine Auskunft erteilt, dem darf ein Unterhaltsbeitrag verwehrt werden (E. 3d).
5. Die Nutzung eines Ferienhauses kann durchaus wechselweise geregelt werden; sie kann mit der Zuteilung der ehelichen Wohnung nicht verglichen werden (E. 3e).
|
Erwägungen
ab Seite 195
BGE 119 II 193 S. 195
Aus der Erwägung:
3.
In der Sache selbst wirft der Beschwerdeführer dem Obergericht Willkür vor, da sein Herausgabebegehren abgelehnt und ihm lediglich ein Einsichtsrecht eingeräumt worden sei, weiter die von ihm verlangte Sperrung der Mietzinseinnahmen nicht bewilligt und er von diesen Erträgen ausgeschlossen und überdies der Beschwerdegegnerin die Mitbenutzung des Ferienhauses in R. gestattet worden sei.
a) Im Verfahren um Erlass vorsorglicher Massnahmen nach
Art. 145 ZGB
sind für die Dauer des Scheidungsverfahrens die Folgen zu regeln, welche sich aus der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes ergeben (BÜHLER/SPÜHLER, N. 13, N. 25 zu
Art. 145 ZGB
). Dazu gehören auch Anordnungen im Hinblick auf die güterrechtliche Auseinandersetzung, die als solche jedoch nicht in diesem (summarischen) Verfahren vorzunehmen ist (BÜHLER/SPÜHLER, N. 310 ff. zu
Art. 145 ZGB
; BÜHLER/SPÜHLER, Ergänzungsband, N. 334a zu
Art. 145 ZGB
). So kann in einem Massnahmeverfahren die Verwaltung und Nutzung von Vermögenswerten festgelegt sowie die Verfügung darüber beschränkt werden, sofern die Gefährdung eines güterrechtlichen Anspruchs zumindest glaubhaft gemacht worden ist (BÜHLER/SPÜHLER, N. 335, N. 339 und N. 349 zu
Art. 145 ZGB
). Auf keinen Fall darf aber in einem solchen Verfahren über Ansprüche befunden werden, deren Beurteilung einzig im Hauptverfahren oder in einem separaten güterrechtlichen Prozess zu erfolgen hat. Die für die Dauer des Scheidungsprozesses getroffenen Anordnungen fallen nämlich mit Beendigung des Verfahrens grundsätzlich dahin (BÜHLER/SPÜHLER, N. 67 zu
Art. 145 ZGB
). Damit kann es auch auf die güterrechtliche, sachenrechtliche sowie allenfalls vertragsrechtliche Beurteilung der vom Beschwerdeführer einlässlich dargelegten Standpunkte nicht ankommen. Das Bundesgericht kann im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nämlich einzig prüfen, ob der vom Obergericht geschützte Massnahmeentscheid die vom Beschwerdeführer geltend gemachten verfassungsmässigen Rechte verletzt hat.
b) Das Obergericht war bei der Prüfung des Herausgabebegehrens betreffend die Geschäftsunterlagen des Garagebetriebs und die Unterlagen der Liegenschaften in Z. bestrebt, eine den Umständen des Falles angepasste und verhältnismässige Lösung zu finden. Durch das dem Beschwerdeführer eingeräumte Einsichtsrecht kann er bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung seine Interessen
BGE 119 II 193 S. 196
durchaus wahren. Gleichzeitig kann die Beschwerdegegnerin die ihr (auch vom Beschwerdeführer) zugestandene Verwaltung der Liegenschaften wahrnehmen, ohne dass sich der Beschwerdeführer gegenüber Dritten als für diese Tätigkeit berechtigt ausgeben kann. Er begnügt sich in seiner Beschwerdeschrift im wesentlichen mit der Darlegung seiner - hier nicht massgebenden - güterrechtlichen und auftragsrechtlichen Rechtsauffassung, ohne darzutun, inwieweit die vom Obergericht getroffene Regelung willkürlich sein sollte.
c) Was die Sperrung der Mietzinseinnahmen betrifft, verweist das Obergericht zu Recht darauf, dass der Beschwerdeführer eine Gefährdung von güterrechtlichen Ansprüchen seinerseits nicht glaubhaft gemacht habe, weshalb kein Platz für Sicherungsmassnahmen nach
Art. 145 ZGB
bestehe. Er beschränkt sich auf die Behauptung, dass diese von Gesetzes wegen an ihn abzuliefern seien. Damit verkennt er auch hier den vorläufigen Charakter eines Massnahmeentscheides, der sich nicht an allfälligen güterrechtlichen Ansprüchen sowie gesetzlichen Verwaltungsbefugnissen orientiert. Dem Obergericht kann hier keineswegs Willkür vorgeworfen werden und die Tatsache, dass der Beschwerdeführer mit dessen rechtlichen Folgerungen nicht einig geht, stellt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.
d) Da der Beschwerdeführer gemäss den Feststellungen des Obergerichts weder sein eigenes Einkommen noch seinen Lebensaufwand beziffert und belegt hat, ist es keineswegs willkürlich, seinen Antrag auf einen Unterhaltsbeitrag und die Beteiligung am Vermögensertrag abzuweisen.
e) Ausgehend von den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts, wonach das Ferienhaus von den Ehegatten nur sporadisch bewohnt werde und der Beschwerdeführer nicht die Absicht habe, seinen Wohnsitz dorthin zu verlegen, ist die wechselweise Benutzung dieser Liegenschaft durch beide Parteien alles andere als abwegig. Der Beschwerdeführer verkennt den Charakter einer Zweitwohnung, wenn er meint, durch deren ausschliessliche Nutzung die Zuteilung der bisherigen Familienwohnung an die Beschwerdegegnerin ausgleichen zu können. Keine Rolle für den Entscheid über die Nutzung des Ferienhauses spielt dessen güterrechtliche Qualifikation. Ungeachtet der Begründung des Obergerichts ist die getroffene Lösung zumindest im Ergebnis keineswegs willkürlich (
BGE 118 Ia 26
E. 5a).
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public_law
|
nan
|
de
| 1,993 |
CH_BGE
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CH_BGE_004
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CH
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Federation
|
a9402c52-a029-4fb3-978b-0daeb55d6816
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Urteilskopf
120 V 299
41. Arrêt du 27 octobre 1994 dans la cause Succession de M., quand vivait titulaire de la raison individuelle Etablissement médico-social Pension X, contre Fondation collective de La Neuchâteloise-vie pour la prévoyance professionnelle et Tribunal administratif, Neuchâtel
|
Regeste
Art. 11 BVG
,
Art. 404 Abs. 1 OR
,
Art. 2 und 27 ZGB
: Anschlussvertrag mit einer Sammelstiftung.
Der Anschlussvertrag eines Arbeitgebers mit einer Sammel- oder Gemeinschaftsstiftung ist ein Innominatvertrag sui generis im engen Sinne und nicht ein gemischter Vertrag. Wenn der Vertrag auf bestimmte Dauer abgeschlossen worden ist, handelt es sich um einen Dauervertrag, auf den
Art. 404 Abs. 1 OR
keine Anwendung findet.
Im vorliegenden Fall erweist sich eine zehnjährige Dauer nicht als unverhältnismässig, so dass der Arbeitgeber nicht berechtigt war, den Vertrag vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Frist aufzulösen.
|
Sachverhalt
ab Seite 300
BGE 120 V 299 S. 300
A.-
Titulaire de la raison individuelle "Pension X Home pour personnes âgées", puis "Etablissement médico-social (EMS) X", M. a conclu les 10 et 13 octobre 1988 une "convention d'affiliation" avec la Fondation collective de la Neuchâteloise-vie pour la prévoyance professionnelle (ci-après: la fondation). Aux termes de l'art. 15 de ladite convention, celle-ci est entrée en vigueur rétroactivement le 1er janvier 1986 et prendra fin le 31 décembre 1995. Sauf dénonciation par lettre recommandée six mois avant l'échéance, elle sera reconduite tacitement d'année en année.
Par lettre recommandée du 6 juin 1991, M. a informé la fondation qu'elle résiliait le "contrat d'assurance susmentionné" pour le 31 décembre 1991.
Invoquant le délai de résiliation contractuel, la fondation a refusé de mettre fin à la convention à la date précitée, tout en se déclarant disposée à négocier une solution convenant à toutes les parties.
Les pourparlers engagés entre les parties, au cours desquels M. était représentée par la fondation collective "Performa", avec laquelle elle a conclu les 17 janvier et 6 février 1992 une convention d'affiliation entrée en vigueur le 1er janvier 1992, n'ont cependant pas abouti.
B.-
Par demande du 2 juin 1992, l'EMS Pension X a ouvert action devant le Tribunal administratif de la République et canton de Neuchâtel en prenant pour conclusions:
"Plaise au Tribunal des assurances:
1. Dire et constater que la résiliation de la convention d'affiliation de la part de l'établissement médico-social de X est valable pour le 31 décembre 1991.
2. Dire que l'intérêt dû sur les avoirs au 31.12.91 est de 8% l'an, soit la moyenne entre les placements à court terme et le rendement des nouvelles obligations de caisse des principales banques.
3. En conséquence, libérer la demanderesse du paiement des primes pour l'année 1992.
4. Sous suite de dépens."
La fondation a conclu au rejet de la demande en toutes ses conclusions, en tant qu'elles étaient recevables, sous suite de frais et dépens.
M. est décédée le 14 avril 1993. La Justice de paix du cercle de Romanel a désigné Me T., notaire à Lausanne, en qualité d'administrateur d'office de la succession, lequel a confirmé que cette dernière entendait poursuivre le procès intenté par la défunte.
BGE 120 V 299 S. 301
Par jugement du 24 janvier 1994, le Tribunal administratif de la République et canton de Neuchâtel a rejeté la demande, sans frais et sans dépens.
C.-
La succession de M. interjette recours de droit administratif et demande au Tribunal fédéral des assurances d'annuler le jugement attaqué et de renvoyer la cause à la juridiction cantonale pour nouveau jugement, sous suite de frais et dépens.
La fondation conclut au rejet du recours, sous suite de frais et dépens. L'Office fédéral des assurances sociales (OFAS) s'exprime dans un préavis circonstancié mais s'abstient de faire une proposition au tribunal.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) La contestation ici en cause relève des autorités juridictionnelles mentionnées à l'
art. 73 LPP
, tant du point de vue de la compétence ratione temporis (
ATF 117 V 52
,
ATF 115 V 228
consid. 1b et 247 consid. 1a et les références;
ATF 116 V 333
, consid. 1b non publié) que de celui de la compétence ratione materiae (
ATF 115 V 363
consid. 1), et le recours de droit administratif est recevable de ce chef.
b) Le jugement attaqué n'ayant pas pour objet l'octroi ou le refus de prestations d'assurance (
ATF 115 V 364
consid. 3b), le Tribunal fédéral des assurances doit se borner à examiner si les premiers juges ont violé le droit fédéral, y compris par l'excès ou par l'abus de leur pouvoir d'appréciation, ou si les faits pertinents ont été constatés d'une manière manifestement inexacte ou incomplète, ou s'ils ont été établis au mépris de règles essentielles de procédure (art. 132 en corrélation avec les
art. 104 let. a et b et 105 al. 2 OJ
).
2.
a) Selon l'
art. 73 al. 1 LPP
, chaque canton désigne un tribunal qui connaît, en dernière instance cantonale, des contestations opposant institutions de prévoyance, employeurs et ayants droit. La voie à suivre est celle de l'action (
ATF 117 V 242
et 342).
Doctrine et jurisprudence admettent que cette disposition n'exclut pas la possibilité d'une action en constatation (RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, § 6 note 4, p. 128; MEYER, Die Rechtswege nach dem BVG, RDS 106/1987 1er demi-volume, p. 614; HELBLING, Les institutions de prévoyance et la LPP, 5e éd., traduction Magdelaine, p. 401; SCHWARZENBACH-HANHART, Die Rechtspflege nach dem BVG, SZS 1983, p. 183; ATF
BGE 120 V 299 S. 302
ATF 117 V 320
consid. 1b; arrêt K. du 22 mai 1991 [B 25/89] in SZS 1992 p. 234). Conformément aux conditions auxquelles la loi et la jurisprudence soumettent la recevabilité d'une demande de décision administrative en constatation (voir par ex.:
ATF 114 V 202
consid. 2c,
ATF 110 Ib 215
consid. 1a; RAMA 1991 no U 134 p. 315; RCC 1990 p. 469 consid. 3) et de même qu'en matière civile (
ATF 115 II 482
consid. 4,
ATF 114 II 255
consid. 2), une semblable action n'est cependant recevable que si son auteur a un intérêt digne de protection à la constatation immédiate d'un rapport de droit litigieux (
ATF 118 V 102
consid. 1,
ATF 117 V 320
consid. 1b,
ATF 115 V 231
consid. 4, 373 consid. 3). Un intérêt de fait suffit, pour autant qu'il s'agisse d'un intérêt actuel et immédiat (
ATF 117 V 320
consid. 1b susmentionné, et les références citées).
L'intérêt digne de protection requis fait généralement défaut lorsque le justiciable peut obtenir en sa faveur un jugement condamnatoire. Cette restriction s'applique aussi bien à l'action en constatation de droit civil (
ATF 114 II 253
; SJ 1988 p. 589 consid. 4) qu'à celle fondée sur le droit administratif (
ATF 109 Ib 85
, en haut); en ce sens, le droit d'obtenir une décision en constatation est subsidiaire (GRISEL, Traité de droit administratif, p. 867; MOOR, Droit administratif, volume II: Les actes administratifs et leur contrôle, p. 110; GUENG, Zur Tragweite des Feststellungsanspruchs gemäss Art. 25 VwG, RSJ 67/1971, p. 373 ad let. d; [ATF
ATF 119 V 13
consid. 2a; cf. également
ATF 120 II 22
consid. 3a]).
b) En l'espèce, à défaut d'entente, les deux parties ont manifestement un intérêt digne de protection à faire constater par le juge si la recourante était ou non en droit de résilier la convention d'affiliation des 10 et 13 octobre 1988 avant l'échéance prévue dans ce contrat. On ne peut, sur ce point, que se rallier aux motifs pertinents du jugement entrepris. Le recours est également recevable de ce chef.
3.
a) La recourante soutient, pour l'essentiel, que la convention qu'elle a conclue avec l'intimée est un "contrat innommé mixte" qui réunit des éléments de plusieurs contrats, en particulier le contrat d'assurance, le contrat de mandat et le contrat de placement collectif. Dans le cas particulier, les éléments du mandat se manifestent selon elle de façon prépondérante, sur le vu des tâches confiées à la fondation afin de concrétiser la prévoyance professionnelle des employés de la recourante. C'est pourquoi, affirme-t-elle, il faut appliquer à la fin du contrat la règle de l'
art. 404 al. 1 CO
qui prévoit que le mandat peut être révoqué ou
BGE 120 V 299 S. 303
répudié en tout temps. En l'espèce, les rapports de confiance qui sont à la base du mandat n'existaient plus et c'est pourquoi feue M. a mis fin au contrat avant l'échéance initialement prévue dans la convention d'affiliation.
Toujours selon la thèse de la recourante, on parvient à la même conclusion si l'on applique par analogie les règles du contrat de placement collectif au sens de la loi fédérale du 1er juillet 1966 sur les fonds de placement (RS 951.31). En effet, aux termes de l'art. 8 al. 3 de cette loi, le contrat de placement collectif est soumis aux règles du mandat, dans la mesure où la loi n'en dispose pas autrement et selon l'art. 21 al. 1, le porteur de parts - c'est-à-dire le mandant - peut révoquer en tout temps le contrat de placement collectif et demander le paiement en espèces de la valeur de ses parts, contre restitution des certificats.
Enfin, se fondant sur le fait que la fondation a conclu le 29 novembre 1988 avec La Neuchâteloise, compagnie d'assurance sur la vie, un contrat d'assurance-vie collective auquel la recourante a adhéré et qui fait partie intégrante de la convention d'affiliation, la recourante se prévaut encore de l'
art. 90 LCA
relatif à la réduction et au rachat des assurances-vie, en particulier le second alinéa qui impose à l'assureur, à la demande de l'ayant droit et si les primes ont été payées pour trois ans au moins, de racheter l'assurance sur la vie pour laquelle il est certain que l'événement assuré se réalisera.
Par ailleurs, se plaçant cette fois sur le terrain du droit de la prévoyance professionnelle et des principes généraux qui, d'après elle, seraient applicables à cette branche des assurances sociales, la recourante, s'appuyant sur un avis de droit du professeur Y, du 2 décembre 1992, soutient qu'il est conforme à ces principes et dans l'intérêt des assurés de faciliter le changement d'institution de prévoyance - moyennant certaines précautions destinées à sauvegarder les intérêts des assurés - et de faire jouer la concurrence entre les institutions en cause. En définitive, conclut la recourante, c'est au juge qu'il incombe de protéger la partie faible au contrat et d'assouplir, si nécessaire, une clause contractuelle trop contraignante.
b) Pour sa part, l'intimée soutient que la clause contractuelle litigieuse est parfaitement licite et, en particulier, qu'elle ne constitue pas, pour la recourante, un engagement excessif au sens de l'
art. 27 al. 2 CC
. Selon elle, l'
art. 404 al. 1 CO
qu'invoque la recourante n'est pas applicable à la convention conclue entre les parties et l'on ne saurait non plus, par le biais de l'
art. 394 al. 2 CO
, faire application des règles du mandat à titre subsidiaire, car il s'agit d'un contrat sui generis au sens étroit du terme.
BGE 120 V 299 S. 304
c) Après avoir soigneusement examiné, à la lumière de la doctrine, les thèses en présence, les juges cantonaux sont parvenus à la conclusion que la convention conclue les 10 et 13 octobre 1988 par les parties, pour une durée déterminée, renouvelable tacitement, n'était pas un contrat mixte mais un contrat sui generis, conforme à la pratique des fondations collectives et dont la durée convenue n'avait rien d'excessif. Dès lors, sous réserve d'inexécution du contrat justifiant une résiliation immédiate - condition non réalisée en l'espèce - la recourante reste affiliée à l'intimée jusqu'au 31 décembre 1995.
d) Dans son préavis sur le recours, l'OFAS relève que, contrairement à ce que soutient la recourante, la possibilité de résilier en tout temps le contrat d'affiliation conclu entre l'employeur et une institution de prévoyance ne présente pas que des avantages pour les assurés. En effet, la résiliation de la convention d'affiliation à l'institution de prévoyance qui, elle-même, a transféré les risques assurés à une compagnie d'assurance, entraîne la résiliation du contrat collectif d'assurance conclu par l'institution de prévoyance, ce qui peut occasionner une diminution du capital de couverture des assurés. C'est pourquoi, dans ses instructions du 19 octobre 1992 concernant l'examen de la résiliation des contrats d'affiliation et de la réaffiliation de l'employeur (Bulletin de la prévoyance professionnelle no 24, du 23 décembre 1992, ch. 148), l'office a précisé que le changement d'institution doit être fait avec l'accord du personnel concerné ou d'une délégation représentative de ce personnel.
4.
a) La convention dite d'affiliation (Anschlussvertrag; cf. l'
art. 11 LPP
) d'un employeur à une fondation collective ou à une fondation commune est l'un des contrats innommés qui sont issus du droit et de la pratique de la prévoyance professionnelle (RIEMER, Vorsorge-, Fürsorge- und Sparverträge der beruflichen Vorsorge, Festgabe Schluep, p. 233; BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, p. 128 § 35). Selon LÜTHY qui a consacré sa thèse de doctorat à cette sorte de contrat, il s'agit d'un contrat sui generis au sens étroit et non pas d'un contrat mixte (Das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Personalvorsorgestiftung, insbesondere der Anschlussvertrag mit einer Sammel- oder Gemeinschaftsstiftung, thèse Zurich 1989, p. 103), opinion que soutenait déjà Walter dans un avis de droit non publié, rédigé pour le compte de la Winterthur Vie en 1986 et que l'intimée a produit au dossier.
A la différence d'un contrat mixte qui se présente comme une combinaison de diverses obligations relevant chacune d'un contrat nommé, le contrat sui
BGE 120 V 299 S. 305
generis se définit comme une entité autonome, propre, qui n'emprunte sa spécificité à aucun autre (WERRO, Le mandat et ses effets, p. 77). Il faut cependant relever que cette distinction n'est pas toujours aisée à faire et qu'en pratique, elle ne paraît pas jouer de rôle essentiel quant à l'interprétation ou à l'éventuel complètement de tels contrats (ENGEL, Contrats de droit suisse, p. 682).
b) Par ailleurs, la convention ici en cause doit être qualifiée de contrat durable, c'est-à-dire que la durée du contrat revêt une signification propre en tant qu'elle n'est pas une résultante de la prestation qui doit être accomplie (CHERPILLOD, La fin des contrats de durée, Lausanne 1988, p. 11). Dans un tel contrat, la fondation a, pour des raisons administratives (et pécuniaires, bien entendu), intérêt à lier le plus longtemps possible l'entreprise affiliée (FEHLMANN, Sammel- und Gemeinschaftsstiftungen als Hauptträger der beruflichen Vorsorge, SZS 1989, pp. 77-78). Comme le relèvent avec raison les premiers juges, en se référant à Cherpillod (op.cit., p. 35), les parties à des contrats durables sui generis disposent d'une très grande liberté dans l'établissement des clauses touchant à la résiliation; seuls les
art. 2 et 27 CC
peuvent apporter quelques limitations (
ATF 114 II 161
consid. 2a).
Il en résulte que l'
art. 404 al. 1 CO
ne s'applique pas à de tels contrats, contrairement à ce que soutient la recourante. Au contraire, il appartient aux parties de définir elles-mêmes, dans le cas d'un contrat conclu pour une durée déterminée, pour combien de temps elles entendent se lier, compte tenu des particularités propres à ce type de convention et de la nécessité - soulignée à juste titre par l'OFAS dans son préavis sur le recours - de sauvegarder les droits des assurés dans l'intérêt desquels l'employeur s'est affilié à une institution de prévoyance. C'est donc avant tout par rapport à la protection de ces intérêts-là que le juge pourra, s'il y a lieu, intervenir afin de raccourcir la durée convenue par les parties au contrat.
En l'espèce, comme l'a jugé avec raison le tribunal cantonal, une durée de dix ans n'a rien d'excessif et la recourante ne fait valoir aucun motif pertinent qui permettrait de considérer que M. était en droit de résilier le contrat avant le terme convenu.
Au demeurant, il n'est pas inutile de rappeler qu'une partie de la doctrine récente soutient que l'
art. 404 CO
a un caractère dispositif et que les parties à un contrat de mandat peuvent parfaitement convenir de conclure une convention spéciale afin de le transformer en un contrat de durée (WERRO, op.cit., p. 130 ss; HOFSTETTER, Le mandat et la gestion
BGE 120 V 299 S. 306
d'affaires, Traité de droit privé suisse VII/II, 1, p. 61). Or, dans le cas particulier, même si l'on voulait suivre la recourante en qualifiant de mandat la convention d'affiliation à une fondation collective ou à une fondation commune, il n'en demeure pas moins que l'art. 15 du contrat conclu entre les parties en octobre 1988 devrait être interprété dans le sens d'une telle convention spéciale dont la licéité n'est pas douteuse, compte tenu de l'objet de la convention d'une part et de la durée convenue d'autre part.
Peut dès lors rester indécis le point de savoir si, dans le cas d'une convention de durée indéterminée, il y a lieu d'appliquer à la résiliation du contrat, par analogie, la règle de l'
art. 546 al. 1 CO
, relative à la dissolution de la société simple, comme le préconisent WALTER, dans l'avis de droit précité, et à sa suite l'OFAS dans ses directives du 30 mars 1988 (Bulletin de la prévoyance professionnelle no 8, p. 4 ch. 1.3) et LÜTHY dans sa thèse (loc.cit., p. 130).
Mal fondé en toutes ses conclusions, le recours doit être rejeté.
5.
(Frais de justice)
| null |
nan
|
fr
| 1,994 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a9405724-b2a0-4427-8f94-557ba0ec7980
|
Urteilskopf
126 III 266
45. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 12 mai 2000 dans la cause P. Grumser S.A. contre Pierre Grumser (recours en réforme)
|
Regeste
Auflösung einer Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen (
Art. 736 Ziff. 4 OR
).
Der Missbrauch der beherrschenden Stellung durch den Mehrheitsaktionär ist nicht der einzige Grund, welcher die Auflösung einer Aktiengesellschaft gemäss
Art. 736 Ziff. 4 OR
zu rechtfertigen vermag. Je nach den Umständen kann den Minderheitsaktionären die Aufrechterhaltung einer Gesellschaft, deren andauernd schlechte Geschäftsführung unweigerlich in den Ruin führt, nicht zugemutet werden (E. 1).
Subsidiarität der Auflösungsklage und Ermessensbefugnis des Bundesgerichts (E. 2).
|
Sachverhalt
ab Seite 266
BGE 126 III 266 S. 266
A.-
Pierre Grumser (ci-après: le demandeur) est actionnaire minoritaire de P. Grumser S.A. (ci-après: la défenderesse), une société dont le siège est à Lausanne et qui a pour but le commerce de bijouterie, orfèvrerie et horlogerie. Fondée en 1926 par le grand-père
BGE 126 III 266 S. 267
du demandeur, la société n'a jamais quitté les mains de la famille Grumser. A la fin des années 70, le père du demandeur, André Grumser, alors actionnaire majoritaire, a cherché sans succès une solution avec ses trois enfants - Marianne Gallusser-Grumser, Jacques Grumser et le demandeur - en vue d'assurer la poursuite de l'exploitation du commerce de bijouterie sis au numéro 11 de la rue Saint-François, à Lausanne. Par lettre du 30 mai 1979, la défenderesse a résilié le contrat de travail du demandeur avec effet au 30 septembre 1979. Ce dernier s'est alors établi à son propre compte, ouvrant un magasin concurrent au numéro 10 de la rue de Bourg, à Lausanne.
Le 4 décembre 1979, la société Grumser S.A., ayant pour actionnaires Marianne Gallusser-Grumser, Jacques Grumser et le demandeur, a été inscrite au registre du commerce; du 1er janvier 1980 au 31 juillet 1991, elle a exploité la bijouterie-horlogerie du numéro 11 de la rue Saint-François. Par la suite, c'est la défenderesse qui a repris l'exploitation de ce commerce. André Grumser est décédé en 1991. Marianne Gallusser-Grumser est alors devenue administratrice unique de la défenderesse, puis présidente de son conseil d'administration en 1994.
B.-
Le 19 avril 1996, le demandeur, qui détenait 22% des actions de la société contre 78% à sa soeur, a ouvert action contre la défenderesse, concluant à la dissolution et à la liquidation de celle-ci. Il alléguait, en substance, que le défaut de rentabilité de l'entreprise, dû selon lui à une mauvaise gestion, conduirait tôt ou tard à un surendettement et, finalement, à la faillite.
La défenderesse a conclu au rejet de la demande.
Par jugement du 6 juillet 1999, la Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a prononcé la dissolution de la défenderesse, nommé un liquidateur et mis les frais de liquidation à la charge de la société dissoute.
C.-
Agissant par la voie du recours en réforme, la défenderesse conclut à l'annulation du jugement cantonal et au rejet de l'action en dissolution.
Le demandeur propose le rejet du recours.
Le Tribunal fédéral rejette le recours dans la mesure où il est recevable et confirme le jugement attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
La défenderesse invoque principalement une violation de l'
art. 736 ch. 4 CO
. Selon elle, la dissolution d'une société anonyme, en application de cette disposition, n'entrerait en ligne de compte
BGE 126 III 266 S. 268
que lorsque les actionnaires majoritaires abusent de leur position dominante contrairement à la bonne foi par des violations graves et répétées des droits des actionnaires minoritaires. Or, en l'espèce, le demandeur ne fonderait son action en dissolution que sur la gestion prétendument désastreuse de la défenderesse et son défaut de rentabilité, circonstances qui ne suffiraient en aucun cas à justifier la dissolution de la société. Pour le reste, le jugement attaqué ne révélerait pas le moindre indice d'une violation systématique, par un abus caractérisé de position dominante, des droits patrimoniaux et sociaux de l'actionnaire minoritaire. Une dissolution serait d'autant moins de mise en l'occurrence qu'il n'existe pas, entre les deux actionnaires de la défenderesse, des rapports personnels à ce point étroits qu'ils rendraient impossible la poursuite de l'activité sociale, mais, au contraire, de simples rapports de concurrence.
a) Aux termes de l'
art. 736 ch. 4 CO
, la société anonyme est dissoute par un jugement, lorsque des actionnaires représentant ensemble 10 pour cent au moins du capital-actions requièrent la dissolution pour de justes motifs. En lieu et place, le juge peut adopter une autre solution adaptée aux circonstances et acceptable pour les intéressés. La disposition citée vise à protéger les intérêts des actionnaires minoritaires. Mesure exceptionnelle, la dissolution suppose que l'on ne puisse plus objectivement et raisonnablement imposer le maintien de la société aux actionnaires minoritaires, même en tenant compte des intérêts d'autres catégories de personnes telles que les travailleurs de l'entreprise, et que le demandeur n'ait pas la possibilité d'obtenir le résultat escompté par d'autres moyens moins rigoureux comme l'action en annulation des décisions de l'assemblée générale ou l'action en responsabilité (
ATF 109 II 140
consid. 4 p. 142 s.;
ATF 105 II 114
consid. 6 p. 124 ss et les références). S'il est vrai que l'abus persistant de la position dominante de l'actionnaire majoritaire constitue un motif typique de dissolution, le champ d'application de l'
art. 736 ch. 4 CO
ne se limite pas à la protection des actionnaires minoritaires contre le comportement déloyal de l'actionnaire majoritaire (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, n. 60 et 82 ad § 55; PHILIPP HABEGGER, Die Auflösung der Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen, thèse Zurich 1996, p. 71 s.; WILFRIED BERTSCH, Die Auflösung der Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen, thèse Zurich 1947, p. 118 et 129 ss). Une interprétation aussi restrictive ne saurait se fonder sur le texte de l'
art. 736 ch. 4 CO
qui subordonne la dissolution judiciaire à l'existence de justes motifs sans préciser ce que recouvre cette
BGE 126 III 266 S. 269
notion. Il est donc tout à fait concevable que le maintien de la société soit intolérable pour l'actionnaire minoritaire en raison de circonstances autres qu'un abus de la position dominante de l'actionnaire majoritaire (cf. HABEGGER, op. cit., p. 93 ss). A cet égard, des aspects personnels - en particulier dans les petites sociétés à caractère familial - peuvent jouer un rôle dans la pesée des intérêts, à tout le moins lorsqu'ils rendent durablement et objectivement insupportable la continuation des rapports sociaux (
ATF 105 II 114
consid. 7b p. 128;
ATF 84 II 44
consid. 2 p. 50).
b) Sur la base du rapport de l'expert judiciaire, la Cour civile retient que la défenderesse a été mal gérée dès 1991, soit à partir du moment où ladite société a repris de Grumser S.A. l'exploitation du commerce de bijouterie. En effet, le chiffre d'affaires a baissé de quelque 40% depuis 1991, par rapport à la décennie précédente, et la défenderesse a enregistré chaque année des pertes d'exploitation. Ces pertes cumulées démontrent, selon la cour cantonale, que le commerce de bijouterie exploité par la défenderesse n'est plus rentable. Sans doute n'est-il pas possible d'évaluer précisément la baisse du chiffre d'affaires due à la conjoncture; en revanche, il est certain que le conseil d'administration de la défenderesse n'a pas anticipé la crise conjoncturelle et n'a pas adapté les structures de la société à la situation économique. Les frais de personnel sont trop élevés et toutes les mesures propres à réduire les charges d'exploitation n'ont pas été prises. Sans un changement dans la gestion de l'entreprise, les réserves et le capital de celle-ci seront ainsi rapidement engloutis. Or, la défenderesse n'a pas démontré, ni même allégué, qu'elle avait modifié sa gestion ou qu'elle entendait le faire; elle n'a pas non plus pris des mesures d'assainissement en vue d'améliorer ses résultats. Au contraire, il ressort de la procédure provisionnelle que son actionnaire majoritaire et présidente du conseil d'administration avait décidé de racheter l'immeuble de la rue Saint-François, propriété de la défenderesse, en en payant le prix par compensation avec ses créances et reprise de la dette hypothécaire. Or, une telle transaction, revenant à priver la société de son principal actif, n'eût fait que précipiter la déconfiture de la défenderesse si elle avait abouti. Les premiers juges y voient dès lors un signe supplémentaire de l'absence de volonté, de la part de l'organe dirigeant de la défenderesse, de prendre des mesures destinées à redresser la situation précaire de celle-ci. Dans ces conditions, il n'est plus possible, à leur avis, de considérer que la défenderesse développe encore une activité compatible avec son but, qui est de faire du profit. Tout porte à croire,
BGE 126 III 266 S. 270
en réalité, qu'elle est condamnée au surendettement, puis à la faillite. Par conséquent, le demandeur, en tant qu'actionnaire minoritaire tenu à l'écart de la direction de la défenderesse, ne dispose pas d'autres moyens efficaces que l'action en dissolution pour éviter la ruine de la société.
c) Contrairement à l'opinion de la défenderesse, les circonstances prises en considération par la cour cantonale ne sont pas d'emblée impropres à fonder un juste motif au sens de l'
art. 736 ch. 4 CO
. Comme on l'a déjà souligné plus haut (consid. 1a), pour que la protection des actionnaires minoritaires assurée par la disposition citée soit efficace, il ne faut pas limiter le champ d'application de cette dernière à la seule hypothèse de l'abus de la position dominante de l'actionnaire majoritaire (FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, op. cit., n. 82 ad § 55). Le critère décisif réside bien plutôt dans le point de savoir si le maintien de la société peut être imposé, objectivement et raisonnablement, aux actionnaires minoritaires. Tel ne sera pas le cas, suivant les circonstances, lorsque le but de la société - qu'il s'agisse de l'activité commerciale en tant que telle ou de la réalisation de bénéfices - ne peut plus être atteint (HABEGGER, op. cit., p. 95; BERTSCH, op. cit., p. 132; CHRISTOPH LÜSCHER, Die Auflösung von Handelsgesellschaften aus wichtigen Gründen, thèse Bâle 1992, p. 175). Il pourra en aller de même dans le cas d'une mauvaise gestion durable, entraînant progressivement la ruine de la société (HABEGGER, op. cit., p. 99 s.; BERTSCH, op. cit., p. 140 s.; LÜSCHER, op. cit., p. 128). Dans ces deux hypothèses, en effet, les intérêts économiques dignes de protection des actionnaires minoritaires sont mis en péril. Savoir si, de ce fait, il convient de dissoudre la société ou s'il est possible de prendre des mesures moins drastiques est une question qui doit être résolue en fonction des circonstances du cas concret et sur la base d'une pesée d'intérêts. A cet égard, il importe de prendre également en considération les incidences d'une dissolution sur la situation des tiers, en particulier les actionnaires qui n'ont pas procédé et les employés de la société.
La Cour civile n'a ainsi nullement violé le droit fédéral en considérant que l'absence de rentabilité durable et la mauvaise gestion persistante de la défenderesse étaient des circonstances susceptibles de justifier, en principe, la dissolution de la société en application de l'
art. 736 ch. 4 CO
. On ne voit pas, en revanche, ce que la défenderesse entend déduire, dans ce contexte, de l'absence de relations personnelles étroites entre son actionnaire majoritaire et le demandeur.
BGE 126 III 266 S. 271
2.
La défenderesse souligne, par ailleurs, que le demandeur n'a jamais formulé un quelconque grief quant à la manière dont la société a été gérée, qu'il n'a pas non plus attaqué les décisions prises par le conseil d'administration ou l'assemblée générale de la défenderesse et qu'il n'a donc pas utilisé l'une ou l'autre des voies de droit prévues par la loi pour assurer la protection des actionnaires. Or, ajoute-t-elle, la dissolution de la société revêt un caractère subsidiaire et ne peut être prononcée qu'en dernière extrémité, lorsque des mesures moins incisives ne permettraient pas d'obtenir le résultat escompté. En s'appuyant, pour l'essentiel, sur les mêmes arguments, la défenderesse reproche aux premiers juges d'avoir violé le principe de la proportionnalité. Elle fait valoir, pour le surplus, que ses pertes correspondent aux risques normaux auxquels s'expose tout actionnaire d'une société de capitaux et que ce n'est pas pour parer à ce genre de risques qu'a été instituée l'action en dissolution.
a) La dissolution d'une société anonyme pour de justes motifs, au sens de l'
art. 736 ch. 4 CO
, est une mesure radicale destinée à sauvegarder les intérêts légitimes des actionnaires minoritaires. Pour cette raison, elle n'entre en ligne de compte que si des mesures plus douces ne suffisent pas à assurer la protection de ceux-ci. Dans ce sens, une telle mesure est qualifiée parfois d'"ultima ratio" et il est aussi question de la subsidiarité de l'action en dissolution. Il ne faut cependant pas en déduire que, dans tous les cas, l'actionnaire minoritaire doit tenter de sauvegarder ses intérêts par d'autres moyens de droit tels que l'action en annulation des décisions de l'assemblée générale ou l'action en responsabilité (
ATF 105 II 114
consid. 6d p. 126 s.; FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, op. cit., n. 110 ad § 55; STÄUBLI, Commentaire bâlois, n. 20 ad
art. 736 CO
; BÜRGI, Commentaire zurichois, n. 43 ad
art. 736 CO
). Ce qui est déterminant, ici aussi, c'est de savoir si l'on peut raisonnablement imposer à l'actionnaire minoritaire de faire valoir ses droits d'une autre manière. Ainsi, le caractère subsidiaire de l'action en dissolution n'est que l'expression du principe de la proportionnalité (
ATF 105 II 114
consid. 6a p. 124; TERCIER, La dissolution de la société anonyme pour justes motifs, in Société anonyme suisse 46/1974 p. 67 ss, 73; STÄUBLI, op. cit., n. 22 ad
art. 736 CO
). Il appartient donc au juge du fait de procéder à la pesée soigneuse des intérêts opposés des différentes personnes concernées avant de décider si le ou les motifs avancés par le demandeur justifient ou non la dissolution de la société. Par conséquent, l'affirmation péremptoire de la défenderesse, selon laquelle semblable mesure ne saurait être ordonnée, en toute hypothèse, qu'après la mise en oeuvre d'autres moyens de droit, est erronée.
BGE 126 III 266 S. 272
b) En l'espèce, la défenderesse ne démontre pas non plus, concrètement, en quoi la Cour civile aurait violé le droit fédéral dans la pesée des intérêts qu'elle a opérée. Il a déjà été relevé qu'une mauvaise gestion durable ou le défaut de rentabilité chronique de l'entreprise peuvent constituer, en principe, de justes motifs au sens de l'
art. 736 ch. 4 CO
, car ils sont de nature à porter atteinte aux intérêts patrimoniaux des actionnaires minoritaires. Aussi ne peut-on exiger de ceux-ci qu'ils attendent que la société soit ruinée avant d'agir en dissolution (
ATF 105 II 114
consid. 6a p. 124). Il ressort, par ailleurs, des constatations de fait souveraines de la cour cantonale que la défenderesse enregistre depuis plusieurs années des pertes et qu'il faut en rechercher la cause, du moins en partie, dans sa mauvaise gestion. L'intéressée n'est donc pas recevable à soutenir que ses difficultés financières n'ont qu'un caractère provisoire et ne sont dues qu'à la situation conjoncturelle (
art. 63 al. 2 OJ
). La même remarque s'impose relativement aux affirmations de la défenderesse voulant que le demandeur ait débauché une partie de son personnel en 1979 et ait utilisé abusivement sa cartothèque.
On ne voit pas, au demeurant, quelles mesures efficaces mais moins radicales le demandeur aurait pu solliciter dans le cas particulier, dès lors que la situation financière de la société continuait de se détériorer. La défenderesse n'indique pas non plus comment le demandeur aurait pu influer sur la gestion d'une société dont la présidente du conseil d'administration détient 78% des actions. Il ressort, d'ailleurs, du jugement attaqué qu'il a posé un certain nombre de questions aux organes de la défenderesse en ce qui concerne la marche des affaires, mais qu'il n'a obtenu que des réponses incomplètes. De surcroît, le demandeur s'est vu refuser la consultation des livres et de la correspondance. Il a donc, à tout le moins, mis en question la gestion de l'entreprise. A cela s'ajoute le fait que, selon les constatations définitives de la cour cantonale, la présidente du conseil d'administration et actionnaire majoritaire n'a ni la volonté ni la possibilité de changer son mode de gestion, si bien qu'il n'apparaît pas que des critiques plus appuyées du demandeur auraient pu changer quoi que ce soit à la situation actuelle.
La Cour civile observe en outre, avec raison, que des mesures moins rigoureuses, telles que le rachat des actions du demandeur par la défenderesse ou la réduction du capital-actions de la société, sont exclues en l'espèce par les dispositions légales topiques (
art. 659 et 732 al. 5 CO
). La défenderesse ne critique pas cet argument dans son recours en réforme. Elle ne fait pas non plus valoir que l'actionnaire majoritaire aurait offert au demandeur d'acquérir ses participations
BGE 126 III 266 S. 273
pour devenir actionnaire unique de la société. De toute façon, constate la cour cantonale, le demandeur, en tant que petit-fils du fondateur du commerce de bijouterie, agit également pour mettre fin à la déroute de la société et éviter la dilapidation totale du patrimoine familial. Or, cet intérêt individuel, auquel on ne saurait dénier d'emblée toute portée (
ATF 105 II 114
consid. 6b p. 125 et 7b p. 128), ne peut pas être suffisamment sauvegardé par la simple sortie de la société de l'actionnaire minoritaire.
Par ailleurs, la cour cantonale constate, s'agissant des tiers, que, au dire de l'expert, la continuation de l'exploitation de la défenderesse impliquerait une réduction importante des charges salariales, soit vraisemblablement des licenciements ou à tout le moins une diminution du temps de travail. Elle en déduit que l'intérêt du personnel à la poursuite de l'exploitation n'est pas déterminant en l'espèce, ajoutant que la défenderesse n'a guère formulé d'allégations au sujet du nombre de ses employés, de leur salaire et de leurs conditions de travail. Quant aux créanciers sociaux, les premiers juges relèvent que leur intérêt à mettre fin immédiatement à la déroute financière de la défenderesse rejoint celui du demandeur à l'admission de son action. La défenderesse laisse intactes ces considérations relatives à l'incidence de la dissolution sur la situation des tiers.
Force est de rappeler, enfin, que le juge saisi d'une action en dissolution d'une société anonyme pour de justes motifs doit appliquer les règles du droit et de l'équité (
art. 4 CC
;
ATF 105 II 114
consid. 6a p. 124 in fine). Or, le Tribunal fédéral ne revoit qu'avec réserve la décision d'équité prise par l'autorité cantonale. Il n'intervient que lorsque celle-ci s'est écartée sans raison des règles établies par la doctrine et la jurisprudence en matière de libre appréciation ou lorsqu'elle s'est appuyée sur des faits qui, dans le cas particulier, ne devaient jouer aucun rôle ou, à l'inverse, lorsqu'elle n'a pas tenu compte d'éléments qui auraient absolument dû être pris en considération (cf.
ATF 123 III 246
consid. 6a p. 255, 274 consid. 1a/cc,
ATF 122 III 262
consid. 2a/bb,
ATF 121 III 64
consid. 3c). En l'espèce, il n'apparaît pas, sur le vu de ce qui précède, que les premiers juges aient fondé leur décision de dissoudre la défenderesse sur des circonstances qui ne revêtaient aucune importance à cet égard, ni qu'ils aient omis de prendre en considération des éléments de fait déterminants. Il n'y a dès lors pas matière à intervention du Tribunal fédéral.
| null |
nan
|
fr
| 2,000 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a948e05e-64ff-4af4-8aca-88021a7bcb50
|
Urteilskopf
121 III 184
38. Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 27. Juni 1995 i. S. X. Treuhand AG (Rekurs)
|
Regeste
Arrestprosequierung (
Art. 278 Abs. 1 SchKG
).
Ein Arrest kann durch Betreibung oder durch Klage prosequiert werden (Änderung der Rechtsprechung).
|
Sachverhalt
ab Seite 184
BGE 121 III 184 S. 184
A.-
Nachdem die X. Treuhand AG wegen einer von Z. gegen sie eingeleiteten Wechselbetreibung beim Betreibungsamt den Betrag von Fr. 14'667.-- bezahlt hatte, erwirkte sie ihrerseits am 1. Februar 1995 auf den beim Betreibungsamt liegenden Betrag einen Arrest für Fr. 14'361.30, den das Betreibungsamt vollzog. Am 8. Februar 1995 reichte die X. Treuhand AG beim Kantonsgericht Zug, ohne vorgängig eine Betreibung einzuleiten, eine Arrestprosequierungsklage ein und verlangte gestützt auf
Art. 86 SchKG
die Rückzahlung des angeblich zu Unrecht bezahlten Betrages.
Mit Eingabe vom 21. Februar 1995 verlangte Z. beim Betreibungsamt die Freigabe des arrestierten Betrages von Fr. 14'361.30 mit der Begründung, der Arrest sei nicht innert Frist rechtsgültig prosequiert worden, da bis zum 20. Februar 1995 keine Betreibung eingeleitet worden sei. Das Betreibungsamt entsprach dem Gesuch nicht.
Über diese Verfügung beschwerte sich Z. bei der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
BGE 121 III 184 S. 185
Konkurs. Mit Urteil vom 26. April 1995 hiess die Justizkommission die Beschwerde gut und wies das Betreibungsamt an, den von ihm arrestierten Betrag an Z. freizugeben.
B.-
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts, an welche die X. Treuhand AG die Sache weiterzog, hiess den Rekurs gut aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Umstritten ist im vorliegenden Fall einzig die Auslegung von
Art. 278 Abs. 1 SchKG
, indem die Frage zur Diskussion gestellt wird, ob - wie bei blossem Abstellen auf den Wortlaut dieser Bestimmung angenommen werden könnte - ein Arrest nur durch Betreibung prosequiert werden könne oder ob, wie die Rekurrentin geltend macht, dies auch durch Anhebung einer Klage geschehen könne.
a) Die Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug hat das angefochtene Urteil auf
BGE 34 I 849
ff. gestützt, wo entschieden worden ist, dass die Prosequierung des Arrests, wenn noch nicht Klage oder Betreibung angehoben worden ist, nur durch rechtzeitige Betreibung und nicht durch Klage erfolgen könne. Seither ist kein veröffentlichter Bundesgerichtsentscheid zu dieser Frage mehr ergangen; doch mag eine Bestätigung aus späterer Rechtsprechung herausgelesen werden (
BGE 59 III 115
,
BGE 77 III 128
E. 2,
BGE 79 III 138
E. 2,
BGE 88 III 59
E. 4).
b) Der vom Bundesgericht im Jahr 1908 vertretenen Rechtsauffassung ist - wie schon im angefochtenen Urteil ausgeführt wird - von einem Teil der Lehre widersprochen worden (JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, Band II, 3. Auflage Zürich 1911, N. 6 zu
Art. 278 SchKG
; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band II, Zürich 1993, § 60 Rz. 3; sinngemäss auch AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Auflage Bern 1993, § 51 N. 78), während ein anderer Teil der Lehre ihr zuzustimmen scheint (BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, Bern 1911, S. 852, lit. c, Anm. 79; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3. Auflage Lausanne 1993, S. 390 f.; BONNARD, Le séquestre d'après la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Diss. Lausanne 1914, S. 249 f.; JUD, Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Arrestrecht des SchKG, Diss. Zürich 1940, S. 81 f.; ZUPPINGER, Die Arrestprosequierungsklage nach
Art. 278 Abs. 2 SchKG
, ihre Normierung in den kantonalen Zivilprozessrechten,
BGE 121 III 184 S. 186
Diss. Zürich 1945, S. 6, Ziff. II; ARDINAY, Die Arrestprosequierung nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1954, S. 5 f.). Ebenso gibt es Entscheide kantonaler Instanzen, welche sich die Auffassung des Bundesgerichts - zumindest indirekt - zu eigen gemacht haben (Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern vom 14. Januar 1910, ZBJV 34/1910, S. 630; Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Dezember 1943, ZR 42/1943, Nr. 133; Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Luzern vom 23. Februar 1967, Maximen 1967/XI, Nr. 573), wie anderseits die bündnerische Aufsichtsbehörde sich der "freieren und systemgerechteren Auffassung" angeschlossen hat, welche die Klage der Betreibung im Sinne von
Art. 278 Abs. 1 SchKG
gleichsetzt (BlSchK 34/1970, S. 152 ff.).
2.
a) Für GILLIÉRON (a.a.O.) kommt für die Arrestprosequierung gemäss
Art. 278 Abs. 1 SchKG
einzig die Betreibung in Frage, weil der Arrest eine dringliche Sicherungsmassnahme im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens sei. BONNARD und JUD (a.a.O.) halten ausschliesslich die Prosequierung durch Betreibung für richtig, weil das Rechtsöffnungsverfahren für den Schuldner einfacher und mit weniger Kosten verbunden sei, da im Gegensatz zum Sühneverfahren, das in den meisten Kantonen dem ordentlichen Prozess vorangeht, keine Parteiverhandlung stattfinde. Der letztere Autor sieht sich in seiner Auffassung auch noch durch
Art. 278 Abs. 4 SchKG
und die Entstehungsgeschichte des
Art. 278 Abs. 3 SchKG
(Erwähnung der gerichtlichen Klage erst in den parlamentarischen Beratungen) bestätigt.
b) Sinn und Zweck der Prosequierung des Arrestes, der nur einstweiligen Charakter hat, liegt nun aber darin, dass der Arrestgläubiger seine Forderung binnen angemessener Fristen verfolgt. Ob er dies durch Betreibung oder Klage tut, ist von untergeordneter Bedeutung. Es ist nicht einzusehen, weshalb ausgerechnet dem Arrestgläubiger nicht, wie sonst jedem Gläubiger, die Wahl zwischen der Betreibung und der Einleitung der Forderungsklage zur Verfügung stehen sollte. Vielmehr sollte ihm in dem Fall, wo er damit rechnet, dass das gerichtliche Verfahren ohnehin unvermeidlich ist, der Umweg über die Einleitung der Betreibung erspart bleiben (FRITZSCHE/WALDER, a.a.O.). Das Argument der niedrigeren Kosten für den Schuldner im Falle der Betreibung fällt dabei, wie schon JAEGER (a.a.O.) erkannt hat, kaum ins Gewicht.
In der Praxis scheint denn auch schon bisher die auf
Art. 278 Abs. 1 SchKG
gestützte Arrestprosequierung mittels Klage Einzug gehalten zu haben, ohne
BGE 121 III 184 S. 187
dass dies (seit 1908) zur Auseinandersetzungen geführt hätte, welche vom Bundesgericht zu entscheiden waren. Von einer solchen Praxis ist offensichtlich auch der Revisionsgesetzgeber ausgegangen, indem er mit Art. 279 Abs. 1 revSchKG die Arrestprosequierung sowohl durch Betreibung als auch durch Klage vorgesehen hat. In der Botschaft (BBl 1991 III, S. 174) wird gesagt, die Abs. 1 und 2 von Art. 279 revSchKG entsprächen inhaltlich den geltenden Abs. 1 und 2 von
Art. 278 SchKG
.
Obwohl das revidierte Recht im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar ist, kann kein Sinn darin gesehen werden, dass im jetzigen Zeitpunkt eine zu Beginn des Jahrhunderts begründete Rechtsprechung bestätigt wird, welche bei namhaften Vertretern der Lehre auf klare Ablehnung gestossen ist und mit dem Inkrafttreten des revidierten Rechts am 1. Januar 1997 (AS 1995, S. 1307) auf jeden Fall überholt sein wird.
| null |
nan
|
de
| 1,995 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a9492362-372c-4303-9218-9e56449625d3
|
Urteilskopf
98 Ib 172
24. Arrêt du 24 mars 1972 de la Cour de cassation pénale dans la cause Mettraux contre Commission de libération conditionnelle du canton de Genève.
|
Regeste
Art. 4 BV
und 38 Ziff. 4 Abs. 1 StGB; Anspruch aufrechtliches Gehör bei der Rückversetzung.
1. Der Beschwerdeführer, der eine Verletzung der Verfassung und der verfassungsmässigen Rechte des Bürgers geltend macht, beruft sich implicite auf
Art. 4 BV
(Erw. 1 b).
2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör steht in jedem Fall dem Bürger zu, dem Straf- oder Massnahmevollzug droht, selbst wenn es sich um vom Gesetz zwingend vorgeschriebene Rückversetzung oder Widerruf des bedingten Vollzugs handelt (Erw. 2).
Heilung der Gehörsverweigerung.
3. Kann die Gehörsverweigerung von Bedeutung sein für eine vom Bundesgericht nicht frei überprüfbare Ermessensfrage, ist sie nicht heilbar (Erw. 3).
|
Sachverhalt
ab Seite 173
BGE 98 Ib 172 S. 173
A.-
Né en 1948, Florian Mettraux a été condamné à plusieurs reprises, entre 1963 et 1969, pour des infractions contre le patrimoine et pour la violation de règles de la circulation. Le 22 septembre 1969, la Cour correctionnelle de Genève lui a infligé 18 mois d'emprisonnement pour vols, recels, vols d'usage, conduite sans permis et dommages à la propriété.
Après lui avoir refusé une première fois le bénéfice de la libération conditionnelle, en juillet 1970, la Commission genevoise de libération conditionnelle (ci-dessous: la Commission) a décidé le 11 août 1970, sur de plus amples renseignements, de libérer Mettraux conditionnellement à dater du 2 septembre suivant en lui imposant un délai d'épreuve de 3 ans pendant lesquels il devait observer les règles de conduite imposées par le service du patronage au contrôle duquel il était soumis.
Le 2 avril 1971, sous l'influence de l'alcool, bien qu'il soit en général sobre, Mettraux a décidé, avec son ami Michel Despont, de s'emparer d'une voiture et de faire un tour; l'aventure s'est terminée par un accident. Traduit devant le Tribunal de police de Genève, Mettraux a été condamné, le 13 octobre 1971, à une amende de 1500 fr. Le jugement, qui est passé en force, retient une faute lourde à sa charge, mais l'incident n'y est pas considéré comme la marque d'un penchant à la délinquance.
B.-
Le 9 novembre 1971, la Commission a décidé, sur la proposition du Procureur général et sans entendre Mettraux au préalable, de prononcer la réintégration de celui-ci, de façon qu'il purge le solde de la peine qui lui avait été remise conditionnellement, soit quatre mois d'emprisonnement.
C.-
Mettraux forme un recours de droit administratif dans lequel il demande principalement à être dispensé de subir le solde de sa peine. A titre subsidiaire, il requiert le renvoi de la cause à la Commission pour qu'elle entende son tuteur Lucien Babel, ainsi que l'autorisation de prouver par toutes voies de droit l'exactitude des faits dont il se prévaut dans son recours.
BGE 98 Ib 172 S. 174
Alors que la Commission conclut au rejet du recours, le Département fédéral de justice et police en propose l'admission, estimant que le recourant a été privé du droit d'être entendu.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Selon l'art. 38 ch. 4 al. 1 nouveau CP, la réintégration dans l'établissement de détention est ordonnée lorsque, durant la période d'épreuve, le détenu libéré conditionnellement est condamné à une peine privative de liberté de plus de trois mois. Si le libéré est frappé d'une peine moins sévère ou assortie du sursis, l'autorité compétente peut renoncer à la réintégration. Selon l'art. 38 ch. 4 al. 2 CP, la réintégration est également possible si, durant la période d'épreuve, le libéré, au mépris d'un avertissement formel de l'autorité compétente, persiste à enfreindre l'une des règles de conduite qui lui a été imposée, s'il se soustrait obstinément au patronage ou trompe de toute autre manière la confiance mise en lui. Dans les cas de peu de gravité, la réintégration peut ne pas être prononcée.
C'est le droit cantonal qui désigne l'autorité compétente pour prononcer la réintégration (RO 79 IV 143) et régit la procédure devant les autorités cantonales, dans les limites imposées par le droit fédéral.
Il n'est pas contesté que, dans le canton de Genève, la décision de réintégration relève de la Commission de libération conditionnelle, laquelle applique "le règlement sur la libération, la réintégration et le patronage des condamnés et des internés, du 10 mars 1942". Ce règlement, à son art. 7 ch. 1 à 3, dispose ce qui suit:
"1. Le Procureur général saisit la commission d'une demande de réintégration en lui communiquant les renseignements qu'il a fait recueillir.
2. En cas de condamnation nouvelle pour un crime ou un délit intentionnel, la commission statue sans entendre le libéré.
3. Dans les autres cas, elle procède à son audition; l'intéressé peut être assisté d'un avocat."
b) Fondée sur le ch. 2 ci-dessus, la Commission n'a pas entendu le recourant avant de prendre la décision attaquée. Le recourant estime que cette disposition est contraire à la constitution, comme violant la règle générale applicable en droit administratif qui figure expressément à l'art. 29 LPA et selon laquelle les parties ont le droit d'être entendues. La Commission se retranche derrière l'art. 1er LPA, duquel il ressort
BGE 98 Ib 172 S. 175
que l'art. 29 LPA n'est pas applicable à la procédure devant les autorités cantonales de dernière instance qui ne statuent pas définitivement en vertu du droit public fédéral.
Certes, comme le relève la Commission, l'art. 29 LPA ne s'applique-t-il pas in casu; aussi n'est-ce pas ce que soutient le recourant. Celui-ci se borne en effet à se prévaloir du droit d'être entendu qui a, selon lui, une portée générale en matière administrative. Peu importe qu'il ne se réclame pas formellement dans son recours de l'art. 4 Cst., car il le fait implicitement en se plaignant d'une violation de la constitution et des droits qu'elle confère au citoyen. Ce moyen est donc recevable.
2.
a) Lorsque sa situation juridique risque d'être modifiée à son détriment par une décision, le citoyen a, d'une manière générale et sous réserve d'exceptions qu'il n'y a pas lieu d'examiner ici, le droit à être entendu auparavant par les autorités compétentes, de façon à pouvoir s'exprimer sur les motifs retenus par celles-ci (RO 65 I 3
;
70 I 71
;
74 I 10
, 12
;
75 I 227
;
85 I 75
;
87 I 155
, 339 a
;
88 I 63
;
89 I 239
consid. 3
;
90 I 338
consid. 2
;
91 I 176
;
92 I 187
, 263
;
93 I 656
;
96 I 187
, 311 consid. 2). Ce droit, qui découle directement de l'art. 4 Cst., vaut en tout cas lorsqu'un citoyen doit être détenu ou interné, même s'il s'agit d'une réintégration ou de la révocation d'un sursis (RO 74 I 243
;
83 I 241
;
92 I 187
et 263; arrêts non publiés Bircher, du 22 février 1961 et Hürlimann, du 17 avril 1961).
b) On pourrait certes hésiter sur la nécessité d'entendre l'intéressé lorsque, bien que libéré conditionnellement, il a commis durant le délai d'épreuve une infraction pour laquelle il a été condamné sans sursis à une peine privative de liberté de plus de trois mois. Dans ce cas en effet, l'art. 38 ch. 4 CP commande impérativement la réintégration. Il n'est cependant pas exclu, même dans cette éventualité, que l'intéressé ait à faire valoir des arguments déterminants tels que l'annulation ou la modification du jugement exécutoire par l'autorité de recours, l'existence d'une procédure de revision ou l'erreur sur la personne; il est donc important de lui donner l'occasion d'exciper des moyens dont il peut disposer.
Si le droit d'être entendu doit être accordé avant le prononcé de réintégration même lorsque celle-ci est impérativement commandée par la loi, à fortiori doit-il l'être lorsqu'elle n'est que facultative, c'est-à-dire, notamment, lorsque l'intéressé a commis un délit intentionnel ne justifiant qu'une peine d'amende ou d'incarcération assortie du sursis ou d'une durée inférieure
BGE 98 Ib 172 S. 176
à trois mois. L'art. 7 du règlement genevois précité, qui permet de prononcer la réintégration dans de telles hypothèses sans entendre le libéré, ne respecte donc pas les droits constitutionnels du citoyen, si bien que la décision attaquée, fondée sur cette disposition, doit être en principe annulée.
3.
Le droit d'être entendu étant de nature essentiellement formelle, sa violation entraîne l'annulation de la décision attaquée sans même que le recourant ait à justifier d'un intérêt (RO 92 I 188
;
96 I 22
, 188). La jurisprudence admet cependant que la violation puisse être réparée lorsque le recourant a eu la possibilité de s'exprimer devant une autorité de recours jouissant d'une pleine cognition (RO 96 I 188). On pourrait penser que tel est le cas, puisque la Commission a indiqué expressément dans ses observations sur le recours les motifs pour lesquels elle a ordonné la réintégration et que le recourant a eu toute latitude pour s'exprimer à ce sujet dans sa réplique. Il n'en est rien. En effet, si le Tribunal fédéral, en tant que juridiction administrative et lorsque le recours n'est pas dirigé contre la décision d'un Tribunal cantonal ou d'une Commission de recours (art. 105 al. 2 OJ), peut revoir d'office les constatations de fait (art. 105 al. 1 OJ), il s'interdit néanmoins de substituer sa propre appréciation à celle de l'autorité inférieure et se borne à vérifier que celle-ci n'a pas abusé de son pouvoir appréciateur (RO 81 I 384 consid. 5
;
86 I 248
consid. 4
;
87 I 348
consid. 6
;
89 I 340
consid. 11
;
91 I 147
consid. I b
;
92 I 493
consid. 1 b
;
93 I 564
consid. 2
;
94 I 560
consid. 1; 98 I b 171). Or, in casu, la violation du droit d'être entendu peut avoir une incidence précisément sur une question d'appréciation, que le Tribunal fédéral ne revoit pas librement.
4.
La décision attaquée doit donc être annulée et la cause renvoyée à la Commission pour qu'elle reprenne la procédure depuis le début et statue ensuite ex nunc, c'est-à-dire en tenant compte aussi des événements survenus postérieurement au 9 novembre 1971.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Admet le recours et annule la décision attaquée, la cause étant renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
|
public_law
|
nan
|
fr
| 1,972 |
CH_BGE
|
CH_BGE_003
|
CH
|
Federation
|
a94b90cc-874e-402e-8df7-e47185a9a73e
|
Urteilskopf
96 II 101
18. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juli 1970 i.S. Seeruhe AG gegen Sterroz.
|
Regeste
Grundlagenirrtum.
1.
Art. 23 und 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
. Baurechtsvertrag. Irrtum über die rechtlichen Voraussetzungen der Überbaubarkeit von Grundstücken (Erw. 1).
2. Wer erklärt, den Vertrag abändern zu wollen, verzichtet nicht darauf, ihn wegen Unverbindlichkeit anzufechten, wenn die Gegenpartei eine Änderung ablehnt (Erw. 2).
3. Analoge Anwendung von
Art. 20 Abs. 2 OR
auf Verträge mit Willensmängeln (Erw. 3).
|
Sachverhalt
ab Seite 102
BGE 96 II 101 S. 102
A.-
Mit Vertrag vom 10. Dezember 1963 räumte die Seeruhe AG dem Architekten Sterroz auf neun Parzellen in Sigriswil am Thunersee ein selbständiges Baurecht ein, das vom 1. Februar 1964 bis 31. Januar 1995 gelten sollte. Die Grundstücke liegen in einer steilen Halde, hängen mit Ausnahme des kleinsten (Nr. 1467) zusammen und umfassen ins- gesamt 16'988 m2. Die Parzellen Nr. 2203, 2218, 2226, 2227, 2229 und 2303 werden in der Beschreibung der Liegenschaften gemäss Grundbuchauszug, der im Vertrag wiedergegeben wird, ausdrücklich als Bauland bezeichnet. Die Parzelle Nr. 1423 ist mit 14'380 m2 bei weitem die grösste. Sie ist zum Teil bewaldet, was auch bei Nr. 2229 und 2303 der Fall ist.
Sterroz erhielt durch den Vertrag (Ziff. 2 und 6) das Recht, "im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen über das Baurecht und der kantonalen und kommunalen Bauvorschriften" auf den Parzellen Wohnhäuser zu erstellen. Er hatte dafür jährlich eine zum voraus zahlbare Grundrente (Baurechtszins) von Fr. 35'000.-- zu leisten (Ziff. 8). Über die Grundrente bestimmten die Vertragsparteien zudem (Ziff. 13):
"Der Baurechtsberechtigte hat davon Kenntnis, dass wegen der Vorschriften über die Waldabstände ein gewisses Areal von Parzelle 1423 ... noch nicht überbaut werden kann. Der vorliegende Vertrag sieht daher vor, dass die Grundrente bereits auf 12 Parzellen im Halte von je ca. 3 Aren verteilt werden kann."
B.-
Da Sterroz ausser der ersten Grundrente, die durch Verrechnung getilgt wurde, nichts leistete, liess ihn die Seeruhe AG für die Jahresrenten 1965-1969 betreiben. Der Betriebene erhob Rechtsvorschlag und, als der Seeruhe AG die provisorische Rechtsöffnung erteilt wurde, beim Appellationshof des Kantons Bern Aberkennungsklage. Er machte
BGE 96 II 101 S. 103
insbesondere geltend, dass die Parteien sich über die Zahl der Bauplätze geirrt hätten.
Der Appellationshof hiess die Klage am 27. Januar 1970 wegen wesentlichen Irrtums des Klägers gut und stellte fest, dass die in Betreibung gesetzten Forderungen nebst Zinsen und Kosten nicht beständen.
C.-
Die Beklagte hat gegen das Urteil des Appellationshofes die Berufung erklärt mit den Anträgen, es aufzuheben und dem Kläger die Aberkennung der in Betreibung gesetzten Grundrenten je im Teilbetrag von Fr. 25'000.-- nebst Zins und Kosten zu verweigern, eventuell die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen und das Urteil des Appellationshofes zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beklagte macht geltend, die Vorinstanz habe dem Kläger zu Unrecht einen Grundlagenirrtum im Sinne von
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
zugebilligt. Ein solcher läge nur vor, wenn die Parteien bei Kenntnis der wirklichen Überbauungsmöglichkeit den Vertrag überhaupt nicht geschlossen hätten. Dass diese Voraussetzung erfüllt sei, nehme aber auch der Appellationshof nicht an.
a) Nach dem angefochtenen Urteil glaubten beide Parteien bei Vertragsschluss, dass die Parzellen Nr. 2203, 2218, 2226, 2227, 2228, 2229 und 2303 alle überbaut werden dürfen, weil die Zone südlich davon nicht als Wald zu betrachten sei, folglich auch kein Waldabstand eingehalten werden müsse. Sie nahmen zudem an, dass auf der Parzelle Nr. 1423 mindestens fünf Einfamilienhäuser errichtet werden können. Wie die Vorinstanz weiter ausführt, stellte sich im Verfahren jedoch heraus, dass die Grundstücke Nr. 2228, 2229 und 2303 als Bauplätze ausser Betracht fallen und auf der Parzelle Nr. 1423 bloss zwei, bestenfalls vier Einfamilienhäuser erstellt werden dürfen, insgesamt somit entgegen der Annahme der Parteien nicht mit zwölf, sondern höchstens mit acht Häusern gerechnet werden kann.
Diese Feststellungen stützen sich teils auf Beweiswürdigung, teils auf das kantonale Forstgesetz und das Baureglement der Gemeinde Sigriswil. Sie können mit der Berufung nicht angefochten werden, da mit diesem Rechtsmittel bloss die Verletzung
BGE 96 II 101 S. 104
von Bundesrecht gerügt werden darf und Bundesrecht durch tatsächliche Feststellungen nur verletzt ist, wenn sie offensichtlich auf Versehen beruhen oder unter Missachtung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind, was hier nicht zutrifft (Art. 43 Abs. 1 und 3, 55 Abs. 1 lit. c und d, 63 Abs. 2 OG). Das Bundesgericht hat daher davon auszugehen, dass auf der in Baurecht gegebenen Fläche höchstens acht Häuser erstellt werden dürfen, die Parteien sich also über die Zahl der möglichen Bauplätze geirrt haben (vgl.
BGE 91 II 277
mit Hinweisen). Die Beklagte versucht das mit Recht nicht zu widerlegen.
b) Die Vorstellung, auf den neun Parzellen mindestens zwölf Häuser bauen zu dürfen, veranlasste den Kläger, der Beklagten einen jährlichen Baurechtszins von Fr. 35'000.-- zu versprechen. Dass dieser Betrag nicht fest habe sein sollen, wie mit der Berufung geltend gemacht wird, ist weder Ziff. 8 noch Ziff. 13 des Vertrages zu entnehmen. Diese Bestimmungen können nur dahin verstanden werden, dass die Parteien den Zins bei Vertragsschluss nach der damals als sicher vorausgesetzten Mindestzahl von zwölf Bauten festsetzten. Unter dieser Voraussetzung hatten die Vertragschliessenden keinen Anlass, einen veränderlichen Baurechtszins zu vereinbaren. Die Beklagte behauptet übrigens nicht, dass sie bei mehr als zwölf Bauplätzen nach Vertrag eine erhöhte Grundrente beanspruchen dürfte.
c) Die (falsche) Vorstellung, auf den neun Parzellen könnten mindestens zwölf Häuser erstellt werden, war für beide Parteien nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr die notwendige Grundlage des Vertrages. Der Irrtum des Klägers war daher im Sinne der
Art. 23 und 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
wesentlich. Er bestand zwar in der blossen Verkennung einer Rechtslage. Irrtum über eine solche ist aber nicht von vornherein unwesentlich (
BGE 73 II 19
Erw. 3,
BGE 95 III 22
Erw. 3,
BGE 96 II 27
Erw. b und dort angeführte Urteile). Im vorliegenden Fall betraf er die rechtliche Stellung und damit den wirtschaftlichen Wert des Vertragsgegenstandes. Eine irrige Vorstellung dieser Art rechtfertigt die Unverbindlichkeit des Vertrages. Im gleichen Sinne hat das Bundesgericht schon in
BGE 91 II 278
Erw. 2 und
BGE 95 III 21
entschieden, wo Parzellen als Bauland veräussert worden waren, obschon sie aus forst- oder baupolizeilichen Gründen nicht überbaut werden durften. Es verhält
BGE 96 II 101 S. 105
sich bei solchen Tatbeständen anders als z.B. in
BGE 79 II 273
, wo der Rechtsirrtum nur die Wirkungen des abgeschlossenen Vertrages betraf und daher als blosser Irrtum im Beweggrund (
Art. 24 Abs. 2 OR
) unwesentlich war.
Der Kläger hätte den Irrtum freilich vermeiden können, wenn er sich vor Abschluss des Vertrages bei den zuständigen Behörden über die öffentlichrechtlichen Baubeschränkungen, denen die Grundstücke unterliegen, erkundigt hätte. Seine Unterlassung steht der Unverbindlichkeit des Vertrages wegen Grundlagenirrtums jedoch nicht entgegen (
BGE 91 II 280
Erw. 3). Wer fahrlässig irrt, kann bloss zu Schadenersatz verpflichtet werden, wenn er den Vertrag nicht gegen sich gelten lässt (
Art. 26 OR
).
2.
Die Beklagte wendet unter Hinwies auf
BGE 88 II 412
ein, der Kläger habe in seinem Schreiben vom 21. September 1964 an die Seeruhe AG eine Abänderung des Vertrages vorgeschlagen, weil die zuständigen Behörden die Parzellen Nr. 2229 und 2303 wider Erwarten nicht als Bauland gelten liessen; Sterroz habe also den Vertrag aufrechterhalten und sich mit einer Herabsetzung der Grundrente begnügen wollen; er könne sich deshalb nicht mehr auf Grundlagenirrtum berufen, wenn ein solcher vorliege.
Der Einwand geht fehl. Aus dem angeführten Schreiben kann die Beklagte schon deshalb nichts zu ihren Gunsten ableiten, weil sie den Vorschlag des Klägers am 24. September 1964 rundweg ablehnte. Sie begründete dies damit, dass zu einer Vertragsänderung nicht der geringste Anlass bestehe und sie eine Anpassung erst in Erwägung ziehen könne, wenn alle überbaubaren Parzellen überbaut seien und eindeutig feststehe, dass weniger als zwölf Bauparzellen vorlägen. Es steht ihr deshalb nicht an, aus dem Schreiben des Klägers vom 21. September 1964 zu folgern, dieser habe damals darauf verzichtet, den Vertrag wegen Unverbindlichkeit anzufechten. Das gilt umsomehr, als die Beklagte noch vor dem Appellationshof behauptete, dass das Land mindestens zwölf Bauparzellen aufweise, also selbst damals nicht bereit war, den Vertrag ändern zu lassen. Der Hinweis auf
BGE 88 II 412
ist müssig, denn dieser Entscheid betraf einen andern Sachverhalt.
3.
Gegen die Annahme der Vorinstanz, der Kläger habe seinen Irrtum rechtzeitig geltend gemacht, wendet die Beklagte mit Recht nichts mehr ein. Sie bleibt aber der Meinung, dass
BGE 96 II 101 S. 106
der Kläger höchstens eine Herabsetzung der Grundrente verlangen könne, wenn statt zwölf bloss acht Parzellen überbaubar seien. Sie beantragt deshalb, den jährlichen Baurechtszins um Fr. 10'000.--zu kürzen. Dieser Antrag ist zulässig. Es handelt sich entgegen der Annahme des Klägers nicht um ein neues Begehren im Sinne von
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
, weil bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten bloss die Forderung nicht aber der Rechtsgrund, aus dem sie geschuldet ist, zum Rechtsbegehren gehört (
BGE 90 II 39
Erw. 6 a).
Der Antrag berührt indessen nicht, wie die Beklagte annimmt, bloss die Höhe der Grundrente, sondern den Bestand des Vertrages. Fragen kann sich nur, ob der Vertrag wegen des Grundlagenirrtums, der dem Kläger zuzubilligen ist, für diesen ganz oder teilweise unverbindlich sei.
a) Wie in
BGE 78 II 217
ausgeführt worden ist, enthält das Gesetz im Abschnitt über die Mängel des Vertragsschlusses wegen Irrtums usw. keine Bestimmung für den Fall, dass sich der Willensmangel nur auf einen Teil des Vertrages bezieht. Das Bundesgericht hielt damals eine analoge Anwendung von
Art. 20 Abs. 2 OR
, der die teilweise Nichtigkeit von Verträgen regelt, auf die blosse Unverbindlichkeit wegen Willensmangels für gerechtfertigt, weil dem sachlich nichts entgegenstehe und die Schranke, dass blosse Teilnichtigkeit bzw. Teilunverbindlichkeit abzulehnen ist, wenn der Vertrag ohne den nichtigen bzw. unverbindlichen Teil nicht geschlossen worden wäre, einen ausreichenden Interessenschutz gewähre. Es verwies dabei auf Kommentar OSER/SCHÖNENBERGER (Vorbem. zu
Art. 23-31 OR
N. 3, Art. 20 N. 71) und
BGE 60 II 99
, wo die analoge Anwendung der Bestimmung auf die Nichtigkeit wegen Formmangels bejaht wurde.
Die analoge Anwendung von
Art. 20 Abs. 2 OR
auf Verträge mit Willensmängeln ist seitdem von weitern Autoren, zum Teil mit einlässlicher Begründung, befürwortet worden (vgl. insbes. SPIRO, ZBJV 1952 S. 501 ff; PIOTET, ZSR 1957 S. 97 ff). Sie rechtfertigt sich auch im vorliegenden Fall. In welchem Verhältnis
Art. 20 Abs. 2 und
Art. 25 Abs. 2 OR
zueinander stehen, ob diese Bestimmung bloss für den Erklärungsirrtum oder auch für den Grundlagenirrtum gelte, kann offen bleiben. Art. 20 Abs. 2 verdient hier schon deshalb den Vorzug, weil beide Parteien sich über die Zahl der möglichen Bauparzellen geirrt haben und das Schicksal des Vertrages vor allem davon
BGE 96 II 101 S. 107
abhängt, ob die Parteien ihn auch bei Kenntnis der wirklichen Überbauungsmöglichkeit geschlossen hätten.
Dass in
Art. 20 Abs. 2 OR
von einem Mangel in einzelnen Teilen des Vertrages ("dans certaines de ses clauses", "in alcune parti") die Rede ist, steht der Anwendung der Bestimmung hier nicht entgegen. Diese Wendung des Gesetzes ist als Gegensatz zum ganzen Vertrag zu verstehen und daher nicht wörtlich zu nehmen; es genügt, dass ein Teil des Vertrages mangelhalft ist (vgl.
BGE 93 II 105
Erw. 2 a und 192). Im vorliegenden Fall wirkte sich der Irrtum über die Zahl der Bauparzellen übrigens auch auf die Bestimmungen über die Grundrente aus.
b) Die Möglichkeit, dass die Parteien den Vertrag auch ohne den Irrtum geschlossen hätten, ist nach dem Verhalten des Klägers jedenfalls nicht von vornherein zu verneinen. Als Sterroz 1964 erfuhr, dass die Parzellen Nr. 2229 und 2303 nicht überbaubar sind, teilte er dies der Beklagten mit und ersuchte sie um Abänderung des Vertrages. Er will darauf, wie er noch in seinem Parteiverhör vom 25. März 1969 erklärte, grundsätzlich nie verzichtet haben. Wie er sich die Abänderung vorstellte und was er von der Gegenpartei erwartete, ist den Akten jedoch nicht zu entnehmen. Dies sind indes Tatfragen, die der Appellationshof zu entscheiden hat.
Das angefochtene Urteil ist daher gestützt auf
Art. 64 Abs. 1 OG
aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird - prozesskonforme Behauptungen und Beweisanträge vorbehalten - den Sachverhalt weiter abklären und allenfalls auch das Beweisfahren ergänzen müssen. Sie hat alsdann je nach dem Ergebnis neu zu urteilen. Ergibt sich, dass der Vertrag ohne den Rechtsirrtum überhaupt nicht geschlossen worden wäre, so fällt er wegen Unverbindlichkeit für den Kläger dahin. Ist dagegen anzunehmen, dass die Parteien sich bei Kenntnis der Rechtslage auf der Grundlage von acht Bauparzellen geeinigt hätten, so ist der Vertrag in diesem Umfange aufrechtzuerhalten und der Baurechtszins angemessen herabzusetzen.
Die Anpassung darf sich freilich nicht darin erschöpfen, die ursprünglich für mindestens zwölf Bauparzellen versprochene Grundrente im Verhältnis der tatsächlich überbaubaren zu kürzen. Sie hängt auch vom wirtschaftlichen Wert der verbleibenden Bauplätze, insbesondere deren Lage, Neigung und
BGE 96 II 101 S. 108
Entfernung von der Strasse und anderen notwendigen Anschlüssen ab. Wie es sich damit verhält, ist eine Frage, die von der Vorinstanz - wenn nötig mit Hilfe von Sachverständigen und auf Grund eines Augenscheines - zu beurteilen ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung der Beklagten wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Appellationshofes des Kantons Bern vom 27. Januar 1970 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,970 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
|
CH
|
Federation
|
a9565a28-6212-4adc-bf7a-1a0c19b4bcd2
|
Urteilskopf
101 IV 228
50. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 29 juillet 1975 dans la cause Ministère public du canton du Valais contre B.
|
Regeste
Art. 37 Abs. 2 SVG
.
Art. 18, 21 Abs. 2 VRV
.
Halten, Parkieren.
Das vorübergehende, durch die Verkehrslage bedingte Anhalten, etwa um vortrittsberechtigten Fahrzeugen die Durchfahrt zu ermöglichen, fällt nicht unter die angeführten Bestimmungen.
Es kann weder dem Parkieren noch dem Halten zum Ein- und Auslad von Waren etc. gleichgesetzt werden.
|
Erwägungen
ab Seite 228
BGE 101 IV 228 S. 228
Considérant en fait et en droit:
1.
Le 20 juillet 1974, alors qu'il circulait sur la route principale No 9 entre Pont-de-la-Morge et Sion, B. a mis son véhicule en position de présélection, indicateur de direction gauche enclenché, dans l'intention de traverser la chaussée en direction de la station d'essence Aiva, à Corbassière, aussitôt que le trafic venant en sens inverse le lui permettrait. Alors que plusieurs véhicules le suivant l'avaient dépassé par la droite, l'angle arrière gauche de l'automobile qu'il conduisait
BGE 101 IV 228 S. 229
a été heurté par la motocyclette de M. Projeté sur la gauche, celui-ci a percuté la voiture pilotée par dame L. qui venait d'en face. Il est décédé dans la soirée à l'hôpital de Sion où il avait été transporté. Dame L. et son mari, qui l'accompagnait, n'ont subi que des blessures superficielles.
Condamné à 150 fr. d'amende le 18 décembre 1974 par le Tribunal du IIe arrondissement pour le district de Sion, pour homicide par négligence et violation des règles de la circulation, B. a recouru auprès du Tribunal cantonal valaisan qui l'a acquitté le 20 juin 1975.
Le Ministère public du canton du Valais se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral; il conclut à la condamnation de B.
2.
Le recourant reproche avant tout à l'intimé d'avoir mal à propos constitué une gêne et même un danger pour la circulation. Ce serait selon lui une faute que de s'arrêter trop longtemps en position de présélection, avant d'obliquer à gauche, à un endroit et à un moment où le trafic est intense. Il se réfère à l'interdiction générale de s'arrêter qui figure à l'art. 37 al. 2 LCR ainsi qu'aux art. 18 et 21 al. 2 OCR. Ni le grief, ni les dispositions citées ne sont pertinents. En effet, il ne faut pas confondre le stationnement, voire l'arrêt volontaire, bref ou non, pour charger et décharger les marchandises ou pour laisser monter et descendre des passagers et l'arrêt observé dans le cadre même de la circulation, devant un signal lumineux, pour marquer un "stop", pour accorder une priorité (art. 14 al. 1 OCR) comme pour se conformer au devoir général de prudence posé à l'art. 26 LCR.
Il saute d'ailleurs aux yeux que l'intimé a agi correctement. Ainsi que l'a relevé l'autorité cantonale, l'interruption de la double ligne de sécurité l'autorisait à obliquer à gauche; l'art. 13 ch. 1 OCR lui prescrivait de se mettre en ordre de présélection; il ne gênait en rien le trafic puisque les véhicules qui le suivaient ont pu passer sans encombre par sa droite et que le signal 225 interdisait tout dépassement à cet endroit; il a enfin enclenché son indicateur de direction. On ne saurait par ailleurs lui reprocher d'avoir respecté la priorité du trafic venant en sens inverse, même si pour cela il a dû attendre environ une minute au milieu de la chaussée, car d'une part il n'est pas rare que les signaux lumineux imposent aux usagers de la route de suspendre leurs course pour une durée équivalente et, d'autre part, il ne pouvait prévoir combien de temps
BGE 101 IV 228 S. 230
il devait attendre. L'accident est imputable exclusivement à l'inattention ou à la témérité du motocycliste.
Au cas où la traversée de la route apparaîtrait comme si dangereuse que le soutient le recourant, à l'endroit de l'accident, c'est aux autorités qu'il appartiendrait de l'interdire en supprimant la brèche ouverte dans la double ligne de sécurité. Il est d'ailleurs de plus en plus fréquent que l'accès aux stations d'essence se trouvant sur le côté gauche de la route soit interdit.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le pourvoi.
| null |
nan
|
fr
| 1,975 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
a9585f51-266e-438a-b5af-2b6c08511184
|
Urteilskopf
121 II 307
49. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. November 1995 i.S. Bundesamt für Raumplanung gegen Ehegatten X., Einwohnergemeinde Arni, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion sowie Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
|
Regeste
Art. 16, 22 und 24 RPG
; Zonenkonformität eines Wohnhauses in der Landwirtschaftszone bei einem landwirtschaftlichen Gewerbe im Sinne von
Art. 7 BGBB
.
1. Grundsätze für die Anerkennung der Zonenkonformität von Wohnraum in der Landwirtschaftszone (E. 3b; Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Die in
Art. 7 BGBB
enthaltene Begriffsumschreibung des landwirtschaftlichen Gewerbes ist bei der Anwendung der
Art. 16 und 24 RPG
insoweit zu berücksichtigen, als dies mit den in
Art. 22quater BV
und im RPG enthaltenen Zielsetzungen der Raumplanung vereinbar ist (E. 5c).
3. Ein Wohnhaus zu einem kleineren landwirtschaftlichen Gewerbe kann in der Landwirtschaftszone als zonenkonform anerkannt werden, wenn
- die Art der Bewirtschaftung die dauernde Anwesenheit der Betriebsleiterfamilie auf dem Hof erfordert und
- längerfristig ein erheblicher Beitrag zur Existenzsicherung in der bodenabhängigen Landwirtschaft erwirtschaftet werden kann und
- die Betriebsführung von einer nahe gelegenen Wohnbauzone oder einem Weiler aus nicht möglich ist (E. 5d-f).
Bei der Beurteilung der Zonenkonformität sind zudem die konkreten örtlichen Verhältnisse sowie weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen (E. 5f). Hinweis auf das Realteilungs- und Zerstückelungsverbot gemäss
Art. 58 BGBB
(E. 5g).
|
Sachverhalt
ab Seite 309
BGE 121 II 307 S. 309
Die Ehegatten X. bewirtschaften im Nebenerwerb einen in der Landwirtschaftszone der Gemeinde Arni gelegenen Landwirtschaftsbetrieb im Halte von rund 4,5 ha Eigen- und Pachtland, welchen sie am 1. Januar 1994 von den Eltern von X. übernommen haben. Bei der Betriebsübernahme wurde den Eltern ein lebenslängliches Wohnrecht im bestehenden Bauernhaus eingeräumt.
Am 18. Februar 1994 reichten die Ehegatten X. ein Baugesuch für ein neues Wohnhaus mit Garage und Lagerkeller in der Landwirtschaftszone ein. Zur Begründung ihres Baugesuchs führten sie aus, sie seien wegen des Wohnrechts der Eltern von X. im bestehenden Haus auf ein neues Wohnhaus angewiesen. Die Gemeinde Arni leitete das Gesuch mit einem Antrag auf Zustimmung an den Regierungsstatthalter Konolfingen weiter, der die Erteilung der Baubewilligung unter Hinweis auf eine Stellungnahme des kantonalen Amtes für Gemeinden und Raumordnung ablehnte.
Gegen diesen Entscheid führten die Ehegatten X. Beschwerde bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (BVE). Diese wies die Beschwerde mit Entscheid vom 2. Februar 1995 ab, wodurch der Bauabschlag des Regierungsstatthalters bestätigt wurde. Zur Begründung ihres Entscheids führte die BVE im wesentlichen aus, zur Bewirtschaftung des Heimwesens werde zwar mehr als die halbe Arbeitskraft einer bäuerlichen Familie beansprucht. Der dabei erzielte Ertrag stelle indessen lediglich etwa 41% von deren Existenz sicher. Weil der Betrieb einer bäuerlichen Familie damit keine hinreichende Existenzgrundlage biete, sei das Bauvorhaben in der Landwirtschaftszone nicht zonenkonform.
Die Ehegatten X. zogen diesen Entscheid der BVE an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern weiter. Dieses hiess ihre Beschwerde mit Urteil vom 29. Mai 1995 gut, hob den angefochtenen Entscheid auf und wies die Akten zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die BVE zurück. In der Urteilsbegründung führt das Verwaltungsgericht aus, zusätzlicher Wohnraum auf dem Betrieb der Ehegatten X. sei grundsätzlich zonenkonform. Da die Vorinstanzen - zu Unrecht - davon ausgegangen seien, neuer Wohnraum sei zonenwidrig und dürfe deshalb nicht realisiert werden, sei eine Überprüfung des Vorhabens auf seine Vereinbarkeit mit den (übrigen) Bauvorschriften
BGE 121 II 307 S. 310
bisher unterblieben. Es sei nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, als erste und zugleich letzte kantonale Instanz eine derartige Prüfung vorzunehmen, weshalb die Akten zu neuem Entscheid zurückgewiesen würden. Dabei werde auch abzuklären sein - soweit dies nicht bereits geschehen sei -, ob im bestehenden Gebäude nicht genügend Bauvolumen vorhanden sei, das - allenfalls durch Umbau - als Betriebsleiterwohnung dienstbar gemacht werden könnte; wäre genügend Bauvolumen vorhanden, bestünde kein Anspruch auf einen Neubau.
Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts führt das Bundesamt für Raumplanung Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Es beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur gesamthaften Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
3.
a) Art. 16 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700) umschreibt Zweck und Inhalt der Landwirtschaftszonen: Diese umfassen Land, das sich für die landwirtschaftliche Nutzung oder den Gartenbau eignet oder im Gesamtinteresse landwirtschaftlich genutzt werden soll (
Art. 16 Abs. 1 lit. a und b RPG
). Bauten und Anlagen in diesen Gebieten müssen nach
Art. 22 Abs. 2 lit. a RPG
dem Zweck der Landwirtschaftszone entsprechen. In der vorliegenden Angelegenheit ist unbestritten, dass die Beschwerdegegner eine traditionelle, bodenabhängige landwirtschaftliche Nutzung im Sinne von
Art. 16 RPG
betreiben.
b) Wohngebäude sind in der Landwirtschaftszone nach
Art. 16 RPG
zonenkonform, wenn sie hinsichtlich Standort und Ausgestaltung in einer unmittelbaren funktionellen Beziehung zum Landwirtschafts- bzw. Gartenbaubetrieb stehen und im Hinblick auf die bodenabhängige Nutzung des Landes als unentbehrlich erscheinen. Bei Landwirtschaftsbetrieben stimmt der Begriff der Zonenkonformität im Sinne von
Art. 16 Abs. 1 RPG
im wesentlichen mit demjenigen der Standortgebundenheit gemäss
Art. 24 Abs. 1 RPG
überein. Wohnraum für eine landwirtschaftliche Nutzung kann nur dann bewilligt werden, wenn für ein ordnungsgemässes, zonenkonformes Bewirtschaften des Bodens ein längeres Verweilen am betreffenden Ort erforderlich ist und dieser von der nächstgelegenen Wohnzone weit entfernt liegt (vgl. 116 Ib 228 E. 3a S. 230, 113 Ib 138 E. 5a S. 142 mit
BGE 121 II 307 S. 311
Hinweisen). Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so fehlt es am erforderlichen sachlichen Bezug des Bauvorhabens zur landwirtschaftlichen Produktion. In einer Landwirtschaftszone im Sinne von
Art. 16 RPG
sind somit nur solche Wohngebäude zonenkonform, die in ihrer konkreten Ausgestaltung für eine zweckmässige Bewirtschaftung des Bodens am vorgesehenen Standort notwendig und nicht überdimensioniert sind. Ausserdem dürfen gegen ihre Errichtung keine überwiegenden öffentlichen Interessen sprechen (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Juni 1994 in ZBl 96/1995, 378 f. E. 5a; vgl.
BGE 118 Ib 335
E. 2b mit Hinweisen).
Das Recht, ausserhalb der Bauzone zu wohnen, bleibt somit einem relativ engen Personenkreis vorbehalten. Dazu zählen nur Leute, die als Betriebsinhaber oder Hilfskräfte unmittelbar in der Landwirtschaft tätig sind, sowie die Familienangehörigen und die abtretende Generation, welche ein Leben lang in der Landwirtschaft tätig war. In jedem einzelnen Fall ist nach objektiven Kriterien aufgrund einer gesamthaften, mehr an qualitativen denn an quantitativen Faktoren anknüpfenden Betrachtungsweise zu beurteilen, ob eine betriebliche Notwendigkeit besteht, ausserhalb der Bauzonen Wohnsitz zu nehmen, und damit das Wohnen in der Landwirtschaftszone im Sinne von
Art. 16 RPG
als zonenkonform bezeichnet werden kann (vgl. zur ähnlichen Problematik im Bereich des Gartenbaus
BGE 120 Ib 266
E. 3b S. 272 und Urteil vom 17. Juni 1994 in ZBl 96/1995 S. 376 ff.; vgl. überdies
BGE 117 Ib 270
E. 4b S. 282 betreffend Aufstockung von Landwirtschaftsbetrieben gestützt auf
Art. 24 Abs. 1 RPG
). Auf subjektive Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen kann es ebensowenig ankommen wie auf die persönliche Zweckmässigkeit und Bequemlichkeit. Es ist namentlich unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eines Falles zu untersuchen, in welchem Umfang eine ständige Anwesenheit der Bewirtschafter zur Führung und Überwachung des Landwirtschaftsbetriebs notwendig ist (
BGE 121 II 67
E. 3a S. 69 mit Hinweisen).
c) Auf dem Hof der Beschwerdegegner werden 6 Kühe, 2 Rinder, 3 Kälber, 3 Mastschweine, 25 Legehennen sowie ein Pferd gehalten. Die Anzahl geweideter Grossvieheinheiten (GVE) beträgt 9,5. Die Beschwerdegegner haben sich zudem nach eigenen Angaben einen beachtlichen Kundenkreis für den Direktverkauf von Früchten, Gemüse, Beeren, Hühnern, Eiern und Most aufgebaut. Aufgrund der Kundennachfrage beabsichtigen sie, diesen Bereich zu erweitern.
Aus den Akten des vorliegenden Verfahrens ergibt sich weiter, dass mit dem rund 4,5 ha haltenden Betrieb der Beschwerdegegner ein Ertrag
BGE 121 II 307 S. 312
erwirtschaftet werden kann, der die Existenz einer durchschnittlichen bäuerlichen Familie nur zu etwa 41% sicherstellt. Die kantonale Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion geht dabei von einem Existenzbedarf der Beschwerdegegner von Fr. 51'200.-- aus. Dem stünde bei einer ortsüblichen, d.h. objektivierten Bewirtschaftung nach den Ergebnissen der zentralen Auswertung von Buchhaltungsdaten (Kostenstellenbericht der Forschungsanstalt Tänikon) ein landwirtschaftliches Einkommenspotential von rund Fr. 21'000.-- pro Jahr gegenüber. Im März 1992 stellten die kantonalen Behörden fest, dass der Betrieb einen Bedarf von rund 2'200 Arbeitsstunden pro Jahr (AkH) aufweise; die Beschwerdegegner machten im kantonalen Verfahren geltend, diese Zahl habe sich in der Zwischenzeit noch erhöht. Weiter ist den Akten zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner zur Zeit zu 70% als Bundesbeamter tätig ist und seine Frau bis zur Geburt eines Kindes im Januar 1995 zu 90% als Krankenschwester arbeitete. Sie beabsichtigt, diese Arbeit zu 60% wieder aufzunehmen. Eine weitere Reduktion der Tätigkeit des Ehemanns in der Bundesverwaltung wird von den Beschwerdegegnern als wahrscheinlich bezeichnet. Das Verwaltungsgericht stellte weiter fest, dass die Beschwerdegegner auf ihrem Hof erhebliche Investitionen zur Modernisierung des Betriebs vorgenommen haben. So seien in der Zeitspanne 1993 bis Ende Juli 1994 für einen Schweinestallumbau und verschiedene Geräte und Maschinen insgesamt rund Fr. 100'000.-- aufgewendet worden.
d) Der hier wiedergegebene Sachverhalt ist nicht umstritten und für das Bundesgericht verbindlich (
Art. 105 Abs. 2 OG
).
5.
a) In der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Zonenkonformität bzw. die Standortgebundenheit zusätzlichen Wohnraums für landwirtschaftliche Betriebe nur anerkannt, wenn es sich um Betriebe mit existenzsichernder Bewirtschaftung handelte (
BGE 116 Ib 228
E. 3a S. 231; Urteil des Bundesgerichts vom 29. Juni 1988 in Informationshefte Raumplanung 3/89, S. 17 f.; Urteil des Bundesgerichts vom 10. November 1978 in ZBl 80/1979 S. 355 ff., ergangen in Anwendung von
Art. 20 GSchG
(SR 814.20) und
Art. 27 AGSchV
). Bei der Beurteilung der Existenzsicherung ist das Bundesgericht jedoch jeweils grosszügig vorgegangen. So hat es in einem Fall, der ebenfalls rund 4,5 ha Land umfasste und Platz für neun Grossvieheinheiten (GVE) bot, bezogen auf die Verhältnisse im Jahre 1978 erklärt, es liege ein existenzsicherndes und lebensfähiges landwirtschaftliches Gewerbe vor (Urteil des Bundesgerichts vom 10.
BGE 121 II 307 S. 313
November 1978 in ZBl 80/1979 S. 355 ff. E. 9, s. auch die dazu auf S. 359 geäusserte Kritik). Der hier angefochtene Entscheid ist somit bereits mit Blick auf die frühere bundesgerichtliche Rechtsprechung im Ergebnis kaum zu beanstanden. Doch ist im folgenden der Frage nachzugehen, welchen Einfluss das am 1. Januar 1994 in Kraft getretene Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991 (BGBB; SR 211.412.11) auf Fälle der vorliegenden Art ausübt.
b) Das RPG und das BGBB haben entsprechend ihrer jeweiligen verfassungsmässigen Grundlage teilweise gleichlaufende Zielsetzungen, regeln aber - wie das Bundesamt für Raumplanung zutreffend darlegt - in erster Linie verschiedene Sachgegenstände. Diesem Umstand ist bei der Berücksichtigung der Kriterien des einen Gesetzes bei der Anwendung des anderen gebührend Rechnung zu tragen. Das Verwaltungsgericht hat bei der Auslegung von
Art. 16 RPG
grundsätzlich zu Recht gesetzgeberische Wertungen aus dem BGBB übernommen, da die beiden Gesetze in bezug auf den Begriff des landwirtschaftlichen Gewerbes und der damit verbundenen Bodennutzungen tatsächlich inhaltliche Berührungspunkte aufweisen. Bei der Berücksichtigung der im BGBB enthaltenen Regelungen dürfen jedoch die Zielsetzungen des RPG, namentlich der
Art. 16 und 24 RPG
, nicht relativiert und zurückgedrängt werden. In der Praxis ist eine möglichst sachgerechte Anwendung sowohl der Normen des RPG als auch des BGBB anzustreben (s. auch nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 15. August 1995 i.S. Einwohnergemeinde Alpnach, E. 2c).
c) Nach
Art. 7 Abs. 1 BGBB
gilt als landwirtschaftliches Gewerbe eine Gesamtheit von landwirtschaftlichen Grundstücken, Bauten und Anlagen, die als Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion dient und die mindestens die halbe Arbeitskraft einer bäuerlichen Familie beansprucht. Die Bewirtschaftung des Betriebs erfordert mindestens die halbe Arbeitskraft einer bäuerlichen Familie, wenn für die ordnungsgemässe Bewirtschaftung des zur Diskussion stehenden Betriebs von jährlich mindestens 2'100 Arbeitskraftstunden (AkH) auszugehen ist (
BGE 121 III 274
E. 2d mit Hinweisen). Damit hat das BGBB das landwirtschaftliche Gewerbe für seinen Regelungsbereich umschrieben. Es ist nichts dagegen einzuwenden, diese Begriffsumschreibung bei der Anwendung von Art. 16 und allenfalls auch
Art. 24 RPG
soweit zu berücksichtigen, als dies mit den in
Art. 22quater BV
und im RPG enthaltenen Zielsetzungen der Raumplanung vereinbar ist.
BGE 121 II 307 S. 314
d) Das Verwaltungsgericht geht im angefochtenen Entscheid davon aus, dass für die Beantwortung der Frage, ob zusätzlicher Wohnraum für die bewirtschaftende bzw. die abtretende Generation in der Landwirtschaftszone als zonenkonform betrachtet werden könne, allein massgebend sei, ob ein landwirtschaftliches Gewerbe im Sinne von
Art. 7 Abs. 1 BGBB
vorliege, und es komme nicht darauf an, ob mit der Bewirtschaftung des Hofs die Existenz der Betriebsleiterfamilie überwiegend sichergestellt werden könne.
Wie vorne (E. 5a) erwähnt, kann bei der Art des vorliegend zu beurteilenden Betriebs im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht von vornherein davon ausgegangen werden, er erbringe keinen ins Gewicht fallenden Beitrag zur Existenzsicherung. Immerhin handelt es sich um einen rund 4,5 ha grossen Landwirtschaftsbetrieb, dessen Milchkontingent erst in den letzten Jahren erhöht wurde und der auch aufgrund der Anstrengungen der Beschwerdegegner als erhaltenswürdiger Landwirtschaftsbetrieb erscheint. Insbesondere wegen der Tiere (9,5 Grossvieheinheiten) ist die dauernde Anwesenheit der Betriebsleiterfamilie auf dem Hof unabdingbar. Aus den Akten geht hervor, dass ein ernsthaftes, längerfristiges Betriebskonzept vorliegt und die Beschwerdegegner einen ganz erheblichen Teil ihrer Leistungsfähigkeit der bodenabhängigen landwirtschaftlichen Nutzung widmen. Das erzielbare landwirtschaftliche Einkommen beträgt allerdings lediglich etwas über Fr. 21'000.--. Damit kann die Existenz einer durchschnittlichen bäuerlichen Familie (Existenzbedarf von Fr. 51'200.--) nur zu etwa 41% sichergestellt werden. Diese quantitativen Kriterien beinhalten zahlreiche Unsicherheiten (jeweiliges Niveau des Milchpreises, Schuldenlast der Betriebsleiterfamilie usw.). Sie dürfen deshalb bei der Prüfung der Zonenkonformität zusätzlichen Wohnraums für ein landwirtschaftliches Gewerbe nicht allein den Ausschlag geben, doch dürfen sie auch nicht völlig unberücksichtigt bleiben.
e) Auch wenn das Beurteilungskriterium von
Art. 7 Abs. 1 BGBB
für die Prüfung der Zonenkonformität im Sinne von
Art. 16 RPG
vom Verwaltungsgericht zu Recht beigezogen wurde, darf dieses Kriterium nicht schematisch, ohne Berücksichtigung der übrigen Gesichtspunkte, die bei der Beurteilung der Zonenkonformität eine Rolle spielen, angewendet werden. Nicht in allen Fällen, wo ein landwirtschaftlicher Betrieb mit etwas über 2'100 Arbeitskraftstunden vorliegt, kann zusätzlicher Wohnraum in der Landwirtschaftszone als zonenkonform betrachtet werden. Die Zonenkonformität darf nur bejaht werden, wenn nicht wichtige Anliegen der Raumplanung einer Bewilligung entgegenstehen. Der angefochtene Entscheid
BGE 121 II 307 S. 315
ist in dieser Hinsicht mit Blick auf den zu beurteilenden Sachverhalt im Ergebnis nicht zu beanstanden. Wie zu entscheiden wäre, wenn der in Frage stehende Nebenerwerbsbetrieb nicht eine ständige Präsenz der Beschwerdegegner auf dem Hof erfordern würde (z.B. keine Tierhaltung, reiner Ackerbaubetrieb usw.), war vom Verwaltungsgericht nicht zu prüfen und ist hier ebenfalls nicht zu erörtern. Kann ein kleineres landwirtschaftliches Gewerbe sinnvollerweise von einer nahen Bauzone oder von einem landwirtschaftlichen Weiler aus bewirtschaftet werden, so kann die Zonenkonformität für Wohnraum ausserhalb der Bauzone nicht ohne weiteres bejaht werden (vgl.
BGE 121 II 67
ff.). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass Bauten ausserhalb der Bauzone meist mit erheblich höheren, die Gemeinwesen belastenden Aufwendungen für die erforderliche Infrastruktur verbunden sind. Im vorliegenden Fall bestehen jedoch keine nahe gelegenen Wohnbauzonen oder Weiler, die einen Verzicht auf Wohnraum in der Landwirtschaftszone rechtfertigen würden.
f) Der vom Bundesamt für Raumplanung geäusserten Befürchtung, nach dem angefochtenen Entscheid hätten auch arbeitsintensive Kleinstbetriebe (z.B. Himbeerkulturen auf 0,45 ha) Anspruch auf Wohnraum in der Landwirtschaftszone, ist entgegenzuhalten, dass auch bei Landwirtschaftsbetrieben, die die Erfordernisse von
Art. 7 Abs. 1 BGBB
erfüllen, jedenfalls die dauernde Anwesenheit der Betriebsleiterfamilie erforderlich sein und zudem ein erheblicher Beitrag zur Existenzsicherung in der Landwirtschaft erwirtschaftet werden muss, damit Wohnraum als zonenkonform anerkannt werden darf. Nach der bundesgerichtlichen Praxis wird diesbezüglich vorausgesetzt, dass die geleistete Arbeit als Produktions- und Kostenfaktor berücksichtigt und mit der Bodenbewirtschaftung ein erhebliches Erwerbseinkommen angestrebt wird (vgl. nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 23. März 1994 i.S. Gemeinde Ebikon betr. Gartenhaus eines Hobbygärtners). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann auf dieses Kriterium nicht vollständig verzichtet werden.
Der Argumentation des Bundesamts für Raumplanung kann auch insoweit zugestimmt werden, als bei der Beurteilung der Zonenkonformität von Wohnraum in der Landwirtschaftszone entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Vielzahl weiterer Gesichtspunkte, namentlich auch der Betriebstyp, die Betriebsgrösse, die Betriebslage (in geographischer und topographischer Hinsicht, namentlich Standort in einem Abwanderungs- bzw. Entleerungsgebiet, im Mittelland, in Agglomerationsnähe, im Voralpengebiet,
BGE 121 II 307 S. 316
Berggebiet usw.) sowie die konkreten örtlichen Verhältnisse eine wichtige Rolle spielen. Das Bundesgericht hat bereits mehrfach betont, dass an der Erhaltung kleinerer landwirtschaftlicher Familienbetriebe, insbesondere in Abwanderungs- bzw. Entleerungsgebieten, ein erhebliches öffentliches Interesse besteht. Dies lässt sich unter anderem schon daran erkennen, dass gemäss
Art. 31bis Abs. 3 lit. b BV
zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes sogar Abweichungen von der Handels- und Gewerbefreiheit ausdrücklich zulässig sind. Die Wohnsitzerhaltung der bäuerlichen Familien in der Landwirtschaftszone entspricht auch dem Gebot von
Art. 22quater BV
, mit Massnahmen der Raumplanung die zweckmässige Nutzung des Bodens und eine geordnete Besiedlung des Landes zu fördern. Mit raumplanerischen Massnahmen sollen unter anderem die natürlichen Lebensgrundlagen geschützt, das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben in den einzelnen Landesteilen gefördert und die ausreichende Versorgungsbasis des Landes gesichert werden (
Art. 1 Abs. 2 RPG
). Dabei ist darauf zu achten, dass die Landschaft geschont wird, die Landwirtschaft über genügende Flächen geeigneten Kulturlandes verfügt und naturnahe Landschaften und Erholungsräume erhalten bleiben (
Art. 3 Abs. 2 RPG
). Die Sicherung der Existenz kleinerer Landwirtschaftsbetriebe dient auch diesen Zielen.
g) Mit den hier genannten Einschränkungen und Relativierungen in bezug auf die Tragweite des angefochtenen Urteils wird den vom Bundesamt für Raumplanung in der vorliegenden Beschwerde vorgetragenen ernsthaften Befürchtungen sowie den wichtigen Anliegen der Raumplanung, wie sie im Raumplanungsgesetz verankert sind, hinreichend Rechnung getragen. Die zuständigen Behörden werden in der Praxis dafür zu sorgen haben, dass die für die Bewilligung von Wohnraum ausserhalb der Bauzonen massgebenden Kriterien in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden, damit allfälligen Missbräuchen wirksam vorgebeugt werden kann. Zu diesem Zweck werden regelmässig geeignete Auflagen und Bedingungen, wie etwa ein Abparzellierungsverbot, in die Baubewilligung aufgenommen (vgl. nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 15. August 1995 i.S. Einwohnergemeinde Alpnach mit Hinweis auf das Realteilungs- und Zerstückelungsverbot gemäss
Art. 58 BGBB
; s. dazu auch
BGE 121 III 75
ff.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,995 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
|
CH
|
Federation
|
a95fc2ca-6d52-4c0d-b50a-f885fc86b732
|
Urteilskopf
106 Ia 323
55. Estratto della sentenza 7 maggio 1980 della I Corte di diritto pubblico nella causa Chiesa c. Patriziato generale d'Onsernone, Terribilini e Tribunale amministrativo del Cantone Ticino (ricorso di diritto pubblico)
|
Regeste
Submissionsverfahren zur Vergebung von Arbeiten oder zur Verpachtung von Grundstücken; staatsrechtliche Beschwerde des nicht berücksichtigten Bewerbers (
Art. 84 und 88 OG
).
1. Wer sich bei einer öffentlichen Ausschreibung bewirbt, kann den Akt, mit dem die Behörde sich zugunsten eines Konkurrenten entscheidet, grundsätzlich nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten: Dieser Akt stellt weder eine anfechtbare Verfügung i.S. von
Art. 84 OG
dar, noch verletzt er den Bewerber in seinen Rechten oder rechtlich geschützten Interessen i.S. von
Art. 88 OG
.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur dann zulässig, wenn in einem Submissionsverfahren Bestimmungen verletzt werden, die nicht dazu dienen, der Submissionsbehörde die richtige durch das öffentliche Interesse gebotene Wahl zu ermöglichen, sondern den Schutz der entgegengesetzten, unmittelbaren Interessen der Bewerber bezwecken: Einzig in dem Umfang, in dem die Behörde solche Vorschriften anwendet, besteht eine nach
Art. 84 OG
anfechtbare Verfügung und ist die Beschwerdelegitimation des Bewerbers nach
Art. 88 OG
gegeben (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 3a/b/c).
2. Im konkreten Fall ist die Beschwerde teilweise zulässig (E. 3d/e).
|
Sachverhalt
ab Seite 324
BGE 106 Ia 323 S. 324
Mediante avviso pubblicato nel Foglio ufficiale del 31 ottobre 1978, l'Ufficio patriziale del Patriziato generale d'Onsernone mise a pubblico concorso l'affitto dei propri alpi per il periodo 1979-1984. Il 6 novembre 1978 Marco Chiesa inoltrò la sua offerta segnatamente per l'alpe "Crenello e Boscaccio", facendo valere un diritto preferenziale all'aggiudicazione dedotto dall'
art. 11 del
decreto esecutivo della LF 12 giugno 1951 sulla conservazione della proprietà fondiaria agricola, del 18 gennaio 1974 (DE-LPF in Raccolta delle leggi vigenti del Cantone Ticino, vol. IX n. 384). Nella seduta del 20 dicembre 1978, l'Ufficio patriziale risolse di deliberare "Crenello e Boscaccio" a Piergiorgio Terribilini per il canone annuo di Fr. 200.-- e di ritenere "nulla" l'offerta di Chiesa poiché in contrasto con l'avviso di concorso.
In data 4 gennaio 1979, Marco Chiesa impugnò la risoluzione concernente l'alpe "Crenello e Boscaccio" dinanzi al Consiglio di Stato, chiedendo l'annullamento della deliberazione, il riconoscimento del suo diritto preferenziale alle stesse condizioni d'aggiudicazione dell'altro concorrente o alle condizioni fissate dalla Commissione cantonale dei fitti agricoli (CCFA), ed in subordine l'annullamento della procedura di pubblico concorso. Il ricorrente allegò in sostanza la violazione degli art. 11 DE-LPF e 4 § cpv. 2 del decreto esecutivo d'applicazione della LF 21 dicembre 1960 concernente il controllo dei fitti agricoli, del 22 novembre 1961 (DE-LCFA in Raccolta delle leggi vigenti del Cantone Ticino, vol. IX n. 385).
Il Consiglio di Stato respinse il gravame con decisione del 21 maggio 1979, confermata poi su ricorso dal Tribunale cantonale amministrativo (TCA) il
BGE 106 Ia 323 S. 325
22 agosto successivo. Secondo i giudici cantonali, la legislazione applicabile assegnava a parità con altri concorrenti e nei limiti del canone massimo consentito dalla CCFA un diritto preferenziale a favore dell'affittuario precedente, qualità che faceva difetto a Marco Chiesa: quest'ultimo, infatti, non aveva partecipato al concorso pubblicato dall'Ufficio patriziale nel 1973 e, pur avendo utilizzato di fatto l'alpe per il precedente periodo (1973-1978), non aveva comunque privato Terribilini dello status d'affittuario precedente che gli derivava della circostanza d'esser stato formalmente l'aggiudicatario dell'alpe per il detto periodo, solvendo a questo titolo il canone annuale.
Con tempestivo ricorso di diritto pubblico fondato sulla violazione dell'
art. 4 Cost.
(per arbitrio e diniego formale di giustizia), Marco Chiesa è insorto contro la sentenza del TCA, chiedendo al Tribunale federale di annullarla e protestando spese e ripetibili.
Erwägungen
Dai considerandi:
3.
Con il suo gravame, il ricorrente lamenta arbitrio e diniego formale di giustizia nella procedura di delibera, rimproverando alle precedenti istanze d'avergli negato a torto un diritto preferenziale, d'aver riconosciuto altrettanto a torto a Piergiorgio Terribilini la qualifica d'affittuario precedente, e d'aver quindi a torto assegnato a quest'ultimo l'affitto dell'alpe patriziale.
a) Secondo costante giurisprudenza, chi partecipa - come il ricorrente - ad un pubblico concorso per ottenere l'aggiudicazione di lavori o l'affitto di beni non ha la possibilità di impugnare con ricorso di diritto pubblico (né d'altronde con ricorso di diritto amministrativo) l'atto con cui l'autorità statale si determina a favore d'un altro concorrente con il quale concluderà poi il relativo contratto d'appalto o di locazione. Giusta l'
art. 84 cpv. 1 OG
, il ricorso di diritto pubblico per violazione dei diritti costituzionali del cittadino è infatti aperto soltanto contro decisioni e decreti cantonali. Ora, per decisioni ai sensi di codesto articolo, vanno intesi quei giudizi concreti attraverso i quali l'autorità, agendo quale titolare del pubblico potere e con atto d'imperio, crea, modifica, sopprime o accerta un determinato rapporto giuridico fra i privati e lo Stato (v.
DTF 104 Ia 150
consid. 1;
DTF 102 Ia 536
consid. 1;
DTF 98 Ia 510
consid. 1; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, IV ediz., pag.
BGE 106 Ia 323 S. 326
87; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, n. 1658). Queste caratteristiche non sono riconosciute alla decisione con cui l'ente pubblico aggiudica a un privato o ad un'impresa privata lavori messi a pubblico concorso; il Tribunale federale ritiene infatti che la risoluzione di deliberare lavori a un concorrente, se rappresenta un atto amministrativo in senso lato, non costituisce però decisione impugnabile con ricorso di diritto pubblico poiché le manca il carattere d'atto d'imperio dell'autorità statale ai sensi dell'
art. 84 OG
: essa non regola infatti unilateralmente ed in modo imperativo un rapporto giuridico fra due parti, ma abilita soltanto l'ente pubblico a concludere un contratto d'appalto o d'affitto con l'aggiudicatario (v.
DTF 103 Ib 156
/57 consid. 2a e 4;
DTF 101 IV 410
/11 consid. 1b;
DTF 91 I 187
consid. 3;
DTF 60 I 369
; ZBl 76/1975, pag. 476; GAAC 1976 n. 55 pagg. 20 e 26; sentenza 23 gennaio 1974 in re W. & Cie AG, in BORGHI, Giurisprudenza amministrativa ticinese, n. 938; sentenza inedita 6 novembre 1968 in re Canonica, consid. 3; sentenza inedita 8 maggio 1978 in re Regazzi, consid. 2). Con la delibera l'ente pubblico non può infatti imporre autoritariamente al privato l'esecuzione di determinati lavori a condizioni da esso stesso indicate, ma si limita invece ad accettare un'offerta e scartare le altre secondo precisi criteri stabiliti dalla legge (cfr. GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, pag. 105).
Da questa giurisprudenza, non condivisa invero da tutti gli autori (cfr. i riferimenti in KÖLZ, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, al § 19 n. 47), ma costantemente confermata dal Tribunale federale dal 1934 in poi non v'è ragione di scostarsi in assenza d'una riforma legislativa, la cui opportunità giuridico-politica è d'altronde negata in dottrina (cfr. GYGI, op.cit., ibidem).
b) Giusta l'
art. 88 OG
, la veste per interporre ricorso di diritto pubblico spetta ai privati o agli enti collettivi che si trovano lesi nei loro diritti da decreti o decisioni che li riguardano personalmente o che rivestono carattere obbligatorio generale. Il rimedio è dunque dato ai cittadini e agli enti collettivi solo per proteggere interessi che appartengono loro in proprio e che rivestono un'importanza giuridica: esso è invece inammissibile se proposto per tutelare l'interesse generale o per salvaguardare interessi di mero fatto (v.
DTF 104 Ia 152
consid. 2a;
DTF 103 Ia 68
consid. 1;
DTF 98 Ia 654
). Ora, colui che partecipa ad una gara
BGE 106 Ia 323 S. 327
d'appalto disposta dall'ente pubblico non ha, di regola, alcun diritto all'ottenimento della delibera, cioè all'aggiudicazione del lavoro o dell'affitto e, rispettivamente, alla conclusione dei relativi contratti, né può dunque pretendere che la scelta dell'autorità cada su sé stesso anziché su di un terzo: ciò significa, in altre parole, che gli interessi giuridicamente protetti del concorrente non possono esser lesi dal fatto che l'autorità abbia scartato la sua offerta, favorendo invece un altro candidato. Ne consegue che i ricorsi di diritto pubblico proposti da partecipanti non considerati in una gara d'appalto sono per principio irricevibili poiché codesti partecipanti non hanno alcun diritto - come tale tutelabile dinanzi al Tribunale federale - di vedersi assegnato l'appalto stesso (v.
DTF 104 Ia 154
;
DTF 89 I 278
/80 consid. 2; sentenze 26 febbraio 1973 in re Camera di commercio, dell'industria e dell'artigianato del Canton Ticino e 17 gennaio 1973 in re G., parzialmente pubblicate in BORGHI, op.cit., ni. 960/961; sentenze inedite 6 novembre 1968 in re Canonica, consid. 2; 8 maggio 1978 in re Regazzi consid. 1a; Aubert, op.cit., n. 1662; MACHERET, La qualité pour recourir, in RDS 94/1975 II pag. 174).
c) Secondo la giurisprudenza, il concorrente escluso può tuttavia proporre ricorso di diritto pubblico per contestare la procedura d'aggiudicazione ove siano state violate norme volte non già a consentire all'ente appaltante la giusta scelta dettata dall'interesse pubblico, ma a tutelare gli interessi diretti e reciproci dei concorrenti. Nella misura in cui l'autorità applica siffatte norme nella procedura di delibera - e solo in tal misura - non si può infatti negare né l'esistenza di un atto impugnabile ai sensi dell'
art. 84 cpv. 1 OG
, né la legittimazione ricorsuale del candidato giusta l'
art. 88 OG
: applicando questi disposti, l'ente pubblico delinea infatti direttamente la situazione giuridica dei concorrenti, intervenendo nella sfera di interessi giuridicamente protetti, e l'eventuale disattenzione di questi stessi disposti si risolve in un diniego di giustizia formale, che può esser dedotto al Tribunale federale indipendentemente dalla legittimazione di merito (v.
DTF 104 Ia 150
consid. 1 e 154;
91 I 91
consid. 1;
90 I 67
consid. 2; sentenze inedite 6 novembre 1968 in re Canonica, consid. 2; 8 maggio 1978 in re Regazzi, consid. 1a).
d) Nella concreta fattispecie, il ricorrente ascrive all'autorità cantonale la disattenzione di una norma (l'art. 11 DE-LPF) che, a parer suo, doveva
BGE 106 Ia 323 S. 328
privilegiarlo nei confronti degli altri concorrenti. Questo disposto concede infatti a colui che già è stato aggiudicatario del bene un diritto prioritario o preferenziale da far valere in futuro, e garantisce quindi all'affittuario precedente una posizione giuridicamente privilegiata per la successiva conclusione del contratto d'alpeggio o di pascolo previsto dall'art. 6 DE-LPF. Nella misura in cui l'autorità cantonale, applicando l'art. 11 DE-LPF, ha negato a Marco Chiesa il diritto preferenziale, ovverosia lo status d'affittuario precedente, la sua decisione - che accerta l'inesistenza di un determinato rapporto giuridico fra ricorrente e Patriziato - costituisce atto d'imperio e lede il ricorrente: essa è quindi impugnabile con ricorso di diritto pubblico giusta gli
art. 84 e 88 OG
.
Marco Chiesa non si limita tuttavia a contestare il mancato riconoscimento del suo diritto preferenziale, ma sostiene inoltre che, riconoscendo al resistente Terribilini la qualifica d'affittuario precedente ed assegnando a quest'ultimo l'alpe patriziale senza nemmeno rispettare l'art. 4 § cpv. 2 DE-LCFA, l'autorità cantonale avrebbe violato anche per questo rispetto l'
art. 4 Cost.
Sennonché su tal punto l'atto impugnato - pur costituendo una decisione ai sensi dell'
art. 84 OG
- non lede il ricorrente nella sua posizione giuridica, cioè nei suoi diritti o interessi giuridicamente protetti (v. DTF
DTF 104 Ia 152
consid. 2a;
DTF 91 I 413
consid. 3; MACHERET, op.cit., pag. 153 segg.). Come più volte sottolineato dalla giurisprudenza, la veste per interporre gravame di diritto pubblico manca, in linea di principio, a chi intende contestare una misura o un decreto dell'autorità che favorisce un terzo in un modo che si pretende illecito (v.
DTF 105 Ia 355
/56 consid. 3a;
DTF 86 I 284
;
85 I 53
consid. 3; sentenza inedita 6 novembre 1968 in re Canonica, consid. 2). Quand'anche Terribilini avesse ottenuto la delibera in palese dispregio dell'art. 4 § cpv. 2 DE-LCFA, che impone (nel caso dei pubblici appalti) la preventiva approvazione dell'affitto da parte della CCFA e sanziona il mancato rispetto della formalità con la nullità della relativa convenzione, il ricorrente non potrebbe dolersene con ricorso di diritto pubblico, poiché il controllo e l'approvazione dei fitti sono stati istituiti nell'interesse generale dell'economia per conservare e consolidare la proprietà agricola ed assicurare di conseguenza l'efficienza dell'agricoltura (v. FF franc. 1960 II 489 segg.). Sotto questo aspetto, il ricorrente si trova quindi nella situazione già descritta del concorrente escluso a vantaggio di un altro, ed
BGE 106 Ia 323 S. 329
il gravame risulta così irricevibile per carenza di legittimazione ai sensi dell'
art. 88 OG
.
e) Se ne deve concludere che il ricorso è ammissible solo nella misura in cui il ricorrente lamenta che l'autorità cantonale ha negato arbitrariamente il suo diritto preferenziale ed è caduta in un diniego di giustizia formale.
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public_law
|
nan
|
it
| 1,980 |
CH_BGE
|
CH_BGE_002
|
CH
|
Federation
|
a961a26f-c2a1-49c2-91a4-0831625d237f
|
Urteilskopf
117 V 153
17. Urteil vom 25. Februar 1991 i.S. Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen gegen B. und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
|
Regeste
Art. 14a Abs. 2 und
Art. 14b ELV
,
Art. 4 Abs. 1 BV
.
Die Vermutungsregeln der
Art. 14a Abs. 2 und 14b ELV
entbinden die Verwaltung nicht von der Pflicht, dem Versicherten vor Erlass der Verfügung das rechtliche Gehör zu gewähren.
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Sachverhalt
ab Seite 153
BGE 117 V 153 S. 153
A.-
Der 1943 geborene J. B., fahrender Händler, bezieht seit 1. September 1982 auf der Grundlage eines 50%igen Invaliditätsgrades eine halbe Invalidenrente. Ferner steht er im Genusse von Ergänzungsleistungen, welche, basierend auf einem Bruttoerwerbseinkommen von Fr. 8'800.--, ab 1. Januar 1988 Fr. 1'107.-- im Monat betrugen. Im Rahmen einer Überprüfung des Ergänzungsleistungsanspruchs berücksichtigte die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen, dass die Steuerverwaltung in der Steuerperiode 1987/88 das deklarierte Einkommen von Fr. 8'000.-- ermessensweise auf Fr. 18'000.-- festgelegt hatte. Nach Aufrechnung der persönlichen Beiträge setzte sie daher den Ergänzungsleistungsanspruch unter Anrechnung eines zumutbaren Erwerbseinkommens von Fr. 19'800.-- mit Wirkung ab 1. April 1989 auf monatlich Fr. 548.-- herab (Verfügung vom 16. März 1990).
B.-
Die Ehefrau des Versicherten beschwerte sich hiegegen beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und beantragte die Aufhebung der Herabsetzungsverfügung. Zur Begründung brachte sie sinngemäss vor, J. B. könne kein Einkommen in der
BGE 117 V 153 S. 154
von der Ausgleichskasse angenommenen Höhe erzielen, da er nicht mehr in der Lage sei, mit Möbeln zu handeln, sondern nur noch die Tätigkeit eines Scherenschleifers ausübe.
Vernehmlassungsweise räumte die Kasse ein, aufgrund des Rekurses und einer Stellungnahme der Fürsorgebehörde der politischen Gemeinde U. (nachstehend: Fürsorgebehörde) vom 27. Oktober 1989 erscheine es glaubhaft, dass J. B. nicht imstande sei, ein Bruttoerwerbseinkommen von Fr. 19'800.-- zu erzielen. Mangels hinreichend schlüssiger Anhaltspunkte in den Steuer- und Beitragsunterlagen bleibe nur die Möglichkeit, auf die Angaben der Fürsorgebehörden abzustellen, wonach der Versicherte als Scherenschleifer Fr. 6'000.-- jährlich verdienen könne. Damit aber gelange
Art. 14a Abs. 2 ELV
zur Anwendung, nach welcher gesetzlichen Vermutung dem Rekurrenten ein Erwerbseinkommen von Fr. 12'800.-- im Jahr anzurechnen sei. Diese Vermutung habe J. B. nicht widerlegt, zumal sich aus den in den IV-Akten befindlichen ärztlichen Stellungnahmen ergebe, dass er durch eine leichtere Tätigkeit in der Industrie bei einem 50%igen Arbeitseinsatz ein Jahreseinkommen von Fr. 12'800.-- verdienen könnte. In diesem Sinne sei die Sache zur Neuberechnung der Ergänzungsleistung an die Ausgleichskasse zurückzuweisen.
Das kantonale Gericht erwog, aufgrund der Akten erscheine es glaubhaft, dass der Versicherte nicht in der Lage sei, das verfügungsmässig festgelegte hypothetische Erwerbseinkommen von Fr. 19'800.-- zu erzielen. Indes sei nicht genügend abgeklärt, welche Art von Arbeit ihm zumutbar sei und ob er damit einen Lohn von mindestens Fr. 12'800.-- gemäss
Art. 14a ELV
verdienen bzw. die gesetzliche Vermutung widerlegen könne. Das Gericht hiess deshalb die Beschwerde in dem Sinne gut, dass es die Sache zur Aktenergänzung und zur Neuberechnung der Ergänzungsleistung an die Verwaltung zurückwies (Entscheid vom 23. August 1990).
C.-
Die Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Ergänzungsleistungsanspruch sei, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides, ausgehend von einem anrechenbaren Jahreseinkommen von Fr. 12'800.-- auf monatlich Fr. 871.-- festzusetzen.
Während die Fürsorgebehörde für J. B. auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) deren Gutheissung.
BGE 117 V 153 S. 155
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Kognition)
2.
a) Gemäss
Art. 2 Abs. 1 ELG
haben in der Schweiz wohnhafte Schweizer Bürger, denen eine Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder der Invalidenversicherung zusteht, Anspruch auf Ergänzungsleistungen, soweit ihr anrechenbares Jahreseinkommen einen bestimmten Grenzbetrag nicht erreicht. Dabei entspricht die jährliche Ergänzungsleistung dem Unterschied zwischen der massgebenden Einkommensgrenze und dem anrechenbaren Jahreseinkommen (
Art. 5 Abs. 1 ELG
). Das anrechenbare Einkommen wird nach den Bestimmungen der
Art. 3 ff. ELG
berechnet. Als Einkommen anzurechnen sind danach u.a. Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist (
Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG
in der hier anwendbaren, ab 1987 gültigen Fassung). Mit dieser neuen Regelung, welche die Verhinderung von Missbräuchen bezweckt, soll eine einheitliche und gerechte Lösung ermöglicht werden, indem sich die schwierige Prüfung der Frage fortan erübrigt, ob beim Verzicht auf Einkommen und Vermögen der Gedanke an eine Ergänzungsleistung tatsächlich eine Rolle gespielt hat oder nicht (ZAK 1990 S. 356 Erw. 3a, 1989 S. 569 Erw. 2a, 1988 S. 258, 1987 S. 377 Erw. 2).
b) Mit der zweiten IVG-Revision hat der Bundesrat in
Art. 3 Abs. 6 ELG
die Kompetenz erhalten, nähere Vorschriften über die Anrechnung von Einkommen aus einer zumutbaren Erwerbstätigkeit bei Teilinvaliden zu erlassen. Gestützt auf diese Delegationsnorm hat er in
Art. 14a ELV
(in Kraft seit 1. Januar 1988) bestimmt, dass bei diesen Personen grundsätzlich der Betrag als Erwerbseinkommen anzurechnen ist, den sie im massgebenden Zeitabschnitt tatsächlich verdient haben (Abs. 1). Für noch nicht sechzigjährige Versicherte gelten gemäss Abs. 2 jedoch folgende Mindesteinkommen: der um einen Drittel erhöhte Betrag der Einkommensgrenze für Alleinstehende bei einem Invaliditätsgrad von 40 bis 49 Prozent (lit. a), der Betrag dieser Einkommensgrenze bei einem Invaliditätsgrad zwischen 50 und 59 Prozent (lit. b) und zwei Drittel dieses Betrages bei einem Invaliditätsgrad von 60 bis 66 2/3 Prozent (lit. c). Ausgenommen hievon sind Nichterwerbstätige, deren Invalidität aufgrund von
Art. 27 IVV
festgelegt wurde, und Invalide, die in einer geschützten Werkstätte im Sinne von
Art. 73 IVG
arbeiten (Abs. 3).
BGE 117 V 153 S. 156
c) Nach der Rechtsprechung kann im Hinblick auf die berechtigten Interessen der Vereinfachung und der rascheren Behandlung von Einzelfällen grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es dem teilinvaliden Versicherten vermutungsweise möglich und zumutbar ist, im Rahmen seines von der Invalidenversicherungs-Kommission festgestellten verbliebenen Leistungsvermögens die in
Art. 14a ELV
festgelegten Grenzbeträge zu erzielen. Dies hat eine Umkehr der objektiven Beweislast zur Folge, indem bei unbewiesen gebliebener Unmöglichkeit, dieses Arbeitsvermögen zu verwerten, das dem Invaliditätsgrad des Versicherten entsprechende Erwerbseinkommen angerechnet wird (ZAK 1989 S. 572 Erw. 3c). Die gesetzliche Vermutung kann durch den Beweis des Gegenteils umgestossen werden, indem der Ansprecher auch Umstände geltend machen kann, welche bei der Bemessung der Invalidität ohne Bedeutung waren, ihm jedoch verunmöglichen, seine theoretische Restarbeitsfähigkeit wirtschaftlich zu nutzen. Denn es gibt erfahrungsgemäss Fälle, in denen die Invalidenversicherung zu Recht bloss eine halbe Rente zuspricht, obwohl der Versicherte aus invaliditätsfremden Gründen nicht in der Lage ist, die verbliebene Arbeitsfähigkeit tatsächlich zu verwerten. Müssten sich auch solche Personen die schematisch festgelegten hypothetischen Erwerbseinkommen anrechnen lassen, hätte dies zur Folge, dass
Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG
seines Sinnes entleert würde, da diese Bestimmung nur die Anrechnung von Einkünften vorschreibt, auf die der Ansprecher verzichtet hat. Massgebend für die Berechnung der Ergänzungsleistung ist daher auch unter der Herrschaft des neuen
Art. 14a ELV
dasjenige hypothetische Einkommen, das der Versicherte tatsächlich realisieren könnte (
BGE 115 V 88
; ZAK 1989 S. 571 Erw. 3b).
Bei der Prüfung der Frage, ob dem teilinvaliden Versicherten die Ausübung einer Tätigkeit in grundsätzlicher wie masslicher Hinsicht möglich und zumutbar ist, sind, entsprechend der Zielsetzung der Ergänzungsleistungen, sämtliche Verumständungen zu berücksichtigen, welche die Realisierung eines Einkommens verhindern oder erschweren, wie Alter, mangelnde Ausbildung oder Sprachkenntnisse, aber auch persönliche Umstände, die es dem Leistungsansprecher verunmöglichen, seine verbliebene Erwerbsfähigkeit in zumutbarer Weise auszunützen (vgl. ZAK 1984 S. 98 Erw. 2b).
3.
a) Die Vorinstanz hat die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen, damit sie prüfe, welche Art von Arbeit dem Beschwerdegegner
BGE 117 V 153 S. 157
zugemutet werden und ob er damit ein Einkommen von vermutungsweise Fr. 12'800.-- (
Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV
in Verbindung mit
Art. 2 Abs. 1 ELG
) erzielen könne oder ob er gegenteils in der Lage sei, diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Nach Auffassung der beschwerdeführenden Kasse vereitelt eine solche Rückweisung den mit
Art. 14a ELV
verfolgten Zweck der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung. Dieser lasse sich nur verwirklichen, wenn "auch die Beweisführungslast dem Versicherten" auferlegt werde, zumal das Beweisthema regelmässig dessen Person selber betreffe. Von dieser Betrachtungsweise gehe auch das Eidg. Versicherungsgericht in den Urteilen L. vom 28. April 1989 (
BGE 115 V 88
) und W. vom 21. August 1989 (ZAK 1989 S. 568) aus, habe doch danach der Versicherte Umstände geltend zu machen, welche die gesetzliche Vermutung allenfalls umzustossen vermöchten. Es sei daher nicht Sache der Ausgleichskassen, "nach zusätzlichen, d.h. bisher noch nicht bekannten Umständen zu suchen, welche die gesetzliche Vermutung des
Art. 14a Abs. 2 ELV
widerlegen könnten". Vorliegend sei die Frage der Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens von Fr. 12'800.-- erst im vorinstanzlichen Verfahren aufgetaucht. Da der Versicherte zu diesem Problem in einem Verfahrensstadium habe Stellung nehmen können, in dem die Kasse noch die volle Herrschaft über den Prozessgegenstand besessen habe und deshalb lite pendente auch neu hätte verfügen können, sei diesem "materiell" keine Instanz verlorengegangen. Im übrigen sei sie bis zur Einleitung des Rechtsmittelverfahrens gar nicht in der Lage gewesen, sich mit der Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens zu befassen, "da sie nicht gewusst habe, dass der Beschwerdegegner mit den Fr. 19'800.-- nicht einverstanden war". Indem der Beschwerdegegner seiner "Beweisführungslast" zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des
Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV
ungehindert nachkommen konnte, liege auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.
b) Der Ausgleichskasse ist darin beizupflichten, dass sie im Rahmen von
Art. 14a Abs. 2 und
Art. 14b ELV
nicht von vornherein nach Umständen forschen muss, welche der Erzielung des hypothetischen Einkommens entgegenstehen (
BGE 115 V 93
Erw. 2). Geht aus den Akten nicht hervor, dass der Ansprecher ausserstande ist, die fraglichen Einkommen zu erzielen, darf die Verwaltung bei der Berechnung der Ergänzungsleistung von den in den erwähnten Verordnungsbestimmungen festgehaltenen
BGE 117 V 153 S. 158
Vermutungswerten ausgehen, ohne dass sie von Amtes wegen zunächst Abklärungen in dieser Richtung treffen müsste. Dies entbindet die Verwaltung anderseits nicht von der Pflicht, dem Versicherten auch in diesem Punkt das rechtliche Gehör zu gewähren. Die Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör richtet sich nach der konkreten Situation und Interessenlage im Einzelfall (unveröffentlichtes Urteil S. vom 23. Februar 1989). Einerseits dient das rechtliche Gehör der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht dar (
BGE 116 V 184
Erw. 1a,
BGE 116 Ia 99
Erw. 3b,
BGE 113 Ia 288
Erw. 2b mit Hinweisen). Beabsichtigt die Ausgleichskasse, von den deklarierten oder von den der bisherigen Ergänzungsleistung zugrundeliegenden Erwerbseinkommen abzuweichen und durch die (höheren) hypothetischen Einkommenszahlen der
Art. 14a und b ELV
zu ersetzen, hat sie den Leistungsansprecher vor Erlass der Verfügung darauf hinzuweisen und ihn aufzufordern, hiegegen substantiierte Einwendungen zu machen und soweit als möglich zu belegen, für den Fall, dass er die in Aussicht gestellte Vermutungsfolge der
Art. 14a oder b ELV
nicht gelten lassen will. Bringt er solche Gründe vor, hat die Kasse in Nachachtung des das Verwaltungsverfahren beherrschenden Untersuchungsgrundsatzes (vgl. hiezu
BGE 116 V 26
Erw. 3c, 115 V 142 Erw. 8a mit Hinweisen) von Amtes wegen abzuklären, ob diese geeignet sind, die Vermutung umzustossen (siehe auch Rz. 2084.10 des ab 1. Juli 1990 gültigen Nachtrages 5 zur Wegleitung des BSV über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV). Macht der Versicherte gegen die angekündigte Anrechnung keine Einwendungen oder führen die aufgrund der Einwendungen des Versicherten vorzunehmenden Abklärungen zu keinem schlüssigen Ergebnis, legt die Verwaltung - entsprechend der durch die gesetzliche Vermutung bewirkten Umkehr der objektiven Beweislast (Erw. 2c) - der Ergänzungsleistungsberechnung die hypothetischen Einkommen gemäss
Art. 14a Abs. 2 und 14b ELV
zugrunde.
4.
a) In materieller Hinsicht macht die Kasse geltend, dass es dem Versicherten laut dem von der Invalidenversicherung eingeholten Bericht des Dr. med. S. (vom 4. September 1988) ohne weiteres möglich wäre, eine Halbtagesarbeit im industriellen Bereich auszuüben. Diese Arbeitsleistung könne aber auch von einem Analphabeten erbracht werden, umso mehr als die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt als äusserst günstig zu bezeichnen sei. Die vorgebrachten Umstände erwiesen sich deshalb als
BGE 117 V 153 S. 159
ungeeignet, die gesetzliche Vermutung des
Art. 14a Abs. 2 ELV
zu widerlegen.
b) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdegegner ist Analphabet und hat keine schulische oder berufliche Ausbildung genossen. Auch ist er nie einer geregelten Arbeit im üblichen Sinne nachgegangen, sondern war zeit seines Lebens ein Fahrender. Im Rahmen der Ergänzungsleistung als einer individualisierten Bedarfsleistung sind gegebenenfalls solche besondere Verhältnisse und aussergewöhnliche Lebensumstände zu respektieren. In diesem Sinne wendet sich die Fürsorgebehörde in der Vernehmlassung zu Recht dagegen, "einem derart hilflosen Ergänzungsleistungsbezüger ein hypothetisches Einkommen anzulasten, welches er beim besten Willen bei weitem nicht zu erreichen" vermöge; "ein Augenschein an Ort und Stelle würde dies bestätigen". Es besteht deshalb kein Anlass, dem Beschwerdegegner mehr Einkommen anzurechnen, als er im Jahre 1988, dem nach
Art. 23 Abs. 1 ELV
massgebenden Zeitraum, effektiv verdiente. Auch wenn er nurmehr als Scherenschleifer tätig zu sein scheint, wie seine Ehefrau im vorinstanzlichen Verfahren einwendete, kann doch davon ausgegangen werden, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse dadurch insgesamt keine bedeutende Änderung erfahren haben. Es rechtfertigt sich daher, den Jahresverdienst auf Fr. 8'000.-- festzusetzen. Diesen Betrag (zuzüglich Aufrechnung der persönlichen Sozialversicherungsbeiträge) wird die Ausgleichskasse der Berechnung der Ergänzungsleistung zugrunde zu legen haben, ohne dass es weiterer Abklärungen bedürfte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
| null |
nan
|
de
| 1,991 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a962cd79-e4db-49de-b2af-c860d2518f2b
|
Urteilskopf
100 Ia 454
64. Arrêt de la Chambre de droit public du 18 decembre 1974 dans la cause Duboux contre Vaud, Juge informateur itinérant, Juge d'instruction cantonal et Tribunal d'accusation.
|
Regeste
Post der Untersuchungsgefangenen
1. Es verstösst nicht gegen
Art. 4 BV
, die Post der Untersuchungsgefangenen strenger zu überwachen als jene der Gefangenen in Strafverbüssung (E. I d).
2. Eine Bestimmung, wonach alle Korrespondenzen des Untersuchungsgefangenen ausser jenen mit seinem Verteidiger oder dem Untersuchungsrichter der Zensur unterliegen, verletzt die persönliche Freiheit nicht (E. I f).
3. Die Beschränkungen der persönlichen Freiheit aus dem besonderen Gewaltverhältnis, das zwischen Staat und Gefangenem durch die Einsperrung geschaffen wird, bedürfen keiner ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, soweit sie über das vom Gewaltverhältnis Verlangte nicht hinausgehen und durch objektive Gründe gerechtfertigt sind (E. III a).
4. Wenn auch eine inhaltliche Beschränkung des Briefverkehrs an sich die Verfassung nicht verletzt, so gilt das nicht für das generelle Verbot, sich an bestimmte Kategorien von Empfängern und namentlich an die Massenmedien zu wenden (E. III b).
|
Sachverhalt
ab Seite 455
BGE 100 Ia 454 S. 455
$
A.-
Objet d'une enquête pénale, Marcel Duboux est en détention préventive. Alors qu'il était incarcéré dans les prisons de Morges, le Juge informateur itinérant du canton de Vaud lui a écrit le 29 janvier 1974 "que seul l'art. 37 al. 2" du règlement des maisons d'arrêts, des prisons d'arrondissement, de district et de cercle et des salles d'arrêts de commune (ci-dessous: le règlement) lui était applicable en ce qui concerne la censure du courrier. Le Tribunal d'accusation du canton de Vaud a rejeté le 13 février 1974 la plainte interjetée par Duboux contre cette "décision".
Le 1er mars 1974, Duboux a formé un recours de droit public tant contre la décision du Juge informateur itinérant qu'à l'encontre de l'arrêt du Tribunal d'accusation vaudois.
BGE 100 Ia 454 S. 456
B.-
Le 16 août 1974, le Juge d'instruction cantonal du canton de Vaud, agissant en lieu et place du Juge informateur itinérant absent et constatant que la correspondance de Duboux prenait une ampleur absolument inhabituelle et injustifiée à ses yeux, a rendu une ordonnance en limitant le volume et interdisant tout envoi "à l'intention de la presse, de la radio ou d'autres moyens de communication de masse". Il a refusé le 20 août de modifier ces dispositions qu'il avait, disait-il, "dû prendre pour endiguer le torrent" des correspondances de Duboux. Il a toutefois transmis les réclamations de celui-ci au Tribunal cantonal d'accusation "pour toutes suites utiles".
Le 3 septembre 1974, Duboux a formé un recours de droit public contre les décisions rendues les 16 et 20 août précédents par le Juge d'instruction cantonal. Celui-ci propose d'écarter le recours comme irrecevable.
C.-
Le 22 août 1974, le Tribunal cantonal d'accusation est entré en matière sur les réclamations formulées par Duboux à l'encontre du Juge d'instruction cantonal, en les considérant comme une plainte au sens de l'art. 183 PP. Il a toutefois rejeté celle-ci, estimant que le magistrat instructeur, en vertu du devoir qui lui est imposé de contrôler la correspondance des détenus à titre préventif, peut limiter le volume de celle-ci lorsque, comme en l'espèce, elle est excessive et l'amène de manière durable et peu raisonnable à empiéter sur le temps qu'il consacre habituellement á ses autres fonctions.
Le 30 septembre 1974, Duboux a formé contre cette décision un nouveau recours de droit public pour en demander l'annulation. Comme dans les autres recours, il a demandé l'effet suspensif, qui ne lui a pas été accordé, et le benéfice de l'assistance judiciaire.
Erwägungen
Considérant en droit:
I.
Sur le recours du 1er mars 1974
a) Sous réserve d'exceptions qui ne jouent aucun rôle ici, le recours de droit public a un effet purement cassatoire; le recourant ne saurait dès lors prendre des conclusions tendant à ce que le Tribunal fédéral fixe lui-même la conduite du geôlier en matière de transmission de la correspondance (RO 98 Ia 57 et cit.).
b) Selon une jurisprudence bien établie, le Tribunal fédéral,
BGE 100 Ia 454 S. 457
statuant sur un recours de droit public fondé sur l'art. 4 Cst., n'a en principe à connaître que de la décision rendue par la dernière autorité cantonale, lorsque celle-ci a connu avec pleine capacité d'appréciation de la décision de première instance (RO 96 I 14). Le Tribunal cantonal d'accusation ayant statué sur la plainte du recourant avec un libre pouvoir d'examen, seul son arrêt pouvait faire l'objet d'un recours de droit public.
c) Sur le fond, l'autorité cantonale justifie la décision du Juge informateur en se référant à l'art. 76 du règlement selon lequel le geôlier doit, s'agissant des personnes en détention préventive, se conformer aux ordres spéciaux donnés pendant l'enquête par le Juge informateur. Elle relève en outre que, disposition spéciale, l'art. 37 al. 2 du règlement déroge à la règle générale posée à l'art. 36 qui ne concerne que les détenus condamnés. Cette interprétation conforme au sens apparent du texte réglementaire n'est en tout cas pas arbitraire. Tout au plus pourrait-on hésiter devant la référence qui est faite, à l'art. 36 al. 2, de l'art. 84 du règlement qui concerne les relations entre le prévenu et son conseil durant l'enquête, soit à première vue pendant la détention préventive. En fait, cependant, l'art. 84 a une portée toute générale. Il est d'ailleurs courant que les détenus condamnés gardent des relations avec leur défenseur, par l'intermédiaire duquel ils exercent leur droit de recours, sur le fond, et contre les mesures d'exécution de la peine qu'ils subissent.
d) A s'en tenir à l'interprétation donnée par l'autorité cantonale des art. 36 et 37 du règlement, il apparaît que, sur le plan de la correspondance, le régime du détenu à titre préventif est plus sévère que celui du détenu condamné. Cette situation ne constitue toutefois pas une inégalité de traitement contraire à l'art. 4 Cst., car elle est objectivement fondée. Sans même parler du secret de l'enquête en procédure vaudoise, il est justifié que le magistrat informateur puisse connaître toute la correspondance de l'inculpé (à l'exception de celle qu'il échange avec son défenseur) et soit en mesure d'empêcher celui-ci de s'entretenir sans contrôle de son cas avec le nombre relativement élevé de personnes énoncées à l'art. 36 al. 2 du règlement.
e) Le recourant reproche encore au règlement d'être dénué de base légale en ce qui concerne les dispositions restreignant la correspondance des détenus à titre préventif. Pourtant les
BGE 100 Ia 454 S. 458
dispositions légales sur lesquelles le Conseil d'Etat vaudois s'est fondé pour édicter le règlement en cause sont énumérées en tête de celui-ci. Par ailleurs, le Tribunal fédéral a expressément admis (RO 99 Ia 269 et 286 ss. ch. 13) qu'une autorité exécutive, in casu le Conseil d'Etat zurichois, pouvait valablement réglementer dans le domaine de la censure en cas de détention préventive, en vertu de la compétence qui lui est déléguée par la loi. Le grief est donc mal fondé dans son principe. Comme par ailleurs le recourant ne soutient pas que le Conseil d'Etat vaudois aurait excédé les limites de la compétence que lui conférait la loi, ni que la base légale existante lors de la promulgation du règlement aurait été abrogée, il doit être écarté.
f) Principe fondamental du droit constitutionnel non écrit reconnu même aux détenus à titre préventif (RO 97 I 842), la liberté personnelle ne doit pas être limitée au-delà de ce qu'exigent le but de l'instruction pénale et l'ordre de l'établissement de détention (RO 97 I 52). Il convient dès lors d'examiner si l'art. 37 al. 2 du règlement restreint d'une façon excessive la liberté personnelle du recourant, en permettant que tout le courrier de celui-ci soit soumis à la censure du magistrat informateur. Il n'en est rien, car ce contrôle est une mesure nécessaire pour éviter qu'il ne soit fait obstacle à la bonne instruction de la cause et pour prévenir toute collusion avec des complices ou témoins. La légalité d'une telle mesure n'a jamais été contestée et il a même été jugé qu'elle pouvait s'étendre á la correspondance échangée par l'inculpé avec son avocat, ce qui n'est pas le cas en l'espèce (RO 99 Ia 287 lit. c). A plus forte raison doit-il en être de même s'agissant de destinataires, présentant certes toutes les garanties désirables, mais touchant l'inculpé de beaucoup moins près que son conseil. Ce n'est pas attenter de façon inadmissible à la liberté personnelle de l'inculpé que de l'obliger à réserver ses informations non censurées au magistrat informateur ou à son avocat.
Le recours du 1er mars 1974 doit donc être rejeté dans la mesure où il est recevable.
II.
Sur le recours du 3 septembre 1974
Ce recours est dirigé contre les décisions prises les 16/20 août 1974 par le Juge d'instruction cantonal. Il ne satisfait pas aux conditions posées à l'art. 87 OJ, dans la mesure où il ne
BGE 100 Ia 454 S. 459
vise pas une décision finale prise en dernière instance. En effet, le Juge d'instruction cantonal lui-même a transmis la plainte de l'inculpé au Tribunal d'accusation du Tribunal cantonal vaudois qui, le 22 août 1974, a statué comme autorité judiciaire en qualifiant sa décision d'arrêt et en revoyant librement l'application du règlement. Certes, l'arrêt du 22 août 1974 ne statue pas sur l'interdiction d'adresser du courrier aux moyens de communication de masse, mais on peut admettre qu'il l'a fait implicitement. Le recours est donc irrecevable.
III.
Sur le recours du 30 septembre 1974
a) La Chambre d'accusation du Tribunal fédéral a jugé qu'il n'était pas possible de limiter le volume de la correspondance d'un inculpé détenu préventivement en vertu du droit fédéral, une telle mesure étant incompatible avec le principe de proportionnalité consacré à l'art. 48 PPF (RO 97 IV 71). La Chambre de droit public (RO 99 Ia 286/7) a cependant précisé qu'il n'en allait pas nécessairement de même dans les cas de détention préventive fondée sur le droit cantonal. Elle a donc expressément admis que la règle de l'art. 52 al. 2 de l'ordonnance zurichoise sur les prisons de district (ci-dessous: OZPD), selon laquelle une limitation de la correspondance des détenus à titre préventif ne se justifie que si le volume de celle-ci rend impossible un contrôle efficace, n'est pas critiquable du point de vue constitutionnel. En effet, le droit de l'inculpé à ce que sa liberté personnelle soit garantie dans toute la mesure du possible, pour autant que le but de la détention le permette, ne lui donne pas toute latitude d'entretenir la correspondance qu'il entend. Une limitation, qui tend seulement à protéger les fonctionnaires chargés du contrôle contre une surcharge compromettant leur travail, laisse à l'inculpé une possibilité suffisante d'entretenir des relations avec l'extérieur, pour qu'elle soit reconnue comme proportionnellement admissible au regard de la liberté personnelle.
La législation vaudoise ne connaît pas de disposition analogue à l'art. 52 al. 2 OZPD et l'on ne saurait trouver une justification à la mesure prise par l'autorité vaudoise dans l'art. 76 du règlement. Celui-ci ne constitue en effet pas un blancseing et les instructions données au geôlier en application de cette disposition ne peuvent évidemment déborder le cadre légal ou réglementaire. Cela n'est pas à dire toutefois que la
BGE 100 Ia 454 S. 460
décision cantonale soit inconstitutionnelle, car il a été jugé que toutes les limitations á la liberté personnelle du détenu résultant du rapport de force particulier créé entre l'Etat et lui par l'incarcération ne nécessitaient pas un fondement légal exprès. Là encore, la légitimité de ces atteintes dépend de leur proportionnalité, en ce sens qu'elles ne doivent pas aller au-delá de ce que le rapport de force exige (RO 97 I 842/843). On peut considérer en effet que c'est la légalité de ce dernier qui justifie l'atteinte à la liberté personnelle. Ainsi, la règle admise dans le cadre de l'art. 52 al. 2 OZPD doit-elle être reconnue même en l'absence d'une disposition expresse, comme découlant de l'exigence de la détention préventive même.
Les restrictions apportées au droit du détenu à titre préventif sont donc en principe admissibles. Encore faut-il qu'elles soient justifiées par des raisons objectives fondées sur le but de l'incarcération et sur les possibilités d'un contrôle efficace, fonction du nombre de personnes chargées du travail et du volume de la correspondance de l'ensemble des détenus. Il ne serait en revanche pas tolérable que ces restrictions constituent en réalité une sanction disciplinaire même lorsqu'elles sont ordonnées à l'encontre d'un détenu trop polygraphe, à moins d'être expressément prévues par la loi ou par le règlement.
En l'espèce, l'arrêt attaqué - ni d'ailleurs la décision du Juge d'instruction cantonal - ne donne aucune indication précise sur les inconvénients résultant pour l'administration de l'ampleur de la correspondance du recourant, ni sur les éléments au regard desquels celle-ci pourrait être qualifiée d'excessive. La mesure apparaît donc avant tout comme une sanction disciplinaire réprimant on ne sait quelle infraction et qui relèverait normalement de la compétence du Département cantonal de justice et police (cf. art. 129 lit. c du règlement). Elle doit donc être annulée, faute d'être suffisamment étayée par des motifs pertinents au sens des principes rappelés cidessus.
b) La décision attaquée contient en outre, implicitement, une limitation qualitative du droit de correspondre du recourant, auquel il est interdit d'adresser du courrier à la presse, à la radio et aux autres moyens de communication de masse ainsi que de parler dans ses lettres de son affaire, soit d'autres affaires judiciaires.
BGE 100 Ia 454 S. 461
Le Tribunal fédéral a reconnu la constitutionnalité de l'art. 53 OZPD selon lequel ne seront pas transmises les lettres d'un "contenu inadmissible" (mit ungebührlichem Inhalt), de même que celles se rapportant à une procédure pénale en cours. Il en prescrit toutefois l'interprétation restrictive, en précisant que la transmission de communications ne mettant en danger ni le but poursuivi par l'incarcération (obstacle à une tentative de fuite ou de collusion) ni l'ordre de la maison de détention ne peut être interdite, que le censeur approuve ou non le contenu de ces écrits (RO 99 Ia 288/289).
Pour les mêmes motifs que ceux exposés plus haut, s'agissant de la règle prévue à l'art. 52 OZPD, on doit admettre que des restrictions fondées sur le contenu de la correspondance du détenu à titre préventif peuvent être prises par l'autorité compétente en l'absence d'une base légale expresse: celle de la détention suffit. C'est donc à bon droit qu'il a été interdit au recourant de parler de son affaire ou d'affaires judiciaires en cours, réserve faite bien sûr des communications adressées au défenseur ou aux autorités compétentes, telles que le magistrat instructeur, le Département de justice et police et, éventuellement, le Grand Conseil ou le Conseil d'Etat.
En revanche, et dans la mesure où le courrier du détenu serait conforme à ce qui vient d'être dit, on ne voit pas ce qui pourrait justifier l'interdiction de s'adresser à tel destinataire en particulier et notamment aux moyens de communication de masse, car c'est évidemment le contenu des écrits du détenu et non la personne à laquelle ils sont envoyés qui peut porter atteinte au but poursuivi par la détention préventive. Le recours doit donc être admis sur ce point également.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
1. Rejette en tant qu'il est recevable le recours du 1er mars 1974;
2. Déclare irrecevable le recours du 3 septembre 1974;
3. Admet le recours du 30 septembre 1974 (P 180); renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
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public_law
|
nan
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fr
| 1,974 |
CH_BGE
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CH_BGE_002
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CH
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Federation
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a9642909-01e8-443f-9ff4-775391e3ec4a
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Urteilskopf
134 III 433
71. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_512/2007 vom 17. April 2008
|
Regeste
Art. 21 Abs. 1 BGBB
; Anspruch auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Grundstücks zum doppelten Ertragswert.
Voraussetzungen, unter denen ein Erbe die Zuweisung verlangen kann, der gestützt auf einen Ehevertrag gemeinsam mit seinem Ehepartner Gesamteigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes ist (E. 2.4).
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Sachverhalt
ab Seite 434
BGE 134 III 433 S. 434
E. (Erblasserin) verstarb am 1. Juni 2004 und hinterliess als ihre gesetzlichen Erben ihre vier Kinder A., B., C. und D. Mit eigenhändiger letztwilliger Verfügung vom 20. Oktober 1986 setzte die Erblasserin ihre Tochter A. zu Gunsten ihrer drei Söhne auf den Pflichtteil. Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus den drei landwirtschaftlichen Grundstücken Nrn. 47, 56 und 131, allesamt auf dem Gebiete der Gemeinde G. gelegen, sowie aus diversen Bankguthaben.
F., der Ehegatte von A., hatte bereits am 27. Oktober 1980 vom Ehegatten der Erblasserin, d.h. von seinem Schwiegervater, das landwirtschaftliche Gewerbe "W." gekauft. Am 13. Januar 1999 unterzeichneten die Ehegatten F. und A. einen öffentlich beurkundeten Ehevertrag. In diesem hoben die Ehegatten ihren bisherigen Güterstand (der Errungenschaftsbeteiligung) auf und begründeten neu den Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft. Des Weiteren vereinbarten die Ehegatten in Ziffer VI des Ehevertrages, dass bei Auflösung des vertraglich begründeten Gesamteigentums am Landwirtschaftsbetrieb "W." in Abänderung zu
Art. 36 BGBB
zuerst der Gesamteigentümer F. (Ehemann) verlangen dürfe, dass ihm das landwirtschaftliche Gewerbe zugewiesen werde.
Am 10. Juni 2005 klagte A. (Beschwerdeführerin) gegen ihre drei Miterben (Beschwerdegegner) auf Feststellung des Nachlasses und der erbrechtlichen Quoten sowie auf Zuweisung der drei landwirtschaftlichen Grundstücke und Festsetzung des Ertragswertes. In zweiter kantonaler Instanz wurde ihr Anspruch auf Zuweisung der drei landwirtschaftlichen Grundstücke verneint. Vor Bundesgericht erneuert die Beschwerdeführerin ihren Antrag, ihr die landwirtschaftlichen Grundstücke zum doppelten Ertragswert zuzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.4
2.4.1
Gemäss
Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11)
kann eine Erbin die Zuweisung eines oder mehrerer in einer Erbschaft befindlicher landwirtschaftlicher Grundstücke, die nicht zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehören, zum doppelten Ertragswert verlangen, wenn sie entweder Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Gewerbes ist oder wirtschaftlich über ein solches verfügt (dazu:
BGE 134 III 1
E. 3.4.1 S. 7; BENNO STUDER, in: Das bäuerliche Bodenrecht:
BGE 134 III 433 S. 435
Kommentar zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991, 1995, N. 5 zu
Art. 21 BGBB
). Des Weiteren müssen die Grundstücke im ortsüblichen Bewirtschaftungsbereich dieses Gewerbes liegen.
Gemäss
BGE 134 III 1
E. 3.4.2 S. 7 kann das in
Art. 21 Abs. 1 BGBB
vorgesehene Zugrecht nur ausgeübt werden, wenn der Ansprecher bereits Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes ist, nicht hingegen, wenn ein Teil desselben dazugepachtet wird. Ob unter diesen strengen sachenrechtlichen Eigentumsbegriff auch das Gesamteigentum als Erscheinungsform des (gemeinschaftlichen) Eigentums subsumiert werden kann, hatte das Bundesgericht bis anhin noch nicht zu entscheiden.
2.4.2
Dem Eigentum an einem landwirtschaftlichen Gewerbe ist von Gesetzes wegen die wirtschaftliche Verfügungsmacht über ein solches gleichgestellt. Darunter sind Fälle zu subsumieren, in welchen ein Verfügungsberechtigter aufgrund von (einfachen oder qualifizierten) Mehrheitsbeteiligungen an juristischen Personen, deren Aktiven zur Hauptsache aus einem landwirtschaftlichen Gewerbe bestehen (
Art. 4 Abs. 2 BGBB
), oder aufgrund von vertraglichen oder gesetzlichen Zusicherungen ohne fremde Hilfe Alleineigentum an einem landwirtschaftlichen Gewerbe erwerben kann (vgl.
BGE 134 III 1
E. 3.4.3 S. 8; BRUNO BEELER, Bäuerliches Erbrecht gemäss dem Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht [BGBB] vom 4. Oktober 1991, Diss. Zürich 1998, S. 325). Auch wenn der Gesetzgeber ausschliesslich den Ansprecher, der es selber in den Händen hat, ob er zum Eigentum an einem landwirtschaftlichen Gewerbe gelangt, als zuweisungsberechtigt erachtet (vgl. Botschaft zum BGBB, BBl
BGE 1988 III 1000
f.), kann daraus nicht gefolgert werden, dass die Formen des gemeinschaftlichen Eigentums (Gesamt- oder Miteigentum) nicht unter den Eigentumsbegriff des
Art. 21 Abs. 1 BGBB
fallen können. Entscheidend ist nämlich alleine, ob die Rechtsstellung des gemeinschaftlichen Eigentümers von dauerhafter Natur und damit vergleichbar mit jener eines Alleineigentümers ist. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegner soll mit den Alternativtatbeständen (Eigentum und wirtschaftliche Verfügungsmacht) ausschliesslich die Pacht eines landwirtschaftlichen Gewerbes ausgeschlossen werden (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 1001).
2.4.3
2.4.3.1
Sodann muss geprüft werden, ob die Beschwerdeführerin wirtschaftlich über ein landwirtschaftliches Gewerbe verfügt.
BGE 134 III 433 S. 436
Verfügungsmacht bedeutet, dass die Ansprecherin über ihre wirtschaftliche Position früher oder später und ohne das Zutun von Dritten Eigentum an einem landwirtschaftlichen Gewerbe zu erwerben vermag.
2.4.3.2
Gesamteigentum entsteht ausschliesslich aufgrund von gesetzlich geregelten Tatbeständen (vgl.
Art. 652 ZGB
). Gemäss Ziffer VII des Ehevertrages vom 13. Januar 1999 wurde die Beschwerdeführerin durch Abschluss desselben Gesamteigentümerin der Parzellen Nrn. 17, 102 und 112, ausmachend das landwirtschaftliche Gewerbe "W." und allesamt gelegen auf dem Gebiete der Gemeinde G., mit einer Gesamtfläche von 6,718 ha. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Ehemann der Beschwerdeführerin alleiniger Eigentümer dieses landwirtschaftlichen Gewerbes. Laut Ziffer VI des Ehevertrages hätte der Gesamteigentümer und Ehegatte der Beschwerdeführerin, F., verlangen dürfen, dass ihm bei Auflösung des vertraglich begründeten Gesamteigentums am Landwirtschaftsbetrieb "W." in Abänderung zu
Art. 36 BGBB
das landwirtschaftliche Gewerbe zugewiesen werde. Solch eine Auflösung ist jedoch - im Unterschied zum Miteigentum - nur denkbar, falls die das Gesamteigentum begründende Gütergemeinschaft aufgelöst würde, was ausschliesslich durch den Tod eines Ehegatten, ehevertragliche Vereinbarung eines neuen Güterstandes, Scheidung, Trennung und Ungültigerklärung der Ehe sowie durch Eintritt der gesetzlichen oder gerichtlichen Gütertrennung (vgl.
Art. 236 Abs. 1 und 2 ZGB
) möglich ist. In jedem dieser obgenannten Fälle könnte der Ehegatte der Beschwerdeführerin von sich aus und in Abweichung zur gesetzlichen Regelung (
Art. 36 Abs. 1 BGBB
) zum Alleineigentum am landwirtschaftlichen Gewerbe "W." gelangen.
2.4.3.3
Gemäss
BGE 134 III 1
E. 3.4.3 S. 8 kann nur dann von wirtschaftlicher Verfügungsmacht gesprochen werden, wenn die ansprechende Erbin vertraglich oder gesetzlich zum Alleineigentum gelangen kann. Die Beschwerdeführerin könnte im Falle der Auflösung des Güterstandes der allgemeinen Gütergemeinschaft zum Alleineigentum am landwirtschaftlichen Gewerbe "W." gelangen, wenn die entsprechende Klausel im Ehevertrag zu ihren Gunsten formuliert worden wäre. Es läge somit in ihrer alleinigen Entscheidungsbefugnis, ob sie anlässlich der Auflösung des Gesamteigentums am landwirtschaftlichen Gewerbe dessen Zuweisung verlangte oder nicht. Im vorliegenden Fall wird der Beschwerdeführerin jedoch gar keine Entscheidungsbefugnis eingeräumt, weshalb sie auch nicht über eine wirtschaftliche Verfügungsmacht verfügt, die Voraussetzung zur
BGE 134 III 433 S. 437
Geltendmachung eines Zugrechtes wäre. Somit muss auch gefolgert werden, dass bei Nichtbestehen einer ehevertraglichen Regelung zugunsten eines Ehegatten ebenfalls nicht davon gesprochen werden kann, dass der Ansprecher von sich aus zum Alleineigentum gelangen könnte, weshalb auch diesfalls kein Zugrecht bestünde, zumal die Gütergemeinschaft in der Regel auch gegen den Willen eines Gesamteigentümers aufgelöst werden kann (
Art. 236 ZGB
; vgl. dazu: GEISER, Ehegüterrecht und bäuerliches Bodenrecht, in: Güter- und erbrechtliche Fragen zur einfachen Gesellschaft und zum bäuerlichen Bodenrecht, 2005, S. 103). Gemeinschaftliches Eigentum von zwei Personen mit gleichen Anteilen genügt nach dem Gesagten für die Ausübung des Zugrechts dann nicht, wenn der die Integralzuweisung beanspruchende Gesamteigentümer im Falle der Auflösung des dem Gesamteigentum zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses sein Gesamteigentum verliert.
| null |
nan
|
de
| 2,008 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a9651397-9011-4396-8af4-d2ef4d8dcc99
|
Urteilskopf
141 I 153
15. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Stadt Zürich (Beschwerde in öffentlich- rechtlichen Angelegenheiten)
8C_232/2015 vom 17. September 2015
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Regeste
Art. 8 und 9 BV
; Sozialhilfegesetz und Sozialhilfeverordnung des Kantons Zürich: Anrechnung eines Konkubinatsbeitrages im Sozialhilfebudget.
Die Anrechnung eines Konkubinatsbeitrages im Sozialhilfebudget ist bei Vorliegen eines stabilen Konkubinats weder willkürlich noch verletzt sie das Rechtsgleichheitsgebot (E. 5). Dabei kann nicht entscheidend sein, ob sich der leistungsfähige Konkubinatspartner ausdrücklich bereit erklärt, den Beitrag tatsächlich zu leisten oder nicht (E. 6.2.1).
|
Sachverhalt
ab Seite 154
BGE 141 I 153 S. 154
A.
A.a
Die 1965 geborene A. lebt seit über sieben Jahren mit ihrem Lebenspartner B. und teilweise sechs Kindern (drei von A., zwei von B., je aus früheren Verbindungen, sowie ein im Jahre 2010 geborenes gemeinsames) in Zürich zusammen, wobei zwei Kinder im Verlaufe des Jahres 2013 aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen sind. A. wurde ab 1997 mit Unterbrüchen und seit Mai 2010 erneut von den Sozialen Diensten der Stadt Zürich unterstützt. Ihrem Unterstützungsbudget wurde jeweils ein Konkubinatsbeitrag ihres Lebenspartners in unterschiedlicher Höhe angerechnet, zuletzt bis April 2013 in der Höhe von Fr. 1'548.40.
A.b
Mit Leistungsentscheid vom 17. April 2013 für die Zeit vom 1. Mai 2013 bis 30. April 2014 wurde der Konkubinatsbeitrag auf Fr. 2'755.50 festgesetzt und gestützt auf die Gegenüberstellung von Ausgaben von Fr. 4'249.95 und Einnahmen von Fr. 3'961.50 ein Anspruch von A. auf wirtschaftliche Hilfe im Umfang von Fr. 288.45 pro Monat ermittelt. Die hiegegen erhobene Einsprache wies die Sonderfall- und Einsprachekommission mit Entscheid vom 29. August 2013 ab, soweit sie darauf eintrat. Rekursweise liess A. beantragen, es sei das Verfahren an die Sozialbehörde der Stadt Zürich zurückzuweisen, damit diese den tatsächlich von B. erbrachten Konkubinatsbeitrag ermittle und es sei der Sozialbehörde zu verbieten, einen hypothetischen Konkubinatsbeitrag im Budget einzusetzen. Mit Beschluss vom 3. Juli 2014 wies der Bezirksrat Zürich den Rekurs ab.
B.
Gegen den Beschluss des Bezirksrates liess A. Beschwerde erheben und hauptsächlich beantragen, die Sozialbehörde habe den Konkubinatsbeitrag im Sozialhilfebudget auf Fr. 1'300.- pro Monat zu reduzieren, eventualiter sei das Verfahren an die Sozialbehörde zurückzuweisen, damit diese den tatsächlich von B. erbrachten Konkubinatsbeitrag ermittle. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid vom 29. Januar 2015 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A., in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei von einem rechtlich erzielbaren Einkommen auszugehen, eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung ans Verwaltungsgericht, sub-eventualiter an die Sozialbehörde zurückzuweisen. Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde macht A. zudem geltend, es sei auf eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte, etwa des Willkürverbots (
Art. 9 BV
), des Rechts auf wirtschaftliche Hilfe (
Art. 12 BV
) und
BGE 141 I 153 S. 155
des Grundsatzes der Rechtsgleichheit (
Art. 8 Abs. 1 BV
) zu erkennen. Schliesslich ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Mit der Beschwerde lässt A. neue Akten einreichen.
Die Sozialbehörde der Stadt Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, die Beschwerdeführerin lebe seit mehr als sieben Jahren mit ihrem Partner sowie den Kindern zusammen. Im Jahre 2010 sei der gemeinsame Sohn zur Welt gekommen und der Lebenspartner habe bereits in der Vergangenheit Konkubinatsbeiträge geleistet. Aufgrund dieser Umstände sei ein stabiles Konkubinat zu vermuten. Der Beschwerdeführerin - so die Vorinstanz - sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Von ihrem Lebenspartner könne daher erwartet werden, dass er die Beschwerdeführerin weiterhin in eheähnlicher Art und Weise soweit nötig unterstütze. Auch wenn keine rechtliche Möglichkeit bestehe, den Betrag einzufordern, komme es bei einem stabilen Konkubinat nicht darauf an, ob sich der Partner der Beschwerdeführerin ausdrücklich bereit erkläre, den festgelegten Unterstützungsbeitrag auch tatsächlich zu leisten. Die Berechnung des umstrittenen Konkubinatsbeitrages nach den SKOS-Richtlinien (vgl. E. 4.1 in fine) sei korrekt erfolgt und werde von der Beschwerdeführerin auch nicht weiter beanstandet, weshalb die Anrechnung des monatlichen Betrages von Fr. 2'755.50 bestätigt werde.
3.2
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, der vorinstanzliche Entscheid verstosse gegen das Willkürverbot, indem er auf Tatsachen basiere, die mit den Akten in klarem Widerspruch stünden. Bei ihrem Konkubinat handle es sich um eine weniger intensive bzw. nicht so stabile Beziehung, weshalb kein gegenseitiger Beistand wie in einer Ehe zu erwarten sei. Die Beschwerdeführerin übernehme nicht die Hauptbetreuung des gemeinsamen Sohnes, sondern dieser werde seit September 2012 teilweise bis ganz in einer Krippe betreut. Die massive Erhöhung des Konkubinatsbeitrages habe sodann dazu geführt, dass sich ihr Partner weigere, mehr als den Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'300.- für den gemeinsamen Sohn zu leisten, ohne dass sie rechtliche Möglichkeiten dagegen hätte. Durch die Erhöhung des Beitrages werde dem Lebenspartner der Beschwerdeführerin faktisch zugemutet, dass er auch deren Kinder aus erster
BGE 141 I 153 S. 156
Beziehung unterhalte, für welche er jedoch keine Beistandspflicht habe. Zudem weise die Berechnung des Konkubinatsbeitrages offensichtliche Mängel auf. Das Konkubinatsverhältnis der Beschwerdeführerin sei keine Ehe und auch nicht mit einer Ehe vergleichbar.
3.3
Streitig und zu prüfen ist, ob die Anrechnung des Konkubinatsbeitrages durch die Vorinstanz Bundesrecht verletzt.
4.
4.1
Gemäss Sozialhilfegesetz des Kantons Zürich vom 14. Juni 1981 (SHG; LS 851.1) sorgen die politischen Gemeinden nach Massgabe dieses Gesetzes für die notwendige Hilfe an Personen, die sich in einer Notlage befinden (§ 1 Abs. 1 SHG). Die Hilfe richtet sich nach den Besonderheiten und Bedürfnissen des Einzelfalls und den örtlichen Verhältnissen (§ 2 Abs. 1 SHG). Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe hat, wer für seinen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen mit gleichem Wohnsitz nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Mitteln aufkommen kann (§ 14 SHG; § 16 Abs. 1 der kantonalzürcherischen Verordnung vom 21. Oktober 1981 zum Sozialhilfegesetz [SHV; LS 851.11]). Sie soll das soziale Existenzminimum gewährleisten, das neben den üblichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt auch individuelle Bedürfnisse angemessen berücksichtigt (§ 15 Abs. 1 SHG), und trägt insbesondere den persönlichen und örtlichen Verhältnissen Rechnung (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SHV). Die wirtschaftliche Hilfe bemisst sich nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien; § 17 Abs. 1 Satz 2 SHV). Zu den eigenen Mitteln, die für die Bestreitung des Lebensunterhalts herangezogen werden sollen, gehören alle Einkünfte und das Vermögen der hilfesuchenden Personen und der mit ihnen zusammen lebenden Ehegatten bzw. eingetragenen Partner (§ 16 Abs. 2 SHV).
4.2
Die Sozialhilfe wird vom Subsidiaritätsprinzip beherrscht. Als Grundprinzip im Sozialhilferecht meint die Subsidiarität, dass Sozialhilfe prinzipiell nur gewährt wird, soweit der Einzelne keinen Zugang zu einer anderweitigen, zumutbaren Hilfsquelle hat. Es ist damit Ausdruck der Pflicht zur Mitverantwortung und Solidarität gegenüber der Gemeinschaft, wie sie in
Art. 6 BV
verankert ist. Das Bestehen eines Anspruchs auf Sozialhilfe ist daher mit Blick auf den Subsidiaritätsgrundsatz zu klären (Urteil 8C_110/2014 vom 28. März 2014 E. 3.1.3; vgl. dazu CLAUDIA HÄNZI, Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, 2011, S. 114 f.; CHRISTOPH HÄFELI, Prinzipien der Sozialhilfe, in: Das Schweizerische Sozialhilferecht, 2008, S. 73 ff.).
BGE 141 I 153 S. 157
4.3
Die in einer familienähnlichen Gemeinschaft zusammenlebenden Personen werden in der Regel nicht als Unterstützungseinheit erfasst (SKOS-Richtlinien vom April 2005 [4. überarbeitete Ausgabe] in der ab 1. Januar 2013 geltenden Fassung, Kapitel F.5.1). Leben die Partner jedoch in einem stabilen Konkubinat und wird nur eine Person unterstützt, dürfen Einkommen und Vermögen des nicht unterstützten Konkubinatspartners angemessen berücksichtigt werden (SKOS-Richtlinien Kap. F.5.3;
BGE 140 V 50
E. 3.4.3 S. 55;
BGE 136 I 129
E. 6.1 und 6.2 S. 134 f.;
BGE 129 I 1
E. 3.2.4 S. 6 f.). Ein Konkubinat gilt als stabil, wenn es mindestens zwei Jahre andauert oder die Partner mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (SKOS-Richtlinien Kap. F.5.1). Diese Vermutung ist widerlegbar.
5.
5.1
Das Gebot der Rechtsgleichheit wird verletzt, wenn ein Erlass rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Das Rechtsgleichheitsgebot ist insbesondere verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird, was beispielsweise zutrifft, wenn hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen getroffen werden, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn Unterscheidungen unterlassen werden, die aufgrund der Verhältnisse hätten getroffen werden müssen (vgl.
BGE 140 I 77
E. 5.1 S. 80;
BGE 134 I 23
E. 9.1 S. 42; je mit Hinweisen;
BGE 133 V 569
E. 5.1 S. 570 f.;
BGE 131 I 91
E. 3.2 S. 103).
5.2
Das Konkubinat führt im Gegensatz zur Ehe zu keinen rechtlichen Unterhalts- und Beistandsansprüchen zwischen den Partnern. Trotzdem ist es nach der Rechtsprechung zur Sozialhilfe zulässig bzw. gar geboten und nicht willkürlich, den Umstand eines stabilen Konkubinats in der Bedarfsrechnung zu berücksichtigen. So lässt sich gemäss langjähriger Rechtsprechung die Frage, ob der haushaltführende Partner in einem Konkubinat mit gemeinsamem Kind wirtschaftliche Not leidet und der Unterstützung durch die Allgemeinheit bedarf, nicht unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des erwerbstätigen Partners beurteilen, sondern drängt es sich gar auf, für die Beurteilung des Anspruchs auf Sozialhilfe die Einkünfte beider Partner zu berücksichtigen (vgl. Urteil 8C_356/2011 vom 17. August 2011 E. 2.2 mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 136 I 129
BGE 141 I 153 S. 158
E. 6.2 S. 134 f.). Diesbezüglich bestehen in den Kantonen unterschiedliche Lösungen, wobei es gemäss Rechtsprechung nicht einmal willkürlich ist, die Einkommen der beiden Partner zu addieren (vgl.
BGE 136 I 129
E. 6.2 S. 134 f. mit Hinweisen). Die Berücksichtigung des Einkommens des Partners in einem stabilen Konkubinat heisst nicht, dass dieses einer Ehe gleichgestellt wird. Trotzdem ist es im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, welche bei Personengemeinschaften in der Sozialhilfe angewendet wird, unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit geboten, die Eigenmittel des gefestigten Konkubinatspartners zu berücksichtigen, andernfalls würde der Gedanke der Solidarität und des gemeinsamen Wirtschaftens in den beiden Gemeinschaften ohne hinreichenden Grund ungleich behandelt. Diese Betrachtungsweise basiert auf der tatsächlich gelebten Solidarität in einem gefestigten Konkubinat (vgl. GUIDO WIZENT, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit: Ein Handbuch, 2014, S. 466 f.; kritisch: CLAUDIA KAUFMANN, Beauftragte in Beschwerdesachen, Ombudsfrau der Stadt Zürich, und KARIN ANDERER, beide im Tätigkeitsbericht der Ombudsfrau 2014, S. 46 ff.; HÄNZI, a.a.O., S. 397 ff.). So können aus der Erfahrungstatsache, dass sich Konkubinatspartner gegenseitig im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen, vom Recht anerkannte Ansprüche abgeleitet werden (z.B. Versorgerschaden, Lebenspartnerrente in der beruflichen Vorsorge, vgl.
BGE 140 V 50
E. 3.4, allerdings nur, wenn der Unterhalt tatsächlich geleistet wurde). Eine Verletzung des Gebotes der Rechtsgleichheit ist dabei nicht auszumachen.
6.
6.1
Die Vorinstanz ist - wie bereits erwähnt - vom Vorliegen eines stabilen Konkubinats ausgegangen. Bezüglich Bemessung des Konkubinatsbeitrages hat sie das Vorgehen der Sozialbehörde bestätigt, welche gemäss SKOS-Richtlinien von einem erweiterten SKOS-Budget des Konkubinatspartners ausgegangen ist, das u.a. auch Einkommensfreibeträge, laufende Steuern und Schuldentilgungsraten berücksichtigt.
6.2
Diese Vorgehensweise stellt entgegen den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwänden kein bundesrechtswidriges Verhalten dar.
6.2.1
Angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin seit mehr als sieben Jahren mit ihrem Partner zusammenlebt, sie ein gemeinsames Kind haben und im Unterstützungsbudget seit 2010 ein
BGE 141 I 153 S. 159
monatlicher Konkubinatsbeitrag in der Höhe von Fr. 1'043.90 bis 1'864.65 angerechnet worden ist, erscheint es nicht willkürlich, von einem stabilen Konkubinat auszugehen und weiterhin einen Konkubinatsbeitrag anzurechnen. Die erneut vorgebrachte Behauptung der Beschwerdeführerin, ihr Konkubinat sei in wirtschaftlicher Hinsicht nicht so stabil, vermag daran nichts zu ändern, fehlen dafür doch jegliche Anhaltspunkte. Mit der Vorinstanz kann nach Gesagtem nicht entscheidend sein, ob der leistungsfähige Partner der Beschwerdeführerin sich ausdrücklich bereit erklärt, den Unterstützungsbeitrag tatsächlich zu leisten oder nicht. Andernfalls würde die Aussicht auf Sozialhilfe des einen Partners dazu führen, dass der andere weniger beiträgt, als er ohne diese Aussicht leisten würde, zumal er von der Sozialhilfe für die bedürftige Partnerin ebenfalls profitieren würde. Dies widerspricht dem im Sozialhilferecht geltenden Subsidiaritätsprinzip und der zur Anwendung kommenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Vielmehr ist die bedürftige Partnerin gehalten, die Unterstützung des leistungsfähigen Partners weiterhin erhältlich zu machen. Namentlich kann es in concreto nicht angehen, lediglich noch den Betrag von Fr. 1'300.- pro Monat anzurechnen, welchen der Konkubinatspartner für den gemeinsamen Sohn zu leisten hat und den er sich noch zu zahlen bereit erklärt. Selbst wenn der gemeinsame Sohn seit September 2012 mindestens teilweise in einer Krippe betreut wird, hat die Beschwerdeführerin im massgebenden Zeitpunkt des Einspracheentscheids als hauptsächlich haushaltführende Partnerin zu gelten, was die Berücksichtigung eines angemessenen Konkubinatsbeitrages nicht als willkürlich erscheinen lässt.
6.2.2
Die Berechnung des Konkubinatsbeitrages nach den SKOS-Richtlinien unter Berücksichtigung eines erweiterten SKOS-Budgets des nicht unterstützten Partners verstösst nicht gegen Bundesrecht. Daran ändert nichts, dass neben dem gemeinsamen Sohn noch Kinder aus den ersten Beziehungen der Konkubinatspartner im gemeinsamen Haushalt leben. Namentlich wird dadurch nicht eine Unterstützungspflicht des Konkubinatspartners für nicht gemeinsame Kinder geschaffen. Ein Teil des Grundbedarfs der aus erster Ehe der Beschwerdeführerin stammenden Kinder wird nämlich durch Alimentenbevorschussung und Kinderzulagen abgedeckt; zudem hat der Lebenspartner der Beschwerdeführerin in der Steuererklärung 2012 selber angegeben, er unterstütze auch die Kinder aus der ersten Ehe der Beschwerdeführerin. Die Berücksichtigung dieser Beiträge ist mit Blick auf die Tatsache, dass die
BGE 141 I 153 S. 160
Konkubinatspartner sich zur Gründung eines Haushaltes mit nicht gemeinsamen Kindern entschlossen haben, ebenfalls nicht willkürlich (vgl. auch
BGE 129 I 1
E. 3.1 S. 4).
6.3
Soweit die Beschwerdeführerin schliesslich die konkrete Berechnung des Konkubinatsbeitrages rügt und neue Urkunden auflegen lässt, stellt dies eine neue Tatsachenbehauptung und somit ein unzulässiges Novum im Sinne von
Art. 99 Abs. 1 BGG
dar. Diese Erklärungen hätte die Beschwerdeführerin bereits vor der Vorinstanz vortragen können, waren die entsprechenden Faktoren doch schon in der Berechnung des Konkubinatsbeitrages ersichtlich und der Beschwerdeführerin erläutert worden. Es hat somit nicht erst der Entscheid der Vorinstanz zu den nun vorgebrachten Tatsachen Anlass gegeben. Insoweit die Beschwerdeführerin vor Bundesgericht die konkrete Berechnung des Konkubinatsbeitrages rügt, ist ihr Vorbringen somit unzulässig.
6.4
Zusammenfassend erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden hat.
|
public_law
|
nan
|
de
| 2,015 |
CH_BGE
|
CH_BGE_001
|
CH
|
Federation
|
a969bbeb-d023-467a-b661-9042cf162e43
|
Urteilskopf
124 IV 262
44. Estratto della sentenza della Corte di cassazione penale dell'8 dicembre 1998 in re E llcc c. CR llcc (ricorso per cassazione)
|
Regeste
Art. 270 Abs. 1 BStP
,
Art. 173 ff. StGB
. Legitimation des Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde bei Ehrverletzungsdelikten.
Zur Prüfung der Beschwerdelegitimation ist es nicht notwendig darüber zu entscheiden, ob die Vorwürfe berechtigt sind; denn diese Frage ist Gegenstand der Beschwerde. Wer geltend macht, er sei in der Ehre verletzt worden, ist deshalb beim Bundesgericht zur Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid legitimiert, sofern dieser einem Einstellungsbeschluss im Sinne von
Art. 268 Ziff. 2 BStP
vergleichbar ist (E. 1a und 1b).
Art. 173 f. StGB;
Art. 23 UWG
und 3 lit. a UWG. Ehrverletzung gegen eine grosse Gemeinschaft.
Der Zeitungsartikel, der (sinngemäss aus dem Italienischen übersetzt) den Titel trägt, "ich schneide Dir den Bauch auf, denn Du bist reich und unwissend", und der unterschiedslos gegen alle gerichtet ist, die auf dem Gebiet der Chirurgie tätig sind, stellt weder eine strafbare Ehrverletzung gegenüber Hals-, Nasen- und Ohrenärzten dar (Bestätigung der Rechtsprechung, E. 2a) noch eine Verletzung des UWG (E. 2b).
|
Sachverhalt
ab Seite 263
BGE 124 IV 262 S. 263
A.-
La rivista edita e redatta da O., sul numero di dicembre 1996, ha pubblicato un articolo intitolato "Ti taglio la pancia, sei ricco e ignorante". In questo articolo è stato, in sostanza, asserito che le persone poco istruite ma bene assicurate - vale a dire al beneficio di un'assicurazione ospedaliera in camera privata o semiprivata - sono quelle più esposte al rischio di interventi chirurgici non necessari, se non addirittura inutili. Sul medesimo tema sono state pubblicate le interviste al Dott. Med. P. e all'esperto Q.
B.-
Ritenendosi lesi nel loro onore nonché diffamati, undici medici otorinolaringoiatri ticinesi hanno sporto querela nei confronti di O., P. e Q., accusandoli di calunnia, subordinatamente diffamazione e violazione della Legge federale sulla concorrenza sleale (LCSl; RS 241). La procedura è sfociata, il 24 novembre 1997, in un decreto di non luogo a procedere; osservato il carattere generico dell'articolo e delle interviste - rivolti indistintamente contro tutte le persone che svolgono la professione medica - la Procuratrice pubblica ha infatti negato la legittimazione attiva dei querelanti.
Alla stessa conclusione è giunta la Camera dei ricorsi penali del Tribunale d'appello del Cantone Ticino (CRP), la quale, con decisione del 3 agosto 1998, ha dichiarato irricevibile in ordine l'istanza di promozione dell'accusa inoltrata dagli undici medici.
C.-
Prevalendosi della violazione del diritto federale - segnatamente dell'art. 173 e segg. CP, come pure degli art.i 3, 9 e 23 LCSl - i soccombenti hanno tempestivamente impugnato la sentenza cantonale con ricorso per cassazione al Tribunale federale, postulandone l'annullamento. Non sono state chieste osservazioni sul gravame. Il Tribunale federale ha respinto il ricorso.
BGE 124 IV 262 S. 264
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Il Tribunale federale esamina d'ufficio e con libero potere d'esame l'ammissibilità del rimedio esperito (
DTF 124 I 159
consid. 1 con rinvii).
a) Giusta l'
art. 270 cpv. 1 PP
"la facoltà di ricorrere spetta anche al danneggiato se era già parte nella procedura e nella misura in cui la sentenza possa influenzare il giudizio in merito alle sue pretese civili".
Stando a quanto esposto nell'impugnativa, i ricorrenti paiono direttamente e personalmente toccati dai reati evocati: ciò basta per riconoscer loro la qualità di danneggiato ai sensi dell'
art. 270 cpv. 1 PP
. Ora, è ben vero che una persona può dirsi danneggiata da un'infrazione penale solamente se essa è stata effettivamente commessa e le causa pregiudizio negli interessi giuridicamente protetti. Sennonché queste sono proprio le tematiche che riguardano il merito della controversia e costituiscono l'oggetto del ricorso per cassazione: esse non devono essere decise già allo stadio della ricevibilità. Occorre infatti evitare il circolo vizioso in cui si verrebbe a cadere se - allo scopo di decidere sulla legittimazione ricorsuale del ricorrente - si dovessero esaminare i problemi del merito (CORBOZ, Le pourvoi en nullité interjeté par le lésé, in: SJ 1995 pag. 139). Nel caso concreto, la questione di sapere quali siano gli interessi protetti dalle norme penali invocate dai medici concerne pertanto l'esame di merito del gravame e non quello dell'ammissibilità.
È inoltre pacifico che, per aver causato la decisione impugnata, i ricorrenti erano parte del procedimento cantonale (
DTF 123 IV 184
consid. 1b pag. 182;
DTF 121 IV 207
consid. 1a pag. 210;
DTF 120 IV 38
consid. 2b pag. 40).
Considerato che tale procedimento non aveva raggiunto uno stadio sufficientemente avanzato, non può esser loro rimproverato di non aver ancora fatto valere, in tale ambito, le loro pretese civili (
DTF 123 IV 184
consid. 1b pag. 187;
DTF 122 IV 139
consid. 1 pag. 141;
DTF 120 IV 44
consid. 4a pag. 52).
La sentenza impugnata giunge alla conclusione che i ricorrenti non sono pregiudicati negli interessi protetti dalle norme penali invocate. Negando in questo modo l'esistenza di un reato nei loro confronti, la decisione penale è suscettibile di esercitare un influsso negativo sulle pretese civili di accertamento del diritto, di risarcimento del danno o di riparazione del torto morale che i ricorrenti potrebbero far valere prevalendosi dei reati in quanto atti illeciti
BGE 124 IV 262 S. 265
(cfr. art. 41 cpv. 1 e 49 cpv. 1 CO nonché
art. 9 cpv. 1 LCSl
). A ogni modo la giurisprudenza ha già ammesso che l'esigenza di un effetto negativo sul giudizio relativo alle pretese civili non si applica in presenza di reati contro l'onore; in questi casi, infatti, la stessa condanna penale si presenta come una forma di riparazione civile (
DTF 121 IV 76
consid. 1c pag. 80).
Essendo le condizioni poste dall'
art. 270 cpv. 1 PP
ossequiate, ai ricorrenti dev'essere riconosciuta la legittimazione a ricorrere.
b) Il ricorso per cassazione è ammissibile contro le dichiarazioni di non doversi procedere, emesse in ultima istanza (
art. 268 n. 2 PP
; sulla nozione di dichiarazione di non doversi procedere cfr.
DTF 123 IV 252
consid. 1 pag. 253 e
DTF 122 IV 45
consid. 1c pag. 46).
La sentenza impugnata non configura una dichiarazione di non doversi procedere ma bensì una decisione d'irricevibilità. Ora, le condizioni di ammissibilità di un rimedio giuridico cantonale sono sancite dalla procedura cantonale, la cui violazione non può essere censurata mediante ricorso per cassazione (
art. 269 cpv. 1 PP
;
DTF 123 IV 42
consid. 2a pag. 45;
DTF 120 IV 208
consid. 1 pag. 221 e 217 consid. 2 pag. 221). Nel caso in esame non sembra, tuttavia, che l'inammissibilità sia stata pronunciata per una ragione attinente alla procedura cantonale, ma bensì per un motivo legato al diritto federale, avendo l'autorità d'acchito escluso che i reati allegati siano stati commessi ai danni dei ricorrenti. In queste circostanze, appare dunque giustificato assimilare la querelata decisione a una dichiarazione di non doversi procedere. Ci si potrebbe invero domandare se l'autorità cantonale non avrebbe dovuto respingere l'istanza di promozione dell'accusa, invece di dichiararla inammissibile. La questione non merita di essere approfondita: da una canto essa riguarda il diritto procedurale cantonale e dall'altro non comporta, comunque, alcun vantaggio pratico per i ricorrenti (cfr.
DTF 124 IV 94
consid. 1a e c).
Interposto in tempo utile (
art. 271 cpv. 1 e 2 PP
) e conforme alle prescrizioni di forma necessarie (
art. 273 cpv. 1 PP
), il ricorso si avvera pertanto di principio ammissibile.
c) Il ricorso, di natura cassatoria (
art. 277ter cpv. 1 PP
), può essere fondato unicamente sulla violazione del diritto federale, non invece sulla violazione di diritti costituzionali (
art. 269 PP
).
La Corte di cassazione penale del Tribunale federale non è vincolata dai motivi fatti valere dalle parti (
art. 277bis cpv. 2 PP
), ma non può andare oltre i limiti delle conclusioni presentate dal ricorrente (art. 277bis cpv. 1 prima frase PP).
BGE 124 IV 262 S. 266
Salvo in caso di svista manifesta, la Corte di cassazione penale del Tribunale federale è vincolata dagli accertamenti di fatto dell'autorità cantonale (art. 277bis cpv. 1 seconda e terza frase PP). La motivazione del ricorso non deve criticare accertamenti di fatto né proporre eccezioni ed impugnazioni nuove (
art. 273 cpv. 1 lett. b PP
). Non si tiene pertanto conto delle argomentazioni ricorsuali nella misura in cui la fattispecie ivi descritta si scosta da quella contenuta nella decisione impugnata (
DTF 124 IV 53
consid. 1 pag. 55, 81 consid. 2a pag. 83 e 92 consid. 1 pag. 93).
2.
a) A mente dei ricorrenti nella fattispecie in esame risultano adempiuti i presupposti della calunnia (
art. 174 CP
), sussidiariamente della diffamazione (
art. 173 CP
).
Si tratta di reati contro l'onore (titolo marginale all'
art. 173 CP
). Ora, per poter ammettere una lesione dell'onore occorre che l'offesa sia diretta contro una persona determinata o determinabile, in ogni caso chiaramente riconoscibile (
DTF 100 IV 43
consid. 2 pag. 46). Non è necessario che la persona presa di mira venga designata con esattezza, nominalmente, è sufficiente che sia possibile identificarla (
DTF 117 IV 27
consid. 2c pag. 29 con rinvii).
La vittima di un reato contro l'onore può essere una persona fisica (
DTF 100 IV 43
consid. 1) - così come una persona defunta o scomparsa (
art. 175 CP
) - oppure una persona giuridica o un'altra entità giuridica avente capacità di stare in giudizio (
DTF 114 IV 1
consid. 2a con rinvii), non invece un'autorità o una collettività pubblica (su questo tema cfr. CORBOZ, Les principales infractions, Berna 1997, n. 26 segg. ad
art. 173 CP
e n. 6 ad
art. 174 CP
).
Un oltraggio rivolto ad un insieme di persone - mediante una designazione collettiva - può dar luogo a una lesione dell'onore punibile solo qualora sia diretto contro un gruppo ben determinato e relativamente ristretto, distinto dall'insieme della collettività, di modo che ciascuno dei suoi membri possa sentirsi leso nel suo onore e che il destinatario del messaggio possa capire chiaramente di chi si tratta. Non adempie a tale esigenza un attacco espresso nei confronti di una cerchia di persone mal determinata, ad esempio contro tutti i cacciatori, tutti i cittadini svizzeri, gli ufficiali o i gerenti immobiliari (cfr.
DTF 100 IV 43
consid. 1-4; CORBOZ, op.cit., n. 22 ad
art. 173 CP
). Se non viene definito un limite chiaro, questo modo di vedere può indurre ad escludere, di principio, una lesione all'onore individuale in presenza di un'offesa formulata in maniera generale, all'indirizzo di una classe di persone - che ad esempio pratica una certa religione o esercita una determinata professione - presa nel
BGE 124 IV 262 S. 267
suo insieme e senza alcuna designazione più precisa (
DTF 100 IV 43
consid. 2 pag. 47). Troppo generale, l'oltraggio finisce infatti col diluirsi al punto di attenuarsi considerevolmente e di distogliere il cittadino medio dal ritenere o dal credere ch'esso possa realmente riguardare senza alcuna eccezione tutti gli individui appartenenti alla collettività presa di mira (
DTF 100 IV 43
consid. 3 pag. 48). Non criticata dalla dottrina, questa giurisprudenza risulta a tutt'oggi valida e non v'è ragione di scostarsene (CORBOZ, op.cit., n. 22 e 40 ad
art. 173 CP
; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2a ed., Zurigo 1997, n. 14 prima dell'
art. 173 CP
; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil, 5a ed. Berna 1995, vol. I, § 11 n. 15; REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen, 6a ed., Zurigo 1994, § 44 n. 1.2 pag. 288; SCHUBARTH, Delikte gegen die Ehre, den Geheim- oder Privatbereich und gegen die Freiheit: art. 173-186 StGB, Berna 1984, n. 50 ad
art. 173 CP
).
Nel caso di specie, l'articolo controverso non permette in alcun modo d'identificare personalmente l'uno o l'altro dei ricorrenti. Esso non concerne infatti esclusivamente i medici otorinolaringoiatri dato che evoca egualmente le operazioni di appendicite o asportazione dell'utero. Né si può sostenere che riguarda esclusivamente i medici attivi in Ticino. In definitiva, l'attacco si rivolge - come peraltro ammettono anche i ricorrenti - contro l'insieme dei medici che pratica interventi chirurgici in Svizzera; si tratta pertanto di un'intera categoria professionale che conta centinaia di membri. Una simile offesa appare troppo generica per poter ammettere, sulla scorta dei principi appena enunciati, che ogni medico può sentirsi toccato personalmente. Anche se l'articolo evoca, effettivamente, numerosi abusi, il lettore medio non può dedurne che tutti i medici che eseguono interventi chirurgici agiscono, senza eccezioni, come descritto. Né può stabilire quali siano i medici specialmente presi di mira, così che non gli è possibile identificare qualcuno in particolare o sapere se il suo medico rientra in questa categoria.
Da quanto esposto discende che l'attacco in esame ha un carattere troppo generale per ammettere che si rivolge contro ogni ricorrente singolarmente, ciò che esclude la possibilità di condannare i querelati per calunnia (
art. 173 CP
) o diffamazione (
art. 174 CP
).
b) I ricorrenti si dolgono inoltre di essere stati denigrati in un modo che adempie i requisiti dei combinati disposti 23 e 3 lett. a LCSl.
L'argomentazione ricorsuale misconosce la linea direttrice e la portata della legge federale sulla concorrenza sleale. Come si evince
BGE 124 IV 262 S. 268
dal principio generale enunciato all'
art. 2 LCSl
, la fattispecie della concorrenza sleale presuppone infatti un comportamento tale da influire sui rapporti tra concorrenti o tra fornitori e clienti. La LCSl non si prefigge di proteggere la buona fede in generale, ma bensì di garantire una concorrenza leale (
art. 1 LCSl
). Ciò significa che, ai sensi della LCSl, ha carattere illecito solamente un comportamento diretto alla concorrenza e oggettivamente idoneo a influenzare il mercato (
DTF 124 III 297
consid. 5d pag. 301 seg.;
120 II 76
consid. 3a pag. 78 con riferimenti).
Atteso che i medici detengono il monopolio nel campo della chirurgia, non si vede con quale altro ambito professionale essi potrebbero trovarsi in concorrenza. Non solo. L'articolo si riferisce a tutti i medici che praticano la chirurgia, senza operare una distinzione, fra di essi, suscettibile di influenzare il gioco della concorrenza. L'ipotesi che uno dei medici intervistati abbia voluto trarre un vantaggio personale dall'articolo risulta inoltre insostenibile, avendo egli stesso dichiarato di avere già troppo lavoro. Una simile affermazione non può essere interpretata quale invito alla clientela a rivolgersi a lui invece che ad altri colleghi.
Si deve pertanto concludere che l'articolo - rivolto contro tutti coloro che esercitano l'attività chirurgica - ha un carattere neutro dal profilo della concorrenza, di modo che la violazione invocata si avvera d'acchito priva di fondamento.
3.
(Spese)
| null |
nan
|
it
| 1,998 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
a969cb2e-92c4-4bc4-8276-f9ef269df6f0
|
Urteilskopf
111 IV 12
3. Urteil des Kassationshofes vom 16. Januar 1985 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
|
Regeste
Art. 55 StGB
; Landesverweisung.
Der Strafrichter hat bei der Anordnung der Landesverweisung nicht vorfrageweise zu prüfen, ob die Nebenstrafe sich nach den Bestimmungen des Asylrechts durchsetzen lässt oder ob der Täter nach AsylG die weitere Tolerierung seines Aufenthaltes in der Schweiz beanspruchen kann. Allenfalls aus dem Asylrecht sich ergebende Einwände sind erst in jenem Zeitpunkt zu prüfen, in welchem feststeht, dass die angeordnete Landesverweisung nicht infolge Bewährung bei probeweisem Aufschub weggefallen ist, sondern vollzogen werden muss.
|
Sachverhalt
ab Seite 12
BGE 111 IV 12 S. 12
A.-
X. wurde vom Obergericht des Kantons Zürich am 1. Oktober 1984 wegen unvollendeten Versuchs der vorsätzlichen Tötung, Herausforderung zum Zweikampf und einfacher Körperverletzung zu fünf Jahren Zuchthaus sowie zu einer Busse von Fr. 250.-- verurteilt. Als Nebenstrafe hat das Gericht die Landesverweisung für die Dauer von acht Jahren angeordnet.
B.-
X. führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Hauptantrag, die Anordnung der Landesverweisung sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese keine oder allenfalls eine bedingte Landesverweisung ausspreche; subeventuell sei von der Vorinstanz festzustellen, dass die Landesverweisung jedenfalls nicht durch die Heimschaffung nach Libyen vollzogen werden dürfe.
BGE 111 IV 12 S. 13
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde ist nur die Nebenstrafe der Landesverweisung.
Dass Art und Schwere der begangenen Delikte die Landesverweisung an sich rechtfertigen, wird mit der Beschwerdebegründung nicht in Frage gestellt. Bindungen zur Schweiz, welche im Hinblick auf die Resozialisierungschancen einen Verzicht auf die Landesverweisung nahelegen würden, hat der Beschwerdeführer nicht. Es wird denn auch mit gutem Grund nicht geltend gemacht, die angefochtene Nebenstrafe verstosse gegen Sinn und Zweck von
Art. 55 StGB
.
2.
Die Rüge einer Bundesrechtsverletzung wird ausschliesslich mit Erwägungen des Asylrechts begründet.
a) X. behauptet, er habe Libyen 1980 aus politischen Gründen verlassen; bei einer Rückkehr würde er verfolgt und wahrscheinlich hingerichtet. Gemäss
Art. 45 Abs. 1 AsylG
(SR 142.31) dürfe er zur Ausreise nach Libyen nicht gezwungen werden. Ein besonders schweres Verbrechen oder Vergehen im Sinne von
Art. 45 Abs. 2 AsylG
habe er nicht begangen, der Grundsatz der Nichtrückschiebung (
Art. 45 Abs. 1 AsylG
) komme daher zur Anwendung. Wollte man hingegen annehmen, Abs. 2 von
Art. 45 AsylG
treffe zu und Abs. 1 sei daher nicht anwendbar, so wäre eine Rückschiebung gemäss
Art. 3 EMRK
verboten, weil dem Beschwerdeführer in Libyen eine schwere unmenschliche Behandlung drohe (vgl. W. KÄLIN, Das Prinzip des Non-Refoulement, Diss. Bern 1982, S. 261).
b) Diese Beschwerdebegründung geht davon aus, dass X. als "Flüchtling" im Sinne von
Art. 3 AsylG
zu betrachten sei, was die zuständigen schweizerischen Asylbehörden bis jetzt nicht anerkannt haben, und dass ihm eine Ausreise in ein anderes Land als Libyen nicht möglich sei, was im eingeleiteten, aber negativ verlaufenen Asylverfahren umstritten blieb. Zudem beruht die Argumentation verfahrensrechtlich auf der These, der Strafrichter habe bei Anordnung der Landesverweisung vorfrageweise zu prüfen, ob die Nebenstrafe sich nach den Bestimmungen des Asylrechtes durchsetzen lasse oder ob der Täter allenfalls gemäss AsylG die weitere Tolerierung seines Aufenthaltes in der Schweiz beanspruchen könne.
c) Die Zuständigkeit des Strafrichters zur Beurteilung der asylrechtlichen Einwendungen ist vorweg zu prüfen. Bei diesen asylrechtlichen Argumenten geht es nicht um eigentliche Vorfragen, deren Entscheidung für die Anwendung von
Art. 55 StGB
notwendig
BGE 111 IV 12 S. 14
wäre, sondern es handelt sich um Hindernisse, welche gemäss Asylrecht aus humanitären Gründen dem Vollzug einer Landesverweisung im konkreten Fall eventuell entgegenstehen können (ähnlich wie das Fehlen der Hafterstehungsfähigkeit dem Vollzug einer rechtskräftigen Freiheitsstrafe).
Aus prinzipiellen und aus praktischen Gründen erscheint es weder notwendig noch zweckmässig, dass der Strafrichter sich mit der ihm nicht vertrauten Problematik des Asyl- und Flüchtlingsrechts auseinandersetzt. Die Beurteilung solcher Fragen würde die Gefahr von Widersprüchen zu bereits getroffenen Entscheidungen der zuständigen Asylbehörden mit sich bringen. Wie in der Beschwerdeschrift zutreffend erwähnt wird, kann zwischen der Anordnung der Landesverweisung (im Strafurteil) und deren Vollzug nach Verbüssung einer Freiheitsstrafe ein recht langer Zeitraum liegen, in welchem sich die Verhältnisse in bezug auf Ausreisemöglichkeiten in andere Länder, aber auch in bezug auf die Situation im ursprünglichen Verfolgerstaat grundlegend ändern können. Es wäre verfehlt, die humanitären Gesichtspunkte, welche nach Asylgesetz zu berücksichtigen sind, schon bei der Anordnung der Landesverweisung als mögliche Hindernisse der nach schweizerischem Recht gebotenen Sanktion zu beachten. Viel naheliegender und den wirklichen Erfordernissen besser angepasst ist es, wenn allenfalls aus dem Asylrecht sich ergebende Einwände in jenem Zeitpunkt geprüft werden, in welchem feststeht, dass die angeordnete Landesverweisung nicht etwa infolge Bewährung bei probeweisem Aufschub weggefallen ist, sondern vollzogen werden muss. Dann ist abzuklären, wie die Nebenstrafe durchgeführt werden kann, ohne dass der Grundsatz der Nichtrückschiebung (
Art. 45 AsylG
) verletzt oder gegen
Art. 3 EMRK
verstossen wird.
3.
Die Vorinstanz hat somit gegen keine bundesrechtliche Vorschrift verstossen, indem sie in korrekter Anwendung von
Art. 55 StGB
die Nebenstrafe der Landesverweisung ausfällte und auf asylrechtliche Einwendungen nicht eintrat. Vor dem effektiven Vollzug der Landesverweisung wird rechtzeitig abzuklären sein, in welches Land eine Ausreise möglich ist (vgl.
BGE 110 IV 7
).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
| null |
nan
|
de
| 1,985 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
a96b772d-7729-480a-9eaf-4ea7b3e7fd60
|
Urteilskopf
108 III 107
31. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 23 décembre 1982 dans la cause Griessen (recours LP)
|
Regeste
Arrest; Immunität gegenüber der Vollstreckung.
1. Hat die Immunität gegenüber der Vollstreckung die Vermögenswerte zu schützen, die ein Privater als Konsul von sich aus dem Betrieb der konsularischen Vertretung eines ausländischen Staates zugewiesen hat, wie wenn es sich um dessen eigene Vermögenswerte handeln würde? Frage offen gelassen (Erw. 1).
2. Fehlender Beweis darüber, welches genau der Teil der arrestierten Vermögenswerte ist, der dem konsularischen Dienst zugewiesen worden war (Erw. 2-3).
3. Unterscheidung - aus der Sicht der konsularischen Immunität - zwischen Handlungen eines Honorarkonsuls im Rahmen seiner amtlichen Tätigkeit einerseits und solchen, die mit seinem privaten Leben oder mit seiner beruflichen oder kommerziellen Tätigkeit andererseits zusammenhängen (Erw. 4).
|
Sachverhalt
ab Seite 108
BGE 108 III 107 S. 108
Le 26 octobre 1982, la société Acli Commodity Service S.A. a obtenu un séquestre au préjudice de Jean-Jacques Griessen, Consul honoraire de la République du Tchad à Genève. Parmi les biens à séquestrer figurait un compte no 301 485 Zorro en main de la Banque Cantrade, Ormond, Burrus S.A., ouvert au nom de M. le Consul Jean-Jacques Griessen, à l'adresse du consulat. A cette adresse se trouvent également des bureaux commerciaux où Griessen déploie une activité d'homme d'affaires. Le séquestre a été exécuté le 28 octobre 1982.
BGE 108 III 107 S. 109
Par décision du 10 novembre 1982, l'autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a rejeté la plainte interjetée par Griessen contre l'exécution du séquestre précitée, en tant que celui-ci portait sur le compte litigieux. Elle a constaté que le compte séquestré avait été utilisé par Griessen pour son activité commerciale et professionnelle et que ce dernier n'avait fourni aucune précision sur la nature et l'importance des frais occasionnés par le fonctionnement du consulat qu'il prétendait assumer.
Jean-Jacques Griessen recourt auprès du Tribunal fédéral contre la décision de l'autorité cantonale de surveillance. Il reproche entre autres à cette dernière d'avoir ignoré l'attestation établie par le chargé d'affaires a.i. de l'Ambassade de la République du Tchad à Paris, selon laquelle les fonds actuellement déposés sur le compte litigieux sont destinés à couvrir les frais de fonctionnement du service consulaire de la République du Tchad à Genève. Il invoque la Convention de Vienne sur les relations consulaires du 24 avril 1963, entrée en vigueur pour la Suisse le 19 mars 1967, selon laquelle il bénéficierait, en sa qualité de consul honoraire, de l'immunité d'exécution forcée.
Le Tribunal fédéral rejette le recours, principalement pour les motifs suivants:
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'Office des poursuites est en principe tenu d'exécuter une ordonnance de séquestre telle qu'elle a été rendue par le juge compétent. Toutefois, selon la jurisprudence, le préposé peut, en vertu du pouvoir de contrôle limité qui lui est reconnu à cet égard, refuser d'exécuter une ordonnance de séquestre lorsque celle-ci est affectée d'une irrégularité formelle ou qu'elle n'indique pas, ou pas de manière suffisante, le cas de séquestre ou la personne du créancier ou encore lorsque, de l'aveu même du créancier, les biens à séquestrer appartiennent à des tiers et non au débiteur (
ATF 107 III 36
ss consid. 4 avec références,
ATF 105 III 141
avec références,
ATF 104 III 58
/59). Le préposé peut également refuser d'exécuter le séquestre lorsque les biens à séquestrer appartiennent, de toute évidence ou au dire même du créancier, à un Etat étranger qui les affecte à des tâches publiques, en particulier lorsqu'ils sont destinés au financement de la représentation diplomatique de ce dernier en Suisse où a lieu le séquestre. L'immunité d'exécution protège de tels biens lorsque l'Etat auquel ils appartiennent - fût-il lui-même le débiteur -
BGE 108 III 107 S. 110
les affecte à son service diplomatique ou à d'autres tâches lui incombant comme détenteur de la puissance publique (cf. Circulaire du Département fédéral de justice et police aux Gouvernements cantonaux du 26 novembre 1979 concernant le séquestre de biens d'Etats étrangers, spécialement p. 3 et 4; cf. également Message du Conseil fédéral concernant la convention européenne sur l'immunité du 27 mai 1981, FF 1981 II 939, 949).
La situation est différente lorsque les biens à séquestrer appartiennent non pas à un Etat étranger, mais à un particulier qui déclare de son propre chef, sans y être tenu par une obligation claire et précise, les affecter en tout ou partie au fonctionnement de la représentation diplomatique d'un Etat étranger auprès de l'Etat de résidence; il s'agit en effet d'une décision arbitraire de la part de ce particulier, que ce dernier ne saurait opposer à ses créanciers.
On peut néanmoins se demander si l'on ne devrait pas accorder au particulier qui agit en qualité de consul honoraire ou à un autre titre diplomatique le bénéfice de l'immunité d'exécution sur la partie de ses biens affectée à de telles fins comme s'il s'agissait en réalité de biens appartenant à l'Etat étranger. Une pareille assimilation paraît à première vue douteuse. A tout le moins faudrait-il, pour l'admettre, que la prétendue affectation du patrimoine privé à des tâches publiques soit prouvée immédiatement ou en tout cas rendue vraisemblable tant dans son principe que dans son existence. En l'espèce, il n'est toutefois pas nécessaire de trancher cette question, le recourant n'ayant pas réussi, ainsi qu'on le verra plus loin, à rapporter la preuve d'une telle affectation.
2.
Il est constant que le compte litigieux no 301 485 Zorro appartient au débiteur désigné dans l'ordonnance de séquestre et dans le procès-verbal de séquestre, à savoir Jean-Jacques Griessen personnellement. Lorsque ce dernier prétend aujourd'hui que le fait d'avoir ouvert ce compte à son nom n'implique nullement que les fonds qui s'y trouvent n'appartiennent pas à un Etat étranger, non seulement il remet en cause de manière inadmissible les constatations de fait contenues dans la décision attaquée, mais il se met en contradiction avec ses propres déclarations telles qu'elles figurent au dossier. On doit dès lors admettre que les fonds déposés sur le compte litigieux appartiennent bien au recourant. Il est également constant que ce dernier, à côté de sa fonction de consul
BGE 108 III 107 S. 111
honoraire de la République du Tchad, exerce une activité d'homme d'affaires. L'adresse qu'il possède à ce dernier titre ne se distingue du reste pas de celle du consulat. Sans doute le recourant a-t-il toujours affirmé - et l'attestation établie par le chargé d'affaires a.i. de l'Ambassade du Tchad à Paris compétent également pour la Suisse tend-elle à confirmer - que les fonds déposés sur le compte no 301 485 Zorro servaient en même temps à l'accomplissement de tâches du consulat. Mais il n'en est pas moins vrai que la Banque Cantrade, Ormond et Burrus S.A., auprès de laquelle est ouvert le compte précité, a honoré des traites du recourant qui se rapportaient à son activité commerciale, sans que ce dernier ait jamais prétendu que les fonds ainsi versés à ses créanciers privés provinssent d'autres sources que du compte litigieux. C'est la raison pour laquelle l'autorité cantonale a demandé au recourant des précisions quant à la nature et à l'importance des frais que le fonctionnement du consulat représentait. Or le recourant n'a pas fourni les précisions demandées.
L'autorité cantonale a considéré que s'il avait été possible de déterminer exactement les deniers personnels du recourant qui servent à faire fonctionner le consulat, notamment par la production d'une comptabilité, le séquestre aurait pu être levé dans la mesure où les biens séquestrés étaient affectés au service consulaire. Elle ajoute que, faute de précisions sur ce point, il ne saurait être question de soustraire purement et simplement à la mainmise des créanciers du recourant l'ensemble des biens de ce dernier pour le motif que ceux-ci seraient destinés non seulement au recourant et à son activité d'homme d'affaires, mais également en partie à son activité de consul. Au reste, relève-t-elle, il est douteux que cette activité diplomatique soit très importante et qu'elle puisse entraîner des frais élevés; ainsi, les frais payés pour le loyer du consulat sont certainement partagés par les autres occupants de l'appartement. Quoi qu'il en soit, aux yeux de l'autorité cantonale, l'immunité d'exécution forcée ne peut bénéficier à des biens qui n'appartiennent pas à un Etat étranger et sur lesquels ce dernier ne peut pas faire valoir des droits. Si le recourant met à la disposition de l'Etat tchadien des fonds qui lui appartiennent, ajoute-t-elle, il le fait à bien plaire, sans que la République du Tchad puisse revendiquer ces biens ou exiger que ceux-ci soient couverts par l'immunité d'exécution.
On ne saurait critiquer cette manière de voir. Le seul argument
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que fait valoir le recourant à l'encontre de ce point de vue est que l'Etat étranger qui utilise des biens mis à sa disposition en vue de l'accomplissement d'actes juridiques lui incombant comme détenteur de la puissance publique agit "jure imperii", même si, dans ce cadre, il fait des actes juridiques relevant du droit privé. Cet argument tombe à faux. Il n'est en effet nullement établi, ni même allégué, que la République du Tchad aurait chargé le recourant d'exécuter des actes, relevant du droit privé, en vue de l'accomplissement de tâches qu'elle-même assume en tant que détentrice de la puissance publique et qui seraient à l'origine du séquestre en cause. Non seulement les fonds en question appartiennent au débiteur personnellement, mais ils ne sont de surcroît pas affectés exclusivement à l'activité diplomatique du recourant, mais aussi à son activité commerciale privée. Le séquestre qui les frappe est destiné à garantir une obligation contractée dans le cadre de l'activité d'homme d'affaires du recourant. Ainsi donc, dans la mesure où le recourant réclame l'immunité d'exécution sur la totalité des fonds bloqués sur le compte litigieux, sa revendication apparaît beaucoup trop générale pour qu'il y soit donné suite sous cette forme. Dans la mesure où l'on admettrait de faire bénéficier de l'immunité consulaire des fonds appartenant au recourant personnellement, et non à l'Etat qu'il représente, mais que le recourant aurait affectés à des tâches relevant de la puissance publique de ce dernier sans toutefois y être tenu par une obligation claire et précise, on devrait constater que cette immunité ne pourrait être reconnue en l'espèce, dès l'instant que l'on ignore quelle partie du compte séquestré est affectée aux besoins de l'Etat représenté et qu'il est en revanche constant que le même compte sert aussi à l'activité commerciale privée du recourant.
3.
Il est vrai que l'autorité cantonale ne se prononce pas expressément dans la décision attaquée au sujet de l'attestation du chargé d'affaires a.i. de l'Ambassade de la République du Tchad à Paris. Toutefois, on ne saurait y voir, comme paraît le soutenir le recourant, une erreur ou une inadvertance manifeste de sa part. On pourrait à la rigueur considérer que le grief soulevé à cet égard par le recourant équivaut à invoquer une violation, par l'autorité cantonale, de l'
art. 8 CC
, lequel reconnaît à chaque partie le droit de prouver les faits qu'elle allègue et d'où elle entend déduire son droit. Cette disposition s'applique en effet par analogie à la procédure de plainte selon les
art. 17 ss LP
(
ATF 106 III 50
,
ATF 105 III 116
).
BGE 108 III 107 S. 113
Même si on lui prête cette portée, ce moyen n'est pas fondé. L'autorité cantonale, si elle n'a pas retenu l'affirmation du recourant selon laquelle les fonds déposés sur le compte litigieux serviraient à couvrir les frais de fonctionnement du consulat, n'a nullement, pour autant, ignoré l'attestation en question. Cette dernière n'affirme en effet pas que le compte litigieux sert exclusivement à couvrir les frais de fonctionnement du consulat. L'autorité cantonale a donc pu constater, sans se mettre en contradiction avec la pièce invoquée, que le même compte sert aussi à couvrir les obligations assumées par le recourant en sa qualité d'homme d'affaires privé. Ce faisant, et compte tenu de l'interdépendance (locaux communs, liens financiers) existant entre l'activité consulaire du recourant et son activité d'homme d'affaires, elle n'a contrevenu à aucune disposition du droit fédéral. En particulier, l'
art. 8 CC
, qui règle les conséquences de l'absence de preuve, n'est pas violé lorsque l'appréciation des preuves administrées permet à l'autorité cantonale de constater positivement l'existence ou l'inexistence d'un fait (
ATF 106 III 51
et références citées). Le Tribunal fédéral statuant en instance de réforme ou comme autorité de recours selon l'
art. 19 al. 1 LP
, n'a pas à contrôler une telle appréciation ni les faits en découlant tels qu'ils ressortent de la décision attaquée (cf. art. 63 al. 2 en relation avec l'
art. 81 OJ
). Le recourant ne doit donc s'en prendre qu'à lui-même si l'autorité cantonale n'a pu sans autre, du moment que les fonds servant à faire fonctionner le consulat n'étaient pas clairement et nettement séparés de ses avoirs personnels, prêter foi à ses affirmations ni attacher une portée exclusive à l'attestation - formulée en termes très généraux - de la représentation diplomatique du Tchad à Paris et si elle s'est vue obligée de lui demander des précisions à ce sujet. Il semble du reste que cette opinion soit partagée par le Département fédéral des affaires étrangères, dans la lettre qu'il a adressée le 15 novembre 1982 à l'Office des poursuites du canton de Genève.
4.
On doit concéder au recourant qu'en sa qualité de consul honoraire il jouit également de l'immunité diplomatique et que, partant, il ne peut être soumis à l'exécution forcée chaque fois que - et dans la mesure où - les obligations qu'il a contractées s'inscrivent dans le cadre de sa fonction officielle. Toutefois, il va sans dire qu'une telle immunité ne peut s'étendre à des actes juridiques accomplis par ledit consul à titre privé ou en relation avec son activité professionnelle ou commerciale, ainsi que le relève avec pertinence l'autorité cantonale.
BGE 108 III 107 S. 114
A cet égard, la Convention de Vienne sur les relations consulaires opère elle-même une nette distinction entre ces deux champs d'activité. Il n'est que de citer à cet égard l'art. 61 de cette convention qui garantit l'inviolabilité des archives et documents consulaires, à condition qu'ils soient séparés des autres papiers et documents, en particulier de la correspondance privée du chef de poste consulaire, ainsi que des biens, livres ou documents se rapportant à sa profession ou à son commerce. Comme le relève justement l'autorité cantonale, ce qui vaut pour les archives et documents vaut également pour la comptabilité et les fonds nécessaires au fonctionnement du consulat. En l'espèce, ces fonds étant mélangés aux deniers personnels du recourant, il ne saurait être question d'accorder à celui-ci, sur la base de l'art. 61 précité, une immunité d'exécution forcée indistinctement sur l'ensemble de ses biens. On ne peut que renvoyer, pour le surplus, aux considérations convaincantes contenues dans la décision attaquée au sujet de l'application de cette convention.
| null |
nan
|
fr
| 1,982 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a96d0e01-ed1c-4541-b60a-5ee1b41a024b
|
Urteilskopf
98 Ia 43
8. Auszug aus dem Urteil vom 1. März 1972 i.S. Neth und Felber gegen Baukonsortium Kreuzbühl, Gemeinderat Meggen und Regierungsrat des Kantons Luzern
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Regeste
Bau privater Quartierstrassen, Eigentumsgarantie, derogatorische Kraft des Bundesrechts
Kantonale Ordnung, wonach private Strassen zur Erschliessung von Bauland mangels Einigung der beteiligten Grundeigentümer auf deren Kosten von der Gemeinde erstellt werden können und dieser dafür das Enteignungsrecht erteilt werden kann.
- Diese Ordnung verstösst nicht gegen Bundesrecht (Erw. 2 c).
- Die zweckmässige Erschliessung von Bauland kann auch dann im öffentlichen Interesse liegen, wenn sie den privaten Interessenten überlassen wird (Erw. 3).
- Zulässigkeit der Erteilung des Enteignungsrechts an Private (Erw. 4).
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Sachverhalt
ab Seite 43
BGE 98 Ia 43 S. 43
Aus dem Sachverhalt:
Das Strassengesetz des Kantons Luzern vom 15. September 1964 (StrG) regelt die öffentlich-rechtlichen Verhältnisse an den öffentlichen und privaten Strassen. Gemäss seinem § 2 gibt es
BGE 98 Ia 43 S. 44
verschiedene Arten von Strassen, u.a. öffentliche sowie private Quartierstrassen (Ziff. 4). Quartierstrassen sind vorwiegend dem Ortsverkehr sowie der Erschliessung und Überbauung dienende öffentliche oder private Strassen, die Teile einer Ortschaft miteinander oder mit Kantons- und Gemeindestrassen verbinden (§ 10). Öffentliche Quartierstrassen stehen im Eigentum der Gemeinde und diese trägt dafür die Strassenbaulast (§ 45). § 48 bestimmt:
"Neubau und Korrektion privater Quartierstrassen erfolgen auf Grund genehmigter Bebauungs- und Strassenpläne, und zwar:
1. durch die beteiligten Grundeigentümer nach den Normalien und unter Aufsicht des Gemeinderates,
2. durch die Gemeinde, wenn sich die beteiligten Grundeigentümer nicht verständigen können und ein begründetes Begehren eines oder mehrerer Beteiligter vorliegt. "
Träger der Strassenbaulast für die privaten Quartierstrassen sind die Grundeigentümer, denen durch die Anlage der Strasse Vorteile erwachsen (§ 49).
Strassenbauprojekte sind öffentlich bekannt zu machen und es kann gegen sie beim Gemeinderat Einsprache erhoben werden. Einsprachen sind vom Regierungsrat zu behandeln, der allenfalls den Plan auch zu genehmigen hat (§ 76 in Verbindung mit §§ 68 und 69). Ferner bestimmt § 77 unter dem Marginale "Enteignung" in der Fassung des Enteignungsgesetzes vom 29. Juni 1970:
"Mit der Genehmigung des Strassenprojektes wird dem Träger der Strassenbaulast das Enteignungsrecht erteilt, soweit eine Enteignung zur Erfüllung der Aufgaben aus der Strassenbaulast erforderlich und eine Verständigung nicht möglich ist.
Die für den Erwerb der erforderlichen Rechte zu leistende Entschädigung wird, sofern keine gütliche Einigung zustande kommt, im Schätzungsverfahren gemäss Enteignungsgesetz festgesetzt."
B. - Franz Felber und Hans Neth sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in Meggen. Über die beiden Grundstücke führt als Abzweigung der Schlösslistrasse, einer öffentlichen Strasse, ein Privatsträsschen, der Kreuzbühlweg, der die beiden genannten Grundstücke erschliesst. Ein aus sieben Mitgliedern bestehendes "Baukonsortium Kreuzbühl", hat in einiger Entfernung eine grössere Liegenschaft erworben und sie zum Teil bereits gemäss einem von der Gemeinde Meggen genehmigten privaten Bebauungsplan überbaut. Mit dieser
BGE 98 Ia 43 S. 45
Genehmigung hatte der Gemeinderat die Auflage verbunden, der Kreuzbühlweg sei auf eine Fahrbahnbreite von 5,50 m mit Trottoir als private Quartierstrasse auszubauen. Soweit das Konsortium Kreuzbühl dazu in der Lage war, hat es die Strasse auflagegemäss gebaut. Das vorderste, über die Grundstücke Felber und Neth führende Teilstück konnte es noch nicht ausführen, da es sich mit den beiden Eigentümern nicht einigen konnte. Neth hätte ungefähr 120 m2 seines Grundstückes zu Strassenareal abzutreten, Felder ca. 90 m2. Das Konsortium erstellte auf diesem Abschnitt neben dem bestehenden Weg eine provisorische Baustrasse. In der Folge arbeitete es ein Strassenprojekt aus und unterbreitete es der Gemeinde mit dem Ersuchen, es sei zu genehmigen und die Strasse in Anwendung von § 48 Ziff. 2 StrG von der Gemeinde zu bauen. Der Gemeinderat beschloss daraufhin am 1. März 1971, das noch fehlende Teilstück der privaten Quartierstrasse Kreuzbühlweg werde nach § 48 Ziff. 2 StrG durch die Gemeinde auf Kosten der Grundeigentümer, denen durch die Strasse Vorteile erwachsen, gebaut; ferner ordnete er die öffentliche Bekanntmachung des Strassenprojektes an.
Einen von Neth und Felder gegen diesen Gemeinderatsbeschluss eingereichten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Luzern am 8. Oktober 1971 ab. Er stellte fest, der geplante Weg erschliesse ein Baugebiet mit etwa 30 Einfamilienhäusern, verbinde diese mit der Schlösslistrasse, einer Gemeindestrasse, und sei somit eine Quartierstrasse. Das Vorgehen nach § 48 Ziff. 2 StrG setze nicht voraus, dass alle Eigentümer mit der geplanten Strasse einverstanden seien. Der Zweck der Bestimmung bestehe darin, die Erschliessung von Bauland zu fördern und zu verhindern, dass Eigentümer, deren Land für den Strassenbau beansprucht werden müsse, dies verunmöglichten oder zur Durchsetzung übersetzter Landpreise und Entschädigungsforderungen ausnützten. Es liege im öffentlichen Interesse, dass das in Frage stehende Land strassenmässig vernünftig erschlossen werden könne. Werde das Strassenprojekt vom Regierungsrat genehmigt, sei damit dem Träger der Strassenbaulast das Enteignungsrecht eingeräumt, das von der Gemeinde stellvertretend ausgeübt werden könne.
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragen Hans Neth und Franz Felder, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben. Sie machen Verletzung der Eigentumsgarantie nach
BGE 98 Ia 43 S. 46
§ 9 KV, des
Art. 4 BV
und des Art. 2 der Übergangsbestimmungen zur BV geltend.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die gesetzliche Pflicht, die Strassenbaulast für den Bau und Unterhalt einer privaten Quartierstrasse auch ohne ein entsprechendes Einverständnis übernehmen oder für den Bau wenigstens Grundeigentum zur Verfügung stellen zu müssen, stellt eine öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung dar, und zwar auch insoweit, als sie die Beteiligung an einem an sich privaten Unternehmen verlangt. Öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen dürfen nach
Art. 22ter BV
dem Eigentümer nur auferlegt werden, wenn für sie eine gesetzliche Grundlage besteht und sie im öffentlichen Interesse liegen. Sie müssen, falls sie in ihren Wirkungen einer Enteignung gleichkommen, gegen Entschädigung erfolgen. § 9 der Staatsverfassung des Kantons Luzern vom Jahre 1875, den die Beschwerdeführer anrufen, hat keinen über die bundesrechtliche Eigentumsgarantie hinausgehenden Inhalt und ist deshalb neben
Art. 22ter BV
ohne selbständige Bedeutung.
b) Ob eine gesetzliche Grundlage für einen staatlichen Eingriff in das Eigentum vorhanden ist, prüft das Bundesgericht frei, wenn der Eingriff besonders schwer ist, im übrigen aber nur auf Willkür hin (
BGE 96 I 133
E. 3). Der zwangsweise Einbezug in ein Unternehmen, das die Anlage einer privaten Strasse bezweckt, die auch dem Betroffenen selbst dient, wie § 48 Ziff. 2 StrG ihn vorsieht, stellt im allgemeinen keinen schweren Eingriff in die Rechte des Eigentümers dar. Das ist umsoweniger der Fall, als eine damit allenfalls verknüpfte Enteignung nur gegen Entschädigung erfolgen darf, wie das im vorliegenden Fall unbestritten ist (vgl. auch den Einbezug in eine Baulandumlegung,
BGE 96 I 133
, E. 3). Ob eine gesetzliche Grundlage für den Einbezug in ein Unternehmen nach § 48 Ziff. 2 StrG besteht, ist daher an sich nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür zu überprüfen. Dagegen stellt der zwangsweise Entzug von Grundeigentum in der Regel einen schweren Eingriff in die Rechtsstellung des betroffenen Eigentümers dar. Da das Verfahren nach § 48 Ziff. 2 StrG eine Voraussetzung für eine allenfalls notwendige Enteignung und mit dem Verfahren nach § 76 f. ein funktionelles Ganzes bildet,
BGE 98 Ia 43 S. 47
rechtfertigt es sich, frei zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid, der aller Voraussicht nach zu einer Enteignung führen wird, auf einer gesetzlichen Grundlage beruht.
c)
Art. 702 ZGB
stellt es in der Form eines unechten Vorbehaltes den Kantonen anheim, Beschränkungen des Grundeigentums zum allgemeinen Wohl, d.h. im öffentlichen Interesse, aufzustellen und zwar unter anderem auch über das Strassenwesen.
Art. 703 ZGB
verhält die Kantone sodann, für Bodenverbesserungen, zu denen auch die Anlage von Wegen gehört, gegebenenfalls widerstrebende Einzelne in Zwangsgemeinschaften einzubeziehen, sofern die in Abs. 1 dieses Artikels angeführten Voraussetzungen gegeben sind. Nach Abs. 3 kann die kantonale Gesetzgebung die Durchführung solcher Bodenverbesserungen darüber hinaus erleichtern und die entsprechenden Vorschriften auf Baugebiet anwendbar erklären. Der Kan.. ton Luzern hat von dieser Möglichkeit in § 48 Ziff. 2 StrG Gebrauch gemacht, indem er in den Fällen, in denen Weganlagen im Baugebiet wegen des Widerstandes einzelner Eigentümer scheitern würden, den Gemeinden die Befugnis erteilt, den Bau zu Lasten der Eigentümer selber an die Hand zu nehmen. Schon auf Grund dieser bundesrechtlichen Ordnung erledigt sich die von den Beschwerdeführern vor allem mit Berufung auf
Art. 64 BV
vorgebrachte Behauptung, der angefochtene Entscheid verletze Art. 2 der Übergangsbestimmungen zur BV. § 48 Ziff. 2 StrG bezweckt nichts anderes als eine bundesrechtlich erwünschte erleichterte Anlage von Wegen im Baugebiet im Interesse einer angemessenen Erschliessung desselben. Dem Bundesgesetzgeber ist es jedenfalls dabei nicht entgangen, dass auch mit dem nachbarrechtlichen Anspruch auf einen Notweg eine minimale Erschliessung erzwungen werden könnte; er ist aber bewusst darüber hinaus gegangen. Die in § 48 Ziff. 2 StrG enthaltene kantonale Regelung als solche ist daher nicht verfassungswidrig und stellt eine genügende gesetzliche Grundlage für die den Beschwerdeführern auferlegte Verpflichtung dar, die Strassenbaulast für das von der Gemeinde zu erstellende Teilstück des Kreuzbühlweges zu übernehmen oder wenigstens Land dafür abzutreten.
d) (Abweisung des Einwands, dass die Einleitung des Verfahrens nach § 48 Ziff. 2 StrG nur aufgrund von genehmigten Strassenplänen erfolgen könne).
3.
Das Bundesgericht prüft im weitern frei, ob öffentlichrechtliche
BGE 98 Ia 43 S. 48
Eigentumsbeschränkungen oder Enteignungen durch das öffentliche Interesse gedeckt sind (
BGE 96 I 559
E. 3 a). Für die vorgesehene Strassenanlage ist das öffentliche Interesse in zweifacher Hinsicht gegeben. Die Strasse hat einmal der rationellen Erschliessung von Bauland zu dienen. Die zweckmässige Erschliessung von Bauland gehört aber heute zu den Aufgaben, die im öffentlichen Interesse liegen (
BGE 90 I 332
E. 3 a a mit Hinweis; IMBODEN, Verwaltungsrechtsprechung Nr. 433 II a; MEYER-HAYOZ, Syst. Teil, N. 223 d). Das trifft selbst dann zu, wenn die Erstellung von Erschliessungsstrassen zugleich auch die privaten Interessen der Anstösser fördert. Bei Strassenbauten steht das öffentliche Interesse im allgemeinen solange im Vordergrund, als es mehrere Grundstücke zu erschliessen gilt oder die Erschliessung im Hinblick auf die Schaffung einer grösseren Zahl von Wohnstätten erfolgt. Vorsorge für eine zweckmässige Bodennutzung und Besiedlung des Landes zu treffen, ist sogar eine Bundesaufgabe (
Art. 22quater BV
). Im vorliegenden Fall soll die neue Strasse eine grössere Anzahl von Wohnstätten erschliessen. Ob es sich dabei um Luxusbauten handelt, wie die Beschwerdeführer behaupten und die Beschwerdegegner bestreiten, kann, weil unwesentlich, dahingestellt bleiben. Die Beschwerdeführer haben auch nicht nachgewiesen, dass der Einbezug in das Strassenbauunternehmen, sei es als Träger der Strassenbaulast, sei es als blosse Enteignete, sie unverhältnismässig belaste und dass eine andere Strassenführung sie weniger schwer belasten würde. Sie können sich der Strassenführung zudem noch im Strassenprojektverfahren widersetzen.
Im weitern besteht aber auch ein öffentliches Interesse der Gemeinde an einer genügenden und zweckmässigen Zufahrt zu dem im Bau begriffenen Quartier mit Rücksicht auf die öffentlichen Dienste, wie z.B. Brandschutz, Kehrichtabfuhr, Schneeräumung usw., die die Gemeinde den Bewohnern des Quartiers zu erbringen hat. Die Gemeinde hat deshalb auch die Erschliessung durch eine ordnungsgemässe Strassenanlage zur Bedingung für die Überbauung gemacht und damit das öffentliche Interesse, das sie an der privaten Quartierstrasse nimmt, bekundet.
Die Beschwerdeführer wenden ein, wenn es tatsächlich mit dem Strassenbau ein öffentliches Interesse zu befriedigen gelte, wäre es Sache der Gemeinde, die Quartierstrasse als öffentliche
BGE 98 Ia 43 S. 49
Gemeindestrasse zu bauen. Allein der Umstand, dass das StrG die Sorge für den Bau von Quartierstrassen zum Teil den privaten Interessenten überlässt, schliesst nicht aus, dass der Bau im öffentlichen Interesse liegt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber, je nach der Bedeutung der Strassenverbindung, die Strassenbaulast dem Gemeinwesen oder den Privaten auferlegt. Ob die eine oder die andere Möglichkeit gewählt werden muss, wird häufig von der wirtschaftlichen Kraft der Gemeinde abhängen. Es ist dabei eine Stufenfolge von Gestaltungsmöglichkeiten denkbar und statthaft. Auch wenn das Gemeinwesen den Strassenbau als eigene Aufgabe betrachtet, steht es ihm z.B. frei, Privaten, die aus der Strasse einen Vorteil ziehen, die Bau- und Unterhaltskosten ganz oder teilweise aufzuerlegen (vgl. §§ 43 und 47 StrG). Das StrG stellt hier zutreffend auf den Grad des an einer Strasse bestehenden öffentlichen Interesses ab. So sieht z.B. § 50 vor, dass die Gemeinde an den Bau und Unterhalt privater Quartierstrassen Beiträge leisten kann, sofern das öffentliche Interesse daran ein erhebliches ist.
4.
Die Beschwerdeführer beanstanden schliesslich, dass Private Träger der Strassenbaulast und damit auch des Enteignungsrechtes werden können. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall die Enteignung durch die Gemeinde, allerdings in einer Art Vertretung der Baulastträger, durchgeführt wird, verstösst es nicht gegen die Eigentumsgarantie oder gegen
Art. 4 BV
, wenn das Enteignungsrecht Privaten übertragen wird. Erforderlich ist bloss, dass das von den Privaten zu erstellende Werk im öffentlichen Interesse liegt (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 365, LAFONT, Die Subjekte der Enteignung, Diss. 1931, S. 12 ff.). Die aus § 77 StrG in Verbindung mit § 48 Ziff. 2 StrG fliessende Ordnung steht im übrigen auch in Einklang mit § 4 Abs. 2 des luzernischen Enteignungsgesetzes vom 29. Juni 1970.
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public_law
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nan
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de
| 1,972 |
CH_BGE
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CH_BGE_002
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CH
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Federation
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a9735489-840c-4b1f-8057-6851450ba040
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Urteilskopf
105 V 241
52. Extrait de l'arrêt du 14 novembre 1979 dans la cause D. contre Caisse cantonale genevoise de compensation et Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS
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Regeste
Art. 1 Abs. 1 lit. a und
Art. 3 Abs. 2 lit. b AHVG
. Unterstellung und Befreiung einer in der Schweiz wohnhaften, nicht erwerbstätigen Schweizerin, deren ausländischer Ehemann der AHV nicht angehört.
Art. 10 AHVG
und 28 f. AHVV. Bemessung der von einer solchen Versicherten geschuldeten Beiträge.
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Sachverhalt
ab Seite 241
BGE 105 V 241 S. 241
Résumé des faits:
Raymond D., né à Genève, a versé des cotisations à l'AVS suisse jusqu'au 11 mars 1957. Entré à cette date au service de l'Organisation européenne pour la recherche nucléaire (CERN), il cessa de cotiser. Le 27 juin 1975, il demanda d'être réaffilié à l'AVS; cela lui fut refusé, parce qu'il était un étranger bénéficiant d'exemptions fiscales particulières au sens de l'
art. 1er al. 2 let. a LAVS
. Le Tribunal fédéral des assurances confirma ce refus dans un arrêt du 22 septembre 1977.
De son côté, Nelly D., son épouse, qui avait elle aussi cotisé avant et durant son mariage, avait demandé conjointement avec son mari d'être réintégrée dans l'AVS. La Caisse cantonale
BGE 105 V 241 S. 242
genevoise de compensation le lui refusa par décision du 28 janvier 1976; elle considéra qu'en qualité d'épouse suisse d'un fonctionnaire international étranger la requérante n'avait ni l'obligation ni la possibilité de cotiser aux assurances sociales suisses AVS/AI/APG, alors qu'elle n'exerçait pas d'activité lucrative. Statuant sur un recours de la prénommée, la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS annula le 8 septembre 1976 la décision précitée, dit que la recourante avait la qualité d'assurée et invita la caisse de compensation à fixer les cotisations dues par l'intéressée comme personne sans activité lucrative.
Dans une lettre du 5 novembre 1976, la caisse de compensation, afin de déterminer la cotisation de Nelly D., lui demanda quelle était sa fortune personnelle en date des 1er janvier 1974, 1975 et 1976, ainsi que le montant brut des salaires touchés par son mari pour les années 1973 à 1976. L'assurée répondit qu'elle ne possédait aucune fortune et, quant au traitement de son époux, elle invita la caisse à se renseigner directement auprès de ce dernier. La caisse somma Nelly D., le 21 juin 1977, de lui fournir dans les dix jours les renseignements qui permettraient d'établir ses conditions sociales, conformément à l'
art. 10 LAVS
, à savoir les salaires du mari de 1973 à 1976, faute de quoi elle serait taxée d'office. La prénommée refusa de donner suite à cette injonction. Passant à la taxation d'office, la caisse de compensation évalua à 40'000 fr. par an le traitement de Raymond D., estima que celui-ci devait en consacrer la moitié à l'entretien de sa femme; elle évalua donc à 20'000 fr. le revenu acquis par l'assurée sous forme de rente et à 600'000 fr. (20'000 fr. x 30) le montant déterminant les cotisations, qu'elle fixa par trois décisions du 1er août 1977.
Nelly D. recourut contre les actes administratifs précités.
Le 13 octobre 1978, la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS admit partiellement le recours. Elle enjoignit à la caisse de compensation de traiter comme revenu déterminant de la recourante 40% et non la moitié du salaire supposé du mari, donc 16'000 fr. au lieu de 20'000 fr.
Agissant au nom de l'assurée, Me J. a formé en temps utile un recours de droit administratif contre le jugement cantonal. Il conclut à ce que le Tribunal fédéral des assurances annule les décisions attaquées et à ce qu'il prononce que la recourante doit, pour les années 1973 à 1977 et aussi longtemps qu'elle
BGE 105 V 241 S. 243
n'aura pas une activité lucrative, uniquement la cotisation AVS/AI/APG minimale.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Suivant le jugement du 8 septembre 1976 de la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'AVS, qui n'a pas fait l'objet d'un recours, la Suissesse domiciliée en Suisse qui n'exerce pas d'activité lucrative et dont le mari étranger n'est pas affilié à l'AVS/AI/APG y est affiliée, elle, obligatoirement en vertu de l'
art. 1 al. 1 let. a LAVS
. Comme elle n'est pas l'épouse d'un assuré, l'
art. 3 al. 2 let. b LAVS
ne la dispense pas de cotiser. Ce jugement n a à juste titre pas été déféré au Tribunal fédéral des assurances, car il était à l'évidence fondé au regard du texte clair de la loi. Semblable solution est au demeurant justifiée, si l'on pense au sort réservé aux épouses sans activité lucrative dans le domaine de l'assurance facultative.
2.
En vertu de l'
art. 10 al. 1 LAVS
, les assurés n'exerçant aucune activité lucrative paient une cotisation de 168 à 8'400 fr. par an "suivant leurs conditions sociales". Ces montants étaient de 78 à 7'800 fr. de 1973 à 1978. L'
art. 10 al. 3 LAVS
délègue au Conseil fédéral la compétence d'édicter des règles plus détaillées sur le calcul des cotisations. C'est ce que l'autorité exécutive a fait au moyen des art. 28 à 30 RAVS. Elle y concrétise la notion des conditions sociales en prescrivant de fixer les cotisations sur la base de la fortune et du revenu annuel acquis sous forme de rente multiplié par 30 (
art. 28 al. 1 RAVS
). Le Tribunal fédéral des assurances a toujours admis la légalité de cette solution (voir p. ex. RCC 1965, p. 93, 1969, p. 340; voir aussi
ATF 99 V 145
,
ATF 100 V 26
, 202,
ATF 101 V 177
,
ATF 103 V 49
,
ATF 104 V 181
; RCC 1975, p. 29). La notion de rente doit être interprétée ici dans le sens le plus large: ce qui est décisif, c'est que les prestations en cause influencent les conditions sociales d'une personne sans activité lucrative (RCC 1975, p. 29).
La Cour de céans n'a pas eu l'occasion de se prononcer sur le rapport qui peut exister entre le revenu et la fortune du mari, d'une part, et les conditions sociales - au sens de l'
art. 10 al. 1 LAVS
- de l'épouse, d'autre part. Elle n'a statué que dans la situation inverse, et dit que la base de calcul des cotisations
BGE 105 V 241 S. 244
personnelles AVS/AI/APG dues par le mari sans activité lucrative s'étend aussi à la fortune de l'épouse (voir p. ex.
ATF 103 V 49
; RCC 1969, p. 340, 1977, p. 402), fût-elle mariée sous le régime de la séparation de biens (
ATF 103 V 49
;
ATF 98 V 92
; RCC 1977, p. 402), cela même s'il se refuse à en tirer profit (
ATF 103 V 49
). Elle comprend en outre la fortune des enfants mineurs et leurs revenus (
ATF 103 V 49
;
ATF 101 V 177
).
Jusqu'ici, le Tribunal fédéral des assurances n'a pas non plus examiné si le salaire du conjoint doit influer sur les conditions sociales de l'assuré sans activité lucrative.
3.
En l'occurrence, la caisse de compensation a fixé d'office le montant du salaire du mari de la recourante, parce qu'elle ne pouvait obtenir ce renseignement ni de cette dernière ni des autorités fiscales (
art. 29 al. 2 RAVS
). L'intéressée ne conteste pas devant le Tribunal fédéral des assurances la légitimité d'une taxation d'office. Elle n'a jamais allégué que le montant de cette taxation fût excessif.
Le présent litige soulève dès lors trois problèmes: la fortune et le revenu du mari doivent-ils influer sur le calcul de la cotisation de l'épouse sans activité lucrative, valablement affiliée à l'assurance comme il a été dit plus haut? Si oui, le salaire du mari est-il compris dans ledit revenu? Si oui, dans quelle proportion cet élément doit-il être porté en compte? Vu leur importance, ces questions ont été soumises à la Cour plénière, qui les a tranchées comme il sera exposé ci-après.
4.
Puisque les biens de l'épouse et ses revenus acquis sous forme de rente doivent être pris en considération pour arrêter la cotisation du mari sans activité lucrative, il est logique d'admettre la réciproque, à savoir que les biens du mari et ses revenus acquis sous forme de rente entrent dans le calcul de la cotisation de l'épouse sans activité lucrative. Car, dans les deux cas, la situation sociale du conjoint sans activité est influencée par les biens et revenus dont dispose l'autre conjoint.
5.
a) Plus délicate est la question de l'inclusion du salaire de l'époux actif dans le calcul de la taxation de l'épouse non active. Aux termes de la disposition sous chiffre marginal 269 des Directives de l'Office fédéral des assurances sociales sur les cotisations des travailleurs indépendants et des non-actifs, les revenus acquis sous forme de rente comprennent les revenus périodiques acquis en Suisse et à l'étranger qui ne sont ni le produit d'un travail ni le rendement d'une fortune. L'énumération,
BGE 105 V 241 S. 245
à vrai dire exemplaire, qu'on trouve sous chiffre 270 ne mentionne pas le produit du travail du conjoint. Pourtant, dans sa réponse au présent recours, ledit office propose de tenir compte du salaire du mari de la recourante pour fixer la cotisation AVS de cette assurée. La contradiction entre cette proposition et les directives susmentionnées n'est qu'apparente: ces dernières se placent du point de vue des revenus périodiques dont jouit l'assuré sans activité lucrative qui ont une autre source que l'entretien et le confort qu'apporte le conjoint. La prise en considération de cette dernière source de "revenu" provient plutôt de la pratique et de la jurisprudence. Or, dès l'instant où l'on admet que la personne mariée retire, dans le cours normal des choses, un avantage de la fortune et des revenus du conjoint et qu'on décide d'inclure cet avantage dans sa taxation AVS d'assuré sans activité lucrative, il est équitable de tenir compte du salaire du conjoint actif, non point directement mais indirectement, en vue d'évaluer la capacité de ce dernier de contribuer aux "conditions sociales" de l'assuré (RCC 1975, p. 29, déjà cité). Du moins en est-il ainsi lorsque, comme en l'espèce, seul le salaire de l'époux détermine les conditions sociales de la femme, en l'absence de toute fortune et de tout revenu autre que celui du travail. Sinon, par exemple, l'épouse suisse sans activité ni fortune d'un haut fonctionnaire international, assuré ailleurs qu'en Suisse, lui-même sans fortune avouée et sans autre revenu déclaré que son traitement, pourrait obtenir le bénéfice de l'AVS suisse moyennant la cotisation quasiment symbolique exigée des affiliés les plus déshérités. Il n'y a pas lieu de décider aujourd'hui ce qu'il serait advenu si l'époux de la recourante avait joui d'une fortune à côté de son salaire.
b) La recourante invoque certes, à l'encontre de la mise en compte du salaire de son mari, notamment les objections ci-après:
En vertu de l'
art. 28 al. 2 RAVS
, le revenu acquis sous forme de rente ne devrait être pris en considération que lorsque l'intéressé dispose aussi d'une fortune. - C'est en effet ce qu'exprime la lettre de la disposition. Mais le Tribunal fédéral des assurances a toujours étendu l'application de cette dernière aux personnes qui ne disposent pas de fortune mais seulement d'un revenu acquis sous forme de rente (voir p. ex. ATFA 1949, p. 175, 1952, p. 183, 1956, p. 113, RCC 1958, p. 66, modifié sur
BGE 105 V 241 S. 246
une autre question par RCC 1959, p. 398;
ATF 99 V 145
). Bien que ces arrêts ne justifient pas l'interprétation qu'ils donnent de l'
art. 28 al. 2 RAVS
, il faut les confirmer. Il serait en effet contraire à l'
art. 10 LAVS
que de tenir les revenus comme dépourvus d'effet sur les conditions sociales des personnes sans fortune.
L'épouse qui travaille uniquement au ménage devrait cotiser sur la valeur de ce travail et non sur celle du travail de son mari. - Mais, dans le système de l'AVS et de l'AI, la ménagère est réputée personne sans activité lucrative (art. 5 al. 1 et 28 al. 3 LAI, 27 RAI). Il est donc exclu, quelles que soient les circonstances, qu'elle cotise sur la valeur de son travail ménager.
La ménagère mariée n'est pas soumise aux impôts communaux et cantonaux. - Mais c'est aussi le cas, le plus souvent, de la femme mariée qui exerce une activité lucrative, dans ce sens qu'elle ne constitue pas un sujet distinct de droit fiscal. Au demeurant, la notion AVS du revenu sous forme de rente ne correspond pas forcément à celle du fisc, même fédéral (voir p. ex. ATFA 1956, p. 113; RCC 1968, p. 272, 1975, p. 29).
La conception de l'administration et du premier juge devrait conduire à calculer la cotisation des étudiants sans activité lucrative sur le revenu de leur père, ce qu'interdit l'
art. 10 al. 2 LAVS
. - Mais, précisément, le fait que le législateur ait astreint cette catégorie d'étudiants au seul paiement de la cotisation minimale, tandis qu'il ne l'a pas prévu pour les femmes mariées, montre qu'il entendait traiter les unes différemment des autres.
La conception critiquée entraînerait des abus: il suffirait à une assurée de prendre un petit emploi à peine rémunéré pour échapper à une cotisation fondée sur une partie du traitement du mari. - Mais l'objection vaut pour toutes les personnes sans activité lucrative. Elle concerne une pratique qui pouvait le cas échéant constituer dans le passé un abus de droit non protégé par la loi et qui, depuis le 1er janvier 1979, se heurte aux dispositions expresses de l'
art. 28bis RAVS
.
Il serait injuste de soumettre indirectement à cotisation, pour le compte de l'épouse, un homme que l'AVS a refusé de recevoir comme assuré, alors que par surcroît le ménage n'aura pas droit à une rente de couple. - Mais la cotisation de la femme mariée à un homme non assuré, de quelque manière qu'elle soit
BGE 105 V 241 S. 247
calculée, ne donne jamais droit à une rente de couple], de même qu'il n'existe en aucun cas de rente de veuf. Ce sont des règles de base qui, incontestablement, désavantagent certains conjoints. Pourtant, elles ont été voulues par le législateur.
La critique la plus sérieuse qu'on puisse faire au système attaqué dans le recours, c'est que, lorsque un conjoint seul actif et exclu de l'AVS en vertu de l'
art. 1er RAVS
cotise auprès d'une institution étrangère ou internationale de sécurité sociale, son gain est frappé d'une double cotisation, directement en ce qui concerne son assurance et indirectement en ce qui a trait à l'assurance de son conjoint. Or, il ne peut être exempté de l'assurance obligatoire suisse conformément à l'
art. 3 RAVS
, puisque précisément il n'y est point affilié. Et son conjoint ne le pourrait à la rigueur que si les conditions d'assurance de l'institution étrangère ou internationale permettent aux autorités suisses de le considérer comme un affilié de ladite institution, bien que ne cotisant pas personnellement. Cette situation peu satisfaisante ne provient pas du système instauré par les
art. 10 LAVS
et 28 RAVS mais de la décision de soumettre à l'AVS obligatoire des conjoints de personnes assurées ailleurs qu'en Suisse. Il serait injuste, on l'a vu plus haut, de renoncer à tenir compte du salaire du conjoint de l'assuré sans activité lucrative. En revanche, il faut corriger les rigueurs du système en ne prenant en considération qu'une partie du salaire en question et peut-être même en recourant, lorsque c'est possible, à l'exemption de l'assurance pour charge trop lourde.
6.
La caisse de compensation avait estimé à une demie la part du salaire qu'un homme est censé consacrer à sa femme. La commission cantonale de recours à réduit cette proportion à 40%, par analogie avec les règles posées par le Tribunal fédéral en matière de calcul des indemnités dues, selon le droit civil, à la veuve pour perte de soutien. Afin de tenir compte des problèmes de double cotisation, mentionnés au considérant 5 let. b ci-dessus, et d'unifier la pratique, il se justifie d'adopter ici le taux d'un tiers pratiqué dans l'assurance facultative des Suissesses sans activité lucrative domiciliées à l'étranger et dont le mari n'est pas assuré en Suisse (chiffre marginal 55 des Directives concernant l'assurance facultative des ressortissants suisses résidant à l'étranger), sous réserve de situations spéciales, occasionnées par exemple par la présence d'enfants, ou résultant du fait que la part du salaire du conjoint actif affectant
BGE 105 V 241 S. 248
les conditions sociales de l'autre conjoint est beaucoup plus basse ou au contraire beaucoup plus élevée que ce tiers.
Il serait en revanche prématuré de décider aujourd'hui quand le conjoint suisse non actif d'une personne exemptée de l'AVS/AI/APG mais cotisant sur son salaire auprès d'une institution sociale étrangère ou internationale, peut lui-même être réputé affilié à cette institution et demander, le cas échéant, d'être exempté de l'assurance obligatoire suisse pour charge trop lourde, en vertu de l'
art. 3 RAVS
, au moyen d'une requête présentée à cette fin à l'administration...
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est admis partiellement, dans ce sens que le salaire du mari entrera jusqu'à concurrence d'un tiers dans le calcul de la cotisation de la recourante, cela dans le sens des considérants. Il est rejeté pour le surplus. L'affaire est renvoyée à la Caisse cantonale genevoise de compensation, qui statuera à nouveau sur les cotisations dues par la recourante pour les années 1973 à 1976.
| null |
nan
|
fr
| 1,979 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a974c3bc-c3f6-449e-b0af-d6a8ec62033c
|
Urteilskopf
140 V 260
35. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_738/2013 vom 26. Mai 2014
|
Regeste
Art. 43 Abs. 1 ATSG
;
Art. 59 Abs. 3 IVG
und
Art. 69 Abs. 2 IVV
; psychiatrische Begutachtung.
Der Beizug Angehöriger zur Übersetzung des psychiatrischen Untersuchungsgesprächs ist prinzipiell ausgeschlossen. Beweisrechtliche Tragweite dieses Grundsatzes (E. 3.2 und 3.3). Anwendung auf den Einzelfall (E. 3.4).
|
Sachverhalt
ab Seite 260
BGE 140 V 260 S. 260
A.
A. (geb. 1956) leidet unter anderem an einem Panvertebralsyndrom sowie an arthrotischen Beschwerden der rechten Schulter, der Finger (beidseits), der Hüfte und des rechten Knies sowie an einer depressiven Symptomatik (Gutachten des Rheumatologen B. vom 22. Juni 2009 und des Psychiaters Dr. C. vom 17. März 2010). Die IV-Stelle des Kantons Zürich (nachfolgend: IV-Stelle) lehnte ihren Antrag auf eine Invalidenrente ab; der Invaliditätsgrad betrage nicht anspruchsbegründende 11 Prozent (Verfügung vom 3. Januar 2012).
B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 21. August 2013).
C.
A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr eine Invalidenrente zuzusprechen. Eventuell sei die Sache zu weiteren medizinischen Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
BGE 140 V 260 S. 261
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Beschwerdeführerin bestreitet den Beweiswert des psychiatrischen Gutachtens zunächst unter dem Aspekt, dass der Sachverständige in der Person ihrer Tochter ein Familienmitglied als Übersetzerin für das Untersuchungsgespräch beigezogen hat.
3.1
3.1.1
Die Vorinstanz erwog, Anhaltspunkte für eine mangelhafte sprachliche Verständigung lägen nicht vor. Der Beizug eines professionellen Übersetzers habe sich nicht aufgedrängt; in Person der Tochter der Versicherten sei eine hinreichend geeignete Übersetzerin bei der Untersuchung zugegen gewesen. Diese habe es dem Gutachter zudem ermöglicht, fremdanamnestische Angaben zu berücksichtigen. Wohl habe der Sachverständige "im Psychostatus auf eine gleich zu Beginn deutlich in Erscheinung getretene Passiv-aktiv-Polarisierung zwischen der Mutter und der wesentlich gepflegter wirkenden Tochter" hingewiesen und "darauf, dass eine Interaktion des Gutachters mit der Beschwerdeführerin bis auf gelegentliche kurze Blickkontakte kaum zustande gekommen sei". Entscheidend sei jedoch, dass der Gutachter solche Beobachtungen und deren Bedeutung transparent gemacht habe und dass die Expertise inhaltlich vollständig und schlüssig sei.
3.1.2
Die Beschwerdeführerin wendet unter Hinweis auf die Rechtsprechung und Leitlinien der psychiatrischen Begutachtung ein, die Tochter-Mutterbeziehung sei nicht neutral, die Tochter als - zudem dafür nicht ausgebildete - Dolmetscherin befangen (
Art. 36 Abs. 1 ATSG
[SR 830.1]). Eine korrekte und sorgfältige Übersetzung sei unabdingbar. Nach Feststellung des Gutachters sei kaum eine direkte Interaktion zwischen diesem und der Beschwerdeführerin zustandegekommen. Die Doppelrolle der Tochter als Übersetzerin und fremdanamnestische Quelle verdeutliche die Problematik. Wenn sich die Vorinstanz dennoch auf das Gutachten stütze, stelle sie den Sachverhalt unvollständig und falsch fest.
3.2
3.2.1
Nach der Rechtsprechung ist bei psychiatrischen Begutachtungen eine Übersetzungshilfe beizuziehen, sofern sprachliche Schwierigkeiten bestehen und das Untersuchungsgespräch nicht in der Muttersprache des Exploranden geführt werden kann (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 748/03 vom 3. März 2004 E. 2.1). Der
BGE 140 V 260 S. 262
Beizug zur Übersetzung setzt vertiefte Sprachkenntnisse, nicht aber ein (Dolmetscher-)Diplom voraus (Urteil I 77/07 vom 4. Januar 2008 E. 5; ALFRED BÜHLER, Die Mitwirkung Dritter bei der medizinischen Begutachtung im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren, Jusletter 3. September 2007 Rz. 33). Bedeutsam sind nicht nur die Sprachkompetenzen sowie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der übersetzenden Person; auch Kenntnisse über kulturspezifische Besonderheiten, etwa des Krankheitsverständnisses, spielen eine Rolle (erwähntes Urteil I 77/07 E. 5.1.1 f. mit Hinweis auf MARINA SLEPTSOVA, Wenn die Vermittlung von Informationen auf eine Sprach-Barriere trifft - zur Zusammenarbeit mit Übersetzern, Therapeutische Umschau 10/2007 S. 576 f. und JÖRG JEGER, Die Mitwirkung Dritter bei der Begutachtung aus der Sicht des medizinischen Gutachters, Jusletter 3. September 2007 Rz. 31 ff.). Deren Bewertung bleibt freilich in der ausschliesslichen Verantwortung des Gutachters.
3.2.2
Die Rechtsprechung hat die "Qualitätsleitlinien für psychiatrische Gutachten in der Eidgenössischen Invalidenversicherung" der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) vom Februar 2012 (zugänglich unter
http://www.psychiatrie.ch
) als anerkannten Standard für eine sachgerechte und rechtsgleiche (versicherungs-)psychiatrische Begutachtung bezeichnet (Urteile 8C_51/2012 vom 29. Januar 2013 E. 3.3.3.1 und 8C_945/2009 vom 23. September 2010 E. 5). Die Qualitätsleitlinien verstehen sich als Empfehlung, von welcher im begründeten Einzelfall abgewichen werden kann; dem Rechtsanwender sollen sie bei der Beurteilung der Gutachtensqualität nützlich sein (vgl. Präambel a.E.).
Das BSV hat die Leitlinien für alle zuhanden der Invalidenversicherung erstellten Gutachten als verbindlich erklärt. Die IV-Stellen (resp. deren Regionale Ärztliche Dienste) sind aufsichtsbehördlich angewiesen, die Leitlinien bei eigenen klinischen Untersuchungen und bei der Dossieranalyse und für Aktengutachten sowie bei externen psychiatrischen Administrativgutachten als Raster für die Qualitätssicherung einzusetzen (IV-Rundschreiben Nr. 313 vom 6. Juni 2012; vgl. zur Bedeutung von Verwaltungsweisungen
BGE 133 V 587
E. 6.1 S. 591).
3.2.3
Zu den Themen des Dolmetschens sowie der Anwesenheit von Angehörigen besagen die Qualitätsleitlinien Folgendes: Zunächst wird vom psychiatrischen Gutachter verlangt, dass er im Rahmen der Befunddarstellung Angaben zur Muttersprache des Exploranden,
BGE 140 V 260 S. 263
zum aktiven und passiven Beherrschen der Landessprache und zur Notwendigkeit des Beizugs eines Dolmetschers macht, gegebenenfalls auch zu Interaktionen zwischen Übersetzer und versicherter Person resp. Gutachter (S. 8 Ziff. 4.2). Abgesehen vom Übersetzer sollen in der Regel keine Dritten anwesend sein, es sei denn, der Gutachter erachte dies als notwendig (dazu
BGE 132 V 443
; Urteil I 42/06 vom 26. Juni 2007 E. 4.5, in: SVR 2008 IV Nr. 18 S. 55). Insbesondere die Anwesenheit Angehöriger kann verfälschend wirken. Erscheint es ausnahmsweise sinnvoll, zumindest einen Teil der Exploration in Anwesenheit bzw. unter Einbeziehung eines Angehörigen durchzuführen, muss aus dem Gutachten klar hervorgehen, welche Angaben vom Exploranden selber und welche vom Angehörigen stammen. Die Interaktion in diesem erweiterten Setting und mögliche Auffälligkeiten sind zu beschreiben und in die Beurteilung einzubeziehen (S. 12 Ziff. 3). Unter diesen Umständen zieht die Vorgabe, Verständigungsbarrieren möglichst zu beseitigen, "den niederschwelligen Einsatz von professionellen Dolmetschern bei fremdsprachigen Exploranden nach sich; Angehörige des Exploranden können damit nicht beauftragt werden" (S. 14). Das Verhältnis zwischen der Forderung der Qualitätsleitlinien nach einer "professionellen" Übersetzung und der oben (E. 3.2.1) zitierten Rechtsprechung (kein Diplom o.Ä. erforderlich) muss an dieser Stelle nicht geklärt werden.
3.2.4
Die Regel, dass das Gespräch zwischen psychiatrischem Sachverständigen und zu untersuchender Person nicht von einem Familienmitglied übersetzt werden soll, deckt sich mit der einhelligen medizinischen und juristischen Lehre. Danach eignen sich Angehörige (sinngemäss auch Freunde und Bekannte) nicht als Dolmetscher, weil sie infolge mangelnder Distanz zum Exploranden und (beiderseitigem) Zwang zu "familienrollenkonformem" Verhalten befangen sind (Versicherungsmedizinische Gutachten, Ein interdisziplinärer juristisch-medizinischer Leitfaden, Gabriela Riemer-Kafka [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, S. 41; KARSTEN TOPARKUS, Typische Fehler in der Begutachtung - aus sozialrichterlicher Sicht, Der medizinische Sachverständige [MedSach] 2012 S. 233 f.; PETER BRÜCKNER, Begutachtung bei Migrationshintergrund - aus juristischer Sicht, MedSach 2010 S. 119; STEVENS/FABRA/MERTEN, Anleitung für die Erstellung psychiatrischer Gutachten, MedSach 2009 S. 101; SUSANNE FANKHAUSER, Begutachtung von Migrantinnen und Migranten - Anforderungen aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht, SZS 2005
BGE 140 V 260 S. 264
S. 417 und 422; vgl. auch die Fallbeispiele bei WOLFGANG HAUSOTTER, "Beistände" bei Begutachtungen - aus Sicht des medizinischen Sachverständigen, MedSach 2007 S. 27 f.). Erwachsene Kinder lassen denn auch meist eine eindeutige Parteinahme für ihre Eltern erkennen (WOLFGANG HAUSOTTER, Begutachtungen bei Migrationshintergrund: Besondere Aspekte, MedSach 2010 S. 113). Sie bieten nicht Gewähr für eine neutrale, vollständige und wahrheitsgemässe Übersetzung, sondern werden den Angaben des zu begutachtenden Elternteils - oft unbewusst - eine eigene Färbung geben (TOPARKUS, a.a.O., S. 234). Der übersetzende Familienangehörige kann auf den Inhalt der Kommunikation verfälschend einwirken, indem er selektiv übersetzt oder dem zu Untersuchenden selbständig Hinweise gibt (TOPARKUS, a.a.O.), selbständig das Wort ergreift oder gar die Gesprächsführung für den Probanden zu übernehmen sucht (HAUSOTTER, "Beistände" bei Begutachtungen, a.a.O., S. 28). Daraus kann sich eine Konfrontation zwischen Gutachter und übersetzendem Familienangehörigen ergeben, welche wiederum das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Explorand und Gutachter behindert (HAUSOTTER, a.a.O.). Befangenheit in der Untersuchungssituation kann auch auf Seiten des Exploranden bestehen, weil er sich dem Untersucher so präsentieren muss, wie er es auch in der Familie tut (BRÜCKNER, a.a.O., S. 119), oder weil er gehemmt ist, in Gegenwart von Angehörigen über psychische Leiden zu berichten (RAMAZAN SALMAN, Sprach- und Kulturvermittlung, in: Transkulturelle Psychiatrie, Hegemann/Salman [Hrsg.], Bonn 2001, S. 188).
Sodann gewährleisten Angehörige nicht die für die Begutachtung erforderliche sprachliche Übersetzungsqualität. Gerade für die psychiatrische Untersuchung ist eine
wörtliche
Übersetzung wichtig. Andernfalls kann es beispielsweise zu Problemen bei der Erfassung formaler Denkstörungen kommen. Selbst manche professionellen Dolmetscher neigen dazu, das Gespräch zu moderieren, Fragen zusammenzufassen und Antworten nach eigenem Gutdünken zu formulieren (HAUSOTTER, Begutachtungen bei Migrationshintergrund, a.a.O., S. 112), als defizitär erlebte Antworten des Probanden zu glätten und allfällige psychopathologisch bedingte logische Inkonsistenzen zu beseitigen (VENZLAFF/FOERSTER/DRESSING, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl., München 2009, S. 22). Dies gilt erst recht, wenn Angehörige übersetzen. In der Lehre werden professionelle Übersetzer auch deswegen als notwendig angesehen, weil sie (im besten Fall; relativierend SLEPTSOVA, a.a.O., S. 577 f.) in der Lage
BGE 140 V 260 S. 265
sind, als "kulturelle Vermittler" dem Gutachter (allenfalls im Rahmen einer Nachbesprechung) nach Bedarf kulturspezifische Erläuterungen zu geben, etwa um die richtige Deutung einer übertreibenden Ausdrucksweise zu erleichtern (HAUSOTTER, Begutachtungen bei Migrationshintergrund, a.a.O., S. 113; BRÜCKNER, a.a.O., S. 119; JEGER, a.a.O., Rz. 33 ff.; FANKHAUSER, a.a.O., S. 418; vgl. auch oben E. 3.2.1). Die Bedeutung einer Vermittlungsleistung, die über eine rein sprachliche Übersetzung hinausreicht, zeigt sich darin, dass es bei der - erforderlichen - wörtlichen Übersetzung zu Missverständnissen kommen kann, "wenn nicht auch die transkulturelle Übersetzung mitvollzogen wird" (GERHARD EBNER, Grundlagen transkultureller Begutachtung, in: Transkulturelle Psychiatrie, Hegemann/Salman [Hrsg.], Bonn 2001, S. 235;FANKHAUSER, a.a.O., S. 417).
3.3
3.3.1
Nach dem Gesagten schliessen Rechtsprechung, Begutachtungsleitlinien und Lehre den Beizug Angehöriger zur Übersetzung des psychiatrischen Begutachtungsgesprächs prinzipiell aus. Das gilt freilich nicht absolut: So kann es bei einer mässig deutsch sprechenden Person sachgerecht sein, dass der Sachverständige zunächst versucht, die Untersuchung alleine durchzuführen, um sich ein (möglichst unverfälschtes) Bild von ihrem Verhalten zu machen, dann aber zur Klärung von unklaren Fragen Familienangehörige beizieht (HAUSOTTER, Begutachtungen bei Migrationshintergrund, a.a.O., S. 113).
3.3.2
Damit stellt sich die beweisrechtliche Frage, wie es sich mit der Verwertbarkeit eines psychiatrischen Gutachtens verhält, das irregulär zustandegekommen ist, weil eine dem Exploranden angehörige Person dem Sachverständigen (für die Verständigung unabdingbare) Dolmetscherdienste geleistet hat.
Dieser Mangel unterscheidet sich von formalen oder inhaltlichen Fehlern, die im Gutachten offen zutage treten, so etwa inneren Widersprüchen (vgl. BRÜCKNER, a.a.O., S. 118). Wird mit dem Beizug eines ungeeigneten Übersetzers die Verständigungsbarriere höher gehalten als nötig, so lässt das in sich schlüssig erscheinende, an sich nachvollziehbar begründete Gutachten als solches nicht erkennen, ob der Mangel die Zuverlässigkeit der Beurteilung beeinträchtigt hat. Daher ist der Beweiswert der betreffenden Expertise regelmässig erheblich herabgesetzt, auch wenn die Expertise anhand der üblichen Beweiswertkriterien (
BGE 134 V 231
E. 5.1 S. 232) unauffällig erscheint.
BGE 140 V 260 S. 266
3.3.3
Hingegen ist der Beweiswert dann nicht geschmälert, wenn den Umständen nach auszuschliessen ist, dass sich die Übersetzung durch Familienangehörige wesentlich auf die gutachtliche Beurteilung ausgewirkt hat. Die betreffenden Nachteile (vgl. im Einzelnen oben E. 3.2.4) können wegen anderer Kommunikationshindernisse, welche auch mit einer professionellen Übersetzung nicht überwindbar wären, in den Hintergrund treten, zumal wenn sich die Untersuchung ohnehin vermehrt auf nonverbale Elemente (z.B. Verhaltensbeobachtung: Mimik, Gestik, Tonfall) konzentrieren muss (vgl. erwähntes Urteil I 77/07 E. 5.1.1 mit Hinweis). Ebenfalls nicht tangiert ist der Beweiswert, wenn gesicherte anamnestische Gegebenheiten für verlässliche Schlussfolgerungen bürgen, so wenn ein geklagter hoher Leidensdruck mit dem Fehlen jeglicher Therapie oder mit dem Aktivitätenprofil der versicherten Person deutlich kontrastiert.
3.4
3.4.1
Der psychiatrische Administrativgutachter berichtet, gleich zu Beginn der Untersuchung trete eine "passiv-aktiv-Polarisierung" zwischen Mutter und Tochter deutlich in Erscheinung. Eine direkte Interaktion zwischen ihm und der Versicherten sei, bis auf gelegentliche kurze Blickkontakte, kaum zustandegekommen; der Wegfall dieses "diagnostischen Instrumentes" relativiere die Aussagekraft der psychopathologischen Befunde. Der Gutachter verlegt sich bei der Erhebung des Psychostatus denn auch weitgehend auf Verhaltensbeobachtung. In einer solchen Konstellation ist eine verlässliche psychopathologische Befunderhebung in Frage gestellt (vgl. das ähnliche Fallbeispiel bei HAUSOTTER, "Beistände" bei Begutachtungen, a.a.O., S. 28; vgl. auch Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 451/00 vom 30. Dezember 2003 E. 2.3.2, in: SVR 2004 IV Nr. 29 S. 90). Daran ändert das beim Gutachter erkennbare Problembewusstsein nichts. Problematisch ist des Weitern die gleichzeitige Befassung der Tochter als Übersetzerin und fremdanamnestische Quelle.
3.4.2
Der Beweiswert bleibt indes unbeschädigt, wenn eine differenzierte, auch verbal vermittelte Befunderhebung selbst
mit
einem geeigneten Dolmetscher stark behindert gewesen wäre (oben E. 3.3.3). Ein solcher Fall liegt hier vor: Der rheumatologische Administrativgutachter hatte festgehalten, für die Dolmetscherin eines professionellen Übersetzungsdienstes sei "die Versicherte im Gespräch kaum fokussierbar" gewesen. Zudem stellten die eigentümliche Wortwahl der funktionell analphabetischen Explorandin und deren
BGE 140 V 260 S. 267
eingeschränktes Sprachverständnis ein Kommunikationshindernis dar (Expertise vom 22. Juni 2009 S. 7). Unter diesen Umständen wirkt sich der Mangel nicht mehr entscheidend aus. Zusätzlich wird die Verlässlichkeit der psychiatrischen Begutachtung durch die anamnestischen Tatsachen gestützt, dass die Beschwerdeführerin keinepsychiatrische Behandlung beansprucht und verordnete Medikamente nicht einnimmt.
| null |
nan
|
de
| 2,014 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a9772978-e45c-4b4a-9548-ed196204e4e1
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Urteilskopf
105 III 122
27. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. November 1979 i.S. A. Bank gegen Konkursmasse S. (Berufung)
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Regeste
Kollokationsprozess, Schuldbrief, Verwertung von Versicherungsansprüchen.
1. Bei der Behandlung einer Kollokationsklage kann der Richter nicht prüfen, ob der Kollokationsplan an einem Mangel formeller Natur leide (E. 4).
2. Grundpfandrechtliche Sicherung einer Forderung durch den "jeweiligen unbenutzten bzw. abbezahlten Teilbetrag eines Schuldbriefs"; Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung; abstrakte Natur der Schuldbriefforderung (E. 5).
3. Der Eigentümer eines Schuldbriefs kann als Grundpfandgläubiger nicht gleichzeitig ein Faustpfandrecht am Titel beanspruchen (E. 5d/6).
4. Verwertung von Ansprüchen aus Lebensversicherung mit Begünstigung des Ehegatten oder der Nachkommen im Konkurs; Vorgehen (E. 7/8).
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Sachverhalt
ab Seite 123
BGE 105 III 122 S. 123
A.-
Am 17. Dezember 1974 schloss S. mit der A. Bank einen Kreditvertrag mit Sicherungszession, nach welchem ihm die Bank einen Kredit in laufender Rechnung bis höchsten Fr. 60'000.- gewährte und er der Bank zur Sicherstellung des jeweiligen Kapitalausstandes seine sämtlichen gegenwärtigen und künftigen Geschäftsforderungen abtrat. In zwei Formularverträgen mit der Überschrift "Pfandbestellung", datiert vom 19. und 27. Juni 1975, wurden für diesen Kontokorrentkredit weitere Sicherheiten bestellt, die wie folgt näher bezeichnet wurden:
Im Vertrag vom 19. Juni 1975:
"Fr. 50'000.- nom. Lebensversicherungspolice der PATRIA ...
Fr. 100'000.- nom. Todesfallrisikoversicherung der WAADT-Leben ...
Fr. 100'000.- nom. Todesfallrisikoversicherung der WAADT-Leben ...
Jeweiliger unbenützter bzw. abbezahlter Teilbetrag, zurzeit
Fr. 8'000.-, des Schuldbriefes (Inhaber) vom 10. Februar 1971 per nom.
Fr. 20'000.-, haftend im 3. Range auf GB Wallbach Nr. 841.
Vorgänge: 1. Rang: Fr. 125'000.- z.G. Aarg. Kantonalbank, Rheinfelden lt.
Sch.B. d.d. 22.05.69.
2. Rang: Fr. 30'000.- z.G. Inhaber lt. Inh. Sch. B. d.d. 22.05.69.
Schuldner und Grundeigentümer: S.
Kapitalvorgang zurzeit Fr. 12'000.-."
Im Vertrag vom 27. Juni 1975:
"Jeweiliger unbenützter Teilbetrag, gegenwärtig Fr. 25'300.- der beiden
BGE 105 III 122 S. 124
Namenschuldbriefe von
Fr. 50'000.- d.d. 04.10.65 haftend im 1. Rang a/IR Obermumpf Nr. 1496
Fr. 44'000.- d.d. 16.09.66 haftend im 1. Rang a/IR Obermumpf
Nr. 1021 + 1230 auf den Pfandgeber S. als Schuldner und die A. Bank als Grundpfandgläubigerin lautend.
Kapitalvorgang auf beiden Schuldbriefen HI-7750.7 Fr. 68'700.- zu Gunsten der A. Bank."
Bei den erwähnten Schuldbriefen handelte es sich um solche, die im Eigentum der Bank standen und auf Liegenschaften des Schuldners S. lasteten.
B.-
Am 3. Februar 1976 wurde über S. der Konkurs eröffnet. Die A. Bank meldete verschiedene Konkursforderungen an, so unter anderm eine solche aus dem Kontokorrentverhältnis von total Fr. 12'456.-. Als Sicherheiten für diese Forderung machte sie die in den Verträgen vom 19. und 27. Juni 1975 aufgeführten drei Schuldbriefe bzw. die "unbenützten" (d.h. durch Abzahlungen freigewordenenen) Teilbeträge dieser Grundpfandtitel sowie die Versicherungspolicen und die Zessionsforderungen geltend.
Bevor das mit der Konkursverwaltung beauftragte Konkursamt Rheinfelden den Kollokationsplan auflegte, erstellte es das Lastenverzeichnis über die Privatliegenschaft des Konkursiten in Wallbach, offenbar um dieses Aktivum vorzeitig durch Freihandverkauf verwerten zu können. Im Lastenverzeichnis erklärte es die - nicht Gegenstand des vorliegenden Prozesses bildende - Restforderung der Bank aus Hypothekardarlehen als "faustpfändlich sichergestellt durch vorderen Teilbetrag von Fr. 11'500.- des Inhaberschuldbriefes für nom. Fr. 20'000.- ... ". Die hier im Streit liegende Kontokorrentforderung von Fr. 12'456.- anerkannte es als "faustpfändlich sichergestellt durch jeweiligen unbenützten hinteren Teilbetrag des Inhaberschuldbriefes für nom. Fr. 20'000.-..., anlässlich Konkurseröffnung somit den Teilbetrag von Fr. 8'500.-". Die A. Bank focht das Lastenverzeichnis nicht an.
Im Kollokationsplan, der am 28. Mai 1977 öffentlich aufgelegt wurde, berichtigte das Konkursamt das erwähnte Lastenverzeichnis in der Weise, dass das noch offene Hypothekardarlehen der A. Bank als grundpfandversicherte Forderung anerkannt, für die Kontokorrentforderung indessen jegliches Pfandrecht der Bank an den in Frage stehenden Schuldbriefen verneint wurde. Diese Forderung wurde im Betrag von
BGE 105 III 122 S. 125
Fr. 12'449.40 in der 5. Klasse kolloziert. Die Abweisung der Pfandsicherung begründete das Konkursamt im wesentlichen damit, dass die A. Bank offenbar für die titelgemässen Forderungsrestanzen der drei Schuldbriefe ein Grundpfandrecht und für die jeweiligen Differenzen zwischen Titelschuld und Forderungsrestanz ein Faustpfandrecht an einem Eigentümerpfandtitel beanspruchen wolle, was nicht möglich sei.
C.-
Am 7. Juni 1977 reichte die A. Bank beim Bezirksgericht Rheinfelden gegen die Konkursmasse S. Kollokationsklage ein mit folgenden Rechtsbegehren:
1. Es sei die unter Ord. Nr. 15 des Kollokationsplanes vom 25. Mai 1977 durch die Klägerin angemeldete und durch das Konkursamt in der 5. Klasse kollozierte Kontokorrentforderung in Höhe von Fr. 12'456.- als grundpfandgesicherte Forderung in den Kollokationsplan aufzunehmen; eventuell sei die Forderung als faustpfandgesicherte Forderung in den Kollokationsplan aufzunehmen.
2. Es seien als Folge der Begehren gemäss Ziffer 1 hievor der Kollokationsplan und das Lastenverzeichnis vom 27.5.1977 über die Grundstücke IR Obermumpf Nr. 1496, Nr. 1021 und Nr. 1230 entsprechend abzuändern.
3. Es seien im weitern die Policen der PATRIA und der WAADT-Leben sowie die Zessionsforderungen im Betrage von Fr. 2'285.- als faustpfändliche
Sicherheit für die unter Ziffer 1 aufgeführte Forderung in den Kollokationsplan bzw. das Lastenverzeichnis aufzunehmen."
Mit Urteil vom 24. Mai resp. 14. Juni 1978 wies das Bezirksgericht Rheinfelden die Klage ab.
D.-
Gegen dieses Urteil reichte die Klägerin Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau ein und stellte darin den Antrag auf vollumfängliche Gutheissung der Klage.
Das Obergericht hiess die Beschwerde am 23. Februar 1979 teilweise gut, hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Beklagte an,die Kontokorrentforderung als durch die Lebensversicherungsansprüche faustpfandgesichert zu kollozieren. Im übrigen wies es die Klage ab.
E.-
Gegen den obergerichtlichen Entscheid haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Berufung an das Bundesgericht eingereicht. Die Klägerin beantragt die Gutheissung der Klagebegehren 1 und 2; die Beklagte stellt den Antrag, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen. Beide Parteien beantragen die Abweisung der gegnerischen Berufung.
Das Bundesgericht heisst beide Berufungen teilweise gut.
BGE 105 III 122 S. 126
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
II.
4.
Im Berufungsantrag 1 verlangt die Klägerin, die Kontokorrentforderung sei als grundpfandversichert, eventuell als faustpfandgesichert in den Kollokationsplan aufzunehmen. Im Berufungsantrag 2 präzisiert sie dann, es seien als Folge des Antrages 1 der Kollokationsplan und das Lastenverzeichnis über die Grundstücke IR Obermumpf Nr. 1496, Nr. 1021 und Nr. 1230 entsprechend abzuändern. Eine Abänderung des Lastenverzeichnisses über die Privatliegenschaft des Gemeinschuldners in Wallbach, auf welcher der Inhaberschuldbrief der Klägerin im Nominalbetrag von Fr. 20'000.- lastet, wird hingegen nicht verlangt. Der Grund dafür ergibt sich aus der Berufungsbegründung. Dort führt die Klägerin nämlich aus, in dem vor Errichtung des Kollokationsplans aufgelegten Lastenverzeichnis über die Liegenschaft in Wallbach sei für die in Frage stehende Kontokorrentforderung ein Faustpfandrecht am betreffenden Inhaberschuldbrief anerkannt worden; damit habe sie sich abgefunden, obwohl sie der Meinung gewesen sei, richtigerweise hätte eine Grundpfandsicherheit angenommen werden müssen; jenes Lastenverzeichnis sei, da sie auf dessen Anfechtung verzichtet habe, in Rechtskraft erwachsen und habe daher von der Konkursverwaltung nicht nachträglich abgeändert werden können. Die Klägerin hat mit andern Worten diesbezüglich auf eine Anfechtung des Kollokationsplans bewusst verzichtet, davon ausgehend, durch diesen habe das Lastenverzeichnis über die Liegenschaft in Wallbach nicht gültig abgeändert werden können. Das Bundesgericht kann unter diesen Umständen nur darüber urteilen, ob der Klägerin für die Kontokorrentforderung ein Grundpfandrecht an den drei Liegenschaften in Obermumpf, die im Berufungsantrag 2 aufgeführt werden, zustehe. Die Anerkennung eines entsprechenden Grundpfandrechts an der Liegenschaft in Wallbach ist mangels eines entsprechenden Begehrens prozessual ausgeschlossen. Aufgrund des im Berufungsantrag 1 enthaltenen Eventualbegehrens kann indessen, sofern dieses in grosszügiger Weise verstanden wird, die Frage geprüft werden, ob der Klägerin allenfalls ein Faustpfandrecht am Inhaberschuldbrief, der auf der Liegenschaft in Wallbach lastet, zuzuerkennen sei.
BGE 105 III 122 S. 127
In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass sich die Klägerin zur Begründung dieses von ihr geltend gemachten Faustpfandrechts nicht einfach auf die Rechtskraft des Lastenverzeichnisses über die betreffende Liegenschaft berufen kann. Nachdem der Kollokationsplan das der Klägerin im Lastenverzeichnis über die Liegenschaft in Wallbach zugebilligte Faustpfandrecht am Inhaberschuldbrief nicht mehr anerkannte, hätte die Klägerin die Frage der Unabänderbarkeit der im Lastenverzeichnis getroffenen Regelung zum Gegenstand einer Beschwerde im Sinne von
Art. 17 SchKG
machen müssen. Es handelt sich dabei nicht um eine Frage materiellrechtlicher, sondern um eine solche verfahrensrechtlicher Natur, die in die Entscheidungsbefugnis der Aufsichtsbehörden für Schuldbetreibung und Konkurs fällt (
BGE 103 III 14
, 96 III 42,
BGE 86 III 24
,
BGE 85 III 97
). Bei der Beurteilung einer Kollokationsklage hat der Richter vom Kollokationsplan auszugehen, der Gegenstand der Klage bildet, und kann nicht prüfen, ob dieser Plan an einem Mangel formeller Natur leide.
5.
In materieller Hinsicht ist in erster Linie streitig, ob die Kontokorrentforderung der Klägerin durch den auf ihren Namen lautenden Schuldbrief im Nominalbetrag von Fr. 50'000.-, haftend im 1. Rang auf der Liegenschaft IR Obermumpf Nr. 1496, und den ebenfalls auf den Namen der Klägerin lautenden Schuldbrief im Nominalbetrag von Fr. 44'000.-, haftend im 1. Rang auf den beiden Liegenschaften IR Obermumpf Nr. 1021 und 1230, grundpfandgesichert sei. Die Vorinstanz hat eine solche Grundpfandsicherung verneint. Sie bezeichnete es zwar als möglich, dass ein Grundpfandgläubiger dem Schuldner nach Abzahlung eines Teils der ursprünglichen Schuldbriefsumme ohne entsprechende Abänderung des Grundbuches und des Titels ein neues, durch das Grundpfand gesichertes Darlehen gewähren könne, ohne dass es sich dabei rechtlich um eine Wiedererhöhung der Schuldbriefsumme handle. Ein solcher Fall liege aber hier nicht vor, da die Klägerin die abbezahlten Teilbeträge der Schuldbriefe nicht dazu benützt habe, um für die gemäss den Titeln bestehende, sondern um für eine andere Schuld (jene aus dem Kontokorrentverhältnis) eine Sicherheit zu erhalten.
Darin sei die Neubegründung eines Grundpfandrechts zu erblicken; hiefür hätten aber die erforderlichen Formen, nämlich die öffentliche Beurkundung eines Pfandvertrages, die Eintragung im Grundbuch
BGE 105 III 122 S. 128
sowie die Ausstellung eines entsprechenden Pfandtitels bzw. die Übergabe des Namenschuldbriefes und dessen Indossierung, beachtet werden müssen. Mangels Einhaltung dieser Formen sei für die Kontokorrentforderung eine Grundpfandsicherung nicht zustande gekommen. Die Benützung der abbezahlten Teilbeträge zur Beschaffung einer zusätzlichen Sicherheit für diese Forderung stelle im Grunde genommen eine Erhöhung der Pfandsumme dar, wofür die gleichen Formen wie für die Errichtung eines Grundpfandes hätten eingehalten werden müssen; das Vorgehen der Klägerin und des Gemeinschuldners habe auf jeden Fall eine Änderung des Grundpfandvertrages bedeutet, wofür die Form der öffentlichen Beurkundung erforderlich gewesen wäre.
a) Diese Argumentation trägt der abstrakten Natur der Schuldbriefforderung zu wenig Rechnung. Gemäss
Art. 855 Abs. 1 ZGB
wird mit der Errichtung eines Schuldbriefes das Schuldverhältnis, das diesem Rechtsakt zugrunde liegt, durch Neuerung getilgt (eine andere Abrede, die nach Abs. 2 dieser Bestimmung mit blosser Wirkung unter den Vertragsschliessenden möglich ist, wurde hier nicht getroffen). Die neue Forderung, die mit der Schuldbrieferrichtung entsteht und die durch das Grundpfandrecht gesichert ist, muss daher von der ursprünglichen Forderung aus dem Grundverhältnis zwischen den Parteien unterschieden werden; es handelt sich dabei also nicht mehr um die Darlehens- oder Kaufpreisforderung, die Anlass zur Errichtung des Schuldbriefes gegeben hat (vgl. dazu THEO GUHL, Vom Schuldbrief, ZBJV 92/1956, S. 5 ff., sowie den Entscheid des Bundesgerichts vom 1. September 1978 i.S. Bertschinger AG gegen Aargauische Kantonalbank, publiziert in ZBGR 60/1979, S. 106 ff., insbes. S. 108/109).
b) Leistet der Schuldner Abzahlungen an die Schuldbriefforderung, ohne dass die im Grundbuch eingetragene Pfandsumme und der auf dem Titel verurkundete Forderungsbetrag in entsprechendem Umfang gelöscht oder die Abzahlungen dort wenigstens im Sinne von
Art. 874 Abs. 1 und 2 ZGB
angemerkt werden, so kann der Gläubiger die Forderung und das Pfandrecht grundsätzlich in ihrer ursprünglichen Höhe geltend machen. Dem Schuldner bleibt in diesem Falle nichts anderes übrig, als unter Hinweis auf die von ihm geleisteten Abzahlungen eine Einrede zu erheben, wie sie
Art. 872 ZGB
für einen solchen Fall ausdrücklich vorbehält (vgl. dazu GUHL, a.a.O.,
BGE 105 III 122 S. 129
S. 14 ff.). Der Gläubiger kann dem Schuldner im Umfang der von diesem geleisteten Abzahlungen aber auch einen neuen Kredit gewähren. Dies läuft nicht auf eine Wiedererhöhung der Schuldbriefsumme hinaus, da diese durch die geleisteten Abzahlungen gar nicht vermindert worden ist. Mit GUHL ist vielmehr anzunehmen, dass eine neue Kreditgewährung nur das persönliche Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner beeinflusst und bloss zur Folge hat, dass der Schuldner einem Anspruch des Gläubigers aus dem Schuldbrief im Umfang der neuen Darlehensgewährung keine Einrede aus den früher vorgenommenen Abzahlungen mehr entgegenhalten kann; die Schuldbriefforderung als solche und das Pfandrecht bleiben von den nur das persönliche Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner betreffenden Rechtsgeschäften völlig unberührt (GUHL, a.a.O., S. 15/16).
c) Ist es aber zulässig, dass der Gläubiger dem Schuldner im Rahmen der im Schuldbrief und im Grundbuch verurkundeten Forderungs- bzw. Pfandsumme ein neues Darlehen gewähren kann, das gleichsam an die Stelle der geleisteten Abzahlungen tritt, ohne dass zu diesem Zweck ein neuer Pfandvertrag beurkundet oder eine anderweitige Form eingehalten werden müsste, so war es der Klägerin und dem Gemeinschuldner entgegen der Annahme der Vorinstanz grundsätzlich möglich, die Kontokorrentforderung der Klägerin durch formlose oder schriftliche Vereinbarung an die Stelle der geleisteten Abzahlungen treten und auf diese Weise an der Grundpfandsicherung teilnehmen zu lassen. Eine solche interne Vereinbarung hat rechtlich die Bedeutung, dass der Schuldner für den Fall der Geltendmachung der vollen Schuldbriefsumme auf die Einrede, er habe Abzahlungen an die Schuldbriefforderung geleistet, zum voraus verzichtet. Die Klägerin hätte auf diese Weise die ihr aus dem Schuldbrief erwachsenden Rechte auch im Umfang der Kontokorrentforderung geltend machen können, ohne sich eine persönliche Einrede des Schuldners entgegenhalten lassen zu müssen.
d) Es bleibt zu prüfen, ob die zwischen der Klägerin und dem Gemeinschuldner hinsichtlich der Kontokorrentforderung getroffene Absprache tatsächlich so verstanden werden kann, dass der Klägerin hiefür ein Grundpfandrecht zustehen sollte. Die Beklagte macht diesbezüglich insbesondere geltend, die Beschränkung der Sicherheit auf die jeweils abbezahlten Teilbeträge
BGE 105 III 122 S. 130
der Schuldbriefforderungen und die Erwähnung eines Kapitalvorgangs seien mit der Vorstellung einer grundpfandrechtlichen Sicherheit unvereinbar und deuteten darauf hin, dass der Klägerin nur ein (nachgehendes) Faustpfandrecht an den Schuldbriefen habe eingeräumt werden wollen.
Es ist zuzugeben, dass die mit "Pfandbestellung" überschriebene Vereinbarung vom 27. Juni 1975 betreffend die hier in Frage stehenden Namenschuldbriefe nicht sehr klar ist. Dem Umstand, dass es sich beim verwendeten Formular um ein solches zur Bestellung von Faustpfandrechten handelte, kommt allerdings keine entscheidende Bedeutung zu. Wie das Bundesgericht bereits im erwähnten Urteil i.S. Bertschinger AG gegen Aargauische Kantonalbank festgestellt hat, kann aus der Verwendung eines solchen Formulars nichts abgeleitet werden (ZBGR 60/1979, S. 110, lit. c). Ein im Eigentum der Klägerin stehender Schuldbrief kann dieser als Grundpfandgläubigerin schon rein begrifflich nicht zu Faustpfand gegeben werden; hiefür eignet sich nur eine dem Schuldner oder einem Dritten gehörende Sache. Da es den Vertragsschliessenden aber offensichtlich darum zu tun war, für die Kontokorrentforderung eine zulässige Sicherheit zu bestellen und nicht etwas rechtlich Unmögliches zu vereinbaren, muss die betreffende Urkunde so ausgelegt werden, dass sie einen vernünftigen Sinn ergibt. Einen solchen hatte die Vereinbarung der Klägerin mit dem Gemeinschuldner aber nur dann, wenn sie so verstanden werden kann, dass der Grundpfandschuldner damit zum voraus auf die Einwendung verzichtete, er habe Abzahlungen auf die Schuldbriefforderung geleistet und könne daher nicht mehr für die vollen, auf den Titeln und im Grundbuch eingetragenen Summen belangt werden.
Trotz der Unvollkommenheit der verwendeten Ausdrucksweise kann dem mit Schreibmaschine eingesetzten und vom Gemeinschuldner unterzeichneten Text auf dem Formular "Pfandbestellung" ein solcher Sinn beigelegt werden. Wenn dort von einem jeweiligen unbenützten Teilbetrag der beiden Namenschuldbriefe und einem Kapitalvorgang zugunsten der Klägerin gesprochen wurde, so liegt die natürlichste Erklärung hiefür darin, dass den Beteiligten vorschwebte, die Klägerin solle für die Kontokorrentforderung die volle Schuldbriefsumme samt dem damit verbundenen Pfandrecht geltend machen und der Schuldner sich nicht auf die von ihm geleisteten
BGE 105 III 122 S. 131
Abzahlungen berufen können. Fasst man den Text so auf, so kann die Klägerin die Grundpfandsicherheit der beiden Namenschuldbriefe auch für die Kontokorrentforderung in Anspruch nehmen und die Beklagte sich nicht auf die vom Gemeinschuldner geleisteten Abzahlungen an die Schuldbriefforderungen berufen.
Gegen eine solche, der ganzen Sachlage am ehesten gerecht werdende Auslegung spricht auch nicht die von der Beklagten hervorgehobene unterschiedliche Formulierung der Vereinbarung, die im Falle Bertschinger AG gegen Aargauische Kantonalbank der Beurteilung zugrunde lag. Zwar hiess es dort ausdrücklich, die Bank könne "im Umfang des jeweiligen Kredites die Schuldbriefforderung als Eigentümerin (Grundpfandgläubigerin) geltend machen". Auch wenn im vorliegenden Fall ein ausdrücklicher Hinweis auf die Art der Geltendmachung fehlt, so kam in der Vereinbarung doch zum Ausdruck, dass die beiden als Sicherheiten aufgeführten Namenschuldbriefe auf die Klägerin als Grundpfandgläubigerin lauteten. Daraus ergibt sich mit genügender Deutlichkeit, dass es sich bei der beabsichtigten Sicherung der Kontokorrentforderung um eine solche grundpfandrechtlicher Art handelte.
6.
Geht man davon aus, so ist die Kontokorrentforderung der Klägerin in entsprechender Änderung des angefochtenen Urteils als grundpfandgesichert zu kollozieren, wobei sich jedoch das Grundpfandrecht auf die Liegenschaften des Gemeinschuldners in Obermumpf beschränkt; die Frage des Bestehens eines zusätzlichen Grundpfandrechts an der Liegenschaft in Wallbach bildet hingegen aus den bereits dargelegten Gründen nicht Gegenstand des Prozesses.
Ein Faustpfandrecht an dem auf dieser Liegenschaft lastenden Inhaberschuldbrief steht der Klägerin nicht zu. Im Kollokationsplan, auf den hier abzustellen ist, wurde das früher aufgelegte Lastenverzeichnis bezüglich der Liegenschaft Wallbach insofern abgeändert, als der Klägerin für die Forderung aus dem Schuldbrief ein Grundpfandrecht zuerkannt wurde. Wurde die Klägerin aber hinsichtlich des Inhaberschuldbriefes unangefochtenerweise als Grundpfandgläubigerin betrachtet, so kann ihr für die Kontokorrentforderung nach dem bereits Gesagten nicht gleichzeitig ein Faustpfandrecht am Titel zuerkannt werden. Die Berufung ist daher abzuweisen, soweit damit für die Kontokorrentforderung ein Faustpfandrecht am
BGE 105 III 122 S. 132
betreffenden Inhaberschuldbrief in Anspruch genommen werden will.
III.
7.
Gegenstand der Berufung der Beklagten bildet die Rüge, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie in entsprechender Gutheissung der Klage angeordnet habe, dass die Kontokorrentforderung der Klägerin "als faustpfandgesichert durch abgetretene Versicherungsansprüche" zu kollozieren sei. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, das Obergericht habe sich in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf Art. 56 Abs. 1 lit. A Ziff. 2 der Verordnung des Bundesgerichts über die Geschäftsführung der Konkursämter (KOV) berufen. Anwendbar sei vielmehr Art. 61 Abs. 1 dieser Verordnung, wonach Forderungen, für welche im Eigentum eines Dritten stehende Gegenstände als Pfand hafteten, unter Erwähnung dieses Pfandes als unversicherte Forderungen zu kollozieren seien. Die streitigen Versicherungsansprüche seien gemäss
Art. 81 VVG
mit der Konkurseröffnung auf die als Begünstigte bezeichneten Personen (Ehegattin und Nachkommen) übergegangen; als Bestandteil des Vermögens dieser Personen seien sie aus dem Konkursbeschlag ausgeschieden. Selbst wenn man annehmen wollte, die Begünstigung sei streitig, so sei die Kontokorrentforderung bis zur Erledigung dieser Frage unter die unversicherten Forderungen aufzunehmen.
Die Klägerin wendet demgegenüber ein, die Beklagte habe bis und mit vor Obergericht nie geltend gemacht, die Ehegattin des Gemeinschuldners oder dessen Nachkommen seien bezüglich der in Frage stehenden Versicherungsansprüche als Begünstigte bezeichnet worden. Die Vorinstanz habe deshalb zu Recht angeordnet, dass die Versicherungsansprüche als faustpfandrechtliche Sicherheit in den Kollokationsplan aufzunehmen seien. Selbst wenn im übrigen die Ehegattin oder die Nachkommen des Konkursiten als Begünstigte bezeichnet worden wären, stünde deren Recht zum Eintritt in den Versicherungsvertrag unter dem Vorbehalt allfälliger Pfandrechte, die gegenüber den Ansprüchen der Begünstigten den Vorrang hätten. Das Pfandrecht an den Versicherungsansprüchen müsse deshalb im Kollokationsplan erwähnt werden, was hier nicht geschehen sei.
BGE 105 III 122 S. 133
8.
Art. 80 und 81 VVG
sehen zugunsten des Ehegatten und der Nachkommen des Versicherungsnehmers, falls diese Begünstigte aus einem Lebensversicherungsvertrag sind, folgende Sonderregelung vor: Die Begünstigung erlischt nicht mit der Konkurseröffnung über den Versicherungsnehmer, wie dies nach
Art. 79 Abs. 1 VVG
sonst grundsätzlich der Fall wäre. Der Versicherungsanspruch ist nach
Art. 80 VVG
der Zwangsvollstreckung entzogen, und die Begünstigten treten nach
Art. 81 VVG
, sofern sie dies nicht ausdrücklich ablehnen, mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung an Stelle des Versicherungsnehmers in die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag ein. Selbstverständlich werden dadurch die Pfandrechte Dritter am Versicherungsanspruch nicht berührt (
Art. 80 VVG
).
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts hat in einer Verordnung vom 10. Mai 1910 betreffend die Pfändung, Arrestierung und Verwertung von Versicherungsansprüchen nach dem VVG Regeln über die Behandlung dieser Ansprüche in der Zwangsvollstreckung aufgestellt. Art. 12 der Verordnung wurde in der Folge durch Art. 61 der KOV abgeändert (vgl.
Art. 100 Abs. 2 KOV
). Macht ein Konkursgläubiger an einem Anspruch aus einer Personenversicherung mit Begünstigung des Ehegatten oder der Nachkommen ein Pfandrecht geltend, so hat die Konkursverwaltung sich nach Art. 11 der zitierten Verordnung vorerst darüber schlüssig zu werden, ob sie die Begünstigung auf dem Prozessweg bestreiten oder auf eine Bestreitung verzichten will; im letztern Fall hat sie den Konkursgläubigern Gelegenheit zu geben, ihrerseits nach
Art. 260 SchKG
den Prozess durchzuführen. Bis zur Erledigung dieser Frage ist die Pfandforderung einstweilen als unversicherte zu kollozieren. Eine Kollokationsverfügung über das Pfandrecht als solches ist nur dann zu treffen, wenn die Begünstigung gerichtlich als ungültig oder anfechtbar erklärt worden ist. Ist die Begünstigung nicht bestritten oder ist sie gerichtlich anerkannt worden, so ist die Forderung entsprechend der allgemeinen Regel des
Art. 61 KOV
ohne Rücksicht auf das Pfand, aber unter Erwähnung desselben, in ihrem vollen anerkannten Betrag unter die unversicherten Forderungen aufzunehmen (
BGE 55 III 157
ff.; ROELLI/JAEGER, N. 62 und 63 zu Art. 79/80 VVG). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Versicherungsanspruch nicht in
BGE 105 III 122 S. 134
die Konkursmasse fällt, sondern zum Vermögen eines Dritten - des Begünstigten - gehört; die Liquidation des Pfandrechts an diesem dem Dritten zustehenden Vermögensrecht hat daher ausserhalb des Konkurses zu erfolgen.
Nach der dargestellten Regelung wären die von der Vorinstanz angeordnete Aufnahme des Pfandrechts der Klägerin an den Versicherungsansprüchen in den Kollokationsplan und die damit verbundene Verwertung des Pfandgegenstandes im Rahmen des Konkurses nur dann gerechtfertigt, wenn feststünde, dass die Ansprüche aus den Lebensversicherungen des Konkursiten nicht dessen Ehegattin oder Nachkommen als Begünstigten zustehen. Darüber lässt sich dem obergerichtlichen Urteil indessen nichts entnehmen. Es kann nicht Sache des Bundesgerichts sein, aufgrund der von der Beklagten mit der Berufung eingereichten Konkursakten die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Indem die Vorinstanz übersah, dass die von ihr angeordnete Kollokation nur zulässig war, wenn nicht eine Begünstigung der Ehegattin oder Nachkommen des Gemeinschuldners vorlag bzw. eine solche Begünstigung nicht mit Erfolg bestritten worden war, hat sie Bundesrecht verletzt. Der Einwand der Klägerin, dass die Beklagte im kantonalen Verfahren nie auf eine solche Begünstigung hingewiesen habe, vermag daran nichts zu ändern. Es wäre vielmehr Sache der Klägerin selber gewesen, im Rahmen der Begründung ihrer Kollokationsklage darzulegen und Beweis dafür anzubieten, dass keine gültige Begünstigung der Ehegattin oder der Nachkommen des Konkursiten bestehe. Die Sache ist deshalb in diesem Punkt an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese die Frage der Kollokation des von der Klägerin an den Versicherungsansprüchen geltend gemachten Pfandrechts unter dem Gesichtspunkt der Begünstigung der Ehegattin oder der Nachkommen des Versicherungsnehmers nochmals prüfe. Sollten die vorhandenen Akten eine abschliessende Beurteilung dieser Frage nicht erlauben und ergänzende Abklärungen nach kantonalem Prozessrecht nicht möglich sein, müsste die von der Klägerin verlangte Kollokation mangels Nachweises der erforderlichen Voraussetzungen abgewiesen werden.
| null |
nan
|
de
| 1,979 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a97c5cde-e2b2-4dc1-ab74-d5ddb8cb2f51
|
Urteilskopf
82 IV 138
30. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 6 juillet 1956 dans la cause Ministère public de canton de Vaud contre Treyvaud.
|
Regeste
Art. 66 KUVG
, 148 und 251 StGB.
Wenn durch ein und dieselbe Handlung sowohl
Art. 66 KUVG
übertreten als auch ein Betrug (
Art. 148 StGB
) und eine Urkundenfälschung (
Art. 251 StGB
) begangen wird, sind alle drei Bestimmungen anzuwenden.
|
Sachverhalt
ab Seite 139
BGE 82 IV 138 S. 139
A.-
Gaston Treyvaud exploite à Courtion une gravière dont les ouvriers sont soumis à l'assurance obligatoire auprès de la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (en abrégé: la Caisse nationale). De 1948 à 1952, pour payer des primes moins élevées, il n'a pas inscrit dans les listes de paie tous les salaires versés aux ouvriers et n'a fait figurer qu'une partie des salaires payés dans les déclarations qui sont remises à la Caisse nationale à la fin de chaque année. Il n'a indiqué que le 30% des salaires, en a dissimulé pour environ 150 000 fr. et a éludé le paiement de primes pour un montant supérieur à 14 000 fr. Il n'a tenu aucun compte des instructions et observations des vérificateurs de la Caisse nationale qui, ne pouvant obtenir les renseignements dont ils avaient besoin, ont dû se livrer à une enquête approfondie. Au cours de ces investigations, Treyvaud a persisté dans ses explications fallacieuses et mensongères: il a allégué, contrairement à la vérité, que les salaires payés à certains ouvriers n'avaient pas été déclarés parce que ceux-ci étaient occupés à des travaux agricoles; il a prétendu qu'il n'avait pas indiqué d'autres ouvriers pour le motif qu'il les croyait trop âgés pour pouvoir être assurés auprès de la Caisse nationale et qu'il pensait devoir les assurer auprès d'une compagnie privée; il n'en a pas moins annoncé à la Caisse nationale les accidents dont ils avaient été victimes et n'a conclu pour eux aucune assurance auprès d'une institution privée. En raison de ces faits, la Caisse nationale a déposé une plainte pénale contre Treyvaud, le 10 septembre 1953. Par la suite, le prévenu a payé le montant des primes et intérêts de retard qui lui ont été réclamés.
B.-
Par jugement du 15 octobre 1955, le Tribunal de police correctionnelle du district d'Avenches a reconnu Treyvaud coupable d'escroquerie et de faux dans les titres, et lui a infligé, pour ces infractions ainsi que pour
BGE 82 IV 138 S. 140
récidive d'ivresse au volant, une peine de quatre mois d'emprisonnement.
C.-
Saisie d'un recours formé par Treyvaud, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal du canton de Vaud l'a libéré, par arrêt du 21 novembre 1955, des chefs de prévention d'escroquerie, de faux et de contravention à la loi sur l'assurance en cas de maladie et d'accidents; en ce qui concerne le délit puni par l'art. 59 LA, elle a renvoyé la cause au Tribunal de police correctionnelle d'Yverdon pour complément d'instruction et nouveau jugement. Elle a considéré que les éléments de l'escroquerie, du faux dans les titres et de l'infraction prévue par l'art. 66 LAMA étaient réunis, mais que cette disposition établissait un délit spécial englobant les cas qui pourraient tomber également sous le coup des art. 148 et 251 CP; elle a jugé, dès lors, que l'art. 66 LAMA était seul applicable et que la prescription de l'action pénale était acquise dès la fin de l'année 1954, cet article statuant, hormis les cas de récidive, une simple contravention.
D.-
Le Ministère public du canton de Vaud s'est pourvu en nullité contre cet arrêt en tant qu'il libère Treyvaud des chefs de prévention d'escroquerie et de faux dans les titres au sens des art. 148 et 251 CP; il conclut à l'annulation de la décision entreprise et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouveau jugement.
E.-
Treyvaud conclut au rejet du pourvoi.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Il est constant que Treyvaud a trompé la Caisse nationale par des indications inexactes concernant le nombre des ouvriers occupés dans son entreprise et leurs salaires, et qu'il a établi des listes de paie fausses qui ne correspondaient pas aux montants réellement versés. Ses actes réunissent ainsi les éléments constitutifs des crimes d'escroquerie (art. 148 CP) et de faux dans les titres (art. 251 CP): dans le dessein de se procurer un enrichissement illégitime, il a astucieusement induit en erreur la
BGE 82 IV 138 S. 141
Caisse nationale par des affirmations fallacieuses et la dissimulation de faits vrais et l'a déterminée à des actes préjudiciables à ses intérêts pécuniaires, savoir à la perception de primes insuffisantes; dans le même dessein, il a constaté faussement dans des titres des faits ayant une portée juridique.
La comptabilité commerciale et ses éléments, qui comprennent les livres de salaires, sont des titres (RO 79 IV 163). Les listes de paie qui sont établies en conformité de l'art. 64 LAMA sont également des titres, car elles sont destinées à prouver des faits ayant une portée juridique: elles doivent en effet donner, pour chaque employé ou ouvrier de l'entreprise, des renseignements exacts sur le mode d'occupation, le salaire et le nombre des jours de travail, et servent, selon l'art. 112 LAMA, à la fixation des primes. Les extraits des listes de paie que le chef d'entreprise doit faire parvenir à la Caisse nationale à l'expiration de l'année d'assurance, en vertu de l'art. 28 de l'ordonnance II sur l'assurance-accidents, du 3 décembre 1917, ne sont en revanche pas des titres au sens des art. 110 ch. 5 et 251 CP; ils ne constituent pas en effet un élément de la comptabilité, mais ne sont qu'un résumé des données qui ressortent prétendument des listes de paie et ne contiennent que des allégations du chef d'entreprise. Dans le même sens, le Tribunal fédéral a jugé que le bilan inexact dressé pour tromper un tiers sur la situation réelle d'une entreprise n'est pas un titre mais un simple mensonge consigné par écrit, car il n'est pas une partie intégrante de la comptabilité; il ne représente qu'un tableau résumé de la situation qui résulte soi-disant de celle-ci (arrêt du 30 octobre 1953 dans la cause Klaus, consid. 5).
2.
Aux termes de l'art. 66 LAMA, celui qui, intentionnellement, contrevient aux art. 64 et 65 ou aux règlements édictés en application de ces articles est puni d'une amende de cinq cents francs au maximum ou d'un emprisonnement n'excédant pas trois mois; ces peines peuvent être cumulées; en cas de récidive dans les trois ans qui
BGE 82 IV 138 S. 142
suivent la dernière condamnation, l'amende peut être portée à mille francs et l'emprisonnement à six mois. L'art. 64 LAMA impose au chef d'entreprise l'obligation de tenir à jour et en bon ordre des listes de paie concernant son personnel et de se soumettre au contrôle de la Caisse nationale, cependant que l'art. 65 a trait à la prévention des accidents.
La question qui se pose est celle de savoir si l'art. 66 LAMA doit être considéré comme une règle spéciale qui exclut l'application des art. 148 et 251 CP et si l'on se trouve en présence d'un concours improprement dit. Pour la trancher, il faut examiner si, d'après son sens et son texte, l'art. 66 LAMA vise sous tous leurs aspects les actes dont Treyvaud s'est rendu coupable.
Selon la jurisprudence, il y a par exemple concours improprement dit entre les dispositions spéciales sur la confection des affidavits ou de pièces bancaires analogues et l'art. 251 CP (RO 76 IV 90); de même, ce sont les règles du droit pénal fiscal, à l'exclusion de l'art. 251 CP, qui sont applicables à l'employeur qui indique, dans une attestation de salaire destinée à l'autorité fiscale, un montant inférieur à celui qu'il a en réalité versé à son employé (RO 81 IV 168); en revanche, les dispositions pénales de la loi sur les douanes n'excluent pas l'application du droit pénal ordinaire en cas de contravention douanière avec falsification (RO 77 IV 45, 80 IV 39).
Contrairement à l'opinion de la Cour de cassation vaudoise, qui est partagée par certains auteurs (HAFTER, Partie spéciale p. 277, GRAVEN, Sur l'unification de la répression pénale, Revue pénale suisse, 1933, p. 3-4, D ÜRR, Commentaire de la LAMA à l'art. 66 al. 1) et par la jurisprudence de différentes juridictions cantonales (Zurich, Revue suisse de jurisprudence 1921/22, p. 242-245, 260, arrêt Pratissoli du 4 septembre 1948; Thurgovie, Revue suisse de jurisprudence 1923/24, p. 153-154; Soleure, Bulletin de jurisprudence pénale 1948, no 88, p. 45; Berne, cité par WAIBLINGER, Revue pénale suisse
BGE 82 IV 138 S. 143
1932, p. 368-369; Valais, arrêt Gabioud du 11 novembre 1953), on ne peut considérer l'art. 66 LAMA comme une disposition spéciale qui exclut l'application du droit commun, en particulier des art. 148 et 251 CP. Il n'y a pas concours improprement dit mais concours idéal au sens de l'art. 68 CP lorsque, par le même acte, une personne enfreint à la fois l'art. 66 LAMA et les art. 148 et 251 CP (dans ce sens, MAURER, Recht und Praxis der Schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, p. 351; BÜHLER, Über die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung, Revue suisse de jurisprudence 1921/22, p. 138-139; RÜTTI, Strafbare Handlungen aus dem Gebiete der Kranken- und Unfallversicherung, p. 21, 23, 69; Lucerne, arrêt Grossmann du 9 mars 1951, Bulletin de jurisprudence pénale 1951, no 225 p. 79-80).
L'art. 66 LAMA réprime la contravention intentionnelle aux prescriptions des art. 64 et 65 ainsi qu'aux règlements édictés pour en assurer l'application; il punit les actes ou les omissions qui violent l'obligation de tenir à jour et en bon ordre les listes de paie, de fournir à la Caisse nationale les renseignements qu'elle demande, de se soumettre à son contrôle (art. 64) et de prendre les mesures nécessaires pour prévenir les accidents; il a pour but de garantir le fonctionnement de l'assurance obligatoire contre les accidents et de protéger à cette fin ses intérêts (RO 81 IV 118, consid. 2). Les art. 148 et 251 CP visent en revanche à défendre le patrimoine en soi, indépendamment des rapports juridiques particuliers existant entre l'auteur et la Caisse nationale et du fonctionnement de l'assurance obligatoire. Le but de l'art. 66 LAMA d'une part et celui des art. 148 et 251 CP d'autre part, de même que les biens juridiques qu'ils protègent, sont ainsi essentiellement différents. Les éléments constitutifs de l'escroquerie et du faux dans les titres ne sont en outre pas les mêmes que ceux de l'infraction prévue par l'art. 66 LAMA. Les deux premiers crimes exigent la réunion de conditions que l'on ne retrouve pas à l'art. 66 LAMA: l'auteur doit avoir,
BGE 82 IV 138 S. 144
dans le dessein de se procurer un enrichissement illégitime, astucieusement induit en erreur la victime et l'avoir déterminée de la sorte à des actes préjudiciables à ses intérêts pécuniaires (art. 148 CP), ou avoir commis un faux dans le même dessein ou dans celui de porter atteinte aux intérêts pécuniaires ou aux droits d'autrui (art. 251 CP); l'art. 66 LAMA réprime au contraire la violation des obligations prévues par les art. 64 et 65 sans exiger ni l'astuce ni un dessein particulier, l'auteur étant punissable du seul fait d'avoir contrevenu intentionnellement à ses devoirs. La Cour cantonale admet d'ailleurs que l'on peut tomber sous le coup de l'art. 66 LAMA sans avoir agi dans un dessein d'enrichissement illégitime, et que "la paresse, l'indifférence ou une hostilité de principe au système de l'assurance obligatoire pourraient déterminer l'employeur à ne pas satisfaire aux obligations que lui impose l'art. 64 LAMA". Même s'il était exact, comme le prétend la Cour de cassation vaudoise, que la contravention à l'art. 64 LAMA tend le plus souvent à procurer à l'employeur un avantage indu en lui permettant d'éluder le paiement des primes à la Caisse nationale, il n'en resterait pas moins que l'infraction prévue par l'art. 66 LAMA peut être commise sans que l'auteur se rende coupable en même temps d'une escroquerie ou d'un faux. Il résulte par ailleurs des peines statuées par l'art. 66 LAMA que cette disposition ne saurait exclure l'application des règles du droit commun lorsque celui qui enfreint son obligation de tenir les listes de paie à jour et en bon ordre et de renseigner la Caisse nationale trompe cette institution, pour se procurer un enrichissement illégitime, en l'induisant sciemment en erreur et en faisant des faux; les peines de trois mois d'arrêts (art. 333 al. 2 CP) et cinq cents francs d'amende au maximum ou, en cas de récidive, de six mois d'emprisonnement et mille francs d'amende, ne répriment que la seule contravention établie par l'art. 66 LAMA et non pas les infractions de droit commun qui peuvent avoir été commises en concours avec elle. Il serait au surplus
BGE 82 IV 138 S. 145
contraire au système de la loi sur l'assurance en cas de maladie et d'accidents d'admettre que l'employeur qui se rend coupable d'escroquerie et de faux en établissant des listes de paie inexactes pour se procurer un avantage indu au préjudice de la Caisse nationale ne serait passible que des peines contraventionnelles prévues par l'art. 66 LAMA, alors que, selon l'art. 99 al. 2 de cette loi, celui qui, par des manoeuvres frauduleuses, se fait verser ou cherche à se faire verser des prestations non dues ou qui se rend complice de pareilles manoeuvres tombe sous le coup des dispositions du droit pénal ordinaire. Il suit de là qu'il n'y a pas en l'espèce concours improprement dit mais concours idéal: l'art. 66 LAMA ne vise pas sous tous leurs aspects les actes de Treyvaud mais ceux-ci, en tant qu'ils réunissent les éléments constitutifs de l'escroquerie et du faux dans les titres, doivent être punis en conformité des art. 148 et 251 CP.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale prononce:
Le pourvoi est admis, l'arrêt attaqué est annulé et la cause est renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
| null |
nan
|
fr
| 1,956 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
a97dba82-c24a-484d-85b9-313087ce49eb
|
Urteilskopf
118 Ia 282
39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. August 1992 i.S. A gegen T und Mitbeteiligte sowie Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Schaffhausen (staatsrechtliche Beschwerde)
|
Regeste
Art. 58 Abs. 1 BV
;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
und
Art. 26 KV/SH
; Anspruch auf einen unbefangenen Richter.
1. Die Auffassung, der Grundsatz der Gewaltentrennung gemäss
Art. 26 KV/SH
beziehe sich nur auf die Gewalten derselben Gebietskörperschaft, ist nicht willkürlich und ist mit
Art. 58 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
vereinbar (E. 3).
2. Den Kantonen ist es nicht verwehrt, die Einhaltung gewisser Vorschriften bei der Ausübung des Anspruchs auf einen unvoreingenommenen, unabhängigen und unparteiischen Richter nach
Art. 58 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zu verlangen (E. 5a). Aufgrund der kantonalen Strafprozessbestimmungen war es nicht willkürlich, den Anspruch des Beschwerdeführers auf Ablehnung eines Richters als verwirkt zu betrachten (E. 5b-E. 5e).
3. Verfassung und Konvention stehen einer Verwirkung nicht entgegen (E. 6a). Unverzichtbarer und unverjährbarer Charakter von
Art. 58 BV
im vorliegenden Fall verneint (E. 6b und E. 6c).
|
Sachverhalt
ab Seite 283
BGE 118 Ia 282 S. 283
Im Berufungsverfahren sprach das Obergericht des Kantons Schaffhausen A mit "Zwischenurteil" vom 30. August 1991 der Schändung gemäss
Art. 189 Abs. 1 und 2 StGB
schuldig. Bereits am 26. August 1991, am Tag vor Beginn der Berufungsverhandlung, ging beim Obergericht ein Brief einer Patientin von A ein, in dem diese die Unvoreingenommenheit von Oberrichterin X, unter Hinweis auf deren Mitgliedschaft im Vorstand des Vereins Schaffhauser Frauenhaus in Frage stellte. Das Obergericht übermittelte dieses Schreiben am selben Tag per Telefax dem Anwalt von A.
Gegen dieses Urteil vom 30. August 1991 erhob A mit Eingabe vom 13. September 1991 staatsrechtliche Beschwerde. Er macht eine Verletzung von
Art. 4 und
Art. 58 BV
sowie
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
geltend, da die am angefochtenen Urteil mitwirkende Oberrichterin X gleichzeitig auch Mitglied des Grossen Stadtrates der Stadt Schaffhausen ist.
BGE 118 Ia 282 S. 284
Anlässlich des zweiten Teils der Berufungsverhandlung vom 16. und 17. September 1991 stellte A, soweit hier überhaupt interessierend, ein Ausstandsbegehren gegen Oberrichterin X. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen trat darauf mit Beschluss vom 16. September 1991 nicht ein und verurteilte A mit Urteil vom 17. September 1991 zu 2 1/2 Jahren Zuchthaus.
Gegen den Nichteintretensbeschluss des Obergerichts vom 16. September 1991 erhebt A mit Eingabe vom 15. Oktober 1991 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 und
Art. 58 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
sowie Art. 30 Abs. 2 und Art. 32 der Strafprozessordnung des Kantons Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 (StPO).
Das Bundesgericht weist die beiden Beschwerden ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Der Beschwerdeführer macht mit seiner ersten Beschwerde vom 13. September 1991 einzig geltend, das Urteil vom 30. August 1991 verletze seinen Anspruch auf den verfassungs- und konventionsmässigen Richter gemäss
Art. 58 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, da Oberrichterin X Mitglied des Grossen Stadtrats der Stadt Schaffhausen sei.
a) Ein Richter oder Beamter ist so früh wie möglich abzulehnen. Es verstösst gegen Treu und Glauben, Einwände dieser Art erst im Rechtsmittelverfahren vorzubringen, wenn der Mangel schon vorher hätte festgestellt werden können. Wer den Richter oder den Beamten nicht unverzüglich ablehnt, wenn er vom Ablehnungsgrund Kenntnis erhält, sondern sich stillschweigend auf den Prozess einlässt, verwirkt den Anspruch auf spätere Anrufung der verletzten Verfassungsbestimmung (
BGE 117 Ia 323
E. 1c,
BGE 116 Ia 389
,
BGE 114 Ia 280
E. 3e,
BGE 112 Ia 340
E. 1c).
Da sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet erweist, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann (vgl. nachfolgende Erwägungen), braucht vorliegend nicht geprüft zu werden, ob der Beschwerdeführer die Einwände gegen die Zusammensetzung des Gerichts rechtzeitig erhoben hat.
b) Bei staatsrechtlichen Beschwerden, mit denen eine Verletzung des Rechts auf den verfassungs- und konventionsmässigen Richter geltend gemacht wird, überprüft das Bundesgericht die Auslegung
BGE 118 Ia 282 S. 285
und Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts lediglich unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Mit freier Kognition prüft es indessen, ob die als vertretbar erkannte Auslegung des kantonalen Prozessrechts mit den Garantien nach
Art. 58 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
vereinbar ist (
BGE 116 Ia 33
E. 2a,
BGE 114 Ia 52
E. 2b).
c) Die Verfassung des Kantons Schaffhausen vom 24. März 1876 (KV) schreibt in Art. 26 vor, dass die gesetzgebende, die vollziehende und die richterliche Gewalt grundsätzlich getrennt sind (Abs. 1), wobei die nähere Ausscheidung dieser Gewalten der Gesetzgebung vorbehalten wird (Abs. 2). Art. 3 des Gesetzes über die Gewaltentrennung vom 3. Dezember 1967 schliesst denn auch die Mitglieder des Grossen Rates sowie kantonale Funktionäre vom Richteramt aus.
In ihren Vernehmlassungen machen die kantonalen Behörden geltend, der Grundsatz der Gewaltentrennung gemäss Art. 26 KV beziehe sich nur auf die Gewalten derselben Gebietskörperschaft, was auch aus dem Gesetz über die Gewaltentrennung hervorgehe. Eine Unvereinbarkeit zwischen den kantonalen Gewalten einerseits und den kommunalen Gewalten andererseits lasse sich aus Art. 26 KV nicht ableiten. Infolge Fehlens einer ausdrücklichen Bestimmung, welche die Unvereinbarkeit zwischen dem Amt einer Oberrichterin und dem Mandat in einem kommunalen Parlament vorsehe, könne von einer Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung keine Rede sein.
Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden, zumal auch nach der Lehre der Grundsatz der personellen Gewaltentrennung nur für Staatsorgane der gleichen Ebene gilt (vgl. ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. Auflage, Zürich 1988, Rz. 613; BLAISE KNAPP, Précis de droit administratif, 4. Auflage, Basel 1991, Rz. 30). Die Ausführungen des Beschwerdeführers sind deshalb nicht geeignet, die von den kantonalen Behörden vorgenommene Auslegung von Art. 26 KV als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Es bleibt demnach zu prüfen, ob diese Auslegung von Art. 26 KV mit den Garantien von
Art. 58 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
vereinbar ist.
d) Sowohl aufgrund von
Art. 58 Abs. 1 BV
als auch gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
hat der Einzelne einen Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unvoreingenommenen, unparteiischen und unbefangenen Richter beurteilt wird. Damit soll garantiert werden, dass keine Umstände, die ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zu Lasten einer Partei auf das Urteil einwirken; es soll mit andern Worten verhindert werden, dass jemand
BGE 118 Ia 282 S. 286
als Richter tätig wird, der unter solchen Einflüssen steht und deshalb kein "rechter Mittler" mehr sein kann. Voreingenommenheit in diesem Sinn ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters zu erwecken. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten persönlichen Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten begründet sein (
BGE 116 Ia 33
f. E. 2b mit Hinweisen). Wegen persönlichen Verhaltens ist der Richter nicht erst dann von der Mitwirkung ausgeschlossen, wenn er deswegen tatsächlich befangen ist. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit zu begründen vermögen. In beiden Fällen kann bei der Beurteilung der Umstände, welche die Gefahr der Voreingenommenheit begründen, nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abgestellt werden; das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen (
BGE 116 Ia 33
f. E. 2b).
e) Der Beschwerdeführer erachtet
Art. 58 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
als verletzt, weil Oberrichterin X Mitglied des Grossen Stadtrates der Stadt Schaffhausen ist. Zur Begründung dieser Rüge weist er vor allem darauf hin, dass das Obergericht gemäss Art. 80 KV gleichzeitig einziges Verwaltungsgericht sei. Daher sei es möglich, dass X als Verwaltungsrichterin im Rechtsmittelverfahren über Beschlüsse des Grossen Stadtrates urteilen müsse. Die vorliegende staatsrechtliche Beschwerde richtet sich indessen gegen ein Urteil des Obergerichts in einem strafrechtlichen Verfahren. Dabei hat der Beschwerdeführer darzulegen, inwiefern im konkreten Fall eine Verfassungs- oder Konventionsverletzung vorliegen soll. Für das vorliegende Verfahren ist dagegen unbeachtlich, ob das Amt als Oberrichter in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten unvereinbar sei mit dem Mandat in einem kommunalen Parlament. Das Bundesgericht hat diese Frage nicht zu prüfen. Inwieweit dieses Doppelmandat von X im hier zu beurteilenden Strafverfahren gegen
Art. 58 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verstossen sollte, legte der Beschwerdeführer nicht in einer den Anforderungen von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
genügenden Weise dar. Eine solche Verletzung ist im übrigen auch nicht ersichtlich, da im vorliegenden Fall eine Vorbefassung unter dem Gesichtswinkel von
Art. 58 Abs. 1 BV
und
Art. 6 EMRK
nicht besteht.
4.
Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Beschwerde vom 15. Oktober 1991 gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 16. September 1991, mit dem dieses auf ein
BGE 118 Ia 282 S. 287
Ablehnungsbegehren gegen Oberrichterin X nicht eingetreten ist, eine Verletzung von
Art. 4 und
Art. 58 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
sowie von Art. 30, Art. 31 und Art. 32 der Strafprozessordnung für den Kanton Schaffhausen vom 15. Dezember 1986 (StPO).
a) Das Obergericht des Kantons Schaffhausen führt in seinem angefochtenen Beschluss unter anderem aus, die Verteidigung habe sich auf das Verfahren eingelassen, obwohl ihr das Engagement von Oberrichterin X für die Sache der Frau bekannt gewesen sei. Im Ablehnungsbegehren werde nichts wesentlich Neues vorgebracht als das, was seinerzeit bekannt war und mit dem Schreiben einer Patientin bekanntgemacht worden sei. So habe der Beschwerdeführer selbst mit seinem Schlusswort (im ersten Teil der Berufungsverhandlung) eine Kopie des Leserbriefs B/F/M und des Leserbriefs Z sowie eine Liste der Vereinsorganisation des Frauenhauses eingereicht. Wirklich neu sei einzig der Telefonanruf seiner Rechtsanwältin beim Nottelefon. Die blosse Verweisung, die sie dort erhalten habe - nämlich an Frau X, die Bescheid wisse -, besage nichts Konkretes, weshalb diese Richterin nicht hätte mitwirken können oder sollen. Der Anspruch auf Ablehnung von Oberrichterin X sei deshalb verwirkt. Das Obergericht verweist dabei auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung. In seiner Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde ergänzte das Obergericht diese Begründung dahingehend, dass auch im Strafverfahren der Grundsatz von Treu und Glauben gelte. Gegen diesen Grundsatz verstosse, wer vorerst - trotz Kenntnis der massgeblichen Umstände - bewusst auf ein Ablehnungsbegehren verzichte und abwarte, wie das Gericht entscheide, und erst nachträglich noch ein Ablehnungsbegehren stelle, obwohl er den behaupteten Mangel schon vor dem Entscheid des Gerichts hätte geltend machen können. Nach
Art. 30 Abs. 1 StPO
sei ein Ausstandsbegehren unverzüglich, d.h. so früh wie möglich zu stellen. Ein solches Begehren könne nicht ungeachtet der konkreten Umstände irgendwann während der gesamten Hauptverhandlung bis zum endgültigen Urteil gestellt werden. Seien die massgeblichen Fakten für einen allfälligen Ablehnungsgrund dannzumal bekannt, so sei die Vorfrage der Besetzung und Zuständigkeit des Gerichts spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung zu stellen (
Art. 306 StPO
in Verbindung mit
Art. 264 Abs. 1 StPO
). Indem der Beschwerdeführer sein Ablehnungsbegehren erst nach Kenntnis des Schuldspruchs gestellt habe, obwohl er dies - mit der massgeblichen Begründung - schon vorher hätte tun können, habe er gegen Treu und Glauben verstossen.
BGE 118 Ia 282 S. 288
Mit einer Alternativbegründung im angefochtenen Beschluss führt das Obergericht weiter aus, das Gesuch hätte abgewiesen werden müssen, wenn darauf einzutreten gewesen wäre. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen, die sich abstrakt mit Zielen befassen, die in eine bestimmte Richtung weisen, bewirke nicht den Anschein der Befangenheit. Nach glaubhaften und unbestrittenen Aussagen von Oberrichterin X habe sie sich in keiner Weise konkret engagiert. Sie habe sich insbesondere von der Mitwirkung im Vorstand des Frauenhauses zurückgezogen; sie habe also nichts zu tun mit dem Leserbrief B/F/M.
b) Der Beschwerdeführer macht demgegenüber hauptsächlich geltend, ein Ausstandsbegehren könne während der gesamten Hauptverhandlung bis zum endgültigen Urteil gestellt werden. Die vom Obergericht zitierten Bundesgerichtsentscheide würden denn auch Fälle betreffen, in denen das Ausstandsbegehren erst im Rechtsmittelverfahren gestellt worden sei. Nach
Art. 30 StPO
sei ein Ausstandsbegehren zu begründen. Am Tag vor dem Beginn der Berufungsverhandlung habe er durch das ihm vom Obergericht zugestellte Schreiben gewusst, dass allenfalls eine Befangenheitsproblematik bestehen könnte. Ein Beweis sei dieses Schreiben indessen noch nicht gewesen. In diesem Zeitpunkt sei ihm auch das enorme Engagement von Oberrichterin X in zum Teil feministischen Frauenorganisationen und ihre Beziehungen zum Nottelefon für vergewaltigte Frauen nicht bekannt gewesen. Dies alles habe er erst nach dem Zwischenurteil erfahren. Ihm werde nun vorgeworfen, dass er aufgrund der damals dürftigen Beweislage gezögert habe, bereits während dem ersten Teil des Hauptverfahrens ein Ausstandsbegehren gegen Oberrichterin X zu stellen. Eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben sei vielmehr dem Obergericht vorzuwerfen. Seinerzeit habe Oberrichterin X ihre Kollegen über den Brief des Frauenhauses informiert und sich davor distanziert. Ihm sei diese dem Obergericht bewusste Befangenheitsproblematik indessen vorenthalten worden. Nach dem Erhalt des besagten Schreibens einer seiner Patientinnen habe man geradezu ein Ablehnungsbegehren erwartet und daher für den ganzen ersten Teil des Prozesses einen Pikettrichter bestellt und zudem habe sich Oberrichterin X vorbereitet, zu einem solchen Gesuch Stellung zu nehmen. Eine vorausschauende Prozessführung hätte indessen nicht diese genannten Massnahmen erfordert, sondern einen Verzicht auf den problematischen Richter. Schliesslich sei auch fraglich, ob das Recht auf den verfassungsmässigen Richter im Sinne von
Art. 58 BV
überhaupt verwirken könne.
BGE 118 Ia 282 S. 289
5.
a) Die Organisation der Rechtspflege und des gerichtlichen Verfahrens ist grundsätzlich Sache des kantonalen Prozessrechts (
Art. 64 Abs. 3 BV
und
Art. 64bis BV
). Die Bundesverfassung schreibt den Kantonen nicht eine bestimmte Gerichtsorganisation oder ein bestimmtes Verfahren vor. Aus dem bundesrechtlichen Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter nach
Art. 58 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ergeben sich indessen gewisse Minimalgarantien, die das kantonale Verfahren zu erfüllen hat (vgl.
BGE 114 Ia 53
E. 3b mit Hinweisen). Es kann indessen den Kantonen nicht verwehrt sein, die Einhaltung gewisser Vorschriften bei der Ausübung des Anspruchs auf einen unvoreingenommenen, unparteiischen und unbefangenen Richter im Sinne von
Art. 58 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zu verlangen, so etwa, dass entsprechende Anträge frist- und formgerecht gestellt werden (vgl. JEAN-FRANÇOIS EGLI/OLIVIER KURZ, La garantie du juge indépendant et impartial dans la jurisprudence récente, in: Recueil de jurisprudence neuchâteloise (RJN) 1990, S. 9 ff.).
Auf staatsrechtliche Beschwerde hin prüft das Bundesgericht dann im Einzelfall die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts unter dem Gesichtswinkel der Willkür. Mit freier Kognition prüft es indessen, ob die als vertretbar erkannte Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts vor den materiellen Verfassungs- und Konventionsgarantien standhält, etwa dann, wenn das kantonale Recht die Befangenheitseinrede als verspätet oder nicht formgerecht und damit als verwirkt bezeichnet oder von einem stillschweigenden Verzicht ausgegangen wird. Dabei ist hinsichtlich der Garantie des verfassungsmässigen Richters zu beachten, dass ein Verzicht auf die Geltendmachung nicht leichthin angenommen werden kann (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Pfeifer und Plankl vom 25. Februar 1992, Série A vol. 227, Ziff. 37 ff., in EuGRZ 1992 S. 99; Urteil i.S. Oberschlick vom 23. Mai 1991, Série A vol. 204, Ziff. 51, in EuGRZ 1991 S. 216). Zum andern hat die Rechtsprechung in
Art. 58 BV
selbst gewisse Schranken erblickt und erkannt, dass auf den Anspruch verzichtet werden kann und dass ein verspätetes Vorbringen gegen Treu und Glauben verstossen und daher die Verwirkung der Geltendmachung mit sich bringen kann (vgl.
BGE 117 Ia 323
f.,
BGE 116 Ia 142
und 389,
BGE 114 Ia 280
E. 3e und 350,
BGE 112 Ia 340
E. 1c; Entscheid des Bundesgerichts vom 17. Juni 1992 i.S. W, in EuGRZ 1992 S. 548 f.).
b) Das schaffhauserische Strafprozessrecht unterscheidet zwischen Ausschliessungs- und Ablehnungsgründen (
Art. 25 und 26
BGE 118 Ia 282 S. 290
StPO
). Soweit ein Ausschliessungsgrund vorliegt, hat ein Richter von Gesetzes wegen in den Ausstand zu treten (
Art. 25 StPO
). Demgegenüber sind Ablehnungsgründe von einer Partei oder vom Richter selbst (Selbstablehnung) geltend zu machen (
Art. 26, 27 und 30 StPO
; ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Auflage, Basel 1984, S. 65). Eine Partei hat ein begründetes Ausstandsbegehren schriftlich einzureichen oder mündlich anzubringen, sobald ihr der Ausschliessungs- oder Ablehnungsgrund bekanntgeworden ist (
Art. 30 Abs. 1 StPO
). Nach
Art. 262 Abs. 1 StPO
, der gemäss
Art. 306 StPO
auch im Berufungsverfahren gilt, können die Parteien Vorfragen, etwa betreffend die Besetzung des Gerichts, zu Beginn der Hauptverhandlung aufwerfen.
c) Aufgrund dieser kantonalen Bestimmungen wäre der Schluss des Obergerichts des Kantons Schaffhausen nicht willkürlich, dass das Ablehnungsbegehren spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung hätte gestellt werden müssen, sofern dem Beschwerdeführer der behauptete Mangel damals schon bekannt war. Zu dieser Frage ist festzustellen, das Oberrichterin X gemäss dem Amtsbericht des Obergerichts an den Grossen Rat des Kantons Schaffhausen von 1990 zur ordentlichen Besetzung des Obergerichts bei der Behandlung von Berufungen in Strafsachen gehört. Dass ihre Mitwirkung auch im vorliegenden Fall vorgesehen war, wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben des Obergerichtspräsidenten vom 3. September 1990 und nochmals in der Vorladung vom 27. Juni 1991 mitgeteilt. In der Vorladung wurden die Parteien zudem unter Hinweis auf
Art. 30 Abs. 1 StPO
darauf hingewiesen, dass allfällige Ausstandsbegehren unverzüglich zu stellen sind, sobald der Ausstandsgrund bekanntgeworden ist. Der Beschwerdeführer macht denn auch nicht geltend, dass ihm die personelle Zusammensetzung des Gerichts nicht bekanntgemacht worden sei. Er macht vielmehr geltend, dass er zu Prozessbeginn wohl wusste, dass allenfalls eine Befangenheitsproblematik bestehe, er jedoch noch nicht über die notwendigen Beweise verfügte.
d) Der Beschwerdeführer erachtet Oberrichterin X aus drei Gründen als befangen. Einen ersten Befangenheitsgrund sieht der Beschwerdeführer im Leserbrief, der am 23. Januar 1990 in den "Schaffhauser Nachrichten" erschienen ist und von B, F und M für den Vorstand und das Team des Vereins Schaffhauser Frauenhaus unterzeichnet wurde. Weitere Befangenheitsgründe sieht er im "enormen Engagement in Fraueninstitutionen" von Oberrichterin X und schliesslich in ihren "Beziehungen" zum Nottelefon für vergewaltigte Frauen.
BGE 118 Ia 282 S. 291
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass das Obergericht seinem Verteidiger am Nachmittag des 26. August 1991, am Tag vor Beginn der Berufungsverhandlung, einen Brief einer Patientin per Telefax zustellte, nachdem es seinen Verteidiger vorgängig telefonisch auf dieses Schreiben und die darin genannte Befangenheitsproblematik hinwies. Dieses Schreiben hat unter anderem folgenden Inhalt:
"... Als Bürgerin mit einem - wie ich bis anhin meinte - intakten
Rechtsempfinden, habe ich Mühe zu begreifen, dass im bevorstehenden
Prozess eine Frau als Richterin sitzt (X), die in Kreisen verkehrt(e)
(Vorstandsmitglied des Frauenhauses SH), die sich vehement gegen Dr. A,
die Ärzte im allgemeinen und die Männer überhaupt stellen. Ist es ihr
wirklich möglich, diesen Fall objektiv zu beurteilen? Im ersten Prozess
spielte der Begriff "Befangenheit" eine sehr grosse Rolle. Wie steht es
mit der Befangenheit dieser Richterin? Kann sie allenfalls dem zu
erwartenden Druck der Frauenrechtlerinnen standhalten?..."
Aufgrund dieses Schreibens war es dem Beschwerdeführer bekannt, dass Oberrichterin X zumindest formell Vorstandsmitglied des Vereins Schaffhauser Frauenhaus war. Auch bestreitet der Beschwerdeführer nicht, im Zeitpunkt des ersten Teils der Berufungsverhandlung den am 23. Januar 1990 in den "Schaffhauser Nachrichten" erschienenen Leserbrief gekannt zu haben. Er hat denn auch diesen Leserbrief zusammen mit anderen Artikeln und einer Vorstandsliste des Frauenhauses Schaffhausen am 28. August 1991 nach seinem Schlusswort zu den Akten gegeben. Für ein allfälliges Ablehnungsbegehren im Zusammenhang mit diesem Leserbrief hatte der Beschwerdeführer somit bereits im ersten Teil der Berufungsverhandlung genügend Anhaltspunkte. Im Grunde genommen gibt er dies auch zu, wenn er in seiner Beschwerdeschrift in diesem Leserbrief einen selbständigen Befangenheitsgrund sieht.
e) Der Beschwerdeführer macht indessen geltend, im Zeitpunkt des ersten Teils des Berufungsverfahrens habe er fast nichts gewusst. So sei ihm das enorme Engagement von Oberrichterin X in zum Teil feministischen Frauenorganisationen und ihre Beziehungen zum Nottelefon für vergewaltigte Frauen zur Hauptsache erst nach dem Zwischenurteil bekanntgeworden.
Hinsichtlich des Engagements von Oberrichterin X für Frauenfragen ist es fraglich, ob der Beschwerdeführer, der im Zeitpunkt des Berufungsverfahrens seit ungefähr 6 1/2 Jahren in Schaffhausen wohnte, davon keine Kenntnis hatte. Dies ist indessen im vorliegenden
BGE 118 Ia 282 S. 292
Fall nicht von Bedeutung. Der Beschwerdeführer vermag nämlich nicht darzutun, inwieweit das Engagement in Organisationen, die sich nie zum vorliegenden Strafverfahren geäussert haben, den Anschein der Befangenheit von Oberrichterin X erwecken sollte. Das Einstehen für Frauenanliegen, wie etwa für die Gleichbehandlung der Geschlechter, vermag jedenfalls den Anschein der Befangenheit in keiner Weise zu begründen.
Ähnlich verhält es sich mit den geltend gemachten "Beziehungen" zum Nottelefon für vergewaltigte Frauen. Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich nicht geltend, dass Oberrichterin X Mitglied dieser Organisation sei, was übrigens gemäss der Stellungnahme von Oberrichterin X auch nicht zutreffen würde. Dass sie allenfalls einige Mitglieder des Nottelefons kennt bzw. diese Oberrichterin X kennen, vermag den Anschein der Befangenheit nicht zu begründen. Auch ihre frühere Mitarbeit in der Rechtsberatungsstelle "Rote Fade" der SP, welche offenbar vom Nottelefon rechtsuchenden Frauen angegeben wird, vermag daran nichts zu ändern. Die Auffassung des Obergerichts im angefochtenen Beschluss, der Beschwerdeführer habe nichts wesentlich Neues mehr vorgebracht, als ihm im Zeitpunkt des ersten Teils des Berufungsverfahrens bereits bekannt war, ist deshalb nicht zu beanstanden.
Dem Beschwerdeführer war weiter bekannt, dass es zu einer Zweiteilung der Berufungsverhandlung kommen werde (vgl.
Art. 267 StPO
), so dass in einem ersten Teil über die Schuldfrage und erst anschliessend in einem zweiten Teil, soweit überhaupt noch notwendig, über den Strafpunkt entschieden werde. Indem der Beschwerdeführer trotz Kenntnis des von ihm behaupteten Ablehnungsgrundes im Zusammenhang mit dem Leserbrief im ersten Teil der Berufungsverhandlung kein Ablehnungsbegehren stellte, sondern damit zuwartete, bis eine für ihn nachteilige Verurteilung im Schuldpunkt vorlag, ist es aufgrund der kantonalen Strafprozessbestimmungen nicht willkürlich, dass das Obergericht dieses Verhalten als Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben wertete und deshalb den Anspruch des Beschwerdeführers auf Ablehnung von Oberrichterin X als verwirkt betrachtete.
6.
Grundsätzlich bleibt somit zu prüfen, ob sich diese Auslegung der kantonalen Strafprozessnormen als verfassungs- und konventionskonform erweist. In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdeführer in einer den Anforderungen von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
genügenden Weise einzig geltend, dass das Recht auf einen verfassungsmässigen bzw. auf einen unvoreingenommenen Richter im
BGE 118 Ia 282 S. 293
Sinne von
Art. 58 BV
nicht verwirken könne, da es sich dabei um ein unverzichtbares Recht handle.
a) Weder die Verfassung noch die Konvention stehen grundsätzlich einer Verwirkung der Geltendmachung des Anspruchs gemäss
Art. 58 BV
bzw. gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
entgegen (vgl.
BGE 117 Ia 323
E. 1c,
BGE 116 Ia 142
und 389, 114 Ia 280 E. 3e, 350,
BGE 112 Ia 340
E. 1c; HERBERT MIEHSLER/THEO VOGLER, IntKommEMRK, 1986, Art. 6 Rz. 306). Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer geltend gemachten unverzichtbaren Charakters von
Art. 58 BV
kann er sich zum Teil auf die Literatur stützen (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, 2. Auflage, Bern 1991, S. 319; ALFRED KÖLZ, in Kommentar BV, Art. 58 Rz. 33 f.).
b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehören zu den unverjährbaren und unverzichtbaren Grundrechten bestimmte, dem Einzelnen um seine Persönlichkeit willen zustehende fundamentale Rechte. Dazu zählen die persönliche Freiheit, die Niederlassungsfreiheit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Kultusfreiheit, die Ehefreiheit sowie das Verbot des Schuldverhaftes und der körperlichen Strafen (
BGE 104 Ia 175
f. E. 2b mit Hinweisen; Urteil vom 7. Mai 1982 i.S. G, in ZBl 83/1982, S. 358 f. E. 2a). Dagegen hat das Bundesgericht in einem nicht publizierten Entscheid festgehalten, dass der Anspruch auf einen unabhängigen Richter gemäss
Art. 58 BV
nicht zu den unverjährbaren und unverzichtbaren Grundrechten gehöre (Urteil vom 4. März 1988 i.S. B.).
In der Lehre wird verschiedentlich in Zweifel gezogen, ob es gerechtfertigt sei, von einem festen Katalog von unverjährbaren und unverzichtbaren Grundrechten auszugehen (vgl. ZBl 83/1982, S. 359 f. E. 2b). So wird etwa gefordert, das Privileg der Unverjährbarkeit und Unverzichtbarkeit müsse überall dort gelten, wo Grundrechte in zentraler Weise und schwer betroffen seien (JÖRG PAUL MÜLLER, in Kommentar BV, Einleitung zu den Grundrechten, Rz. 19) oder wo der Kerngehalt irgendeines verfassungsmässigen Rechts verletzt sei (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 112).
Das Bundesgericht hat in Erwägung 2c eines zur Publikation in BGE 118 Ia bestimmten Urteils vom 8. Mai 1992 i.S. L dieser Kritik insofern Rechnung getragen, als es die von der bisherigen Rechtsprechung definierte Kategorie der unverjährbaren und unverzichtbaren Grundrechte nicht im Sinne eines Numerus clausus als abschliessend und unverrückbar betrachtet. Danach kommen dafür
BGE 118 Ia 282 S. 294
unter Umständen auch bisher noch nicht als privilegiert anerkannte Grundrechtsgarantien in Frage. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen sind allerdings angesichts der äusserst weitreichenden Auswirkungen restriktiv zu handhaben.
c) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer keine Ausschliessungsgründe geltend gemacht, die von Gesetzes wegen hätten beachtet werden müssen, sondern er behauptet einzig das Vorliegen von Ablehnungsgründen (vgl. vorangehende E. 5b). Ein allfälliger Nichtigkeitsgrund ist deshalb zu verneinen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer trotz Kenntnis des von ihm behaupteten Ablehnungsgrundes sich auf das Verfahren eingelassen hat, lässt zudem auch nicht auf einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff schliessen. Der vom Beschwerdeführer angerufene Anspruch auf einen unvoreingenommenen, unparteiischen und unbefangenen Richter im Sinne von
Art. 58 BV
wird deshalb durch die behauptete Verletzung nicht derart fundamental und schwer betroffen, dass dieses Verfahrensrecht allenfalls als unverzichtbares und unverjährbares Grundrecht anzuerkennen wäre.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,992 |
CH_BGE
|
CH_BGE_002
|
CH
|
Federation
|
a97f19e9-4ee3-4d70-ac96-1e947a02b6b8
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Urteilskopf
139 V 108
16. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. G. gegen Basler Versicherung AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_730/2012 vom 28. März 2013
|
Regeste
Art. 69 Abs. 2 ATSG
.
Anwaltskosten sind Mehrkosten im Sinne von
Art. 69 Abs. 2 ATSG
(E. 5 und 6).
|
Erwägungen
ab Seite 108
BGE 139 V 108 S. 108
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig und zu prüfen ist einzig die Frage, ob (und allenfalls inwieweit) Anwaltskosten Mehrkosten im Sinne von
Art. 69 Abs. 2 ATSG
(SR 830.1) darstellen.
BGE 139 V 108 S. 109
Das Bundesgericht hat sich zur Frage bis anhin nicht umfassend geäussert. Die Problematik wurde zwar im Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 108/05 vom 28. August 2006 angesprochen. Es handelt sich dabei aber nicht um ein Grundsatzurteil, da es in Dreierbesetzung ergangen ist (vgl. die damals geltende Ordnung gemäss Art. 125 in Verbindung mit Art. 15 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege [OG; AS 1992 288, 289 und 297]; heute:
Art. 20 Abs. 1 und 2 BGG
). Die dortigen - nicht weiter begründeten - Ausführungen sind als obiter dictum zu betrachten, und das ATSG war in jenem Verfahren gar nicht anwendbar. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich sprach sich gegen die Anerkennung von Anwaltskosten als Mehrkosten aus (Entscheid UV 2003.00253 vom 24. Juni 2005); dieser Entscheid war ans Eidg. Versicherungsgericht weitergezogen worden (Urteil U 325/05 vom 5. Januar 2006), welches sich zur Anrechenbarkeit von Anwaltskosten als Mehrkosten im Sinne von
Art. 69 ATSG
nicht zu äussern hatte, da der vorinstanzliche Entscheid diesbezüglich nicht angefochten worden war; insofern lässt sich daraus nichts Verbindliches ableiten (Urteil U 325/05 vom 5. Januar 2006 E. 3.4, nicht publ. in:
BGE 132 V 27
, aber in: SVR 2006 UV Nr. 13 S. 45 und RKUV 2006 S. 190).
3.
3.1
Bezüglich der streitigen Frage der Überentschädigung bestimmte aArt. 40 UVG (SR 832.20; in der ab 1. Januar 1985 bis zuletzt in Kraft gestandenen Fassung) für die Belange der Unfallversicherung Folgendes: Wenn keine Koordinationsregel dieses Gesetzes eingreift, so werden Geldleistungen, ausgenommen Hilflosenentschädigungen, soweit gekürzt, als sie mit den anderen Sozialversicherungsleistungen zusammentreffen und den mutmasslich entgangenen Verdienst übersteigen;
Art. 34 Abs. 2 BVG
(SR 831.40) bleibt vorbehalten. Mit Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 wurde aArt. 40 UVG aufgehoben (Ziff. 12 Anhang ATSG, AS 2002 3427). Die Überentschädigung ist nunmehr - auch für die Unfallversicherung - wie folgt geregelt: Gemäss
Art. 68 ATSG
werden Taggelder unter Vorbehalt der Überentschädigung kumulativ zu Renten anderer Sozialversicherungen gewährt. Nach
Art. 69 ATSG
darf das Zusammentreffen von Leistungen verschiedener Sozialversicherungen nicht zu einer Überentschädigung der berechtigten Person führen. Bei der Berechnung der Überentschädigung werden nur Leistungen gleicher Art und Zweckbestimmung berücksichtigt, die der anspruchsberechtigten Person
BGE 139 V 108 S. 110
auf Grund des schädigenden Ereignisses gewährt werden (Abs. 1). Eine Überentschädigung liegt in dem Masse vor, als die gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen den wegen des Versicherungsfalls mutmasslich entgangenen Verdienst zuzüglich der durch den Versicherungsfall verursachten Mehrkosten und allfälliger Einkommenseinbussen von Angehörigen übersteigen (Abs. 2). Die Leistungen werden um den Betrag der Überentschädigung gekürzt. Von einer Kürzung ausgeschlossen sind die Renten der AHV und der IV sowie alle Hilflosen- und Integritätsentschädigungen. Bei Kapitalleistungen wird der Rentenwert berücksichtigt (Abs. 3).
3.2
Die Vorinstanz geht unter Hinweis auf die Materialien von einer engen Auslegung des Begriffs "Mehrkosten" aus. Sie gelangt zum Schluss, dass solche Kosten auf die gesundheitliche Beeinträchtigung des Versicherten zurückzuführen sein müssen. Anwaltskosten seien demnach nicht anrechenbar.
3.3
Der Versicherte ist der Auffassung, eine derartige Einschränkung ergebe sich aus der genannten Gesetzesbestimmung nicht. Die Anwaltskosten seien ihm tatsächlich als Unfallfolge erwachsen, um die Sozialversicherungsleistungen geltend machen zu können. Weder aus der ratio legis noch aus den Materialien ergäben sich Hinweise für eine enge Auslegung des Begriffes.
3.4
Die Basler unterstützt die Auffassung der Vorinstanz und hält zusätzlich fest, falls Anwaltskosten als Mehrkosten anerkannt würden, seien diese auf ein vertretbares Mass zu beschränken.
4.
4.1
Aus den Materialien zum ATSG ergibt sich vorerst, dass die Frage der Überentschädigung im Laufe der parlamentarischen Beratung Änderungen erfahren hat. Durchgesetzt hat sich mit Blick auf die hier zu beantwortende Frage die Fassung der ständerätlichen Kommission. Eine inhaltliche Beschränkung des Begriffs der Mehrkosten kann daraus nicht entnommen werden (vgl. etwa AB 1999 N 1250 ff. und AB 2000 S 186 sowie Protokoll der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 14./15. Januar 1999, S. 33 ff. und Protokoll der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 6. September 1999, S. 23, gemäss welchen sich die Kontroverse um den Einbezug des Erwerbsausfalls der Angehörigen drehte). Vielmehr ergibt sich aus dem Bericht der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 26. März 1999 "Parlamentarische Initiative Sozialversicherungsrecht" (BBl 1999
BGE 139 V 108 S. 111
4523, 4642 zu Art. 76 Abs. 2 E-ATSG), die Frage der Auslegung des Begriffs Mehrkosten werde durch die Gerichtspraxis zu klären sein; der Hinweis im ständerätlichen Bericht sowie das durch FRANZ SCHLAURI (Die Leistungskoordination im neuen Krankenversicherungsrecht, in: LAMal-KVG, Recueil de travaux en l'honneur de la société suisse de droit des assurances, 1997, S. 639, 653 f.) vertretene Verständnis der geltenden Regelungen sprächen zwar dafür, die Mehrkosten auf behandlungs- oder betreuungsbedingte Kosten einzuschränken, der Wortlaut der Bestimmung lasse aber eine andere Deutung offen.
4.2
Das Schrifttum äussert sich zur strittigen Frage eher zurückhaltend (vgl. etwa KIESER/LANDOLT, Unfall - Haftung - Versicherung, 2011, S. 331 f. Rz. 996 ff.; BETTINA KAHIL-WOLFF, in: Droit suisse de la sécurité sociale, Pierre-Yves Greber und andere [Hrsg.], Bd. I, 2010, S. 32 f. Rz. 54 ff.; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 17 ff. zu
Art. 69 ATSG
; FRÉSARD/MOSER-SZELESS, L'assurance-accidents obligatoire, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 946 f. Rz. 360 ff.; GHISLAINE FRÉSARD-FELLAY, Le recours subrogatoire de l'assurance-accidents sociale contre le tiers responsable ou son assureur, 2007, S. 480 f. Rz. 1448). Insbesondere finden sich kaum Ausführungen zur Frage, weshalb Anwaltskosten nicht als Mehrkosten anerkannt werden dürfen.
Am deutlichsten gegen die Anerkennung von Anwaltskosten als Mehrkosten im Sinne von
Art. 69 Abs. 2 ATSG
spricht sich GHISLAINE FRÉSARD-FELLAY aus. Sie sieht darin eine Ausweitung des Schadensbegriffs über das im Sozialversicherungsrecht anerkannte Mass hinaus. Demgegenüber bejahen KIESER/LANDOLT die Anerkennung der Anwaltskosten als Mehrkosten bei der Berechnung der Überentschädigung, da der Gesetzgeber ein offenes Kriterium, nämlich die Verursachung durch den Unfall, gewählt habe.
5.
5.1
Die Auslegung des Gesetzes ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die von ihm erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten. Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet ihr Wortlaut. Vom daraus abgeleiteten Sinne ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann (vgl.
BGE 136 V 84
E. 4.3.2.1 S. 92). Solche Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm, aus ihrem Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (
BGE 135 IV 113
E. 2.4.2 S. 116;
BGE 135 V 382
E. 11.4.1 S. 404).
BGE 139 V 108 S. 112
Insoweit wird vom historischen, teleologischen und systematischen Auslegungselement gesprochen. Bei der Auslegung einer Norm sind daher neben dem Wortlaut diese herkömmlichen Auslegungselemente zu berücksichtigen (
BGE 135 V 319
E. 2.4 S. 321;
BGE 134 III 273
E. 4 S. 277 mit Hinweisen).
5.2
Aus dem Wortlaut lässt sich eine restriktive Auslegung im Sinne der Vorinstanz nicht ableiten, spricht doch
Art. 69 Abs. 2 ATSG
von "durch den Versicherungsfall verursachten" Mehrkosten. Dass darunter ausschliesslich gesundheitsbedingte Mehrkosten zu verstehen sind, erscheint schon deshalb nicht naheliegend, weil der Gesetzgeber eine derartige Einschränkung ohne Weiteres selber hätte vornehmen können, wenn er sie so gewollt hätte. Aus dem offenen Wortlaut ("der durch den Versicherungsfall verursachten Mehrkosten"; "du fait de la réalisation du risque ... les frais supplémentaires"; "in seguito all'evento assicurato, incluse le spese supplementari provocate") lässt sich eher schliessen, dass - im Sinne eines natürlichen Kausalzusammenhanges - alle Kosten, die ohne Versicherungsfall nicht entstanden wären, gemeint sind. Der Wortlaut ist demnach einer Auslegung im Sinne des Versicherten ohne Weiteres zugänglich.
5.3
Eine Beschränkung im vorinstanzlichen Sinne ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte. Zwar wurde in den Materialien eine solche erwähnt (vgl. E. 4.1). Letztlich hat der Gesetzgeber die Auslegung des Begriffes der Mehrkosten aber explizit der Rechtsprechung überlassen, ohne inhaltliche Vorgaben vorzunehmen. Insbesondere wurde darauf verzichtet, den Begriff auf behandlungs- oder betreuungsbedingte Mehrkosten einzuschränken. Den gemeinsamen Empfehlungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV), des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV) und der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) zum ATSG und Versorgungsschaden lässt sich ein einschränkendes Verständnis des Begriffs "Mehrkosten" entnehmen (vgl. HAVE 2003 S. 346 ff., v.a. S. 350); dabei handelt es sich jedoch um Verwaltungsweisungen, welche für das Bundesgericht nicht verbindlich sind (
BGE 133 V 587
E. 6.1 S. 591,
BGE 133 V 257
E. 3.2 S. 258).
5.4
Nach
Art. 69 Abs. 2 ATSG
liegt eine Überentschädigung erst dann vor, wenn die Sozialversicherungsleistungen den mutmasslich entgangenen Verdienst übersteigen. Das Gesetz sieht demnach keine Beschränkung in dem Sinne vor, dass die Sozialversicherungsleistungen den durch Arbeit erzielten Verdienst nicht erreichen dürfen, wie dies etwa das Komplementärrentensystem der
BGE 139 V 108 S. 113
Unfallversicherung mit einer Begrenzung auf 90 % des versicherten Einkommens vorsieht (
Art. 20 Abs. 2 und
Art. 31 Abs. 4 UVG
). Daraus ist zu schliessen, dass der Gesetzgeber bewusst eine eher grosszügige Lösung getroffen hat. Aus dieser ratio legis kann demnach nicht geschlossen werden, der Begriff der Mehrkosten sei eng auszulegen.
5.5
Ähnliches lässt sich aus dem Umstand schliessen, dass
Art. 69 ATSG
bei der Festlegung der Überentschädigungsgrenze nicht nur den entgangenen Verdienst des Versicherten selber, sondern auch die durch den Versicherungsfall verursachten Einkommenseinbussen Angehöriger miteinbezieht. Mit andern Worten hat der Gesetzgeber beim entgangenen Verdienst eine für die versicherte Person günstige Lösung getroffen. Aus systematischer Sicht kann daher nicht angenommen werden, er habe dies bei den Mehrkosten gerade nicht beabsichtigt.
5.6
Ein Blick auf die Regelung des Haftpflichtrechts (
Art. 41 ff. OR
) lässt eine enge Auslegung des Begriffes Mehrkosten ebenso wenig als angezeigt erscheinen (vgl. dazu die Ausführungen von HARDY LANDOLT, Zürcher Kommentar, Teilbd. V 1c, 3. Aufl. 2007, N. 112 ff. zu
Art. 46 OR
sowie die Urteile 4C.215/2001 vom 15. Januar 2002 E. 4 und 4C.55/2006 vom 12. Mai 2006 E. 4, wo der vorprozessuale Anwaltsaufwand grundsätzlich als schadenersatzpflichtig bezeichnet wird; so schon
BGE 97 II 259
). Einzuräumen ist indessen, dass aus dem Haftpflichtrecht nicht ohne Weiteres auf das Sozialversicherungsrecht geschlossen werden darf, liegt jenem doch ein weiterer Schadensbegriff zu Grunde. Jedenfalls aber schliesst die Praxis zu
Art. 41 ff. OR
eine offene Auslegung im Sinne des Versicherten nicht aus.
5.7
Insgesamt führen weder der Wortlaut, die ratio legis, die Materialien, die Systematik noch der Vergleich mit der Regelung aus einem verwandten Rechtsgebiet zu einer engen Auslegung des Begriffs der Mehrkosten im Sinne der Vorinstanz. Vielmehr ist aufgrund des offenen Wortlautes anzunehmen, dass darunter grundsätzlich alle durch den Versicherungsfall entstandenen Mehrkosten zu verstehen sind. Der im Schrifttum geäusserte Einwand, dadurch werde der Schadensbegriff über das im Sozialversicherungsrecht anerkannte Mass ausgeweitet, ist deshalb nicht zu hören, weil es sich bei den Mehrkosten im Sinne von
Art. 69 Abs. 2 ATSG
stets um Kosten handeln muss, welche durch Sozialversicherungsleistungen nicht gedeckt werden können.
BGE 139 V 108 S. 114
6.
Unter die Mehrkosten sind daher grundsätzlich auch die dem Versicherten entstandenen Anwaltskosten zu subsumieren. Einschränkend ist anzufügen, dass es sich dabei einzig um Anwaltskosten handeln darf, die durch den Versicherungsfall entstanden sind. Konkret sind dies die Aufwendungen, die zur Erlangung der für die Überentschädigungsberechnung massgebenden Sozialversicherungsleistungen notwendig waren. Daher können beispielsweise keine anwaltlichen Bemühungen für Haftpflichtversicherungsleistungen darunter verstanden werden. Anrechenbar sind im Weiteren nur die notwendigen Aufwendungen. Auszuschliessen ist daher der Einbezug von Anwaltskosten, welche ausserhalb des üblicherweise zu erwartenden Vorgehens (so KIESER, a.a.O., N. 20 zu
Art. 69 ATSG
) entstanden sind. Das gilt sowohl für den vorprozessualen Aufwand als auch für die Anwaltskosten in einem Gerichtsverfahren. Letztere können ohnehin nur geltend gemacht werden, soweit sie nicht durch eine Parteientschädigung abgegolten worden sind. Schliesslich stellt sich die Frage, inwiefern eine allfällige Rechtsschutzversicherung, welche der versicherten Person Anwaltskosten erstattet, zu berücksichtigen ist.
| null |
nan
|
de
| 2,013 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a984e9e4-e5bd-4d60-8442-c4f9ea89b02b
|
Urteilskopf
123 III 461
71. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. November 1997 i.S. Christine Z.-B. gegen Susanne S.-R. und Peter R. (Berufung)
|
Regeste
Art. 738 ZGB
und 975 ZGB; Ermittlung des Inhaltes einer Dienstbarkeit.
Soweit sich der Inhalt einer Dienstbarkeit aus dem Wortlaut des Grundbucheintrages deutlich ergibt (
Art. 738 Abs. 1 ZGB
), ist es unzulässig, für die Ermittlung des Inhaltes auf den Erwerbsgrund zurückzugreifen (
Art. 738 Abs. 2 ZGB
) (E. 2a und b).
Stehen sich nicht mehr die ursprünglichen Parteien gegenüber, kann die Löschung oder Änderung des Grundbucheintrages unter Hinweis darauf, dass der Eintrag nicht mit dem Erwerbsgrund übereinstimmt, nur mit einer Grundbuchberichtigungsklage (
Art. 975 ZGB
) verlangt werden (E. 2c).
|
Sachverhalt
ab Seite 462
BGE 123 III 461 S. 462
Am 1. Februar 1947 verstarb Johann R. und hinterliess als gesetzliche Erben seine drei Söhne Walter R., Max R. und Ernst R. Mit öffentlich beurkundetem Kauf- und Pfandvertrag vom 30. September 1950 verkaufte die aus den drei Söhnen bestehende Erbengemeinschaft die Liegenschaft X zum Preis von Fr. 70'000.-- an den Miterben Ernst R. In Ziff. 9 des erwähnten Vertrages wurde ein Wohnrecht an der Parterrewohnung der betreffenden Liegenschaft vereinbart mit folgendem Wortlaut:
"Dienstbarkeitserrichtung, im Nachgang zum Pfandrecht von Fr. 30'000.--.
Der Mitverkäufer, Herr Walter R., behält sich auf Lebenszeit vor und zwar für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder Peter R. und Suzanna R. das Wohnrecht in der Parterrewohnung im vorbeschriebenen Hause, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad und übrige Dependenzen, wie auch die Gartenbenützung.
Dieses Recht ist als Dienstbarkeit ins Grundbuch einzutragen, wozu die Bewilligung erteilt wird."
Gestützt darauf wurde die Dienstbarkeit am 2. November 1950 mit folgendem Wortlaut im Grundbuch eingetragen:
"Wohnrecht zG Walter R., Gertrud R. & Peter & Susanna R."
In der Folge wurde vom Wohnrecht kein Gebrauch gemacht. Am 24. Januar 1963 verkaufte Ernst R. das betreffende Grundstück an Paul B. Nach dessen Tod wurde die Liegenschaft am 21. Dezember 1988 von Christine Z.-B. aus dem Nachlass übernommen. Mit Schreiben vom 18. Juli 1995 wurden Gertrud R., Peter R. sowie Susanne S.-R. - früher Susanne R. - im Zusammenhang mit der Neuerrichtung von Grundpfandrechten ersucht, gegenüber den bestehenden und den neu zu errichtenden Pfandrechten für das Wohnrecht den Nachgang zu erklären; der ebenfalls im Grundbuch eingetragene Walter R. war bereits im Jahr 1987 verstorben. Mit Schreiben vom 7. August 1995 liess Susanna S.-R. mitteilen, dass sie sowie Gertrud R. und Peter R. sich vorbehielten, in die in Frage stehende Parterre Wohnung einzuziehen und dort Wohnsitz zu
BGE 123 III 461 S. 463
begründen bzw. die Wohnung als Ferienwohnung zu benützen; sie seien allerdings auch bereit, über eine Löschung des Wohnrechtes im Grundbuch gegen Entschädigung zu verhandeln.
Nachdem Verhandlungen zwischen den Beteiligten zu keinem Ergebnis geführt hatten, erhoben Susanne S.-R. und Peter R. am 15. Juli 1996 gegen Christine Z.-B. Klage beim Appellationshof des Kantons Bern; sie beantragten im wesentlichen, das Bestehen des Wohnrechtes an der erwähnten Wohnung sei festzustellen und Christine Z.-B. zu verpflichten, die Parterrewohnung samt Gartenanteil innert richterlich zu bestimmender Frist zu räumen und ihnen zur Verfügung zu stellen. Mit Urteil vom 30. April 1997 hiess der Appellationshof des Kantons Bern die Klage gut und stellte fest, dass Susanne S.-R. und Peter R. das umstrittene Wohnrecht zustehe; Christine Z.-B. wurde verpflichtet, die Wohnung bis spätestens 1. November 1997 zu räumen und den Klägern zur freien Verfügung zu stellen. Eine von Christine Z.-B. dagegen erhobene Berufung wies das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintrat.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Appellationshof des Kantons Bern ist in seinem Urteil vom 30. April 1997 im wesentlichen davon ausgegangen, dass mit dem am 30. September 1950 vereinbarten und am 2. November 1950 im Grundbuch eingetragenen Wohnrecht nicht nur zugunsten von Walter R. - und seiner Ehefrau -, sondern auch zugunsten ihrer beiden Kinder - den heutigen Klägern - je ein Wohnrecht an der Parterrewohnung in der Liegenschaft der Beklagten auf Lebenszeiten errichtet worden sei. Dieses Wohnrecht sei nicht untergegangen; weder könne aus dem Nichtausüben des Rechtes während längerer Zeit auf einen Verzicht auf das Wohnrecht geschlossen werden, noch könne die Geltendmachung des Wohnrechtes durch die Kläger als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden, da ein Interesse der nicht mehr erwerbstätigen Kläger bestehe, zumindest zeitweise im Haus zu wohnen.
Die Beklagte hält diese Begründung in verschiedener Hinsicht für bundesrechtswidrig.
2.
In erster Linie stellt sich die Beklagte auf den Standpunkt, dass das vertraglich begründete und im Grundbuch eingetragene Wohnrecht nur zu Gunsten von Walter R. und nicht auch zugunsten von dessen beiden Kindern - den heutigen Klägern - begründet worden sei.
BGE 123 III 461 S. 464
a) Gemäss
Art. 738 Abs. 1 ZGB
ist der Grundbucheintrag für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend, soweit sich Rechte und Pflichten daraus deutlich ergeben.
Art. 738 Abs. 2 ZGB
bestimmt sodann, dass sich im Rahmen des Eintrages der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben kann, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. Der Appellationshof hat es unterlassen zu prüfen, ob sich der Inhalt der Dienstbarkeit nicht bereits aus dem Wortlaut des Grundbucheintrages deutlich ergebe; vielmehr kam er mittels Auslegung von Ziff. 9 des öffentlich beurkundeten Kauf- und Pfandrechtsvertrags vom 30. September 1950 zum Schluss, dass den Klägern ein Wohnrecht zustehe.
b) Die vom Appellationshof vorgenommene Auslegung der Dienstbarkeit nach dem Erwerbsgrund erweist sich als unzulässig, weil sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus dem Grundbucheintrag deutlich ergibt (
Art. 738 Abs. 1 ZGB
) und der Eintrag infolgedessen ausschliesslich massgebend ist. Einerseits ist der Kreis der benutzungsberechtigten Personen eindeutig umschrieben. Dem Grundbucheintrag ist klar zu entnehmen, das ein Wohnrecht Walter R., Gertrud R. sowie deren Kinder Peter R. und Susanne S.-R. eingeräumt wurde. Bei den Klägern handelt es sich demnach nicht einfach um vom Aufnahmerecht eines Wohnberechtigten profitierende Familienmitglieder (
Art. 777 Abs. 2 ZGB
), denen aber kein Wohnrecht zusteht; vielmehr haben sie aufgrund des Eintrages selber als Wohnberechtigte zu gelten, denen je ein selbständiges dingliches Recht zusteht. Andrerseits ist der Grundbucheintrag nicht nur bezüglich des Kreises der berechtigten Personen, sondern auch hinsichtlich der Dauer der Wohnrechte eindeutig. Die zeitliche Beschränkung eines Wohnrechtes wäre zwar ohne weiteres möglich, doch ergibt sich dafür aus dem Grundbucheintrag nicht der mindeste Hinweis; vielmehr wird den vier berechtigten Personen unterschiedslos ein Wohnrecht ohne zeitliche Befristung eingeräumt. Damit gelangt aber die gesetzliche Regelung zur Anwendung, dass das Wohnrecht - ohne gegenteilige Anordnung - mit dem Tod des Berechtigten endigt (
Art. 776 Abs. 2 ZGB
und Art. 776 Abs. 3 in Verbindung mit
Art. 749 Abs. 1 ZGB
). Ist aber der Grundbucheintrag sowohl hinsichtlich des Kreises der begünstigten Personen als auch hinsichtlich der Dauer der ihnen eingeräumten Wohnrechte klar, bleibt kein Raum, um für die Ermittlung des Inhaltes der Dienstbarkeit auf ihren Erwerbsgrund zurückzugreifen.
BGE 123 III 461 S. 465
c) Nun kann aber auch ein deutlicher Eintrag unrichtig sein. Dies macht die Beklagte sinngemäss geltend, wenn sie behauptet, aus dem Erwerbsgrund ergebe sich, dass nur dem Vater der beiden Kläger, Walter R., ein eigenständiges bzw. auf Lebenszeit errichtetes Wohnrecht eingeräumt worden sei. Während im Verhältnis zwischen den Parteien, die einander zur Zeit der Begründung der Dienstbarkeit gegenübergestanden haben, nicht der Eintrag, sondern der Erwerbsgrund, d.h. der vertragliche Begründungsakt die Wirkung inhaltlicher Gestaltung hat (PETER LIVER, Zürcher Kommentar, N. 23 zu
Art. 738 ZGB
), ist in Fällen wie dem vorliegenden, wo sich nicht mehr die ursprünglichen Vertragsparteien gegenüberstehen, die Auslegung des Erwerbsgrundes an die Schranke des Eintrags gebunden (LIVER, a.a.O., N. 91 zu
Art. 738 ZGB
): Ergeben sich aus diesem Rechte und Pflichten deutlich, ist er allein massgebend. Der Dritterwerber kann sich dagegen wehren, dass einer im Grundbuch klar umschriebenen Dienstbarkeit mittels Auslegung des Erwerbsgrundes ein anderer Inhalt beigemessen wird; umgekehrt ist ihm aber auch verwehrt, sich auf den Erwerbsgrund zu berufen, um daraus einen für ihn vorteilhaften Inhalt einer Dienstbarkeit abzuleiten, der dem Grundbucheintrag widerspricht. In einem solchen Fall wäre vielmehr gestützt auf
Art. 975 ZGB
mittels Grundbuchberichtigungsklage die Löschung oder Abänderung des Eintrages zu verlangen, falls der Grundbucheintrag unter Berücksichtigung des Erwerbsgrundes als ungerechtfertigt erscheint (LIVER, a.a.O., N. 26 zu
Art. 738 ZGB
). Eine Grundbuchberichtigungsklage zur Löschung des nach Auffassung der Beklagten zu Unrecht eingetragenen Wohnrechtes der Kläger wurde im vorliegenden Fall indessen nicht erhoben.
d) Aus diesen Gründen ergibt sich, dass der Einwand der Beklagten unbegründet ist, dass das Wohnrecht nur zu Gunsten von Walter R. und nicht auch zugunsten von dessen beiden Kindern - den heutigen Klägern - begründet worden sei.
| null |
nan
|
de
| 1,997 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a9863628-f99b-44cc-96f1-2db3c5444599
|
Urteilskopf
125 II 293
29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. Mai 1999 i.S. Sunrise Communications AG (vormals NewTelco AG), diAx mobile und Orange Communications SA gegen Eidgenössische Kommunikationskommission u. Mitb. (Verwaltungsgerichtsbeschwerden)
|
Regeste
Art. 36 BV
;
Art. 1 FMG
,
Art. 4-6 FMG
,
Art. 22-24 FMG
,
Art. 27 FMG
,
Art. 56 FMG
, Art. 57 und insb.
Art. 61 FMG
;
Art. 98 lit. f OG
, Art. 99 Abs. 1 insb. lit. d OG,
Art. 101 OG
und
Art. 159 Abs. 2 OG
; WTO/GATS-Abkommen, insb. «Anhang über Telekommunikation»;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Erteilung von zwei landesweiten Mobilfunkkonzessionen.
Gegen Entscheide der Eidgenössischen Kommunikationskommission im Zusammenhang mit der Erteilung bzw. Verweigerung einer Mobilfunkkonzession für Fernmeldedienste ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde - auch unter Berücksichtigung des WTO/GATS-Abkommens sowie unter Beizug des Rechts der Europäischen Union als Auslegungshilfe bei der Anwendung des Landesrechts - jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn nicht genügend Frequenzen für alle Bewerber zur Verfügung stehen (E. 1-4).
Mangels eigentlichen Anspruchs lässt sich auch nicht unmittelbar aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Anspruch auf Zugang zum Bundesgericht ableiten (E. 5).
Die Eidgenössische Kommunikationskommission hat vor dem Bundesgericht keinen Anspruch auf Parteientschädigung (E. 6d).
|
Sachverhalt
ab Seite 294
BGE 125 II 293 S. 294
Am 30. April 1997 beschloss die Bundesversammlung das revidierte Fernmeldegesetz (FMG; SR 784.10; AS 1997 2187); dieses trat im Wesentlichen am 1. Januar 1998 in Kraft, mit Ausnahme einzelner Bestimmungen wie insbesondere derjenigen über die Einsetzung einer Eidgenössischen Kommunikationskommission (nachfolgend: Kommunikationskommission; Art. 56 f. FMG), welche bereits vom 20. Oktober 1997 an galten (AS 1997 2205).
Das Fernmeldegesetz sieht unter anderem in Art. 4 Abs. 1 vor, dass eine Konzession benötigt, wer einen Fernmeldedienst erbringt und dabei erhebliche Teile der für die Übertragung benutzten Fernmeldeanlagen unabhängig betreibt. Konzessionsbehörde ist die Kommunikationskommission (
Art. 5 Abs. 1 FMG
). Gemäss
Art. 22 Abs. 1 FMG
benötigt eine Funkkonzession, wer das Funkfrequenzspektrum benutzen will. Nach
Art. 24 Abs. 1 FMG
wird für die
BGE 125 II 293 S. 295
Erteilung einer Funkkonzession in der Regel eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt, wenn mittels der beantragten Frequenznutzung Fernmeldedienste erbracht werden sollen und nicht genügend Frequenzen für alle gegenwärtigen oder voraussehbaren künftigen Interessenten zur Verfügung stehen. Gemäss
Art. 24 Abs. 2 FMG
regelt der Bundesrat das Verfahren, wobei dieses den Grundsätzen der Objektivität, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz folgt. Nach Art. 9 Abs. 1 der bundesrätlichen Verordnung vom 6. Oktober 1997 über Fernmeldedienste (FDV; SR 784.101.1; AS 1997 2833) legt die Konzessionsbehörde fest, ob der Zuschlag aufgrund eines Kriterienwettbewerbs oder einer Auktion erfolgt.
In seiner Botschaft vom 10. Juni 1996 zum revidierten Fernmeldegesetz (BBl 1996 III 1405) hatte der Bundesrat in den Erläuterungen zum vorgeschlagenen
Art. 65 FMG
(Sicherstellung der Grundversorung) - die entsprechende Regelung erging schliesslich in
Art. 66 FMG
- unter anderem ausgeführt, neuen konzessionierten Anbietern von Mobiltelefonie müssten die für den Aufbau ihrer Netze notwendigen Frequenzen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden (BBl 1996 III 1450). Um in diesem Sinne im Mobilfunkbereich möglichst rasch nach Inkrafttreten des revidierten Fernmeldegesetzes Wettbewerb einführen zu können, startete das Bundesamt für Kommunikation (nachfolgend: Bundesamt) - in Absprache mit dem zuständigen Departement (Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirschaftsdepartement, heute: Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation; nachfolgend: Departement) - bereits am 17. September 1996 die Vorbereitung für ein entsprechendes Projekt. Am 24. April 1997 veröffentlichte das Bundesamt - erneut nach Rücksprache mit dem zuständigen Departement - einen Vorschlag zu Handen der späteren Kommunikationskommission, der vorsah, neben der Telecom PTT (später: Swisscom) insgesamt zwei neue Mobilfunkbetreiber mit landesweiten Netzen zu konzessionieren. Angekündigt wurde gleichzeitig auch die Abschaltung des Natels C per 31. Dezember 2000. In der Folge widmete sich das Bundesamt den Vorbereitungsarbeiten für das Verfahren zur Konzessionsvergabe. Aus Gründen der Rechtsgleichheit im Vergleich zu Swisscom und gestützt auf die Ergebnisse der Vorabklärungen liess das Bundesamt die Variante einer Auktionsvergabe fallen und konzentrierte seine Bemühungen auf das Modell des Kriterienwettbewerbs (Ausschreibung anhand bestimmter vorgegebener
BGE 125 II 293 S. 296
Vergabekriterien; sog. «Beauty Contest»). Am 5. November 1997 unterbreitete das Bundesamt der - per 20. Oktober 1997 konstituierten - Kommunikationskommission einen Antrag über die Ausschreibung einer landesweiten Konzession für ein digitales zellulares Mobilfunknetz auf der Basis des GSM-Standards (GSM = Gobal System for Mobile Communication) in der Schweiz, d.h. auf der Grundlage von Endgeräten, die sowohl im 900 MHz-Band (GSM 900) als auch im 1800 MHz-Band (DCS 1800; DCS = Digital Communications System) eingesetzt werden können (sog. Dual-Band-Endgeräte). Am 18. November 1997 traf die Kommunikationskommission unter anderem folgenden Vorentscheid:
«Nach Inkrafttreten des revidierten Fernmeldegesetzes (FMG) erhalten neben der Swisscom zwei neue Betreiber eine landesweite Mobilfunkkonzession. Mit der Konzession verbunden ist das Recht auf Nutzung von Frequenzen aus dem GSM- sowie dem DCS-Frequenzband. Weil anfangs noch nicht genügend Frequenzen freigestellt werden können, erhält der dritte Konzessionär zu Beginn nur DCS-Frequenzen zur Nutzung.
Dem zweiten Konzessionär werden somit für den Betrieb eines Mobilfunknetzes die gleichen Voraussetzungen wie der Swisscom angeboten. Der dritte Konzessionär wird sich auf ausgewählte Gebiete konzentrieren müssen. Er hat aber per 1. Januar 2001 das Recht, gleich wie die beiden anderen, Frequenzen aus dem GSM- sowie dem DCS-Frequenzband zu gebrauchen. Ab diesem Zeitpunkt sind somit alle drei Konzessionäre in der Frequenznutzung gleichberechtigt. Die DCS-Frequenzen müssen von der Swisscom noch freigestellt werden.»
Die Ausschreibung wurde am 23. Dezember 1997 formell im Bundesblatt eröffnet, und zwar für die erste neue Konzession in BBl 1997 IV 1599 und für die zweite neue Konzession in BBl 1997 IV 1600. Bis zum gesetzten Eingabetermin vom 13. Februar 1998 reichten folgende Unternehmungen (in alphabetischer Reihenfolge) eine Bewerbung ein: Cheapernet, diAx mobile, Fortel, Orange Communications SA, Sunrise Communications AG und Unlimitel. In der Folge wertete das Bundesamt die Bewerbungsunterlagen aus und erstellte dazu einen Evaluationsbericht. Am 14. April 1998 stellte das Bundesamt Antrag an die Kommunikationskommission. Diese führte am 16. April 1998 ein Hearing mit den Bewerberinnen durch.
Am 17. April 1998 fällte die Kommunikationskommission ihren Konzessionsentscheid und traf eine Reihe von Verfügungen, die sich jeweils einzeln an eine Bewerberin richteten. Im Wesentlichen erteilte die Kommunikationskommission der diAx mobile die sog. «erste neue Konzession» und wies die entsprechenden Gesuche der
BGE 125 II 293 S. 297
anderen Bewerberinnen, namentlich der Sunrise Communications AG und der Orange Communications SA, ab. Die sog. «zweite neue Konzession» ging an die Orange Communications SA unter Abweisung der entsprechenden Gesuche der anderen Bewerberinnen, namentlich der diAx mobile und der Sunrise Communications AG. Die begründeten Verfügungen wurden den Bewerberinnen anfangs Juni 1998 eröffnet.
In der Folge stellten einzelne Bewerberinnen, insbesondere die Sunrise Communications AG und die Orange Communications SA, während der von der Kommunikationskommission angegebenen Rechtsmittelfrist verschiedene Gesuche um Akteneinsicht, namentlich in den Evaluationsbericht des Bundesamtes und in gewisse von ihren Konkurrentinnen eingereichte Unterlagen. Mit Verfügungen vom 10. bzw. 17. Juni 1998 hiess die Kommunikationskommission die entsprechenden Gesuche der Sunrise Communications AG und der Orange Communications SA lediglich teilweise gut und wies sie im Übrigen ab.
Am 22. Juni 1998 erhob die Sunrise Communications AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht gegen die Verfügung der Kommunikationskommission vom 10. Juni 1998 über die Akteneinsicht (bundesgerichtliches Verfahren 2A.326/ 1998). Sie beantragt im Wesentlichen, der Entscheid der Kommunikationskommission sei insoweit aufzuheben, als ihr damit die verlangte Akteneinsicht, namentlich in den Evaluationsbericht des Bundesamts und die Unterlagen von diAx mobile und der Orange Communications SA, verweigert worden sei, und es sei ihr diese Akteneinsicht zu bewilligen. Die Orange Communications SA schliesst auf Abweisung, soweit sie betroffen sei. DiAx mobile und die Kommunikationskommission stellen Antrag auf Abweisung, soweit auf die Beschwerde eingetreten werden könne.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. Juni 1998 an das Bundesgericht beantragt die Orange Communications SA unter anderem, es sei die Verfügung der Kommunikationskommission vom 17. Juni 1998 über die Akteneinsicht insofern aufzuheben bzw. zu ergänzen, als der Orange Communications SA Einsicht in die Bewerbungsunterlagen von diAx mobile zu gewähren sei (Verfahren 2A.334/1998). DiAx mobile und die Kommunikationskommission schliessen auf Abweisung des Begehrens, soweit darauf eingetreten werden könne.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. Juni 1998 wendet sich die Orange Communications SA gegen die Verweigerung der
BGE 125 II 293 S. 298
sog. «ersten neuen Konzession» (Verfahren 2A.332/1998) sowie gegen die Erteilung dieser Konzession an diAx mobile (Verfahren 2A.333/1998), im Wesentlichen mit dem Begehren, die erste Konzession sei der Orange Communications SA zuzusprechen, eventuell sei die Sache an die Kommunikationskommission zurückzuweisen; die Beschwerden würden vor allem für den Fall erhoben, dass die Erteilung der zweiten Konzession an die Orange Communications SA nicht rechtskräftig bzw. wieder aufgehoben würde. Die Kommunikationskommission beantragt in beiden Verfahren Sistierung und schliesst in der Sache auf Abweisung, soweit auf die Beschwerden einzutreten sei. Denselben Sachantrag stellt die diAx mobile im sie betreffenden Verfahren über die Konzessionserteilung.
Am 2. Juli 1998 reichte auch die Sunrise Communications AG beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der sog. «ersten neuen Konzession» (Verfahren 2A.349/1998) sowie gegen die Erteilung dieser Konzession an die diAx mobile (Verfahren 2A.350/1998) ein. Sie stellt im Wesentlichen den Antrag, die erste Konzession sei der Sunrise Communications AG zu erteilen, eventuell sei die Sache an die Kommunikationskommission zurückzuweisen. Diese schliesst in beiden Verfahren auf Abweisung der Beschwerden, soweit darauf einzutreten sei. Das gleiche Begehren erhebt die diAx mobile im sie betreffenden Verfahren über die Konzessionserteilung. In Replik und Duplik halten die Beteiligten beider Verfahren im Wesentlichen an ihren Standpunkten fest.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 29. Juni 1998 an das Bundesgericht wendet sich sodann die diAx mobile gegen die Verweigerung der sog. «zweiten neuen Konzession» (Verfahren 2A.337/1998) sowie gegen die Erteilung dieser Konzession an die Orange Communications SA (Verfahren 2A.336/1998), im Wesentlichen mit dem Begehren, die zweite Konzession sei der diAx mobile zuzusprechen; die Beschwerden würden vor allem für den Fall erhoben, dass die Erteilung der ersten Konzession an die diAx mobile nicht rechtskräftig bzw. wieder aufgehoben würde. Die Kommunikationskommission beantragt in beiden Verfahren Sistierung und schliesst in der Sache auf Abweisung, soweit auf die Beschwerden einzutreten sei. Die Orange Communications SA ersucht im sie betreffenden Verfahren um Erteilung der zweiten Konzession ebenfalls um Sistierung sowie um die Gewährung einer Nachfrist zur Stellungnahme in der Sache, falls die Sistierung verweigert werde.
BGE 125 II 293 S. 299
Am 2. Juli 1998 reichte schliesslich auch die Sunrise Communications AG beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der sog. «zweiten neuen Konzession» (Verfahren 2A.347/1998) sowie gegen die Erteilung dieser Konzession an die Orange Communications SA (Verfahren 2A.348/1998) ein. Sie stellt im Wesentlichen den Antrag, die zweite Konzession sei der Sunrise Communications AG zu erteilen, eventuell sei die Sache an die Kommunikationskommission zurückzuweisen. Diese schliesst in beiden Verfahren auf Abweisung der Beschwerden, soweit darauf einzutreten sei. Das gleiche Begehren erhebt die Orange Communications SA im sie betreffenden Verfahren über die Konzessionserteilung. In Replik und Duplik halten die Beteiligten beider Verfahren im Wesentlichen an ihren Standpunkten fest.
Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerden nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm eingereichten Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (
BGE 124 I 11
E. 1 S. 13, 223 E. 1 S. 224).
b) Zunächst rechtfertigt es sich, die Verfahren 2A.326/1998, 2A.332/1998, 2A.333/1998, 2A.334/1998, 2A.336/1998, 2A.337/ 1998, 2A.347/1998, 2A.348/1998, 2A.349/1998 und 2A.350/1998 für die Eintretensfrage zu vereinigen. Zwar sind die Beteiligten der verschiedenen Verfahren nicht identisch; angefochten sind aber immer Verfügungen der Kommunikationskommission, die denselben Sachzusammenhang betreffen, und beteiligt sind jeweils eine bis alle der gleichen drei Unternehmungen. Sodann stellt sich die Frage der Zuständigkeit des Bundesgerichts in allen Fällen gleich, und es sind zur Beantwortung dieser Frage keine Sachumstände wesentlich, zu denen sich eine Beteiligte nicht hätte äussern können bzw. deren Kenntnis unter dem Gesichtspunkt des Geschäftsgeheimnisses wesentlich werden könnte und die deshalb einer Beteiligten in einem anderen Verfahren nicht zur Kenntnis gebracht werden dürften.
c) Soweit in den Verfahren 2A.332/1998, 2A.333/1998, 2A.336/ 1998 und 2A.337/1998 die Anträge der Kommunikationskommission auf Sistierung und im Verfahren 2A.336/1998 das entsprechende Gesuch der Orange Communications SA sowie dasjenige
BGE 125 II 293 S. 300
um Gewährung einer Nachfrist zur Stellungnahme in der Sache, falls ihr Begehren um Sistierung verweigert werde, noch offen sind, steht dies weder der Zusammenlegung der verschiedenen Verfahren noch der Behandlung der Eintretensfrage entgegen.
d) Dass die Kommunikationskommission ihre Verfügungen mit der Rechtsmittelbelehrung versah, dagegen könne Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben werden, bindet das Bundesgericht nicht. Entscheidend ist vielmehr das einschlägige objektive Verfahrensrecht (
BGE 111 Ib 150
E. 1 S. 153). Die Kommunikationskommission hat in ihren Vernehmlassungen denn auch, ohne dies allerdings bereits in den angefochtenen Entscheiden zum Ausdruck gebracht zu haben, ausdrücklich erklärt, die Rechtsmittelbelehrung vorsorglich und nur deshalb erteilt zu haben, weil die Rechtslage unklar sei.
2.
Gemäss
Art. 57 Abs. 1 FMG
trifft die Kommunikationskommission die Entscheide und die Verfügungen, die nach dem Fernmeldegesetz und den Ausführungsbestimmungen in ihrer Kompetenz liegen. Sie kann das Bundesamt beim Vollzug des Fernmelderechtes beiziehen und ihm Weisungen erteilen (
Art. 57 Abs. 2 FMG
). Die Kommunikationskommission unterliegt in ihren Entscheiden keinen Weisungen von Bundesrat und Departement und ist von den Verwaltungsbehörden unabhängig (
Art. 56 Abs. 2 FMG
). Die Kommunikationskommission ist namentlich Konzessionsbehörde für die Fernmeldedienste (
Art. 5 Abs. 1 FMG
), wobei sie einzelne Aufgaben dem Bundesamt übertragen kann (
Art. 5 Abs. 2 FMG
).
Nach
Art. 61 FMG
unterliegen Verfügungen des Bundesamtes der Beschwerde an die Rekurskommission (Abs. 2) und solche der Kommunikationskommission der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Abs. 1). Das Verfahren richtet sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz und dem Bundesrechtspflegegesetz, soweit das Fernmeldegesetz nichts anderes bestimmt (Abs. 3).
Gemäss
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter anderem unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Es ist demnach zu prüfen, ob dieser Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde für die - hier interessierenden - beiden landesweiten Konzessionen für ein digitales zellulares Mobilfunknetz gilt.
3.
a) Fraglich ist zunächst, ob der Ausschluss von
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
überhaupt anwendbar ist. Einer Anwendung nicht entgegen
BGE 125 II 293 S. 301
steht jedenfalls
Art. 99 Abs. 2 OG
, wo für die im vorliegenden Zusammenhang fraglichen Konzessionen keine (Gegen)-Ausnahme vom Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
vorgesehen ist. Als heikler erweist sich die Frage, ob
Art. 61 Abs. 1 FMG
als jüngeres und spezielleres Recht der Regelung von
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
vorgeht.
Art. 61 Abs. 3 FMG
erklärt das Bundesrechtspflegegesetz ausdrücklich als anwendbar, soweit das Fernmeldegesetz selber nichts anderes bestimmt. Damit ergibt sich ohne weiteres, dass
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
für die Fernmeldekonzessionen nur dann nicht gälte, wenn das Fernmeldegesetz dies vorsähe. Da das Fernmeldegesetz ausdrücklich auf das Bundesrechtspflegegesetz verweist, muss diese Ausnahme auch ausdrücklich oder auf andere Weise eindeutig aus dem Gesetz hervorgehen.
b) Aus dem Fernmeldegesetz, namentlich aus den Bestimmungen, welche die Konzessionen regeln, ergibt sich nicht, dass für die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
nicht gelten soll. Auch die bundesrätliche Botschaft (vgl. BBl 1996 III 1405 ff.) lässt keine entsprechende Folgerung zu. Die ausdrückliche Erwähnung der Anfechtbarkeit von Verfügungen der Kommunikationskommission mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht in
Art. 61 Abs. 1 FMG
dient dazu, den Rechtsweg an das Bundesgericht überhaupt zu öffnen. Bei der Kommunikationskommission handelt es sich nicht um eine der in
Art. 98 lit. e OG
genannten Behörden, namentlich nicht um eine Rekurs- oder Schiedskommission. Vielmehr ist sie eine andere eidgenössische Kommission im Sinne von
Art. 98 lit. f OG
; gemäss dieser Bestimmung unterliegen Verfügungen solcher Kommissionen nur dann unmittelbar der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, wenn das Bundesrecht dies vorsieht. Das führt zum Schluss, dass die grundsätzliche Regelung der Zuständigkeit in
Art. 61 Abs. 1 FMG
notwendig war und die subsidiäre Anwendbarkeit des Bundesrechtspflegegesetzes in Abs. 3 dieser Bestimmung bloss daran anschliesst. Es kann jedoch nicht Sinn - des im Übrigen vorangestellten -
Art. 61 Abs. 1 FMG
sein, bereits eine Ausnahme zur Anwendbarkeit des Bundesrechtspflegegesetzes nach
Art. 61 Abs. 3 FMG
zu schaffen, nachdem ohne ausdrückliche Begründung der Zuständigkeit des Bundesgerichts in Abs. 1 das Bundesrechtspflegegesetz gar nicht zum Zuge käme.
Für einen Ausschluss der Ausnahmebestimmung von
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
könnte immerhin ein anderer Umstand sprechen:
BGE 125 II 293 S. 302
Der Vorbehalt spezieller Regelungen des Fernmeldegesetzes gegenüber dem Bundesrechtspflegegesetz, wie er aus dem letzten Halbsatz von
Art. 61 Abs. 3 FMG
hervorgeht, bleibt weitgehend ohne Wirkung, da das Fernmeldegesetz, soweit ersichtlich, kaum besondere Regeln aufstellt, die denjenigen des Bundesrechtspflegegesetzes widersprechen. Das führt aber nicht zu einer anderen Beurteilung des Verhältnisses der beiden Gesetze. Der Vorbehalt in
Art. 61 Abs. 3 FMG
hat vor allem, wenn nicht ausschliesslich, die Funktion, die Anwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes einzuschränken, und zwar namentlich dort, wo das Fernmeldegesetz besondere Verfahrensvorschriften enthält. Dies trifft etwa gerade für die Erteilung von Funkkonzessionen zu, wo
Art. 24 FMG
eine besondere Verfahrensregelung vorsieht, welche die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes zumindest ergänzt, wenn nicht diesen sogar vorgeht. Der in
Art. 61 Abs. 3 FMG
enthaltene Vorbehalt macht somit durchaus Sinn, auch wenn er sich im Verhältnis zum Bundesrechtspflegegesetz kaum auswirkt.
c) Schliesslich bedeutet der mögliche Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen für ein Mobilfunknetz nicht, dass die grundsätzliche Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 61 Abs. 1 FMG
obsolet bzw. diese Bestimmung ihres Gehalts entleert würde. Zu den Entscheiden und Verfügungen, die gemäss
Art. 57 FMG
in der Kompetenz der Kommunikationskommission liegen, gehören namentlich (vgl. dazu BBl 1996 III 1447; DENIS BARRELET, Droit de la communication, Bern 1998, Rz. 871; MATTHIAS RAMSAUER, Behördenorganisation und Rechtswege, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 201 f.): die Erteilung der vom Gesetz vorgesehenen Konzessionen, unabhängig davon, ob darauf ein Anspruch besteht oder nicht (
Art. 5 Abs. 1 FMG
), die Änderung (
Art. 10 FMG
) und der Entzug von Konzessionen (
Art. 58 Abs. 3 FMG
), Verwaltungssanktionen im Zusammenhang mit Verstössen gegen Konzessionen und Verfügungen (
Art. 60 FMG
), Interkonnektionsentscheide (
Art. 11 Abs. 3 FMG
) sowie die Genehmigung des nationalen Frequenzzuweisungsplans (
Art. 25 Abs. 2 FMG
) und der nationalen Nummerierungspläne (
Art. 28 Abs. 3 FMG
). Auch wenn berücksichtigt wird, dass
Art. 11 Abs. 4 FMG
die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gegen Interkonnektionsverfügungen ausdrücklich separat vorsieht und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Erteilung oder
BGE 125 II 293 S. 303
Verweigerung von Konzessionen, auf die kein Anspruch besteht, gegebenenfalls wegen
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
und diejenige gegen den Frequenzzuweisungsplan und die Nummerierungspläne gegebenenfalls aufgrund von
Art. 99 Abs. 1 lit. a oder c OG
(vgl. dazu RAMSAUER, a.a.O., S. 207) ausgeschlossen wäre, verbleibt ein Anwendungsbereich für
Art. 61 Abs. 1 FMG
. Insbesondere ist gestützt auf diese Bestimmung die Verwaltungsgerichtsbeschwerde so oder so zulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Konzessionen, auf die Anspruch besteht (vgl.
Art. 6 Abs. 3 FMG
), gegen den Entzug von Konzessionen - und zwar auch dann, wenn darauf kein Anspruch gegeben ist (vgl.
Art. 101 lit. d OG
) - sowie gegen Verwaltungssanktionen gemäss
Art. 60 FMG
.
d)
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
findet demnach auf Konzessionen, die sich auf das Fernmeldegesetz stützen, grundsätzlich Anwendung.
4.
a) Entscheidender Gesichtspunkt für die Zulässigkeit oder den Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gemäss
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
, ob ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Mobilfunkkonzession besteht.
Eine Mobilfunkkonzession für den Betrieb eines Mobiltelefonienetzes besteht aus einer Fernmeldedienstekonzession nach
Art. 4 Abs. 1 FMG
sowie einer Funkkonzession gemäss
Art. 22 Abs. 1 FMG
, wobei die Funkkonzession im Rahmen der Dienstekonzession erteilt wird (
Art. 4 FDV
).
b) Für jegliche Fernmeldedienste gilt das Fernmelderegal gemäss
Art. 36 BV
weiterhin (vgl. BBl 1996 III 1474), da dieses bei der Revision des Fernmelderechts nicht berührt wurde. Damit ist die Handels- und Gewerbefreiheit von Fernmeldeunternehmungen bereits von Verfassungs wegen eingeschränkt (René Rhinow, in Kommentar BV, Rz. 135 f. zu Art. 31; Rhinow/Schmid/Biaggini, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1998, § 7, Rz. 26 f.). Die Bundesverfassung sieht ein Monopol vor, dessen Umsetzung und Begrenzung letztlich der Gesetzgeber zu regeln hat (BARRELET, a.a.O., Rz. 261 ff.; MARTIN LENDI, in Kommentar BV, Rz. 2 ff. und 15 ff. zu Art. 36; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, a.a.O., § 28, Rz. 87; ROLF H. WEBER, Der Übergang zur neuen Telekommunikationsordnung, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 8 f.).
Art. 4 FMG
begründet denn auch eine generelle Konzessionspflicht für Fernmeldedienste, und
Art. 6 FMG
definiert die allgemeinen Voraussetzungen für den Erwerb einer Fernmeldedienstekonzession. Dabei sieht
Art. 6 Abs. 3 FMG
- mit Ausnahmevorbehalt (vgl.
Art. 6 Abs. 2 FMG
) - ausdrücklich vor,
BGE 125 II 293 S. 304
dass ein Anspruch auf Konzessionserteilung besteht, wenn die auf das Gesuch anwendbaren Konzessionsvorschriften erfüllt sind (PETER R. FISCHER, Das Regime für Anbieterinnen von Fernmeldediensten, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 95). Demgegenüber regelt
Art. 22 FMG
die Pflicht für eine Funkkonzession für alle, die das Funkfrequenzspektrum benutzen wollen.
Art. 23 FMG
nennt die Voraussetzungen, unter denen eine Funkkonzession erhältlich ist. Ein Anspruch ist nicht vorgesehen. Stattdessen bestimmt
Art. 23 Abs. 3 FMG
, dass eine Funkkonzession nur erteilt wird, wenn gestützt auf den nationalen Frequenzzuweisungsplan genügend Frequenzen zur Verfügung stehen (vgl. auch BBl 1996 III 1432).
Art. 23 Abs. 3 FMG
ist im Verhältnis zu
Art. 6 Abs. 3 FMG
, welcher die grundsätzliche Regelung enthält, lex specialis für Funkkonzessionen (PIERRE-YVES GUNTER, Les infrastructures, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 70) und hat für solche entsprechend Vorrang. Er beruht auf der Grundlage, dass es sich bei den fraglichen Funkfrequenzen um ein knappes öffentliches Gut handelt (BBl 1996 III 1431; vgl. auch GUROVITS/JETZER/SCHMID DING, Das schweizerische Telekommunikationsrecht, Zürich 1998, S. 15). Stehen nicht genügend Frequenzen für alle Bewerber zur Verfügung, kann von vornherein nicht allen eine Konzession erteilt werden. Darin liegt der wesentliche Unterschied zu
Art. 6 Abs. 3 FMG
, der namentlich für die Fernmeldedienstekonzession (gemäss
Art. 4 ff. FMG
) und die Grundversorgungskonzession (gemäss
Art. 14 ff. FMG
) gilt, welche beide einer vergleichbaren Einschränkung nicht - weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht - unterliegen. Für die Funkkonzessionen verweist denn auch
Art. 27 FMG
, der die im Übrigen anwendbaren Bestimmungen des allgemeinen Teils ausdrücklich nennt, weder auf Art. 4 noch insbesondere auf
Art. 6 FMG
. Dass
Art. 27 FMG
auch keinen Hinweis auf die Interkonnektionsvorschrift von
Art. 11 FMG
enthält, steht der Folgerung nicht entgegen,
Art. 23 Abs. 3 FMG
sei eine Sonderregelung zu
Art. 6 Abs. 3 FMG
, da die Vorschriften im Funkbereich auch insoweit gelten, als keine Fernmeldedienste im Sinne von
Art. 4 und 11 FMG
erbracht werden; die Interkonnektionspflicht ist aber nur dort von Belang, wo es um solche Dienste geht.
c) Die Erteilung einer Funkkonzession für Fernmeldedienste, wie sie im vorliegenden Zusammenhang in Frage steht, unterliegt einem doppelten gesetzlichen Vorbehalt: Erstens wird generell - auch
BGE 125 II 293 S. 305
wenn kein Fernmeldedienst erbracht werden soll - eine Konzession nur gewährt, wenn gestützt auf den nationalen Frequenzzuweisungsplan genügend Frequenzen zur Verfügung stehen (
Art. 23 Abs. 3 FMG
), d.h. zunächst müssen in technischer Hinsicht die entsprechenden Kapazitäten vorhanden sein. Zweitens ist in der Regel eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen, wenn mit der beantragten Frequenznutzung Fernmeldedienste erbracht werden sollen und nicht genügend Frequenzen für alle gegenwärtigen oder voraussehbaren künftigen Interessenten zur Verfügung stehen (
Art. 24 Abs. 1 FMG
). Daraus geht hervor, dass von vornherein nicht alle Bewerber eine Konzession erlangen können, wenn nicht genügend Frequenzen vorhanden sind.
Damit unterscheidet sich die Funkkonzession für Fernmeldedienste typischerweise von solchen Konzessionen, auf die ein Anspruch besteht. Erfüllen bei diesen die Gesuchsteller die verlangten Voraussetzungen, ist ihnen eine Konzession zu erteilen, was zum Beispiel bei der Fernmeldedienstekonzession zutrifft (vgl.
Art. 4 Abs. 1 FMG
in Verbindung mit
Art. 6 Abs. 3 FMG
). Für die Eintretensfrage vor dem Bundesgericht bedeutet dies, dass gegen die Erteilung oder Verweigerung einer Fernmeldedienstekonzession grundsätzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt werden kann und das Bundesgericht dabei insbesondere zu überprüfen hat, ob die Konzessionsvoraussetzungen gemäss
Art. 6 Abs. 1 FMG
erfüllt sind. Bei der Funkkonzession für Fernmeldedienste ist indessen dann eine Auswahl zu treffen, wenn nicht genügend Frequenzen zur Verfügung stehen, auch wenn alle Interessenten die gesetzlichen Konzessionsvoraussetzungen erfüllen. Bei einer solchen Ausgangslage kann den Bewerbern grundsätzlich gar kein Recht auf die zahlenmässig beschränkten Konzessionen zustehen (so auch ein in den Akten liegendes Rechtsgutachten von RENÉ RHINOW und REGULA KÄGI-DIENER vom 25. August 1998, S. 12 f.).
d) Diese gesetzliche Regelung widerspricht nicht den Verpflichtungen der Schweiz aus dem Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) vom 15. April 1994 (für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Juli 1995; SR 0.632.20; AS 1995 2117). Auch wenn die Revision des Fernmeldegesetzes unter anderem bezweckte, das Landesrecht den Anforderungen des WTO-Rechts anzupassen, ergibt sich daraus kein Anspruch eines Bewerbers auf Erteilung einer Funkkonzession für Mobiltelefonie. Das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Anhang 1.B zum WTO-Abkommen, sog. GATS; in SR 0.632.20;
BGE 125 II 293 S. 306
vgl. auch AS 1995 2418) enthält zwar auch Regeln für den Fernmeldemarkt. Indessen verpflichtet es lediglich die Signatarstaaten, d.h. es schafft keine unmittelbar anwendbaren Rechte, auf die sich Fernmeldeunternehmungen berufen könnten. Sodann bezwecken das Abkommen und sein «Anhang über Telekommunikation» (ebenfalls in SR 0.632.20; AS 1995 2451) in erster Linie die Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Anbietern (im Sinne der sog. Meistbegünstigung [unter Anbietern verschiedener ausländischer Signatarstaaten] und der sog. Inländerbehandlung [im Vergleich mit inländischen Unternehmungen]; vgl. insb. Art. II und XVII des GATS-Abkommens), eine Steigerung der Transparenz (Art. III des GATS-Abkommens) sowie Verbesserungen beim Marktzugang (Art. XVI des GATS-Abkommens) unter Einschluss der technischen Zusammenarbeit bei der Telekommunikation (Anhang über Telekommunikation; vgl. zum Ganzen BBl 1994 IV 45 f., 242 ff. und 266 f.; MATTHIAS KOEHLER, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen [GATS], Berlin 1997, S. 101 ff.; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, a.a.O., § 9, Rz. 46 ff.; RICHARD SENTI, GATT-WTO, Zürich 1994, S. 102 ff., insb. S. 108 f.; SENTI/WEBER, Das allgemeine Dienstleistungsabkommen [GATS], in: Thürer/Kux [Hrsg.], GATT 94 und die Welthandelsorganisation, Zürich/Baden-Baden 1996, S. 136 ff. und 153 f.). Verlangt wird von den Signatarstaaten lediglich die grundsätzliche Öffnung der nationalen Telekommunikationsmärkte zu nichtdiskriminierenden Bedingungen. Die Zuschlagskriterien bei beschränkten Ressourcen können hingegen ohne weitergehende Verpflichtungen festgelegt werden, sofern das Verfahren unter bestimmten Bedingungen abläuft, namentlich transparent und nichtdiskriminatorisch ist. Geregelt werden schliesslich der Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen für Dienstleistungsunternehmungen anderer Signatarstaaten und die technische Zusammenarbeit. Ein Anspruch auf eine Mobilfunkkonzession lässt sich daraus nicht ableiten.
e) Einen Anspruch auf eine Funkkonzession für Mobiltelefonie vermittelt ferner auch nicht das Recht der Europäischen Union. Ohnehin entfaltet dieses keine unmittelbaren verbindlichen Auswirkungen auf das schweizerische Recht. Da die Revision des Fernmeldegesetzes aber unter anderem - im Hinblick auf Beteiligungen und Tätigkeiten schweizerischer Unternehmungen im Fernmeldemarkt der Europäischen Union - eine Anpassung des nationalen Rechts an die Liberalisierungsvorgaben der Europäischen
BGE 125 II 293 S. 307
Union bezweckte (BBl 1996 III 1411 f.), lässt sich deren Rechtsordnung allenfalls als Auslegungshilfe beiziehen. Die Europäische Union strebt bereits seit längerer Zeit eine Öffnung des Telekommunikationsmarktes an (GEPPERT/RUHLE/SCHUSTER, Handbuch Recht und Praxis der Telekommunikation, Baden-Baden 1998, Rz. 5 ff.; MARCEL HAAG, Das europäische Umfeld: Die rechtliche Ordnung der Telekommunikation in der EU, in Rolf H. Weber [Hrsg.], Neues Fernmelderecht, Zürich 1998, S. 32 ff.). Die Richtlinie 97/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. April 1997 über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste sieht jedoch ausdrücklich vor, dass namentlich die fehlende Verfügbarkeit von Funkfrequenzen rechtfertigt, die Anzahl Lizenzen für Mobilfunkdienste zu beschränken (vgl. Art. 8 ff., insb. Art. 10 Ziff. 1 der Richtlinie 97/13/EG; HAAG, a.a.O., S. 45). Kennt damit das Recht der Europäischen Union bei dieser Ausgangslage keinen Anspruch auf eine Mobilfunkkonzession, ergibt sich auch kein solcher bei der Auslegung des Fernmeldegesetzes unter Berücksichtigung des europäischen Rechts.
f) Immerhin ist die Konzessionsbehörde nicht frei, ob sie überhaupt Funkkonzessionen für Fernmeldedienste erteilen will. Wie ohne weiteres aus der neuen gesetzlichen Regelung (vgl. insb.
Art. 1 FMG
) sowie der bundesrätlichen Botschaft (vgl. BBl 1996 III 1406 ff.) hervorgeht, wollte der Gesetzgeber - unter anderem unter Umsetzung des WTO/GATS- Rechts und in Anpassung an das Recht der Europäischen Union (vgl. BBl 1996 III 1411 f.) - eindeutig den Fernmeldemarkt liberalisieren und bis zu einem gewissen Grad auch privaten Anbietern öffnen (GUROVITS/JETZER/SCHMID DING, a.a.O., S. 11 und 23 f.; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, a.a.O., § 28, Rz. 94; WEBER, a.a.O., S. 8 ff.). Das bedeutet nicht, dass es dem Gemeinwesen verwehrt ist, im Bereich des Fernmeldewesens tätig zu werden bzw. zu bleiben. Ein entsprechendes Verbot kennt weder das Fernmeldegesetz noch im Übrigen das WTO/GATS-Recht. Es steht der öffentlichen Hand damit grundsätzlich frei, unternehmerisch tätig zu werden (vgl. BARRELET, a.a.O., Rz. 264 f.; RHINOW/SCHMID/ BIAGGINI, a.a.O., § 18, Rz. 1 ff. und Rz. 16 ff.). Das Gemeinwesen tritt im Bereich des Fernmeldewesens denn auch vielfältig aktiv in Erscheinung, etwa in der Form von Beteiligungen an Fernmeldebetrieben durch Unternehmungen des Elektrizitäts- oder Transportbereichs, an denen wiederum die öffentliche Hand Anteile besitzt. Nicht zuletzt hält der Bund noch immer die kapital- und stimmenmässige
BGE 125 II 293 S. 308
Mehrheit an der Swisscom (Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 30. April 1997 über die Organisation der Telekommunikationsunternehmung des Bundes; Telekommunikationsunternehmungsgesetz, TUG; SR 784.11; AS 1997 2480; BARRELET, a.a.O., Rz. 265; RAMSAUER, a.a.O., S. 200).
Aus dem gesetzlichen Ziel des revidierten Fernmelderechts, Wettbewerb zu schaffen, ergibt sich indessen entgegen der Auffassung der Kommunikationskommission, dass ein staatliches Monopol bzw. dasjenige der Swisscom auch für die Mobiltelefonie nicht aufrecht erhalten werden darf. Soweit daher Kapazitäten bei den Funkfrequenzen bestehen, muss die Kommunikationskommission die entsprechenden Konzessionen grundsätzlich an geeignete Bewerber erteilen, ausserordentliche Umstände - namentlich sicherheits- oder versorgungspolitischer Art - vorbehalten. In diesem Zusammenhang verfügt die Kommunikationskommission nicht über (im Ergebnis marktsteuerndes) Entschliessungsermessen, da es ihr nicht frei steht, auch dann keine Konzessionen zu gewähren, wenn Interessenten vorhanden sind, welche die erforderlichen Voraussetzungen an sich erfüllen würden, und wenn es keine ausserordentlichen Umstände gibt, um vom gesetzlichen Wettbewerbsziel abzuweichen. Entschliessungsermessen und jedenfalls technisches Ermessen steht der Kommunikationskommission aber bei der Festsetzung der Zahl der zu vergebenden Konzessionen sowie allenfalls in weiterem Zusammenhang zu, etwa im Hinblick auf die mögliche Erteilung regionaler Konzessionen. Unzweifelhaft verfügt die Kommunikationskommission sodann über Auswahlermessen, wenn nicht genügend Frequenzen vorhanden sind.
g) Art. 99 Abs. 1, namentlich lit. d OG, schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Fällen aus, in denen der entscheidenden Behörde ein relativ grosses Ermessen zusteht oder technische Aspekte wesentlich sind (vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 103 ff., insb. S. 108 ff.; PETER KARLEN, in Geiser/Münch, Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1998, Rz. 3.26; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 853 ff., insb. 862; RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel/Frankfurt a.M. 1996, Rz. 1468 und 1470). Bei Ermessen der Verwaltungsbehörde ist ein Anspruch auf Konzession und damit die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
BGE 125 II 293 S. 309
zu verneinen (ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, Neuenburg 1984, S. 984; GYGI, a.a.O., S. 109; CHRISTIAN VOGEL, Einschränkungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, Zürich 1973, S. 81 ff.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung schliesst Entschliessungsermessen einen unbedingten Rechtsanspruch auf Bewilligungserteilung von vornherein aus (
BGE 112 Ib 13
E. 4 S. 17). Nichts anderes kann bei Auswahlermessen gelten: Auch wenn die Konzessionsbehörde grundsätzlich zur Erteilung einer bestimmten Anzahl von Konzessionen verpflichtet ist, steht keinem Bewerber ein unbedingter Rechtsanspruch zu.
Im vorliegenden Zusammenhang verfügt die Konzessionsbehörde sowohl über Entschliessungs- als auch über Auswahlermessen; sodann sind für die Konzessionserteilung erhebliche technische Gesichtspunkte beachtlich, was nicht zuletzt daraus hervorgeht, dass der Gesetzgeber mit der Kommunikationskommission bewusst eine besondere, fachkundige Instanz als Konzessionsbehörde eingesetzt hat (vgl. Art. 56 Abs. 1 letzter Satz FMG). Wenn bei einer solchen Ausgangslage der Beschwerdeweg an das Bundesgericht offen stehen sollte, müsste dies der Gesetzgeber ausdrücklich so vorsehen. Andernfalls ist davon auszugehen, dass
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
seine Ausschlusswirkung entfaltet. Dies trifft im vorliegenden Zusammenhang zu, nachdem aus dem Fernmeldegesetz, wie dargelegt (vgl. E. 3), nicht hervorgeht,
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
sei nicht anwendbar.
Diese Folgerung erscheint im Übrigen nicht als systemwidrig. Zwar trifft die Argumentation der Kommunikationskommission nicht zu, wenn sie nicht als Konzessionsbehörde eingesetzt wäre, käme die entsprechende Kompetenz dem Bundesrat zu, was die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ebenfalls ausschlösse, denn diesfalls würde
Art. 61 Abs. 1 FMG
keinen Sinn machen bzw. hätte der Rechtsmittelausschluss im Fernmeldegesetz integral erfolgen müssen. Hingegen ist die vorliegende Konstellation namentlich vergleichbar mit Entscheiden im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens, insbesondere Vergabeentscheiden, wo ebenfalls - wegen des behördlichen Ermessens und des fachtechnischen Bezugs - ein Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gilt (vgl.
Art. 100 Abs. 1 lit. x OG
). Sodann sieht sogar das Fernmeldegesetz selbst für Fernmeldedienstekonzessionen, auf die grundsätzlich ein Anspruch besteht (vgl.
Art. 6 Abs. 3 FMG
), unter bestimmten Umständen (insb. bei fehlendem Gegenrecht) vor, dass d
BGE 125 II 293 S. 310
ies nicht gilt, wenn es sich beim Bewerber um eine nach ausländischem Recht organisierte Unternehmung handelt (
Art. 6 Abs. 2 FMG
; ähnlich für die Funkkonzessionen auch
Art. 23 Abs. 2 FMG
). In solchen Fällen wäre die Verwaltungsgerichtsbeschwerde somit ebenfalls unzulässig.
h) Demnach besteht jedenfalls dann, wenn nicht genügend Frequenzen zur Verfügung stehen, kein Anspruch auf eine Mobilfunkkonzession. Bei den im vorliegenden Zusammenhang massgeblichen Funkkonzessionen ist nicht strittig, dass die Anzahl der verfügbaren Frequenzen nicht für alle Bewerber ausreicht. Der Entscheid der Kommunikationskommission, zwei neue Konzessionen zu vergeben, wird in den vorliegenden Verfahren von keiner Seite in Frage gestellt. Es ist denn auch fraglich, ob er überhaupt je vor Bundesgericht hätte angefochten werden können (vgl.
Art. 99 Abs. 1 lit. a und c OG
; dazu RAMSAUER, a.a.O., S. 207) und, selbst wenn dies theoretisch möglich gewesen sein sollte, ob eine Anfechtung im heutigen Verfahrensstadium noch zulässig wäre. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben, da dieser Vorentscheid gar nicht umstritten ist.
Gegen den Entscheid der Kommunikationskommission über die Erteilung bzw. Verweigerung einer Mobilfunkkonzession für Fernmeldedienste ist somit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn nicht genügend Frequenzen für alle Bewerber zur Verfügung stehen. Wie es sich verhielte, wenn die Frequenzen ausreichten, kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben.
i) Da sich die beiden hier fraglichen Konzessionen für ein Mobiltelefonienetz grundsätzlich aus zwei Bestandteilen zusammensetzen, liesse sich schliesslich erwägen, die beiden Komponenten der Konzession für die Frage der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu unterscheiden. Auf die Fernmeldedienstekonzession nach
Art. 4 Abs. 1 FMG
besteht ein Anspruch (
Art. 6 Abs. 3 FMG
), auf die Funkkonzession nach
Art. 22 Abs. 1 FMG
können die Bewerber wegen der Einschränkungen gemäss
Art. 23 Abs. 3 und
Art. 24 Abs. 1 FMG
hingegen keinen Anspruch erheben. Eine solche Unterscheidung im Hinblick auf die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde käme aber höchstens dann in Frage, wenn einzig strittig wäre, ob ein Bewerber die (grundsätzlichen) Voraussetzungen der Fernmeldedienstekonzession erfüllte. Ob das Bundesgericht diesfalls auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde in diesem eingeschränkten Rahmen einzutreten hätte, kann im vorliegenden
BGE 125 II 293 S. 311
Zusammenhang indessen offen bleiben, da nicht strittig ist, dass alle Bewerber, die an den hängigen Verfahren beteiligt sind, die Voraussetzungen für eine Fernmeldedienstekonzession grundsätzlich erfüllen. Da es somit im Ergebnis einzig um die Funkkonzession geht, greift der Ausschluss von
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
in den vorliegenden Verfahren um Erteilung bzw. Verweigerung der Funkkonzessionen für Mobiltelefonie (Verfahren 2A.332/1998, 2A.333/1998, 2A.336/ 1998, 2A.337/1998, 2A.347/ 1998, 2A.348/ 1998, 2A.349/1998 und 2A.350/1998) uneingeschränkt.
j) In Anwendung des Grundsatzes der Einheit des Verfahrens gemäss
Art. 101 OG
(
BGE 111 Ib 73
E. 2a S. 75;
BGE 122 II 186
E. 1d/aa S. 190) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde damit auch ausgeschlossen gegen die beiden Verfügungen der Kommunikationskommission, mit denen sie in den Verfahren 2A.326/1998 und 2A.334/1998 einzelnen Beteiligten die Akteneinsicht zumindest teilweise verweigert hat. Zwar handelt es sich nicht im eigentlichen Sinne um Zwischenverfügungen gemäss
Art. 101 lit. a OG
, da sie nach den Konzessionsentscheiden ergangen sind, und auch nicht um Vollstreckungsverfügungen gemäss
Art. 101 lit. c OG
, weil es nicht um den Vollzug der Konzessionsverfügungen geht. Dennoch stehen sie in derart engem Zusammenhang mit den fraglichen Konzessionsentscheiden, dass sie nicht als selbständig anfechtbare Verfügungen gelten können, die vom Anwendungsbereich von
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
ausgenommen wären. Vielmehr unterliegen auch sie dem entsprechenden Ausschluss, da die Akteneinsicht letztlich nur im Hinblick auf die Beschwerdeführung vor Bundesgericht verlangt worden ist und auch nur, wenn überhaupt, für die Konzessionsfrage gewährt werden könnte. Damit teilen die Verfahren um Akteneinsicht das rechtliche Schicksal der Verfahren in der Hauptsache.
5.
a) Es bleibt zu prüfen, ob unmittelbar gestützt auf Art. 6 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht geführt werden kann, wie teilweise geltend gemacht wird. Dabei soll
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ein Recht auf Zugang zu einem Gericht verschaffen, da ein zivilrechtlicher Anspruch in Frage stehe. Da es sich bei der Kommunikationskommission nicht um eine gerichtliche Behörde handle und sonst keine solche angerufen werden könne, müsse die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zur Wahrung der aus der Menschenrechtskonvention abgeleiteten Rechte zulässig sein.
BGE 125 II 293 S. 312
b)
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
betrifft nicht nur zivilrechtliche Streitigkeiten im engeren Sinne, d.h. solche zwischen Privaten oder Privaten und dem Staat in seiner Eigenschaft als Subjekt des Privatrechts, sondern auch hoheitliche Akte von Verwaltungsbehörden, sofern diese massgeblich in Rechte und Verpflichtungen privatrechtlicher Natur eingreifen (
BGE 122 II 464
E. 3b S. 466 f.;
BGE 121 I 30
E. 5c S. 34;
BGE 119 Ia 88
E. 3b S. 92, 321 E. 6a/bb S. 329, mit Hinweisen). Gemäss der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gilt das Recht auf private Erwerbstätigkeit als zivilrechtlich im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
. Anerkannt wurde ein zivilrechtlicher Anspruch namentlich in Fällen des Entzugs bewilligter Tätigkeiten im Sinne eines Rechts auf Weiterführung einer zugelassenen gewerblichen oder kaufmännischen Tätigkeit und teilweise auch in Fällen der erstmaligen Zulassung (FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/Arlington 1996, Rz. 21 zu Art. 6; ANDREAS KLEY-STRULLER, Der Anspruch auf richterliche Beurteilung «zivilrechtlicher» Streitigkeiten im Bereich des Verwaltungsrechts sowie von Disziplinar- und Verwaltungsstrafen gemäss
Art. 6 EMRK
, in AJP 1994, S. 30 f.; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], Zürich 1993, Rz. 379).
Bei der Nutzung des Frequenzspektrums handelt es sich um den Zugriff auf eine natürliche Ressource im öffentlichen Besitz (WEBER, a.a.O., S. 14). Es geht bei der Erteilung einer Funkkonzession nicht nur um die Zulassung zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern vor allem auch um die Zuteilung eines beschränkten öffentlichen Guts (BBl 1996 III 1431). Diese Zuteilung steht im Ermessen der Konzessionsbehörde. Auch wenn sie sich bei der Konzessionserteilung an gewisse Regeln zu halten hat, steht den Bewerbern kein Recht auf die Konzession zu. Bestand und Klagbarkeit des Anspruchs sind indessen Voraussetzung für die Annahme eines zivilrechtlichen Anspruchs im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
; die Anwendbarkeit dieser Bestimmung setzt voraus, dass das Recht innerstaatlich gewährt wird und durchsetzbar ist (ZBl 99/1998 S. 369 E. 3a, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 7 ff. und 11 ff. zu Art. 6; KLEY-STRULLER, a.a.O., S. 34 f.; SOYER/SALIVA, Article 6, in Pettiti/Decaux/Imbert, La Convention européenne des droits de l' homme, Commentaire article par article, Paris 1995, S. 250 f.; VELU/ERGEC, La Convention européenne des
BGE 125 II 293 S. 313
droits de l' homme, Bruxelles 1990, Rz. 418; VILLIGER, a.a.O., Rz. 377; vgl. auch HERBERT MIEHSLER, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Rz. 149 zu Art. 6; CHRISTIAN F. SCHNEIDER, Gesetzlicher Entzug von Rechten und
Art. 6 EMRK
, in: Grabenwarter/Thienel [Hrsg.], Kontinuität und Wandel der EMRK, Kehl/Strassburg/Arlington 1998, S. 246 ff.). Das trifft im vorliegenden Zusammenhang, wie in E. 4 dargelegt, nicht zu: Die Handels- und Gewerbefreiheit ist bereits auf Verfassungsstufe beschränkt. Das Fernmeldegesetz verschafft ebenfalls keinen innerstaatlichen Anspruch auf die fraglichen Funkkonzessionen. Wo solchermassen ein Ermessensspielraum vorhanden ist, besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch. Eine vergleichbare Schlussfolgerung hat das Bundesgericht im Übrigen in einem kürzlich gefällten Entscheid gezogen, in dem es um eine kantonale Konzession um das ausschliessliche Plakatanschlagerecht auf öffentlichem Grund ging (
BGE 125 I 209
E. 7).
Im neueren Schrifttum wird teilweise eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von
Art. 6 EMRK
auf gewisse Ermessensentscheide gefordert, die insoweit einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden sollen, als es sich um Ermessen handelt, dessen Ausübung in sinnvoller Weise kontrollierbar erscheint (vgl. FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 29 ff., insb. Rz. 30; RUTH HERZOG,
Art. 6 EMRK
und kantonale Verwaltungsrechtspflege, Bern 1995, S. 76, 82 und 181 f.; KLEY-STRULLER, a.a.O., S. 38; RHINOW/KOLLER/KISS, a.a.O., Rz. 1478 ff.; SCHNEIDER, a.a.O., S. 246 ff.; VILLIGER, a.a.O., Rz. 379). Auch wenn dies allenfalls dort denkbar wäre, wo es einzig um die Zulassung zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit geht, rechtfertigt sich eine solche Ausweitung dort nicht, wo wie im vorliegenden Zusammenhang (gleichzeitig) über den Zugriff auf ein beschränktes öffentliches Gut technischer Natur zu entscheiden ist. In diesen Fällen ist die Ermessensausübung einer gerichtlichen Überprüfung noch weniger zugänglich. Das trifft bei den Funkkonzessionen, wo der Behörde nicht nur ein erhebliches Entschliessungs- und Auswahlermessen zusteht, sondern sich auch besondere fachtechnische Fragen stellen, in gesteigertem Masse zu.
c) Hinzu kommt, dass ohnehin fraglich ist, wieweit das Bundesgericht unmittelbar gestützt auf
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
eine Sachzuständigkeit dort bejahen könnte, wo das eidgenössische Recht eine solche gerade ausschliesst (vgl.
BGE 118 Ia 473
E. 5b S. 479). Anders als in Fällen, in denen das kantonale Recht den Zugang zum Gericht verweigert und in denen das Bundesgericht die
BGE 125 II 293 S. 314
Zuständigkeit einer kantonalen gerichtlichen Behörde unmittelbar gestützt auf
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verlangt hat (vgl. etwa
BGE 119 Ia 88
E. 5c S. 95 f. und E. 7 S. 98), ist eine solche Folgerung auf Bundesebene mit Blick auf das Gebot der Anwendung von Bundesgesetzen gemäss
Art. 114bis Abs. 3 BV
nur dann zu ziehen, wenn die Anwendbarkeit von
Art. 6 EMRK
an sich eindeutig ist, wie das etwa in
BGE 120 Ib 224
E. 1b S. 226 ff. zutraf. Eine Öffnung in den vorliegenden Fällen, die weiter geht als die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, rechtfertigt sich unter diesen Voraussetzungen nicht. Wenn schon, dann wäre es Sache des Gesetzgebers (gewesen), die Zuständigkeitsordnung entsprechend anzupassen. Nachdem er dies bisher nicht getan hat, obliegt es jedenfalls solange auch nicht dem Bundesgericht, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Abweichung von
Art. 99 Abs. 1 lit. d OG
unmittelbar gestützt auf
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zuzulassen, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entsprechenden Forderungen des neueren Schrifttums auf Ausweitung des Begriffs des zivilrechtlichen Anspruches ebenfalls noch nicht gefolgt ist.
6.
d) Keine Parteientschädigung ist der Kommunikationskommission als obsiegender Behörde zuzusprechen (
Art. 159 Abs. 2 OG
). Sie stellt zwar in einzelnen Verfahren ein entsprechendes Begehren mit der Begründung, der gesetzliche Ausschluss einer Parteientschädigung gelte nur «in der Regel», von welcher hier abzuweichen sei, da die Kommunikationskommission ihre Kosten gemäss
Art. 56 Abs. 4 FMG
in Verbindung mit
Art. 8 der Verordnung vom 6. Oktober 1997 über Gebühren im Fernmeldebereich (GFV; SR 784.106; AS 1997 2895)
durch Verwaltungsgebühren finanzieren und insoweit selbsttragend arbeiten müsse; da sie die ihr durch das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde entstandenen Kosten nicht durch Verwaltungsgebühren abgelten könne, sei sie im Falle des Obsiegens dafür zu entschädigen. Nachdem die Kommunikationskommission den Antrag auf Parteientschädigung erst in der Replik gestellt hat, fragt sich indessen grundsätzlich, ob er nicht verspätet ist, was jedoch offen bleiben kann. Jedenfalls unterscheidet sich die Stellung der Kommunikationskommission - abgesehen von der gesetzlich geregelten Unabhängigkeit, über die aber auch andere Behörden wie kantonale Gerichte oder eidgenössische Rekurskommissionen verfügen - nicht derart von anderen Behörden, dass es sich rechtfertigen würde, vom Grundsatz des
Art. 159 Abs. 2 OG
abzuweichen. Hätte der Gesetzgeber dies
BGE 125 II 293 S. 315
gewollt, hätte er eine entsprechende - die finanzielle Ordnung von
Art. 56 Abs. 4 FMG
ergänzende - Regelung treffen können, was er indessen nicht getan hat. Im Übrigen steht es der Kommunikationskommission, im Rahmen der rechtlichen Grundsätze über die Gebührenerhebung, frei, mögliche Aufwendungen für Rechtsmittelverfahren bei der Festlegung ihrer Spruchgebühren mit zu berücksichtigen. Ohnehin kommt sie im Hinblick auf ein mögliches Unterliegen nicht umhin, sich entsprechend abzusichern.
|
public_law
|
nan
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de
| 1,999 |
CH_BGE
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CH_BGE_004
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CH
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Federation
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a993b82e-2f8d-4492-b6d9-939e8b79f6cf
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Urteilskopf
138 III 532
76. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_123/2012 vom 28. Juni 2012
|
Regeste
Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung; Einreichung der Vereinbarung beim Bundesgericht im Beschwerdeverfahren nach
Art. 72 ff. BGG
.
Zur Genehmigung der Scheidungsvereinbarung durch das Bundesgericht (E. 1). Durchführung im konkreten Fall (E. 3 und 5).
|
Sachverhalt
ab Seite 532
BGE 138 III 532 S. 532
A.
Das Bezirksgericht Schwyz (Einzelrichter) schied die Ehe von X. (Beschwerdeführer) und Y. (Beschwerdegegnerin) und regelte die Nebenfolgen der Scheidung. Auf Berufung des Beschwerdeführers bestätigte das Kantonsgericht Schwyz das bezirksgerichtliche Urteil hinsichtlich der angefochtenen güterrechtlichen Auseinandersetzung.
B.
Der Beschwerdeführer gelangte mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht und erneuerte seine Anträge bezüglich der güterrechtlichen Auseinandersetzung. Nach Einreichung der Beschwerde beantragte er dem Bundesgericht neu, die beigelegte
BGE 138 III 532 S. 533
Scheidungsvereinbarung der Parteien gerichtlich zu genehmigen und die Beschwerde infolge Vergleichs als gegenstandslos von der Kontrolle abzuschreiben, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten und von der Zusprechung einer Parteientschädigung abzusehen. Die von den Parteien selbst verfasste und unterzeichnete "Vereinbarung zwischen Y. und X." hat, soweit hier wesentlich, folgenden Wortlaut:
"Y. und X. haben sich wie folgt geeinigt:
X. zieht die Beschwerde beim Bundesgericht innert 3 Tage, nach Unterzeichnung dieses Vertrages zurück und trägt die Verfahrenskosten.
(...)
Y. überschreibt Ihre Hälfte des gemeinsamen Hauses an X. Der Verkaufspreis ist derart anzusetzen, dass mit dem Verkaufspreis die Uebernahme der hälftigen auf dem Haus lastenden Schulden (Fr. 305'000) und der WEF-Vorbezug von Fr. 94'770.45 bzw. deren Rückzahlung an die Pensionskasse (Ziff. 5 Urteil des Einzelrichters Schwyz) gedeckt bzw. getilgt sind. Sämtliche mit der Ueberschreibung verbundenen Kosten wie Grundbuch- und Notariatsgebühren, Grundstückgewinnsteuern, usw. übernimmt X.
Gemäss dem Urteil des Bezirksgerichtes Schwyz ist das Totale BVG in der Höhe von insgesamt Fr. 173'289.30 von der PK von X. an die PK von Y. zu überweisen.
X. übernimmt im internen Verhältnis die gesamte Schuld gegenüber der Hypothekarbank und ist bemüht, dass die Bank Y. aus der Schuld entlässt. Bei der Ueberschreibung hat X. eine entsprechende Bestätigung der Bank vorzuweisen. X. übernimmt alle mit der Liegenschaft verbunden Kosten bzw. Forderungen.
Die Ueberschreibung erfolgt bis Ende April 2012."
C.
Auf Anordnung des Instruktionsrichters der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts reichte der Beschwerdeführer die Bestätigung seiner Pensionskasse über die Durchführbarkeit der getroffenen Regelung und die Teilbarkeit seiner während der Ehe erworbenen Austrittsleistung ein. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Vereinbarung zu genehmigen, von einer Auferlegung der Kosten abzusehen, eventuell die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, und auf die Zusprechung einer Parteientschädigung zu verzichten.
D.
Die Angelegenheit wurde an der Sitzung der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 28. Juni 2012 öffentlich beraten und das Urteil anschliessend an die Beratung und Abstimmung mündlich eröffnet.
(Zusammenfassung)
BGE 138 III 532 S. 534
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht neu, die Scheidungskonvention der Parteien vom 29. März 2012 gerichtlich zu genehmigen und die Beschwerde infolge Vergleichs als gegenstandslos von der Kontrolle abzuschreiben. Die Beschwerdegegnerin schliesst sich dem Antrag an.
1.1
Unter Herrschaft des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG; BS 3 531) hat das Bundesgericht im Verfahren der eidgenössischen Berufung neu eingereichte Vereinbarungen der Ehegatten über die Scheidungsfolgen geprüft und gerichtlich genehmigt, und zwar unabhängig davon, ob eine Vereinbarung die der freien Verfügung der Ehegatten unterliegenden vermögensrechtlichen Fragen betraf (z.B. Beschlüsse 5C.28/2001 und 5C.34/2001 vom 28. Mai 2002 [Güterrecht]; Urteile 5C.41/1993 vom 13. April 1993 [Güterrecht]; 5C.165/1993 vom 26. Oktober 1993 [nachehelicher Unterhalt]; Beschluss 5C.252/1991 vom 20. Mai 1992 [nachehelicher Unterhalt]) oder sich auch auf die von der Offizialmaxime beherrschten Kinderbelange bezog (z.B. Urteile 5C.183/2002 vom 24. Februar 2003; 5C.112/1990 vom 7. September 1990). Wo die Ehegatten nach Erhebung der eidgenössischen Berufung eine Vereinbarung über die Scheidungsfolgen geschlossen, aber einem kantonalen Sachgericht zur Genehmigung eingereicht haben, hat das Bundesgericht das Verfahren praxisgemäss sistiert und nach Vorliegen der Genehmigung als erledigt abgeschrieben (z.B. Verfügung 5C.252/1995 vom 8. März 1996). Den jeweiligen Berufungsantrag, die neu eingereichte Vereinbarung über die Scheidungsfolgen gerichtlich zu genehmigen und das Verfahren abzuschreiben, hat das Bundesgericht als prozessualen Antrag behandelt und nicht als neues, im Verfahren der eidgenössischen Berufung unzulässiges Begehren (
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
; allgemein: MESSMER/IMBODEN, Die Eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, 1992, S. 152/153 bei/in Anm. 15 mit Hinweisen). Anträge, die das Rechtsmittelverfahren betreffen, müssen notwendigerweise im Rechtsmittelverfahren gestellt werden können, auch wenn sie neu sind (vgl. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 489 in Anm. 45).
1.2
An der bisherigen Praxis ist nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173. 110) grundsätzlich festzuhalten, so dass gerichtliche Vergleiche in der Regel weiterhin dem Bundesgericht zur Genehmigung
BGE 138 III 532 S. 535
unterbreitet werden können, verbunden mit dem Antrag, das Verfahren durch Vergleich erledigt abzuschreiben. Zum einen sind Nova, die das Prozessrechtsverhältnis betreffen, weder neue Tatsachen und Beweismittel (
Art. 99 Abs. 1 BGG
) noch neue Begehren (
Art. 99 Abs. 2 BGG
) und vor Bundesgericht deshalb voraussetzungslos zulässig (vgl. LORENZ MEYER, Wege zum Bundesgericht - Übersicht und Stolpersteine, ZBJV 146/2010 S. 797 ff., S. 880 Ziff. 6.5.5 mit Hinweisen). Zum anderen unterscheidet sich die Beschwerde in Zivilsachen in diesem Punkt nicht von der bisherigen eidgenössischen Berufung, so dass sich eine Änderung der Rechtsprechung auch deswegen nicht aufdrängt.
1.3
Allerdings ist bezüglich der Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen eine Präzisierung angebracht. Reichen die Parteien dem Bundesgericht einen gerichtlichen Vergleich ein, kann das Bundesgericht das Verfahren zufolge Vergleichs als gegenstandslos abschreiben, soweit der Vergleich das Verfahren auch tatsächlich erledigt (
Art. 73 BZP
[SR 273] i.V.m.
Art. 71 BGG
; vgl.
Art. 32 Abs. 2 BGG
). Das Bundesgericht prüft den eingereichten Vergleich insoweit auf Vollständigkeit und Klarheit (vgl. Urteil 5A_828/2010 vom 28. März 2011 E. 4.1). Diese Prüfung kann aufgrund der Akten und der Parteieingaben erfolgen. Die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen ist kein Vergleich in diesem Sinn. Sie bedarf zu ihrer Gültigkeit der gerichtlichen Genehmigung. Die erteilte Genehmigung bewirkt, dass die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen ihren vertraglichen Charakter verliert und vollständiger Bestandteil des Urteils wird (vgl.
BGE 105 II 166
E. 1 S. 168 f.;
BGE 119 II 297
E. 3b S. 301). Die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen ist nicht nur auf ihre Vollständigkeit und Klarheit zu prüfen, sondern zusätzlich auf ihre rechtliche Zulässigkeit und ihre sachliche Angemessenheit, wobei die Prüfung der Angemessenheit beschränkt ist, soweit lediglich die vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen zwischen den Ehegatten infrage stehen (vgl.
BGE 102 II 65
E. 2 S. 68;
BGE 99 II 359
E. 3c S. 362). In der Regel kann das Bundesgericht die Genehmigungsvoraussetzungen aufgrund der Akten und der Parteieingaben selbstständig prüfen. In diesem Fall rechtfertigt es sich, das Verfahren wie bisher unmittelbar vor Bundesgericht abzuschliessen. Wie es sich verhält, wenn die Prüfung der Vereinbarung über die Scheidungsfolgen erschwert oder ausgeschlossen ist, was namentlich in Kinderbelangen der Fall sein kann, braucht hier nicht geklärt zu werden.
(...)
BGE 138 III 532 S. 536
3.
Mit der güterrechtlichen Auseinandersetzung verbunden ist die Regelung der Ansprüche aus beruflicher Vorsorge. Der Anspruch der Beschwerdegegnerin beläuft sich gemäss den bezirksgerichtlichen Feststellungen auf Fr. 173'289.30. Eine Überweisung der Austrittsleistung in dieser Höhe war nicht durchführbar, weil der Beschwerdeführer am 30. April 2002 einen Vorbezug für den Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum im Betrag von Fr. 194'885.- getätigt hatte und weil sich die Parteien im Rahmen der Scheidung nicht auf einen Verkauf der in ihrem hälftigen Miteigentum stehenden Liegenschaft einigen konnten. Die Parteien haben sich vor Bundesgericht darauf geeinigt, dass der Beschwerdeführer die Miteigentumshälfte der Beschwerdegegnerin übernimmt und deren Anspruch aus beruflicher Vorsorge im Betrag von Fr. 173'289.30 durch Überweisung der Austrittsleistung in dieser Höhe erfüllt (vgl.
Art. 280 Abs. 1 lit. a ZPO
). Die Vorsorgeeinrichtung des Beschwerdeführers hat die Durchführbarkeit der vereinbarten Regelung bestätigt (vgl.
Art. 280 Abs. 1 lit. b ZPO
). Die Vereinbarung kann in diesem Punkt genehmigt werden (vgl.
Art. 280 Abs. 1 lit. c ZPO
). Sie ist von Amtes wegen mit den entsprechenden Anweisungen an die Vorsorgeeinrichtung des Beschwerdeführers zu ergänzen und den betroffenen Vorsorgeeinrichtungen beider Parteien mitzuteilen (vgl.
Art. 280 Abs. 2 ZPO
). Da die erwähnte Übernahme der Miteigentumshälfte mit der vereinbarten Regelung der beruflichen Vorsorge ein Ganzes bildet, ist sie förmlich im Urteilsdispositiv aufzuführen, obgleich sie gemäss Abtretungsvertrag vom 2. Mai 2012 bereits erfolgt ist.
(...)
5.
Die Scheidungsvereinbarung kann mit den erwähnten Ergänzungen genehmigt und in das Urteilsdispositiv aufgenommen werden. Die übereinstimmenden Anträge der Parteien sind deshalb gutzuheissen und die kantonal geregelten Scheidungsfolgen abzuändern. Das Beschwerdeverfahren ist damit in formeller Hinsicht durch den Vergleich und dessen Genehmigung erledigt. Der Beschwerdeführer hat sich bereit erklärt, die Verfahrenskosten zu übernehmen. Die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Erhebung von Gerichtskosten sind nicht erfüllt (vgl.
Art. 66 Abs. 1 BGG
). Eine Parteientschädigung ist vereinbarungsgemäss nicht zuzusprechen.
| null |
nan
|
de
| 2,012 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a9962c44-15cf-461a-b018-2bbbbc1f192c
|
Urteilskopf
112 II 157
28. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 17 avril 1986 dans la cause Masse en faillite de la succession Eli Pinkas contre Samuel Pinkas (recours en réforme)
|
Regeste
Gemischter Versicherungsvertrag mit Begünstigungsklausel; Recht des Begünstigten im Falle einer Liquidation der Erbschaft des Versicherungsnehmers nach den Regeln des Konkurses (
Art. 77, 78, 79 VVG
).
Die Liquidation der Erbschaft des Versicherungsnehmers nach den Regeln des Konkurses beeinträchtigt jene Rechte nicht, die für den Begünstigten aus dem Tode des Versicherungsnehmers hervorgehen: das versicherte Kapital, das aufgrund einer Forderung geschuldet wird, die sich seit der Bezeichnung des Begünstigten in dessen Vermögen befindet, gehört nicht zur Erbschaft und fällt daher nicht in die Masse, um der Befriedigung der Gläubiger des Versicherungsnehmers zu dienen. Diese verfügen nur noch über die (in
Art. 82 VVG
vorbehaltene) Anfechtungsklage.
|
Sachverhalt
ab Seite 158
BGE 112 II 157 S. 158
A.-
Eli Pinkas et son épouse divorcée Florence Maulaz se sont suicidés le 10 juin 1980. Leur décès est présumé avoir eu lieu au même moment (
art. 32 al. 2 CC
). Eli Pinkas s'était livré à des malversations d'une ampleur exceptionnelle.
De 1947 à 1956, Eli Pinkas avait conclu cinq contrats d'assurance mixte, qui combinaient une assurance temporaire au décès (la prestation n'étant due que si l'assuré venait à décéder pendant la durée convenue) et une assurance en cas de vie de même durée: trois avec la Société suisse d'assurances générales sur la vie humaine (Rentenanstalt), un avec la Suisse et le dernier avec la Vita. Preneur et assuré, Eli Pinkas a payé les primes. Il avait constitué des clauses bénéficiaires pour tous les contrats; l'un des bénéficiaires en cas de décès était son frère Samuel Pinkas. En été 1982 et en avril 1983, les Juges de paix des cercles de Romanel et de Lausanne ont autorisé la consignation en main de la Banque cantonale vaudoise des prestations dues en raison du décès d'Eli Pinkas.
La succession ayant été constatée insolvable le 14 juillet 1980, le Président du Tribunal du district de Lausanne en a ordonné la liquidation selon les règles de la faillite le 15 juillet 1980.
B.-
Par demande du 14 septembre 1983, la masse en faillite de la succession d'Eli Pinkas a conclu à ce qu'il fût dit que les clauses bénéficiaires stipulées par Eli Pinkas dans les contrats et avenants sont nulles, de nul effet, soit annulées, soit éteintes, soit caduques, soit encore révoquées, et qu'en conséquence toutes les sommes consignées à la Banque cantonale vaudoise par les compagnies d'assurance en exécution de leurs obligations découlant desdits contrats doivent être libérées intégralement en faveur de la demanderesse, y compris tous les produits et revenus de ces sommes.
Samuel Pinkas, le seul bénéficiaire concerné, a conclu à libération et, reconventionnellement, à ce que lui fussent délivrées, avec leurs revenus et produits, les sommes mentionnées dans la demande.
C.-
Par jugement du 11 septembre 1985, la Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a prononcé:
"Les sommes consignées par les compagnies d'assurance Rentenanstalt (Société Suisse d'Assurances générales sur la vie humaine), la Suisse (Société d'Assurances sur la vie), Vita (Compagnie d'Assurances sur la vie), auprès de la Banque Cantonale Vaudoise, doivent être libérées en faveur de Samuel Pinkas à concurrence des montants suivants:
BGE 112 II 157 S. 159
98'910 fr. 90 (nonante-huit mille neuf cent dix francs et nonante centimes) correspondant à la police Rentenanstalt No 2.209.607
41'307 fr. 65 (quarante et un mille trois cent sept francs et soixante-cinq centimes) correspondant à la police Rentenanstalt No 5.106.564
15'163 fr. 75 (quinze mille cent soixante-trois francs et septante-cinq centimes) correspondant à la police Rentenanstalt No 5.206.509
37'564 fr. 80 (trente-sept mille cinq cent soixante-quatre francs et huitante centimes) correspondant à la police La Suisse No 505.973
44'590 fr. (quarante-quatre mille cinq cent nonante francs) correspondant à la police Vita No 661.001 plus accessoires de droit."
D.-
La masse en faillite de la succession d'Eli Pinkas recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle reprend ses conclusions de première instance.
L'intimé Samuel Pinkas conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) Selon l'
art. 76 al. 1 LCA
, le preneur d'assurance a le droit, sans recourir à une forme spéciale, de désigner un tiers comme bénéficiaire, pour tout ou partie du droit qui découle de l'assurance, et cela sans l'assentiment de l'assureur, voire sans lui communiquer sa déclaration de volonté (
ATF 110 II 203
ss: changement de jurisprudence critiqué par PIOTET, JdT 1984 I 375ss). La clause bénéficiaire est un acte de disposition particulier, une attribution spécifique du droit des assurances de personnes. Elle est en principe toujours révocable par un autre acte de disposition (
art. 77 al. 1 LCA
), au contraire de la cession de créances ou de la stipulation ordinaire pour autrui (
art. 112 al. 2 et 3 CO
). Elle crée au profit du bénéficiaire un droit propre sur la créance attribuée (
art. 78 LCA
), soit un droit originaire (GAUGLER, Die paulianische Anfechtung unter besonderer Berücksichtigung der Lebensversicherung, II, Bâle 1945, p. 331 ss; AMSLER, Donation à cause de mort et désignation du bénéficiaire d'une assurance de personnes, thèse Lausanne 1979, p. 74 ss), qui naît dès la désignation (
ATF 41 II 453
/454; cf. GAUGLER, op.cit., p. 337 ss, spécialement p. 345 ss) et qui constitue un titre indépendant de la qualité éventuelle d'héritier (
ATF 43 II 259
in fine; cf., notamment, KÖNIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 3e éd., p. 434; Der Versicherungsvertrag, in Schweizerisches Privatrecht, VII/2, p. 703; FJS 110 p. 7). Le décès du preneur d'assurance ne donne ainsi pas naissance au droit; il en est, avec la survie du bénéficiaire, une condition suspensive
BGE 112 II 157 S. 160
(KÖNIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, p. 434; Der Versicherungsvertrag, p. 704; FJS 110 p. 4 lettre b; AMSLER, op.cit., p. 79). Aussi bien le bénéficiaire peut-il, à l'échéance, réclamer son dû directement à l'assureur; la prétention d'assurance est dans son patrimoine dès la désignation; au décès du preneur, elle ne passe donc pas d'abord dans la succession: le bénéficiaire acquiert jure proprio, non pas jure hereditatis (KÖNIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, p. 436; Der Versicherungsvertrag, p. 705; FJS 110 p. 7 par. 4; RBA X No 77 = SJ 75 p. 183, arrêt de la Cour de justice du canton de Genève, du 4 mars 1952, qui cite la jurisprudence fédérale antérieure; contra, parmi les auteurs les plus récents, PIOTET, Droit successoral, Traité de droit privé suisse, IV, p. 195, suivi par AMSLER, op.cit., p. 84 ss, selon lequel l'attribution au bénéficiaire est un legs obligeant les héritiers à obtenir de l'assureur le paiement au bénéficiaire).
b) Aux termes de l'
art. 77 LCA
, le preneur d'assurance, même lorsqu'un tiers est désigné comme bénéficiaire, peut disposer librement, soit entre vifs soit pour cause de mort, du droit qui découle de l'assurance (al. 1); le droit de révoquer la désignation du bénéficiaire ne cesse que si le preneur a renoncé par écrit à la révocation dans la police même et a remis celle-ci au bénéficiaire (al. 2).
Ainsi, en principe, bien qu'il ait désigné un bénéficiaire, le preneur garde le droit de libre disposition sur la créance contre l'assureur en paiement de la somme assurée. Le droit du bénéficiaire à la créance d'assurance est soumis à la condition résolutoire de révocation de la désignation par le preneur (
ATF 41 II 454
; cf., notamment, AMSLER, op.cit., p. 81 ss). Il ne demeure définitivement dans le patrimoine du bénéficiaire que si le preneur a rendu la désignation irrévocable en renonçant à la révocation selon les formes prescrites à l'
art. 77 al. 2 LCA
. En l'absence d'une telle renonciation, le preneur conserve dans son patrimoine le droit de faire naître la condition résolutoire affectant le droit du bénéficiaire, condition dont l'avènement aura pour effet de transférer (ou de retransférer, si la désignation n'est pas intervenue simultanément à la conclusion du contrat) la créance d'assurance du patrimoine du bénéficiaire dans celui du preneur, ou de la faire passer dans le patrimoine d'un autre bénéficiaire.
En cas d'exécution forcée contre le preneur d'assurance, si la désignation du bénéficiaire est irrévocable, il n'y a, dans le patrimoine du preneur, ni créance d'assurance, ni droit de faire
BGE 112 II 157 S. 161
naître la condition résolutoire à laquelle est soumis, en règle générale, le droit du bénéficiaire. Les créanciers du preneur ne peuvent donc rien faire saisir, inventorier ni réaliser. C'est ce qu'exprime l'
art. 79 al. 2 LCA
, aux termes duquel, si le preneur d'assurance avait renoncé à son droit de révoquer la désignation du bénéficiaire, le droit à l'assurance qui découle de cette désignation n'est pas soumis à l'exécution forcée au profit des créanciers du preneur.
En revanche, en cas de clause bénéficiaire révocable, demeure dans le patrimoine du preneur poursuivi le droit de faire naître la condition résolutoire dont l'avènement aura pour effet que la créance d'assurance entrera (ou rentrera) dans les avoirs du preneur. Ce droit, les créanciers du preneur peuvent dès lors le faire saisir, inventorier et réaliser. Si la procédure d'exécution suit son cours, la réalisation de ce droit au profit des créanciers ne peut consister que dans son exercice, en ce sens que la clause bénéficiaire est révoquée, de telle sorte que la créance d'assurance passe du patrimoine du bénéficiaire dans celui du preneur. Si, en revanche, les créanciers ne peuvent pas réaliser ce droit parce que la saisie tombe ou que la faillite est révoquée, la créance d'assurance restera dans le patrimoine du bénéficiaire. C'est ce qui est dit à l'
art. 79 al. 1 LCA
, aux termes duquel la désignation du bénéficiaire s'éteint en cas de saisie de l'assurance ou de faillite du preneur d'assurance, mais reprend effet si la saisie tombe ou si la faillite est révoquée. Cette formulation est elliptique. Il faut entendre que, au moment où les créanciers du preneur font saisir le seul droit qui se trouve, en vertu du contrat d'assurance, dans le patrimoine de leur débiteur, savoir celui de faire naître la condition résolutoire de l'
art. 77 al. 1 LCA
, ils ne peuvent le réaliser qu'en l'exerçant, ce qui aura pour effet d'éteindre la désignation du bénéficiaire, mais que cette extinction ne se produira toutefois pas si l'on ne peut passer à la réalisation.
c) Le droit de révocation du preneur s'éteint à son décès (AMSLER, op.cit., p. 81 et les références citées à la note 258). Dès lors, selon la logique du système exposé ci-dessus, la condition résolutoire tombe et la désignation du bénéficiaire, jusqu'alors révocable, devient irrévocable. La liquidation de la succession selon les règles de la faillite ne peut pas porter préjudice aux droits qui résultent, pour le bénéficiaire, du décès du preneur; dû en vertu d'une créance qui est dans le patrimoine du bénéficiaire depuis sa désignation, le capital assuré n'appartient pas à la succession et
BGE 112 II 157 S. 162
n'entre donc pas dans la masse pour être affecté au désintéressement des créanciers du preneur (cf., outre les auteurs cités par MEYER, Essai sur la nature et les effets de la clause bénéficiaire, thèse Lausanne 1959, p. 269 n. 62, KÖNIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, p. 433; Der Versicherungsvertrag, p. 703). C'est ainsi qu'ont jugé l'Obergericht du canton de Zurich, dans un arrêt du 15 septembre 1919 (RSJ XVI p. 212 ss, RBA IV No 228), et le Tribunal fédéral, dans l'arrêt Banque Populaire Suisse contre hoirs Leemann, du 26 février 1931 (
ATF 57 II 220
initio et 221), s'agissant précisément, entre autres, du frère d'un assuré dont la succession, répudiée, était liquidée selon les règles de la faillite: dans cette affaire, le Tribunal fédéral s'est référé, sans plus, à l'
art. 78 LCA
.
La cour cantonale a adopté cette manière de voir: les droits du bénéficiaire Samuel Pinkas ont été rendus irrévocables par le décès de son frère, dit-elle, de sorte que, dans la mesure où elles sont fondées sur la loi fédérale sur le contrat d'assurance, les prétentions de la demanderesse doivent être rejetées.
d) Comme dans l'instance cantonale, la recourante invoque l'
art. 566 al. 2 CC
, aux termes duquel la succession est censée répudiée, lorsque l'insolvabilité était notoire ou officiellement constatée à l'époque du décès. Une telle insolvabilité, dit-elle, qui rétroagit au jour du décès, doit entraîner par analogie l'extinction des clauses bénéficiaires. L'
art. 79 al. 1 LCA
serait donc applicable aussi bien lorsque la faillite est postérieure au décès que lorsqu'elle le précède. Postérieure au décès, la déclaration de faillite rétroagirait à la date de celui-ci et empêcherait, par conséquent, les droits découlant de la clause bénéficiaire de passer sur la tête du bénéficiaire. Cette argumentation se fonde sur l'opinion, exprimée par Jaeger en 1933 (ROELLI/JAEGER, III p. 180/181, n. 43 ad art. 79/80 LCA), selon laquelle la mort du preneur ne rend la clause bénéficiaire irrévocable que sous la condition résolutoire que l'insolvabilité de la succession n'est pas constatée. D'après Jaeger, il apparaît critiquable que, si la faillite est prononcée postérieurement à la mort du preneur, la créance contre l'assureur ne tombe pas dans la masse au motif que la clause bénéficiaire est devenue irrévocable; les droits des créanciers doivent l'emporter sur les droits des bénéficiaires, qui, en général, ont été acquis gratuitement. C'est pourquoi, tant qu'il n'est pas établi si la succession est insolvable ou non, on doit considérer que le droit du bénéficiaire est en suspens: de même que l'acquisition de la
BGE 112 II 157 S. 163
succession rétroagit au moment du décès (
art. 560 al. 3 CC
), de même la constatation de l'insolvabilité de la succession doit sortir ses effets rétroactivement dès ce moment et, par conséquent, faire tomber la clause bénéficiaire. L'Obergericht du canton de Bâle-Campagne a adopté cette opinion: il a jugé que la clause bénéficiaire ne devient pas irrévocable par le fait de la mort du preneur d'assurance, s'il n'est pas établi que la succession est ou n'est pas insolvable (arrêt du 1er mars 1935, RSJ XXXIII p. 173 ss, RBA VIII No 290). Le Tribunal fédéral, lui, n'a pas eu, jusqu'à ce jour, à réexaminer la question en fonction de l'avis de JAEGER: dans un arrêt du 11 février 1942, il a signalé la controverse, mais sans plus, car le problème n'avait pas à être résolu (RBA IX No 156, p. 383).
Certains auteurs ont observé que l'opinion de JAEGER est incompatible avec le système légal. Elle n'est guère conciliable, selon GAUGLER (op.cit., p. 393), avec le fait que, de lege lata, le bénéficiaire acquiert, par suite de la réalisation du risque assuré, un droit propre sur la créance que la clause d'assurance lui attribue, lequel n'est plus soumis à aucune condition: il ne reste aux créanciers du preneur dont la succession apparaît insolvable que l'action révocatoire, réservée par l'
art. 82 LCA
, qui leur donne la faculté de revendiquer le capital assuré. ARNDT (La liquidation par l'office des successions insolvables et ses effets sur la désignation du bénéficiaire d'une assurance sur la vie, Revue Suisse d'Assurances, 1945/1946, p. 362/363), dont la cour cantonale adopte l'argumentation, estime que le législateur "a pris position indirectement" en édictant l'
art. 85 LCA
, aux termes duquel, lorsque les bénéficiaires se trouvent être les descendants successibles, le conjoint survivant, le père ou la mère, les grands-parents, les frères ou soeurs, l'assurance leur échoit même s'ils répudient la succession. "Admettre", dit cet auteur, "que le droit du bénéficiaire s'éteint lorsque la succession est insolvable, c'est supprimer toute portée pratique à l'
art. 85 LCA
, dans tous les cas où la succession est obérée": l'
art. 85 LCA
"laisse plutôt supposer que le législateur admettait qu'en vertu de l'
art. 78 LCA
un droit propre, indépendant de la succession, était déjà acquis au bénéficiaire dès le décès de l'assuré et reste acquis, même si la succession était obérée, répudiée et liquidée par l'office".
L'étude de la ratio legis convainc de la pertinence de ce raisonnement.
BGE 112 II 157 S. 164
Comme la recourante l'admet, l'
art. 85 LCA
, analogue à l'
art. 486 al. 3 CC
pour le legs (cf. MEYER, op.cit., p. 273), n'a pas le même objet que l'
art. 79 al. 1 LCA
et ne constitue qu'un complément de l'
art. 83 LCA
. L'alinéa 3 de cette dernière disposition légale dit que, par les héritiers ou ayant cause désignés comme bénéficiaires, il faut entendre d'abord les descendants successibles et le conjoint survivant, puis, s'il n'y a ni descendants successibles, ni conjoint survivant, les autres personnes ayant droit à la succession. Dans l'arrêt précité Banque Populaire Suisse contre hoirs Leemann (
ATF 57 II 216
ss consid. 2), le Tribunal fédéral a expliqué que ce texte donne des règles d'interprétation quant au sens des expressions vagues et générales "mes héritiers" ou mes "ayants cause" utilisées par le preneur d'assurance pour désigner les personnes qui ont droit, au titre de bénéficiaires, au capital assuré en cas de décès. Contrairement à une opinion jadis répandue, partagée notamment par ROELLI dans son projet de 1896, les personnes ainsi désignées sont au bénéfice d'une stipulation spéciale pour autrui et acquièrent une créance propre contre l'assureur, indépendamment de tout droit successoral: elles n'en sont donc pas privées lorsqu'elles répudient la succession. L'
art. 85 LCA
est destiné a délimiter le cercle des proches, en en excluant les ascendants, et surtout les collatéraux, au-delà d'un certain degré. Les parents plus éloignés désignés sous les termes d'"héritiers" ou d'"ayants cause" ne pourront obtenir le bénéfice de l'assurance que s'ils ne répudient pas la succession; en revanche, s'ils ont été désignés clairement (par leur nom ou par une expression qui ne prête pas à équivoque, telle que "mes neveux et nièces"), ils auront droit à la prestation d'assurance jure proprio, soit même s'ils se désintéressent de la succession. L'
art. 85 LCA
amène donc une exception bien précise, dans un cadre rigoureusement tracé, au principe de portée générale de l'
art. 78 LCA
(cf. KÖNIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, p. 434; Der Versicherungsvertrag, p. 703/704; FJS 110 p. 8).
Ainsi, le statut des parents les plus éloignés confirme la règle selon laquelle le capital assuré ne tombe pas dans la masse de la succession. Les décisions prises par le Tribunal fédéral dans la cause Banque Populaire Suisse contre hoirs Leemann reposent manifestement sur cette considération (
ATF 57 II 219
ss consid. 4 et 5). Dans cette affaire, il s'agissait de deux contrats d'assurance, dont l'un contenait une clause prévoyant comme bénéficiaires notamment les frères et soeurs et les neveux et nièces de l'assuré,
BGE 112 II 157 S. 165
tandis que, dans l'autre, au contraire, étaient désignés comme bénéficiaires les "héritiers". A la mort du preneur, ses héritiers, soit son frère et vingt neveux et nièces, avaient répudié la succession, qui était liquidée par l'office selon les règles de la faillite. Dans le second contrat, le Tribunal fédéral a dit que le frère était le seul bénéficiaire, dès lors que les neveux et nièces avaient répudié la succession. S'agissant en revanche du premier contrat, comme la désignation était claire et précise, l'
art. 85 LCA
ne s'appliquait pas: par conséquent, a conclu le Tribunal fédéral, les droits qui découlent de l'assurance "appartiennent à tous ceux qui, au jour du décès, possédaient les qualités de frère ou de soeur, de neveu ou de nièce de l'assuré, sans égard au fait qu'ils fussent ou ne fussent pas ses héritiers. Or, il est constant que tous les défendeurs possédaient à ce moment l'une ou l'autre desdites qualités. L'
art. 78 LCA
leur est donc applicable sans restriction et leur créance ne saurait tomber dans la masse de la succession."
On ne peut que s'en tenir à cette jurisprudence. L'examen de la question dans l'optique de l'
art. 79 LCA
le confirme. Il n'est pas possible d'appliquer l'al. 1 de cette disposition quand le preneur n'est pas tombé en faillite de son vivant.
Aux termes de l'
art. 597 CC
, la liquidation des successions insolvables, répudiées expressément ou censées répudiées conformément à l'
art. 566 al. 2 CC
, se fait par l'office selon les règles de la faillite. D'après certains auteurs, la liquidation d'une succession répudiée n'est pas autre chose qu'une faillite et on ne se sert pas de ce terme par égard pour la famille du défunt (FAVRE, Droit des poursuites, 3e éd., p. 288; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3e éd., p. 310 No 34; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, p. 251). Mais l'
art. 193 al. 1 LP
déclare applicables aux successions répudiées les dispositions du titre septième de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, relatives à la procédure de liquidation de la faillite, sans renvoyer au titre sixième, qui en règle les effets matériels (cf.
ATF 82 III 40
). Or, l'
art. 79 al. 1 LCA
a précisément trait à un effet matériel de la faillite.
De toute façon, d'ailleurs, cette disposition légale ne peut pas trouver application même si l'on identifie la liquidation par l'office d'une succession répudiée à un prononcé de faillite. La faillite ne peut porter que sur les biens du failli. Or, comme on l'a vu, au moment du décès du preneur insolvable, le droit découlant de l'assurance se trouve dans le patrimoine du bénéficiaire, à qui il
BGE 112 II 157 S. 166
appartient dès la désignation; quant au droit de révoquer la clause bénéficiaire (
art. 77 al. 1 LCA
), il s'est éteint par la mort du preneur. En conséquence, quand est ouverte la faillite, soit au moment où le jugement la prononce (
art. 175 al. 1 LP
), et non pas lors du décès du preneur, ni lors de la répudiation expresse ou présumée (cf. FAVRE, op.cit., p. 289), il n'y a plus, dans les avoirs du défunt, ni créance d'assurance, ni droit de révocation de la désignation du bénéficiaire. La situation est alors analogue à celle qui est envisagée à l'
art. 79 al. 2 LCA
: du fait de la mort du preneur, la clause bénéficiaire est devenue irrévocable immédiatement, la condition résolutoire qui affecte le droit du bénéficiaire étant devenue caduque; définitivement acquise au bénéficiaire, la créance d'assurance échappe aux créanciers du preneur.
e) Comme l'a remarqué pertinemment ARNDT (op.cit., p. 362), "les partisans de la thèse ... qui tend à supprimer l'attribution au tiers quand la succession est insolvable cèdent davantage à un souci d'équité qu'à l'application stricte d'une règle logique de droit". Or, la cour cantonale observe à juste titre que l'équité n'est pas mieux assurée lorsque le preneur a déclaré la clause bénéficiaire irrévocable selon les prescriptions de l'
art. 77 al. 2 LCA
: dans cette éventualité, la loi, soit l'
art. 79 al. 2 LCA
, permet expressément au preneur de soustraire le droit découlant de l'assurance à l'action de ses créanciers. L'intimée fait valoir avec raison qu'il n'est pas choquant que l'irrévocabilité résultant du décès produise les mêmes effets que l'irrévocabilité consentie par le preneur de son vivant.
Ainsi, les considérations d'équité ne permettent pas, à elles seules, de déroger au système de la clause bénéficiaire tel qu'il est conçu par la loi.
En conclusion, Eli Pinkas, le preneur, n'ayant pas été déclaré en faillite et n'ayant pas révoqué la désignation de Samuel Pinkas avant son décès, la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en rejetant les prétentions de la recourante dans la mesure où elles étaient fondées sur la loi sur le contrat d'assurance.
|
public_law
|
nan
|
fr
| 1,986 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
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CH
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Federation
|
a9a550b1-6aec-4bdf-944f-fbd1e22f3480
|
Urteilskopf
108 V 27
7. Extrait de l'arrêt du 28 mai 1982 dans la cause Société vaudoise et romande de secours mutuels (SVRSM) contre Künzli et Tribunal des assurances du canton de Vaud
|
Regeste
Art. 5 Abs. 3 KUVG
.
Wenn der Vertreter einer Krankenkasse den medizinischen Fragebogen aufgrund der vom Aufnahmebewerber gemachten Angaben ausfüllt, darf man von diesem vernünftigerweise nicht verlangen, dass er ihn vor der Unterzeichnung besonders aufmerksam durchliest, um sich zu vergewissern, ob der Inhalt in allen Punkten seinen Erklärungen entspreche.
In diesem Falle keine Verheimlichung.
|
Erwägungen
ab Seite 28
BGE 108 V 27 S. 28
Considérant en droit:
1.
l'
art. 5 al. 3 LAMA
dispose que, si l'admission ne peut être refusée pour raisons de santé, les caisses peuvent cependant excepter de l'assurance, en en faisant l'objet d'une réserve, les maladies existant au moment de l'admission; il en va de même pour les maladies antérieures si, selon l'expérience, une rechute est possible. Les réserves sont caduques après cinq ans au plus.
L'art. 5 ch. 4 des conditions générales d'assurance de la SVRSM prévoit qu'une réserve portant effet rétroactif pourra être formulée en cas de réticence et cela pendant la durée de la validité de la réserve qui aurait pu être établie à l'admission, s'il n'y avait pas eu de réticence.
La jurisprudence qualifie de réticence le fait de ne pas annoncer à la caisse, en la passant sous silence de façon dolosive, une maladie existante ou une maladie antérieure sujette à rechute, que l'assuré connaissait ou aurait dû connaître en faisant preuve de l'attention que l'on pouvait exiger de lui (
ATF 101 V 136
, RJAM 1978 No 309 p. 8).
Lorsqu'une personne a été admise à tort dans une caisse pour des prestations dépassant le minimum prévu par ses dispositions internes, sur la foi d'un questionnaire rempli de manière contraire à la vérité, ladite caisse est en droit de rétablir l'ordre statutaire violé par cette infraction, soit de ramener la couverture d'assurance à ce qu'elle aurait été à défaut de réticence. Cependant, cela n'est possible que s'il est manifeste qu'en présence d'une formule de demande d'admission remplie de manière conforme à la vérité, la caisse n'aurait pas assuré des prestations supérieures aux minima légaux et statutaires. Une simple possibilité est à cet égard insuffisante, le rétablissement de l'ordre transgressé étant réalisé, dans cette hypothèse, par l'introduction d'une réserve rétroactive. Reste réservée, en plus, l'application d'une véritable sanction (
ATF 106 V 173
consid. 2,
ATF 102 V 196
,
ATF 101 V 136
, 225; RJAM 1980 No 424 p. 214, No 403 p. 62, 1979 No 372 p. 163, No 361 p. 76, 1978 No 309 p. 7).
2.
En l'espèce, c'est le représentant de la caisse, J.-D. X, qui a rempli le questionnaire médical. Il devait donc faire preuve de diligence et veiller à ce que les renseignements fournis par l'intimée soient transcrits de manière exacte et complète. Or, tel ne fut pas le cas. Il a en effet omis de mentionner l'opération effectuée en mai 1976 par le Dr M., pourtant signalée par l'intimée. Il a uniquement indiqué le nom de l'établissement
BGE 108 V 27 S. 29
où cette intervention chirurgicale avait eu lieu, à savoir la clinique de Ch., tout en déclarant à l'intimée que la caisse se renseignerait, entre autres, auprès de cet établissement. De son côté, l'intimée a relu le questionnaire avant de le signer, sans toutefois remarquer l'omission commise par X.
Lorsque c'est le représentant d'une caisse-maladie qui remplit le questionnaire médical sur la base des indications données par le candidat, l'on ne saurait raisonnablement exiger de ce dernier qu'il le relise avec une attention particulière, afin de s'assurer que son contenu correspond en tout point à ses déclarations. Il doit au contraire pouvoir faire confiance au représentant de la caisse et admettre que la manière dont celui-ci a transcrit les renseignements donnés oralement répond aux exigences statutaires et à la pratique de la caisse intéressée. Dès lors, on doit considérer, dans le cas particulier, que l'intimée n'a commis aucune négligence et, partant, aucune réticence en signant sans rien y ajouter le questionnaire rempli par X qui n'indiquait que le nom de la clinique où elle n'avait précisément séjourné qu'à l'occasion de l'opération subie en 1976. La recourante n'était ainsi pas en droit d'instituer la réserve litigieuse...
| null |
nan
|
fr
| 1,982 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a9a66645-970e-411e-bdff-a2725233cc01
|
Urteilskopf
101 Ia 542
84. Auszug aus dem Urteil vom 17. Dezember 1975 i.S. Bangerter und Kons. gegen Erculiani und Kons., Gemeinderat Meggen und Regierungsrat des Kantons Luzern
|
Regeste
Art. 88 OG
.
Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Genehmigung eines kommunalen Gestaltungsplanes.
|
Sachverhalt
ab Seite 542
BGE 101 Ia 542 S. 542
Der Gemeinderat Meggen schlug nach der Auflage des Gestaltungsplanes Rigiblick diesem ab einem andern Plan noch eine Landfläche zu. Der Umfang der auf der zugeschlagenen Fläche projektierten Bauten wurde verkleinert und die davon allein betroffenen Grundeigentümer fanden sich damit ab. Der Gemeinderat genehmigte den geänderten Plan Rigiblick am 24. September 1973. Auf Beschwerde von W. Bangerter und anderer benachbarter Grundeigentümer hin beschloss der Regierungsrat des Kantons Luzern, der Gemeinderat Meggen habe die Beschwerdeführer noch anzuhören und danach seinen Entscheid allenfalls abzuändern. Nach einer ausführlichen Besprechung mit den Beschwerdeführern hielt der Gemeinderat jedoch an seinem Genehmigungsentscheid fest. Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies der Regierungsrat am 12. Mai 1975 ab, soweit er auf sie eintrat. Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 und 22ter BV
gelangen die Beschwerdeführer ans Bundesgericht.
BGE 101 Ia 542 S. 543
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerdeführer sind nicht Eigentümer von Grundstücken oder Miteigentümer von Gebäuden, die vom Gestaltungsplan erfasst werden. Sie sind zur Anfechtung des Planes nur legitimiert, soweit sie durch diesen in ihrer Rechtslage betroffen sind. Das könnte dann zutreffen, wenn sie der Plan in der baulichen Ausnützung ihres Grundstücks unzulässig beschränkte oder wenn von im Plan vorgesehenen Bauten übermässige Auswirkungen auf jene Grundstücke entständen, deren Miteigentümer die Beschwerdeführer sind (vgl.
BGE 89 I 403
E. 2 und
BGE 99 Ia 254
E. 4; nicht veröffentlichtes Urteil vom 27. Juni 1973 i.S. Dubach, E. 1). Die Beschwerdeführer behaupten, sie würden von der geplanten künftigen Überbauung, wie sie der angefochtene Gestaltungsplan Rigiblick vorsehe, unmittelbar berührt. Wie die Beschwerdegegner mit Recht ausführen, legen die Beschwerdeführer aber nicht dar, dass und inwiefern sie tatsächlich in eigenen, rechtlich geschützten Interessen betroffen sind. Sie behaupten, auf dem Plangebiet seien Wohngebäude projektiert, die in einer zu geringen Distanz von der geplanten Talstrasse entfernt seien, sodass sich für die künftigen Bewohner dieser Gebäude übermässige Immissionen ergeben könnten. Dadurch, dass allenfalls in Zukunft Bewohner von im Plan vorgesehenen Gebäuden durch übermässigen Autolärm belästigt werden könnten, sind aber nicht die Beschwerdeführer in ihren Rechten verletzt.
Diese wollen ihre Legitimation wohl auch mit dem Hinweis begründen, später müssten vermutlich entlang der projektierten Talstrasse T 2 Lärmschutzvorrichtungen geschaffen werden, deren Kosten aus Steuergeldern zu decken wären. Sie führen ferner aus, ein Grundeigentümer habe einen Anspruch darauf, im Rahmen eines rechtskräftigen Gestaltungsplans zu bauen, und wenn die Behörde in Zukunft die Erstellung einer projektierten Baute mit Rücksicht auf die Lärmimmission untersagte, könnten daraus massive Entschädigungsansprüche des betroffenen Grundeigentümers entstehen. Die Beschwerdeführer hätten demnach auch als Bürger und Steuerzahler ein legitimes Interesse daran, dass der Plan Rigiblick nicht genehmigt werde. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügt aber das Interesse eines Steuerzahlers in Fällen wie
BGE 101 Ia 542 S. 544
hier nicht, um die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde zu verschaffen (
BGE 59 I 121
mit Hinweisen).
Die Beschwerdeführer berufen sich ferner auf den Landschaftsschutz und die Raumplanung, um die Mangelhaftigkeit des Planes darzutun. Das sind aber öffentliche Interessen, zu deren Wahrung dem Bürger die staatsrechtliche Beschwerde nicht zur Verfügung steht (
BGE 96 I 626
E. 3). Allenfalls wollen die Beschwerdeführer auch geltend machen, sie seien deshalb zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert, weil sie im kantonalen Verfahren als Partei teilnahmen. Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde bestimmt sich aber ausschliesslich nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege und nicht danach, ob ein Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung hatte (
BGE 99 Ia 225
,
BGE 98 Ia 5
). Auf die materiellen Rügen der Beschwerdeführer ist demnach nicht einzutreten, weil diesen dazu die Legitimation fehlt.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,975 |
CH_BGE
|
CH_BGE_002
|
CH
|
Federation
|
a9a80a13-e97a-4b69-8767-8e72ce753a1d
|
Urteilskopf
139 III 391
55. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. et consorts contre Y. LLC et Cour de justice du canton de Genève (recours en matière civile)
5A_139/2013 du 31 juillet 2013
|
Regeste
Art. 260 SchKG
; Prozessführungsbefugnis des Abtretungsgläubigers.
Obwohl der Abtretungsgläubiger gemäss
Art. 260 SchKG
nicht Inhaber des materiellen Forderungsrechtes wird, sondern dieses weiterhin der Masse zusteht, kann er auf Verurteilung des Beklagten zu direkter Zahlung zu seinen Gunsten schliessen (E. 5).
|
Sachverhalt
ab Seite 391
BGE 139 III 391 S. 391
A.
En 2002, A., B. et C., tous domiciliés dans le canton de Genève, ont investi x USD dans les affaires de D., en constituant avec lui une nouvelle société dont la raison sociale était, en dernier lieu, E.; D. et les investisseurs genevois, tous actionnaires de la société, étaient liés par une convention de société simple.
Un litige survenu entre D. et les investisseurs genevois a donné lieu à une plainte pénale de ceux-ci, représentés par Me Marc Mathey-Doret, contre celui-là, représenté par Me F.; des pourparlers ont abouti le 13 septembre 2005 à la signature d'un accord aux termes duquel D. s'est engagé à verser à ses trois associés la somme de x USD, moyennant le retrait de la plainte pénale.
Une somme de x USD a été virée le 26 octobre 2005 du compte bancaire de G. SA, société sise à Genève, dont l'actionnaire et administrateur unique était D., sur un compte "Avoirs de clients" de Me F.; la cause de ce versement était "E.". Le surlendemain, cet avocat a viré la somme de x USD sur un compte de l'Etude de l'avocat de A., B. et C., en mentionnant la même cause de paiement; il a conservé le montant de x USD à titre d'honoraires.
BGE 139 III 391 S. 392
B.
G. SA a été déclarée en faillite (
art. 190 al. 1 ch. 2 LP
) le 3 octobre 2006 sur requête de Y. LLC, société sise aux Etats-Unis, dont l'actionnaire est H.
Dans le cadre de la faillite de G. SA, l'Office des faillites de Genève (ci-après: Office des faillites) a colloqué en 3
e
classe une créance de Y. LLC (ci-après: Y.) à hauteur de x fr. (correspondant au montant en capital de x USD plus les intérêts).
Il a aussi inventorié une prétention révocatoire, à concurrence de x USD, à l'encontre de Me F., A., B. et C., dont il a offert la cession aux créanciers de la faillie.
Selon l'estimation de l'Office des faillites, aucun dividende n'était escompté pour les créanciers chirographaires.
C.
Agissant en qualité de cessionnaire des droits de la masse en faillite, Y. LLC a assigné, le 3 octobre 2008, Me F., A., B. et C., en paiement de la somme de x USD avec intérêts à 5 % dès le 26 octobre 2005.
Par jugement du 24 juin 2010, le Tribunal de première instance du canton de Genève (ci-après: Tribunal de première instance) a condamné A., B. et C. à payer solidairement à Y. la somme de x USD. La condamnation de Me F. à payer à Y. le montant de x USD n'est plus litigieuse, celui-ci ayant admis le jugement de première instance et versé le montant de x USD le 9 juillet 2012.
La Cour de justice a, par arrêt du 26 août 2012, annulé la condamnation des trois défendeurs, considérant que le bénéficiaire direct de la prestation de G. SA était D., que les trois défendeurs n'étaient que des tiers au sens de l'
art. 290 LP
et qu'ils ne pouvaient être recherchés en remboursement du montant perçu, étant protégés dans leur bonne foi.
Statuant par arrêt du 29 mai 2012, le Tribunal fédéral a annulé l'arrêt de la Cour de justice du 26 août 2011 et lui a renvoyé l'affaire pour nouvelle décision dans le sens des considérants (arrêt 5A_682/2011). Il ressort des motifs de son arrêt que le Tribunal fédéral a considéré que c'était à tort que l'autorité précédente avait débouté la demanderesse pour le motif tiré de l'absence de légitimation passive des défendeurs, dès lors que les défendeurs étaient les bénéficiaires d'avantages au sens de l'
art. 290 LP
, qu'ils étaient d'ailleurs contractuellement les destinataires de la prestation à teneur de l'accord du 13 septembre 2005 et que leur connaissance ou ignorance était dénuée de
BGE 139 III 391 S. 393
pertinence. Il en a déduit que, par conséquent, les défendeurs étaient "en principe tenus de restituer le montant perçu" (cf. consid. 4.2.2 in fine). Il a donc prononcé que le recours apparaissait bien fondé dans la mesure de sa recevabilité, en ce sens que l'action révocatoire devait être admise sur le fond et qu'il appartenait à la juridiction précédente de compléter ses constatations sur le point de départ de l'intérêt moratoire et de statuer à nouveau sur les frais et dépens des instances cantonales (cf. consid. 8).
La demande de révision déposée par les défendeurs contre cet arrêt a été rejetée par arrêt du Tribunal fédéral du 7 septembre 2012 (arrêt 5F_7/2012).
D.
Devant la Cour de justice, qui a repris l'instruction de la cause après renvoi, les défendeurs ont fait valoir des faits nouveaux. Ils ont invoqué notamment que Y. accusait D., qui avait la signature individuelle sur son compte à elle, d'avoir transféré indûment la somme de x USD de ce compte sur celui de G. SA, dont un montant de x USD avait été transféré le jour suivant sur le compte "Avoirs de clients" de Me F. Ces faits, qui ressortaient du dossier de la faillite de G. SA, ont été jugés irrecevables par la Cour de justice.
Ils invoquaient également que, comme cela ressort d'une pièce produite le 4 décembre 2009 par Y., son actionnaire H. a poursuivi D. à titre personnel pour cette somme de x USD transférée indûment (soit x fr.) et qu'il a été indemnisé à concurrence de x fr. au total, un acte de défaut de biens après saisie lui ayant été délivré pour le montant de x fr.
Les défendeurs en déduisaient que H. avait frauduleusement induit en erreur l'Office des faillites pour qu'il admette la créance de Y. à l'état de collocation, puis qu'il lui cède les droits de la masse d'agir en révocation. Ils précisaient qu'ils avaient déposé plainte pénale contre celui-ci. Ils invoquaient que les créanciers de G. SA ne pouvaient avoir subi de préjudice du fait du versement de x USD en leur faveur dès lors que G. SA avait elle-même reçu sans droit la somme totale de x USD, dont un virement de x USD.
E.
Parallèlement, les trois défendeurs ont requis de l'Office des faillites la révocation de la collocation de la (prétendue) créance de Y. dans la faillite de G. SA, la révocation de la cession à Y. de la prétention révocatoire à leur encontre et la révocation de l'acte de défaut de biens délivré à Y. Leur recours au Tribunal fédéral contre la décision de l'autorité de surveillance ayant déclaré leur plainte
BGE 139 III 391 S. 394
irrecevable a été rejeté dans la mesure de sa recevabilité par arrêt du 24 juillet 2013 (arrêt 5A_39/2013).
F.
Statuant à nouveau le 11 janvier 2013, la Cour de justice a déclaré irrecevables les conclusions et pièces nouvelles déposées par les parties et, sur le fond, modifié le jugement de première instance du 24 juin 2010 en ce sens qu'elle a condamné A., B. et C., pris conjointement et solidairement, à verser à Y. la somme de x USD avec intérêts à 5 % dès le 1
er
novembre 2008.
G.
Après avoir attribué le bénéfice de l'effet suspensif au recours interjeté par A., B. et C. contre cette décision, le Tribunal fédéral l'a rejeté par arrêt du 31 juillet 2013.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
5.
Enfin, les recourants soutiennent que le cessionnaire des droits de la masse (
art. 260 LP
) ne se voit céder que la qualité pour agir et que, par conséquent, il ne pourrait pas réclamer la restitution en sa faveur, mais seulement en faveur de la masse en faillite. Ils en concluent que les conclusions de la demanderesse seraient irrecevables.
5.1
Selon la jurisprudence, le créancier qui a obtenu la cession des droits de la masse en application de l'
art. 260 LP
agit en lieu et place de la masse (
Prozessführungsbefugnis
ou
Prozessstandschaft
), en son propre nom, pour son propre compte et à ses risques et périls, selon le texte de la formule obligatoire 7F (art. 2 ch. 6 et 80 de l'ordonnance du 13 juillet 1911 sur l'administration des offices de faillite [OAOF; RS 281.32] ou de la formule établie par l'office, laquelle doit correspondre, pour ce qui est de son contenu, à la formule obligatoire (art. 2 al. 2 de l'ordonnance du 5 juin 1996 sur les formulaires et registres à employer en matière de poursuite pour dettes et de faillite et sur la comptabilité [Oform; RS 281.31], mais il ne devient pas le titulaire de la prétention de droit matériel qui continue d'appartenir à la masse (
ATF 113 III 135
consid. 3a;
ATF 121 III 488
consid. 2;
ATF 122 III 488
consid. 3b;
ATF 132 III 342
consid. 2.2). La formule 7F précise notamment, parmi les conditions auxquelles le créancier cessionnaire est autorisé à poursuivre la réalisation des droits faisant l'objet de la cession, que "[l]e créancier cessionnaire devra aviser l'administration de la faillite du résultat obtenu judiciairement ou à l'amiable, et cela sans retard et en y joignant les pièces justificatives", et que "[l]a somme d'argent obtenue judiciairement ou à
BGE 139 III 391 S. 395
l'amiable peut être employée par le créancier cessionnaire, après paiement des frais, à couvrir sa créance; l'excédent éventuel sera remis à la masse" (cf. aussi art. 757 al. 2, 2
e
et 3
e
phrases, CO). Selon la jurisprudence, si le créancier cessionnaire a ainsi un devoir d'information et des devoirs quant à l'utilisation du gain du procès, rien ne l'empêche de conclure à la condamnation du défendeur de payer directement en ses mains (arrêts 4A_210/2010 du 1
er
octobre 2010 consid. 7.2.2, non publié in
ATF 136 III 502
; 4A_ 174/2007 du 13 septembre 2007 consid. 3.3), comme cela est d'ailleurs usuel dans la pratique (cf. entre autres
ATF 132 III 564
let. C p. 567;
ATF 122 III 195
let. B p. 197;
ATF 117 II 432
let. C p. 434).
5.2
Il résulte de ce qui précède que le grief des recourants relatif à la prétendue irrecevabilité des conclusions de la demanderesse tendant au paiement en ses mains est mal fondé.
| null |
nan
|
fr
| 2,013 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a9a8c1fa-95b3-40f6-81c2-854d082403ca
|
Urteilskopf
92 I 218
38. Urteil vom 1. Juli 1966 i.S. Eidg. Steuerverwaltung gegen X. und Y. und Steuerrekurskommission des Kantons Nidwalden.
|
Regeste
Verrechnungssteuer und zusätzlicher Steuerrückbehalt USA.
Verpflichtung des Empfängers der besteuerten Wertschriftenerträge zur Rückzahlung der ihm zurückerstatteten Steuerbeträge mangels Wohnsitzes und genügend langen Aufenthalts im Inland.
|
Sachverhalt
ab Seite 218
BGE 92 I 218 S. 218
A.-
Frau X., welche die italienische und die argentinische Staatsangehörigkeit besitzt und von ihrem Ehemann gerichtlich getrennt ist, und ihre Schwester, Frau Y., welche italienische Staatsangehörige ist und von ihrem Ehemann tatsächlich getrennt lebt, stellten Anfang 1960 bei der Fremdenpolizeibehörde des Kantons Nidwalden Gesuche um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung für die Gemeinde Hergiswil, wo sie "ihren Lebensabend zu verbringen wünschten". Den Gesuchen wurde entsprochen. Die beiden Schwestern hatten bereits am 18. September 1959 mit der kantonalen Steuerverwaltung Nidwalden und der Gemeindesteuerkommission Hergiswil einen Steuervertrag abgeschlossen, der vom Regierungsrat des Kantons Nidwalden am 24. November 1959 genehmigt worden war.
BGE 92 I 218 S. 219
Sodann hatten sie durch Vertrag vom 29. Dezember 1959 im 1. Stock der Villa "Yvonne" in Hergiswil einen Salon, ein Ess- und ein Schlafzimmer, sowie zur "Mitbenützung" eine Küche und ein Badzimmer gemietet. Im Jahre 1962 mieteten sie anstelle dieser Wohnung eine solche im Hause "Hubertus" in Hergiswil.
Auf Grund des erwähnten Steuervertrages wurden sie für die Jahre 1960 und 1961 zur Kantons- und Gemeindesteuer herangezogen. Für die gleiche Periode wurden sie auch der eidg. Wehrsteuer unterworfen. Die Verrechnungssteuer und der zusätzliche Steuerrückbehalt USA auf in den Jahren 1960 und 1961 fällig gewordenenWertschriftenerträgenwurden ihnen vom Kanton Nidwalden zurückerstattet.
B.-
Im Kontrollverfahren gemäss Art. 14 Abs. 2 VStB stellte die eidg. Steuerverwaltung fest, dass die den Schwestern zurückerstatteten Quellensteuern die von ihnen in der Schweiz für die Jahre 1960 und 1961 entrichteten direkten Steuern (kantonale Steuern und eidg. Wehrsteuer) beträchtlich übersteigen. Sie gelangte zur Auffassung, dass die Quellensteuern zu Unrecht zurückerstattet worden seien, da die beiden Frauen in der Schweiz weder einen Wohnsitz noch einen steuerrechtlich erheblichen Aufenthalt gehabt hätten. Sie erliess daher gegenüber dem Kanton Nidwalden Kürzungsverfügungen im Umfange der zurückerstatteten Quellensteuerbeträge. Darauf machte das Verrechnungssteueramt Nidwalden durch Verfügungen vom 16. August 1963 gegen die beiden Schwestern Rückgriffsforderungen in diesen Beträgen geltend.
C.-
Hiegegen erhoben die beiden Frauen Beschwerde bei der Steuerrekurskommission des Kantons Nidwalden. Diese hiess die Beschwerden mit Entscheiden vom 4. Februar 1966 gut.
Die Rekursinstanz verweist auf
Art. 23-25 ZGB
und führt aus, die eidg. Steuerverwaltung habe nicht bewiesen, dass die zwei Schwestern in Hergiswil in fiktiver Weise, einzig zum Zwecke der Steuerumgehung, Wohnsitz genommen hätten. Die Tatsache, dass die beiden vermöglichen Frauen sich während längerer Zeit auf Reisen befanden, schliesse nicht aus, dass sie beabsichtigten, die übrige Zeit in Hergiswil zu verbringen. Es stehe fest, dass sie dort im Jahre 1960 "in aller Form ihren Wohnsitz eingenommen und auch angemeldet" haben, was dadurch bekräftigt werde, dass sie in Nidwalden - unfreiwillig - Steuern bezahlt hätten.
BGE 92 I 218 S. 220
Das Bestehen eines Wohnsitzes an einem anderen Orte sei nicht nachgewiesen worden. Insbesondere fehle der Beweis für die Behauptung der eidg. Steuerverwaltung, der Wohnsitz der Frau Y. falle mit demjenigen ihres Ehemannes in Italien zusammen. Die Ehefrau könne einen selbständigen Wohnsitz haben, wenn sie berechtigt sei, getrennt zu leben (
Art. 25 Abs. 2 ZGB
). Eine gerichtliche Bewilligung des Getrenntlebens sei nicht erforderlich; es genüge das Einverständnis des Ehemannes, das hier als gegeben erachtet werden könne.
Würde angenommen, dass die beiden Schwestern mangels Begründung eines Wohnsitzes in Hergiswil die ihnen zurückerstatteten Quellensteuerbeträge zurückzuzahlen haben, so müssten ihnen anderseits nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die von ihnen in der Schweiz bezahlten direkten Steuern zurückerstattet werden.
D.-
Die eidg. Steuerverwaltung führt gegen die beiden Entscheide der kantonalen Rekurskommission Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, sie seien aufzuheben.
Sie macht geltend, es sei nicht nachgewiesen, dass die beiden Frauen in Hergiswil einen Wohnsitz im Sinne des
Art. 23 ZGB
begründet haben. Sie hätten nie die Absicht gehabt, diesen Ort zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu machen. Sie hätten sich kaum je, auf jeden Fall nur äusserst selten, dort aufgehalten; sie seien ständig, vor allem in Südamerika, unterwegs gewesen. Übrigens hätte Frau Y., die von ihrem Ehemann nicht gerichtlich getrennt sei, einen selbständigen Wohnsitz nur bei richterlicher Bewilligung zum Gentrenntleben begründen können. Die Berufung der Rekurskommission auf
Art. 24 ZGB
gehe fehl. Mangels eines steuerrechtlich relevanten Aufenthaltes der beiden Schwestern in Hergiswil könne die Rückerstattung der Quellensteuern auch nicht auf die Verfügung Nr. 1a des eidg. Finanz- und Zolldepartements vom 20. November 1944 über die Verrechnungssteuer gestützt werden.
E.-
Die Frauen X. und Y. haben unter Berufung auf ihre Eingaben an die Rekurskommission auf weitere Ausführungen verzichtet, ebenso die Rekurskommission unter Hinweis aufihre Entscheide.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Da die beiden von der eidg. Steuerverwaltung getrennt eingereichten Beschwerden gleichartige Tatbestände betreffen,
BGE 92 I 218 S. 221
rechtfertigt es sich, sie zu vereinigen und nur ein Urteil zu fällen, (
Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP
in Verbindung mit
Art. 40 OG
).
2.
Nach Art. 8 Abs. 1 und 2 VStB können natürliche Personen die Verrechnung der ihnen vom Schuldner abgezogenen Verrechnungssteuer mit den von ihnen zu entrichtenden, in der kantonalen Gesetzgebung bezeichneten Kantons- und Gemeindesteuern bzw. die Rückerstattung der diese kantonalen Steuern übersteigenden verrechenbaren Beträge verlangen, sofern sie im Zeitpunkt der Fälligkeit der steuerbaren Leistung im Inland Wohnsitz hatten. Für den Begriff des Wohnsitzes verweist Art. 9 Abs. 1 VStB auf Art. 4 WStB und dieser auf
Art.23-26 ZGB
.
a) Nach
Art. 23 Abs. 1 ZGB
befindet sich der Wohnsitz einer Person an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Es muss nach den gesamten Umständen angenommen werden können, dass die Person den Ort, an dem sie - wenn auch nur kurze Zeit - verweilt, zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen macht (
BGE 64 II 403
,
BGE 69 I 12
,
BGE 69 II 280
,
BGE 77 I 118
,
BGE 85 II 322
,
BGE 87 II 10
,
BGE 88 III 138
).
In den Beschwerden an die kantonale Rekurskommission haben die Frauen X. und Y. geltend gemacht, im Steuervertrag sei festgelegt, dass sie beabsichtigten, "Ende 1959 in Hergiswil Domizil zu nehmen"; sodann hätten sie in ihrem Gesuch um Erteilung der Aufenthaltsbewilligung ihre Absicht, ihren Lebensabend dort zuverbringen, bekannt gegeben, sich ordnungsgemäss bei der Fremdenpolizeibehörde Nidwaldenund beimitalienischen Konsulat in Luzern angemeldet, eine Wohnung in Hergiswil gemietet und zwischen ihren Auslandreisen auch benützt, dort ihre Steuerdeklaration eingereicht und ihre Steuern bezahlt. Damit ist aber noch nicht dargetan, dass sie Hergiswil zum Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse gemacht haben (vgl.
BGE 41 I 454
,
BGE 42 I 95
,
BGE 64 II 403
,
BGE 77 I 119
,
BGE 85 II 322
,
BGE 87 II 10
,
BGE 88 III 139
; ASA Bd. 33. S. 515). Es müsste feststehen, dass sie in den dort gemieteten Räumlichkeiten - wenn auch nur kürzere Zeit und mit Unterbrüchen - tatsächlich gewohnt haben. Ein Wohnen hätte Spuren hinterlassen. Es müssten Anzeichen dafür vorliegen, dass die zwei Frauen in der Wohnung in Hergiswil ihre Freunde und Bekannten empfangen und von dort aus ihre Beziehungen nach auswärts telephonisch und schriftlich gepflegt, d.h. jene gesellschaftlichen Verbindungen aufgenommen und unterhalten haben, die einen Aufenthaltsort erst zum Wohnsitz machen. Es hätten öffentliche Dienste (Wasser- und Stromversorgung,
BGE 92 I 218 S. 222
Abfuhrwesen, Post und Telephon) und auch eine Haushaltshilfe (Spettfrau) in Anspruch genommen werden müssen. Es fehlen jedoch Anhaltspunkte für eine solche Benützung der Wohnung in Hergiswil. Die beiden Schwestern haben in dieser Beziehung keinerlei schlüssige Tatsachen unter Beweis gestellt. Sie haben nicht einmal nähere Angaben darüber gemacht, wann sie sich in Hergiswil aufgehalten haben.
Die Rekurskommission wendet ein, niemandem könne verwehrt werden, viel zu reisen und die Post sich anderswohin als in die eigene Wohnung zustellen zu lassen. Dies ist durchaus richtig. Indessen hat die eidg. Steuerverwaltung nicht den Lebensstil der Frauen X. und Y. kritisiert, sondern lediglich - mit Recht - festgestellt, dass die Wohnsitznahme ein Mindestmass an Bindungen an einen bestimmten Ort voraussetzt.
Es ist nicht einmal wahrscheinlich, dass die beiden Frauen, welche sehr vermöglich und an eine gehobene Lebensführung gewöhnt sind, sich mit der von ihnen im Hause "Yvonne" gemieteten Wohnung zufrieden gegeben hätten, wenn sie wirklich die Absicht gehabt hätten, dort den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen; denn nach dem Mietvertrag stand ihnen an Küche und Bad nur ein Mitbenützungsrecht zu, so dass sie diese Räume mit fremden Leuten hätten teilen müssen. Dazu kommt, dass die Wohnung am 8. April 1962, als ein Kaufsinteressent die Villa "Yvonne" besichtigte, nach seiner schriftlichen Erklärung weder bewohnt noch zum Wohnen eingerichtet war. Damals war aber der von den beiden Frauen am 29. Dezember 1959 abgeschlossenen Mietvertrag noch in Kraft - er wurde erst auf den 1. Juni 1962 aufgehoben-und war nach ihren eigenen Angaben eine neue Wohnung noch nicht gefunden. Die zwei Frauen haben es auch unterlassen, Ausweise über die Beschaffung von Möbeln (Kaufverträge oder Belege über die zollfreie Einfuhr von Umzugsgut) beizubringen,
Nach alldem kann nicht angenommen werden, dass sie sich in Hergiswil mit der Absicht dauernden Verbleibens aufgehalten, also dort einen Wohnsitz im Sinne des
Art. 23 Abs. 1 ZGB
begründet haben.
b) In
Art. 24 ZGB
, auf den die Vorinstanz u.a. verweist, werden Fiktionen für den Fall aufgestellt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Wohnsitznahme im Sinne des Art. 23 nicht erfüllt sind.
Art. 24 Abs. 1 ZGB
, wonach der einmal begründete Wohnsitz
BGE 92 I 218 S. 223
einer Person bis zum Erwerb eines neuen bestehen bleibt, fällt hier von vornherein ausser Betracht: Da die Voraussetzungen für eine Wohnsitznahme der Frauen X. und Y. in Hergiswil in keinem Zeitpunkte gegeben waren, kann nicht gesagt werden, ein einmal dort begründeter Wohnsitz habe bis zum Erwerb eines neuen fortgedauert.
Nach
Art. 24 Abs. 2 ZGB
gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz, wenn ein früherer Wohnsitz nicht nachweisbar oder ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden ist. Da unter "Aufenthaltsort" im Sinne dieser Bestimmung der Ort des tatsächlichen Verweilens ohne Rücksicht auf die Festigkeit der Verbindung mit dem Ort zu verstehen ist (zumindest dann, wenn kein qualifizierter Aufenthaltsort vorliegt: EGGER, Personenrecht, N. 7 zu
Art. 24 ZGB
), könnte mangels einer nachweisbaren anderweitigen Bindung ein flüchtiger Aufenthalt in Hergiswil genügen, um einen Wohnsitz zu schaffen. Das Bundesgericht hat jedoch für das Wehrsteuerrecht dargetan, dass eine Anwendung des
Art. 24 Abs. 2 ZGB
das Ordnungsprinzip von Art. 3 Ziff. 1 WStB in bezug auf das Verhältnis zwischen lit. a einerseits und lit. b und c anderseits in nicht zu rechtfertigender Weise stören würde (ASA Bd. 14 S. 67). Nicht minder bedenklich erscheint aber die Anwendung des
Art. 24 Abs. 2 ZGB
im Verrechnungssteuerrecht; denn sie hätte unter Umständen zur Folge, dass ein wohnsitzloser Ausländer auch bei nur flüchtigem Aufenthalt in der Schweiz gegenüber anderen Personen mit wesentlich intensiverer Bindung zur Schweiz privilegiert würde, was nicht wohl der Sinn des Verrechnungssteuerbeschlusses sein kann (vgl. ASA Bd. 33 S. 516/7). Es kann jedoch im vorliegenden Fall offen gelassen werden, wie es sich damit verhält. Die Frauen X und Y haben nicht dargetan, dass die in Art. 24 Abs. 2 umschriebenen Voraussetzungen in ihrem Fall zutreffen. Es ist nicht Sache der Steuerbehörden, darnach zu forschen. Übrigens spricht die Wahrscheinlichkeit eher dafür, dass jedenfalls Frau Y..auch in den Jahren 1960 und 1961 Wohnsitz im Ausland hatte, nämlich in Italien; denn es steht fest, dass ihr Ehemann mit den Kindern dort wohnt, und ihre Ehe ist offenbar nicht gerichtlich getrennt. Ob sie überhaupt berechtigt gewesen wäre, einen selbständigen Wohnsitz in der Schweiz zu begründen (vgl.
Art. 25 ZGB
), kann dahingestellt bleiben.
Mangels Wohnsitzes der beiden Frauen im Inland liess sich
BGE 92 I 218 S. 224
demnach die Rückerstattung der Verrechnungssteuer an sie nicht auf Art. 8 VStB stützen.
3.
Das eidg. Finanz- und Zolldepartement hat auf Grund von Art. 22 lit. c VStB angeordnet, dass der Kanton abgezogene Verrechnungssteuern auch in anderen als den in Art. 8 daselbst bezeichneten Fällen zurückzuerstatten hat. Hier kommt nur Art. 2 der Verfügung Nr. 1a des Departements vom 20. November 1944 in Betracht, wonach Anspruch auf Rückerstattung auch solche natürliche Personen haben, die, ohne in der Schweiz ihren Wohnsitz zu haben, sich hier aufhalten und wegen dieses Aufenthaltes zur Entrichtung periodisch veranlagter Kantons- oder Gemeindesteuern verpflichtet sind.
Die Frauen X. und Y. sind in Nidwalden für die Jahre 1960 und 1961 zu Kantons- und Gemeindesteuern veranlagt worden. Das ist indessen auf Grund des von ihnen abgeschlossenen Steuervertrages geschehen. Nach Art. 2 der Verfügung Nr. 1a anspruchsberechtigt ist jedoch nur, wer periodisch veranlagte Kantons- und Gemeindesteuern wegen seiner durch inländischen Aufenthalt begründeten persönlichen Zugehörigkeit zu einem schweizerischen Gemeinwesen zu entrichten hat (PFUND, Schweiz. jur. Kartothek Nr. 895, S. 3 N. 1).
Es fragt sich daher, ob die beiden Frauen auf Grund eines Aufenthalts in Hergiswil zur Entrichtung von Kantons- und Gemeindesteuern verpflichtet waren. Wer Kantons- und Gemeindesteuern zu bezahlen hat, bestimmt das kantonale Recht. Welche Anforderungen an einen die Steuerpflicht in Kanton und Gemeinde begründenden Aufenthalt gestellt werden, ist daher ebenfalls eine Frage des kantonalen Rechts, die aber als Vorfrage vom Bundesgericht selbständig zu prüfen ist.
Das Steuergesetz des Kantons Nidwalden vom 24. April 1955, das auf die Jahre 1960 und 1961 anwendbar war, erklärt in § 6 Abs. 1 lit. a als steuerpflichtig natürliche Personen, die im Kanton Wohnsitz haben, und fügt bei, dass dem Wohnsitz der Aufenthalt gleichsteht, sofern dieser der Ausübung einer Erwerbstätigkeit dient oder "ungeachtet vorübergehender Unterbrechung länger als 3 Monate dauert".
Die Frauen X. und Y. haben im Kanton Nidwalden keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Es bestehen aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich dort im Verlaufe jedes der beiden Jahre 1960 und 1961 zusammengezählt über 3 Monate lang aufgehalten haben. Die kantonalen Behörden haben dies nicht
BGE 92 I 218 S. 225
geprüft. Indessen sind die beiden Frauen durch die Beschwerde der eidg. Steuerverwaltung daraufaufmerksam gemacht worden, dass es von Bedeutung ist, wie lange sie sich in Hergiswil aufgehalten haben. Sie haben es jedoch unterlassen, irgendwelche konkreten Angaben hierüber zu machen. Es kann nicht Sache des Bundesgerichts sein, von Amtes wegen Erhebungen über Tatsachen anzustellen, welche die zwei Frauen leicht hätten ins richtige Licht stellen können. Unter diesen Umständen muss angenommen werden, dass hier die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuerpflicht in Gemeinde und Kanton auf Grund des Aufenthalts nicht gegeben waren, also die Rückerstattung der Verrechnungssteuer auch nicht auf die Verfügung Nr. 1a des eidg. Finanz- und Zolldepartements gestüzt werden konnte.
4.
Das Abkommen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen vom 24. Mai 1951 sieht in Art. VI und VII und der BRB vom 2. November 1951 über die Ausführung des Abkommens in Art. 13 ff. vor, dass natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz Anspruch auf Beschränkung der amerikanischen Quellensteuer haben. Nach Art. 20 dieses BRB, welcher die Verfügung Nr. 1a des eidg. Finanz- und Zolldepartements vom 20. November 1944 über die Verrechnungssteuer als anwendbar erklärt, wäre dem Wohnsitz in der Schweiz ein Aufenthalt im Sinne des Art. 2 dieser Verfügung gleichzustellen. Ob dies dem Sinne des Abkommens entspricht, kann im vorliegenden Fall offen gelassen werden; denn nach dem in Erw. 3 hiervor Gesagten liegt hier nicht nur kein Wohnsitz, sondern auch kein Aufenthalt im Sinne des Art. 2 der Verfügung Nr. 1a vor. Daher erweist sich die Rückerstattung des zusätzlichen Steuerrückbehaltes USA an die Frauen X. und Y. ebenfalls als unbegründet (Art. 1 BRB vom 14. Dezember 1962 betreffend Massnahmen gegen die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes).
5.
Haben demnach die beiden Frauen die Rückerstattung der Verrechnungssteuer und des zusätzlichen Steuerrückbehaltes USA zu Unrecht beansprucht, so haben sie ihrerseits Rückzahlung zu leisten (Art. 14 Abs. 4 VStB, Art. 19 f. BRB vom 2. November 1951, Art. 4 BRB vom 14. Dezember 1962). Daran ändert es nichts, dass sie in der Schweiz zu direkten
BGE 92 I 218 S. 226
Steuern herangezogen worden sind. Die von der kantonalen Rekurskommission aufgeworfene Frage, ob ihnen diese Steuern zurückzuerstatten seien, ist im gegenwärtigen Verfahren nicht zu prüfen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerden werden gutgeheissen und die angefochtenen Entscheide aufgehoben. Die Frauen X. und Y. haben die ihnen zurückerstatteten Quellensteuern (Verrechnungssteuer und zusätzlicher Steuerrückbehalt USA 1960 und 1961) zurückzu zahlen.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,966 |
CH_BGE
|
CH_BGE_001
|
CH
|
Federation
|
a9b38583-43b4-439e-a15b-32094bedd0e6
|
Urteilskopf
86 IV 206
53. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Dezember 1960 i.S. Gimmi gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau.
|
Regeste
Art. 153, 154 StGB
.
Gewerbsmässigkeit.
Der Täter, der sich ausschliesslich gegen die gleiche Person vergangen hat, kann trotzdem bereit gewesen sein, gegen unbestimmt viele zu handeln.
|
Sachverhalt
ab Seite 206
BGE 86 IV 206 S. 206
A.-
Gimmi, Inhaber einer Molkerei in Frauenfeld, verkaufte die Überschussmilch der Milchpulverfabrik in Sulgen. Der dieser in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 1959 als vollwertig abgelieferten Überschussmilch hatte er in rund 120 Fällen Rahm im Durchschnittsgewicht von 8,5 kg. entnommen.
B.-
Das Bezirksgericht Frauenfeld erklärte Gimmi schuldig der fortgesetzten und wiederholten gewerbsmässigen Warenfälschung (
Art. 153 Abs. 2 StGB
) und des fortgesetzten und wiederholten gewerbsmässigen Inverkehrbringens im Werte verringerter Waren (Art. 154 Ziff. 1 Abs. 2) und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren
BGE 86 IV 206 S. 207
Gefängnisstrafe von sechs Monaten und zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 1000.--. Ferner ordnete es die Veröffentlichung des Urteils im kantonalen Amtsblatt und im "Thurgauer Bauer" an.
Das Obergericht des Kantons Thurgau bestätigte am 27. Oktober 1960 dieses Urteil in den wesentlichen Punkten.
C.-
Gimmi führt Nichtigkeitsbeschwerde gegen das obergerichtliche Urteil. Er bestreitet, dass er die strafbaren Handlungen gewerbsmässig begangen habe.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vergeht sich gewerbsmässig, wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, die Tat wiederholt begeht (
BGE 81 IV 36
,
BGE 79 IV 11
, 118 und dort erwähnte frühere Entscheidungen). Fest steht, dass der Beschwerdeführer an rund 120 Tagen die Milch entrahmt und als vollwertige Überschussmilch der Milchpulverfabrik abgeliefert hat und dabei die Absicht hatte, sich durch die strafbaren Handlungen ein Einkommen zu verschaffen. Dagegen bestreitet der Beschwerdeführer, dass er bereit gewesen sei, ausser gegenüber der Milchpulverfabrik auch gegenüber unbestimmt vielen andern Milchabnehmern die Tat zu begehen.
Ob der Täter bereit war, gegen unbestimmt viele zu handeln, ist Tatfrage (
BGE 71 IV 116
). Die Feststellung der Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer diese Bereitschaft hatte, bindet daher den Kassationshof (
Art. 277 bis Abs. 1 BStP
), vorausgesetzt, dass sie den Rechtsbegriff der Bereitschaft, das Verbrechen oder Vergehen gegenüber beliebigen Personen zu begehen, nicht missverstanden hat (
BGE 79 IV 15
). Wohl kennzeichnet den Gewerbetreibenden im allgemeinen, dass er bereit ist, die auf Einnahmen gerichtete Tätigkeit auszuüben, wo immer sich passende Gelegenheit bietet. Diese Bereitschaft erfordert jedoch nicht, dass er jede Gelegenheit, die ihm Einkommen
BGE 86 IV 206 S. 208
verspricht, ausnütze und dementsprechend wahllos jeden als Kunden annehme. Wie der Gewerbetreibende seine Kunden aussuchen kann, so kann auch der Verbrecher gewerbsmässig handeln, wenn er seine Opfer nur in bestimmten Kreisen sucht oder die Tat nur gegenüber Personen begehen will, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen (
BGE 71 IV 115
,
BGE 78 IV 155
,
BGE 79 IV 13
). Diese Beschränkung in der Wahl der Opfer macht den Fall möglich, dass der Täter während einer gewissen Zeitspanne seinen verbrecherischen Willen nur gegenüber einer einzigen Person verwirrklichen und trotzdem bereit sein kann, die Tat gegenüber unbestimmt vielen Personen, welche die gleichen Voraussetzungen erfüllen, zu wiederholen. Gewerbsmässiges Handeln gegenüber nur einer Person ist auch begrifflich nicht ausgeschlossen. Zum Begriff des erlaubten Gewerbes, der für die Bestimmung der Merkmale der gewerbsmässigen Begehung strafbarer Handlungen massgebend ist (
BGE 79 IV 12
), gehört nicht notwendig, dass der Inhaber eines Gewerbes mit einer grösseren Anzahl von Kunden verkehrt; ein Gewerbe betreibt auch, wer seine Waren einem einzigen Abnehmer liefert, wie dies in gewissen Wirtschaftszweigen tatsächlich nicht selten vorkommt. Strafbare Gewerbsmässigkeit kann deshalb auch vorliegen, wenn die wiederholte Begehung ausschliesslich gegen die gleiche Person gerichtet ist. Voraussetzung ist aber, dass nicht aus besonderen Gründen geschlossen werden muss, der Täter habe sich nur gerade gegen diese eine Person vergehen wollen und er wäre infolgedessen gegenüber andern Personen, selbst wenn sich ihm eine passende Gelegenheit geboten hätte, untätig geblieben.
Solche besondere Umstände waren im vorliegenden Falle nicht gegeben. Die Vorinstanz schliesst aus der Skrupellosigkeit, mit der der Beschwerdeführer während längerer Zeit die Milchpulverfabrik mit entrahmter Milch belieferte, und aus den widersprüchlichen Darstellungen, die er zur Rechtfertigung seines Handelns gab, dass er nur deswegen einzig die Milchpulverfabrik geschädigt habe, weil er bei
BGE 86 IV 206 S. 209
diesem Kunden vor Entdeckung gesichert zu sein glaubte, dass er sich aber auch zum Schaden anderer Milchabnehmer bereichert hätte, sooft ihm ein solcher die gleiche Sicherheit geboten hätte. Dass diese Möglichkeit eintrete, war nicht zum vornherein ausgeschlossen. Das Obergericht hat somit den Begriff der Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, nicht verkannt. Was der Beschwerdeführer hiegegen vorbringt, richtet sich in Wirklichkeit gegen die auf Beweiswürdigung beruhenden tatsächlichen Feststellungen und ist daher gemäss
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
nicht zu hören.
2.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
| null |
nan
|
de
| 1,960 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
a9b58d34-1b38-4922-8a9d-c66e0ec4efaa
|
Urteilskopf
102 IV 263
61. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 20 novembre 1976 dans la cause Société vaudoise des médecins-dentistes contre X.
|
Regeste
Art. 1 lit. b UWG
.
Die Bezeichnung "permanence dentaire" für eine Praxis, die nicht Tag und Nacht geöffnet ist, sondern von 8 bis 22 Uhr an Werktagen und von 9 bis 12 Uhr und von 15 bis 18 Uhr an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen, ist nicht eine unrichtige oder irreführende Angabe im Sinne dieser Bestimmung.
|
Sachverhalt
ab Seite 263
BGE 102 IV 263 S. 263
A.-
X. fait exploiter à Lausanne, sous le nom de "permanence dentaire", des cabinets dentaires, qui sont ouverts de 8 à 22 h. du lundi au vendredi, de 9 à 12 h. et de 15 à 18 h. les samedis, dimanches et jours fériés.
La Société vaudoise des médecins-dentistes (SVMD) a déposé une plainte pour concurrence déloyale en lui reprochant d'utiliser le terme "permanence" pour désigner ses cabinets dentaires, et en soutenant que cet usage est de nature à créer auprès du public l'idée fausse que le cabinet est ouvert à toute heure du jour et de la nuit.
B.-
Le 18 juin 1976, le Juge informateur de Lausanne a rendu une ordonnance de non-lieu.
Le 26 août 1976, le Tribunal d'accusation du Tribunal cantonal du canton de Vaud a confirmé cette ordonnance et rejeté le recours interjeté par la SVMD.
BGE 102 IV 263 S. 264
C.-
La SVMD se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Elle conclut au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle traduise X. en tribunal sous la prévention de concurrence déloyale.
Erwägungen
Considérant en droit:
a) Selon l'arrêt attaqué, il serait excessif de restreindre l'emploi du terme "permanence" aux seuls cabinets dentaires ouverts sans interruption et de le refuser pour désigner ceux dont l'horaire d'ouverture est sensiblement plus étendu que celui des autres, car le public ne fait généralement appel à un médecin-dentiste que durant la journée, voire dans la soirée, mais très exceptionnellement durant la nuit. Il n'est ainsi pas probable in casu, au vu des heures d'ouverture des cabinets de l'intimé, que le public soit induit en erreur par la désignation de "permanence", et cela d'autant plus que ce terme peut être interprété en ce sens que le cabinet ne ferme pas ses portes en l'absence de l'un de ses praticiens (vacances, service militaire, etc.) à la différence des cabinets indépendants.
La société recourante critique le raisonnement du Tribunal cantonal en invoquant la définition même du mot "permanence", ainsi que le sens que lui aurait donné le Tribunal fédéral en matière administrative dans une autre affaire concernant l'intimé et publiée aux
ATF 100 Ib 350
. Pour la recourante, la caractéristique d'une permanence est d'être ouverte 24 heures sur 24, et celui qui emploie cette désignation sans offrir des services réellement permanents donne sur son activité des renseignements qui trompent le public, lequel aura tendance à assimiler un cabinet ainsi désigné aux permanences médicales et chirurgicales officielles qui, elles, sont ouvertes sans interruption.
b) Que ce soit dans la langue courante ou dans les dictionnaires (cf. ROBERT, Dictionnaire alphabétique et analogique en 6 volumes, 1962), la permanence est le caractère de ce qui est durable, permanent, ou la longue durée de quelque chose; par extension, une permanence est un service chargé d'assurer le fonctionnement ininterrompu d'une administration, d'un organisme public ou privé (et ROBERT cite notamment comme exemple: les bureaux sont fermés le samedi, mais il y a une permanence); par extension, permanence désigne aussi le local
BGE 102 IV 263 S. 265
où fonctionne ce service. Quant à l'adjectif "permanent", il désigne ce qui dure, demeure sans discontinuer ni changer, soit éternellement, soit dans un certain espace de temps.
Au vu de ce qui précède, on doit constater que la longue durée déjà, de même que la continuité dans un certain espace de temps, autorise l'emploi du mot permanence, qui peut également servir à désigner un service ou un établissement qui fonctionne au-delà des heures des services ou établissements ordinaires, soit les jours où ceux-ci ne fonctionnent pas - ainsi la permanence d'une assemblée (cf. Nouveau Larousse illustré) -, et ceci sans que cela implique nécessairement un travail ininterrompu de 24 heures sur 24. L'exemple cité plus haut est particulièrement probant à cet égard: un service fonctionnant le samedi, alors que les bureaux sont fermés, peut être qualifié de permanence. De même, dans le langage commun, peut être désigné comme "permanent" un cinéma qui fonctionne pendant plusieurs heures sans discontinuer, sans que cela implique chez qui que ce soit l'idée d'une ouverture jour et nuit.
In casu, un cabinet dentaire qui, en plus des heures d'ouverture ordinaires, reste ouvert entre midi et 14 h., le soir jusqu'à 22 h., et les fins de semaine aux heures qui sont à peu près celles des cabinets ordinaires durant les jours ouvrables, assure incontestablement, et en bon français, une permanence. Certes, dans le domaine médical et chirurgical, "permanence" a, pour le public, le sens d'un établissement ouvert jour et nuit. Cela tient à l'urgence et à la gravité des cas qui peuvent se présenter et qui sont censés être traités à toute heure du jour et de la nuit. Mais, en matière dentaire, le caractère d'urgence du traitement n'est d'une manière très générale jamais tel que chacun attende d'une permanence qu'elle soit ouverte jour et nuit. Dès lors, l'emploi de la désignation litigieuse par l'intimé ne peut pas être qualifié d'indication inexacte et fallacieuse, au sens de l'art. 13 litt. b LCD. C'est donc à juste titre que la Cour cantonale a confirmé l'ordonnance de non-lieu rendue par le Juge instructeur.
c) C'est à tort et en vain, enfin, que la recourante se réfère à l'arrêt publié aux
ATF 100 Ib 350
, qui mentionne qu'une permanence est astreinte à fonctionner d'une manière ininterrompue 24 heures par jour. Cet arrêt, rendu par la Ire Cour civile du Tribunal fédéral, concerne une tout autre espèce. De
BGE 102 IV 263 S. 266
plus, cette "définition" de la permanence n'est ni une notion de droit fédéral, ni une définition se rapportant au sens du terme dans la langue française; ainsi que cela ressort clairement d'un autre arrêt rendu le même jour dans une affaire similaire, et publié aux pages précédentes du recueil officiel, cette "définition" est celle qui découle du règlement genevois de la loi sur l'exercice des professions médicales et auxiliaires (
ATF 100 Ib 347
). Or rien n'empêche les cantons, dans les limites de leur compétence en matière d'organisation sanitaire, de se montrer plus exigeants que le langage commun dans la définition de certains termes ou dans la réglementation de certaines activités. Mais rien de semblable n'est avancé en l'espèce à propos du canton de Vaud et de sa réglementation.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le pourvoi.
| null |
nan
|
fr
| 1,976 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
a9c06a46-565b-40c9-8cbe-ae7f92a4eb1e
|
Urteilskopf
111 II 276
55. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 9 juillet 1985 dans la cause R. contre Société S. (recours en réforme)
|
Regeste
Internationales Privatrecht. Bürgschaft.
Anwendbares Recht bei einer Verpflichtung, die als Bürgschaft, Vertrag zu Lasten eines Dritten oder als kumulative Schuldübernahme qualifiziert werden kann (E. 1c).
Bürgschaft oder Vertrag zu Lasten eines Dritten? Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Verträgen liegt in der Abhängigkeit (Akzessorietät) oder Unabhängigkeit des Sicherungsversprechens. Das persönliche Interesse des Garanten an der Erfüllung des Hauptvertrags steht der Qualifikation des akzessorischen Sicherungsversprechens als einer Bürgschaft nicht entgegen (E. 2).
|
Sachverhalt
ab Seite 277
BGE 111 II 276 S. 277
A.-
La société S. a vendu à C., pour lui-même ou son nommable, un terrain situé en Sardaigne, par contrat sous seing privé du 20 septembre 1974, signé à Milan. Ce contrat prévoyait notamment que l'acte notarié ne serait établi qu'à condition que le solde des paiements prévus fût garanti par l'acquéreur, par une caution bancaire ou d'autres formes de garanties approuvées par le vendeur. Dans un avenant du 3 mars 1976, signé à Lausanne, les parties ont fixé le prix de vente à 1968 millions de lires, dont 668 millions de lires ont été payés au 9 mars 1976. Au pied de cet avenant, R., domicilié à Lausanne, homme d'affaires ayant participé à des opérations immobilières et administrateur de sociétés, intéressé à une éventuelle construction sur le terrain vendu, a signé le même jour et au même lieu la déclaration suivante, sous seing privé:
"Il sottoscritto R., residente in Losanna, dichiara di intervenir nel presente compromesso di compravendita stipulato in data odierna tra il Signor C. e la Società S. quale garante de buon fine dei pagamenti contrattuali. In fede."
Le 2 septembre 1976, S. a assigné C. devant le Tribunal civil de Rome, notamment en paiement de 1300 millions de lires, solde impayé du prix de vente.
B.-
Le 2 septembre 1976, S. a assigné R. en paiement de 3'822'000 francs, avec intérêt à 18% l'an dès le 20 mars 1976. Elle demandait l'exécution de la clause de garantie du 3 mars 1976, soit la contre-valeur du solde impayé du prix de vente.
Le défendeur a conclu au rejet de la demande. Il a invoqué la nullité de la garantie, celle-ci n'ayant pas revêtu la forme authentique exigée pour le cautionnement.
Le Juge instructeur de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a décidé de soumettre à un jugement séparé la question de la validité formelle de la clause de garantie.
BGE 111 II 276 S. 278
Par jugement du 1er février 1985, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a prononcé que "l'engagement signé le 3 mars 1976 par R. constitue un porte-fort, et non un cautionnement".
C.-
Le Tribunal fédéral admet le recours en réforme interjeté par le défendeur, annule le jugement du 1er février 1985 et rejette la demande.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
...
c) La contestation ne peut faire l'objet d'un recours en réforme que pour violation du droit fédéral, ce qui suppose qu'elle lui soit soumise.
Qualifiée selon le droit suisse, en tant que loi du juge saisi (lex fori;
ATF 110 II 157
, 78,
ATF 108 II 444
,
ATF 107 II 485
et les arrêts cités), la cause de la demande est un contrat, et les parties ont la faculté de choisir, expressément ou par actes concluants, le droit auquel elles entendent soumettre leur accord (
ATF 71 II 289
s.). La jurisprudence ne retient toutefois une élection de droit par actes concluants que si l'on peut admettre que les parties, conscientes du problème, ont effectivement voulu soumettre leurs relations juridiques à un droit déterminé (
ATF 82 II 552
s.). En l'espèce, bien que le contrat principal soit manifestement soumis au droit italien, il n'existe pas d'éléments suffisants qui permettent de retenir que, le 3 mars 1976 à Lausanne, les parties à l'engagement du défendeur aient pensé au problème du droit applicable et aient également voulu soumettre cet engagement au droit applicable à la vente. Une telle thèse n'a pas non plus été soutenue en procédure.
A défaut d'élection de droit, le contrat qui serait en droit suisse un cautionnement, une promesse de porte-fort ou éventuellement une reprise cumulative de dette est soumis au fond au droit du domicile ou de la résidence habituelle de la personne qui s'engage (
ATF 85 II 454
,
ATF 67 II 219
s.,
ATF 63 II 308
). Quant à la forme de cet acte, il suffit en principe qu'elle réponde aux exigences soit de la lex causae soit de la lex actus. L'acte ayant été conclu en l'espèce au domicile de la personne qui s'est engagée, soit à Lausanne, le droit suisse est ainsi de toute manière applicable.
2.
a) L'engagement litigieux ne présente pas les caractéristiques d'une reprise de dette cumulative. En effet, il n'exprime pas la volonté du défendeur de devenir directement et personnellement
BGE 111 II 276 S. 279
le débiteur de la dette en paiement du prix de vente; le défendeur n'intervient que comme garant de la bonne exécution par l'acheteur de son obligation de payer le prix. Cet engagement ne peut être qualifié que de cautionnement (
art. 492 ss CO
) - dont la forme ne serait pas remplie faute de revêtir la forme authentique (
art. 493 CO
) - ou de promesse de porte-fort (
art. 111 CO
) - qui n'est soumise à aucune forme particulière.
b) Selon l'
art. 111 CO
, le porte-fort promet le fait d'autrui, avec cette conséquence que, si le tiers n'agit pas comme promis, le porte-fort doit des dommages-intérêts dits positifs. Dans un tel contrat, la validité de la promesse n'est pas subordonnée à l'existence d'une obligation à la charge du tiers.
Selon l'
art. 492 CO
, au contraire, la caution s'engage, à l'égard du créancier d'une obligation principale, à garantir le paiement de la dette par le débiteur de cette obligation. Aussi le cautionnement, engagement accessoire, ne peut-il sortir d'effets que si un débiteur principal est tenu d'exécuter une obligation.
La différence essentielle entre ces deux contrats réside dans le caractère dépendant (accessoire) ou indépendant de l'obligation du garant. Seule l'interprétation du contrat permet de définir la nature de cette obligation. A défaut d'une volonté interne commune aux parties, différant de leur volonté exprimée (
art. 18 CO
), on doit s'en tenir aux déclarations des parties, en les interprétant selon la théorie de la confiance, soit selon le sens que leur destinataire devait raisonnablement leur attribuer, les expressions inexactes dont elles ont pu se servir n'étant pas déterminantes (
art. 18 CO
). Les principes généraux relatifs à l'interprétation des manifestations de volonté sont donc applicables. Dans le doute, le juge doit cependant opter en faveur du cautionnement, en raison du but protecteur de la législation édictée sur ce contrat (
ATF 101 II 328
et les arrêts cités). Il ressort de cet arrêt que le Tribunal fédéral n'a dû rechercher le sens de l'engagement du tiers, compte tenu de l'ensemble des circonstances, que parce que les parties ne s'étaient pas exprimées clairement au sujet du caractère accessoire ou indépendant dudit engagement (
ATF 101 II 325
consid. 1 in initio). Dans l'arrêt
ATF 81 II 525
, le Tribunal fédéral considère de même qu'il convient de s'en tenir, en premier lieu, à la volonté exprimée par les parties; ce n'est que lorsqu'elles n'ont pas clairement exprimé leur volonté que celle-ci doit être dégagée de l'ensemble des circonstances. Au demeurant, les considérations de cet arrêt relatives aux rapports entre la reprise de dette cumulative
BGE 111 II 276 S. 280
et le cautionnement ne peuvent être transposées sans autre aux relations entre la promesse de porte-fort et le cautionnement.
La cour cantonale considère que "si le garant a agi essentiellement dans l'intérêt du débiteur et pour augmenter son crédit, on sera en principe en présence d'un cautionnement; s'il a vu surtout son intérêt personnel à l'exécution du contrat garanti, on sera plutôt en présence d'un contrat de garantie (porte-fort)". En tout cas dans cette forme absolue, cette considération ne saurait être approuvée. Elle méconnaît le principe de la liberté des conventions (
art. 19 CO
); que le garant ait un intérêt personnel à l'exécution du contrat principal n'empêche nullement les parties de conclure un cautionnement; les intérêts en présence peuvent en revanche être pris en considération pour déterminer le sens de l'accord des parties, lorsque celui-ci n'est pas clairement exprimé.
c) En l'espèce, le texte de la garantie montre nettement que le garant promettait l'exécution d'une obligation contractuelle assumée par C. Cela ressort déjà du fait que la déclaration de garantie était portée sur le document du contrat principal (avenant) lui-même. Ensuite, cela résulte des termes utilisés selon lesquels R. "intervenait dans le présent contrat de vente"; comme il ne reprenait pas la dette de l'acheteur (consid. 2a ci-dessus), ces termes montrent que le défendeur "intervenait" pour favoriser l'exécution du contrat, ce qui est déjà un indice en faveur du caractère accessoire de l'engagement du garant. Et surtout, le texte même de l'engagement du défendeur, qui se portait garant de la bonne "exécution des paiements contractuels", indique sans ambiguïté que l'objet de la garantie n'était pas un paiement en soi, isolé de toute obligation principale, mais qu'il correspondait à l'exécution d'obligations contractuelles; le caractère accessoire de l'engagement ne peut être exprimé avec plus de netteté. La cour cantonale attache une importance injustifiée au fait que le défendeur ne s'est "pas porté garant des paiements de C., mais de leur bonne exécution". Cette distinction n'est pas fondée; elle méconnaît que le législateur lui-même utilise indifféremment les expressions de "garantir le paiement de la dette contractée" (
art. 492 al. 1 CO
), garantir une obligation (art. 492 al. 2, 2e phrase), garantir la dette (art. 492 al. 3, 1re phrase), "garantir l'exécution d'une dette" (art. 492 al. 3, 2e phrase).
Aucun des faits relevés par la cour cantonale, auxquels le Tribunal fédéral doit limiter son examen (
art. 63 al. 2 OJ
), ne permet d'admettre que la volonté des parties aurait été mal
BGE 111 II 276 S. 281
exprimée dans leur contrat. Tous les indices qu'elle évoque tendent certes à démontrer que le défendeur avait un intérêt personnel à ce que le contrat principal soit exécuté. Mais cette seule circonstance ne permet pas d'interpréter le contrat contrairement à son texte, du moment que la loi n'empêche pas qu'un cautionnement puisse être souscrit par une personne ayant un intérêt personnel à l'exécution du contrat principal. Il est dès lors vain de rechercher si l'intérêt du défendeur à l'exécution du contrat devrait être qualifié de direct ou d'indirect. Au demeurant, le sens économique de la participation du défendeur serait plutôt un indice en faveur du caractère accessoire de la garantie; en effet, si le défendeur comptait s'associer pour l'exploitation des terrains achetés, il avait tout intérêt à ce que le contrat principal soit exécuté, notamment que les terrains vendus soient transférés à l'acquéreur, alors qu'il n'avait aucun intérêt à ce que le seul paiement par l'acheteur soit garanti, indépendamment de l'exécution des obligations de la venderesse.
d) Les parties ayant ainsi conclu un contrat de cautionnement dont elles n'ont pas respecté la forme, ce contrat est nul, ce qui entraîne le rejet de la demande.
|
public_law
|
nan
|
fr
| 1,985 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
|
CH
|
Federation
|
a9c1fd1b-8e2f-44c4-93bd-83301920de61
|
Urteilskopf
112 IV 106
33. Estratto della sentenza della Corte di cassazione del 20 agosto 1986 nella causa A. c. Procura pubblica sopracenerina (ricorso per cassazione)
|
Regeste
Art. 19 Ziff. 1 BetmG
. Handel mit Betäubungsmitteln, Vorbereitungshandlungen.
1. Wer irgendeine Tätigkeit ausübt, die direkt dazu bestimmt ist, reine Betäubungsmittel zu "strecken" oder schon verschnittene Betäubungsmittel weiter zu verdünnen, um sie so in den Handel zu bringen, "trifft Anstalten" im Sinne von
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
zu den in
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1-5 BetmG
aufgeführten Handlungen (E. 3a).
2. Vorbereitungshandlungen im Sinne von
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
sind schon gegeben, bevor ein Versuch (tauglich oder untauglich) des Erwerbs von Betäubungsmitteln oder des Handels etc. mit Betäubungsmitteln vorliegt (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 3b).
|
Sachverhalt
ab Seite 107
BGE 112 IV 106 S. 107
Tra il 1978 e il 1982, A. otteneva da due farmacisti varie forniture di procaina e anestesina per complessivi 8 kg, che consegnava a B., il quale si era a lui in precendenza rivolto perché gli procurasse della procaina. Da conversazioni telefoniche controllate risultava che dette sostanze erano destinate ad "allungare il metraggio per aumentare il guadagno". Dalle stesse conversazioni telefoniche emergeva che B. aveva proposto ad A. un traffico di cocaina, incaricandolo a tale scopo di fare un'indagine di mercato. A. ragguagliava l'amico sui prezzi d'acquisto e di vendita della cocaina, mettandolo al corrente della possibilità di procurarsene da 2 a 5 kg al prezzo massimo di 30 milioni di lire, e di averne richiesto un campione al fornitore, tale C., sulla cui affidabilità egli aveva assunto informazioni.
Con sentenza del 7 novembre 1985, la Corte delle assise criminali del Cantone Ticino dichiarava A. colpevole di ripetuta e continuata violazione aggravata della legge federale sugli stupefacenti. Essa accertava che A. aveva partecipato a un vasto traffico organizzato di stupefacenti, avendo fornito a trafficanti operanti in Italia almeno 8 kg di procaina e anestesina nella consapevolezza che tali sostanze venivano usate per il taglio della cocaina. I contatti avuti con C. e con B. circa l'acquisto di un importante quantitativo di cocaina, tra i 2 e i 5 kg, nonché l'acquisizione di un campione della stessa, realizzavano inoltre la fattispecie degli atti preparatori di un ulteriore traffico di stupefacenti.
BGE 112 IV 106 S. 108
La Corte di cassazione e di revisione penale del Cantone Ticino (CCRP) confermava su questo punto la sentenza di prima istanza.
Il Tribunale federale, adito con ricorso per cassazione, ha respinto il gravame nelle misura in cui era ammissibile.
Erwägungen
Dai considerandi di diritto:
3.
a) Il ricorrente si duole d'essere stato riconosciuto partecipe del traffico di stupefacenti per aver fornito quantitativi di procaina e di anestesina, e rileva che la legge sugli stupefacenti non evoca nella sua diffusa enumerazione delle fattispecie punibili la consegna, vendita, ecc., di sostanze destinate alla diluizione delle droga. Tale censura era stata già disattesa con corretta motivazione dalla CCRP e su di essa prende posizione esaurientemente la Procura pubblica nelle proprie ossevazioni. Essa è manifestamente infondata. Basti soltanto ribadire che l'art. 19 n. 1 LS, dopo aver dichiarato punibile chiunque, senza essere autorizzato, "fabbrica, estrae, trasforma o prepara, deposita, spedisce, trasporta, importa, esporta o transita, offre, distribuisce, vende, negozia per terzi, procura, prescrive, mette in commercio o cede, possiede, detiene, compera o acquista in altro modo stupefacenti", stabilisce espressamente che è parimenti punibile "chiunque fa preparativi a questi scopi". Orbene è indubbio che chi effettua un'attività destinata direttamente a "tagliare" stupefacenti allo stato puro o a diluire ulteriormente stupefacenti già tagliati, perché siano così posti in commercio, "fa preparativi" agli scopi di cui sopra, e ciò addirittura "in optima forma", dato che, come noto, gli stupefacenti in circolazione non sono praticamente mai puri. Come osservato dalla Procura pubblica, la sostanza diluente è una componente di fatto necessaria della droga e, lungi dall'attenuarne i pericoli, suole spesso aggravarli (vuoi per la sua composizione, vuoi per i rischi connessi con la sua manipolazione e con il suo trasporto). La sua funzione essenziale è comunque quella di permettere la "commerciabilità" del prodotto stupefacente. Esattamente la Procura ricorda come la legislazione sugli stupefacenti intende colpire ogni e qualsiasi fase del traffico degli stupefacenti per poterlo combattere efficacemente (
DTF 106 IV 297
). Le circostanze di fatto accertate dall'autorità cantonale in modo vincolante per il Tribunale federale dimostrano che il ricorrente era consapevole dello scopo della sua fornitura di diluenti (ottenuta dai farmacisti grazie a un pretesto menzognero) e che egli stesso si proponeva d'aumentare con
BGE 112 IV 106 S. 109
tali diluenti il lucro proveniente dal divisato commercio di cocaina ("per allungare il metraggio" e così "possiamo (scil. B. e A.) andare più in là con il guadagno": passaggi degli atti istruttori giustamente evocati dalla Procura).
b) A torto il ricorrente contesta d'essere colpevole di atti preparatori. Nel richiamarsi al "punto in cui non si torna indietro e si passa al compimento dell'atto delittuoso", il ricorrente si riferisce in realtà alla nozione di tentativo, ben diversa da quella dell'atto preparatorio. La giurisprudenza da lui citata (
DTF 104 IV 41
) delimita in modo ampio quest'ultimo, precisamente nell'ambito dell'art. 19 LS. Vi si dice testualmente, come a ragione ricorda la Procura pubblica, che se le semplici intenzioni, come tali non punibili, sono seguite da atti - ad esempio, l'agente s'informa sulle possibili fonti di stupefacenti, studia i sistemi di controllo alla frontiera, prende contatto con l'ambiente della droga, ecc. -, ognuno di questi atti commesso in vista di una successiva vendita di stupefacenti adempie la fattispecie punibile stabilita dalla legge. Ed esattamente ribadisce la Procura che il Tribunale federale ha in
DTF 106 IV 74
statuito che sussistono atti preparatori al traffico di stupefacenti già prima che sia dato un tentativo (idoneo o impossibile) d'acquisto, di commercio, ecc., di stupefacenti. In base ai fatti accertati senz'arbitrio dall'autorità cantonale, il ricorrente è stato condannato quale colpevole di atti preparatori sia per aver fornito la procaina e l'anestesina destinate a un traffico di stupefacenti, sia per avere all'inizio del 1979 preso contatto con C. e con B. per concertare le condizioni e le modalità del traffico previsto (studio del mercato, prezzo dello stupefacente, campionatura, affidabilità del fornitore, ecc.).
| null |
nan
|
it
| 1,986 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
a9c2c892-ad6e-44f2-a169-364014ffb0ff
|
Urteilskopf
114 V 228
46. Auszug aus dem Urteil vom 29. Dezember 1988 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen B. und Versicherungsgericht des Kantons Bern
|
Regeste
Art. 4 BV
,
Art. 65 ff. IVV
: Unentgeltliche Verbeiständung im IV-Abklärungsverfahren.
Im Rahmen des IV-Abklärungsverfahrens als nichtstreitiges Verwaltungsverfahren besteht in engen sachlichen und zeitlichen Grenzen ein unmittelbar aus
Art. 4 BV
fliessender Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung.
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Sachverhalt
ab Seite 228
BGE 114 V 228 S. 228
A.-
Velimir B. beansprucht seit langem vergeblich Leistungen der Invalidenversicherung. Im Rahmen eines erneut anhängig gemachten Abklärungsverfahrens liess er durch seinen Rechtsvertreter am 14. Oktober 1986 bei der Ausgleichskasse des Kantons Bern ein Gesuch mit dem Antrag einreichen, es sei ihm für das hängige Verwaltungsverfahren "das vollumfängliche Recht auf unentgeltliche Prozessführung" zu gewähren. Mit Verfügung vom 10. Februar 1987 lehnte die Ausgleichskasse dieses Gesuch mit der Begründung ab, das Verwaltungsverfahren sei vollständig von der Offizialmaxime beherrscht; zudem könne der Versicherte die Verfügung der Ausgleichskasse an das mit voller Kognition ausgestattete kantonale Versicherungsgericht und schliesslich allenfalls an das Eidg. Versicherungsgericht weiterziehen; für das Verfahren vor diesen beiden Gerichten bestehe die Möglichkeit der Beiordnung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes; es sei deshalb genügend
BGE 114 V 228 S. 229
Gewähr dafür geboten, dass das Gesuch des Versicherten um Leistungen der Invalidenversicherung umfassend geprüft werde, ohne dass bereits im Verwaltungsverfahren ein Rechtsbeistand bestellt werden müsse.
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 16. Juni 1987 gut, hob die angefochtene Verfügung auf und wies die Ausgleichskasse an, Velimir B. für das Administrativverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides.
Velimir B. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.
D.-
Das Bundesgericht und das Eidg. Versicherungsgericht führten zu den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einen Meinungsaustausch durch.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Weil es für das IV-rechtliche Verwaltungsverfahren im Sinne des nichtstreitigen Verfahrens bis zum Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission bzw. zu der diesen eröffnenden Verfügung der Ausgleichskasse an entsprechenden Vorschriften des Bundesrechts wie auch des kantonalen Rechts fehlt, kommt eine Anerkennung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege von vornherein nur gestützt auf
Art. 4 BV
in Frage. Angesichts der Kostenlosigkeit des Verwaltungsverfahrens beschränkt sich die Frage sodann auf die unentgeltliche Verbeiständung. Es ist daher im folgenden einzig zu prüfen, ob und - bei Bejahung der grundsätzlichen Frage - inwieweit in zeitlicher und sachlicher Hinsicht aus
Art. 4 BV
ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im IV-rechtlichen Verwaltungsverfahren fliesst.
b) Das Eidg. Versicherungsgericht hat in
BGE 103 V 46
seine frühere Rechtsprechung (
BGE 98 V 116
Erw. 2; EVGE 1962 S. 163) bestätigt, wonach der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Beschwerdeverfahren in allen Zweigen der bundesrechtlichen Sozialversicherung unter gleichen Voraussetzungen besteht. Der Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung ist nach dieser Rechtsprechung im kantonalen Beschwerdeverfahren somit auch dort gewährleistet, wo weder das kantonale
BGE 114 V 228 S. 230
Verfahrensrecht noch die bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften einen Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung vorsehen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Bundesgesetzgebung ist ein solcher Anspruch einzig in den Bereichen der Arbeitslosenversicherung und der beruflichen Vorsorge nicht vorgesehen. Die Rechtsprechung nach
BGE 103 V 46
schliesst somit in diesem Bereich eine Lücke im Rechtsschutz. Bedeutsam ist, dass sich dieser durch die Rechtsprechung eingeführte Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung gegebenenfalls auf ein verwaltungsinternes Beschwerdeverfahren beziehen kann, nämlich dort, wo das Bundesrecht Raum für einen zweifachen kantonalen Instanzenzug lässt, wobei nur die letzte kantonale Instanz von der Verwaltung unabhängig sein muss. Dies trifft wiederum zu auf die Bereiche der Arbeitslosenversicherung (
Art. 101 lit. b AVIG
) und die berufliche Vorsorge (
Art. 73 Abs. 1 BVG
;
BGE 113 V 202
Erw. 3c).
Anderseits hat die Rechtsprechung gemäss
BGE 98 V 116
Erw. 2 und
BGE 103 V 46
den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im kantonalen Beschwerdeverfahren nicht etwa aus
Art. 4 BV
abgeleitet, sondern - nebst
Art. 65 Abs. 2 VwVG
- aus der Existenz zahlreicher Bestimmungen in den Bundessozialversicherungserlassen, welche eine unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Rechtsmittelverfahren vorsehen (
Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG
in Verbindung mit
Art. 69 IVG
,
Art. 7 Abs. 2 ELG
,
Art. 22 Abs. 3 FLG
und
Art. 24 EOG
;
Art. 56 Abs. 1 lit. d MVG
;
Art. 30bis Abs. 3 lit. f KUVG
;
Art. 108 Abs. 1 lit. f UVG
). Weil es für die verschiedenen sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren im Sinne der nichtstreitigen Verfahren bis zum Erlass der Verfügung durch den Sozialversicherungsträger an entsprechenden Vorschriften fehlt, kommt eine Anerkennung des Anspruches auf unentgeltliche Verbeiständung von vornherein nur gestützt auf
Art. 4 BV
in Frage. Es kann folglich nicht darum gehen, die Rechtsprechung gemäss
BGE 103 V 46
, welche den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung für das kantonale Beschwerdeverfahren gleichsam als Ausdruck eines spezifisch sozialversicherungsrechtlichen Grundsatzes betrachtet, weiterzuführen, weil eben der einzig mögliche Ansatzpunkt ein spezifisch verfassungsrechtlicher (
Art. 4 BV
) ist.
Das Eidg. Versicherungsgericht hat es schliesslich in ständiger Rechtsprechung abgelehnt, auf dem Wege der Rechtsprechung einen von Bundesrechts wegen bestehenden Parteientschädigungsanspruch für das kantonale Beschwerdeverfahren dort einzuführen,
BGE 114 V 228 S. 231
wo ein solcher gesetzlich nicht vorgesehen ist (
BGE 112 V 111
f. mit Hinweisen). Soweit ein Parteientschädigungsanspruch für das kantonale Beschwerdeverfahren besteht, deckt dieser die vorprozessualen Bemühungen und Aufwendungen, namentlich wenn solche im nichtstreitigen Verwaltungsverfahren bis zum Verfügungserlass entstanden sind, nicht (
BGE 114 V 87
Erw. 4b in fine mit Hinweisen; ZAK 1987 S. 35, 1986 S. 132 Erw. 2c). Über den hier zur Diskussion stehenden Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung im nichtstreitigen Verwaltungsverfahren hat sich das Eidg. Versicherungsgericht hingegen bisher nicht ausgesprochen.
4.
a) In jüngster Zeit hat das Bundesgericht aus
Art. 4 BV
einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nicht nur für den Zivil- und Strafprozess (vgl.
BGE 112 Ia 15
Erw. 3a mit Hinweisen), sondern auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren abgeleitet (Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. März 1985, auszugsweise publiziert in ZBl 86/1985, S. 412-414, und EuGRZ 1985, S. 485 ff., bestätigt in
BGE 111 Ia 276
). In
BGE 111 Ia 5
hat es die Frage aufgeworfen, ob sich unmittelbar aus
Art. 4 BV
ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im kantonalen Verwaltungsverfahren ableiten lasse, einen solchen Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes vor einem Bezirksamt des Kantons Aargau indessen verneint, da dessen Entscheid (betreffend den Entzug der elterlichen Gewalt) an das Obergericht weitergezogen werden konnte, welches mit voller Prüfungsbefugnis entscheidet und vor welchem Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung besteht. Einen Schritt weiter ging es in
BGE 112 Ia 14
, wo es feststellte, es sei "ein unmittelbar aus
Art. 4 BV
fliessender Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren anzuerkennen", wie er in jüngerer Zeit auch von der Lehre befürwortet werde. Dieser Anspruch befreie ganz oder teilweise von der Bezahlung der Verfahrenskosten und damit auch eines Kostenvorschusses, jedoch nicht von der Entrichtung einer allfälligen Entschädigung an die obsiegende Gegenpartei für ihre Umtriebe. Wo dies zur Wahrung der Interessen des unbemittelten Bürgers erforderlich sei, ergebe sich aus
Art. 4 BV
zudem ein Anspruch auf die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsgerichtsverfahren. Ausser der Bedürftigkeit der um unentgeltliche Rechtspflege ersuchenden Partei sei Voraussetzung, dass das Rechtsbegehren nicht zum vornherein aussichtslos erscheine und die verlangten Prozesshandlungen
BGE 114 V 228 S. 232
nicht offensichtlich prozessual unzulässig seien. Der Entscheid müsse ausserdem für die gesuchstellende Partei von erheblicher Tragweite sein. Schliesslich könne der Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand nur in den Fällen bejaht werden, wo sich die aufgeworfenen Fragen nicht leicht beantworten liessen und die das Gesuch stellende Partei selber nicht rechtskundig sei (
BGE 112 Ia 17
Erw. 3c).
b) Aus der erwähnten Rechtsprechung und insbesondere dem grundlegenden BGE
BGE 112 Ia 14
schliesst das Eidg. Versicherungsgericht, dass der aus
Art. 4 BV
fliessende Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege auf das streitige Verwaltungsbeschwerde- und Verwaltungsgerichtsverfahren ausgedehnt wurde, ohne gleichzeitig einen entsprechenden Anspruch für das vorausgehende nichtstreitige Verwaltungsverfahren, das mit dem Erlass der anfechtbaren Verfügung abgeschlossen wird, zu verneinen oder zu bejahen. Das Bundesgericht hat diese Auffassung in dem nach
Art. 16 OG
in Verbindung mit
Art. 127 Abs. 2 und 4 OG
durchgeführten Meinungsaustauschverfahren bestätigt. In der Lehre wird ebenfalls angenommen, dass mit
BGE 112 Ia 14
die unentgeltliche Rechtspflege nicht auch auf das nichtstreitige Verwaltungsverfahren ausgedehnt werden wollte (J.P. MÜLLER, Ausbau sozialer Gerechtigkeit im Prozess, in: recht 1986, S. 100; G. MÜLLER, Kommentar BV, Art. 4, S. 53, Fn. 316 in fine). Eine solche Ausdehnung auf das nichtstreitige Verwaltungsverfahren wird von einem Teil der Lehre nicht für erforderlich gehalten (vgl. - allerdings vor Erscheinen des BGE
BGE 112 Ia 14
- HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 181), von anderen Stimmen der Doktrin aber doch als konsequente Weiterführung der bisherigen Rechtsprechung ernsthaft erwogen (KNAPP, Précis de droit administratif, 3. Aufl., 1988, S. 129 f., Nrn. 716 und 721; J.P. MÜLLER, a.a.O., S. 100 vor Ziff. 6).
c) Das kantonale Gericht meint, aus der neuesten bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehe nicht klar hervor, ob sich der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege auf das gesamte Verwaltungsverfahren oder nur auf das Verwaltungsbeschwerdeverfahren beziehe. Indessen sei nicht einzusehen, weshalb sich der grundrechtlich geschützte Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege nur gerade auf das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren, nicht aber auf das gesamte Verwaltungsverfahren beziehen solle. Denn die vom Bundesgericht angeführten Gründe, welche für die Ausdehnung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege im Bereiche
BGE 114 V 228 S. 233
des Verwaltungsrechts sprechen (Grundsatz der Waffengleichheit; zunehmende Komplexität des Verwaltungsrechts; Bedürfnis nach anwaltlicher Verbeiständung auch bei Sachverhaltsabklärung von Amtes wegen), träfen dem Grundsatze nach sowohl für das streitige Verwaltungsrechtspflege- als auch für das nichtstreitige Verfügungsverfahren zu. Der unmittelbar aus dem Rechtsgleichheitsprinzip abgeleitete Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege stelle ein unerlässliches Element eines sozialen Rechtsstaates dar, indem es nicht nur dem Wohlhabenden, sondern auch dem Minderbemittelten möglich sein müsse, seine Rechte wirksam wahren zu können. Die grundlegende rechtsstaatliche Bedeutung des Anspruchs liege darin, dass dem unbemittelten Bürger in allen Streitigkeiten mit Privaten und dem Staat, in denen zentrale Interessen auf dem Spiel stünden, die vollständige Ausschöpfung seiner Parteirechte faktisch ermöglicht werde; hiezu bedürfe es jedoch eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, sofern die sich im Verfahren stellenden Fragen eine juristische Vertretung zur gehörigen Wahrung der Rechte erforderlich machten. Es sei daher von einem unmittelbar aus
Art. 4 BV
fliessenden Anspruch des unbemittelten Bürgers auf unentgeltliche Rechtspflege im Verwaltungsverfahren auszugehen, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Diese Voraussetzungen hat das kantonale Gericht in Anlehnung an die vorne wiedergegebene bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. Erw. 4a hievor) dahingehend umschrieben, die gesuchstellende Partei müsse bedürftig sein, ihr Rechtsbegehren dürfe nicht zum vornherein aussichtslos erscheinen und die verlangten Prozesshandlungen dürften nicht offensichtlich prozessual unzulässig sein; sodann müsse der Entscheid für die gesuchstellende Partei von erheblicher Tragweite sein; schliesslich sei die unentgeltliche Rechtspflege auf Fälle zu beschränken, wo sich die aufgeworfenen Fragen nicht leicht beantworten liessen und die gesuchstellende Partei selber nicht rechtskundig sei.
d) Gegen die vom kantonalen Gericht auf das gesamte Verwaltungsverfahren vorgenommene Ausdehnung des aus
Art. 4 BV
fliessenden Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege wendet das BSV im wesentlichen ein, im IV-Verwaltungsverfahren fehle es an einer dem Prozessrisiko mit Obsiegen und Unterliegen vergleichbaren Situation und damit grundsätzlich am Bedürfnis nach unentgeltlicher Verbeiständung; es gebe keinen Streit im eigentlichen Sinne und keinen Richter, der ihn entscheide; der Versicherte könne eine ihm nicht genehme Verfügung in zweifachem
BGE 114 V 228 S. 234
Instanzenzug verwaltungsgerichtlich überprüfen lassen, wobei bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen die unentgeltliche Verbeiständung gewährleistet sei. Das Erfordernis fehlender Aussichtslosigkeit im IV-Verwaltungsverfahren könne kaum konkretisiert werden, indem völlig ungewiss sei, ob dabei auf die Anmeldung des Versicherten, das gesamte Abklärungsverfahren oder das Anhörungsverfahren nach
Art. 73bis IVV
abzustellen sei; es müsse angesichts der Vielzahl der möglichen Leistungen praktisch immer davon ausgegangen werden, dass der Versicherte Aussicht habe, auch nur teilweise mit seinem Leistungsgesuch durchzudringen. Unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit der anwaltlichen Verbeiständung sei nicht recht ersichtlich, was der Anwalt im IV-Verwaltungsverfahren Entscheidendes beitragen könne; denn es komme in erster Linie auf die Person des Versicherten selber an, der bei medizinischen und beruflichen Abklärungen mitzuwirken habe; anderseits eröffne das IV-Verwaltungsverfahren dem Versicherten bzw. dessen Anwalt im Gegensatz zum Beschwerdeverfahren grundsätzlich keine Möglichkeiten, mit Anträgen und Ähnlichem in die Verwaltungstätigkeit wirksam einzugreifen und eigene Vorstellungen durchzusetzen. Schwierigkeiten würden schliesslich auch die Fragen bereiten, wer die Voraussetzungen prüfen und die Kosten der unentgeltlichen Verbeiständung tragen solle; eine besondere Frage bilde dabei die Bemessung des Anwaltshonorars, da es an einer Begrenzungsmöglichkeit der anwaltlichen Tätigkeiten wie im Beschwerdeverfahren fehle.
5.
a) Bei der Entscheidung der im Streite liegenden Frage ist von der Natur des IV-rechtlichen Verwaltungsverfahrens auszugehen. Dieses dient der Abklärung der für die verschiedenen Leistungen (Eingliederungsmassnahmen, Renten usw.) massgeblichen persönlichen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Leistungsansprechers (vgl. hiezu die
Art. 65 ff. IVV
und das Kreisschreiben des BSV über das Verfahren in der Invalidenversicherung, gültig ab 1. Juli 1987). Es beginnt mit der Einreichung des Leistungsgesuches an die zuständige Invalidenversicherungs-Kommission, welche die Leitung des Verwaltungsverfahrens innehat. Die Invalidenversicherungs-Kommission ist zur Objektivität und Neutralität verpflichtet. Der Untersuchungsgrundsatz und die Rechtsanwendung von Amtes wegen gelten integral, allerdings ergänzt durch die verschiedenen Mitwirkungspflichten des Leistungsansprechers. Betrachtet die Invalidenversicherungs-Kommission die Abklärungen als genügend, fasst sie über die in Betracht
BGE 114 V 228 S. 235
fallenden Leistungsansprüche Beschluss. Dieser Beschluss wird dem Versicherten durch eine anfechtbare Verfügung der zuständigen Ausgleichskasse eröffnet. Bevor die Invalidenversicherungs-Kommission über die Ablehnung eines Leistungsbegehrens oder über den Entzug oder die Herabsetzung einer bisherigen Leistung beschliesst, hat sie dem Versicherten oder seinem Vertreter Gelegenheit zu geben, sich mündlich oder schriftlich zur geplanten Erledigung zu äussern und die Akten seines Falles einzusehen. Dieses Anhörungsrecht ist durch den auf 1. Juli 1987 in Kraft getretenen
Art. 73bis IVV
festgeschrieben worden, womit eine feste Verwaltungspraxis ins positive Recht übergeführt worden ist.
b) Die Erwägungen, welche zur Anerkennung eines Anspruches auf unentgeltliche Rechtspflege im streitigen verwaltungsinternen Beschwerdeverfahren geführt haben (vgl. besonders
BGE 112 Ia 16
Erw. 3b), sprechen für die Gewährleistung eines in engen sachlichen und zeitlichen Grenzen gehaltenen Anspruches auf unentgeltliche Verbeiständung im IV-rechtlichen Verwaltungsverfahren. Denn es sind auch hier heikle Rechts- oder Abklärungsfragen oder schwierige Verfahrenssituationen denkbar, wo es erforderlich sein kann, dass der unbemittelte Versicherte gegenüber der Verwaltung durch einen Anwalt verbeiständet ist. Die unentgeltliche Verbeiständung kann mithin verfassungsrechtlich geboten und darüber hinaus - im Hinblick auf die vermittelnde Funktion des Anwaltes zwischen Versichertem und Versicherung - für eine korrekte Verfahrensabwicklung nützlich sein. Dabei ist es allerdings mit den erforderlichen sachlichen Voraussetzungen streng zu nehmen (nebst der Bedürftigkeit die fehlende Aussichtslosigkeit bzw. prozessuale Unzulässigkeit des Leistungsbegehrens bzw. der verlangten Handlungen; erhebliche Tragweite der Sache für die gesuchstellende Partei; Schwierigkeit der aufgeworfenen Fragen; fehlende Rechtskenntnisse des Versicherten; vgl.
BGE 112 Ia 17
Erw. 3c). Ein strenger Massstab wird insbesondere an die Notwendigkeit der Verbeiständung zu legen sein. Wo eine an den Untersuchungsgrundsatz gebundene Behörde wie die Sozialversicherungsorgane im nichtstreitigen Verwaltungsverfahren über das Leistungsgesuch eines Versicherten zu befinden hat, dürfte die Mitwirkung eines Rechtsanwaltes regelmässig nicht erforderlich sein. Ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung entfällt insbesondere dann, wenn die geltend gemachten Leistungsansprüche durch das normale Abklärungsverfahren ausgewiesen werden bzw. die Verwaltung dem Leistungsgesuch entspricht. Sodann drängt sich
BGE 114 V 228 S. 236
eine anwaltliche Verbeiständung nur für Ausnahmefälle auf, in denen ein Rechtsanwalt beigezogen wird, weil schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen dies als notwendig erscheinen lassen und eine Verbeiständung durch Verbandsvertreter, Fürsorger oder andere Fach- und Vertrauensleute sozialer Institutionen nicht in Betracht fällt.
Zusätzlich zu diesen engen sachlichen Voraussetzungen muss auch in zeitlicher Hinsicht eine Limitierung eines aus
Art. 4 BV
abzuleitenden Anspruches auf unentgeltliche Verbeiständung erfolgen. Denn bei Eingang eines Leistungsgesuches bzw. bei Beginn des IV-rechtlichen Abklärungsverfahrens ist in der Regel völlig ungewiss, welche Leistungen überhaupt in Betracht fallen. Es können somit in diesem Verfahrensstadium regelmässig noch gar keine Prozess- bzw. Verfahrensaussichten festgestellt werden. Vielmehr muss die Invalidenversicherungs-Kommission zunächst einmal pflichtgemäss tätig werden. Erst wenn nach diesen Abklärungen sich ein Verfahrensergebnis abzuzeichnen beginnt, lässt sich überhaupt beurteilen, ob die vom Ansprecher geltend gemachten Leistungsarten begründet sind oder nicht. Kristallisationspunkt ist diesbezüglich der Erlass des Vorbescheides nach dem erwähnten
Art. 73bis IVV
. In diesem Anhörungsverfahren, das, wenn der Versicherte Einwendungen vorträgt oder vortragen lässt, eindeutig schon Elemente eines streitigen Verfahrens aufweist, kann es unter den erwähnten sachlichen Voraussetzungen verfassungsrechtlich geboten sein, dem Leistungsansprecher die unentgeltliche Verbeiständung zu bewilligen. Damit ist dem Versicherten auf der Stufe des nichtstreitigen Verwaltungsverfahrens und im Stadium des unmittelbar bevorstehenden Verfügungserlasses der verfassungsrechtliche Minimalanspruch auf unentgeltliche Verbeiständung gewahrt.
c) Den vom BSV in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgetragenen Bedenken gegen die Ausdehnung des Anspruchs auf unentgeltliche Verbeiständung auf das IV-rechtliche Abklärungsverfahren kann, soweit ihnen mit der zeitlichen Limitierung des Anspruchs nicht bereits Rechnung getragen worden ist, nicht gefolgt werden. So bestehen namentlich zwischen Verwaltungsbeschwerde- und Verwaltungsgerichtsverfahren einerseits und dem nichtstreitigen Verwaltungsverfahren anderseits keine wesensmässigen Verschiedenheiten, welche gegen eine solche Ausdehnung sprechen würden. Im nichtstreitigen Verwaltungsverfahren, welches mit dem Erlass der Verfügung abgeschlossen wird (
Art. 5 VwVG
;
BGE 114 V 228 S. 237
Art. 84 Abs. 1 AHVG
), ist die Durchführungsstelle (Invalidenversicherungs-Kommission, Ausgleichskasse) nicht Partei, sondern hoheitlich auftretendes, an die Grundsätze einer rechtsstaatlichen Verwaltung gebundenes Organ (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 30 unten; vgl. auch zum Beweiswert der im Administrativverfahren eingeholten Arztberichte
BGE 104 V 211
Erw. c). Ausgleichskasse und Invalidenversicherungs-Kommission sind insoweit - wie der Richter im Beschwerdeverfahren - zur Neutralität verpflichtet. Mit dem Übergang vom nichtstreitigen Administrativverfahren zum durch Beschwerde eingeleiteten verwaltungsinternen oder -externen Verwaltungsjustizverfahren macht die ursprünglich verfügende Verwaltungsstelle einen bedeutsamen Funktionswandel durch: Sie verliert die Herrschaft über den Anfechtungsgegenstand und nimmt fortan Parteistellung ein (
BGE 103 V 109
Erw. 2a, 2. Absatz mit Hinweisen,
BGE 105 V 188
Erw. 1; GYGI, a.a.O., S. 189). Leistungsgesuch (
Art. 46 IVG
,
Art. 65 ff. IVV
) und vorinstanzliche Beschwerde (
Art. 84 ff. AHVG
) sind insoweit durchaus miteinander vergleichbar. Daran ändert nichts, dass die Verbeiständungsvoraussetzungen für das Beschwerdeverfahren nicht einfach ohne weiteres übernommen werden können. Sodann setzt der Verbeiständungsanspruch keineswegs einen Anspruch auf Parteientschädigung bei Obsiegen voraus (vgl. Erw. 3b hievor). Auch kann die Verbeiständigungsnotwendigkeit für das Verwaltungsverfahren nicht schon deswegen verneint werden, weil im nachfolgenden Beschwerdeverfahren ein Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung besteht. Von Verfassungs wegen ist vielmehr gefordert, dass jedes Verfahren bzw. jeder Verfahrensabschnitt derart ausgestaltet ist, dass er den aus
Art. 4 BV
fliessenden Grundsätzen genügt. Nicht einzusehen ist ferner, inwiefern die Invalidenversicherungs-Kommission in Zusammenarbeit mit der Ausgleichskasse nach Abschluss der Abklärungen und nach Erlass des Vorbescheides nicht in der Lage sein soll, über die unentgeltliche Verbeiständung zu befinden, zumal die Verwaltung, wie eben dargelegt, im Verwaltungsverfahren die gleiche Rolle und hoheitliche Stellung einnimmt wie die Beschwerdebehörde bzw. der Verwaltungsrichter im anschliessenden Verwaltungsjustizverfahren.
Schliesslich sprechen auch die vom BSV erwähnten Kostengesichtspunkte nicht gegen eine Ausdehnung des Anspruches auf unentgeltliche Verbeiständung. Insoweit kantonale und Verbandsausgleichskassen sowie die Invalidenversicherungs-Kommissionen
BGE 114 V 228 S. 238
die Invalidenversicherung durchführen, vollziehen sie als kantonale bzw. aus der Bundeszentralverwaltung ausgegliederte Selbstverwaltungskörper Bundesrecht (Art. 34quater Abs. 1 und Abs. 2 Satz 6 BV). Es leuchtet daher ohne weiteres ein, dass die Kosten eines allfällig einzuräumenden Anspruchs auf unentgeltliche Verbeiständung für das IV-rechtliche Verwaltungsverfahren zu Lasten der Invalidenversicherung als solcher bzw. des AHV Ausgleichsfonds gehen. So verhält es sich bereits für die Gerichtskosten und Parteientschädigungen, welche die Ausgleichskassen bei Unterliegen in erst- und kostenpflichtigen zweitinstanzlichen Streitigkeiten bezahlen müssen, indem sie diese durch die Zentrale Ausgleichsstelle aus dem Ausgleichsfonds vergütet erhalten (
Art. 71 Abs. 3 AHVG
in Verbindung mit
Art. 149 Abs. 2 AHVV
; Rz. 84 der Weisungen des BSV über Buchführung und Geldverkehr der Ausgleichskassen vom 1. Februar 1979). Nach dem gleichen Prozedere wäre für Entschädigungen an die unentgeltlichen Rechtsbeistände im Verwaltungsverfahren vorzugehen.
6.
Im vorliegenden Fall ist es zum Vorbescheidsverfahren noch gar nicht gekommen. Dennoch will die Vorinstanz dem Beschwerdegegner die unentgeltliche Verbeiständung für das gesamte IV-rechtliche Verwaltungsverfahren gewähren, dies mit dem einzigen Hinweis, es handle sich vorliegend um einen "Ausnahmefall". Indessen wird vom kantonalen Gericht nicht dargetan, inwiefern der vorliegende Fall ein Ausnahmefall sein soll. Die vorinstanzlichen Erwägungen vermögen in diesem Punkt nicht zu überzeugen, weil lediglich die sachlichen Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung berücksichtigt werden, nicht jedoch die zeitlichen Bedingungen, d.h. die Durchführung des Vorbescheids- und Anhörungsverfahrens. Im vorliegenden Fall hätte der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners sämtliche Einwände gegen die von der Verwaltung in Aussicht genommene Begutachtung durch den Psychiater Dr. med. H. im Anhörungsverfahren vortragen können. Dass der Anwalt bereits vorher intervenierte und seinem Klienten hiefür die unentgeltliche Verbeiständung zugesprochen werden soll, ist verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Der kantonale Gerichtsentscheid ist daher aufzuheben. Dem Beschwerdegegner bleibt die Möglichkeit gewahrt, nach Erlass des Vorbescheides ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung zu stellen oder stellen zu lassen.
| null |
nan
|
de
| 1,988 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a9c7cf92-64b5-442c-8054-d15fe388ad96
|
Urteilskopf
105 V 156
38. Urteil vom 16. August 1979 i.S. F. gegen Ausgleichskasse für das schweizerische Bankgewerbe und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
|
Regeste
Art. 29 Abs. 1 IVG
.
- Die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente nach Variante II setzt nebst Erwerbsunfähigkeit von mindestens zwei Dritteln auch eine mindestens zwei Drittel betragende durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit während 360 Tagen voraus.
- Zeitlich massgebender Sachverhalt: Ausnahmsweise Berücksichtigung von Tatsachen, die erst nach dem Zeitpunkt des Verfügungserlasses eingetreten sind (Erw. 2d).
|
Sachverhalt
ab Seite 156
BGE 105 V 156 S. 156
A.-
Hugo F. erhielt auf Anfang 1974 eine provisorische Anstellung bei der Bank X. Nachdem eine definitive Anstellung
BGE 105 V 156 S. 157
mehrmals zurückgestellt worden war (Schreiben vom 28. Juni 1977), kündigte die Bank dem Versicherten am 8. November 1976 auf Ende Juni 1977.
Anfangs Dezember 1976 meldete sich Hugo F. bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Am 17. Mai 1977 teilte die Bank der Invalidenversicherungs-Kommission des Kantons Basel-Landschaft mit, der Versicherte habe bis zum 12. Mai 1977 ein volles Arbeitspensum bewältigt; seither befinde er sich in ärztlicher Behandlung. Die Ärzte der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Basel führten in ihrem Bericht vom 11. Juli 1977 aus, der wegen einer schweren Psychoneurose bereits in früheren Jahren psychiatrisch behandelte Versicherte habe sich beruflich lange Zeit einigermassen behaupten können; nach dem Tode seiner Frau im Jahre 1972 habe sich der Zustand rasch verschlechtert; seit dem 14. September 1976 stehe er wegen seines Leidens wiederum in Behandlung; bezogen auf den Zeitpunkt der Berichterstattung liege eine mindestens 75%ige Arbeitsunfähigkeit vor. In einem späteren Bericht (vom 10. Oktober 1977) ergänzten die genannten Ärzte, "seit September 1976 bis zum Erstellen unseres Gutachtens im Mai 1977" habe die Arbeitsfähigkeit sicher unter 50% gelegen; in seiner Anstellung sei "er nur dank dem Entgegenkommen des Arbeitgebers so lange behalten" worden. Am 15. November 1977 verfügte die Ausgleichskasse für das schweizerische Bankgewerbe entsprechend einem Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission, der Rentenentscheid werde bis zum Mai 1978 ausgestellt, weil das Erfordernis einer durchschnittlich mindestens hälftigen Arbeitsunfähigkeit während 360 Tagen nicht erfüllt sei; zugleich wies sie den Versicherten an, sich im Mai 1978 erneut anzumelden, falls er bis dahin immer noch mindestens hälftig arbeitsunfähig sei.
B.-
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 15. März 1978 ab. Wohl habe die Psychiatrische Universitätspoliklinik ab September 1976 einen Invaliditätsgrad von 50% angegeben, doch sei nicht der Gesundheitsschaden an sich, sondern seine wirtschaftliche Auswirkung massgebend. Da der Versicherte laut den Angaben der Bank X. bis zum 12. Mai 1977 voll gearbeitet habe und im Verdienst kein Soziallohn enthalten gewesen sei, könne die Kassenverfügung nicht beanstandet werden.
BGE 105 V 156 S. 158
C.-
Hugo F. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit dem Antrag, es sei ihm ab 1. September 1977 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Die Ausgleichskasse schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt deren Gutheissung, da nach Ablauf der am 14. September 1976 eröffneten Wartezeit von 360 Tagen "nicht nur eine durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit von 2/3, sondern auch eine entsprechende Erwerbsunfähigkeit" bestanden habe.
D.-
Am 1. September 1978 hat der Anwalt des Beschwerdeführers dem Gericht mitgeteilt, die Eidgenössische Ausgleichskasse (Kassenstelle Nationalbank) habe - gestützt auf einen Invaliditätsgrad von mehr als zwei Dritteln - am 28. August 1978 die Ausrichtung einer ganzen einfachen Invalidenrente nebst Kinderrenten ab 1. Mai 1978 verfügt.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 28 Abs. 1 IVG
besteht der Anspruch auf eine ganze Rente, wenn der Versicherte mindestens zu zwei Dritteln, derjenige auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zur Hälfte, in Härtefällen mindestens zu einem Drittel invalid ist.
Art. 29 Abs. 1 IVG
bestimmt, dass der Rentenanspruch entsteht, sobald der Versicherte mindestens zur Hälfte bleibend erwerbsunfähig geworden ist (Variante I) oder während 360 Tagen ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich zur Hälfte arbeitsunfähig war und weiterhin mindestens zur Hälfte erwerbsunfähig ist (Variante II), und dass die Rente für den Monat, in dem der Anspruch entsteht, voll ausgerichtet wird. Der Invaliditätsgrad wird gemäss
Art. 28 Abs. 2 IVG
in der Weise ermittelt, dass das Erwerbseinkommen, welches der Versicherte nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt wird zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre.
Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung (und im Beschwerdefall der Richter) auf Unterlagen angewiesen, die der Arzt und gegebenenfalls auch andere Fachleute
BGE 105 V 156 S. 159
zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten der Versicherte arbeitsunfähig ist. Im weitern sind die ärztlichen Auskünfte eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen dem Versicherten noch zugemutet werden können.
2.
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer einen Gesundheitsschaden im Sinne des
Art. 4 Abs. 1 IVG
aufweist und dass - da das Leiden eindeutig labiler Natur ist - sich der Beginn einer allfälligen Rente nach der Variante II des
Art. 29 Abs. 1 IVG
richtet. Dagegen ist streitig, ob bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Kassenverfügung (15. November 1977) ein Rentenanspruch entstanden war.
a) Verwaltung und Vorinstanz gingen offenbar davon aus, die 360tägige Wartezeit sei nicht eröffnet gewesen, solange der Beschwerdeführer noch bei der Bank X. gearbeitet habe. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird jedoch zutreffend ausgeführt, bei der Wartezeit sei nur die Arbeitsunfähigkeit von Bedeutung. Darunter ist - jedenfalls im Rahmen des
Art. 29 Abs. 1 IVG
- die durch den Gesundheitsschaden bedingte Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zu verstehen, während die finanziellen Konsequenzen einer solchen Einbusse für deren Beurteilung während der Wartezeit grundsätzlich unerheblich sind (
BGE 97 V 231
).
Wie aus dem Bericht der Psychiatrischen Universitätspoliklinik vom 10. Oktober 1977 ersichtlich ist, stand der Beschwerdeführer seit dem 14. September 1976 wieder in psychiatrischer Behandlung; nach Auffassung der Ärzte lag die Arbeitsunfähigkeit seither "bis zum Erstellen unseres Gutachtens im Mai 1977" (gemeint ist wohl der im Mai 1977 von der Invalidenversicherungs-Kommission angeforderte und schliesslich am 11. Juli 1977 erstattete Bericht) bei 50%. Von da an, d.h. ab etwa Mitte Mai 1977 betrug die Arbeitsunfähigkeit 75% (Arztbericht vom 11. Juli 1977 in Verbindung mit demjenigen vom 10. Oktober 1977). Dass die Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers wegen seines Leidens schon zur Zeit der Anstellung bei der Bank X. erheblich vermindert war, ergibt sich auch aus dem mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ins Recht gelegten Schreiben der Bank X. vom 28. Juni 1977, das im übrigen
BGE 105 V 156 S. 160
bereits im Regionalstellenbericht vom 28. Oktober 1977 auszugsweise erwähnt worden war. Die Bank X. hielt fest, soziale Erwägungen (vorgerücktes Alter, Familienpflichten) hätten sie davon abgehalten, dem Beschwerdeführer in einem viel früheren Zeitpunkt zu kündigen; schliesslich sei aber eine Entlassung nicht mehr zu umgehen gewesen; im Sinne eines Entgegenkommens habe sie dabei eine ungewöhnlich lange Kündigungsfrist von fast acht Monaten beachtet. Angesichts dieser klaren Ausführungen kann dem von der Bank X. offenbar rein routinemässig ausgefüllten Fragebogen vom 17. Mai 1977, in welchem ein Soziallohnanteil im Verdienst sinngemäss verneint worden war, kein entscheidendes Gewicht zukommen. Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass ab 14. September 1976 eine im Sinne der Rechtsprechung (
BGE 104 V 143
Erw. 2a) deutliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers bestand und dass demzufolge die Wartezeit in diesem Zeitpunkt eröffnet war.
b) Wie bereits erwähnt, war der Beschwerdeführer ab Mitte September 1976 bis etwa Mitte Mai 1977 hälftig und danach zu 75% arbeitsunfähig. Bei Ablauf der 360tägigen Wartezeit im September 1977 ergab sich somit eine durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit von rund 58%. Da zudem die Erwerbsunfähigkeit in diesem Zeitpunkt eindeutig über 50% lag - der Beschwerdeführer ist seit der Entlassung bei der Bank X. ohne Arbeit und kann laut Regionalstellenbericht vom 28. Oktober 1977 in der offenen Wirtschaft nicht mehr vermittelt werden, weshalb sich ein eigentlicher Einkommensvergleich erübrigt -, hat er ab 1. September 1977 Anspruch auf eine halbe einfache Invalidenrente nebst Kinderrenten.
c) Der Beschwerdeführer wendet nun allerdings ein, unabhängig davon, dass die Arbeitsunfähigkeit während der Wartezeit zwar 50%, nicht aber 66 2/3% erreicht habe, stehe ihm eine ganze Invalidenrente zu, weil die Erwerbsunfähigkeit bei Ablauf der 360 Tage zwei Drittel überstiegen habe. Diese Auffassung geht indessen fehl. Nach dem System des Invalidenversicherungsgesetzes kann eine Erwerbsunfähigkeit von mindestens 66 2/3% nur dann sofort - und unabhängig von Dauer und Ausmass der vorherigen Arbeitsunfähigkeit - zur Zusprechung einer ganzen Rente führen, wenn die Variante I des
Art. 29 Abs. 1 IVG
zur Anwendung gelangt. In allen Fällen der Variante II ist demgegenüber die Rente sowohl vom Ausmass
BGE 105 V 156 S. 161
der nach Ablauf der Wartezeit weiterhin bestehenden Erwerbsunfähigkeit als auch von einem entsprechend hohen Grad der durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeit während der vorangegangenen 360 Tage abhängig. Eine ganze Rente kann darum nur zugesprochen werden, wenn die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit während der Wartezeit und die nachfolgende Erwerbsunfähigkeit mindestens 66 2/3% beträgt. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage stellt sich im übrigen in entsprechender Abwandlung auch bei einer halben Rente im Sinne eines Härtefalles, wenn Variante II anwendbar ist. Das Eidg. Versicherungsgericht hat hier entschieden, dass nicht eine mindestens hälftige Arbeitsunfähigkeit während 360 Tagen vorliegen muss; vielmehr genügt es, wenn der Versicherte während der Wartezeit durchschnittlich mindestens zu einem Drittel arbeitsunfähig war und weiterhin mindestens im gleichen Umfang erwerbsunfähig ist (
BGE 104 V 143
Erw. 1,
BGE 99 V 97
; nicht veröffentlichtes Urteil vom 13. Mai 1970 i.S. Yenny).
d) Im vorliegenden Fall kann somit eine ganze Rente erst in Betracht kommen, nachdem die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers während 360 Tagen mindestens 66 2/3% betrug und weiterhin Erwerbsunfähigkeit von mindestens 66 2/3% gegeben war. Bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Kassenverfügung (15. November 1977) traf dies allein schon deshalb nicht zu, weil die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit bis dahin erst rund 62,5% (6 Monate zu 50%, 6 Monate zu 75%) betrug. Sofern aber angenommen werden kann, der Beschwerdeführer sei auch nach dem Verfügungszeitpunkt im gleichen Umfang wie vorher arbeitsunfähig gewesen, muss davon ausgegangen werden, dass die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit während der vorangegangenen 360 Tage kurze Zeit nach Erlass der Verfügung, nämlich Mitte Januar 1978, die Grenze von zwei Dritteln überstieg (bis Mitte Mai 1977 4 Monate zu 50%, danach 8 Monate zu 75%).
Nach der Rechtsprechung beurteilt der Richter grundsätzlich nur die bis zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses eingetretenen Verhältnisse. Im vorliegenden Fall rechtfertigt es sich aber, ausnahmsweise auch die Zeit nach dem 15. November 1977 mit zu berücksichtigen: Aus der nachträglichen Eingabe vom 1. September 1978 geht hervor, dass die Eidgenössische Ausgleichskasse dem Beschwerdeführer am 28. August 1978 mit Wirkung ab 1. Mai 1978 eine ganze einfache Invalidenrente
BGE 105 V 156 S. 162
samt Kinderrenten zusprach. Bei der Festsetzung des Invaliditätsgrades auf über zwei Drittel konnte sich die Invalidenversicherungs-Kommission des Kantons Basel-Landschaft auf einen neuen Arztbericht stützen, den die Psychiatrische Universitätspoliklinik am 28. Juni 1978 erstattet hatte. Darin wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei wegen seiner schweren Psychoneurose nach wie vor zu 75% arbeitsunfähig und könne wohl nicht mehr ins Berufsleben eingegliedert werden. Somit ergibt sich, dass die Verhältnisse für die Zeit nach der streitigen Kassenverfügung bis zum Beginn der am 28. August 1978 zugesprochenen Rente hinreichend genau abgeklärt sind und dass deshalb bereits im vorliegenden Verfahren über den Rentenanspruch in der fraglichen Periode geurteilt werden kann. Eine Rückweisung der Sache an die Verwaltung, damit sie diesen prüfe und hierüber verfüge, widerspräche unter den gegebenen Umständen prozessökonomischen Gesichtspunkten.
Da der Beschwerdeführer nach Ansicht der Ärzte auch nach dem 15. November 1977 zu 75% arbeitsunfähig war, ergibt sich, dass die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit während 360 Tagen im Januar 1978 die Grenze von zwei Dritteln überschritt. Von diesem Zeitpunkt an lag unbestrittenermassen auch die Erwerbsunfähigkeit über 66 2/3%. Gemäss
Art. 29 Abs. 1 IVG
steht dem Beschwerdeführer daher ab 1. Januar 1978 eine ganze Rente zu.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 15. März 1978 und die Verfügung der Ausgleichskasse für das schweizerische Bankgewerbe vom 15. November 1977 aufgehoben und die Ausgleichskasse verpflichtet, dem Beschwerdeführer ab 1. September 1977 eine halbe und ab 1. Januar 1978 eine ganze einfache Invalidenrente nebst Kinderrenten auszurichten.
| null |
nan
|
de
| 1,979 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
a9cac3f2-960f-46df-976a-b42e0291fc44
|
Urteilskopf
80 IV 250
51. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19.November 1954 i.S. Hoessly gegen Ott.
|
Regeste
Art. 173 Ziff. 5 StGB
.
a) Genügt die Feststellung, dass der Wahrheitsbeweis nicht erbracht sei, oder kann der Beleidigte Feststellung der Unwahrheit der Äusserung und zu diesem Zwecke Beweisführung verlangen?
b) Feststellung in den Urteilserwägungen genügt.
|
Erwägungen
ab Seite 251
BGE 80 IV 250 S. 251
Die Auffassung des Beschwerdeführers, das Obergericht habe sich geweigert, eine Feststellung im Sinne von
Art. 173 Ziff. 5 StGB
zu treffen, hält nicht stand. Diese Bestimmung lautet: "Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat der Richter dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen." Der Richter ist somit nur verpflichtet, entweder festzustellen, dass der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht hat, oder dass seine Äusserungen unwahr sind. Der Beleidigte hat kein Recht, eine Feststellung in letzterem Sinne zu verlangen, wenn das Urteil oder die Urkunde eine Feststellung in ersterem Sinne enthält. Der Wortlaut des Gesetzes, auch der französische und der italienische, ist so klar, dass über seinen Sinn Zweifel nicht möglich sind und keines der zahlreichen Zitate des Beschwerdeführers aus den Gesetzesmaterialien dagegen aufzukommen vermag. Der Richter ist daher nicht gehalten, eigens zur Feststellung der Unwahrheit der Äusserung Beweis zu führen, wie der Beschwerdeführer meint. Wie der Kassationshof bereits entschieden hat, verlangt
Art. 173 Ziff. 5 StGB
auch nicht, dass die Feststellung, der Beschuldigte habe den Wahrheitsbeweis nicht erbracht, in den Urteilsspruch aufgenommen werden müsse, also ungenügend sei, wenn sie bloss in den Urteilserwägungen steht. Das ergibt sich schon daraus, dass die Bestimmung sogar eine ausserhalb des Urteils, in einer besonderen Urkunde getroffene Feststellung genügen lässt, aber auch daraus, dass die formelle Gestaltung der Urteilsausfertigung dem kantonalen Prozessrecht untersteht. Indem das Obergericht in den Urteilserwägungen ausgeführt hat, der Beweis der objektiven Wahrheit der Äusserung sei durch die Akten nicht genügend
BGE 80 IV 250 S. 252
geleistet, sondern nur der Beweis dafür, dass die Behauptung aus ernsthaften Gründen in guten Treuen für wahr gehalten werden durfte, ist es somit
Art. 173 Ziff. 5 StGB
gerecht geworden.
| null |
nan
|
de
| 1,954 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
a9cbc642-d20e-4e83-99c4-85a4f3192459
|
Urteilskopf
90 I 153
24. Auszug aus dem Urteil vom 16. September 1964 i.S. Bau- und Mietergenossenschaft Luzern gegen Luzern, Kanton und Steuerrekurskommission.
|
Regeste
Kantonales Steuerrecht, Willkür.
Stellt das "Pflichtanteilkapital", zu dessen Einzahlung jeder Mieter einer Wohnung einer Baugenossenschaft verpflichtet ist, Darlehen und damit Fremdkapital der Genossenschaft dar oder gehört es zum steuerbaren Eigenkapital?
|
Sachverhalt
ab Seite 154
BGE 90 I 153 S. 154
A.-
Nach dem luzernischen Steuergesetz (StG) vom 27. Mai 1946 werden gewisse Genossenschaften, zu denen auch die heutige Beschwerdeführerin gehört, den Aktiengesellschaften gleichgestellt und haben daher eine Gewinn- und eine Kapitalsteuer zu entrichten (§ 50). Für die Berechnung des steuerbaren Gewinns fällt der Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung in Betracht zuzüglich aller vor Berechnung dieses Saldos ausgeschiedenen Teile des Geschäftsergebnisses, die nicht zur Deckung geschäftsmässig begründeter Unkosten verwendet werden (§ 51). Die Kapitalsteuer wird vom einbezahlten Grund- und Stammkapital und von den offenen und stillen Reserven berechnet (§ 54).
B.-
Die im Jahre 1947 gegründete "Bau- und Mietergenossenschaft Luzern", die Beschwerdeführerin, ist zurzeit Eigentümerin von 13 Miethäusern mit 84 Wohnungen. Die Rechte und Pflichten der Mitglieder und der Mieter ergeben sich aus den Statuten sowie aus einem Reglement, das von der Generalversammlung erlassen wurde und integrierenden Bestandteil der Statuten bildet.
Die Mittel für die Erfüllung des Genossenschaftszweckes werden u.a. durch die Ausgabe von Anteilscheinen zu Fr. 100.--, durch das Pflichtanteilkapital und durch Darlehen der Mitglieder bestritten (Art. 12 lit. a, b und f der Statuten). Jedes Mitglied hat mindestens einen Anteilschein zu Fr. 100. - zu übernehmen (Art. 5 der Statuten). Jeder Mieter einer Wohnung hat ein Pflichtanteilkapital zu bezahlen, dessen Höhe vom Vorstand der Genossenschaft festgesetzt wird (Art. 10 des Reglementes). Dieses Pflichtanteilkapital wird "durch die Liegenschaft sichergestellt" und "als eigentliches Darlehen des Mieters an die Genossenschaft behandelt" (Art. 11 und 13 des Reglementes). Die Verzinsung der Anteilscheine und des Pflichtanteilkapitals erfolgt aus dem Reingewinn (Art. 18 der Statuten), wobei der Zinsfuss für beide durch die Generalversammlung bestimmt wird (Art. 13 Abs. 2 und Art. 28 lit. d der Statuten). Für die Rückzahlung des Pflichtanteilkapitals gilt gemäss Art. 16 des Reglementes Art. 15 der Statuten, der die Rückzahlung
BGE 90 I 153 S. 155
der Anteilscheine regelt und bestimmt, dass diese sich "nach der Vermögenslage der Genossenschaft bzw. nach deren Liquidität" richtet.
C.-
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, dass das Pflichtanteilkapital eine Schuld darstelle und die dafür entrichteten Zinsen zu den Unkosten gehören. Die kantonale Veranlagungsbehörde dagegen rechnet das Pflichtanteilkapital zum steuerbaren Genossenschaftskapital und die Zinsen zum steuerbaren Gewinn.
Die Beschwerdeführerin rekurrierte hiegegen bei der Veranlagung für 1957/58, wurde aber von der Steuerrekurskommission (StRK) mit Entscheid vom 30. April 1959 abgewiesen. Die StRK nahm an, für die Frage, ob das Pflichtanteilkapital zum Genossenschaftskapital gehöre oder Darlehen der Mieter an die Genossenschaft darstelle, komme es vor allem auf die Funktion des Pflichtanteilkapitals im Finanzhaushalt der Genossenschaft sowie auf die durch das Pflichtanteilkapital geschaffenen Rechtsbeziehungen zwischen dem Mieter und der Genossenschaft an. Diese Rechtsbeziehungen aber seien, wie sich aus den Statuten und dem Reglement ergebe, die gleichen wie die durch das Anteilscheinkapital geschaffenen Beziehungen und unterschieden sich grundsätzlich von den zwischen Darlehensgeber und -nehmer bestehenden Beziehungen (Entscheide der StRK 1959/60 Nr. 38 = ZBl 1960 S. 20 ff.).
Bei der Veranlagung für 1963/64 wurde das steuerbare Kapital der Beschwerdeführerin unter Einbeziehung des Pflichtanteilkapitals von Fr. 150'025. - auf Fr. 253'000.-- und der steuerbare Gewinn mit Einschluss der in den beiden Vorjahren auf dieses Kapital bezahlten Zinsen von 31/2% auf Fr. 11'000. - festgesetzt. Hiegegen erhob die Beschwerdeführerin wiederum Rekurs.
Die StRK wies den Rekurs mit Entscheid vom 25. März 1964 ab, indem sie zur Begründung aufihren Entscheid vom 30. April 1964 verwies und daran festhielt, dass das Pflichtkapital rechtlich und wirtschaftlich den Charakter von Genossenschaftskapital habe. Dass es in Art. 13 des Reglements
BGE 90 I 153 S. 156
als "eigentliches Darlehen" bezeichnet werde, sei ebensowenig entscheidend, wie seine wiederholte Bezeichnung als "Kapital" in den Statuten. Entscheidend sei vielmehr, dass es sich nicht um ein Darlehen im Rechtssinne handeln könne.
D.-
Die Bau- und Mietergenossenschaft Luzern hat gegen den Entscheid der Steuerkommission staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
erhoben. Die Begründung der Beschwerde ist, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
E.-
Die Steuerrekurskommission und die Steuerverwaltung des Kantons Luzern beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales.)
2.
Nach den Statuten und dem Reglement der Beschwerdeführerin sind ihre Mieter zur Einzahlung eines "Pflichtanteilkapitals" verpflichtet. Streitig ist, ob dieses Pflichtanteilkapital, das gemäss der Bilanz per 31. Dezember 1962 Fr. 150'025.-- betrug, zum "einbezahlten Grund- oder Stammkapital" im Sinne von
§ 54 Abs. 1 StG
gehört und daher der Kapitalsteuer unterliegt, oder ob es sich um Darlehen der Mieter und damit um Fremdkapital handelt, das der Kapitalsteuer nicht unterliegt und dessen Verzinsung den steuerbaren Ertrag schmälert. Die StRK hat ihre Auffassung, dass man es mit Grundkapital zu tun habe, im Entscheid vom 30. April 1959 einlässlich begründet und hat diese Begründung im angefochtenen Entscheid ergänzt. Dass ihre Betrachtungsweise willkürlich sei und es sich in Wirklichkeit "eindeutig" um Fremdkapital handle, vermag die Beschwerde nicht darzutun.
Ob das Pflichtanteilkapital Eigen- oder Fremdkapital der Beschwerdeführerin darstellt, beurteilt sich nicht nach der Bezeichnung desselben in den Statuten und im Reglement; vielmehr kommt es auf den Inhalt der massgebenden Statuten-
BGE 90 I 153 S. 157
und Reglementsbestimmungen, auf die wirklichen, durch sie geschaffenen Verhältnisse und Rechtsbeziehungen an (vgl.
Art. 18 Abs. 1 OR
). Geht man aber hievon aus, so spricht alles gegen den Darlehenscharakter des Pflichtkapitals. Der Zinsfuss für das Pflichtanteilkapital wird genau gleich wie derjenige für die Anteilscheine im Rahmen von Art. 13 Abs. 2 der Statuten jeweils einseitig durch die Generalversammlung bestimmt (Art. 28 lit. d der Statuten), ist also nicht, wie es einem Darlehen entsprechen würde, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Mieter und der Genossenschaft. Für die Verzinsung ist "der ausgewiesene Reingewinn" zu verwenden (Art. 18 der Statuten). Das Pflichtanteilkapital wird somit wie das Anteilscheinkapital nur verzinst, wenn die Genossenschaft einen Reingewinn erzielt, was den Zins als Beteiligung am Reingewinn oder als Dividende und nicht als Darlehenszins erscheinen lässt. Die Rückzahlung des Pflichtanteilkapitals richtet sich in gleicher Weise wie die Rückzahlung des Anteilscheinkapitals "nach der Vermögenslage der Genossenschaft bzw. nach der Liquidität" (Art. 15 Abs. 1 der Statuten und Art. 16 des Reglements); sie kann also nicht, wie es beim Darlehen üblicherweise der Fall ist, nach Ablauf einer Kündigungsfrist unbedingt verlangt werden, sondern nur, sofern und soweit die Vermögenslage und Liquidität der Genossenschaft es erlauben. Angesichts dieser Bestimmungen, nach denen das Pflichtanteilkapital in bezug auf Verzinsung und Rückzahlung dem Anteilscheinkapital durchaus gleichgestellt ist, kann dem Art. 13 des Reglements, wonach es "als eigentliches Darlehen des Mieters an die Genossenschaft behandelt" wird, keine Bedeutung zukommen, zumal nicht ersichtlich ist, worin diese Behandlung als Darlehen liegen könnte. Vielmehr erscheint die Auffassung als zutreffend und ist jedenfalls nicht willkürlich, dass es sich beim Pflichtanteilkapital rechtlich und wirtschaftlich um eine Ergänzung des Genossenschaftskapitals handelt, das wie dieses den Gläubigern haftet und daher zivil- wie steuerrechtlich als Genossenschaftskapital zu betrachten ist (im gleichen
BGE 90 I 153 S. 158
Sinne für das Wehrsteuerrecht: KÄNZIG N. 10 zu Art. 50 WStB).
Hieran vermag auch Art. 11 des Reglements, wonach das Pflichtanteilkapital durch die Liegenschaften der Genossenschaft sichergestellt ist, nichts zu ändern, da dieser Bestimmung ohne gleichzeitige Bestellung eines Grundpfandes und Eintragung desselben im Grundbuch keine rechtliche Wirkung zukommt, die Beschwerdeführerin aber selber nicht behauptet, dass eine solche Verpfändung vorgesehen und je erfolgt sei. Unerheblich ist auch, dass die Beschwerdeführerin für die Einzahlungen auf das Pflichtanteilkapital keine "Anteilscheine", sondern blosse "Bestätigungen" ausstellt, die keinen Bezug auf die Mitgliedschaft oder die Beteiligung am Genossenschaftsvermögen nehmen, denn das ist ohne Bedeutung für die rechtliche und wirtschaftliche Funktion des Pflichtanteilkapitals. Ebenso belanglos ist in dieser Beziehung, dass der Inhaber von Pflichtanteilkapital nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haftet, da dies nach Art. 19 der Statuten auch für den Inhaber von Anteilscheinen gilt.
Die Beschwerdeführerin behauptet, dass der zur Bezahlung eines Pflichtkapitalanteils gehaltene Mieter nicht Genossenschafter sein müsse, und macht weiter geltend, dass seit dem Jahresabschluss 1953 die Verzinsung des Pflichtanteilkapitals vor der Ermittlung des Jahresergebnisses erfolge und die Generalversammlung nur noch den Zinsfuss für die Anteilscheine bestimme. Diese Behauptungen wurden im kantonalen Rekursverfahren nicht aufgestellt und können infolgedessen, da neue Vorbringen bei Willkürbeschwerden unzulässig sind (
BGE 87 I 99
Erw. 2, 178 Erw. 3), nicht berücksichtigt werden. Sie wären übrigens nicht geeignet, Willkür des angefochtenen Entscheids darzutun. Selbst wenn es Mieter von Genossenschaftswohnungen geben sollte, die nicht Genossenschafter sind, so würde das nichts daran ändern, dass die Verzinsung und Rückzahlung ihrer Pflichtanteilkapitalien in Statuten und Reglement so geordnet sind, dass ihnen rechtlich und wirtschaftlich der Charakter
BGE 90 I 153 S. 159
von Darlehen ohne Willkür abgesprochen werden kann. Ebenso kommt nichts darauf an, dass die Beschwerdeführerin den Statuten- und Reglementsbestimmungen, welche die Annahme eines Darlehens ausschliessen, welche "nicht mehr nachlebt", denn solange diese Bestimmungen nicht durch die dazu nach
Art. 879 Ziff. 1 OR
und 28 lit. a der Statuten zuständige Generalversammlung abgeändert worden sind, hat sich die Beschwerdeführerin daran zu halten und darf sich nicht einfach im Hinblick auf die Erlangung steuerlicher Vorteile darüber hinwegsetzen. ....
Fehl geht auch die Rüge, es sei "abwegig", dass die StRK annehme,
§ 54 Abs. 1 StG
gelte nur für die AG und GmbH. Im angefochtenen Entscheid wird das nicht behauptet, sondern nur gesagt, die Beschwerdeführerin könne aus dem Wortlaut dieser Gesetzesbestimmung nichts für ihren Standpunkt ableiten, weil sie auf die AG und GmbH zugeschnitten sei, die ein zum voraus bestimmtes Grund- bzw. Stammkapital haben, während dies nach
Art. 828 Abs. 2 OR
bei der Genossenschaft unzulässig sei. Dass diese Argumentation willkürlich sei, wird aber in der Beschwerde nicht behauptet und noch weniger darzutun versucht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,964 |
CH_BGE
|
CH_BGE_001
|
CH
|
Federation
|
a9cfca44-b80f-462e-aa99-674824cb6a58
|
Urteilskopf
86 I 176
26. Urteil vom 3. Juni 1960 i. S. Schmuckli und Konsorten gegen Schweiz. Bundesbahnen.
|
Regeste
Haftung des Beamten gegenüber dem Bund (Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 1958).
1. Zuständigkeit des Bundesgerichts (Erw.1).
2. Verrechnung der Schadenersatzforderung des Bundes mit dem Lohnguthaben des Beamten; Parteirollen im Prozess (Erw.2).
3. Voraussetzungen der Haftung des Beamten; Begriff der groben Fahrlässigkeit (Erw. 3).
4. Zusammenstoss im Rangierverkehr der SBB: Verantwortlichkeit der beteiligten Bediensteten? Befreiung des Rangierleiters und des ihm untergebenen Rangierarbeiters (Erw. 4, 6). Verurteilung des Stellwerkwärters; Höhe der Schadensbeteiligung (Erw.5).
|
Sachverhalt
ab Seite 177
BGE 86 I 176 S. 177
A.-
Am Vormittag des 20. Februar 1959 hatte Rangiervorarbeiter Josef Schmuckli im Bahnhof Olten ein Rangiermanöver zu leiten, in welchem von seinem Standort bei der Weiche 144 aus eine Zugskomposition auf verschiedene Geleise zu verteilen war. Zunächst wurde ein Wagen K 2 über die Weiche 157 in das anschliessende Geleise A 23 gestossen, wo ihn der Begleiter, Betriebsarbeiter Othmar Burkhardt, mit einer dort bereits abgestellten Wagengruppe verkuppelte. In der Folge sollte ein Wagen F 6, begleitet vom Rangierarbeiter William Burkhard, in das Geleise A 15 gestossen werden. Sein Weg führte über die Weiche 157 und das davon abzweigende Geleise A 21. Auf Ansuchen des Rangierleiters Schmuckli
BGE 86 I 176 S. 178
gab der im Stellwerk 4 diensttunde Rangierarbeiter Hugo von Arx diese Fahrstrasse frei, worauf Schmuckli den Stoss ausführen liess. Nachdem der Wagen F 6 die Weiche 157 durchlaufen hatte, prallte er mit dem Wagen K 2 seitlich zusammen, weil dieser zu nahe bei der Weiche stand. Es entstand Sachschaden im Betrage von Fr. 1100.--.
Die Verwaltung der SBB machte die genannten Bediensteten für den Zusammenstoss verantwortlich, indem sie ihnen vorwarf, fahrlässig das Reglement über den Rangierdienst (Ausgabe 1950) verletzt zu haben. Sie beanstandete,
a) dass Othmar Burkhardt die von ihm festgestellte Tatsache, dass der Wagen K 2 auf dem Geleise A 23 über die durch das Sicherheitszeichen ("Polizeipfahl") bei der Weiche 157 gegebene Grenzlinie (Profil) hinausragte, dem Rangierleiter Schmuckli nicht unverzüglich mitgeteilt habe;
b) dass Josef Schmuckli unterlassen habe, vor der Abgabe des Befehls zur Rangierbewegung des Wagens F 6 sich zu vergewissern, ob das zu befahrende Geleise A 21 frei, das Sicherheitszeichen abgedeckt sei;
c) dass Hugo von Arx der Aufforderung Schmucklis, die Weiche 157 umzulegen, Folge geleistet und die Zustimmung zur Rangierfahrt des Wagens F 6 gegeben habe, obwohl er gesehen habe, dass das Sicherheitszeichen nicht abgedeckt war;
d) dass William Burkhard, obwohl er dies ebenfalls gesehen habe, mit dem Wagen F 6 am Wagen K 2 vorbeizukommen versucht habe.
Es wurden Bussen von Fr. 5.- gegenüber Josef Schmuckli und von je Fr. 3.- gegenüber Hugo von Arx und William Burkhard ausgesprochen. Ausserdem wurde jedem dieser drei Bediensteten eine Schadensbeteiligung von Fr. 20.- auferlegt, welcher Betrag vom Lohn abgezogen wurde. Gegenüber Othmar Burkhardt liess man es mit Rücksicht darauf, dass er Neuling im Rangierdienst war, bei einem Verweis bewenden.
BGE 86 I 176 S. 179
B.-
Josef Schmuckli, Hugo von Arx und William Burkhard haben beim Bundesgericht verwaltungsrechtliche Klage erhoben, mit dem Begehren, die SBB seien zu verurteilen, ihnen den vom Lohn als Schadensbeteiligung abgezogenen Betrag von je Fr. 20.- zurückzuerstatten. Sie bestreiten, dem Bunde für den entstandenen Schaden zu haften, mit der Begründung, es könne ihnen weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden (Art. 8 BG über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten vom 14. März 1958 [VG]).
C.-
Die SBB beantragen Abweisung der Klagen.
D.-
Eine Delegation des Gerichts hat im Bahnhof Olten die Kläger und verschiedene Zeugen einvernommen und einen Augenschein durchgeführt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Ansprüche auf Schadenersatz, welche die SBB gegenüber den Klägern erheben, stützen sich auf
Art. 8 und 9 VG
. Die Kläger bestreiten diese Ansprüche und fordern daher die Lohnbetreffnisse nach, mit denen die SBB die Schadenersatzforderungen verrechnet haben. Da es sich somit um eine Streitigkeit über in der Bundesgesetzgebung begründete vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes bzw. gegen den Bund aus öffentlichem Recht handelt, ist zur Beurteilung das Bundesgericht als einzige Instanz zuständig (
Art. 110 OG
,
Art. 10 VG
).
2.
Nach
Art. 46 Abs. 2 BtG
in Verbindung mit
Art.120 ff. OR
durften die SBB ihre Schadenersatzansprüche mit den Lohnguthaben der Kläger verrechnen (vgl.
BGE 85 I 159
). Es lag im Ermessen der Verwaltung, entweder die Verrechnung geltend zu machen und es damit den Beamten zu überlassen, ob sie die Angelegenheit vom Richter beurteilen lassen wollten, oder von der Verrechnung abzusehen und infolgedessen selber den Entscheid des Richters anzurufen. Dass die Schadenersatzansprüche bestritten sind, schliesst ihre Verrechenbarkeit nicht aus
BGE 86 I 176 S. 180
(
Art. 120 Abs. 2 OR
). Die Verrechnung wider den Willen der Kläger wäre nur dann unzulässig, wenn die in Frage stehenden Lohnbetreffnisse für den Unterhalt der Kläger und ihrer Familien unbedingt erforderlich gewesen wären (
Art. 125 Ziff. 2 und
Art. 340 OR
in Verbindung mit
Art. 46 Abs. 2 BtG
; Urteil vom 17. Dezember 1936 i.S. Klopfenstein, nicht publiziert). Dass dieser Gerichtspunkt in Betracht komme, machen die Kläger jedoch, offenbar mit Recht, nicht geltend. Sie bestreiten lediglich die Begründetheit der Gegenansprüche der Verwaltung, nicht auch die Zulässigkeit der Verrechnung.
Art. 46 BtG
ist durch das neue Verantwortlichkeitsgesetz nicht aufgehoben oder abgeändert worden. Dieses lässt zu, dass die Verwaltung mittels Verrechnung den Beamten in die Klägerrolle verweist. Der Beamte wird auch nicht wesentlich benachteiligt, wenn die Verrechnung erklärt wird. Seine Stellung im administrativen Verfahren (Art. 5 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung zum VG) wird dadurch nicht beeinträchtigt. Im gerichtlichen Verfahren sind ihm in jedem Falle, gleichgültig ob er Kläger oder Beklagter ist, die Voraussetzungen der Haftung nachzuweisen. Der Richter ist in beiden Fällen befugt, von sich aus, ohne an die Vorbringen der Parteien gebunden zu sein, das zur Abklärung des Sachverhalts Erforderliche anzuordnen (Art. 115 in Verbindung mit
Art. 95 OG
).
3.
Nach
Art. 8 VG
haftet der Beamte dem Bund für den Schaden, den er ihm durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung seiner Dienstpflicht unmittelbar zufügt. Die Bestimmung ersetzt
Art. 29 Abs. 1 BtG
, wonach jede Fahrlässigkeit genügte und Unmittelbarkeit der Schädigung nicht gefordert war. Im vorliegenden Fall kommt nur Fahrlässigkeit, nicht auch Vorsatz, in Frage. Mit einer Fahrlässigkeit hat man es zu tun, wenn die nach bestehenden Vorschriften und nach den Umständen gebotene Sorgfalt bei Ausübung dienstlicher Verrichtungen ausser acht gelassen wird (zit. Urteil Klopfenstein, Erw. 2). Damit die Fahrlässigkeit als grob bezeichnet werden kann,
BGE 86 I 176 S. 181
muss sie von einer gewissen Schwere sein. In der Regel wird die Verletzung eines elementaren Vorsichtsgebotes als grobe Fahrlässigkeit zu würdigen sein (vgl.
BGE 64 II 241
; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht I, S. 133). Bei der Beurteilung der Schwere des Verschuldens sind indessen stets die gesamten Umstände des einzelnen Falles zu berücksichtigen.
4.
Dem Kläger Schmuckli wird vorgeworfen, gegen Ziff. 99 lit. a des Reglements über den Rangierdienst (RDR) verstossen zu haben, wonach der Rangierleiter sich vor der Rangierbewegung zu vergewissern hat, ob die zu befahrenden Geleise frei und die Sicherheitszeichen abgedeckt sind.
Schmuckli sah von seinem Standort bei der Weiche 144 aus das zur Weiche 157 gehörende "Weichenbild" (schwarz-weisse Tafel). Dieses Signal gab die Fahrstrasse über das Geleise A 21 frei, nachdem der im Stellwerk 4 diensttuende Rangierarbeiter von Arx auf Ansuchen Schmucklis (Ziff. 88 RDR) die Weiche 157 umgelegt hatte (Ziff. 94 RDR). Dagegen konnte Schmuckli vom genannten Standort aus nicht sehen, dass der Wagen K 2 auf dem Geleise A 23, wohin er gestossen worden war, über die durch das Sicherheitszeichen festgelegte Grenzlinie, ja auch über das Profil, das durch den Deckel des näher bei der Weiche 157 liegenden Kastens derselben gegeben war, hinausragte. (Im Hinblick darauf, dass das Sicherheitszeichen damals noch aussergewöhnlich weit von der Weiche entfernt war - es ist seither um mehr als 2 m versetzt worden -, betrachtete das Rangierpersonal, wie es scheint, die durch den Deckel des Weichenkastens gegebene Linie als massgebende Sicherheitsgrenze.) Wagen, die auf den Geleisen A 24 und A 25 standen, verdeckten dem Rangierleiter die Sicht auf das Sicherheitszeichen und den Weichenkasten. Er blieb gleichwohl an seinem Standort und erteilte den Befehl zur Rangierbewegung des Wagens F 6 auf dem vorgesehenen Wege über das Geleise A 21. Er sagte sich offenbar, dass dieses Geleise
BGE 86 I 176 S. 182
vollständig frei sein müsse, weil ihm weder Othmar Burkhardt, der Begleiter des Wagens K 2, ein Hindernis angezeigt noch das Stellwerk die Zustimmung zur Fahrt verweigert habe.
In der Tat hätte Othmar Burkhardt darüber, dass der von ihm begleitete Wagen im Geleise A 23 vorübergehend nicht "profilfrei" aufgestellt werden konnte, unverzüglich das Stellwerk oder den Rangierleiter oder beide verständigen müssen (Ziff. 100 und 113 RDR). Im administrativen Verfahren hat er erklärt, er habe den Rangierleiter orientieren wollen, jedoch vorerst den Wagen K 2 fertig gekuppelt, so dass er die Meldung nicht mehr habe erstatten können, weil Schmuckli inzwischen bereits zum Stoss des Wagens F 6 gepfiffen habe. Dagegen hat er als Zeuge vor Gericht erklärt, er habe gar nicht nachgeschaut, ob das Profil der Weiche 157 frei sei; er habe nicht gewusst, was noch "gespielt" werden sollte; er habe den Wagen K 2 angehängt und sei dann gemäss dem vom Rangierleiter erhaltenen Befehl zum Geleise A 25 gegangen, um nachzusehen, ob dort alles "hebi" (zusammenhalte). Welche Darstellung mehr Glauben verdient, mag dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall hat Othmar Burkhardt eine elementare Pflichtverletzung begangen, sei es, dass er nicht einmal nachgeschaut hat, ob das Weichenprofil frei sei, sei es, dass er, nach Vornahme der Prüfung, deren Ergebnis nicht sofort gemeldet hat. Die Meldepflicht bestand auch dann, wenn er nicht wusste, dass noch eine Rangierbewegung über das Geleise A 21 bevorstand, und wenn er den erwähnten weiteren Auftrag hatte. Obwohl er ein Anfänger im Rangierdienst war, musste er über diese Verpflichtung im klaren sein. Er war vorschriftsgemäss (Ziff. 6 RDR) für den Rangierdienst besonders ausgebildet und geprüft worden und musste mit dem Reglement und den örtlichen Vorschriften vertraut sein (Ziff. 8 RDR). Darauf durfte sich Schmuckli verlassen. Allerdings hätte er wohl gut daran getan, den Neuling noch ausdrücklich auf die Meldepflicht aufmerksam zu
BGE 86 I 176 S. 183
machen, bevor er ihn auf dem Wagen K 2 wegfahren liess. Aber in der Unterlassung eines solchen Hinweises kann auf jeden Fall nicht eine grobe Fahrlässigkeit gesehen werden. Der Rangierleiter braucht seinen Untergebenen elementare Pflichten, die ihnen ohnehin aus ihrer Grundausbildung bekannt sind oder als bekannt vorausgesetzt werden dürfen, nicht in jedem einzelnen Fall in Erinnerung zu rufen.
Nach Ziff. 96 RDR ist die Prüfung der Fahrstrasse in erster Linie Sache des Weichenwärters (Stellwerkwärters); der Rangierleiter ist dazu nur verpflichtet, "soweit er sie (die Fahrstrasse) überblicken kann". Schmuckli durfte davon ausgehen, dass der im Stellwerk 4 Dienst versehende Kläger von Arx seine - ebenfals elementare - Verpflichtung, die Zustimmung zur Rangierbewegung über das Geleise A 21 erst nach gehöriger Prüfung dieser Fahrstrasse zu geben (Erw. 5 hiernach), erfüllt habe, also die Zustimmung verweigert hätte, wenn er (von Arx) - sei es auf Grund eigener Beobachtung, sei es auf Meldung Othmar Burkhardts hin - das Bestehen eines Hindernisses festgestellt hätte.
Die Verwaltung ist jedoch der Ansicht, Schmuckli hätte vor Erteilung des Befehls zu der Rangierbewegung über das Geleise A 21 sich noch den ihm an seinem Standort bei der Weiche 144 fehlenden persönlichen Überblick über die Situation verschaffen, also diesen Standort verlassen und sich der Weiche 157 soweit nähern müssen, dass er sich hätte an Ort und Stelle vergewissern können, ob das Profil frei sei. Indessen hat die Beweisführung ergeben, dass der Bahnhof Olten im Eisenbahnverkehr ein Engpass ist. Er weist täglich bis zu 840 Zugsein- und -ausfahrten auf. Die Abwicklung der dortigen Rangiermanöver wird daher häufig durch Zeit- und Platznot erschwert, besonders wenn Zugsverspätungen eintreten. Unter den gegebenen Umständen war dem Rangierleiter Schmuckli, wie die mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten, sachverständigen Zeugen Kellerhals (Bahnhofinspektor) und
BGE 86 I 176 S. 184
Grütter (früher Rangiermeister) einleuchtend erklären, nicht zuzumuten, sich noch persönlich aus der Nähe über die Situation bei der - von seinem Standort immerhin etwa 130 m entfernten - Weiche 157 zu vergewissern. Darin, dass er von dieser zeitraubenden Kontrolle absah und sich auf die Gewissenhaftigkeit der am Manöver mitbeteiligten Bediensteten von Arx und Othmar Burkhardt verliess, kann zum mindesten keine grobe Fahrlässigkeit erblickt werden.
Schmuckli kann daher für den entstandenen Schaden nicht haftbar gemacht werden. Seine Klage erweist sich als begründet.
5.
Der Kläger von Arx wird der Missachtung der Ziff. 94 RDR beschuldigt, wonach der Weichenwärter (Stellwerkwärter) die Fahrstrasse nicht herstellen und dem Rangierleiter die Zustimmung zu ihrer Benützung nicht erteilen darf, bevor er sich überzeugt hat, dass der Rangierbewegung kein Hindernis entgegensteht.
Als Schmuckli bei von Arx die Zustimmung zur Rangierbewegung des Wagens F 6 nachsuchte, sah dieser von seinem Standort im Stellwerk 4 aus die auf dem Geleise A 23 abgestellten Wagen, auch den zuletzt angehängten Wagen K 2. Er sah ferner, dass dieser Wagen über die durch das Sicherheitszeichen gegebene Grenzlinie hinausragte. Er macht jedoch geltend, man habe bei der Weiche 157 immer auf den Kastendeckel geschaut; nachdem Othmar Burkhardt ihm nicht gesagt habe, es lange nicht, habe er angenommen, es lange. Diese Einwendungen helfen ihm nicht. Er sah auch den Kastendeckel. Er durfte sich nicht dabei beruhigen, dass Othmar Burkhardt ihm nichts meldete. Da er nicht sicher war, ob der Wagen K 2 genügend weit von der Weiche entfernt war, hätte er von sich aus die Lage abklären sollen, um sich die nach Ziff. 94 RDR erforderliche Überzeugung zu verschaffen. Er hätte, wie der Zeuge Kellerhals erklärt, dem nächsten Rangierarbeiter zurufen oder dem Rangierleiter telephonieren können. Indem er die Weiche umlegte und die
BGE 86 I 176 S. 185
Zustimmung zum Stoss des Wagens F 6 erteilte, ohne sich überzeugt zu haben, dass die Fahrstrasse frei war, gefährdete er in hohem Masse die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs. Er musste sich der Wichtigkeit der Zustimmung bewusst sein, zumal das Rangierpersonal des Bahnhofs Olten unlängst wieder darauf hingewiesen worden war. Sein Verhalten muss als grobfahrlässige Verletzung der Dienstpflicht qualifiziert werden.
Es ist nicht bestritten und steht fest, dass er durch die ihm vorgeworfene Unterlassung den Bund unmittelbar (im Sinne des
Art. 8 VG
) geschädigt hat. Sein Verhalten war adaequate Ursache des Schadens, für den er haftbar gemacht wird. Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Schadensbeteiligung im Betrage von Fr. 20.-, welche ihm die SBB auferlegt haben, in Anbetracht der Umstände, insbesondere der Grösse seines Verschuldens, übersetzt sei (
Art. 9 VG
, Art. 43 f. OR).
Die Klage des Hugo von Arx ist daher abzuweisen. 6. - Dem Kläger William Burkhard wird zur Last gelegt, er habe gegen Ziff. 98 RDR verstossen, indem er versucht habe, mit dem von ihm begleiteten Wagen F 6 am Wagen K 2 vorbeizukommen, obwohl er bemerkt habe, dass dieser nicht "profilfrei" aufgestellt war. Es wird ihm vorgeworfen, er hätte den Wagen F 6 vor dem Hindernis zum Stehen bringen müssen; er habe aber überhaupt nicht gebremst. Den ursprünglich erhobenen weiteren Vorwurf, er hätte Schmuckli verhindern müssen, zum Stoss zu pfeifen, hat die Verwaltung fallen lassen. Mit Recht. In der Tat konnte William Burkhard vor der von ihm begleiteten Fahrt, die bei der Weiche 144 begann, so wenig wie Schmuckli sehen, dass das Profil der Weiche 157 nicht frei war; erst während der Fahrt war ihm dies möglich.
Da der Wagen F 6 bis zum Geleise A 15 einen ziemlich weiten Weg zurückzulegen hatte, musste er einen kräftigen Stoss erhalten, also sich mit einer beträchtlichen Geschwindigkeit fortbewegen. Der Begleiter William Burkhard
BGE 86 I 176 S. 186
war deshalb verpflichtet, die Fahrt zu bremsen, sobald er Zweifel darüber haben musste, ob der Wagen K 2 "profilfrei" aufgestellt sei. Er hat vor Gericht ausgesagt, er habe nicht schon in dem Augenblick gebremst, als er bemerkt habe, dass dieser Wagen über die durch das Sicherheitszeichen festgelegte Grenzlinie hinausragte, sondern erst etwas später, als er gesehen habe, dass auch das durch den Weichenkasten gegebene Profil nicht frei war. Wenn diese Darstellung zutrifft, so kann man sich fragen, ob er nicht schon in jenem früheren Zeitpunkt Grund zum Zweifel an der "Profilfreiheit" und daher zum Bremsen gehabt hätte. Die Frage kann indessen offen gelassen werden. Nach den Aussagen der sachverständigen Zeugen Kellerhals und Grütter war es nicht mehr möglich, vom Zeitpunkt an, da William Burkhard sich Rechenschaft darüber geben musste, dass der Wagen K 2 in das Profil der Weiche 157 hineinragen könnte, den Wagen F 6 so stark zu bremsen, dass er noch vor dem Hindernis zum Stehen kam. William Burkhard hat offenbar nur die Handbremse angezogen. Ein Versuch, die Fahrt mittels der Luftbremse zu stoppen, war ihm nicht zuzumuten, wie die Beweisführung ergeben hat. Abgesehen davon, dass er, um diese Bremse richtig bedienen zu können, sich von der Plattform weg ins Innere des Wagens hätte begeben müssen, hätte ein solcher Versuch dazu führen können, dass die Rangierlokomotive von hinten an den brüsk gebremsten Wagen geprallt wäre, wodurch möglicherweise ein noch grösserer Schaden entstanden wäre. Auch wenn davon auszugehen ist, dass William Burkhard mit dem Bremsen etwas früher, als er es tatsächlich getan zu haben scheint, hätte beginnen sollen, so ist doch nicht bewiesen, dass sich dadurch der Zusammenstoss mit dem Wagen K 2 hätte vermeiden lassen. Ebensowenig ist bewiesen, dass der Zusammenprall wesentlich gelinder ausgefallen und daher ein geringerer Schaden eingetreten wäre. Falls anzunehmen wäre, William Burkhard habe die Bremsung pflichtwidrig nicht rechtzeitig eingeleitet,
BGE 86 I 176 S. 187
so würde demnach der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Unterlassung und dem Schaden fehlen. Daher braucht nicht geprüft zu werden, ob das Verhalten William Burkhards - immer vorausgesetzt, dass es pflichtwidrig war - als grobfahrlässig zu bewerten sei.
Dieser Bedienstete kann somit für den eingetretenen Schaden nicht haftbar gemacht werden. Seine Klage ist gutzuheissen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Klagen des Josef Schmuckli und des William Burkhard werden gutgeheissen. Die SBB werden verurteilt, diesen Klägern den von ihrem Lohn als Schadensbeteiligung abgezogenen Betrag von je Fr. 20.- zurückzuerstatten.
2.- Die Klage des Hugo von Arx wird abgewiesen.
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public_law
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nan
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de
| 1,960 |
CH_BGE
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CH_BGE_001
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CH
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Federation
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a9d7c82b-c386-42b9-9eeb-02d650ff1bf6
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Urteilskopf
100 Ia 407
57. Arrêt du 18 septembre 1974 dans la cause Thareau contre Ministère public fédéral.
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Regeste
Auslieferung. Art. 6 und 8 des französisch-schweizerischen Staatsvertrages vom 9. Juli 1869.
1. Zur Stützung eines Auslieferungsgesuches vorzulegende Unterlagen (Erw. 3 c).
2. Der Umstand, dass die angeschuldigten Taten im ersuchenden Staat mit der Todesstrafe bedroht sind, hindert die Auslieferung seitens der Schweiz nicht (Erw. 4 a und b).
3. Vorbehalt des schweizerischen ordre public? (Erw. 4 c).
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Sachverhalt
ab Seite 407
BGE 100 Ia 407 S. 407
A.-
Bernard Thareau, ressortissant français né en 1947, a participé en 1970 à six vols ou tentatives de vols à main armée dans des banques établies en France, notamment à Nantes. Le juge d'instruction auprès du Tribunal de Grande Instance de Nantes a décerné contre lui, le 19 mai 1971, un mandat d'arrêt adressé aux autorités de la République de l'Inde. Puis, le 8 juin 1971, Interpol Paris a procédé à sa recherche en vue d'extradition en Allemagne fédérale, en Belgique, au Luxembourg, aux Pays-Bas, en Espagne et en Suisse.
Le 19 octobre 1972, alors que Bernard Thareau était encore en fuite, la Chambre d'accusation de la Cour d'appel de
BGE 100 Ia 407 S. 408
Rennes a rendu contre lui et ses complices un arrêt de renvoi devant la Cour d'assises du département de Loire-Atlantique, pour qu'ils y soient jugés selon la loi; l'arrêt ordonnait la prise de corps contre les accusés.
Par arrêt pénal du 23 mars 1973, la Cour d'assises du département de Loire-Atlantique a condamné Bernard Thareau à la peine de mort par contumace, après l'avoir déclaré coupable des crimes de vols commis avec port d'arme apparente ou cachée par deux ou plusieurs personnes dans un lieu habité ou servant à l'habitation, et de tentatives de tels vols. La Cour a fait application des art. 2, 379, 381 al. 1 et 386 al. 1 du Code pénal français.
B.-
Bernard Thareau a été arrêté à Genève le 3 novembre 1973 et placé le même jour en détention provisoire à titre extraditionnel à la prison de Saint-Antoine. Au nom des autorités françaises, l'Ambassade de France en Suisse a demandé son extradition au Département fédéral de justice et police par note du 16 novembre 1973, en produisant le mandat d'arrêt du 19 mai 1971, l'arrêt de renvoi du 19 octobre 1972 et l'arrêt pénal du 23 mars 1973.
Le 29 novembre 1973, un officier de police de la République et Canton de Genève a interrogé Bernard Thareau. Après avoir pris connaissance de l'arrêt pénal du 23 mars 1973, celui-ci a reconnu sa participation aux faits incriminés, mais en faisant des réserves quant au degré de sa culpabilité. Il a déclaré s'opposer à l'extradition.
Intervenant par mémoire du 20 décembre 1973, son défenseur d'office a demandé principalement que l'extradition ne soit pas accordée et, subsidiairement, qu'elle soit subordonnée à l'assurance que la peine de mort ne serait pas exécutée. Faisant intervenir des considérations historiques sur l'abolition de cette peine en Suisse, puis invoquant l'ordre public et l'art. 11 de la Convention européenne d'extradition, il soutenait qu'il y avait une lacune dans le Traité franco-suisse et que, nonobstant le silence de ce traité, les autorités suisses ne sauraient extrader un délinquant exposé à subir la peine capitale.
La Division fédérale de police ayant demandé à l'Ambassade de France si l'assurance requise par l'opposant dans sa conclusion subsidiaire pourrait être donnée, il lui fut répondu, par note du 25 février 1974, que la "représentation" du
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condamné par contumace anéantirait de plein droit la condamnation prononcée et entraînerait, après des débats contradictoires, un nouveau jugement de la Cour d'assises; qu'au cas - peu probable - où la peine de mort serait à nouveau prononcée, l'assurance qu'elle serait commuée ne pourrait pas être donnée, car une telle assurance préjugerait la décision du Président de la République exerçant le droit de grâce; que cependant, selon une procédure en usage entre la France et d'autres pays, les autorités suisses pourraient éventuellement accompagner l'extradition de la recommandation formelle que la peine de mort soit commuée au cas où elle serait prononcée, et que dès à présent les autorités françaises s'engageaient à tenir le plus grand compte d'une telle recommandation.
Entre-temps, Bernard Thareau s'était choisi un nouveau défenseur, qui, par mémoire du 3 avril 1974 destiné à remplacer celui du premier défenseur, a conclu au refus pur et simple de l'extradition. Il soutient que la demande des autorités françaises n'est pas valable à la forme, parce qu'elle ne se fonde ni sur une poursuite pénale régulière, ni sur un mandat d'arrêt, ni sur une condamnation exécutoire, un jugement par contumace devenant caduc de plein droit au moment où le condamné tombe aux mains des autorités françaises. Si ce jugement était exécutoire, l'extradition serait inadmissible quant au fond, parce qu'elle permettrait l'exécution d'une condamnation ferme à la peine de mort, après une procédure par contumace qui viole le principe du procès équitable tel qu'il est posé par l'art. 6 de la Convention européenne des droits de l'homme. La procédure dite de la recommandation ne donnant aucune garantie, il serait contraire non seulement à l'ordre public suisse, mais aussi aux principes d'un Etat fondé sur le droit d'accorder l'extradition en l'espèce.
C.-
Le Département fédéral de justice et police a transmis l'affaire au Tribunal fédéral, comme étant de sa compétence, avec deux rapports de la Division de police et un mémoire du Ministère public de la Confédération. Ce mémoire demande au Tribunal fédéral de rejeter l'opposition de Bernard Thareau et d'autoriser son extradition au Gouvernement de la République française pour les infractions faisant l'objet de sa demande du 16 novembre 1973.
BGE 100 Ia 407 S. 410
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Pour s'opposer à l'extradition, Thareau invoque tant la loi fédérale sur l'extradition aux Etats étrangers, du 22 janvier 1892 (RS 353.0; en abrégé LExtr.), que le Traité conclu le 9 juillet 1869 entre la Suisse et la France sur l'extradition réciproque des malfaiteurs (a RS 12 p. 118; ci-après: le Traité franco-suisse) et d'autres conventions internationales. Son opposition doit dès lors être considérée comme une objection au sens de l'art. 23 al. 1 LExtr., si bien que le Tribunal fédéral est compétent pour en connaître.
b) Selon la jurisprudence, les traités internationaux ont, en matière d'extradition comme dans d'autres domaines, le pas sur la loi nationale, même s'ils lui sont antérieurs; en cas de contradiction entre les dispositions de la loi et celles d'un traité, celles-ci l'emportent sur celles-là; les dispositions de la loi ne s'appliquent que sur les points qui n'ont pas été réglés expressément ou tacitement par le traité (RO 97 I 375, 95 I 465 consid. 1, 91 I 130 consid. 2, 87 I 136 s. et les arrêts cités).
c) Les objections de l'opposant sont présentées dans deux mémoires successifs qui ne se recouvrent pas, et l'auteur du second avait demandé à pouvoir retirer le premier. Le Tribunal fédéral doit cependant tenir compte de ces deux mémoires, étant donné qu'il n'est pas limité à l'examen des seules objections expressément soulevées par l'opposant et qu'il recherche d'office si les conditions de l'extradition sont réunies (RO 97 I 375, 87 I 138 et 199).
d) De jurisprudence constante, le Tribunal fédéral ne revoit pas les faits incriminés, tels qu'ils ressortent de la demande d'extradition et des documents produits par l'Etat requérant (RO 99 Ia 554 consid. 3, 95 I 467 consid. 5 et les arrêts cités). Bien que cette règle ait été parfois critiquée, il n'y aurait aucune raison de s'en écarter en l'espèce, étant donné que l'opposant a expressément reconnu devant l'autorité suisse sa participation aux faits retenus dans le jugement par contumace; en outre, il ne les met d'aucune manière en doute dans ses mémoires; lors de son audition, il a contesté sa responsabilité quant au degré, mais pas en principe.
2.
Il n'est pas contesté que les infractions en cause peuvent donner lieu à extradition (art. 1er al. 1 ch. 19 et al. 2
BGE 100 Ia 407 S. 411
du Traité franco-suisse), que la condition de double incrimination est remplie (art. 1er al. 4 du traité; art. 137 et 139 du Code pénal suisse, en abrégé: CP), qu'il ne s'agit pas de délit politique (art. 2 du traité), que ni la prescription de la peine, ni celle de l'action pénale ne sont acquises selon le droit suisse (art. 70 et 73 CP) et que Thareau n'est pas citoyen suisse.
3.
Pour s'opposer à son extradition, Thareau soulève tout d'abord des objections de forme; il se plaint d'irrégularités affectant aussi bien les actes officiels accomplis antérieurement en France que la procédure d'extradition elle-même.
a) Il relève qu'on ne l'a pas entendu une seule fois avant la clôture de l'instruction.
A supposer qu'il puisse faire valoir un tel grief dans la présente procédure, il le ferait manifestement à tort. S'il n'a vraiment pas été entendu au cours de l'instruction, c'est sans doute qu'il se trouvait déjà à l'étranger, où le Juge d'instruction de Nantes a cherché à l'atteindre par un mandat d'arrêt le 19 mai 1971, après quoi Interpol l'a vainement recherché dans plusieurs pays; en 1973, l'arrêt de renvoi l'a encore déclaré en fuite. Il ne doit donc s'en prendre qu'à lui-même s'il n'a pas été entendu. Il le sera sans doute à l'occasion du nouveau procès pénal qui s'ouvrira s'il est extradé.
Quant à savoir si Thareau a été régulièrement cité à comparaître selon le droit français, c'est une question qui n'a pas à être examinée ici (cf. RO 87 I 207 consid. 6).
b) L'opposant se prévaut aussi de la garantie d'un procès équitable, telle qu'elle est prévue à l'art. 6 de la Convention européenne de sauvegarde des droits de l'homme et des libertés fondamentales (FF 1974 I 1057).
Bien que la Suisse n'ait pas encore formellement adhéré à cette convention internationale, le Tribunal fédéral l'a fait intervenir dans un ou deux arrêts récents, en rapport avec des principes appartenant déjà à l'ordre juridique interne (RO 97 I 51;
98 Ia 235
et 238;
99 Ia 556
). Mais il est douteux qu'en matière d'extradition ledit art. 6 puisse être opposé par l'Etat requis à l'Etat requérant, en l'absence de clause adéquate dans la loi ou le traité d'extradition; d'autre part, cette disposition n'interdit certainement pas les condamnations par défaut ou par coutumace, pour autant du moins que le justiciable puisse, en se présentant au juge, obtenir que sa cause soit reprise ab ovo dans une procédure contradictoire, comme
BGE 100 Ia 407 S. 412
c'est le cas en France. L'objection n'est donc de toute façon pas fondée.
c) Invoquant l'art. 6 du Traité franco-suisse et l'art. 15 LExtr., l'opposant soutient que les autorités françaises n'ont produit ni jugement exécutoire, ni mandat d'arrêt.
Il est vrai qu'en droit français, la condamnation prononcée par contumace contre un accusé n'est "guère qu'une menace suspendue sur sa tête, car elle ne deviendra définitive que si, dans le délai de la prescription de la peine, il ne tombe pas entre les mains de la justice; s'il y tombe dans ce délai, il sera jugé à nouveau suivant la procédure ordinaire" (BOUZAT ET PINATEL, Traité de droit pénal et de criminologie, tome II 1970, p. 1355), la condamnation par contumace étant anéantie de plein droit (art. 639 du Code français de procédure pénale), de sorte qu'on peut dire qu'elle n'est pas exécutoire. Mais l'art. 6 du Traité franco-suisse et l'art. 6 LExtr. se contentent de la production d'un jugement, sans préciser qu'il doit être exécutoire; en outre, il a toujours été admis en Suisse qu'un jugement par contumace suffisait à justifier l'extradition (SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, p. 166 et 191 note 157; implicitement: RO 87 I 199 ss.); bien plus, l'art. 1er al. 3 ch. 1 du Traité franco-suisse dit expressément que, si la peine prononcée est d'au moins deux mois d'emprisonnement, l'extradition aura lieu pour les personnes condamnées contradictoirement ou par défaut.
Outre l'arrêt de condamnation par contumace, les autorités françaises ont par surcroît produit un arrêt de renvoi contenant une ordonnance de prise de corps, en vertu de laquelle l'accusé devait être arrêté et détenu (BOUZAT ET PINATEL, op. cit., p. 1263). Un tel acte équivalant à un mandat d'arrêt, il aurait déjà suffi d'après l'art. 6 du Traité franco-suisse et l'art. 15 LExtr.
Ainsi la demande d'extradition était amplement régulière et suffisante quant aux actes à présenter, si bien que l'objection soulevée est dénuée de tout fondement.
Contrairement à ce que voudrait l'opposant, il n'y a pas à décider si le contumax doit être considéré comme poursuivi ou comme condamné au sens de l'art. 1er al. 1 du Traité francosuisse, car il est en tout cas ou l'un ou l'autre.
4.
Selon l'art. 381 du Code pénal français, le vol avec arme apparente ou cachée peut être puni de mort. Cette peine
BGE 100 Ia 407 S. 413
ayant été abolie en Suisse, Thareau soutient que, y étant exposé, et même déjà condamné, il peut s'opposer en droit à l'extradition, ou du moins exiger que celle-ci soit subordonnée à l'assurance que la peine capitale ne sera pas exécutée.
Dans l'arrêt Ktir (RO 87 I 139 ss. consid. 3), le Tribunal fédéral a déjà dit, à propos des relations franco-suisses, qu'il n'y avait pas là objection valable, le Traité franco-suisse ne contenant rien dans ce sens, et l'art. 5 LExtr., à supposer qu'il soit applicable, ne visant pas la peine de mort lorsqu'il par le de peines corporelles. A vrai dire, Ktir avait demandé et obtenu la revision de cet arrêt sur la base de l'art. 137 lit. b OJ, en établissant après coup, sans avoir pu le faire plus tôt, que la France n'aurait pas accordé l'extradition dans un cas semblable au sien; mais, au considérant 6, l'arrêt de revision du 24 janvier 1962 (non publié) dit que le premier arrêt est toujours exact sur les points qu'il a traités, son annulation n'étant prononcée que pour défaut de réciprocité de la part de la France.
L'opposant critique implicitement cette jurisprudence, en faisant valoir des arguments en partie nouveaux.
a) Le Traité franco-suisse ne par le nulle part de la peine de mort; de façon générale, il ne fait pas dépendre l'extradition de la peine qui, dans l'Etat requérant, frappe l'acte incriminé. Historiquement, cela s'explique probablement par le fait qu'en 1869 la peine de mort était connue dans certains cantons suisses aussi bien qu'en France. Constatant que, depuis lors, l'ordre juridique a changé dans notre pays et que les idées y ont évolué, l'opposant soutient qu'on se trouve aujourd'hui en présence d'une lacune à laquelle le juge suisse doit remédier. On ne saurait cependant le suivre dans ce raisonnement. Il n'y a pas dans le Traité franco-suisse de véritable lacune, car on doit admettre qu'à l'époque les parties ont tacitement convenu que l'extradition serait accordée même pour des crimes passibles de la peine de mort. Si la Suisse estimait aujourd'hui devoir modifier le traité sur ce point, elle devrait engager des négociations bilatérales en vue d'une convention additionnelle ou d'une revision du traité, lequel peut être dénoncé tous les cinq ans (art. 16). Une correction unilatérale par voie d'interprétation judiciaire ne serait concevable que si, de façon générale dans le monde ou en Europe, la peine de mort était aujourd'hui considérée comme inconciliable avec certains
BGE 100 Ia 407 S. 414
principes fondamentaux du droit. Or tel n'est manifestement pas le cas, puisque la Convention européenne de sauvegarde des droits de l'homme et des libertés fondamentales réserve expressément la sentence capitale lorsqu'elle proclame le droit de toute personne à la vie (art. 2 ch. 1).
b) L'art. 5 LExtr. dispose que, si la peine édictée par la loi de l'Etat requérant, pour l'infraction qui motive la demande d'extradition, est une peine corporelle, l'extradition sera subordonnée à la condition que la peine sera, le cas échéant, commuée en prison ou en amende.
SCHULTZ (op. cit., p. 136) soutient que cette disposition s'applique à côté du droit conventionnel, parce qu'elle pose un principe qui va de soi aujourd'hui. Mais, sur la base d'une interprétation historique, il admet lui-même (pp. 395-399) que dans ce texte la notion de peine corporelle ne comprend pas la peine de mort (dans le même sens: BURCKHARDT, Commentaire, p. 600; SCHWANDER, Rechtsstaatliche Grundsätze im Auslieferungsrecht, Etudes en l'honneur de Jean Graven, 1969, p. 147 ss., 151; cf. aussi RO 87 I 139 consid. 3). Cette interprétation trouve en outre un sérieux appui dans l'art. 65 Cst., dont le premier alinéa dit qu'il ne pourra être prononcé de condamnation à mort pour cause de délit politique, alors que le second alinéa interdit de façon générale les peines corporelles; le premier alinéa aurait été superflu si le second avait aussi visé la peine capitale.
On pourrait être tenté d'interpréter aujourd'hui l'art. 5 LExtr. selon les idées qui règnent actuellement en Suisse, en considérant qu'il vise aussi la peine de mort. Mais, ainsi comprise, cette règle de droit interne serait alors inapplicable dans la mesure où elle entrerait en conflit avec un traité international réglant expressément ou tacitement la question. Or, on vient de le voir, c'est le cas du Traité franco-suisse. Ainsi que le relève l'opposant, deux ou trois autres traités conclus par la Suisse ont repris pour la peine de mort une règle semblable à celle de l'art. 5 LExtr. (Portugal, Uruguay, Brésil), mais c'est évidemment sans influence sur l'application des traités qui ont expressément ou tacitement réglé la question autrement.
c) L'opposant se prévaut encore, à propos de la peine de mort, de l'ordre public interne suisse.
En l'absence de traité, le Conseil fédéral pourrait vraisemblablement,
BGE 100 Ia 407 S. 415
pour des motifs d'ordre public, refuser l'extradition ou la subordonner à certaines conditions, du moment que l'art. 1er al. 1 LExtr. lui donne simplement la faculté d'extrader, sans l'y obliger. Mais dans les cas où, comme en l'espèce, il est lié par un traité, il doit s'en tenir aux dispositions qui y sont contenues. Or le Traité franco-suisse - pas plus d'ailleurs que les autres traités d'extradition - ne contient aucune réserve au sujet de l'ordre public, contrairement à ce qui est le cas pour les conventions internationales relatives à l'exécution des jugements civils. Cela s'explique par le but de l'extradition, qui est justement de permettre à l'Etat requérant d'appliquer sa propre législation pénale, sauf exceptions expresses. Dans le silence des textes conventionnels, on ne saurait donc admettre l'existence d'une clause tacite réservant l'ordre public (RO 76 I 137 consid. 4, 78 I 244; SCHULTZ, op. cit. p. 239 s. et dans Annuaire suisse de droit international, volume XX (1963), p. 216 s.).
Les tendances récentes du droit pénal international ne vont pas en sens contraire. En 1969, le Xe congrès international de droit pénal, tenu à Rome, a voté une résolution très complète sur les problèmes actuels de l'extradition (Revue internationale de droit pénal, 1970, p. 12 ss.); il n'y est pas question d'une réserve en faveur de l'ordre public de l'Etat requis, sauf dans le cas où cet Etat serait invité à déroger au principe de la double incrimination (résolution IV ch. 2).
Au demeurant, il serait douteux qu'une condamnation à mort puisse être considérée comme contraire à l'ordre public suisse; en effet, l'art. 65 al. 1 Cst. n'interdit la peine capitale que pour les délits politiques et le législateur pourrait donc la réintroduire en tout temps pour d'autres infractions; le Code pénal militaire de 1927 la prévoit d'ailleurs expressément pour le temps de guerre (art. 27 et notamment 61 ch. 2, 63 ch. 2, 74, 87, etc., CPM).
L'objection fondée sur l'ordre public doit donc être écartée. d) L'opposant invoque enfin l'art. 11 de la Convention européenne d'extradition, conclue à Paris le 13 décembre 1957 et entrée en vigueur pour la Suisse le 20 mars 1967 (ROLF 1967, p. 854). Cette disposition a la teneur suivante: "Si le fait à raison duquel l'extradition est demandée est puni de la peine capitale par la loi de la Partie requérante et que, dans ce cas, cette peine n'est pas prévue par la législation de la Partie
BGE 100 Ia 407 S. 416
requise, ou n'y est généralement pas exécutée, l'extradition pourra n'être accordée qu'à la condition que la Partie requérante donne des assurances jugées suffisantes par la Partie requise que la peine capitale ne sera pas exécutée."
La France n'a cependant pas adhéré à cette convention, laquelle ne lui est donc pas opposable, du moins pas en tant que réglementation internationale.
Si, dans une affaire récente (RO 99 Ia 556), le Tribunal fédéral a fait intervenir une disposition de cette convention (l'art. 3 al. 2) pour refuser l'extradition demandée par un Etat qui n'y était pas partie, c'est que la Suisse n'était pas non plus liée à cet Etat par un traité bilatéral d'extradition, de sorte que seul le droit interne était applicable; le Tribunal fédéral a alors considéré que, n'étant aucunement en contradiction avec l'art. 10 LExtr., l'art. 3 al. 2 de la Convention européenne devait être respecté dans l'administration de la justice, en tant que règle conforme à l'ordre juridique national et lui appartenant.
Lorsque, comme en l'espèce, l'extradition est demandée par un Etat auquel la Confédération demeure liée par un traité bilatéral parce que cet Etat n'a pas adhéré à la Convention européenne, celle-ci ne peut même pas être appliquée à titre de droit interne, en raison de la priorité des traités sur ce droit.
Le Conseil fédéral ne pourrait donc pas se fonder sur l'art. 11 de la Convention européenne pour subordonner l'extradition à la condition. d'obtenir de la France l'assurance que la peine de mort ne sera pas exécutée.
e) Par sa note du 25 février 1974, l'Ambassade de France à Berne a fait savoir à la Division fédérale de police que les autorités suisses compétentes pourraient éventuellement accompagner l'extradition de la recommandation formelle que la peine de mort serait commuée au cas où elle serait à nouveau prononcée contre Thareau dans le jugement qui remplacera la condamnation par contumace; la note ajoutait que, dès à présent, les autorités françaises s'engageaient à tenir le plus grand compte de cette recommandation.
Une telle procédure n'est pas inconnue en Suisse. Elle est par exemple prévue par le Protocole final du Traité d'extradition avec la Pologne, du 19 novembre 1937 (a RS 12 p. 193), qui permet à l'Etat requis de formuler un "désir" de ce genre. S'agissant cependant d'une procédure relevant de l'opportunité
BGE 100 Ia 407 S. 417
politique et non du droit, il appartiendra au Conseil fédéral d'examiner s'il y a lieu d'adresser une recommandation dans ce sens à la France (cf. RO 87 I 141 consid. 3).
5.
Aucune des objections de Thareau n'étant fondée, son opposition doit être rejetée et l'extradition autorisée.
L'art. 8 du Traité franco-suisse consacre le principe de spécialité, mais pas de façon absolue. A certaines conditions, il permet en effet la poursuite pénale dans l'Etat requérant pour d'autres infractions extraditionnelles que celles qui étaient à l'origine de la demande d'extradition.
Contrairement à ce que propose le Ministère public fédéral, il n'y a donc pas lieu de limiter l'extradition aux seules infractions qui ont fait l'objet de la demande présentée par l'Ambassade de France le 16 novembre 1973. Il suffit de réserver l'art. 8 du Traité (cf. RO 87 I 141 consid. 4).
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
1. Rejette l'opposition de Bernard Thareau;
2. Autorise son extradition à la France aux conditions prévues par l'art. 8 du Traité franco-suisse d'extradition.
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public_law
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nan
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fr
| 1,974 |
CH_BGE
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CH_BGE_002
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CH
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Federation
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a9da9143-bc1d-45bf-bc1d-ff38585d2f7f
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Urteilskopf
101 IV 392
91. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 5 décembre 1975 dans la cause B. contre Conseil d'Etat du canton du Valais.
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Regeste
Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
.
Die Verfolgungsverjährung hört mit der Ausfällung des letztinstanzlichen kantonalen Urteils und nicht erst mit dessen Eröffnung auf (Erw. 3).
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Sachverhalt
ab Seite 392
BGE 101 IV 392 S. 392
A.-
Le 24 août 1973, un accident de circulation dans lequel B. était impliqué s'est produit sur la route cantonale de Fiesch à Brigue. Un rapport de police a été établi. Le 3 octobre
BGE 101 IV 392 S. 393
1973, le Chef du Département de justice et police du canton du Valais a condamné B. à une amende de 80 fr. pour violation des art. 27 al. 1, 34 al. 2, 35 al. 2, 90 ch. 1 LCR, 52 al. 1 OSR et 3 al. 2 de l'ACF du 10 novembre 1971 (recte: 1967), Le 12 juin 1974, le Conseil d'Etat valaisan a déclaré irrecevable comme tardif un recours du condamné.
Le 29 janvier 1975, le Tribunal fédéral a annulé la décision du Conseil d'Etat. B. en effet n'avait pas su qu'une poursuite pénale était engagée contre lui. La seule connaissance de l'établissement d'un rapport de police concernant un accident de circulation banal ne constituait pas une raison suffisante de prendre avant de partir pour l'étranger les mesures propres à assurer la sauvegarde de ses droits. On ne pouvait lui reprocher de ne pas l'avoir fait (cf. RO 101 Ia 7).
B.-
Le 4 mars 1975, le Service des automobiles du canton du Valais a imparti à B. un délai de 8 jours pour faire valoir ses observations éventuelles; celles-ci ont été déposées le 12 mars suivant. Le 25 mars 1975, le Chef du Département de justice et police du canton du Valais a condamné derechef B. à 80 fr. d'amende pour les mêmes motifs qu'en 1973. Le recours interjeté par le condamné le 11 avril 1975 a été rejeté par le Conseil d'Etat le 13 août 1975 par une décision qui a été communiquée le 15 septembre 1975.
C.-
B. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral pour faire reconnaître qu'il est au bénéfice de la prescription absolue de l'action pénale.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant a été condamné en application de l'art. 90 ch. 1 LCR, c'est-à-dire pour une contravention au sens de l'art. 101 CP. Conformément aux art. 72 ch. 2 al. 2 et 109 CP, qui sont applicables en vertu de l'art. 102 CP, la prescription absolue de l'action pénale est de deux ans. Les infractions reprochées au recourant ayant été le cas échéant commises le 24 août 1973, le délai de prescription absolue est échu le 23 août 1975. La décision attaquée, prise le 13 août 1975, est intervenue avant cette date, mais la notification n'a été faite qu'après elle.
2.
Le recourant soutient qu'il n'existait pas de décision exécutoire au 23 août 1975, c'est-à-dire au moment où l'action
BGE 101 IV 392 S. 394
pénale dirigée contre lui s'est trouvée prescrite. En effet, selon lui, la décision du Chef du Département de justice et police du 25 mars 1975 était l'objet d'un recours qui, en vertu de l'art. 30 de la loi de procédure administrative cantonale, déploie un effet suspensif. Quant à la décision du Conseil d'Etat, elle ne saurait être devenue exécutoire avant sa notification si, en l'absence d'une disposition expresse du droit administratif cantonal, on applique par analogie la règle contenue dans l'art. 194 PP.
3.
L'argumentation du recourant serait convaincante si l'une des prémisses n'en était pas fausse. Elle est en effet fondée sur l'hypothèse que l'action pénale se termine au moment où la décision à laquelle elle aboutit devient exécutoire, soit, implicitement, sur l'idée que la prescription de l'action pénale cesse de courir seulement lorsque commence celle de la peine. Or, s'il en va bien ainsi de facto, le plus souvent, PERRIN (Voies de recours et prescription de l'action pénale, in RPS 79 (1963) p. 15 ss) a démontré que de jure il était possible de concevoir un stade de la procédure où aucun délai de prescription ne court.
En ce qui concerne l'action pénale, et s'agissant il est vrai de la question de la prescription relative, le Tribunal fédéral, après avoir hésité, a finalement décidé qu'elle parvient à chef au moment où tombe la décision pénale cantonale qui peut donner matière à un pourvoi en nullité (sous réserve évidemment de l'annulation de cette décision et du renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision) et non à celui de sa notification. Cette dernière opération en effet, dont l'accomplissement dépend dans une certaine mesure du comportement de l'intéressé, ne constitue plus un acte de poursuite pénale, mais un acte de communication, qui n'aggrave pas la situation du condamné. Elle ne saurait donc avoir d'incidence sur la prescription de l'action pénale. Aucune disposition de droit fédéral n'impose d'ailleurs expressément que la notification intervienne avant que la prescription de l'action pénale ne soit acquise, il suffit que la décision soit prise (RO 91 IV 145, 92 IV 172 et cit., 96 IV 52; PERRIN, op.cit., p. 18/19). Le recourant ne démontre nullement en quoi cette jurisprudence, qui a été approuvée par la doctrine (SCHULTZ, ZBJV 103 (1967) p. 431; item ZR 51 (1952) No 91), aurait été violée ni quelle raison il y aurait de revenir sur elle.
BGE 101 IV 392 S. 395
Il faut bien reconnaître que, jusqu'à la notification, il existe une possibilité théorique que la décision soit modifiée et qu'il peut de ce fait paraître curieux, prima facie, de placer l'aboutissement de l'action pénale à un moment où il n'existe pas de garantie absolue que l'autorité pénale est définitivement liée. Cette circonstance ne constitue cependant pas un obstacle majeur à la solution adoptée dans la jurisprudence précitée. En effet, supposé que cette décision soit modifiée avant d'être notifiée, c'est alors seulement que prendra fin l'action pénale et que la prescription cessera de courir. Rien ne s'oppose de plus à ce que la décision entre en force au moment où elle est prise, lorsqu'il n'existe plus contre elle de voie de recours ordinaire (HAGENBÜCHLE, Prozessuale Probleme der formellen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit, RSJ NF 67 (1948), p. 37). Il est dès lors sans importance de savoir à quel moment une décision devient exécutoire selon la procédure cantonale. Si elle le devient seulement après qu'elle a été prise, il existe du point de vue du droit fédéral un laps de temps durant lequel la prescription de l'action pénale ne court plus et où celle de l'exécution de la peine ne court pas encore (PERRIN, op.cit., p. 19, n. 25).
4.
En l'occurrence, la décision du Conseil d'Etat a été prise le 13 août 1975, soit avant l'échéance du délai de prescription absolue de l'action pénale. Peu importe qu'elle n'ait été notifiée que postérieurement, le 15 septembre 1975. Le pourvoi doit ainsi être rejeté, le recourant ne critiquant par ailleurs pas le bien-fondé de la décision attaquée.
| null |
nan
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fr
| 1,975 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
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Federation
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a9db8ba9-4ad9-43d7-819a-5708983aed26
|
Urteilskopf
99 Ia 60
9. Auszug aus dem Urteil vom 7. Februar 1973 i.S. Einwohnergemeinde Laufen gegen Wlodarczak und Verwaltungsgericht des Kantons Bern.
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Regeste
Gemeindeautonomie, Treu und Glauben; Wasser- und Kanalisationsanschluss; Gewässerschutz.
Die Vorschrift in Art. 55 Abs. 1 des neuen bernischen Baugesetzes vom 7. Juni 1970 über das anwendbare Recht kann ohne Willkür auch für den Übergang vom alten Gesetz über die Bauvorschriften vom 26. Januar 1958 zum neuen Recht für massgebend erklärt werden (Erw. 2).
Soweit das übergeordnete kantonale oder eidgenössische Recht keine zwingenden Vorschriften enthält, sind die bernischen Gemeinden zur autonomen Rcchtsetzung auf dem Gebiet des Baurechts befugt (Erw. 3).
Diese Autonomie ist verletzt, wenn eine kantonale Behörde willkürlich annimmt, eine gestützt auf das autonome kommunale Recht getroffene Verfügung der Gemeinde, wonach einem Bauwilligen der Anschluss an die Wasserversorgung und an die Gemeindekanalisation verweigert wird, verstosse gegen den bundesrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben (Erw. 4 und 5).
Die Gemeindeautonomie wird jedoch nicht verletzt, wenn im konkreten Fall ohne Willkür davon ausgegangen werden darf, dass das kantonale Gesetzesrecht eine Verweigerung der erwähnten Anschlüsse nicht zulässt (Erw. 6).
Vorbehalt des BG über den Gewässerschutz vom 8. Oktober 1971 (Erw. 7).
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Sachverhalt
ab Seite 62
BGE 99 Ia 60 S. 62
A.-
Dr. med. J. M. Wlodarczak ist Eigentümer der Parzelle GB Nr. 560 in Laufen, die in der Landwirtschaftszone liegt. Am 28. Dezember 1970 stellte er das Gesuch, es sei ihm die Baubewilligung für ein Einfamilienhaus zu erteilen. Gleichzeitig ersuchte er um die Bewilligung, das zu errichtende Gebäude an die Wasserversorung der Gemeinde und an die Kanalisation anzuschliessen. Das Grundstück könnte durch bereits bestehende private Kanalisations- und Wasserleitungen erschlossen werden. Die Eigentümer dieser Leitungen haben sich mit dem Anschluss des geplanten Neubaus einverstanden erklärt.
Der Einwohnergemeinderat von Laufen erhob gegen das Baugesuch Einsprache mit der Begründung, das Bauvorhaben liege ausserhalb des Perimeters des generellen Kanalisationsprojekts (GKP) und das Leitungskaliber der Gemeindekanalisation sei ungenügend, weshalb der Anschluss an die Gemeindekanalisation nicht bewilligt werden könne (Art. 60 Abs. 3 und 5 des Baureglements der Einwohnergemeinde Laufen vom 9. Februar 1968; BR). Das habe nach Art. 60 Abs. 4 BR zur Folge, dass auch der Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung abgelehnt werden müsse. Mit Schreiben vom 2. März 1971 an das Regierungsstatthalteramt Laufen führte der Einwohnergemeinderat weiter aus, das Baugesuch sei zwei Tage vor dem Inkrafttreten des neuen kantonalen Baugesetzes vom 7. Juni 1970 (BG; in Kraft seit 1. Januar 1971) eingereicht worden und habe noch vervollständigt werden müssen, so dass die Veröffentlichung erst am 15. Januar 1971, also nach Inkrafttreten des neuen Baugesetzes habe erfolgen können. Es sei daher in Anwendung des neuen Gesetzes zu beurteilen und könne nicht zugesprochen werden, weil Art. 23 BG eine Baubewilligung unter den gegebenen Umständen ausschliesse.
Mit Beschluss vom 6. April 1971 lehnte der Einwohnergemeinderat von Laufen die Gesuche um Anschluss an die kommunale Wasserversorgung und an die Kanalisation ab. In der Folge wurde das Baubewilligungsverfahren bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Anschlussfragen eingestellt.
B.-
Was den Kanalisationsanschluss anbelangt, so erhob Dr. Wlodarczak gegen den erwähnten Beschluss des Einwohnergemeinderats
BGE 99 Ia 60 S. 63
Gemeindebeschwerde. Mit Entscheid vom 15. Juni 1971 hiess der Regierungsstatthalter von Laufen die Beschwerde gut und bewilligte dem Beschwerdeführer den Anschluss an die Gemeindekanalisation. Dagegen führte die Einwohnergemeinde ihrerseits Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Bern. Dieser wies den Rekurs am 11. November 1971 ab und bestätigte den angefochtenen Entscheid des Regierungsstatthalters. Mit Beschwerde von 27. Dezember 1971 beantragte die Einwohnergemeinde Laufen dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, den Entscheid des Regierungsrats vom 11. November 1971 aufzuheben und das erwähnte Gesuch um Anschluss an die öffentliche Kanalisation abzuweisen.
C.-
Was den vom Einwohnergemeinderat verweigerten Anschluss an die Wasserversorgung betrifft, so gelangte Dr. Wlodarczak mit Klage vom 22. Juli 1971 an das Verwaltungsgericht. Er stellte das Begehren, es sei der erwähnte Beschluss des Einwohnergemeinderats vom 6. April 1971 aufzuheben und es sei ihm der Anschluss an die Wasserversorgung zu gestatten. Zur Begründung machte er im wesentlichen geltend, die Gemeinde habe unter ähnlichen Umständen drei Wasseranschlüsse im gleichen Gebiet zugelassen. Im Falle des Anschlusses eines weiteren Einfamilienhauses bestehe keine Gefahr, dass die Wasserversorgung für das ausgeschiedene Baugebiet nicht mehr genügend leistungsfähig bleibe, zumal weitere Anschlüsse ausserhalb der Bauzone mit Rücksicht auf die am 1. Januar 1971 in Kraft getretenen Vorschriften des neuen Baugesetzes kaum mehr zu erwarten seien. Bei dieser Sach- und Rechtslage stelle die Ablehnung des Wasseranschlusses für ein einziges Einfamilienhaus eine Rechtsverweigerung dar.
Die Einwohnergemeinde Laufen beantragte, die Klage abzuweisen. Sie machte insbesondere geltend, dass die zum Vergleich herangezogenen drei Anschlussbewilligungen in den Jahren 1960 bis 1962 unter wesentlich anderen Bedingungen erteilt worden seien, denn inzwischen sei durch einen Zonenplan das Baugebiet ausgeschieden worden. Die Wasserversorgung der Gemeinde sei schwierig; wegen der Lage des fraglichen Bauplatzes sei weder die Trink- noch die Löschwasserversorgung sichergestellt. Art. 18 Abs. 1 des kommunalen Wasserreglements (in der Fassung vom 18. Dezember 1969) in Verbindung mit Art. 60 Abs. 4 BR verbiete zudem den Anschluss an die Wasserversorgung,
BGE 99 Ia 60 S. 64
solange die vorschriftsgemässe Ableitung des Abwassers in die öffentliche Kanalisation nicht gewährleistet sei.
D.-
Am 8. Mai 1972 entschied das Verwaltungsgericht des Kantons Bern über die erwähnte Klage und über die Beschwerde gegen den regierungsrätlichen Entscheid vom 11. November 1971 in einem einzigen Urteil. Es hiess die Klage gut und verurteilte die Gemeinde Laufen, dem Kläger den Anschluss an das Wasserversorgungsnetz zu gewähren. Die Beschwerde der Gemeinde wies es dagegen ab und bestätigte damit die Bewilligung des Kanalisationsanschlusses.
E.-
Die Einwohnergemeinde Laufen führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie und beantragt, den angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 1972 aufzuheben. Die Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachfolgenden Erwägungen.
F.-
Das Verwaltungsgericht und der Beschwerdegegner Dr. Wlodarczak beantragen, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Die Beschwerdeführerin rügt, das Verwaltungsgericht habe willkürlich angenommen, die Gesuche des Beschwerdegegners seien nach den Vorschriften des alten Gesetzes über die Bauvorschriften vom 26. Januar 1958 (BVG) zu beurteilen. Sie beanstandet demnach eine angeblich willkürliche Auslegung des kantonalen Rechts, im besonderen eine solche von Art. 55 Abs. 1 BG, wonach Baugesuche nach dem zur Zeit ihrer Einreichnung geltenden Recht zu beurteilen sind. Von einer Autonomieverletzung könnte in diesem Zusammenhang indessen nur dann gesprochen werden, wenn der Beschwerdeführerin bei der Anwendung diese Vorschrift eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zugestanden hätte (vgl.
BGE 96 I 725
). Dies trifft jedoch nicht zu, denn es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass bei der Auslegung der massgebenden Übergangsbestimmung in Art. 55 Abs. 1 BG im Sinne der soeben erwähnten Rechtsprechung Raum für eine autonome Rechtsanwendung seitens der Gemeinde bliebe. Von einer Autonomieverletzung kann somit in diesem Zusammenhang von vorneherein nicht die Rede sein. Insoweit erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet.
BGE 99 Ia 60 S. 65
Eine willkürliche Anwendung von Art. 55 Abs. 1 BG seitens des Verwaltungsgerichts läge zudem offensichtlich nicht vor; denn es ist nicht einzusehen, weshalb diese Vorschrift nicht auch auf die Verhältnisse beim Übergang vom alten Gesetz über die Bauvorschriften vom 26. Januar 1958 (BVG) zum neuen Baugesetz anwendbar sein soll (vgl. dazu auch A. ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern, N 6 zu Art. 55 BG). Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, im konkreten Fall sei die Einreichung des eigentlichen Baugesuchs im Dezember 1970 massgebend, obwohl einzelne ergänzende Angaben erst nach dem 1. Januar 1971, d.h. nach dem Inkrafttreten des neuen Baugesetzes gemacht worden seien, ist vertretbar und verstösst daher nicht gegen
Art. 4 BV
.
3.
Das als Rahmengesetz ausgestaltete Bauvorschriftengesetz aus dem Jahre 1958 bezweckte laut Ingress, "den Gemeinden die planmässige Nutzung des Baulandes, die Wahrung des Gemeinwohls in der Baugestaltung, den Schutz von Orts- und Landschaftsbildern vor wesentlichen Beeinträchtigungen zu ermöglichen und die Erhaltung des Kulturlandes zu erleichtern".
Art. 1 BVG
berechtigte die Gemeinden denn auch ausdrücklich, im Rahmen dieses Gesetzes Bauvorschriften zu erlassen, welche sich nach Massgabe von
Art. 5 Ziff. 10 BVG
insbesondere auch auf die Regelung von Kanalisations- und Wasseranschlüssen beziehen konnten. Da ihnen dabei eine erhebliche Entscheidungsfreiheit zustand, waren die bernischen Gemeinden somit unter der Herrschaft des Bauvorschriftengesetzes zur autonomen Rechtsetzung auf dem Gebiet des Baurechts befugt, soweit das übergeordnete kantonale oder eidgenössische Recht keine zwingenden Vorschriften enthielt. Daran hat sich auch mit dem Inkrafttreten des neuen Baugesetzes grundsätzlich nichts geändert (vgl. Art. 13 BG).
Die Beschwerdeführerin hat von ihrer autonomen Rechtsetzungsbefugnis Gebrauch gemacht und am 9. Februar 1968 ein Baureglement (BR) erlassen, das am 20. Dezember 1968 vom Regierungsrat genehmigt wurde. Dieses Reglement enthält unter anderem folgende Vorschriften:
Art. 58 Abs. 2: "In der Landwirtschaftszone werden nichtlandwirtschaftliche Bauten nur bewilligt, wenn Staat und Gemeinde durch Bau und Unterhalt der für die Erschliessung nötigen Strassen, Kanalisations- und Werkleitungen nicht belastet werden."
BGE 99 Ia 60 S. 66
Art. 60 Abs. 3-5:
"Der Anschluss an eine öffentliche Kanalisations- oder Wasserleitung kann abgelehnt werden, wenn die Leitungen nicht für den Anschluss des ganzen für die Überbauung vorgesehenen Gebietes angelegt und dimensioniert worden sind.
Der Anschluss eines Gebäudes an die öffentliche Wasserversorgung ist jedoch unzulässig, solange die vorschriftsgemässe Ableitung des Abwassers in die öffentliche Kanalisation nicht gewährleistet ist. Für nichtlandwirtschaftliche Bauten ausserhalb des Einzugsgebietes des generellen Kanalisationsprojektes wird der Anschluss an eine öffentliche Kanalisation oder andere Werkleitungen in der Regel nicht bewilligt."
Die autonomen Befugnisse der Beschwerdeführerin wären demnach verletzt, wenn das Verwaltungsgericht diese Bestimmungen im angefochtenen Entscheid willkürlich angewendet oder in willkürlicher Weise angenommen hätte, die gestützt auf diese Vorschriften erfolgte Verweigerung der fraglichen Anschlussbewilligungen seitens der Beschwerdeführerin stehe im Widerspruch zu übergeordneten und daher die Gemeindeautonomie beschränkenden Normen des kantonalen oder eidgenössischen Rechts (vgl.
BGE 95 I 38
Erw. 3).
4.
Eine Autonomieverletzung durch willkürliche Anwendung des Gemeinderechts entfällt zum vorneherein, denn auch das Verwaltungsgericht anerkennt sinngemäss, dass die Beschwerdeführerin den geforderten Anschluss an das kommunale Kanalisations- und Wasserleitungsnetz gestützt auf Art. 60 Abs. 5 BR verweigern durfte. Es nimmt jedoch an, dass die entsprechenden Bewilligungen mit Rücksicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben erteilt werden müssten, dass also der Autonomiebereich der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall durch ein dem Gemeinderecht übergeordnetes Prinzip des ungeschriebenen Bundesrechts beschränkt werde.
Die Befugnis der bernischen Gemeinden zur autonomen Rechtsetzung auf dem Gebiet des Baurechts ergibt sich nicht aus der Verfassung, sondern - wie in Erw. 3 ausgeführt - aus dem kantonalen Gesetzesrecht. Dies hat zur Folge, dass das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid in jeder Hinsicht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür überprüfen kann (vgl.
BGE 97 I 512
/13 und 522 mit Verweisungen). Dass das Verwaltungsgericht einen ungeschriebenen Grundsatz des Bundesrechts (Treu und Glauben) angewendet hat, ändert daran nichts. So hat das Bundesgericht in einem neueren Urteil
BGE 99 Ia 60 S. 67
ausdrücklich festgestellt, es prüfe auch die Verhältnismässigkeit eines angefochtenen kantonalen Hoheitsakts nur auf Willkür hin, wenn die Missachtung dieses Grundsatzes im Rahmen einer Autonomiebeschwerde gerügt werde und die autonomen Befugnisse der Gemeinde bloss auf kantonalem Gesetzesrecht beruhten (
BGE 96 I 383
). Das gleiche gilt auch in bezug auf das Prinzip von Treu und Glauben. Der Umfang der bundesgerichtlichen Kognition hängt davon ab, ob eine entsprechende Rüge im Zusammenhang mit einer angeblichen Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts erhoben wird, das seinerseits eine freie Prüfung des angefochtenen Hoheitsakts erheischt (vgl.
BGE 96 I 383
/4; A. GRISEL, Droit public non écrit, in: Der Staat als Aufgabe, Gedenkschrift für Max Imboden, 1972, S. 152). Soweit sie - wie im vorliegenden Fall - bloss auf kantonalem Recht der Gesetzesstufe beruht, trifft dies für die Gemeindeautonomie nicht zu. Die im Urteil
BGE 98 Ia 432
Erw. 3 vor lit. a enthaltene Bemerkung, das Bundesgericht prüfe regelmässig frei, ob der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt sei, geht demnach zu weit und ist im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu verdeutlichen.
5.
Im angefochtenen Entscheid führt das Verwaltungsgericht aus, der Beschwerdegegner habe im Herbst 1970 beim Erwerb des Grundstücks in guten Treuen damit rechnen dürfen, dass ihm die Gemeinde die Bewilligung für den Kanalisations- und Wasseranschluss erteile. Es verweist auf den Umstand, dass die Gemeinde den Bau einer privaten Leitung im fraglichen Gebiet zugelassen und den Erbauern zugesichert habe, dass ein weiteres Haus daran angeschlossen werden dürfe.
Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber mit Recht geltend, dass der Beschwerdegegner das fragliche Grundstück nicht bereits im Herbst 1970, sondern erst im Jahre 1972 erworben habe. In der Tat räumt der Beschwerdegegner in seiner Beschwerdeantwort vom 6. September 1972 selbst ein, er habe erst am 25. Juli 1972 einen entsprechenden Kaufvertrag abgeschlossen. Nach den Akten fehlt sodann jeder Hinweis dafür, dass die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner irgendwelche Zusicherungen hinsichtlich der verlangten Anschlüsse abgegeben hätte. Aus dem Brief, den der Beschwerdegegner vor Einreichung seines Baugesuchs am 10. Dezember 1970 an den Einwohnergemeinderat richtete, geht vielmehr hervor, dass er durchaus mit dem Widerstand der Beschwerdeführerin
BGE 99 Ia 60 S. 68
rechnete. Er stützte sein Baugesuch nicht auf irgendwelche behördliche Zusicherungen, sondern auf die Auskunft eines Juristen, wonach für die Verweigerung der Baubewilligung keine gesetzliche Grundlage vorhanden sei. In welchem Zeitpunkt er von der seinerzeit mit den Erbauern der privaten Kanalisationsleitung getroffenen Vereinbarung Kenntnis erhielt, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Wie sich aus dem erwähnten Schreiben ergibt, war dem Beschwerdegegner jedenfalls schon im Juli 1970 bekannt, dass die Gemeindebehörden keine weiteren Bewilligungen für Bauten im Gebiet "Schwarzbaum" erteilen wollten. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschwerdegegner gutgläubig auf Zusicherungen verlassen haben könnte, welche die Beschwerdeführerin angeblich Dritten gegenüber abgegeben haben soll, sind nicht vorhanden. Nicht erwiesen ist insbesondere, dass er gestützt darauf in guten Treuen Verfügungen getroffen hat, welche sich nunmehr als nachteilig auswirken und nicht mehr rückgängig zu machen sind (vgl. dazu U. GUENG, Zur Verbindlichkeit verwaltungsbehördlicher Auskünfte und Zusagen, Zbl. 71/1970, S. 497 ff), zumal er den Erwerb des Grundstücks offenbar gerade deshalb aufschob, weil ihm die rechtliche Möglichkeit, sein Bauvorhaben zu verwirklichen, nicht gesichert schien. Bei der Unterzeichnung des Kaufvertrags vom 25. Juli 1972 konnte er somit nicht mehr gutgläubig sein. Unter diesen Umständen erweist sich die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Verweigerung der Anschlussbewilligung verstosse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, als unhaltbar.
6.
Daraus folgt indessen nicht notwendigerweise, dass die Autonomiebeschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben ist. Zu untersuchen bleibt vielmehr, ob die Verweigerung der Anschlussbewilligungen gegen übergeordnetes kantonales Gesetzesrecht verstösst, d.h. ob der Anwendung von Art. 60 Abs. 5 BR insbesondere Vorschriften des Wassernutzungsgesetzes und des Bauvorschriftengesetzes entgegenstehen. Auch insoweit vermag das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid indessen bloss unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür zu prüfen (vgl. oben Erw. 4 und
BGE 97 I 512
/3 und 522 mit Verweisungen). Kann jedoch mit haltbaren Gründen angenommen werden, das Vorgehen der Beschwerdeführerin stehe im Widerspruch zu Bestimmungen des Wassernutzungs- oder Bauvorschriftengesetzes, so ist dem
BGE 99 Ia 60 S. 69
angefochtenen Entscheid diese substituierte und mit der Gemeindeautonomie vereinbare Begründung zugrunde zu legen, zumal das Verwaltungsgericht diese Fragen selbst aufgeworfen, aber mit Rücksicht auf die Bejahung eines Verstosses gegen Treu und Glauben weitgehend offen gelassen hat (vgl. zur Substituierung von Motiven durch das Bundesgericht BGE 98 I a 351 Erw. 3 mit Verweisungen).
a) Nach Art. 116 Abs. 1 WNG sind die Eigentümer einer öffentlichen Wasserversorgung verpflichtet, "nach Massgabe der verfügbaren Wassermenge Wasser an Dritte abzugeben". Diese Vorschrift kann dahin ausgelegt werden, dass die Gemeinde als Eigentümerin einer öffentlichen Wasserversorgung jeden Anschluss zu bewilligen hat, wenn nicht nachgewiesen ist, dass weitere Anschlüsse die Wasserversorgung der bisherigen Benützer gefährden. Aus Art. 116 Abs. 1 WNG lässt sich demnach ableiten, dass es den Gemeinden nach dem Stand des bernischen Rechts vor dem 1. Januar 1971 (Datum des Inkrafttretens des neuen Baugesetzes) verwehrt war, den Anschluss an ihre Wasserversorgung aus planerischen Gründen auf das Baugebiet zu beschränken und von der Möglichkeit eines Kanalisationsanschlusses abhängig zu machen, wie dies die Beschwerdeführerin in Art. 60 Abs. 4 und 5 BR vorgesehen hat. Diese Auslegung, von welcher auch das Verwaltungsgericht auszugehen scheint, erschwert zwar die vernünftige Planung eines Wasserversorgungsnetzes und steht im Widerspruch zu den Erfordernissen einer zeitgemässen Ortsplanung. Sie entspricht jedoch dem Wortlaut und kann trotz dieser rechtspolitischen Bedenken nicht als geradezu unhaltbar bezeichnet werden. Da aufgrund der technischen Angaben der Beschwerdeführerin zudem ohne Willkür davon ausgegangen werden darf, dass der Anschluss des geplanten Einfamilienhauses die Wasserlieferungen an die übrigen Benützer nicht gefährden würde, verstiess das Verwaltungsgericht im Ergebnis nicht gegen die Gemeindeautonomie, wenn es die Beschwerdeführerin zur Bewilligung des Wasseranschlusses verpflichtet, denn dieses Vorgehen lässt sich auf eine vor
Art. 4 BV
haltbare Auslegung des kantonalen Gesetzesrechts (Art. 116 Abs. 1 WNG) stützen, das dem kommunalen Recht (Art. 60 Abs. 4 und 5 BR) vorgeht.
b) Ähnlich verhält es sich mit dem Kanalisationsanschluss. Art. 6 Abs. 4 des hier massgebenden Bauvorschriftengesetzes aus dem Jahre 1958 bestimmte folgendes:
BGE 99 Ia 60 S. 70
"Die Gemeinden können vorschreiben, dass auf dem der Land-, Forst- und Rebwirtschaft vorbehaltenen Gebiet (Landwirtschaftszone) nichtlandwirtschaftliche Bauten nur bewilligt werden, wenn Staat und Gemeinden durch Bau und Unterhalt der für die Erschliessung nötigen Strassen, Kanalisations- und Werkleitungen nicht belastet werden. Ausnahmen von den Vorschriften über die Landwirtschaftszonen können sinngemäss nach Art. 15 bewilligt werden."
Aus dieser Vorschrift lässt sich ohne Willkür der Umkehrschluss ziehen, nichtlandwirtschaftliche Bauten müssten in der Landwirtschaftszone bewilligt werden, sofern die Erschliessung vollständig auf Kosten des Bauherrn erfolge. Auch diese Auslegung hat planerisch unerwünschte Folgen; sie ist indessen vertretbar und nach dem Wortlaut sogar naheliegend, denn nichts deutet darauf hin, dass der kantonale Gesetzgeber die Gemeinden ermächtigen wollte, Bau- und Kanalisationsanschlussbewilligungen auch dann zu verweigern, wenn ihnen aus der Erschliessung des Grundstücks keine Lasten erwachsen. Auch die Auseinandersetzung um die entsprechenden Vorschriften des neuen Baugesetzes (Art. 23 ff; vgl. A. ZAUGG, a.a.O., N. 1 ff. zu Art. 24 BG), die eine eingehende Regelung der Ausnahmebewilligungen für das sog. übrige Gemeindegebiet enthalten, spricht gegen die Auffassung, schon das bisherige Recht habe den Gemeinden eine über
Art. 6 Abs. 4 BVG
hinausgehende planerische Beschränkung der Bautätigkeit in der Landwirtschaftszone gestattet. Da der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall keine zusätzlichen Erschliessungskosten erwachsen und da der verlangte Anschluss an die bestehende private Kanalisationsleitung technisch ohne weiteres möglich scheint, kann ohne Willkür angenommen werden,
Art. 6 Abs. 4 BVG
stehe der gestützt auf das kommunale Recht verfügten Verweigerung der Anschlussbewilligung entgegen. Mit dieser substituierten Begründung hält der angefochtene Entscheid im Ergebnis vor der Gemeindeautonomie stand. Daran vermögen auch die an sich zutreffenden planerischen Überlegungen der Beschwerdeführerin nichts zu ändern.
7.
Dass die Bewilligung des umstrittenen Wasser- und Kanalisationsanschlusses nach Massgabe des zur Zeit der Einreichung des Baugesuches geltenden kantonalen Rechts nicht gegen die Autonomie der Beschwerdeführerin verstiess, bedeutet indessen nicht, dass dem Bauvorhaben des Beschwerdegegners keine rechtlichen Hindernisse mehr entgegenstehen.
BGE 99 Ia 60 S. 71
Die Baupolizeibehörde wird insbesondere prüfen müssen, ob auf das noch nicht beurteilte Baugesuch die Vorschrift von Art. 20 des am 1. Juli 1972 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Gewässerschutz vom 8. Oktober 1971 (AS 1972, S. 956) anzuwenden ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,973 |
CH_BGE
|
CH_BGE_002
|
CH
|
Federation
|
a9e016c1-e749-45e9-b94e-86c3c820b576
|
Urteilskopf
119 III 11
4. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 9 mars 1993 dans la cause S. (recours LP)
|
Regeste
Art. 92 Ziff. 3 SchKG
.
Ein Arzt, der seine Tätigkeit bereits seit neun Monaten nicht mehr ausüben kann, weil er vorerst suspendiert und dann ungeachtet eines Rekurses aus dem Ärzteverzeichnis endgültig gestrichen worden ist, und gegen den ein Strafverfahren mit ziemlich langer Haft hängig ist, bleibt dauernd und nicht nur vorübergehend verhindert, dem Beruf nachzugehen. Sein Personenwagen und das Mobiliar seiner Praxis verlieren daher den Charakter des unpfändbaren Berufswerkzeugs.
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Sachverhalt
ab Seite 12
BGE 119 III 11 S. 12
A.-
Les 14/15 octobre 1992, dans le cadre d'une poursuite intentée par divers créanciers contre S., médecin-chirurgien, l'Office des poursuites de Genève a saisi deux voitures appartenant à celui-ci, savoir une Mercedes-Benz 450 SLC et une Range Rover, estimées respectivement à 20'000 et à 12'000 francs.
S. a déposé plainte contre le procès-verbal de saisie, en tant que celle-ci portait sur le véhicule Mercedes-Benz. Il s'agissait, selon lui, d'un instrument de travail qui devait lui permettre de se déplacer pour des urgences. Une créancière a également porté plainte; elle estimait, entre autres, que l'office aurait dû saisir aussi le mobilier de l'appartement que le débiteur partageait avec son amie, ainsi que celui de son cabinet médical.
Par décision du 27 janvier 1993, l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a rejeté la plainte de S. et admis partiellement celle de la créancière. Elle a notamment invité l'office des poursuites à saisir les meubles se trouvant au domicile professionnel du médecin et ceux garnissant son domicile privé, dans la mesure où la propriété d'un tiers sur ces biens n'était pas manifeste, l'office étant requis d'ouvrir, le cas échéant, une procédure de revendication selon l'
art. 109 LP
.
B.-
Au moment de la saisie, en octobre 1992, S. faisait l'objet d'une mesure de suspension de son autorisation d'exercer la médecine et était détenu à la prison de Champ-Dollon, à titre préventif,
BGE 119 III 11 S. 13
dans le cadre d'une procédure pénale dirigée contre lui pour des délits commis dans l'exercice de sa profession. Le 4 novembre 1992, le Conseil d'Etat décida de radier définitivement son inscription dans le registre des médecins, ce avec effet immédiat nonobstant recours. S. a recouru au Tribunal administratif cantonal contre cette décision.
C.-
Le 17 février 1993, toujours détenu à Champ-Dollon, S. a recouru à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral en lui demandant d'annuler la décision de l'autorité cantonale de surveillance et de reconnaître au véhicule automobile ainsi qu'à l'ensemble des instruments et meubles du cabinet médical le caractère d'instruments de travail au sens de l'
art. 92 ch. 3 LP
, et de les déclarer insaisissables.
La Chambre des poursuites et des faillites a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Selon l'
art. 92 ch. 3 LP
, les outils, instruments et livres, en tant qu'ils sont nécessaires au débiteur et à sa famille pour l'exercice de leur profession, sont insaisissables.
Pour cela, il doit tout d'abord s'agir d'une profession dont l'exercice est autorisé au lieu de la saisie; des objets servant à un médecin non patenté peuvent par conséquent être valablement saisis dans un canton qui n'admet pas la libre pratique de la médecine. Selon la jurisprudence, les autorités de poursuite doivent du reste refuser d'appliquer l'
art. 92 ch. 3 LP
lorsque l'autorité de police a ordonné la cessation de l'activité professionnelle en question (
ATF 106 III 110
consid. 1). En outre, le débiteur doit exercer effectivement sa profession à l'époque et au lieu de la saisie, ou tout au moins n'avoir interrompu son exercice que momentanément (C. JÄGER, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n. 8 ad art. 92). A cet égard, le bénéfice de compétence subsiste lorsque l'interruption est de courte durée et qu'elle est due à une cause déterminée comme la maladie par exemple (ERNST BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, Berne 1911, p. 361); il tombe, en revanche, lorsque l'interruption dure relativement longtemps, notamment en cas d'incarcération (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. I, 3e éd., Zurich 1984, p. 323 n. 24; C. JAEGER/MARTA DAENIKER,
BGE 119 III 11 S. 14
Schuldbetreibungs- und Konkurs-Praxis der Jahre 1911-1945, vol. I, n. 1 D ad art. 92 in fine; BlSchK 1946, no 27 p. 83 ss).
b) Il est constant que le recourant ne peut plus exercer sa profession depuis le mois de juin 1992, date de la suspension à titre provisoire de son autorisation de pratiquer la médecine, mesure suivie de la radiation définitive dans le registre des médecins, le 4 novembre 1992, nonobstant recours. Il fait certes valoir que, le recours au Tribunal administratif cantonal contre cette dernière décision étant encore pendant, la décision de radiation ne serait nullement définitive et qu'il serait ainsi "virtuellement capable de reprendre l'exercice de son art". Il n'allègue cependant pas avoir requis et obtenu une restitution de l'effet suspensif selon l'art. 66 al. 2 de la loi genevoise sur la procédure administrative du 12 septembre 1985. Force est dès lors de constater que l'exercice de sa profession est interrompu depuis quelque neuf mois déjà et que la reprise d'activité escomptée ne pourra pas intervenir, le cas échéant, avant droit connu sur le recours actuellement pendant. A cet égard, rien n'indique que cette cause soit actuellement en état d'être jugée et il faut compter encore avec l'éventualité d'un recours au Tribunal fédéral.
Il est constant également que le recourant était détenu au moment de l'exécution de la saisie, en octobre 1992, et qu'il l'était encore quatre mois après, lors du dépôt du présent recours. Les chefs d'inculpation retenus contre lui peuvent en outre l'exposer à de graves peines de réclusion ou d'emprisonnement (cf. notamment
art. 122 ss, 148 et 164 CP
).
c) Dans ces circonstances, l'autorité cantonale était fondée à admettre que le recourant était empêché durablement, et non pas seulement momentanément, d'exercer sa profession de médecin, de sorte que la voiture Mercedes-Benz et les meubles garnissant le cabinet médical n'avaient plus de caractère insaisissable en tant qu'outils de travail. Elle n'a en conséquence nullement violé la règle d'insaisissabilité posée à l'
art. 92 ch. 3 LP
, telle qu'elle a été précisée plus haut.
Cela étant, il n'est pas nécessaire d'examiner encore si, comme le prétend le recourant à propos du véhicule automobile, il était "singulier" de la part de l'autorité de surveillance de tirer argument - par surabondance - de la proximité du domicile privé et du cabinet médical.
| null |
nan
|
fr
| 1,993 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a9effa41-7582-4bdc-9fd1-70ea2abb51f0
|
Urteilskopf
111 Ib 287
52. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 17 décembre 1985 dans la cause Electricité Neuchâteloise S.A. (ENSA) contre Louis Jacot et consorts et Commission fédérale d'estimation du 5e arrondissement (recours de droit administratif)
|
Regeste
Art. 19 lit. b EntG
; Enteignungsentschädigung für die Auferlegung von Durchleitungsrechten für eine Hochspannungsleitung und die Einräumung von Baurechten für die Leitungsmasten.
Die sog. Differenzmethode (Verkehrswert des unbelasteten Grundstücks minus Verkehrswert des servitutsbelasteten Grundstücks) kann in den Fällen, in denen landwirtschaftlicher Boden bloss mit Durchleitungsrechten und Baurechten für die Masten belastet wird, kaum Anwendung finden. Aus diesem Grund haben der Verband Schweizerischer Elektrizitätswerke (VSE) und der Schweizerische Bauernverband (SBV) die gemeinsamen Empfehlungen "Entschädigungsansätze für elektrische Freileitungen" herausgegeben. Inhalt und Tragweite dieser Empfehlungen (Ausgabe 1978).
|
Sachverhalt
ab Seite 287
BGE 111 Ib 287 S. 287
En vue d'acquérir les droits nécessaires à la construction d'une nouvelle ligne électrique de 150 kV entre sa station transformatrice de Planchamps et celle de Pierrabot, la société Electricité Neuchâteloise S.A. (ci-après: ENSA) a requis du Président de la Commission fédérale d'estimation du 5e arrondissement l'ouverture d'une procédure d'expropriation contre divers propriétaires fonciers des communes de Corcelles-Cormondrèche et de Rochefort.
BGE 111 Ib 287 S. 288
Selon les plans et tableaux d'expropriation, la demande de l'ENSA tendait à la constitution de simples servitudes de passage sur les parcelles de Louis Jacot (distance de survol de la ligne: 110 m), de Jean-Joël et Gabriel Staehli (distance survolée: 475 m), de Samuel Staehli (distance survolée: 80 m) et de Hans Schaer (distance survolée: 210 m). La création de droits de superficie était en outre envisagée sur les terrains de Louis Jacot et de Jean-Joël et Gabriel Staehli pour l'implantation de deux pylônes.
Par décision du 14 mai 1982, le Département fédéral des transports, des communications et de l'énergie a accordé à l'ENSA, pour une durée de 50 ans, le droit d'expropriation requis.
Le 25 octobre 1983, la Commission fédérale d'estimation a fixé les indemnités dues aux expropriés, en se fondant sur les "Normes d'indemnisation relatives aux lignes électriques aériennes", édition 1978, émises en commun par l'Union des Centrales Suisses d'Electricité (UCS) et l'Union Suisse des Paysans (USP). Elle a toutefois tenu compte du renchérissement (5% par année) en portant les indemnités prévues par ces normes de 4 à 5 francs par mètre courant pour le passage de la ligne et de 3'420 à 4'275 francs par pylône. Louis Jacot, Jean-Joël et Gabriel Staehli ont obtenu en outre l'allocation d'une indemnité pour dommages causés aux cultures lors de l'installation des pylônes, somme arrêtée à 100 francs pour le premier et à 500 francs pour les seconds. La Commission a enfin mis les frais à la charge de l'expropriante ENSA et condamné celle-ci à payer aux expropriés une somme de 11'395 francs à titre de dépens.
Le Tribunal fédéral a admis partiellement le recours de droit administratif formé à l'encontre de cette décision par l'ENSA, en réduisant les indemnités d'expropriation (de 4'925 à 3'450 francs pour Jacot, de 7'150 à 5'542 francs pour J.-J. et G. Staehli, de 400 à 320 francs pour S. Staehli et de 1'050 à 840 francs pour Schaer) et en ramenant l'indemnité de dépens de 11'395 à 3'000 francs. Il a rejeté le recours pour le surplus et mis les frais à la charge de la recourante, sans allouer de dépens pour la procédure devant le Tribunal fédéral.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
En principe, c'est sur la base de l'
art. 19 lettre b LEx
que doit être déterminée l'indemnité due pour la constitution, par voie d'expropriation, d'une servitude sur un bien-fonds, car cette
BGE 111 Ib 287 S. 289
dernière en tant que telle n'est pas objet de marché et n'a donc pas de valeur vénale. L'indemnité correspond alors à la différence entre la valeur vénale du fonds libre de servitude et la valeur vénale du fonds grevé de la servitude (
ATF 102 Ib 176
consid. 2). Dans le cas d'une ligne électrique aérienne, l'application de ce mode de calcul s'impose généralement lorsque l'expropriant demande la constitution d'une servitude de non-bâtir sur des terrains constructibles. S'agissant en revanche, comme en l'espèce, d'une simple servitude de passage à travers des terrains agricoles, le recours à la méthode de la différence n'est pas envisageable, car il est difficile d'apprécier avec certitude les incidences réelles de la ligne sur la valeur vénale agricole du fonds. L'on se heurte à la même difficulté pour fixer l'indemnité résultant de la construction et de l'entretien de treillis ou de pylônes; l'estimation devrait se fonder ici plutôt sur la perte de revenu agricole (capitalisée) de la surface occupée et l'entrave supplémentaire qu'entraîne pour l'exploitation normale du bien-fonds la présence de telles installations, qui constituent des obstacles. C'est pour cette raison que l'Union Suisse des Paysans (USP) et l'Union des Centrales Suisses d'Electricité (UCS) sont convenues de poser, dans leurs normes 1978, les principes d'une indemnisation forfaitaire. Pour ce qui est des droits de superficie, ces normes distinguent d'une part la nature des biens-fonds (terres cultivées ou prairies) et l'intensité de la culture, d'autre part les types de pylônes et la durée de la servitude; en ce qui concerne le passage de la ligne, elles font une différenciation selon les types de lignes, la largeur de la bande de terrain survolée (égale à la distance entre les conducteurs extérieurs) et la durée du droit.
L'accord USP/UCS repose manifestement sur l'idée que l'on ne peut pas déterminer les inconvénients causés aux biens-fonds avec suffisamment d'exactitude et à un coût raisonnable de cas en cas et que, de toute façon, il n'est pas aisé d'apporter la preuve, dans une espèce donnée, de l'existence d'un dommage économique supérieur à celui présumé dans les normes. Le Tribunal fédéral et la Commission fédérale d'estimation ne sont pas à proprement parler liés par de telles directives; ils n'ont cependant aucune raison de ne pas s'y référer, s'agissant de règles établies avec le concours de spécialistes et avec l'accord des associations intéressées. Leur applicabilité de principe n'est d'ailleurs pas contestée dans le cas particulier.
|
public_law
|
nan
|
fr
| 1,985 |
CH_BGE
|
CH_BGE_003
|
CH
|
Federation
|
a9f91070-41a0-4fdc-8e82-004f8dd21401
|
Urteilskopf
93 IV 14
5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Februar 1967 i.S. Philippin gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden.
|
Regeste
Art. 148 StGB
.
Art. 513 OR
schliesst Betrug bei Spielgeschäften, insbesondere die betrügerische Erwirkung von Darlehen zu Spielzwecken nicht aus.
|
Sachverhalt
ab Seite 14
BGE 93 IV 14 S. 14
Aus dem Tatbestand:
Der im Kanton Nidwalden wohnhafte Schweizerbürger Philippin besuchte im Herbst 1963 die Spielbank im Casino von Evian. Nachdem er eine grössere Geldsumme verloren hatte, liess er sich von der Casinoverwaltung in mehreren Malen Spielmarken (Jetons) im Gesamtwert von rund 60'000 NF auf Kredit geben. Nach Spielschluss behielt er den Gegenwert der ihm verbliebenen Spielmarken, ungefähr 7000 NF, und übergab der Casinokasse für die erhaltenen Vorschüsse von zusammen 55'000 Schweizerfranken einen auf die Nidwaldner Kantonalbank gezogenen Bankcheck, obschon er entschlossen war, die Darlehen nicht zurückzuzahlen. Es wurde daher in der Folge gegen Philippin Strafanzeige wegen Betruges eingereicht.
Das Obergericht des Kantons Nidwalden verurteilte Philippin am 14. Juli 1966 wegen Betruges (
Art. 148 Abs. 1 StGB
) zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe. Der Verurteilte machte mit der Nichtigkeitsbeschwerde unter anderem geltend, die Spielbank habe auf Grund von
Art. 513 OR
nicht arglistig getäuscht und somit nicht betrogen werden können.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Nach
Art. 513 OR
entsteht aus Spiel keine klagbare Forderung, ebenso aus Darlehen und Vorschüssen, die wissentlich zum Zwecke des Spiels gegeben und verwendet wurden, kein klagbarer Anspruch auf Rückzahlung. Das Leistungsversprechen begründet lediglich eine unvollkommene Obligation mit der Wirkung, dass die Schuldverpflichtung durch freiwillige
BGE 93 IV 14 S. 15
Zahlung des Schuldners gültig erfüllt werden kann, das Recht des Gläubigers auf Leistung aber nicht erzwingbar ist (
Art. 514 OR
).
Die zivilrechtliche Unklagbarkeit von Spielforderungen schliesst Betrug bei Spielgeschäften entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht aus. Der Spieler, der in der Absicht, sich unrechtmässig zu bereichern, die Spielbank durch Vortäuschung seines Zahlungswillens zur Gewährung von Vorschüssen veranlasst, wird nach
Art. 148 StGB
bestraft, weil er die Leistung, auf die er keinen Anspruch hat, durch das unerlaubte Mittel der arglistigen Irreführung erwirkt hat. Demgegenüber ist strafrechtlich ohne Belang, dass Spielforderungen nicht klagbar sind und die Spielbank in Kenntnis davon leistete. Arglistig getäuscht wird sie gleichwohl dadurch, dass sie in den Irrtum versetzt wird, der Spieler sei willens, die Gegenleistung trotz der Unklagbarkeit der Forderung freiwillig zu erbringen, und geschädigt ist sie, weil sie, ohne dass sie die Gegenleistung erhält, im Vertrauen auf das vorgetäuschte Rückzahlungsversprechen vorgeleistet hat. Betrug liegt in einem solchen Falle unabhängig davon vor, ob der Geldgeber die Rückzahlung des Darlehens zivilrechtlich erzwingen kann oder nicht.
Art. 513 OR
ermöglicht dem Spielschuldner nur, der Forderung aus dem Spielgeschäft die Einrede der Unklagbarkeit entgegenzuhalten, berechtigt ihn aber nicht, den Spielpartner durch die unwahre Angabe, die Einrede nicht zu erheben und tatsächlich zu leisten, arglistig zu einer Vorleistung zu bestimmen. Der darin liegende Betrug wird durch
Art. 513 OR
nicht für erlaubt erklärt, und ebensowenig wird die Strafbarkeit der Tat dadurch aufgehoben, dass der Betrogene seine Leistung nicht auf dem Klageweg zurückfordern kann. Betrug wird übrigens um der öffentlichen Ordnung willen selbst dann bestraft, wenn ihm ein rechtswidriges Geschäft zugrundeliegt, aus dem der Geschädigte zivilrechtlich überhaupt keinen Anspruch gegen den Betrüger ableiten kann (
BGE 69 IV 77
,
BGE 73 IV 172
,
BGE 92 IV 176
). Umsomehr ist die Betrugsbestimmung anzuwenden, wenn der Betrogene durch ein Leistungsversprechen irregeführt wird, das an sich gültig und lediglich nicht klagbar ist.
| null |
nan
|
de
| 1,967 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
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CH
|
Federation
|
a9fd8baf-fe42-41b7-871a-a66298a44a0e
|
Urteilskopf
116 III 10
4. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 2. März 1990 i.S. C. (Rekurs)
|
Regeste
Arrest für Unterhaltsansprüche (
Art. 93, 275 SchKG
).
In das Existenzminimum des Schuldners darf nur eingegriffen werden, wenn der Arrest von unterhaltsberechtigten Familienmitgliedern des Schuldners verlangt wird. Demgegenüber ist dieser Eingriff unzulässig, wenn als Gläubiger das Gemeinwesen auftritt, das sich den Unterhaltsanspruch gestützt auf
Art. 289 Abs. 2 ZGB
hat abtreten lassen - und dies selbst dann, wenn dem Schuldner vorzuwerfen wäre, dass er bei gutem Willen ein höheres Einkommen erzielen könnte.
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Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 116 III 10 S. 11
A.-
Die Stadtgemeinde Zürich ist für Unterhaltsbeiträge, die sie zugunsten des 1966 geborenen Sohnes Umberto des Rekurrenten C. bevorschusst hat, nach Massgabe von
Art. 289 Abs. 2 ZGB
in die Rechte des gesetzlichen Vertreters eingetreten. Sie erwirkte für ihre Forderung von Fr. 10'608.75 nebst Zins zu 5% seit 21. November 1988 einen Arrestbefehl, in welchem das Guthaben von C. aus Teilinvalidenrente bei der Migros-Pensionskasse als Arrestgegenstand bezeichnet wird. Am 21. August 1989 wurde vom Betreibungsamt der Arrest am Sitz der Migros-Pensionskasse vollzogen.
B.-
Über diesen Arrestvollzug beschwerte sich C. beim Bezirksgericht Zürich als unterer Aufsichtsbehörde über die Schuldbetreibungs- und Konkursämter und stellte den Antrag, der Arrest sei infolge Eingriffs in das Existenzminimum des Schuldners unverzüglich aufzuheben.
Das Bezirksgericht stellte in seinem Beschluss vom 6. Oktober 1989 fest, dass ein Eingriff in das Existenzminimum vorliege; das sei trotz dem Sonderfall einer Betreibung auf Unterhaltsbeiträge unzulässig, weil hier nicht der Berechtigte selber, sondern das Gemeinwesen Gläubiger sei. Infolgedessen hiess das Bezirksgericht die Beschwerde gut und hob den Arrest auf.
Das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs hielt indessen dafür, dass der Arrestschuldner zwar leistungsfähig, aber nicht leistungswillig sei. Es liege, da der Beschwerdeführer mehr verdienen könnte, kein Eingriff in das Existenzminimum vor. Der von der Stadtgemeinde Zürich erhobene Rekurs wurde demnach gutgeheissen und das Betreibungsamt angewiesen, das bei der
BGE 116 III 10 S. 12
Migros-Pensionskasse arrestierte Guthaben von C. nach Massgabe der Arresturkunde in Beschlag zu lassen.
C.-
Der Arrestschuldner C. rekurrierte gegen diesen Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 12. Januar 1990 an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Diese hiess den Rekurs gut und hob den am 21. August 1989 vollzogenen Arrest auf aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Das Obergericht des Kantons Zürich geht von der schon von der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde festgestellten Tatsache aus, dass sich das monatliche Einkommen des Rekurrenten (einschliesslich der streitigen Teilinvalidenrente) auf Fr. 935.-- belaufe, währenddem sein Existenzminimum Fr. 995.-- betrage. Zu einem Eingriff in das Existenzminimum käme es deshalb auf jeden Fall, wenn ein Teil des Einkommens des Rekurrenten - was immer die konkrete Quote sein mag - arrestiert würde. Mit Berechtigung weist deshalb der Rekurrent auf die Ungereimtheit im angefochtenen Beschluss (E. 3c) hin, die darin besteht, dass das Obergericht sagt, es liege kein Eingriff in das Existenzminimum vor.
Zu prüfen ist also, wie das Obergericht an anderer Stelle ausführt, ob in das Existenzminimum des Rekurrenten eingegriffen werden darf, weil die Stadtgemeinde Zürich Arrest legen möchte, um die ihr aufgrund von
Art. 289 Abs. 2 ZGB
zustehende Forderung durchzusetzen.
2.
Nach der Rechtsprechung (
BGE 106 III 18
ff.,
BGE 111 III 15
E. 5 mit Hinweisen; vgl. auch AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988,
§ 23, N 57
ff.) kann in das Existenzminimum des Schuldners eingegriffen werden, wenn als betreibende Gläubiger Familienmitglieder des Schuldners auftreten, die ihn für Unterhaltsforderungen aus dem letzten Jahr vor Zustellung des Zahlungsbefehls belangen. Doch ist ein solcher Eingriff nur zulässig, wenn das Einkommen des Gläubigers mit Einschluss der Alimentenforderung zur Deckung seines eigenen Notbedarfs nicht ausreicht. Dabei ist der Eingriff so zu bemessen, dass sich der Schuldner und der Gläubiger im gleichen Verhältnis einschränken müssen.
Diese Rechtsprechung hat das Obergericht bei der Fällung des angefochtenen Entscheides vor Augen gehabt. Es hat insbesondere
BGE 116 III 10 S. 13
auch nicht verkannt, dass in
BGE 106 III 18
ff. an den schon in
BGE 63 III 117
f. aufgestellten Grundsatz erinnert wurde, wonach das Privileg der Unterschreitung des Notbedarfs auf den persönlich betreibenden Unterhaltsgläubiger zu beschränken ist. Das Privileg darf nach dieser Rechtsprechung weder auf Dritte, die sich die Unterhaltsforderung abtreten liessen - wie etwa die Armenbehörde -, noch auf andere Ansprüche als Alimentenforderungen ausgedehnt werden.
Nun wirft aber die obere kantonale Aufsichtsbehörde dem Rekurrenten vor, dass es ihm am Leistungswillen fehle, der ihn dazu befähigen würde, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Das erklärt die Auffassung des Obergerichts, dass im vorliegenden Fall kein Eingriff in das Existenzminimum vorliege; denn ein solcher - führt das Obergericht aus - liege streng genommen beim leistungsunwilligen Schuldner nur vorübergehend vor, bis dieser seine Lebens- und Einkommensverhältnisse seinen Verpflichtungen angepasst habe. Das Obergericht hat es deshalb als gerechtfertigt betrachtet, die Rechtsprechung des Bundesgerichts dahingehend "zu präzisieren, dass auch das bevorschussende Gemeinwesen bei zwar leistungsfähigen, aber nicht leistungswilligen Unterhaltsschuldnern in deren Existenzminimum eingreifen darf".
3.
Die Überlegung des Obergerichts des Kantons Zürich scheint - ohne dass es ausdrücklich gesagt würde - von der für die eheliche Unterhaltspflicht entwickelten Regel inspiriert zu sein, dass der Ehemann nicht nur unterhaltspflichtig ist, wenn er tatsächlich ein Einkommen hat, sondern auch, wenn er bei gutem Willen ein solches haben könnte (
BGE 110 II 117
E. 2a; Kommentar HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N 22 zu
Art. 163 ZGB
, N 20 zu
Art. 176 ZGB
; NÄF-HOFMANN, Das neue Ehe- und Erbrecht im Zivilgesetzbuch, 2. Auflage Zürich 1989, N 189, S. 30; Kommentar LEMP, N 21 und 25 zu Art. 160 aZGB).
Indessen lässt sich diese Regel nicht unbesehen auch auf den Fall anwenden, wo ein Gemeinwesen, das sich den Unterhaltsanspruch gestützt auf
Art. 289 Abs. 2 ZGB
hat abtreten lassen, einen leistungsunwilligen Unterhaltspflichtigen betreibt oder - wie im vorliegenden Fall - den Arrestvollzug verlangt. Wird nämlich bei der Festsetzung der Unterhaltspflicht dem Pflichtigen vom Richter entgegengehalten, dass er bei gutem Willen mehr verdienen und infolgedessen eine grössere Unterhaltsleistung erbringen könnte, so ist dieser Pflichtige in der Regel zahlungsfähig; der Unterhaltsbeitrag, um den gestritten wird, bewegt sich mehr oder weniger
BGE 116 III 10 S. 14
deutlich über dem Existenzminimum des Pflichtigen. Demgegenüber geht es beim Eingriff in den Notbedarf an das Mark der wirtschaftlichen Existenz überhaupt.
Der Gesetzgeber hat daher das Einkommen des Schuldners - insbesondere auch Renten von Versicherungskassen, wie im vorliegenden Fall eine mit Arrest belegt worden ist - von der Pfändung und damit auch vom Arrest ausgeschlossen, insoweit es nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie unumgänglich notwendig ist (
Art. 93 und 275 SchKG
). Von dieser grundlegenden Vorschrift des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts hat die Rechtsprechung eine Ausnahme zugelassen, indem sie bei Unterhaltsforderungen des unmittelbar Berechtigten den Eingriff in den Notbedarf erlaubt hat. Sie hat aber zugleich dem Eingriff Grenzen gesetzt, indem sie ihn von der Voraussetzung abhängig gemacht hat, dass das Einkommen des Gläubigers zur Deckung seines eigenen Notbedarfs nicht ausreiche; trifft dies zu, so sollen sich Schuldner und Gläubiger im gleichen Verhältnis einschränken müssen (
BGE 106 III 19
E. 1,
BGE 111 III 15
E. 5 mit weiteren Hinweisen). Die Ausnahme ist also klar erkennbar von einer sozialpolitischen Überlegung bestimmt, die bezüglich des Gemeinwesens nicht gilt, weil dieses sich nie in einer dem Rentenberechtigten vergleichbaren Notlage befindet.
Würde der Auffassung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde gefolgt, so würde somit für den Eingriff in das Existenzminimum nicht nur die neue Voraussetzung geschaffen, dass der unterhaltspflichtige Schuldner leistungsunwillig sei, sondern auch die bisher von der Rechtsprechung verlangte Voraussetzung fallengelassen, dass das Einkommen des Gläubigers mit Einschluss der Alimentenforderung zur Deckung seines eigenen Notbedarfs nicht ausreiche.
4.
Hält nach dem Gesagten der angefochtene Beschluss vor Bundesrecht nicht stand, so vermögen daran auch die an sich verständlichen Gründe, die das Obergericht des Kantons Zürich für den Eingriff in das Existenzminimum des leistungsunwilligen Unterhaltspflichtigen im wesentlichen anführt, nichts zu ändern:
Es trifft zu, dass der Unterhaltspflichtige Nutzen daraus zieht, dass die von ihm nicht erbrachten Unterhaltsleistungen von der öffentlichen Hand bevorschusst werden, wenn bei der Zwangsverwertung gegen ihn - im Gegensatz zum Pflichtigen, der unmittelbar vom Unterhaltsberechtigten belangt wird - nicht in das Existenzminimum eingegriffen werden kann. Das ändert aber nichts
BGE 116 III 10 S. 15
daran, dass die Bevorschussung in erster Linie dazu dient, den Notbedarf auf seiten des Unterhaltsberechtigten zu decken. Ist der Notbedarf des Berechtigten gedeckt, so ist der Eingriff in das Existenzminimum des unterhaltspflichtigen Schuldners, sei dieser leistungswillig oder nicht, unzulässig.
Die im angefochtenen Beschluss zitierte Stelle aus dem Kommentar HEGNAUER (N 102 zu Art. 272 aZGB) und die dort zitierte Judikatur und Literatur beziehen sich auf das Eintrittsrecht der Armenpflege, die anstelle der Eltern den Unterhalt des Kindes bestreitet, und hat damit grundsätzlich nichts anderes zum Gegenstand, als was jetzt durch Gesetz in
Art. 289 Abs. 2 ZGB
geregelt ist. Wenn der Kommentator einfügt: "soweit der Unterhaltspflichtige leistungsfähig ist", so hat er damit nicht zwischen dem leistungswilligen Schuldner und jenem, der es nicht ist, unterschieden.
Wer aus bösem Willen, aus Arbeitsscheu oder aus Liederlichkeit die familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber seinen Angehörigen nicht erfüllt, wird nach Massgabe des vom Obergericht zitierten
Art. 217 StGB
bestraft. Doch hat die Rechtsprechung den Eingriff in den Notbedarf des unterhaltspflichtigen Schuldners nicht gestattet, weil sie damit der Missbilligung, welche die Rechtsordnung der Vernachlässigung familienrechtlicher Unterhaltspflichten angedeihen lässt, Ausdruck verleihen wollte. Vielmehr liegt der Rechtsprechung - wie oben dargelegt - die sozialpolitische Überlegung zugrunde, dass Schuldner und Gläubiger der gleich schweren wirtschaftlichen Einschränkung unterliegen sollen, wenn beider Einkommen den Notbedarf nicht zu decken vermag. Bei solcher Bedrängnis ist für Überlegungen pönalen Charakters kein Raum.
| null |
nan
|
de
| 1,990 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
a9ff4101-e492-4700-bccf-cecd6752e90d
|
Urteilskopf
125 V 183
27. Arrêt du 20 mai 1999 dans la cause F. X contre Caisse-maladie CPT et Tribunal administratif du canton de Genève
|
Regeste
Art. 84 Abs. 2,
Art. 97 ff. und
Art. 128 OG
;
Art. 65 KVG
: Rechtsmittelweg.
Gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid betreffend die Rückerstattung von in Form von Prämienverbilligungen gewährten Zuschüssen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig.
In diesem Zusammenhang nicht entscheidend ist, dass sich der kantonale Entscheid auf eine bundesrechtliche Rückerstattungsnorm, im konkreten Fall auf
Art. 47 AHVG
, stützt.
|
Sachverhalt
ab Seite 183
BGE 125 V 183 S. 183
A.-
Jusqu'au 31 décembre 1996, les frères F. X et S. X étaient assurés auprès de la Caisse-maladie CPT, notamment pour l'assurance obligatoire des soins. Pour l'année 1996, ils ont bénéficié de réductions des primes de l'assurance-maladie en faveur des assurés de condition économique modeste. Pour le premier semestre de cette année, ils ont reçu 60 francs par mois et par personne. Dès le 1er juillet 1996, la CPT n'a plus facturé de primes dues au titre de l'assurance obligatoire des soins.
Le 3 mars 1997, elle a envoyé à F. X un chèque de 534 fr. 85. Ce montant correspondait aux primes pour l'assurance obligatoire des deux frères pour les mois de juillet à septembre 1996 (677 fr. 40), sous déduction de participations aux frais, de 111 fr. 95 et de 21 fr. 60 respectivement, et d'une différence de primes de 9 francs en faveur de la caisse.
La caisse s'est ensuite rendue compte que les deux frères avaient bénéficié, par ce remboursement, d'une double réduction de primes pour les mois de juillet à septembre 1996. Le 3 février 1998, elle a fait notifier à F. X un commandement de payer la somme de 677 fr. 40, avec intérêts à 5 pour cent l'an dès le 1er juillet 1997. Le poursuivi a fait opposition.
BGE 125 V 183 S. 184
Par décision du 16 mars 1998, la caisse a levé cette opposition et elle a déclaré F. X débiteur de la somme de 677 fr. 40, plus 63 fr. 90 de frais de poursuite et 25 fr. 40 d'intérêts moratoires.
F. X a formé opposition à cette décision. La CPT a rejeté l'opposition par une nouvelle décision, du 8 avril 1998, en détaillant comme il suit le montant de sa créance:
- Notre remboursement du 3 mars 1998:
534 fr. 85
- Différence entre cotisations
réclamées et cotisations payées:
9 fr.
- Participation du 18 juillet 1996:
111 fr. 95
- Participation du 6 février 1997:
21 fr. 60
----------
Total
677 fr. 40
B.-
Statuant le 10 novembre 1998, le Tribunal administratif du canton de Genève a rejeté le recours formé contre cette décision par F. X et il a prononcé la mainlevée définitive de l'opposition formée au commandement de payer par ce dernier jusqu'à concurrence de 677 fr. 40, avec intérêts à 5 pour cent l'an dès le 1er juillet 1997.
C.-
F. X interjette un recours de droit administratif contre ce jugement, dont il requiert principalement l'annulation, en demandant à être libéré de tout "remboursement". La CPT conclut au rejet du recours. Quant à l'Office fédéral des assurances sociales, il ne s'est pas déterminé à son sujet.
D.-
Simultanément à son recours de droit administratif, F. X a saisi le Tribunal fédéral d'un recours de droit public ayant le même objet. Par ordonnance du 9 mars 1999, le Président de la IIe Cour de droit public a suspendu la procédure de recours de droit public jusqu'à droit connu sur l'arrêt du Tribunal fédéral des assurances.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le Tribunal fédéral des assurances examine d'office la recevabilité des recours qui lui sont soumis (
ATF 124 V 298
consid. 1).
D'autre part, lorsque le recourant, comme en l'espèce, agit simultanément par la voie du recours de droit public et du recours de droit administratif, il convient, en vertu de la règle de la subsidiarité du recours de droit public énoncée à l'
art. 84 al. 2 OJ
, d'examiner en premier lieu la recevabilité du recours de droit administratif (
ATF 123 II 233
consid. 1,
ATF 122 II 375
consid. 1b).
2.
a) Selon l'
art. 128 OJ
, le Tribunal fédéral des assurances connaît en dernière instance des recours de droit administratif contre des décisions au
BGE 125 V 183 S. 185
sens des art. 97, 98 let. b à h et 98a OJ, en matière d'assurances sociales. Quant à la notion de décision pouvant faire l'objet d'un recours de droit administratif, l'
art. 97 OJ
renvoie à l'
art. 5 PA
. Selon le premier alinéa de cette disposition, sont considérées comme décisions les mesures prises par les autorités dans des cas d'espèce, fondées sur le droit public fédéral (et qui remplissent encore d'autres conditions, définies plus précisément par rapport à leur objet).
En revanche, c'est la voie du recours de droit public qui est ouverte contre des décisions fondées uniquement sur le droit cantonal et ne présentant pas un rapport de connexité étroit avec l'application du droit public de la Confédération (
ATF 124 II 414
consid. 1d/dd,
ATF 123 II 361
consid. 1a/aa).
b) Le montant de 534 fr. 85 dont la caisse demande la restitution concerne la réduction des primes de l'assurance obligatoire des soins au sens de l'
art. 65 LAMal
. Selon l'alinéa 1er de cette disposition, les cantons accordent des réductions de primes aux assurés de condition économique modeste. La Confédération accorde aux cantons des subsides annuels pour la réduction de ces primes (
art. 66 al. 1 LAMal
).
Dans le canton de Genève, ces réductions font l'objet de dispositions figurant aux art. 19 ss de la loi d'application de la loi fédérale sur l'assurance-maladie du 29 mai 1997, entrée en vigueur le 1er janvier 1998 (RS GE J 3 05) et qui remplace l'ancienne loi sur l'assurance-maladie obligatoire, le subventionnement des caisses-maladie et l'octroi de subsides en faveur de certains assurés des caisses-maladie du 18 septembre 1992. Le Conseil d'Etat genevois a pour sa part adopté le 15 décembre 1997 un règlement d'exécution de la loi du 29 mai 1997 (RS GE J 3 05.01). Ce règlement abroge un règlement transitoire d'application de la loi du 18 septembre 1992 (cf. RAMA 1999 no KV 56 p. 1). Il contient - comme le précédent - des dispositions sur le revenu déterminant (art. 10) et le montant des subsides (art. 11).
D'après la jurisprudence, les règles cantonales régissant la réduction de primes dans l'assurance-maladie constituent du droit cantonal autonome. Les conditions d'obtention de ces réductions ne sont pas réglées par le droit fédéral, qui ne définit pas, en particulier, la notion d'"assurés de condition économique modeste". Aussi un jugement cantonal de dernière instance ne peut-il, en ce domaine, être déféré au Tribunal fédéral des assurances par la voie du recours de droit administratif (
ATF 124 V 19
; RAMA 1999 no KV 56 p. 1; voir aussi
ATF 122 I 343
). En principe, le présent litige
BGE 125 V 183 S. 186
doit donc être exclusivement tranché sur la base du droit cantonal, si bien que seul le recours de droit public est ouvert dans ce cas.
c) Pour confirmer la décision de restitution de la caisse, les premiers juges s'appuient toutefois sur l'
art. 47 LAVS
, relatif à la restitution de rentes et allocations pour impotents de l'AVS indûment touchées, disposition légale dont le Tribunal fédéral des assurances a jugé (sous le régime de la LAMA) qu'elle s'appliquait par analogie en matière d'assurance-maladie, du moins en l'absence d'une réglementation statutaire idoine (
ATF 119 V 300
sv. consid. 4b/bb et les références citées). Mais la simple référence à cette disposition dans le jugement attaqué ne suffit pas pour admettre que celui-ci repose sur le droit fédéral. Dans la mesure où les règles qui mettent en oeuvre la réduction des primes de l'assurance-maladie obligatoire des soins relèvent exclusivement du droit cantonal, l'
art. 47 LAVS
ne saurait trouver application comme tel, mais peut tout au plus, dans ce contexte, être invoqué par analogie ou à titre de droit cantonal supplétif ou encore comme étant l'expression d'un principe général. Dans toutes ces éventualités, il devrait être considéré comme relevant du droit cantonal (
ATF 123 II 61
consid. 4a,
ATF 108 II 335
sv. consid. 3; GRISEL, Traité de droit administratif, p. 813).
d) Sur ce point, la législation genevoise ne contient certes pas de renvoi à l'
art. 47 LAVS
, qui permettrait de conclure à l'existence d'une norme de droit cantonal supplétif. Au contraire, l'art. 33 de la loi du 29 mai 1997 prévoit expressément l'obligation de restituer des subsides indûment versés, dans des termes d'ailleurs largement identiques à ceux de l'
art. 47 LAVS
. On notera que la loi du 18 septembre 1992 contenait également une semblable réglementation. Les premiers juges, implicitement tout au moins, ont donc écarté l'application du droit cantonal au profit du droit fédéral. Mais cette circonstance n'est pas décisive pour le choix de la voie de recours.
D'après la jurisprudence, le recours de droit administratif est recevable non seulement lorsque la décision se fonde sur le droit fédéral, mais aussi lorsqu'elle aurait dû se fonder sur le droit fédéral (
ATF 124 V 21
consid. 2a,
ATF 123 II 61
consid. 4a). A l'inverse, ce n'est pas la voie du recours de droit administratif, mais celle du recours de droit public, qui est ouverte lorsqu'une décision repose formellement, à tort, sur le droit fédéral en lieu et place du droit cantonal. Ce qui est déterminant, à cet égard, ce n'est pas la norme qui a été formellement appliquée par le juge cantonal mais celle qui aurait dû être appliquée compte tenu du rapport juridique litigieux (KÄLIN,
BGE 125 V 183 S. 187
Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2ème éd., p. 293 sv., note de bas de page 64; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2ème éd., p. 91). Une décision est donc fondée sur le droit cantonal ou est censée l'être, lorsque - comme en l'espèce - celui-ci règle le domaine à considérer de manière autonome par rapport au droit fédéral (voir aussi MARC FORSTER, Woran staatsrechtliche Beschwerden scheitern: zur Eintretenspraxis des Bundesgerichtes, in: RSJ 1993, p. 82). De même, la voie du recours de droit administratif n'est pas ouverte au seul motif que la décision attaquée violerait le droit fédéral ou que le recourant invoque une violation de ce droit (
ATF 112 V 113
consid. 2d).
Comme le relève KÄLIN (ibidem), il arrive que le Tribunal fédéral des assurances entre en matière sur un recours de droit administratif dirigé contre un jugement qui se fonde sur le droit fédéral de procédure, alors qu'il apparaît, en définitive, que ce droit n'exclut pas l'application de dispositions du droit cantonal; il en va ainsi, par exemple, en ce qui concerne la suspension des délais dans la procédure de première instance en matière d'assurance-accidents (
ATF 116 V 265
). Mais il existe dans ce cas un rapport de connexité étroit avec l'application du droit public de la Confédération (en l'occurrence il s'agissait des
art. 96 ss LAA
), qui fonde la recevabilité du recours de droit administratif. En l'espèce, un tel rapport de connexité fait défaut.
e) Dès lors, dans la mesure où il se prononce sur la restitution de 534 fr. 85 versés en trop à titre de réduction de primes, le jugement attaqué est fondé - ou aurait dû être fondé - sur le droit cantonal, de telle sorte que le recours de droit administratif est irrecevable.
3.
En revanche, en tant qu'il porte sur des participations aux coûts (
art. 64 LAMal
) et sur un solde de primes (
art. 61 ss LAMal
), le jugement attaqué se fonde sur le droit fédéral des assurances sociales (
art. 128 OJ
). Sur ces deux points, la voie du recours de droit administratif est donc ouverte.
Le recourant fait valoir que "les prétentions de la CPT ne sauraient s'exercer contre un débiteur unique". On peut en déduire qu'il conteste être le seul débiteur des montants qui lui sont réclamés par la caisse. Celle-ci admet d'ailleurs, à ce propos, que le montant de 111 fr. 95 réclamé par elle au titre de participation aux coûts concerne en réalité S. X. La caisse n'était dès lors pas fondée à réclamer cette somme au recourant. Peu importe que ce dernier soit apparu, ainsi qu'elle l'affirme, comme étant le "chef de famille" ou comme le représentant de son frère. En effet, comme l'exprime l'
art. 64 al. 1 LAMal
, les assurés participent au coût des prestations dont
BGE 125 V 183 S. 188
ils bénéficient. C'est donc sans conteste le bénéficiaire des prestations (en l'occurrence le frère du recourant) qui est le débiteur de la participation en cause.
Pour le reste, la prétention de la caisse, dans la mesure où elle porte sur les montants de 21 fr. 60 et de 9 francs, montants dont il y a lieu d'admettre, sur le vu des pièces, qu'ils sont dus par le recourant, n'apparaît pas contestable.
| null |
nan
|
fr
| 1,999 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
aa039999-9505-4a94-987a-ee7b2f285bb2
|
Urteilskopf
135 IV 191
27. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen A. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_112/2009 vom 16. Juli 2009
|
Regeste
aArt. 63 StGB i.V.m.
Art. 8 Abs.1 BV
, Strafzumessung; kein Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" unter Mittätern.
Zulässigkeit von Unterschieden in der Strafzumessungspraxis (E. 3.1).
Sind im gleichen Verfahren zwei Mittäter zu beurteilen, so kann es auch bei gleichem Tatbeitrag zu unterschiedlichen Strafen kommen, wenn sich die subjektive Verschuldensbewertung und die persönlichen Verhältnisse unterscheiden. Das richtige Verhältnis der Strafen unter Mittätern ist als Element der Strafzumessung zu berücksichtigen (E. 3.2).
Ist aus formellen Gründen nur über einen Mittäter zu urteilen, so hat der Richter sich zu fragen, welche Strafen er ausfällen würde, wenn er beide Mittäter gleichzeitig beurteilen müsste. Dabei ist der Richter nicht an das Urteil gegen den Mittäter gebunden. Er muss aber auf die Strafe des Mittäters Bezug nehmen und begründen, weshalb sich diese nicht als Vergleichsgrösse eignet. Es besteht kein Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht", wenn nach seiner Auffassung gegen den Mittäter eine zu milde Strafe ausgefällt wurde (E. 3.3).
Es ist unzulässig, eine als angemessen erachtete Freiheitsstrafe mit dem formalen Argument zu reduzieren, es bestehe ein Missverhältnis zur Strafe des Mittäters (E. 3.4).
|
Erwägungen
ab Seite 193
BGE 135 IV 191 S. 193
Aus den Erwägungen:
3.
Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung und die an sie gestellten Anforderungen wiederholt dargelegt. Darauf kann verwiesen werden (
BGE 134 IV 17
E. 2.1 S. 19 f;
BGE 129 IV 6
E. 6.1 S. 20 f.;
BGE 127 IV 101
E. 2c S. 105; je mit Hinweisen).
3.1
Gemäss aArt. 63 StGB (bzw.
Art. 47 StGB
) ist das Strafmass individuell nach dem Verschulden eines Täters im Rahmen des richterlichen Ermessens festzusetzen. Der Grundsatz der Individualisierung und der dem Sachrichter vom Gesetz bei der Strafzumessung eingeräumte weite Ermessensspielraum führen nach der Rechtsprechung notwendigerweise zu einer gewissen, vom Gesetzgeber in Kauf genommenen Ungleichheit. Unterschiedliche Gewichtungen der massgebenden Faktoren sind zudem Folge der Unabhängigkeit des Richters, der weiten Strafrahmen, der freien Beweiswürdigung sowie des erheblichen Ermessens des Sachrichters. In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass selbst gleich oder ähnlich gelagerte Fälle sich durchwegs massgeblich in zumessungsrelevanten Punkten unterscheiden. Die aus diesen Umständen resultierende Ungleichheit in der Zumessung der Strafe reicht für sich allein nicht aus, um auf einen Missbrauch des Ermessens zu schliessen. Es ist nicht Sache des Bundesgerichts, für eine peinlich genaue Übereinstimmung einzelner Strafmasse zu sorgen. Es hat lediglich für eine korrekte Anwendung von Bundesrecht besorgt zu sein. Soweit die Strafe innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens, gestützt auf alle wesentlichen Gesichtspunkte und im Rahmen des richterlichen Ermessens festgesetzt wurde, sind Unterschiede in der Strafzumessungspraxis innerhalb dieser Grenzen als Ausdruck unseres Rechtssystems hinzunehmen (eingehend
BGE 123 IV 150
E. 2a mit Hinweisen; ferner Urteil 6S.460/1999 vom 2. September 1999 E. 2b mit Hinweis).
3.2
Hat der Sachrichter im gleichen Verfahren zwei Mittäter zu beurteilen, so ist bei der Verschuldensbewertung mit zu berücksichtigen, in welchem gegenseitigen Verhältnis die Tatbeiträge stehen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und Gleichmässigkeit der Strafzumessung gebietet, dass sich jeder für den ihm zukommenden Anteil an der Unrechtmässigkeit der Tat zu verantworten hat. Ist der Tatbeitrag gleichwertig, so führt das zunächst zu einer gleichen (objektiven) Schuldeinschätzung. Erst wenn auch die subjektive Vorwerfbarkeit identisch ist und sich überdies namentlich die individuellen Täterkomponenten gleichmässig auswirken, drängt
BGE 135 IV 191 S. 194
sich die gleiche Strafe für beide Mittäter auf. Häufig liegen jedoch ungleiche Strafzumessungsfaktoren vor, weil sich die subjektive Verschuldensbewertung oder die persönlichen Verhältnisse unterscheiden. In diesen Fällen kann es zu unterschiedlichen Strafen kommen. Der Grundsatz der Gleichmässigkeit ist nur verletzt, wenn es der Richter bei der Festlegung der einzelnen Strafen unterlässt, im Sinne einer Gesamtbetrachtung beide Strafzumessungen in Einklang zu bringen. Die Berücksichtigung des richtigen Verhältnisses der Strafe zu derjenigen des Mittäters kann als eigenes und zusätzliches Element der Strafzumessung betrachtet werden. aArt. 63 StGB (wie auch
Art. 47 StGB
) ist verletzt, wenn dieser Umstand unbeachtet bleibt oder falsch gewichtet wird. Das kann zur Folge haben, dass die Strafe des einen Mittäters angemessen und die andere unangemessen ist. Möglich ist aber auch, dass beide Strafen unvertretbar und damit an sich bundesrechtswidrig sind (vgl. Urteil 6S.410/2005 vom 7. Juni 2006 E. 17.4.2).
3.3
Ist aus formellen Gründen nur über einen Mittäter zu urteilen, während die Strafe des andern bereits feststeht, so geht es darum, einen hypothetischen Vergleich anzustellen. Der Richter hat sich zu fragen, welche Strafen er ausfällen würde, wenn er beide Mittäter gleichzeitig beurteilen müsste. Dabei hat er sich einzig von seinem pflichtgemässen Ermessen leiten zu lassen. Es wäre mit der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbar, müsste er sich gegen seine Überzeugung einem anderen Urteil anpassen. Der Richter findet sich in einer ähnlichen Ausgangslage, wenn er eine Zusatzstrafe zu einem früheren Urteil ausfällen muss (aArt. 68 Ziff. 2 StGB bzw.
Art. 49 Abs. 2 StGB
). Auch hier ist er in seiner Entscheidungsfreiheit nicht eingeschränkt und kann er frei befinden, wie die Strafe lauten würde, wenn er die strafbaren Handlungen gleichzeitig zu beurteilen hätte. Er ist bei der Festsetzung der Zusatzstrafe nicht an das erste Urteil gebunden (
BGE 132 IV 102
E. 8.2 S. 105). Die Autonomie des Richters kann zur Folge haben, dass die Strafen zweier Mittäter in einem Missverhältnis stehen. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich und hinzunehmen, solange die in Frage stehende Strafe als solche angemessen ist. Allerdings ist zu verlangen, dass in der Begründung auf die Strafe des Mittäters Bezug genommen und dargelegt wird, weshalb sich diese nicht als Vergleichsgrösse eignet. Ein Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" besteht grundsätzlich nicht. Die Rechtsprechung hat denn auch stets den Vorrang des Legalitätsprinzips vor dem Gleichheitsprinzip betont. Eine falsche Rechtsanwendung in einem Fall
BGE 135 IV 191 S. 195
begründet grundsätzlich keinen Anspruch, seinerseits ebenfalls abweichend von der Norm behandelt zu werden (
BGE 124 IV 44
E. 2c S. 47 mit Hinweis).
3.4
Die Vorinstanz hält ausdrücklich fest, dass eine Freiheitsstrafe von 6 Jahren angemessen ist. Sie macht sich dabei die Erwägungen der ersten Instanz zu eigen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners ist die Höhe der Strafe in Anbetracht des anzuwendenden Strafrahmens (1 bis 20 Jahre Freiheitsstrafe) nicht übersetzt und liegt insbesondere innerhalb des Ermessens. Der Beschwerdeführer hat sich in zweierlei Hinsicht der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gemacht, indem er einerseits eine grosse Menge Drogen einführte und verteilte (10,5 kg Kokaingemisch mit einem Reinheitsgehalt von 45 %, d.h. 4,725 kg reines Kokain) und anderseits als Mitglied einer Bande handelte. Er war zu verschiedenen Malen deliktisch tätig und verfolgte finanzielle Vorteile. Auch wenn er sich auf einer tiefen Hierarchiestufe ohne Mitbestimmungsrecht befand und relativ wenig verdiente, ist von einem mittleren Verschulden auszugehen. Auch wer nur Anweisungen ausführt, kann innerhalb eines Verteilungsnetzes eine wichtige und unabdingbare Rolle spielen, was einen erheblichen strafrechtlichen Vorwurf zu begründen vermag. Wenn die Vorinstanz festhält, die Strafe für den Mittäter B. sei zu milde, so bringt sie zum Ausdruck, dass jene Strafe in einem unrichtigen Verhältnis zur Strafe des Beschwerdegegners steht. Dass sie die Strafe des Mittäters nicht auf die ihres Erachtens angemessene - allerdings nicht bezifferte - Höhe anhebt, ist prozessual bedingt, weil das entsprechende Urteil unangefochten blieb. Dies ändert nichts daran, dass die erstinstanzlich ausgefällte Freiheitsstrafe von 6 Jahren auch aus Sicht der Vorinstanz unter Würdigung aller Umstände angemessen ist. Bei dieser Sachlage ist es unzulässig, die Strafe mit dem formalen Argument der fehlenden Relation zu reduzieren. Die Frage würde sich erst stellen, wenn die Strafe für den Beschwerdeführer zu beanstanden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Vorinstanz nimmt mit ihrem Entscheid letztlich eine "Gleichbehandlung im Unrecht" vor, was grundsätzlich nicht angeht. Es wäre im vorliegenden Fall stossend, wenn neben dem Mittäter auch der Beschwerdegegner von einer zu milden Strafe profitieren könnte, nur weil jenes Urteil nicht angefochten wurde. Einen Anspruch, mit einer unangemessen tiefen Strafe belegt zu werden, besteht offensichtlich nicht. Mit ihrem Vorgehen hat die Vorinstanz aArt. 63 StGB verletzt, weshalb die Beschwerde gutzuheissen ist.
| null |
nan
|
de
| 2,009 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
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aa0a41e2-6cf7-4eb5-a231-8c790d8df488
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Urteilskopf
91 II 218
33. Arrêt de la Ire Cour civile du 22 juin 1965 dans la cause Assurance mutuelle vaudoise et Kuonen contre Produit
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Regeste
Haftung des Halters beim Tod eines Mitfahrers. Genugtuung. Versorgerschaden. Art. 59 Abs. 2 und 62 Abs. 1 SVG, 45 Abs. 3 und 47 OR.
1. Die Rechtsprechung zum MFG hinsichtlich der Frage des Mitverschuldens des Geschädigten gilt auch bei der Anwendung von
Art. 59 Abs. 2 SVG
(Erw. 2 a.A.).
2. Verschulden des Halters, der eine Fahrt in betrunkenem Zustand unternimmt, und des Mitfahrers, der ihn davon nicht abzuhalten versucht. Abwägung der Schwere des beidseitigen Verschuldens. Erhöhung des von der kantonalen Instanz vorgenommenen Abzugs an der den Hinterbliebenen des getöteten Mitfahrers zugesprochenen Entschädigung für Versorgerschaden (Erw. 2 lit. a, b, c).
3. Herabsetzung des Schadenersatzanspruchs der Witwe wegen der Möglichkeit der Wiederverheiratung. Erhöhung des Abzugs von 25% auf 30% mit Rücksicht auf die gegebenen Umstände (Erw. 4).
4. Herabsetzung des Genugtuungsanspruchs der Witwe (Erw. 5).
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Sachverhalt
ab Seite 219
BGE 91 II 218 S. 219
Résumé des faits:
A.-
Léo Produit est décédé le 27 mars 1962 à la suite d'un accident d'automobile survenu dans la nuit du 23 au 24 mars, peu après minuit et demi, à l'extrémité est du quai d'Ouchy, à Lausanne. Il avait pris place dans le cabriolet Peugeot 403 de son ami Otto Kuonen, hôtelier à Martigny. Celui-ci, qui roulait à vive allure en direction du Valais, amorça le virage à gauche que décrit la chaussée à cet endroit, mais ne le termina pas; sa voiture s'emboutit violemment contre un arbre à droite de la route; les deux occupants furent éjectés et grièvement blessés.
La route, large de 9 m 30, est d'abord rectiligne sur quelque 800 m. Le virage à gauche est annoncé par un signal de danger et marqué à son entrée par un indicateur de direction placé sur un panneau à bandes réfléchissantes rouges et blanches. Elle est éclairée par des lampadaires placés à intervalles de 20 m. La chaussée est bombée et inclinée vers l'extérieur de la courbe. La vitesse est limitée à 60 km/h. Cette limitation est signalée régulièrement.
Partis de Martigny, leur domicile, après le repas de midi, Kuonen et Produit s'étaient rendus à Genève pour visiter le Salon de l'automobile. Au cours de l'après-midi, ils avaient bu chacun un apéritif "Rossi", puis ensemble 3 dl de vin rouge, en mangeant une assiette anglaise, et quelques verres de vin blanc. Sur le chemin du retour, ils s'étaient arrêtés dans la soirée à l'Hôtel du Château d'Ouchy où ils avaient pris un repas et commandé 3 dl. de vin rouge, qu'ils n'avaient pas bu entièrement. Peu avant minuit, ils avaient absorbé chacun deux whiskies offerts par le tenancier de l'établissement, un cousin de Kuonen.
A son arrivée à l'hôpital, le conducteur fut examiné par un médecin qui constata dans son haleine un "très fort foetor
BGE 91 II 218 S. 220
alcoolique" et qui releva un état agressif et oppositionnel, ainsi qu'une appréciation inadéquate de l'événement. A la question de savoir si le patient était sous l'influence de l'alcool, le praticien répondit qu'il y avait doute. L'analyse du sang prélevé deux heures après l'accident révéla une teneur en alcool de 1,85 g ‰.
Le 3 avril 1963, le Tribunal de police correctionnelle du district de Lavaux condamna Kuonen à quatre mois d'emprisonnement avec sursis pendant cinq ans et 2000 fr. d'amende pour homicide par négligence (art. 117 CP), conduite d'un véhicule automobile en étant pris de boisson (art. 59 LA), vitesse excessive (contravention à l'art. 1er ACF du 8 mai 1959 limitant la vitesse des véhicules automobiles) et perte de maîtrise de son véhicule (art. 25 LA).
Né en 1931, Produit exerçait la profession de mécaniciendentiste. Il était marié à Olga Schwestermann, née en 1933, et père de deux filles, Gisèle, née en 1957, et Monique, née en 1959.
B.-
Par demande du 28 décembre 1963, Olga Produit, agissant tant pour elle-même que pour ses deux filles mineures Gisèle et Monique, fit assigner solidairement Kuonen et l'Assurance mutuelle vaudoise contre les accidents, qui assurait le détenteur contre les risques de la responsabilité civile, en paiement de dommages-intérêts pour frais médicaux et funéraires, d'une indemnité pour perte de soutien et de la réparation du tort moral.
Les défendeurs conclurent au rejet de la demande.
Statuant le 24 novembre 1964, le Tribunal cantonal valaisan admit partiellement les conclusions des demanderesses.
Appréciant les preuves administrées, la juridiction cantonale admit en fait que l'absence de réaction du conducteur s'expliquait par une euphorie due à l'influence de l'alcool. Elle retint une faute grave à la charge de Kuonen. Elle considéra que Produit était transporté gratuitement et par complaisance (art. 59 al. 3 LCR), mais renonça à réduire l'indemnité pour ce motif. En revanche, elle opéra une réduction de 20% fondée sur la faute concomitante de la victime (art. 59 al. 2 LCR). En outre, elle diminua de 25% l'indemnité pour perte de soutien allouée à la veuve, en raison des chances de remariage.
C.-
L'Assurance mutuelle vaudoise et Kuonen saisirent le Tribunal fédéral d'un recours en réforme tendant à la réduction
BGE 91 II 218 S. 221
de certaines prestations allouées aux intimées. Celles-ci conclurent au rejet du recours.
Le Tribunal fédéral a admis les conclusions des recourants.
Erwägungen
Extrait des considérants
1.
Les recourants ne contestent pas qu'ils sont civilement responsables du dommage causé à Léo Produit, à sa veuve et à ses deux filles par l'accident d'automobile dont il a été la victime (art. 58 al. 1, 62 et 65 LCR). Ils ne s'élèvent pas non plus contre la décision cantonale retenant une faute à la charge du détenteur et conducteur Kuonen. Ils se bornent à prétendre que les premiers juges, appelés à fixer l'indemnité en tenant compte de toutes les circonstances (art. 59 al. 2 LCR), ont sous-estimé la faute concomitante de la victime et qu'ils se sont abstenus à tort de réduire l'indemnité en application de l'art. 59 al. 3 LCR, bien que le passager victime de l'accident fût transporté gratuitement et par complaisance.
2.
Malgré sa rédaction différente des art. 37 al. 2, 2e phrase, et 37 al. 3 LA, la disposition nouvelle de l'art. 59 al. 2 LCR n'a pas apporté de modification fondamentale à la réglementation antérieure (Message du Conseil fédéral du 24 juin 1955, FF 1955 II p. 48; Bulletin sténographique, Conseil National, 1957, p. 222 et 225; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht II/2, p. 632 n. 760). Aussi la jurisprudence rendue sous l'empire de la LA conserve-t-elle sa valeur. Or le Tribunal fédéral a jugé, à propos de la faute concomitante de la victime, qu'en principe, le risque inhérent à l'emploi d'un véhicule à moteur est supporté par le détenteur; à moins de motifs particuliers, il ne saurait être mis même partiellement à la charge du passager ou, s'il est décédé, des survivants; il en va différemment lorsque le risque normal est aggravé par des circonstances spéciales, telles que l'influence de la boisson ou le surmenage du conducteur, voire les aptitudes déficientes de celui-ci; dans ce cas, le passager qui connaissait ou qui aurait dû connaître, en usant d'une attention suffisante, le risque accru et qui néanmoins prend place dans le véhicule, verra ses prétentions réduites en raison de sa faute concomitante. Cette conclusion découle aussi de la règle suivant laquelle celui qui s'expose consciemment à un danger excédant la mesure ordinaire assume au moins en partie le risque d'accident (RO 84 II 296/7).
BGE 91 II 218 S. 222
a) En l'espèce, Kuonen a conduit sa voiture alors qu'il était sous l'influence de l'alcool. Au cours de l'après-midi et de la soirée, il avait bu un apéritif, du vin blanc, du vin rouge et surtout deux whiskies juste avant de reprendre le volant. La Cour cantonale estime que les quantités indiquées par lui sont probablement inférieures à la réalité. L'analyse du sang a révélé une alcoolémie de 1,85 g ‰. Une telle concentration d'alcool dépasse largement la limite de 0,8 g‰ à partir de laquelle la Cour de cassation pénale a admis, sur le vu d'un rapport général d'expertise élaboré par trois médecins, professeurs d'université,désignés par elle, qu'un conducteur est pris de boisson au sens de l'art. 91 al. 1 LCR (qui a remplacé l'art. 59 LA), indépendamment de son accoutumance à l'alcool et même si d'autres circonstances ne manifestent pas son état (RO 90 IV 159 et 224). Elle se trouve à la limite supérieure de la marge de 1 g à 1,8-2 g‰ dans laquelle les conducteurs de véhicules à moteur sont les plus dangereux, selon ALDER ("Blutproben zur Alkoholbestimmung", 3. Vortragstagung des ACS 1957 p. 28). Il résulte du jugement déféré que l'ivresse du conducteur était en relation de cause à effet avec l'accident qui a provoqué la mort de Produit. En outre, Kuonen a roulé à une allure exagérée, au mépris de la limitation de vitesse dûment signalée. Quoique la chaussée fût sèche, il a manqué un tournant à gauche bien éclairé, annoncé et signalé à son entrée de façon nettement visible. Il a finalement perdu la maîtrise de son véhicule. Kuonen a commis de la sorte une faute grave, qui s'ajoute à sa responsabilité causale de détenteur d'un véhicule automobile.
b) De son côté, Produit avait accompagné Kuonen durant tout l'après-midi et consommé les mêmes boissons que lui. Il savait par conséquent que son compagnon ne pouvait tenir le volant sans danger. Peu importe que le passager ne fût pas lui-même automobiliste. Le public en général est suffisamment informé aujourd'hui des risques que l'alcool fait courir aux usagers de la route. Si la visite du Salon de l'automobile n'était pas initialement une "journée de bombance", comme le relèvent les juges cantonaux, il n'en reste pas moins que Kuonen a bu une quantité d'alcool trop importante pour conduire ensuite un véhicule à moteur avec sécurité. Que son état ne fût prétendument pas apparent, cela ne saurait excuser l'imprudence du passager Produit. Le jugement ne constatant pas
BGE 91 II 218 S. 223
que celui-ci fût ivre, force est d'admettre qu'il était de sangfroid. Il devait alors se rendre compte de l'inaptitude de Kuonen à conduire. En l'accompagnant néanmoins dans sa voiture, sitôt après avoir bu deux whiskies, Produit a assumé le risque d'un accident. On pourrait même lui reprocher d'avoir commis une faute qui a contribué à causer le sinistre. En effet, il n'a pas cherché à dissuader son ami de boire de l'alcool, ni tenté, sachant ce qu'il avait bu, de l'empêcher de reprendre le volant. La faute de Produit apparaît dès lors elle aussi comme grave.
c) Assurément, lorsque le détenteur soumis à la responsabilité causale a commis également une faute, celle-ci compense en partie la faute concomitante de la victime. L'indemnité est alors réduite dans une mesure moindre que ne le justifierait la faute concomitante, considérée isolément. Toutefois, on ne saurait aller jusqu'à la "neutralisation" complète de la faute du lésé ou de la victime, proposée par certains auteurs (cf. OFTINGER, op.cit., I p. 241 et II/2 p. 628 et 631). Une pareille solution serait trop schématique. Elle empêcherait souvent le juge de fixer l'indemnité en tenant compte de toutes les circonstances, comme l'art. 59 al. 2 LCR lui enjoint de le faire. Il faut comparer la gravité respective des fautes en présence et, le cas échéant, des autres facteurs qui ont exercé une influence sur le dommage (cf. RUSCONI, Quelques considérations sur l'influence de la faute et du fait du lésé dans la responsabilité causale, RDS 1963 I p. 351, qui approuve DES GOUTTES-GAUTIER, Du rôle de la faute dans la responsabilité causale, JdT 1940 I 173; cf. aussi BUSSY, FJS 911 no 30 p. 14).
Appréciant les fautes respectives du détenteur et du lésé, le Tribunal fédéral a opéré une réduction maximale de 50%, avant l'entrée en vigueur de la LA, dans deux affaires où le passager s'était confié à un conducteur d'automobile ivre, malgré les avertissements de tiers (RO 40 II 279) et où un passager avait incité un mécanicien de garage à faire une course en voiture, avec une tournée d'auberges, en sachant qu'il n'avait pas de permis de conduire (RO 43 II 181). Plus généralement, les réductions s'élèvent à un quart ou un tiers, lorsque la faute du passager n'est pas particulièrement grave, soit qu'il se confie à un conducteur accablé d'une extrême fatigue (RO 58 II 139), soit qu'il se fasse transporter par un automobiliste sous l'influence de l'alcool (RO 79 II 397). Plus
BGE 91 II 218 S. 224
récemment, le Tribunal fédéral a réduit d'un tiers l'indemnité allouée à un passager, directeur de police d'une ville, qui avait pris place, au retour d'une partie de plaisir, dans la voiture conduite par un automobiliste pris de boisson, comme il l'était lui-même (RO 84 II 296-9, consid. 3).
En l'occurrence, la réduction de 20% opérée par la juridiction cantonale ne tient pas suffisamment compte de toutes les circonstances. Si la faute supplémentaire du détenteur, responsable causal, est très grave, celle du passager Produit est grave elle aussi. L'indemnité allouée aux survivants de la victime doit être réduite dans la proportion d'un tiers.
3.
La réduction pour faute concomitante de la victime étant portée au taux de 33 1/3%, demandé par les recourants, il est superflu d'examiner si le Tribunal cantonal a violé le droit fédéral en n'usant pas de la faculté, réservée au juge par l'art. 59 al. 3 LCR, de réduire l'indemnité en cas de transport gratuit et par complaisance.
4.
Les recourants jugent insuffisante la réduction de 25% opérée par la Cour cantonale sur l'indemnité pour perte de soutien allouée à la veuve en raison des chances de remariage. Selon la jurisprudence, la personne responsable doit réparer le dommage concret résultant de la perte de soutien. La réduction ne se justifie donc que si un nouveau mariage apparaît possible dans le cas particulier et dans la mesure où il améliorerait sensiblement la situation de la veuve. L'appréciation de cette possibilité dépend surtout des circonstances particulières, notamment l'âge, le caractère, la condition sociale, le milieu local, les attaches familiales, la santé, l'attrait physique et la situation économique de la femme en cause, et de sa volonté de se remarier. Les éléments à considérer sont constatés par le juge du fait. Saisi d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral ne modifiera la décision attaquée que si elle repose sur des prémisses erronées ou si elle apparaît contraire à l'expérience de la vie (RO 89 II 399 s., consid. 2).
Selon les premiers juges, dame Olga Produit n'envisage pas pour l'instant de se remarier. Originaire du Haut-Valais, elle s'est assez bien adaptée à la vie à Martigny, où elle a conservé son domicile après un essai infructueux de retour chez ses parents. Elle n'habite cependant le Valais romand que depuis quatre ans et ne s'y est pas encore acclimatée parfaitement. Mais ce léger inconvénient, qui s'atténuera rapidement, ne doit
BGE 91 II 218 S. 225
pas être surestimé. Devenue veuve à 28 ans, mère de deux fillettes dont aucune n'est malade, à la différence de l'espèce précitée (RO 89 II 400), dame Produit n'a établi aucune circonstance particulière de nature à rendre plus difficile pour elle de contracter une nouvelle union. A défaut d'éléments concrets, le juge peut recourir à l'aide des indications fournies par les statistiques. Or les Tables de capitalisation de STAUFFER/-SCHAEZLE (1e partie, chapitre V, p. 13 ss.), fondées sur les statistiques de la Caisse nationale, de même que l'Annuaire statistique de la Suisse 1951 (p. 59) montrent que les veuves âgées de 30 ans se remarient fréquemment. Comme dame Produit jouit d'une situation meilleure que la moyenne des femmes considérées par lesdites statistiques, généralement de condition modeste, il s'impose d'augmenter la réduction de l'indemnité pour chances de remariage en la portant au taux de 30%, requis par les recourants.
5.
Alors que l'indemnité pour tort moral de 4000 fr. allouée à chacun des deux enfants Gisèle et Monique Produit n'est pas critiquée, les recourants demandent que le montant alloué de ce chef à la veuve soit abaissé de 10 000 à 8000 fr. Selon l'art. 47 CO, auquel renvoie l'art. 62 al. 1 LCR, le juge peut, en tenant compte de circonstances particulières, allouer à la famille d'une personne décédée une indemnité équitable à titre de réparation du tort moral. Parmi les circonstances que le juge doit apprécier figure notamment la faute concomitante de la victime. Cette faute engendre la suppression ou la réduction de l'indemnité (RO 55 II 322, 62 II 57, 63 II 346). La juridiction cantonale se réfère à l'arrêt publié au RO 90 II 82, dont il ressort que la Cour civile vaudoise a alloué 12 000 fr. à une veuve, mère de sept enfants, qui avait perdu son mari, cycliste tué par un automobiliste pris de boisson, sans avoir lui-même commis aucune faute. Ce jugement n'avait pas été déféré au Tribunal fédéral sur ce point. S'il est vrai que, dans d'autres espèces, des montants de 10 000 fr., voire de 13 000 fr. ont été alloués, en l'absence de faute de la victime (RO 88 II 114, consid. 6, et 90 II 189, chiffre III), il ne faut pas perdre de vue que les indemnités sont sensiblement moins élevées lorsque la victime a commis une faute. Ainsi, la réparation du tort moral a été fixée à 5000 fr. dans une affaire où le conducteur de l'automobile et le passager tué lors de l'accident avaient tous deux commis une faute grave en abusant
BGE 91 II 218 S. 226
de l'alcool (RO 84 II 299/300, consid. 4). Même en tenant compte de la dépréciation de la monnaie, conformément à la jurisprudence récente (RO 89 II 25/6 et 90 II 82/3, consid. 2), la réduction demandée par la recourante apparaît fondée.
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public_law
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nan
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fr
| 1,965 |
CH_BGE
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CH_BGE_004
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CH
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Federation
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aa0afdc6-1d18-49a1-8757-cfbb2a464c90
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Urteilskopf
104 II 302
52. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1978 i.S. Gloor gegen Diem
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Regeste
1. Wirkungen des thurgauischen provisorischen Grundbuchs.
Seit dem 1. Januar 1912 (dem Inkrafttreten des Schweizerischen Zivilgesetzbuches) ist im Kanton Thurgau die ausserordentliche Ersitzung eines Fuss- und Fahrwegrechts ausgeschlossen (E. 3).
2. Notwegrecht (
Art. 694 ZGB
).
Auf ein Begehren betreffend Einräumung eines Notwegrechts ist nicht einzutreten, falls die Parteien sich über die Entschädigung nicht geeinigt haben und der Ansprecher die Entschädigungsfrage nicht zum Gegenstand des Rechtsbegehrens macht (E. 4).
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Sachverhalt
ab Seite 302
BGE 104 II 302 S. 302
Karl Gloor ist Eigentümer der beiden Parzellen Nrn 449 und 450 im Weiler Tonhueb, Gemeinde Hefenhofen, die mit Wohnhäusern überbaut sind und keinen direkten Zugang zur Gemeindestrasse haben. Er beansprucht ein Fuss- und Fahrwegrecht
BGE 104 II 302 S. 303
über die angrenzende Parzelle Nr. 448 des Jakob Diem. Am 6. April 1977 reichte er gestützt auf eine Weisung des Friedensrichteramtes Uttwil vom 11. März 1977 beim Bezirksgericht Arbon Klage ein mit folgendem Rechtsbegehren:
"1. Es sei festzustellen, dass zu Gunsten von Parzelle Nr. 449/450 im Grundbuch Hefenhofen und zu Lasten von Parzelle Nr. 448 im Grundbuch Hefenhofen ein nördlich der Scheune Nr. 223 und südlich des Schopfes Nr. 232 von der Gemeindestrasse in gerader Richtung zu Parz. Nr. 449 verlaufendes Fuss- und Fahrwegrecht besteht;
2. es sei demnach das Grundbuchamt Uttwil anzuweisen, die Servitut gemäss Rechtsbegehren 1 zu Gunsten von Parzelle Nr. 449/450 und zu Lasten von Parzelle 448 im Grundbuch Hefenhofen einzutragen."
Gloor berief sich auf Ersitzung nach früherem thurgauischem Privatrecht, auf Ausübung der beanspruchten Dienstbarkeit seit unvordenklicher Zeit und auf ausserordentliche Ersitzung im Sinne von Art. 662 in Verbindung mit
Art. 731 Abs. 3 ZGB
.
Das Bezirksgericht Arbon hiess die Klage mit Urteil vom 23. November 1977 gut.
Das Obergericht des Kantons Thurgau schützte eine gegen dieses Urteil eingereichte Berufung und wies die Klage ab.
Mit rechtzeitig eingereichter Berufung stellt der Kläger dem Bundesgericht folgende Anträge:
"1. Die Berufung sei gutzuheissen und das Urteil des Obergerichts des Kt. Thurgau vom 29. Juni/9. August 1978 aufzuheben.
2. Die Klage sei zu schützen, und es sei demnach
2.1. festzustellen, dass zu Gunsten von Parz. Nr. 449/450 im Grundbuch Hefenhofen und zu Lasten von Parz. Nr. 448 im Grundbuch Hefenhofen ein nördlich der Scheune Nr. 223 und südlich des Schopfes Nr. 232 von der Gemeindestrasse in gerader Richtung zu Parz. Nr. 449 verlaufendes Fuss- und Fahrwegrecht besteht;
2.2. das Grundbuchamt anzuweisen, die Servitut gemäss Rechtsbegehren 1 zu Gunsten von Parz. Nr. 449/450 und zu Lasten von Parz. Nr. 448 im Grundbuch Hefenhofen einzutragen.
3. Eventuell sei die Streitsache zur Feststellung des Notweganspruchs in der Linienführung gemäss Rechtsbegehren Ziff. 2.1. an die Vorinstanz zurückzuweisen."
Der Beklagte und das Obergericht beantragen Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Sodann wird mit der Berufung der ebenfalls von beiden kantonalen Instanzen verworfene Standpunkt wieder aufgenommen, die Dienstbarkeit sei durch ununterbrochene
BGE 104 II 302 S. 304
und unangefochtene Ausübung seit unvordenklicher Zeit entstanden. Ob und allenfalls inwiefern das geltende Bundeszivilrecht diesen Entstehungsgrund für eine Dienstbarkeit kenne und zulasse (vgl. dazu LIVER, N. 141-148 zu
Art. 731 ZGB
und
BGE 74 I 48
f. E. 3, je mit weiteren Hinweisen), mag indessen offen bleiben. Die Vorinstanz führt aus, dass nach Lehre und Rechtsprechung ununterbrochene und unangefochtene Ausübung der Dienstbarkeit während zwei Generationen bzw. während 80 Jahren erforderlich gewesen wäre, dass aber der Kläger einen entsprechenden Beweis nicht erbracht habe, und zwar auch nicht für den Fall, dass die erwähnte Dauer nicht vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zivilgesetzbuches an, sondern ab heute zurückzurechnen sein sollte. Die obergerichtliche Feststellung, eine 80jährige Ausübung des Fuss- und Fahrwegrechts sei nicht bewiesen, ist tatsächlicher Natur und demnach für das Bundesgericht verbindlich, zumal der Kläger nicht behauptet, sie sei unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen, und auch nichts auf ein offensichtliches Versehen hindeutet (vgl.
Art. 63 Abs. 2 OG
). Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Vorinstanz auch dadurch kein Bundesrecht verletzt, dass sie vom Erfordernis einer 80jährigen Ausübungsdauer ausging.
3.
Der Kläger ist schliesslich der Ansicht, das strittige Fuss- und Fahrwegrecht sei jedenfalls unter der Herrschaft des Zivilgesetzbuches - im Sinne von Art. 662 in Verbindung mit
Art. 731 Abs. 3 ZGB
- ersessen worden, da für Hefenhofen kein bereinigtes Register bestehe, das auch über die auf einem Grundstück lastenden altrechtlichen Dienstbarkeiten erschöpfend Aufschluss gebe, und das Grundstück des Beklagten somit im Sinne von
Art. 662 Abs. 1 ZGB
als "nicht im Grundbuch aufgenommen" zu gelten habe. Er befindet sich damit in Einklang mit einem Teil von Lehre und Rechtsprechung (vgl. LIVER, N. 94 und 162-165 zu
Art. 731 ZGB
; LIVER, Das Eigentum, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1 S. 155; BROGGINI, Intertemporales Privatrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. I S. 506; TOBLER, Die dinglichen Rechte des Zivilgesetzbuches, dargestellt am Beispiel der Leitungen, Berner Diss. 1953, S. 80;, Urteile des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden vom 30. Juni 1944, 10. Januar 1951 und 21. März 1967, wiedergegeben in: Praxis des Kantonsgerichtes von Graubünden 1944 Nr. 28, 1951 Nr. 27 und 1967 Nr. 29; Urteil des
BGE 104 II 302 S. 305
Kantonsgerichtes Wallis vom 25. Mai 1971, wiedergegeben in: SJZ 71/1975 S. 12 Nr. 6). Die vom Kläger und der erwähnten Lehre und Rechtsprechung vertretene Auffassung wird indessen dem - beispielsweise in den
Art. 41 Abs. 2 und 46 SchlT ZGB
zum Ausdruck kommenden - Gedanken nicht gerecht, die Wirkungen des eidgenössischen Grundbuches - wenn auch unter Umständen nur schrittweise - möglichst schnell eintreten zu lassen. So ist einer kantonalen Publizitätseinrichtung, die die Voraussetzungen erfüllt, wenigstens bezüglich der Zeit seit dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches Grundbuchwirkung im Sinne von
Art. 48 Abs. 1 und 2 SchlT ZGB
zuzuerkennen, solange die Bereinigung der einzutragenden altrechtlichen Dienstbarkeiten noch aussteht und die Wirkung zugunsten des gutgläubigen Dritten noch nicht eintreten kann (
Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB
).
Das Grundstück des Beklagten ist im provisorischen Grundbuch eingetragen, das mit Wirkung ab 1. Januar 1912 angelegt wurde und unter anderem ein Eigentümerverzeichnis sowie ein Manual und Protokoll über die Dienstbarkeiten und Grundlasten umfasst (vgl. § 129, § 131 in Verbindung mit § 128 Abs. 1 lit. b und § 132 des thurgauischen Gesetzes betreffend die Einführung des schweizerischen Zivilgesetzbuches; EG zum ZGB). Jedes Grundstück ist von Amtes wegen in dieses Grundbuch aufzunehmen (§ 132 EG zum ZGB), und § 128 Abs. 4 EG zum ZGB bestimmt, dass den Eintragungen in das Manual bezüglich Entstehung, Übertragung, Umänderung und Untergang der dinglichen Rechte Grundbuchwirkung zukomme. Daraus erhellt, dass im Kanton Thurgau seit dem 1. Januar 1912 Dienstbarkeiten, für die das Bundeszivilrecht die Eintragung verlangt, anders nicht mehr begründet werden können und dass das provisorische Grundbuch somit lückenlos über diese unter der Herrschaft des Zivilgesetzbuches errichteten beschränkten dinglichen Rechte Aufschluss gibt. In diesem Umfang ist dem thurgauischen Grundbuch deshalb Grundbuchwirkung im Sinne von
Art. 48 Abs. 1 und 2 SchlT ZGB
zuzuerkennen. Dass dem kantonalen Zivilrecht das Eintragungsprinzip fremd gewesen sein soll, vermag daran entgegen der Ansicht des Klägers nichts zu ändern.
Die Vorinstanz hat nach dem Gesagten zu Recht dafür gehalten, das Grundstück des Beklagten habe als im Sinne von
Art. 662 ZGB
in das Grundbuch aufgenommen zu gelten, so
BGE 104 II 302 S. 306
dass für eine ausserordentliche Ersitzung des vom Kläger beanspruchten Fuss- und Fahrwegrechts seit dem 1. Januar 1912 kein Raum mehr sei (im gleichen Sinne auch verschiedene Urteile aus den Kantonen Zürich, Luzern und St. Gallen - deren Publizitätseinrichtungen ähnlich ausgestaltet sind wie im Thurgau -, wiedergegeben in: ZBGR 42/1961, S. 206; SJZ 58/1962, S. 232 Nr. 139; St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 1976, Nr. 22; dazu auch HUBER/MUTZNER, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 2. A., S. 268; PFISTER, Die Ersitzung nach schweizerischem Recht, Zürcher Diss. 1931, S. 56 Anm. 10).
4.
Im kantonalen Verfahren hat der Kläger hilfsweise die Einräumung eines Notwegrechts zu Lasten des beklagtischen Grundstücks verlangt. Das Obergericht hat es abgelehnt, auf dieses Begehren einzutreten, weil der Kläger die Entschädigungsfrage nicht zum Gegenstand des Prozesses gemacht habe. Diese Betrachtungsweise verstösst nicht gegen Bundesrecht. Wohl hat das Bundesgericht in
BGE 101 II 320
E. 5 ausgeführt, die Begründung eines Notwegrechts setze nicht die vorgängige Bezahlung einer Entschädigung voraus. Es hat darin aber klargestellt, dass die Entschädigung spätestens bei der Eintragung des Notwegrechts im Grundbuch zu leisten sei. Auch der Wortlaut von
Art. 694 Abs. 1 ZGB
, wonach ein Notweganspruch nur gegen volle Entschädigung zuerkannt werden kann, setzt voraus, dass die Entschädigungsfrage spätestens mit dem Urteil über den Notweganspruch geregelt wird. Liegt darüber keine Vereinbarung vor und hat der Ansprecher die Entschädigungsfrage nicht zum Gegenstand des Prozesses gemacht, so ist der Richter zwangsläufig ausserstande, einen Notweganspruch abschliessend zu beurteilen. Die Berufung erweist sich somit auch in diesem Punkt als unbegründet.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,978 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
|
CH
|
Federation
|
aa0b010f-66f2-45d5-99d1-9760b0034e01
|
Urteilskopf
126 V 463
78. Urteil vom 6. November 2000 i. S. Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen gegen Z. und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
|
Regeste
Art. 2 Abs. 2 ELG
(in der bis 31. Dezember 1997 gültig gewesenen Fassung);
Art. 2 Abs. 2 lit. a ELG
: Unterbrechung des Aufenthaltes ausländischer Staatsangehöriger.
Die bisherige Rechtsprechung zur Karenzzeit gilt auch für Ausländer, welche diese zwar früher schon einmal bestanden, sich jedoch unmittelbar vor dem Zeitpunkt, da sie Ergänzungsleistungen beanspruchen, nicht während 15 Jahren ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten haben.
Mit der 3. ELG-Revision hat sich daran nichts geändert.
|
Sachverhalt
ab Seite 463
BGE 126 V 463 S. 463
A.-
Mit Verfügung vom 17. September 1997 lehnte die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen das Gesuch des 1929 geborenen deutschen Staatsbürgers Z. um Ergänzungsleistungen zur Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung ab, da er sich vor der Anmeldung zum Bezug dieser Leistung nicht während 15 Jahren ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten habe.
BGE 126 V 463 S. 464
B.-
Die dagegen eingereichte Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 3. Juni 1999 gut. Es betrachtete das Erfordernis des 15-jährigen Aufenthaltes als erfüllt, hob die Verfügung vom 17. September 1997 auf und wies die Sache zur Fortführung des Verwaltungsverfahrens an die Sozialversicherungsanstalt zurück.
C.-
Die Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.
Z. schliesst auf Abweisung, das Bundesamt für Sozialversicherung auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Versicherungsgericht hat das gesetzliche Erfordernis eines 15-jährigen ununterbrochenen Aufenthaltes in der Schweiz von ausländischen Staatsbürgern zum Bezug von Ergänzungsleistungen (
Art. 2 Abs. 2 ELG
in der bis Ende 1997 gültig gewesenen, vorliegend anwendbaren Fassung) richtig dargelegt.
2.
Der Beschwerdegegner meldete sich am 26. März 1997 zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob er sich in den 15 Jahren vor der Anmeldung, d.h. von März 1997 zurück bis März 1982, ununterbrochen im Sinne dieser Vorschrift in der Schweiz aufgehalten hat.
a) Gemäss den Auskünften mehrerer Einwohnergemeinden verzeichnete der Beschwerdegegner vom 25. August 1970 bis 30. April 1994 ohne Unterbruch Wohnsitz in der Schweiz. Im April 1994 erhielt er von der Fremdenpolizei die Erlaubnis zu einem Auslandaufenthalt von 1 1/2 Jahren ab 1. Mai 1994 mit der Zusage, dass er die Niederlassungsbewilligung C nicht verlieren werde. In der Folge hielt er sich vom 1. Mai 1994 bis 31. Oktober 1994 im Ausland auf. Dieser Aufenthalt diente nach eigenen Angaben der Verbesserung seiner Fremdsprachenkenntnisse und der Recherche über Vorkommnisse während der Besatzungszeit.
b) Die Vorinstanz erwog, der Beschwerdegegner habe durch seinen langjährigen Aufenthalt bewiesen, dass er in der Schweiz habe bleiben wollen. Er habe seine Niederlassungsbewilligung C für die geplante Dauer des Auslandaufenthaltes reservieren lassen, was seinen Willen belege, wieder in die Schweiz zurückzukehren. Der Gesetzgeber habe Ergänzungsleistungen nur an diejenigen Ausländer ausrichten wollen, welche im Zeitpunkt der Gesuchstellung
BGE 126 V 463 S. 465
bereits eine intensive Bindung an die Schweiz hätten. Vorübergehende Unterbrüche des tatsächlichen Aufenthaltes änderten an dieser Bindung nichts, solange sie unterhalb einer bestimmten Schwelle lägen. An Hand der bisherigen Rechtsprechung sei festzustellen, dass das zu tolerierende Ausmass der Dauer einer faktischen Abwesenheit einen gewissen Spielraum offen lasse. Zu beachten sei, dass Ergänzungsleistungs-Bezüger, die ihre 15-jährige Karenzzeit einmal bestanden hätten, die Schweiz für maximal ein Jahr verlassen könnten, wonach der Anspruch auf Ergänzungsleistungen wieder auflebe. Solche Versicherte seien zu Unrecht besser gestellt als diejenigen, welche die Karenzfrist bei der erstmaligen Gesuchstellung noch nicht bestanden hätten. Daher dürfe ein Aufenthaltsunterbruch von weniger als einem Jahr die angelaufene Karenzzeit nicht untergehen lassen.
Der Beschwerdegegner macht geltend, insgesamt habe er seit dem 23. Lebensjahr einundvierzigeinhalb Jahre in der Schweiz verbracht. Während des Aufenthaltes im Ausland habe er seinen Haushalt in der Schweiz eingestellt, Steuern bezahlt und sei alle vier Wochen für mehrere Tage heimgekehrt, um Post, Miete, Versicherungen und anderes zu erledigen. Er habe somit zu keiner Zeit den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in der Schweiz aufgegeben.
c) Im nicht veröffentlichten Urteil T. vom 26. Juni 1998 hat das Eidg. Versicherungsgericht seine Rechtsprechung zur Problematik der 15-jährigen Karenzzeit dargestellt. Demnach gilt diese nicht als unterbrochen, solange die Landesabwesenheit drei Monate nicht übersteigt (
BGE 110 V 175
Erw. 4b). Bei längerer Abwesenheit beginnt sie mit der erneuten Einreise in die Schweiz wieder von vorne zu laufen. Ausnahmsweise ist eine Erstreckung über die höchstzulässige Dauer von drei Monaten möglich, ohne dass die Karenzzeit unterbrochen wird. Hiezu müssen jedoch triftige Gründe vorliegen. In Zusammenfassung seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Gericht festgehalten, dass anerkannte triftige Motive für eine Erstreckung der dreimonatigen Landesabwesenheit sich auf zwei Kategorien beschränken: einerseits auf zwingende krankheits- oder unfallbedingte Ursachen in der Person des Leistungsansprechers selbst, anderseits auf Tatbestände aus dem Bereich der höheren Gewalt. An dieser Limitierung ist festzuhalten, da eine Anerkennung weiterer Gründe die Rechtssicherheit gefährden und eine praktikable Grenzziehung verunmöglichen würde. Die Erstreckung der dreimonatigen Zeitspanne muss eine Ausnahme bleiben und sich an klar fassbaren Kriterien orientieren können. Motive sozialer, familiärer,
BGE 126 V 463 S. 466
persönlicher oder beruflicher Art können daher, so achtbar sie im Einzelfall sein mögen, nicht als triftig im Sinne dieser Rechtsprechung anerkannt werden.
d) Die vom Beschwerdegegner vorgelegten Gründe für die Erstreckung der dreimonatigen Landesabwesenheit lassen sich unter keine der beiden erwähnten Kategorien subsumieren. Demnach wurde die Karenzzeit bei dem hier streitigen Aufenthalt im Ausland unterbrochen mit dem Ergebnis, dass sie mit der Einreise in die Schweiz am 1. November 1994 wieder von vorne zu laufen begann. Daran vermag nach dem Gesagten der Umstand nichts zu ändern, dass der Versicherte insgesamt über 40 Jahre in der Schweiz verbracht hat. Die gelegentlichen Rückreisen nach Hause zur Erledigung von Post, Versicherungen und Miete vermögen ebenfalls zu keinem andern Resultat zu führen. Zudem hat das Gericht im erwähnten Urteil T. festgehalten, dass sich auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention kein weiter gehender Anspruch ergibt.
3.
a) Das Eidg. Versicherungsgericht verkennt nicht, dass dieses Ergebnis für den Beschwerdegegner hart ausfällt, zumal dieser sich vom 25. August 1970 bis 30. April 1994 ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten und somit - im Unterschied zum Versicherten im erwähnten Urteil T. - die 15-jährige Wartezeit an sich einmal bestanden hatte. Nach seinem Wortlaut verlangt alt
Art. 2 Abs. 2 ELG
jedoch ausdrücklich, dass ein Leistungsansprecher sich "unmittelbar" vor dem Zeitpunkt, von welchem an er Ergänzungsleistungen verlangt, ununterbrochen 15 Jahre in der Schweiz aufgehalten haben muss. Dieser Wortlaut entspricht dem Willen des Gesetzgebers, wie sich aus der Botschaft des Bundesrates vom 21. September 1964 (BBl 1964 II 690 f.) ergibt. Die AHV/IV-Kommission lehnte damals die Gewährung von Ergänzungsleistungen an in der Schweiz wohnhafte Ausländer und Staatenlose überhaupt ab, stiess aber auf den Widerstand einer grösseren Anzahl von Kantonen, woraus sich als Kompromiss die hier umstrittene Regelung ergab.
b) Im Rahmen der 3. ELG-Revision beantragte der Bundesrat die Herabsetzung der Karenzzeit von 15 auf 10 Jahre (Botschaft vom 20. November 1996, BBl 1997 I 1203). Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Problem der Erfüllung der Karenzzeit nach alt
Art. 2 Abs. 2 ELG
erörtert. Gerade das Wort "unmittelbar" war Gegenstand von Diskussionen in der vorberatenden Kommission des Nationalrates, wurde aber in der Folge beibehalten. In der Kommission wurde
BGE 126 V 463 S. 467
darauf hingewiesen, dass selbst bei einer Herabsetzung der Karenzzeit ein in vielen Vernehmlassungen genanntes Problem bestehen bleibe, nämlich dass bei einer Unterbrechung des Aufenthalts in der Schweiz der Anspruch auf Ergänzungsleistungen entfalle. Dies führe dann zu Ungerechtigkeiten, wenn beispielsweise jemand viel mehr als zehn Jahre in der Schweiz gelebt, in dieser Zeit aber einige Monate im Heimatland oder sonst im Ausland verbracht habe. Deshalb schlug ein Kommissionsmitglied vor,
Art. 2 Abs. 2 ELG
flexibler zu formulieren. Damit ein Ausländer Ergänzungsleistungen beziehen könne, solle es genügen, dass er sich unmittelbar vor dem Zeitpunkt, von welchem an er solche verlangt, "insgesamt zehn Jahre innerhalb eines Zeitraumes von fünfzehn Jahren" in der Schweiz aufgehalten hat. Indessen wurde dieser Antrag von der Kommission des Nationalrates wie auch später vom Nationalrat selber (Amtl.Bull. 1997 N 455 ff.) abgelehnt. Der Rat teilte die Auffassung des Bundesrates, wonach der Vorschlag zu wenig klar umrissen und eine Lösung im Rahmen der Verhandlungen auf internationaler Ebene zu suchen sei. Der Ständerat folgte dem Nationalrat (Amtl.Bull. 1997 S 617).
c) Dem Gesetzgeber war somit die hier zu beurteilende Problematik sehr wohl bekannt. Dennoch hat er eine Regelung abgelehnt, welche unbefriedigende Ergebnisse der hier auftretenden Art verhindert hätte. Unter diesen Umständen besteht für das Eidg. Versicherungsgericht kein Raum, die Rechtsprechung zu ändern, weil der insoweit unveränderte Wortlaut dem in der nationalrätlichen Debatte mehrheitlich befürworteten Rechtssinne entspricht und damit für das Gericht massgeblich bleibt (
Art. 191 BV
).
| null |
nan
|
de
| 2,000 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
aa105a4a-5cf0-4a53-80f7-046cda3a1e19
|
Urteilskopf
124 V 185
32. Urteil vom 4. Juni 1998 i. S. S. gegen SWICA Gesundheitsorganisation und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
|
Regeste
Art. 25, 31 Abs. 1, Art. 32, 33 Abs. 2 und 5,
Art. 36 Abs. 3 KVG
;
Art. 33 lit. d KVV
;
Art. 17, 18, 19 KLV
: zahnärztliche Behandlung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.
Am Grundsatz, dass die zahnärztlichen Behandlungen im allgemeinen nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu decken sind, hat der Gesetzgeber mit der Neuordnung nichts geändert.
Die Liste der zu einer Leistungspflicht für zahnärztliche Behandlungen Anlass gebenden Krankheiten ist abschliessend.
Es besteht folglich keine Leistungspflicht für zahnärztliche Behandlung bei Hiatusgleithernie mit Refluxösophagitis.
|
Sachverhalt
ab Seite 185
BGE 124 V 185 S. 185
A.-
S., geboren 1965, leidet seit ihrer Kindheit an einer Hiatusgleithernie mit Refluxösophagitis. Hinsichtlich der Refluxkrankheit ist sie seit einer operativen Behandlung am 4. April 1991 beschwerdefrei. Wegen einer
BGE 124 V 185 S. 186
Schädigung des Zahnschmelzes, als deren Ursache sie den jahrelangen Reflux der Magensäure in den Mund ansieht, begab sie sich ab März 1996 in zahnärztliche Behandlung. Diese bestand in der Anhebung des Bisses sämtlicher Zähne und dem Anbringen mehrerer Porzellankronen. Die Kosten beliefen sich auf rund 27'000 Franken. Die SWICA Gesundheitsorganisation lehnte die Übernahme dieser Kosten mit Ausnahme eines freiwilligen Beitrages von maximal 100 Franken ab mit der Begründung, es handle sich nicht um eine Pflichtleistung (Vorbescheid vom 22. Juli 1996, Verfügung vom 5. August 1996 und Einspracheentscheid vom 22. Oktober 1996).
B.-
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 23. Mai 1997 ab.
C.-
S. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die SWICA zu verpflichten, die Kosten der infolge der Hiatusgleithernie mit Refluxösophagitis nötig gewordenen Zahnbehandlung zu übernehmen.
Die SWICA verweist auf den vorinstanzlichen Entscheid und beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Da die zahnärztliche Behandlung der Beschwerdeführerin ab März 1996 erfolgte, sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG) sowie die seither dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) und der Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) anwendbar (
Art. 103 Abs. 1 KVG
).
a) Die Kosten für Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und deren Folgen dienen, gelten als Pflichtleistung der obligatorischen Krankenversicherung (
Art. 25 ff. KVG
). Die Kosten der zahnärztlichen Behandlung dagegen werden von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung nur übernommen, wenn diese - alternativ - durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems bedingt ist (
Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG
), durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt ist (
Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG
) oder zur Behandlung einer
BGE 124 V 185 S. 187
schweren Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen notwendig ist (
Art. 31 Abs. 1 lit. c KVG
). Zahnärzte und Zahnärztinnen sind für Leistungen nach Art. 31 den Ärzten und Ärztinnen gleichgestellt (
Art. 36 Abs. 3 KVG
).
b) In
Art. 33 Abs. 2 und 5 KVG
ist der Bundesrat beauftragt worden, u.a. die Leistungen nach
Art. 31 Abs. 1 lit. a-c KVG
für zahnärztliche Behandlungen näher zu bezeichnen oder diese Aufgabe dem Departement oder dem Bundesamt zu übertragen. Der Bundesrat hat von seiner Befugnis zur Übertragung der Aufgabe Gebrauch gemacht. Er hat das Departement (des Innern) beauftragt, die zahnärztlichen Behandlungen gemäss
Art. 31 Abs. 1 KVG
nach Anhören der zuständigen Kommission zu bezeichnen (
Art. 33 lit. d KVV
). Das Departement hat in der von ihm erlassenen Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) diese zahnärztlichen Behandlungen in den Art. 17-19a aufgelistet.
Art. 17 KLV
beschlägt die Pflichtleistungen des Krankenversicherers bei schwerer, nicht vermeidbarer Erkrankung des Kausystems,
Art. 18 KLV
bei Folgezuständen schwerer Allgemeinerkrankungen (konsekutive Behandlungen),
Art. 19 KLV
bei zahnärztlicher Behandlung, die der Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen vorausgeht (vorausgehende Behandlung), und Art. 19a bei Geburtsgebrechen.
c) Der vorliegende Fall, bei dem es um die Übernahme der Kosten für die Zahnbehandlung als Folge der Hiatusgleithernie mit Refluxösophagitis geht, fällt unter
Art. 18 KLV
, der folgenden Wortlaut hat:
"Art. 18 Allgemeinerkrankung; konsekutive Behandlung
Die Versicherung übernimmt die Kosten der zahnärztlichen Behandlungen, die durch eine der folgenden schweren Allgemeinerkrankungen oder ihre Folgen bedingt und zur Behandlung des Leidens notwendig sind
(Art. 31 Abs. 1 Bst. b KVG):
a. Erkrankungen des Blutsystems:
1. Schwere aplastische Anämie,
2. Agranulozytose,
3. Zyklische Neutropenie,
4. Chronische Neutropenie,
5. Leukämie,
6. Präleukämisches Syndrom,
7. Chronische Granulozytopenie,
8. "Lazy-leucocyte-Syndrom",
BGE 124 V 185 S. 188
9. Hämorrhagische Diathesen;
b. Stoffwechselerkrankungen:
1. Akromegalie,
2. Hyperparathyreoidismus,
3. Idiopathischer Hypoparathyreoidismus,
4. Hypophosphatasie (genetisch bedingte Vitamin-D-resistente Rachitis);
c. Weitere Erkrankungen:
1. Chronische Polyarthritis mit Kieferbeteiligung,
2. Morbus Bechterew mit Kieferbeteiligung,
3. Arthritis psoriatica mit Kieferbeteiligung,
4. Papillon-Lefèvre-Syndrom,
5. Sklerodermie,
6. AIDS,
7. Schwere psychische Erkrankungen mit konsekutiver schwerer Beeinträchtigung der Kaufunktion;
d. Speicheldrüsenerkrankungen;
e. Durch Zahn- oder Parodontalerkrankungen ausgelöste oder auslösbare Endokarditis."
2.
a) Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, die Hiatusgleithernie mit Refluxösophagitis sei zwar eine unangenehme und lästige Krankheit. Auch die Zahnschäden als Folge der in den Mund fliessenden Magensäure seien einschneidend. Von einer schweren Allgemeinerkrankung könne aber trotzdem nur dann gesprochen werden, wenn diese lebensbedrohend sei oder sonstwie zentrale organische oder psychische Funktionen des Betroffenen schwer beeinträchtige. Entscheidend sei schliesslich auch, dass die Erkrankung offensichtlich problemlos hätte behandelt werden können.
b) Während die SWICA auf den vorinstanzlichen Entscheid verweist, lässt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vorbringen, entgegen der Auffassung des kantonalen Gerichts sei dem Gesetz nicht zu entnehmen, dass die Krankheit tödlich oder lebensbedrohend sein oder sonstwie zentrale organische oder psychische Funktionen schwer beeinträchtigen müsse. Die Beschränkung der Leistungspflicht bei zahnärztlicher Behandlung folge gemäss der Gesetzessystematik nicht über eine richterliche Ausfüllung des unbestimmten Begriffes der schweren Allgemeinerkrankung gemäss
Art. 31 KVG
, sondern durch eine Beschränkung der Leistungen nach
Art. 32 ff. KVG
, namentlich nach
Art. 33 Abs. 2 KVG
, wonach die zu übernehmenden Leistungen durch Verordnung näher zu bestimmen seien. Indem die
Art. 17 ff. KLV
"schwere Allgemeinerkrankungen" aufführten, bei denen die Kosten der zahnärztlichen
BGE 124 V 185 S. 189
Behandlungen zu übernehmen seien, sei es dem Richter verwehrt, den Katalog zusätzlich "auf tödliche Krankheiten" und dergleichen weiter einzuschränken. Was die vom Departement getroffene Regelung in
Art. 18 KLV
betreffe, so habe es die ihm vom Bundesrat eingeräumte Delegationsbefugnis überschritten. Statt dass es die "Leistungen" oder die "zahnärztlichen Behandlungen" bezeichne, die von der Krankenversicherung zu übernehmen seien, zähle es in
Art. 18 KLV
insgesamt 22 Allgemeinerkrankungen auf. Eine Beschränkung auf gewisse Krankheiten aus dem Kreis aller schweren Allgemeinerkrankungen sei aber weder dem Gesetz noch der Verordnung zu entnehmen. Nach dem klaren Wortlaut lasse das Gesetz allein die Möglichkeit der Leistungsbegrenzung als solche zu, nicht aber die Begrenzung auf bestimmte Krankheiten. Jedenfalls könne eine Aufzählung von Krankheiten, die sich nicht auf das Gesetz abstützen lasse, nicht abschliessend sein. Entscheidend sei allein, ob die Hiatusgleithernie mit Refluxösophagitis mit in
Art. 18 KLV
aufgeführten Krankheiten vergleichbar sei, was ärztlicherseits bejaht werde. Nötigenfalls sei dazu eine ärztliche Expertise einzuholen.
3.
a) Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zugrunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a. dann nämlich, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (
BGE 123 III 91
Erw. 3a, 444 Erw. 2,
BGE 123 V 317
f. Erw. 4,
BGE 122 III 325
Erw. 7a, 474 Erw. 5a,
BGE 122 V 364
Erw. 4a, je mit Hinweisen; IMBODEN/RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 21 B IV).
Die Vorarbeiten sind für die Gesetzesinterpretation weder verbindlich noch für die Auslegung unmittelbar entscheidend; denn ein Gesetz entfaltet ein eigenständiges, vom Willen des Gesetzgebers unabhängiges Dasein, sobald es in Kraft getreten ist. Insbesondere sind Äusserungen von Stellen oder Personen, die bei der Vorbereitung mitgewirkt haben, nicht massgebend, wenn sie im Gesetzestext nicht selber zum Ausdruck kommen. Das gilt selbst für
BGE 124 V 185 S. 190
Äusserungen, die unwidersprochen geblieben sind. Als verbindlich für den Richter können nur die Normen selber gelten, die von der gesetzgebenden Behörde in der hierfür vorgesehenen Form erlassen worden sind. Das bedeutet nun nicht, dass die Gesetzesmaterialien methodisch unbeachtlich wären; sie können namentlich dann, wenn eine Bestimmung unklar ist oder verschiedene, einander widersprechende Auslegungen zulässt, ein wertvolles Hilfsmittel sein, um den Sinn der Norm zu erkennen und damit falsche Auslegungen zu vermeiden. Wo die Materialien keine klare Antwort geben, sind sie als Auslegungshilfe nicht dienlich. Insbesondere bei verhältnismässig jungen Gesetzen darf der Wille des historischen Gesetzgebers nicht übergangen werden. Hat dieser Wille jedoch im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden, so ist er für die Auslegung nicht entscheidend. Ist in der Gesetzesberatung insbesondere ein Antrag, das Gesetz sei im Sinne einer nunmehr vertretenen Auslegungsmöglichkeit zu ergänzen, ausdrücklich abgelehnt worden, dann darf diese Auslegungsmöglichkeit später nicht in Betracht gezogen werden (
BGE 123 V 318
Erw. 4,
BGE 115 V 349
Erw. 1c mit Hinweisen auf die Rechtsprechung und Lehre; vgl. auch
BGE 122 III 325
Erw. 7a, 474 Erw. 5a, je mit Hinweisen).
b) aa) Unter der Herrschaft des alten, bis 31. Dezember 1995 in Kraft gestandenen Rechts (Bundesgesetz über die Krankenversicherung vom 13. Juni 1911, KUVG) war die zahnärztliche Versorgung generell nicht ärztliche Behandlung. Nach ständiger Rechtsprechung zum KUVG kommt es bezüglich der Leistungspflicht der Krankenkassen nicht darauf an, ob solche Behandlungen von einem Arzt oder Zahnarzt vorgenommen werden. Weiter ist unerheblich die Ursache des Leidens oder die Tatsache, dass die Zahnbehandlung eine Folge anderer, ärztlich anzugehender Krankheiten ist. Ebensowenig ist die Wirkung der Zahnbehandlung auf den Gesundheitszustand eines Versicherten rechtserheblich, insbesondere die Verhütung oder günstige Beeinflussung von Krankheiten der Verdauungsorgane. Das Gericht hat sodann festgestellt, dass nur der Gesetzgeber diese gesetzliche Ordnung gemäss KUVG ändern könne (
BGE 120 V 195
Erw. 2b mit Hinweisen).
bb) Das Eidg. Versicherungsgericht hat erkannt, dass die infolge Unverträglichkeit von Amalgam- und Chrom-Kobalt-Legierungen vorgenommenen Zahnsanierungen keine Pflichtleistung der Krankenkasse darstellen (RKUV 1995 Nr. K 968 S. 143). Die Leistungspflicht wurde sodann verneint für eine Zahnbehandlung bei kardialen Komplikationen (
BGE 116 V 114
), desgleichen
BGE 124 V 185 S. 191
für eine zahnprothetische Versorgung nach Karzinomoperation (RKUV 1990 Nr. 836 S. 135), bei einer Zahnbehandlung, die als Folge einer von der Krankenkasse übernommenen therapeutischen Massnahme (Radiotherapie) notwendig geworden war (RSKV 1981 Nr. 454 S. 150 Erw. 3, 1977 Nr. 276 S. 29 Erw. 2). Im unveröffentlichten Urteil K. vom 6. April 1994, in dem (gleich wie im vorliegenden Fall) eine Schädigung der Zähne durch endogene Säurebildung zur Diskussion stand, verneinte das Gericht eine Leistungspflicht der Krankenkasse für die Überschichtung der Zähne mit Keramik.
c) Angesichts dieser Rechtslage, die allgemein als unbefriedigend bezeichnet wurde, schlug der Gesetzgeber eine neue Regelung in Art. 12 Abs. 2 des in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1987 verworfenen Bundesgesetzes über die Kranken- und Mutterschaftsversicherung (KMVG; vgl. BBl 1988 I 569) vor, der lautete: Die Leistungen der Krankenpflegeversicherung für Behandlungen durch einen Zahnarzt umfassen die vom Bundesrat näher bezeichneten Behandlungen nicht vermeidbarer Erkrankungen und ihrer Folgeschäden im Kausystem, sowie, falls hiefür keine andere Versicherung aufkommt, die Behandlung unfallbedingter Schäden des Kausystems (BBl 1987 I 987 f.).
d) aa) Im Rahmen der daraufhin erneut an die Hand genommenen Revision der Krankenversicherung empfahl die Expertenkommission, gewisse besondere zahnärztliche Behandlungen in die obligatorische Krankenpflegeversicherung aufzunehmen. Zwar war die Kommission der Meinung, dass auch in Zukunft zahnärztliche Behandlungen im allgemeinen nicht von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gedeckt werden sollten. Hingegen sollten ihr die Kosten derjenigen zahnärztlichen Behandlungen übertragen werden, welche durch eine schwere Krankheit oder ihre Folgen bedingt oder die zur Behandlung einer schweren Krankheit oder ihrer Folgen notwendig seien. Die zu übernehmenden Fälle seien abschliessend in den Durchführungsbestimmungen aufzuzählen. Dieser Grundsatz erlaube es beispielsweise, die Kosten für die vorzeitige Extraktion von Zähnen im Hinblick auf eine Herzoperation oder für die prothetische Wiederherstellung im Anschluss an eine Strahlentherapie der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu überbinden (Bericht und Entwurf der Expertenkommission zur Revision der Krankenversicherung vom 2. November 1990, S. 52).
BGE 124 V 185 S. 192
bb) Diese Ausrichtung setzte sich im Verlaufe der weiteren Gesetzgebungsarbeiten durch. Die bundesrätliche Vorlage an die Räte sah die Übernahme der Kosten für Zahnbehandlung vor, "wenn sie zur Behandlung einer schweren Krankheit notwendig sind (z.B. Zahnextraktion vor einer Herzoperation zur Vermeidung von Infektionen); (zweitens), wenn sie durch eine schwere Krankheit oder ihre Folgen bedingt sind (z.B. Wiederherstellung nach Zahnverlust wegen Strahlentherapie)" (Botschaft über die Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991, BBl 1992 I 93 ff.). Der Bundesrat wies darauf hin, dass der neue Leistungskatalog abschliessend konzipiert sei. Er hielt in diesem Zusammenhang fest: "Alle nicht im Gesetz und seinen Durchführungsbestimmungen aufgeführten Leistungen sind ausschliesslich Gegenstand von Zusatzversicherungen; diese können den Sonderwünschen Rechnung tragen; ..." (Botschaft vom 6. November 1991, BBl 1992 I 132).
cc) In der parlamentarischen Beratung gingen die Meinungen über Tragweite und Ausmass der angestrebten Neuregelung auseinander. Während eine Minderheit in Anlehnung an den bundesrätlichen Entwurf die Leistungspflicht der obligatorischen Krankenversicherung auch bei schweren Karies- und parodontischen Erkrankungen bejahen wollte (Votum Meier, Sprecherin der Minderheit; Amtl.Bull. 1992 S 1301), lehnte dies die Mehrheit unter Hinweis auf die bestehenden Präventionsmassnahmen und -ziele ab und sah eine Pflichtleistung nur vor, wenn die zahnärztliche Behandlung durch eine "schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems" bedingt ist (Votum Huber, Amtl.Bull. 1992 S 1301). Beide Räte stimmten in der Folge dem heutigen, gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf restriktiveren Wortlaut von
Art. 31 Abs. 1 KVG
(vgl. Erw. 1a) zu (Amtl.Bull. 1992 S 1301 f., Amtl.Bull. 1992 N 1843 f.).
e) Aus den Materialien, insbesondere den Voten in der parlamentarischen Diskussion, ist zu schliessen, dass der Gesetzgeber willens war, die aus der früheren Ordnung gemäss KUVG sich ergebenden stossenden Ergebnisse (Erw. 3b) zu beseitigen. Am Grundsatz jedoch, dass die Zahnbehandlungen im allgemeinen nicht in den Leistungsbereich der obligatorischen Krankenversicherung gehören, hat er nichts ändern wollen. Während
Art. 12 KUVG
in bezug auf die Leistungen einen blossen Mindestkatalog ohne zahnärztliche Vorkehren normierte, ist der neue Leistungskatalog gemäss KVG zwar gerade um dentalmedizinische Massnahmen erweitert, dieser aber
BGE 124 V 185 S. 193
abschliessend konzipiert worden. Nach der Regelung von
Art. 31 Abs. 1 KVG
sind gewisse zahnärztliche Behandlungen vom Krankenversicherer zu übernehmen, die davon zu unterscheidenden anderen zahnärztlichen Therapien jedoch nicht. Dieser Schluss findet Unterstützung in
Art. 34 Abs. 1 KVG
, wonach die Versicherer im Obligatoriumsbereich keine anderen Kosten als diejenigen für die Leistungen nach den
Art. 25-33 KVG
übernehmen dürfen.
4.
Die Liste der zu zahnärztlichen Behandlungen Anlass gebenden Krankheiten in den
Art. 17-19 KLV
ist im Lichte der formell- gesetzlichen Ausgangslage als abschliessend zu verstehen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von
Art. 33 Abs. 2 KVG
, wonach der Bundesrat die Leistungen oder Behandlungen durch Zahnärzte näher zu bezeichnen hat. Für eine nur beispielhafte Aufzählung finden sich keine Anhaltspunkte weder in den Texten der Delegationsnormen (
Art. 33 Abs. 2 KVG
,
Art. 33 lit. d KVV
) noch in den
Art. 17-19 KLV
selber.
Auch die Materialien sprechen für eine abschliessende Nennung der Krankheiten, welche von der obligatorischen Krankenversicherung zu übernehmende zahnärztliche Leistungen oder Behandlungen auslösen können. In Bericht und Entwurf der Expertenkommission vom 2. November 1990 ebenso wie in der bundesrätlichen Botschaft vom 6. November 1991 wurde, wie dargelegt (Erw. 3d/aa, bb), jeweils ausdrücklich die abschliessende Aufzählung durch den Verordnungsgeber betont. In der Detailberatung der Vorlage durch die nationalrätliche Kommission sprach Nationalrat Jöri davon, der Bundesrat habe auf Verordnungsstufe die "Krankheiten" abschliessend aufzuzählen, bei denen die zahnärztlichen Leistungen durch die Krankenversicherung gedeckt seien (Protokoll der nationalrätlichen Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit [SGK] vom 1. April 1993, S. 34). An der gleichen Sitzung erklärte Bundesrätin Dreifuss, die Gerichte könnten sich bei ihrer Rechtsprechung auf eine "liste positive des maladies donnant lieu à des prestations présentées dans l'ordonnance" stützen (Protokoll a.a.O., S. 35). Auch Seiler wies darauf hin, dass die Verwaltung die schweren Krankheiten zu definieren habe (Protokoll a.a.O., S. 36). In der Beratung im Plenum wiederholte Jöri, der Bundesrat könne in den Vollzugsbestimmungen abschliessend festlegen, für welche schweren Erkrankungen die Kosten der zahnärztlichen Behandlungen von der Krankenversicherung übernommen werden müssten (Amtl.Bull. 1993 N 1843).
BGE 124 V 185 S. 194
Ist demnach die Aufzählung der zu zahnärztlichen Behandlungen Anlass gebenden Krankheiten in
Art. 18 KLV
als abschliessend zu betrachten, so ist der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Übernahme der Kosten durch die obligatorische Krankenversicherung nicht ausgewiesen, weil die Krankheit darin nicht aufgeführt ist.
Sollte ihr Begehren, es sei zu prüfen, ob ihre Krankheit mit einer der aufgeführten Krankheiten vergleichbar sei, als Begehren um Überprüfung des
Art. 18 KLV
durch das Eidg. Versicherungsgericht auf Vollständigkeit hin zu verstehen sein, so wäre die Antwort in Erw. 6 zu finden.
5.
Die Beschwerdeführerin wendet ein, das Departement habe in
Art. 18 KLV
statt "Leistungen" oder "zahnärztliche Behandlungen", die von der Krankenversicherung zu übernehmen seien (
Art. 33 Abs. 2 KVG
,
Art. 33 lit. d KVV
), eine Reihe von Allgemeinerkrankungen, in deren Zusammenhang solche Leistungen oder Behandlungen notwendig werden könnten, aufgezählt. Es habe damit seine Delegationsbefugnis überschritten.
a) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen
Art. 4 BV
, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (
BGE 123 II 44
Erw. 2b, 475 Erw. 4a,
BGE 123 V 84
f. Erw. 4a,
BGE 122 V 93
f. Erw. 5a/bb, je mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelten sinngemäss bei Verordnungen der Departemente.
BGE 124 V 185 S. 195
b) Zur Erfüllung der ihm vom Bundesrat übertragenen Aufgabe, die Leistungen oder zahnärztlichen Behandlungen zu bezeichnen, die im Sinne von
Art. 31 Abs. 1 KVG
von der Krankenversicherung zu übernehmen sind, stand dem Departement gesetzestechnisch keine andere brauchbare Lösung zur Verfügung, als die Krankheiten aufzuzählen, in deren Zusammenhang solche Leistungen oder Behandlungen zu erbringen sind. Eine Aufzählung sämtlicher zahnärztlicher Verrichtungen, welche im Zusammenhang mit den aufgeführten Krankheiten notwendig werden können, hätte zu einem umfangreichen Katalog geführt, der schliesslich der gleichen Gesetzestechnik der Aufzählung der Krankheiten hätte folgen müssen, in deren Verlauf die zahnärztlichen Verrichtungen vorzunehmen sind. Im übrigen hat bereits der Bundesgesetzgeber keine andere Gesetzestechnik gesehen. Auch er hat in
Art. 31 Abs. 1 KVG
die Krankheiten in den Mittelpunkt gestellt, in deren Zusammenhang zahnärztliche Behandlungen notwendig werden können.
Dabei fehlt es keineswegs an einer Umschreibung der von der obligatorischen Krankenversicherung zu übernehmenden zahnärztlichen Behandlungen. Auch wenn sie allgemein gehalten ist, erlaubt sie doch eine Abgrenzung der vom Krankenversicherer als Pflichtleistung zu übernehmenden Behandlungen. Diese müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich (
Art. 32 Abs. 1 KVG
) sowie zur Behandlung des Leidens notwendig sein (
Art. 18 KLV
).
Von einer Überschreitung der Delegationsbefugnis durch das Departement kann somit nicht die Rede sein.
6.
Im Rahmen der dargelegten Überprüfungsbefugnis von Verordnungen ist es dem Eidg. Versicherungsgericht auch nicht verwehrt, der Frage nachzugehen, ob eine Krankheit in
Art. 18 KLV
zu Unrecht nicht aufgeführt ist. Dabei hat es sich allerdings aus zwei Gründen grosse Zurückhaltung aufzuerlegen.
a) Zunächst handelt es sich bei der Krankenpflege-Leistungsverordnung um eine departementale Verordnung, deren Änderung und fortlaufende Anpassung an die Bedürfnisse der Praxis einfach ist. Einer Beschlussfassung durch den Gesamtbundesrat bedarf es nicht; eine departementale Vorlage genügt.
b) Zum andern liegt der Aufzählung der Krankheiten in
Art. 18 KLV
eine Konsultation der Eidg. Kommission für allgemeine Leistungen zugrunde (
Art. 33 lit. d und
Art. 37a lit. b KVV
). Eine richterliche Ergänzung der Liste würde ohnehin eine vorgängige Anhörung von Experten voraussetzen, was geraume Zeit in Anspruch nähme und erst noch den Nachteil hätte, dass im
BGE 124 V 185 S. 196
Falle einer richterlichen Ergänzung die Liste der Krankheiten nicht auf einheitlicher fachmännischer Beurteilung beruhen würde.
Die Beschwerdeführerin bringt nichts vor, was das Eidg. Versicherungsgericht trotz der gebotenen Zurückhaltung veranlassen könnte, eine Aufnahme ihres Leidens in die Liste der Krankheiten von
Art. 18 KLV
ernsthaft in Prüfung zu ziehen.
| null |
nan
|
de
| 1,998 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
aa1086da-1190-4b7a-b102-ef70fddb73ef
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Urteilskopf
95 II 14
3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Februar 1969 i.S. Schächtelin gegen Hofer.
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Regeste
Persönliche Dienstbarkeit (
Art. 781 ZGB
) an einem öffentlichen Grundstück (Fischereirecht an einem Seegrundstück). Klage des Eigentümers eines an das belastete Grundstück grenzenden Grundstücks (Ufergrundstücks) auf Feststellung, dass ein Eingriff in das belastete Grundstück (Erstellen einer Bootsausfahrt), den der Eigentümer dieses Grundstücks dem Kläger unter Vorbehalt der Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten bewilligte, dessen Rechte nicht oder nur in einem geringfügigen, von ihm zu duldenden Masse beeinträchtige.
1. Streitwert (Erw. 1).
2.
Art. 736 ZGB
ist auf eine solche Klage nicht anwendbar (Erw. 2).
3. Klagerecht des Dritten, der geltend macht, dass das Dienstbarkeitsrecht ihm gegenüber gewissen Beschränkungen unterliege (Erw. 3). Streitgegenstand ist der Inhalt und Umfang dieses Rechts (Erw. 4). Rechtsmissbrauch des Dienstbarkeitsberechtigten wegen unnützer Rechtsausübung oder wegen krassen Missverhältnisses der Interessen? (Erw. 5).
|
Sachverhalt
ab Seite 15
BGE 95 II 14 S. 15
A.-
Hofer ist Inhaber eines seit dem 15. Jahrhundert bestehenden privaten Fischereirechts im Küssnachtertrichter des Vierwaldstättersees. Er schloss am 12. April 1948 mit dem Kanton Schwyz ein Abkommen, das den bisher streitigen Inhalt und Umfang dieses Rechts festlegte. Auf Grund dieses Abkommens wurde das Fischereirecht als Dienstbarkeit zulasten der dem Kanton gehörenden Seeparzelle GB Nr. 2792 im Grundbuch eingetragen. Das Recht erstreckt sich laut Eintrag von der Grenze gegen den Kanton Luzern bis zum Haurenbach 200 m in den Trichter hinaus. In diesem Gebiet steht die Verfügung über das Schilf dem Fischereiberechtigten zu. Der Kanton darf grundsätzlich keinen Strandboden mit Entfernung von Schilf und andern Wasserpflanzen an Dritte verkaufen, noch Dritten Nutzungsrechte am Strandboden einräumen, es sei denn, dass dadurch das Fischereirecht nicht geschädigt wird und der Fischereiberechtigte zustimmt.
Frau Schächtelin ist Eigentümerin der Grundstücke GB Nr. 2501 und 3037 in Merlischachen, die auf eine Länge von 40 m an das mit Schilf bewachsene Seeufer im Fischereigebiet Hofers grenzen. Mit Beschluss vom 2. Februar 1961 gestattete ihr der Regierungsrat aufihr Gesuch den Bau eines Bootshauses und einer Bootseinfahrt sowie das Schneiden des Schilfs auf eine Breite von 4 m und das Ausbaggern einer Fahrrinne von 1 m Tiefe. Diese Bewilligung sollte aber erst in Kraft treten, wenn dem Baudepartement durch eine schriftliche Erklärung das Einverständnis des Fischereiberechtigten nachgewiesen werde. Am 29. März 1961 erteilte der Bezirksrat Küssnacht Frau Schächtelin die Baubewilligung für die Erstellung eines Boots- und eines Ferienhauses "unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Kanton und Hofer". Gegen diese (nur für das Bootshaus geltenden) Vorbehalte erhob Frau Schächtelin Beschwerde, wurde aber vom Regierungsrat am 9. August 1961 abgewiesen.
Inzwischen hatte Frau Schächtelin bereits mit dem Bau des Bootshauses begonnen. Den Beschluss des Bezirksrats vom
BGE 95 II 14 S. 16
5. Juli 1961 auf vorläufige Einstellung der Bauarbeiten zog sie erfolglos an den Regierungsrat und nachher an das Bundesgericht weiter (Urteil der Staatsrechtlichen Kammer vom 16. Mai 1962). Hierauf verfügte der Bezirksrat Küssnacht am 13. März 1963 den Abbruch des nunmehr erbauten Bootshauses. Obwohl dieser Beschluss rechtskräftig wurde, blieb das Bootshaus bestehen.
B.-
Am 24. April 1963 klagte Frau Schächtelin beim Bezirksgericht Küssnacht gegen Hofer mit den Begehren:
"Ist nicht gerichtlich zu erkennen:
1. Durch die von der Klägerin projektierte 4 m breite und 1 m tiefe Einfahrt vom offenen See zu ihrem Bootshaus auf GB Nr. 2501 werden die Fischereirechte des Beklagten nicht beeinträchtigt.
2. Evt. sei eine allfällige mit der projekt. Einfahrt zum Bootshaus verbundene geringfügige Beeinträchtigung der Fischereirechte als für den Beklagten tragbar und zumutbar zu erklären.
3. Subev. sei dem Beklagten für die durch die Einfahrt allfällig entstehende geringfügige Beeinträchtigung seiner Fischereirechte eine richterlich festzusetzende einmalige Entschädigung zuzusprechen.
4. ... (Kosten)".
Das Bezirksgericht erkannte am 18. August 1966, durch die projektierte Bootseinfahrt finde "eine dauernde Schädigung der Fischenze des Beklagten nicht statt"; in Anerkennung dieser Fischenze und für die geringe Beeinträchtigung durch Bau und Betrieb des Bootshauses werde die Klägerin verpflichtet, eine einmalige Entschädigung von Fr. 1'200.-- zu bezahlen.
Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz, an das der Beklagte appellierte, wies die Klage am 21. November 1967 ab mit der Begründung, der Klägerin fehle die Sachlegitimation für diesen Prozess.
C.-
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie beantragt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz.
Der Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei; das angefochtene Urteil sei zu bestätigen; jedenfalls sei die Klage abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat entgegen
Art. 51 Abs. 1 lit. a OG
unterlassen, in ihrem Entscheid festzustellen, ob der Streitwert Fr. 15'000.-- oder wenigstens Fr. 8'000.-- erreicht. Die Berufungsklägerin
BGE 95 II 14 S. 17
führt in der Berufungsschrift aus, er übersteige Fr. 8'000.--, weil das mit grossen Kosten erstellte Bootshaus als solches unbenützbar sei, wenn ihr keine Ein- und Ausfahrt gewährt werde. Deren Fehlen habe ausserdem einen Minderwert ihres Grundstücks zur Folge, der allein den Betrag von Fr. 8'000.-- übersteige.
Auf Einladung des Abteilungspräsidenten hat die Vorinstanz nachträglich zu dieser Frage Stellung genommen und in ihrem Schreiben vom 6. September 1968 ausgeführt, der Streitwert übersteige Fr. 15'000.--, weil die Erstellung des Bootshauses über Fr. 20'000.-- gekostet habe. Diese Aufwendungen seien zum grössten Teile nutzlos, wenn der Berufungsklägerin die Ausfahrt in den See versagt bleibe.
Nach
Art. 36 Abs. 1 OG
wird der Wert des Streitgegenstandes durch das klägerische Rechtsbegehren bestimmt. Es fällt also in erster Linie das Interesse des Klägers in Betracht (
BGE 92 II 65
E. 3). Obwohl das Bootshaus im vorliegenden Fall nicht Streitobjekt ist, muss doch berücksichtigt werden, dass die Klägerin dafür Aufwendungen im Betrage von rund Fr. 20'000.-- gemacht hat. Freilich hat sie es ohne Bewilligung bauen und nachher entgegen dem Beschluss des Bezirksrates vom 13. März 1963 nicht abbrechen lassen. Die Bewilligung wurde ihr indessen nur deswegen versagt, weil der Beklagte sich weigerte, sein Einverständnis zum Beschluss des Regierungsrates vom 2. Februar 1961 zu erteilen. Sollte die Klägerin mit ihrer Klage durchdringen, so wäre dieses Hindernis beseitigt und es bestünde für die Baubehörden kein Grund mehr, den Gebrauch des Bootshauses zu verbieten oder gar dessen Abbruch zu verlangen. Dazu kommt noch, dass ein überbaubares Grundstück mit Seeanstoss eine bedeutende Wertverminderung erleidet, wenn keine Bootszufahrt möglich ist. Es darf deshalb im Rahmen des dem Bundesgericht nach
Art. 36 Abs. 2 OG
zustehenden Ermessens davon ausgegangen werden, dass der Streitwert bei Berücksichtigung des klägerischen Interesses Fr. 15'000.-- erreicht. Unter diesen Umständen ist es nicht nötig, auch noch das finanzielle Interesse des Beklagten an der Abweisung der Klage zu schätzen (vgl.
BGE 92 II 66
).
2.
Gemäss
Art. 736 ZGB
kann der Belastete die Löschung einer Dienstbarkeit verlangen, wenn sie für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat. Ist ein solches Interesse zwar noch vorhanden, aber im Vergleich zur Belastung
BGE 95 II 14 S. 18
von unverhältnismässig geringer Bedeutung, so kann die Dienstbarkeit gegen Entschädigung ganz oder teilweise abgelöst werden.
Dem Wortlaute nach gälte diese Bestimmung nur für Grunddienstbarkeiten. Beim hier streitigen Fischereirecht handelt es sich indessen um eine irreguläre Personaldienstbarkeit. Berechtigt ist nicht der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks, sondern der Beklagte (oder seine Rechtsnachfolger) persönlich. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Fischereirecht gemäss dem Abkommen von 1948 als Grundstück ins Grundbuch aufgenommen wurde (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 5 zu
Art. 655 ZGB
; LIVER, ZBJV 94 S. 379 f. und 384 ff.; ferner derselbe, N. 110 ff. zu
Art. 737 ZGB
). Wie jedoch LIVER (N. 185 zu
Art. 736 ZGB
) zutreffend ausführt, handelt es sich bei dieser Vorschrift um einen allgemeinen Grundsatz des Dienstbarkeitsrechts, der auch für persönliche Dienstbarkeiten gilt. Insoweit stünde der Anwendung des
Art. 736 Abs. 2 ZGB
auf das streitige Fischereirecht nichts entgegen.
Der aus
Art. 736 ZGB
fliessende Anspruch auf gänzliche oder teilweise Löschung einer Dienstbarkeit steht jedoch nur dem Belasteten zu. Darunter kann einzig der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstücks verstanden werden. Dritte, auch wenn sie ein Interesse an einer Beschränkung des Dienstbarkeitsinhalts haben sollten, können sich nicht auf
Art. 736 ZGB
berufen. Insoweit hat die Vorinstanz der Klägerin zu Recht die Legitimation zur Sache abgesprochen.
3.
Die Vorinstanz hat darüber hinaus der Klägerin überhaupt die Befugnis abgesprochen, einen Anspruch gegen den Beklagten geltend zu machen, mit der Begründung, die Klägerin sei am "Dienstbarkeitsverhältnis" nicht beteiligt; auf
Art. 737 Abs. 2 ZGB
insbesondere könnten sich nur der Eigentümer der belasteten Grundstücke und allenfalls weitere daran dinglich Berechtigte berufen. Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden.
Der Kanton Schwyz als Eigentümer des Seegrundstückes Nr. 2792 oder als Inhaber der Gewässerhoheit über den auf seinem Gebiet liegenden Teil des Vierwaldstättersees hat dem Beklagten in der Form einer Dienstbarkeit ein ausschliessliches Fischereirecht in einem Teil des Küssnachter-Trichters eingeräumt und sich zugleich verpflichtet, keinen Strandboden mit Entfernung von Schilf und andern Wasserpflanzen an
BGE 95 II 14 S. 19
Dritte zu verkaufen, noch Dritten Nutzungsrechte am Strandboden einzuräumen, es sei denn, dass dadurch das Fischereirecht des Beklagten nicht geschädigt werde und der Berechtigte zustimme. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sich dabei um eine zulässige privatrechtliche Dienstbarkeit an einer herrenlosen oder öffentlichen Sache handelt (vgl. LIVER, Einleitung N. 22 ff.; MEIER-HAYOZ, N. 68 ff. und HAAB, N. 17 zu
Art. 664 ZGB
). Kraft dieser Dienstbarkeit steht somit dem Beklagten der dingliche Anspruch auf Erhaltung des Schilfbestandes im betreffenden Bereiche des Sees zu. Dieser Anspruch richtet sich in erster Linie gegen den Eigentümer des mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstücks, der die Entfernung von Schilf zu unterlassen hat. Dingliche Rechte sind indessen absoluter Natur und können mithin gegen jedermann durchgesetzt werden (vgl. LIVER, N. 5 ff. zu
Art. 737 ZGB
). Daraus folgt, dass sich der Beklagte mit einer Unterlassungs- oder Beseitigungsklage (sog. actio confessoria, vgl. LIVER, N. 181 zu
Art. 737 ZGB
) gegen jeden beliebigen Dritten wenden könnte, der sein Recht auf Erhaltung des Schilfbestandes in Frage stellte oder verletzte. Zur Verteidigung könnte der Dritte geltend machen, ihm gegenüber bestehe das Recht des Klägers nicht oder dieser verletze den Grundsatz der schonenden Ausübung der Dienstbarkeit oder handle rechtsmissbräuchlich. Im vorliegenden Prozess geht es gerade um diese Frage. Einzig die Parteirollen sind umgekehrt: Der Dienstbarkeitsberechtigte tritt in der Rolle des Beklagten auf, weil Frau Schächtelin mit ihrer Klage gerichtlich feststellen lassen möchte, dass die Dienstbarkeit ihr gegenüber gewissen Einschränkungen unterliegt. Das erforderliche Interesse der Klägerin an dieser Feststellung ist gegeben, freilich nicht bloss deswegen, weil ihr wie jedem andern der Gemeingebrauch am öffentlichen Gewässer zusteht. Der Kanton kann diesen Gemeingebrauch aufheben oder beschränken (vgl.
BGE 88 I 23
E. 7; MEIER-HAYOZ, N. 165 und 166 zu
Art. 664 ZGB
und die dort aufgeführten Urteile des Bundesgerichts). Das kantonale Recht hat auch zu bestimmen, ob solche Beschränkungen durch Einräumung von Sondernutzungen oder beschränkter dinglicher Rechte zulässig sind (vgl. HAAB, N. 17 und 20 ff. zu
Art. 664 ZGB
). Auch der Klägerin wurde indessen durch den Beschluss des Regierungsrates vom 2. Februar 1961 ein Sondernutzungsrecht eingeräumt: Sie darf eine Bootseinfahrt erstellen und zu diesem Zwecke auf
BGE 95 II 14 S. 20
dem Seegebiet das Schilf auf eine Breite von 4 m schneiden und eine Fahrrinne von 1 m Tiefe ausbaggern lassen. Da sich diese Sondernutzung mit dem Dienstbarkeitsrecht des Beklagten nicht ohne weiteres vereinbaren lässt, wurde sie an die Bedingung geknüpft, dass sich der Fischereiberechtigte damit einverstanden erkläre. Dieses Einverständnis konnte die Klägerin auf gütlichem Wege nicht erlangen. Sie war deshalb gezwungen, auf dem Prozesswege feststellen zu lassen, dass der Beklagte keinen Grund zu seiner Weigerung habe. Ihre Sachlegitimation ist demzufolge gegeben.
4.
Die Klägerin beruft sich in erster Linie auf
Art. 737 Abs. 2 ZGB
. Nach dieser Vorschrift ist der Dienstbarkeitsberechtigte verpflichtet, sein Recht in möglichst schonender Weise auszuüben. Dem unter Erwägung 3 hievor Ausgeführten zufolge besteht diese Pflicht nicht nur gegenüber dem Eigentümer des belasteten Grundstücks und allenfalls gegenüber weitern an diesem Grundstück dinglich Berechtigten, sondern gegenüber jedermann. Allein, im vorliegenden Fall handelt es sich um eine negative Dienstbarkeit, soweit das dingliche Recht auf Beibehaltung des Schilfbestandes und das Verbot, Dritten Nutzungsrechte am Strandboden einzuräumen, in Frage stehen. Es ist nun kaum denkbar, dass bei negativen Dienstbarkeiten, bei denen der Belastete lediglich verpflichtet ist, eine bestimmte Nutzung des Grundstücks zu unterlassen, Ausübungshandlungen in Betracht fallen könnten. Davon könnte wohl nur bei affirmativen Dienstbarkeiten gesprochen werden, bei denen der Belastete gezwungen ist, sich tatsächlich Eingriffe in sein Grundstück gefallen zu lassen. Die Klägerin kann denn auch nicht geltend machen, dass ihr durch Handlungen, die mit der Ausübung der Dienstbarkeit in Zusammenhang stünden, Nachteile erwachsen sind. Sie behauptet dem Sinne nach vielmehr, das ihr bedingt eingeräumte Sondernutzungsrecht schädige das Fischereirecht des Beklagten nicht. Dieser könnte deshalb seine Zustimmung nicht verweigern. Demzufolge handelt es sich bei richtiger Betrachtung nicht um eine Frage der schonenden Ausübung des Dienstbarkeitsrechts des Beklagten, sondern um die Frage des Inhalts und des Umfangs dieses Rechts (vgl. dazu LIVER, N. 45 zu
Art. 737 ZGB
).
Es wäre wohl zweckmässiger gewesen, wenn die Klägerin statt auf Feststellung, dass die projektierte Bootseinfahrt die Fischereirechte des Beklagten nicht beeinträchtige, auf Erteilung
BGE 95 II 14 S. 21
der Zustimmung zur Erstellung dieser Einfahrt geklagt hätte. Ein rechtliches Interesse an der verlangten Feststellung ist aber vorhanden.
5.
Gemäss dem Wortlaut der Dienstbarkeit darf der Kanton Schwyz als Eigentümer des belasteten Seegrundstücks Dritten die Entfernung von Schilf nur gestatten und ihnen Nutzungsrechte am Strandboden nur einräumen, wenn dadurch das Fischereirecht des Beklagten nicht geschädigt wird und er sein Einverständnis erteilt. Diese Klausel bezweckt also nicht etwa die Erhaltung der Uferlandschaft schlechthin, sondern bloss den Schutz des Fischereirechts des Beklagten. Daraus folgt, dass dieser seine Zustimmung nicht verweigern kann, wenn dieses Recht durch die Erstellung der Bootseinfahrt entweder überhaupt nicht geschädigt würde oder wenn zwischen seinem Interesse an der unveränderten Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes und dem Interesse der Klägerin an einer Bootseinfahrt ein krasses Missverhältnis bestünde. In beiden Fällen handelte er rechtsmissbräuchlich und könnte gemäss
Art. 2 Abs. 2 ZGB
nicht geschützt werden. Im ersten Fall wegen unnützer Rechtsausübung (vgl. dazu MERZ, N. 340 ff. zu
Art. 2 ZGB
) und im zweiten wegen des krassen Missverhältnisses der Interessen (MERZ, a.a.O., N. 371 ff., insbesondere N. 375 ff.).
Wie es sich damit in tatbeständlicher Beziehung verhält, kann dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden. Die Sache muss daher auf Grund von
Art. 64 Abs. 1 OG
zur Ergänzung des Sachverhalts und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen werden. Das Kantonsgericht wird im neuen Verfahren zu prüfen haben, ob dem Beklagten überhaupt ein Nachteil durch die der Klägerin eingeräumte Sondernutzung entstehen wird und, gegebenenfalls, ob ein Nachteil nicht derart unbedeutend wäre, dass er gegenüber dem Interesse der Klägerin nicht ins Gewicht fiele, so dass die Verweigerung der Zustimmung rechtsmissbräuchlich erschiene.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,969 |
CH_BGE
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CH_BGE_004
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CH
|
Federation
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aa13368d-825d-4af6-b48f-0b884d7f5f72
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Urteilskopf
124 IV 225
38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. August 1998 i.S. Bundesanwaltschaft gegen A., B. und C. (Nichtigkeitsbeschwerde)
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Regeste
Art. 32 Abs. 4 lit. d, Art. 61 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 aUSG; Art. 4 Abs. 2 der Verordnung über Getränkeverpackungen; Art. 2 und 4 des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse.
Die Missachtung der in der Verordnung über Getränkeverpackungen festgelegten Pflicht, auf Einwegflaschen, die an Endverbraucher abgegeben werden, neben dem Verpackungsmaterial dessen Eignung zur Verwertung anzugeben, erfüllt den Tatbestand der Verletzung von Vorschriften über Abfälle im Sinne des Umweltschutzgesetzes (E. 2).
Diese Pflicht gilt auch nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (E. 3).
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Sachverhalt
ab Seite 226
BGE 124 IV 225 S. 226
Die X. AG und die Einzelfirma Y. verkauften im Zeitraum 1996 bis April 1997 in ihren Verkaufsläden in Bern unter anderem Mineralwasser der Marke «San Pellegrino», und zwar 1,5 l fassende Einweg-Gebinde bzw. PET-Flaschen (ungesüsstes) Mineralwasser mit und ohne Kohlensäure. Sie bezogen diese Flaschen von einem Dritten, der sie aus Italien importierte. Auf den Flaschen war ein Hinweis auf das Verpackungsmaterial (PET) und ein entsprechendes Signet sowie der Hinweis «non disperdere nell'ambiente» enthalten. Es fehlte aber der Hinweis, dass PET-Flaschen (wieder-) verwertet, d.h. rezykliert werden können.Die Gerichtspräsidentin 17 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen sprach A., B. und C. am 2. September 1997 der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Umweltschutz und der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb schuldig, begangen im Zeitraum 1996 bis April 1997 in Bern durch Verkauf von nicht der Verordnung über Getränkeverpackungen entsprechenden «San Pellegrino»-PET-Flaschen, und verurteilte sie zu Bussen von 500, 300 resp. 400 Franken.
Das Obergericht des Kantons Bern sprach A., B. und C. am 7. April 1998 von den Anschuldigungen der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Umweltschutz und der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb frei.Die Bundesanwaltschaft führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei insoweit aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, als A., B. und C. von der Anschuldigung der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Umweltschutz freigesprochen worden sind.
A., B. und C. beantragen die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
BGE 124 IV 225 S. 227
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Eintretensfrage)
2.
a) Gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. f des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (USG; SR 814.01) in der bis zur Teilrevision durch Bundesgesetz vom 21. Dezember 1995, in Kraft seit 1. Juli 1997, geltenden Fassung wird bestraft, «wer Vorschriften über Abfälle (Art. 32 Abs. 3 und 4 lit. a-e) verletzt». Dieser Bestimmung entspricht in der Sache
Art. 61 Abs. 1 lit. i USG
in der heute geltenden Fassung, wonach strafbar ist, «wer Vorschriften über Abfälle verletzt (Art. 30a lit. a und c, 30b, 30c Abs. 3, 30d, 30h Abs. 1, 32a, 32b Abs. 4 und 32e Abs. 1-4)». Vorliegend ist das zur Zeit der inkriminierten Taten geltende alte Recht anwendbar, da das neue Recht nicht das mildere ist (siehe
Art. 2 Abs. 2 StGB
).
b) Strafbar nach Art. 61 Abs. 1 lit. f aUSG ist, wer vorsätzlich oder fahrlässig (siehe Art. 61 Abs. 2 aUSG) Vorschriften über Abfälle verletzt, die aufgrund der in dieser Bestimmung genannten Delegationsnormen, Art. 32 Abs. 3 und Abs. 4 lit. a-e aUSG, erlassen worden sind. Nach Art. 32 Abs. 3 aUSG erlässt der Bundesrat technische und organisatorische Vorschriften über Abfallanlagen, insbesondere über Deponien. Nach Art. 32 Abs. 4 aUSG kann der Bundesrat
- vorschreiben, dass bestimmte Abfälle wie Gifte, Glas und Altpapier gesondert zur Verwertung, Unschädlichmachung oder Beseitigung übergeben werden (lit. a);
- vorschreiben, dass bestimmte Abfälle, namentlich Gifte, unschädlich gemacht werden (lit. b); - vorschreiben, dass bestimmte Abfälle verwertet werden, wenn dies wirtschaftlich tragbar ist und die Umwelt weniger belastet als die Beseitigung (lit. c);
- die Verkäufer bestimmter Arten von Produkten oder Verpackungen, wie Flaschen oder Quecksilberbatterien und -thermometer, verpflichten, solche, allenfalls gegen Rückerstattung eines Pfandes, zurückzunehmen (lit. d);
- Verpackungen von Massengütern verbieten, wenn sie zu unverhältnismässigen Abfallmengen führen oder die Verwertung der Abfälle erheblich erschweren (lit. e).
Gemäss Art. 4 Abs. 2 der Verordnung über Getränkeverpackungen vom 22. August 1990 (VGV; SR 814.017) dürfen Händler Getränke an Endverbraucher nur in Einwegverpackungen abgeben, auf denen das Verpackungsmaterial und dessen Eignung zur Verwertung
BGE 124 IV 225 S. 228
angegeben sind. Die Verordnung über Getränkeverpackungen stützt sich laut ihrem Ingress auf Art. 32 Abs. 4 lit. d-f und Art. 46 Abs. 2 (a)USG.
Art. 4 Abs. 2 VGV
ist durch die Delegationsnorm von Art. 32 Abs. 4 lit. d aUSG gedeckt, wonach der Bundesrat die Verkäufer bestimmter Arten von Produkten oder Verpackungen, wie Flaschen oder Quecksilberbatterien und -thermometer, verpflichten kann, solche, allenfalls gegen Rückerstattung eines Pfandes, zurückzunehmen. Diese Rücknahmepflicht kann der Händler nur erfüllen, wenn der Endverbraucher weiss, dass der Händler das Produkt bzw. die Verpackung zurücknimmt. Der in
Art. 4 Abs. 2 VGV
vorgeschriebene Hinweis auf die Eignung der Einwegflaschen zur Verwertung, d.h. auf die Rezyklierbarkeit, signalisiert dem Endverbraucher, dass der Händler die Getränkeverpackung zurücknimmt.
Art 4 Abs. 2 VGV
ist somit eine Vorschrift über Abfälle im Sinne von Art. 32 Abs. 4 lit. d aUSG, und ihre Missachtung ist daher gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. f aUSG strafbar.
c) Auf den von den Beschwerdegegnern in der Schweiz vertriebenen 1,5 l-PET-Flaschen fehlt ein Hinweis auf deren Eignung zur Verwertung, d.h. deren Rezyklierbarkeit. Der Vermerk «non disperdere nell'ambiente», den ohnehin nicht jedermann versteht, stellt keinen solchen Hinweis dar. Allerdings wird auf den Flaschen immerhin das Verpackungsmaterial, PET, angegeben. Selbst wenn es in der Schweiz inzwischen zum Allgemeinwissen gehören sollte, dass PET-Flaschen rezyklierbar sind, vermöchte der Hinweis auf dieses Verpackungsmaterial allein den gemäss
Art 4 Abs. 2 VGV
zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Rezyklierbarkeit nicht zu ersetzen. Es kann angenommen werden, dass heute zahlreiche Endverbraucher in der Schweiz gerade auch dank des entsprechenden Hinweises um die Rezyklierbarkeit von PET-Flaschen wissen, und dieses Wissen soll auch künftigen Endverbrauchern in der Schweiz vermittelt werden. Zudem kann der ausdrückliche Hinweis auf die Rezyklierbarkeit durch Worte oder durch ein einprägsames Signet in gewissem Masse auch als Aufforderung an den Endverbraucher wirken, sich entsprechend dem vorhandenen Wissen zu verhalten und die PET-Flaschen der Wiederverwertung zuzuführen.
d) Auch die Vorinstanz geht offenbar davon aus, dass die Beschwerdegegner an sich gegen
Art. 4 Abs. 2 VGV
verstiessen und die Missachtung dieser Vorschrift nach Art. 61 Abs. 1 lit. f aUSG strafbar ist. Dennoch hat sie die Beschwerdegegner vom Vorwurf der Widerhandlung gegen das Umweltschutzgesetz im Sinne von Art. 61 Abs. 1 lit. f aUSG freigesprochen.
Art. 4 Abs. 2 VGV
steht
BGE 124 IV 225 S. 229
ihres Erachtens im Widerspruch zum Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse vom 6. Oktober 1995 (THG, SR 946.51), in Kraft seit 1. Juli 1996, und ist aus diesem Grunde nicht anwendbar, wie sich aus verschiedenen Bestimmungen dieses Gesetzes ergebe.Die Bundesanwaltschaft erachtet diese Auffassung als unzutreffend. Zur Begründung gibt sie in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde eine Stellungnahme wieder, die das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) unter Berücksichtigung der Ansicht des Bundesamtes für Aussenwirtschaft (BAWI) verfasst hat.
3.
Das Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse schafft nach seinem Artikel 1 («Zweck und Gegenstand») einheitliche Grundlagen, damit im Regelungsbereich des Bundes technische Handelshemmnisse vermieden, beseitigt oder abgebaut werden (Abs. 1). Es enthält gemäss
Art. 1 Abs. 2 THG
insbesondere Grundsätze für die Vorbereitung, den Erlass und die Änderung von technischen Vorschriften (lit. a); Kompetenzen und Aufgaben des Bundesrates (lit. b); allgemeine Rechte und Pflichten der Betroffenen sowie allgemein anwendbare Strafbestimmungen (lit. c). Das Gesetz gilt nach Art. 2 («Geltungsbereich») für alle Bereiche, in denen der Bund technische Vorschriften aufstellt (Abs. 1). Es findet Anwendung, soweit nicht andere Bundesgesetze, allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse oder internationale Abkommen abweichende oder weitergehende Bestimmungen enthalten (Abs. 2). Als technische Handelshemmnisse im Sinne des Gesetzes gelten gemäss
Art. 3 lit. a THG
Behinderungen des grenzüberschreitenden Verkehrs von Produkten unter anderem aufgrund unterschiedlicher technischer Vorschriften oder Normen. Technische Vorschriften im Sinne des Gesetzes sind gemäss
Art. 3 lit. b THG
rechtsverbindliche Regeln, deren Einhaltung die Voraussetzung bildet, damit Produkte angeboten, in Verkehr gebracht, in Betrieb genommen, verwendet oder entsorgt werden dürfen.
a) Nach Auffassung der Vorinstanz ergibt sich aus
Art. 2 Abs. 2 THG
, dass eine sich als technisches Handelshemmnis auswirkende technische Vorschrift, die, wie
Art. 4 Abs. 2 VGV
, lediglich in einer bundesrätlichen Verordnung enthalten ist, nach dem Inkrafttreten des THG nicht mehr anwendbar sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
aa) Das THG ist als Rahmenerlass konzipiert. Es stellt in Rechnung, dass das Problem der technischen Handelshemmnisse nicht allein auf horizontaler Ebene durch einzelne allgemein anwendbare
BGE 124 IV 225 S. 230
Regeln gelöst werden kann. Vielmehr sind dazu auch und vor allem Anpassungen zahlreicher sogenannter «sektorieller» Produktevorschriften erforderlich. Das THG soll jedoch lenkend und koordinierend auf die sektoriellen Produktegesetzgebungen einwirken und diese, soweit erforderlich, ergänzen (Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse, BBl 1995 II 521 ff., 522).
Art. 2 THG
befasst sich einzig mit der Frage des rechtlichen Vorrangs unter konkurrierenden Vorschriften des Bundesrechts, nicht aber mit der Frage einer unter sachlichen bzw. politischen Gesichtspunkten allenfalls notwendigen oder erwünschten Bereinigung bzw. Harmonisierung dieser Regelungen. Voraussetzung für das Vorliegen einer Konkurrenz zwischen Bestimmungen des THG einerseits und solchen eines Sektorgesetzes andererseits ist in jedem Fall, dass ein bestimmter Regelungsgegenstand von beiden Erlassen erfasst wird (Botschaft S. 563). Rechtlich möglich ist nach den weiteren Ausführungen in der Botschaft ferner der Fall, in welchem das sektorielle Spezialgesetz zwar nicht vom THG abweicht, jedoch Regelungskompetenzen auf untere Ebenen delegiert und Divergenzen alsdann auf Verordnungsstufe auftreten. Hier soll als Regel gelten, dass der Bundesrat bzw. das zuständige Departement nicht ohne ausdrückliche oder implizite Ermächtigung durch den Bundesgesetzgeber von den Grundsätzen des THG abweichen darf (Botschaft S. 563/564). Die Botschaft weist sodann darauf hin, dass dem THG gegenüber der geltenden Produktegesetzgebung im Wesentlichen eine bloss ergänzende oder unterstützende Funktion zukommt. Das Potential sektorieller Widersprüche zu materiellen Regelungen des THG im Allgemeinen sowie von Abweichungen, welche sich allein auf Verordnungsstufe manifestieren, im Besonderen sei insgesamt als gering zu beurteilen (S. 564).
bb) Das THG enthält keine Vorschriften betreffend Getränkeverpackungen. Diese sind mithin nicht Regelungsgegenstand des THG. Die Frage des rechtlichen Vorrangs unter konkurrierenden Vorschriften kann sich daher gar nicht stellen. Wohl mag sich
Art. 4 Abs. 2 VGV
als technisches Handelshemmnis auswirken und bezweckt das THG gerade, im Regelungsbereich des Bundes solche Handelshemmnisse zu vermeiden, zu beseitigen oder abzubauen (
Art. 1 THG
). Das bedeutet indessen nicht, dass in Bezug auf den konkreten Regelungsgegenstand betreffend die erforderlichen Angaben auf Getränkeverpackungen zwischen
Art. 4 Abs. 2 VGV
einerseits und dem THG andererseits ein Widerspruch bestehe und
BGE 124 IV 225 S. 231
daher
Art. 4 Abs. 2 VGV
als blosse Verordnungsvorschrift gemäss
Art. 2 Abs. 2 THG
nicht mehr anwendbar sei.
cc) Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob entsprechend den Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde
Art. 4 Abs. 2 VGV
inhaltlich vollständig und in seinem Wortlaut weitgehend
Art. 27 USG
(alte und neue Fassung) betreffend «Gebrauchsanweisung» bzw. «Information der Abnehmer» beim Inverkehrbringen von Stoffen entspreche, welcher als abweichende oder weitergehende Bestimmung auf Gesetzesstufe einen Vorrang im Sinne von
Art. 2 Abs. 2 THG
begründe.
b) Auch aus
Art. 4 Abs. 3 THG
ergibt sich entgegen den weiteren Erwägungen im angefochtenen Urteil nicht, dass
Art. 4 Abs. 2 VGV
seit dem Inkrafttreten des THG nicht mehr anwendbar sei.
aa) Das THG enthält in Art. 4-6 Grundsätze über die «Rechtsetzung im Bereich der technischen Vorschriften». Technische Vorschriften werden so ausgestaltet, dass sie sich nicht als technische Handelshemmnisse auswirken (
Art. 4 Abs. 1 THG
). Sie werden zu diesem Zweck auf die technischen Vorschriften der wichtigsten Handelspartner der Schweiz abgestimmt. Dabei wird darauf geachtet, dass die technischen Vorschriften möglichst einfach und transparent sind und zu einem möglichst geringen Verwaltungs- und Vollzugsaufwand führen (
Art. 4 Abs. 2 THG
). Abweichungen vom Grundsatz von
Art. 4 Abs. 1 THG
sind nur zulässig, soweit überwiegende öffentliche Interessen sie erfordern und sie weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels darstellen (
Art. 4 Abs. 3 lit. a und b THG
). Interessen nach Abs. 3 lit. a sind unter anderem der Schutz der natürlichen Umwelt (
Art. 4 Abs. 4 lit. c THG
). Diese Bestimmungen berühren die Gültigkeit von bestehenden Produktevorschriften nicht. Sie richten sich an die gesetzgebenden Behörden und betreffen den Erlass und die Änderung von technischen Vorschriften in der Zukunft. Die gesetzgebenden Behörden sollen in der Zukunft die technischen Vorschriften grundsätzlich auf diejenigen der wichtigsten Handelspartner der Schweiz abstimmen, so dass sie sich nicht als technische Handelshemmnisse auswirken. Die gesetzgebenden Behörden können aber auch in der Zukunft unter den in
Art. 4 Abs. 3 und 4 THG
genannten Voraussetzungen von diesem Grundsatz abweichen.Dass die in
Art. 4 ff. THG
festgelegten Grundsätze lediglich die Rechtsetzung in der Zukunft betreffen, ergibt sich auch aus den Ausführungen in der bundesrätlichen Botschaft. Danach richten sich
BGE 124 IV 225 S. 232
die genannten Grundsätze an den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber des Bundes (Botschaft S. 544). Bundesrat und Bundesverwaltung haben den Auftrag, bei der Vorbereitung, dem Erlass und der Änderung von sektoriellen Produktevorschriften technische Handelshemmnisse grundsätzlich zu vermeiden. Diese Verpflichtung gilt für die Zukunft, d.h. ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des THG (S. 547). Schon der in
Art. 1 Abs. 1 THG
umschriebene Gesetzeszweck bringt zum Ausdruck, dass in Zukunft der «Handelsverträglichkeit» von Produktevorschriften bei deren Erlass und Vollzug grösseres Gewicht als in der Vergangenheit beigemessen werden soll (S. 560). Die in
Art. 4 ff. THG
festgelegten Grundsätze über die «Rechtsetzung im Bereich der technischen Vorschriften» sind durch den Bundesrat, die Departemente und Ämter, gegebenenfalls auch durch weitere mit der Vorbereitung von Erlassen oder der Änderung von bundesrechtlichen Produktevorschriften betrauten Stellen zu befolgen. Allerdings besteht bei Erlassen auf Gesetzesstufe keine (Selbst-)Bindung des Gesetzgebers, doch sind die im THG festgelegten Grundsätze auch hier immerhin auf der Stufe der Vorbereitung und Antragstellung zu beachten, weshalb der Bundesrat gemäss Art. 43 Abs. 3 lit. f des Geschäftsverkehrsgesetzes in seinen Botschaften und Berichten bei technischen Vorschriften die übereinstimmung mit den Grundsätzen über die Rechtsetzung gemäss
Art. 4-6 THG
darzustellen hat. Dagegen sind in Bezug auf Verordnungen, in denen die Produktevorschriften vor allem geregelt sind, die in
Art. 4 ff. THG
festgelegten Grundsätze nicht nur bei der Vorbereitung, sondern auch beim Erlass und bei der Änderung zu befolgen (Botschaft S. 579).
Art. 4 ff. THG
berühren somit die Gültigkeit von bestehenden Produktevorschriften auf Gesetzes- und Verordnungsstufe nicht.
bb) Daher stellt sich die Frage nicht, ob der vor dem Inkrafttreten des THG erlassene
Art. 4 Abs. 2 VGV
, wonach u.a. die Eignung des Verpackungsmaterials zur Verwertung anzugeben ist, sich überhaupt im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 THG
als technisches Handelshemmnis auswirkt und gegebenenfalls durch überwiegende öffentliche Interessen des Umweltschutzes im Sinne von
Art. 4 Abs. 3 und 4 lit. c THG
erfordert wird.
cc) Bei diesem Ergebnis kann auch offen bleiben, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Kognition der Strafrichter prüfen kann, ob eine nach dem Inkrafttreten des THG erlassene oder abgeänderte technische Verordnungsvorschrift sich im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 THG
als technisches Handelshemmnis auswirkt und gegebenenfalls
BGE 124 IV 225 S. 233
im Sinne von
Art. 4 Abs. 3 und 4 lit. c THG
durch überwiegende Interessen des Umweltschutzes erfordert wird. Eine Überprüfungsbefugnis des Strafrichters ergibt sich im übrigen entgegen den Bemerkungen im angefochtenen Urteil jedenfalls nicht aus Art. 19 f. THG betreffend «nachträgliche Kontrolle (Marktüberwachung)», sondern aus den allgemeinen Grundsätzen betreffend die Überprüfung von Verordnungen auf ihre Gesetzmässigkeit. Die Strafgerichte sind keine zur Marktüberwachung zuständigen Kontrollorgane im Sinne von Art. 19 f. THG.
4.
Welche Regelungen in der Europäischen Union bzw. in einzelnen Mitgliedstaaten der Union in Bezug auf die Angaben auf Einwegflaschen gelten respektive allenfalls angestrebt werden, kann hier dahingestellt bleiben. Die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union. Soweit
Art. 4 Abs. 2 VGV
strenger sein sollte als die Regelungen in der Europäischen Union bzw. in einzelnen Mitgliedstaaten, kann er sich allenfalls als technisches Handelshemmnis auswirken. Allerdings wiegt dieses Handelshemmnis jedenfalls nicht schwer. Denn unter dem Gesichtspunkt von
Art. 4 Abs. 2 VGV
genügt es, wenn die aus dem Ausland eingeführten Mineralwasserflaschen erst in der Schweiz vor der Abgabe an den Endverbraucher mit einem Hinweis auf die Rezyklierbarkeit versehen werden. Daher ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die in
Art. 4 Abs. 2 VGV
enthaltene Regelung in unzulässiger Weise Parallelimporte verhindere oder gegen Art. 13 des Freihandelsabkommens zwschen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (SR 0.632.401) verstosse, wonach im Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz keine neuen mengenmässigen Einfuhrbeschränkungen oder Massnahmen gleicher Wirkung eingeführt werden.
5.
Zusammenfassend ergibt sich somit Folgendes:
Art. 4 Abs. 2 VGV
ist auch nach dem Inkrafttreten des THG am 1. Juli 1996 uneingeschränkt anwendbar.
Art. 4 Abs. 2 VGV
ist auch insoweit, als er einen Hinweis auf die Eignung zur Verwertung von Einwegverpackungen für Getränke vorschreibt, durch den im Ingress der VGV unter anderem genannten Art. 32 Abs. 4 lit. d aUSG gedeckt. Die Missachtung dieser Vorschrift ist gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. f aUSG strafbar.
Indem die Beschwerdegegner an Endverbraucher (ungesüsstes) Mineralwasser in Einwegverpackungen abgaben, auf denen zwar das Verpackungsmaterial (PET) angegeben war, aber ein Hinweis auf dessen Eignung zur Verwertung (Rezyklierbarkeit) fehlte, erfüllten sie den objektiven Tatbestand von Art. 61 Abs. 1 lit. f aUSG.
BGE 124 IV 225 S. 234
Die Sache ist daher in Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde der Bundesanwaltschaft zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird darüber befinden, ob die Beschwerdegegner auch den subjektiven Tatbestand erfüllten, also vorsätzlich oder fahrlässig (siehe Art. 61 Abs. 2 aUSG) handelten, und ob die weiteren Voraussetzungen für eine Bestrafung erfüllt seien.
6.
(Kostenfolgen)
| null |
nan
|
de
| 1,998 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
aa156b00-38f7-4a09-9b90-66f7bd888108
|
Urteilskopf
82 I 281
40. Sentenza della II Corte civile 11 dicembre 1956 nella causa Demetrio Ferrari SA contro lo Stato del Cantone Ticino.
|
Regeste
Art. 954 ZGB
und
Art.21und 30
lit. a des tessinischen Tarifs für grundbuchliche Vorkehrungen.
1. Zulässigkeit der Erhebung sog. gemischter Abgaben als "Gebühren" für die grundbuchlichen Vorkehrungen (Erw. 1).
2. Die Gleichbemessung der Gebühren für die Eintragung eines Eigentumsüberganges und für die Eintragung eines Grundpfandes ist willkürlich (
Art. 4 BV
). (Erw. 2 und 3).
3. Übermässige tessinische Gebührenbelastung für die Eintragung und Ausgabe von Schuldbriefen auf den Inhaber in hohem Betrage. Verletzung von Art. 2 der Übergangsbestimmungen der BV (Erw. 4).
|
Sachverhalt
ab Seite 282
BGE 82 I 281 S. 282
A.-
La SA Demetrio Ferrari chiedeva all'Ufficio dei registri di Mendrisio l'iscrizione di quattordici cartelle ipotecarie al portatore, per un importo complessivo di 2 393 904 fr. sul proprio immobile a Chiasso. Per queste operazioni l'Ufficio dei registri, in applicazione del decreto legislativo 9 settembre 1941 sulla tariffa per le operazioni nel registro fondiario (TRF) e della legge cantonale sul bollo 9 gennaio 1931 (LCB), chiedeva a titolo di tasse e spese la somma di 36 002 fr. 20.
La tassazione avveniva sulle seguenti basi:
a) 11 promille tassa per l'iscrizione di pegni immobiliari (art. 21 TRF);
b) 3 promille tassa addizionale per l'iscrizione (emissione) di cartelle ipotecarie (art. 30 lett. a TRF);
c) 1 promille tassa di bollo (art. 6 LCB)
oltre alla tassa per la controfirma delle cartelle da parte del Pretore (1 fr. 50 per cartella), le spese di scritturazione di 0 fr. 50 per pagina e quelle postali.
B.-
La SA Demetrio Ferrari ricorreva al Dipartimento cantonale di giustizia, quale autorità di vigilanza sul registro fondiario, adducendo che la tassazione era esorbitante e, come tale, lesiva del diritto federale. Essa concludeva chiedendone la riduzione a 10 000 fr.
Con decisione 29 febbraio 1956 il Dipartimento cantonale di giustizia respingeva il ricorso.
C.-
La SA Demetrio Ferrari ha interposto ricorso di diritto pubblico al Tribunale federale, chiedendo che la querelata decisione sia annullata e gli atti siano rinviati all'istanza cantonale per nuovo giudizio. La ricorrente adduce in sostanza quanto segue:
La decisione impugnata è arbitraria (art. 4 CF) e viola il principio della forza derogatoria del diritto federale (art. 2 disp. trans. CF) per eccessiva onerosità della tassa d'iscrizione a registro fondiario. È inammissibile che un Cantone, per l'iscrizione e l'emissione di quattordici cartelle al portatore d'un valore di complessivi 2 393 904 fr. riscuota
BGE 82 I 281 S. 283
delle tasse del 15 promille, pari alla somma di 36 002 fr. 20. È evidente che non si tratta più d'una tassa amministrativa per una prestazione statale, ma d'una tassa fusa con un'imposta progressiva. Il decreto legislativo 9 settembre 1941, che stabilisce la tariffa per le operazioni nel registro fondiario, si richiama esclusivamente all'art. 954 CC e all'art. 21 della legge ticinese sul registro fondiario 2 febbraio/5 luglio 1933. Scopo del legislatore è stato appunto quello di determinare le tasse d'"iscrizione" di cui all'art. 954 CC, riservata l'applicazione dei diritti di bollo concorrenti (art. 9 TRF). È manifesta l'intenzione di stabilire, nel decreto legislativo, tasse amministrative in senso stretto. Manca dunque una base legale per una contribuzione mista, che ecceda il corrispettivo adeguato per la prestazione statale e che, oltre a coprire la spesa generale dell'istituzione del registro fondiario, lasci allo Stato un utile rilevante. I dati statistici concernenti gli uffici ticinesi del registro fondiario dimostrano infatti che contro un introito di tasse di 2 229 068 fr. 60 (1955) stanno delle uscite medie annue di 772 752 fr. La sproporzione è enorme. L'eccessiva onerosità delle tasse, che rende impossibile o eccessivamente gravoso l'istituto del registro fondiario, viola non solo il principio della forza derogatoria del diritto federale, ma anche quello dell'uguaglianza di diritto. S'impone quindi il rinvio degli atti affinchè l'istanza cantonale riduca le tasse che, per la loro fortissima progressione, non reggono il confronto con quelle di nessun altro Cantone.
D.-
Il Dipartimento cantonale di giustizia ha proposto la reiezione del ricorso. Esso adduce in compendio quanto segue: È pacifica la facoltà del Cantone di congiungere con la tassa di registro in senso stretto un'imposta di mutazione, la quale attiene esclusivamente al diritto cantonale. È altresì pacifico che una tale imposizione è ammissibile anche per iscrizioni ipotecarie. Le tasse litigiose, prelevate conformemente alle leggi vigenti, non sono sproporzionate alla spesa media dello Stato per l'istituzione del registro fondiario. Esse non sono nemmeno eccessivamente onerose
BGE 82 I 281 S. 284
e, ad ogni modo, non figurano tra le più alte della Svizzera. Cadono quindi le critiche mosse alla decisione querelata dal profilo degli
art. 4 e 2
disp. trans. CF.
E.-
Nella replica la ricorrente ha ribadito i suoi argomenti e si è confermata nelle conclusioni del ricorso.
F.-
Contro la decisione dipartimentale 29 febbraio 1956 la ricorrente ha anche interposto un ricorso di diritto amministrativo, che sarà trattato in sede separata.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
A norma della dottrina e della giurisprudenza, i Cantoni hauno il diritto di prelevare a titolo di "tasse" per le operazioni a registro fondiario delle cosiddette "contribuzioni miste". A queste contribuzioni è peculiare l'abbinamento d'una tassa amministrativa, rappresentante il corrispettivo della prestazione statale concreta, ad un'imposta indiretta, destinata a coprire le spese generali dello Stato (BLUMENSTEIN, Schweiz. Steuerrecht, vol. I p. 7 e 199; HOMBERGER, nota 3 all'art. 954 CC; RU 53 I 482 sgg. e 72 I 394 sgg.). Il diritto di prelevare tributi che hanno il carattere d'imposta scaturisce direttamente dalla sovranità fiscale dei Cantoni; la loro facoltà di riscuotere contribuzioni miste nel senso esposto esiste pertanto anche quando la tariffa cantonale per le operazioni a registro fondiario non lo preveda espressamente. Che contribuzioni di questa natura siano poi ammissibili anche a norma della tariffa ticinese è già stato dichiarato dal Tribunale federale nella sentenza RU 72 I 397. Infondata è quindi l'eccezione sollevata dalla ricorrente, secondo cui le tasse litigiose non avrebbero base legale nella misura in cui rappresentano un'imposta perchè tanto la legge ticinese sul registro fondiario, quanto la tariffa stessa si richiamano unicamente alle tasse in senso stretto previste dall'art. 954 CC.
2.
È pacifico che la tariffa ticinese prevede gli stessi emolumenti per l'iscrizione del trapasso di immobili (in seguito tasse di trapasso; art. 11 TRF) e per l'iscrizione di pegni immobiliari (in seguito tasse di pegno; art. 21
BGE 82 I 281 S. 285
TRF). Alla tassa di pegno ordinaria va ancora aggiunta quella addizionale per l'emissione di cartelle ipotecarie al portatore (art. 30 lett. a TRF).
Nella sentenza inedita 23 novembre 1955 su ricorso Soldati il Tribunale federale ha statuito che le tasse di trapasso contemplate dall'art. 11 TRF non sono inconciliabili con il diritto federale e non figurano tra le più elevate in Svizzera. Il Dipartimento cantonale invoca questa sentenza per giustificare anche le aliquote delle tasse di pegno previste dall'art. 21 TRF. La prima questione che si pone è dunque se, dal profilo dell'art. 4 CF, sia lecito riscuotere tasse di registro dello stesso ammontare per il trapasso di immobili e l'iscrizione di pegni immobiliari.
3.
Tanto nell'ipotesi del trapasso, quanto nell'ipotesi del pegno le tasse di registro fondiario colpiscono la trasmissione di diritti. L'interesse economico che sta alla base dell'operazione non è però identico nelle due ipotesi. Con il trapasso il compratore acquista a titolo di proprietà un bene d'un valore determinato, che costituisce la base imponibile agli effetti della tassa. Esiste quindi una proporzione reale e senz'altro riconoscibile tra il suo interesse e il tributo che gli è imposto. Non così nell'ipotesi del pegno. Con la sua iscrizione il creditore intende anzitutto garantire un credito che già gli spetta. La garanzia immobiliare può inoltre essere piena, come può apparire dubbia sin dall'inizio o rivelarsi insufficiente in seguito. Anche se l'iscrizione del pegno può avere come ha sovente per iscopo di mobilizzare la proprietà fondiaria, e sotto questo aspetto può apparire anch'essa quale operazione "capitalistica" nel senso attribuitole dal Dipartimento cantonale, rimane pur sempre l'incertezza che per il creditore risiede nel rischio di essere coperto solo parzialmente dal pegno, per il debitore nel pericolo di doversene spossessare a sottoprezzo in un'esecuzione forzata. Si è quindi in presenza, per quanto riguarda l'interesse del privato all'operazione a registro, d'una situazione affatto diversa da quella del trapasso.
BGE 82 I 281 S. 286
In queste condizioni la parifica delle aliquote delle tasse per l'iscrizione dei trapassi e dei pegni negli
art. 11 e 21
TRF urta con l'art. 4 CF. È difatto arbitrario trattare alla stessa stregua due fattispecie che per il loro interesse economico differiscono oggettivamente l'una dall'altra, così come viceversa è arbitrario trattare diversamente due fattispecie sostanzialmente identiche (RU 61 I 92, 77 I 107, 78 I 416, 81 I 184).
Della differenza sostanziale che contraddistingue le operazioni di cui si tratta, gli altri Cantoni usano tener conto gravando maggiormente l'iscrizione d'un trapasso che l'iscrizione d'un pegno. Ciò sta a dimostrare che anche secondo l'opinione comunemente ammessa nel nostro paese un'equiparazione dell'aggravio per l'iscrizione a registro fondiario dei trapassi e dei pegni immobiliari, così come è prevista dalla tariffa ticinese, rappresenta un onere eccessivo ed inammissibile dell'iscrizione dei pegni.
4.
La sentenza odierna prolata da questa Corte nella controversia di diritto amministrativo proposta contemporaneamente dalla ricorrente ha statuito che nelle tasse di registro litigiose di complessivamente 14promille (compresa la tassa addizionale del 3 promille per l'emissione delle cartelle ipotecarie) va ravvisata una contribuzione mista, costituita per metà (7 promille ) d'una tassa amministrativa e per metà (7 promille ) di un'imposta indiretta *). Come si legge in tale sentenza, già l'ammontare della tassa amministrativa vera e propria basta a coprire la spesa dell'istituzione del registro fondiario, anzi lascia un utile notevole. Se nell'ammontare del 7 promille la tassa non appara ancora esorbitante, essa lo diventa indiscutibilmente nell'ammontare complessivo del 14 promille , anche se il valore del pegno iscritto sia considerevole. L'onere non è più palesemente in rapporto adeguato con l'interesse del privato alle prestazioni del registro fondiario. Tasse, come quelle riscosse dal Cantone Ticino per l'iscrizione di cartelle ipotecarie al portatore d'un importo elevato, *) Cfr. pag. 297.
BGE 82 I 281 S. 287
non sono conosciute da alcun altro Cantone. Lo comprova la ricorrente con il suo specchietto riassuntivo della legislazione di 21 Cantoni, dal quale risulta che l'iscrizione litigiosa sarebbe stata colpita altrove da tributi in un ammontare massimo di 7180 fr. 70, invece di 36 002 fr.20 come nel Cantone Ticino. Il Dipartimento cantonale non contesta i dati forniti dalla ricorrente e non adduce ad ogni modo nessun Cantone che, per l'iscrizione di cartelle ipotecarie d'un valore uguale a quello che ne occupa, chieda delle tasse così elevate come quelle risultanti dall'applicazione combinata degli
art. 21 e 30
lett. a TRF. L'esempio del Cantone Basilea-Città, invocato dal Dipartimento, non calza, poichè vale unicamente per le tasse di trapasso e non d'iscrizione di pegno immobiliare. Con la riscossione d'un'imposta del 7 promille, fusa con una tassa amministrativa pure del 7 promille , il Cantone Ticino rende, a non dubitarne, oltremodo onerosa l'utilizzazione del registro fondiario, istituzione del diritto federale. Anche la censura di violazione dell'art. 2 disp. trans. CF è quindi pienamente giustificata. Di conseguenza, la tassazione impugnata dev'essere annullata nella misura in cui le aliquote dei combinati disposti 21 e 30 lett. a TRF eccedono il 7 promille , in altri termini nella misura in cui il Cantone preleva, oltre che alla tassa amministrativa, anche un'imposta indiretta.
5.
Lecita è invece la riscossione della tassa di bollo dell'1 promille (art. 6 LCB). Un tributo di siffatta natura, calcolato in applicazione di aliquote modiche, è usuale e non grava eccessivamente la ricorrente.
Le altre tasse e spese riscosse (tassa per la firma delle cartelle ipotecarie, spese di scritturazione, ecc.) non sono impugnate dalla ricorrente.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è parzialmente accolto e la querelata decisione 29 febbraio 1956 del Dipartimento di giustizia del Cantone Ticino è parzialmente annullata a norma dei considerandi.
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| 1,956 |
CH_BGE
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CH_BGE_001
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CH
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Federation
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aa1cb9dd-c313-4b41-b580-b9ef548af678
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Urteilskopf
136 I 316
31. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Einwohnergemeinde Zermatt gegen X. und Staatsrat des Kantons Wallis (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_833/2009 vom 19. Juli 2010
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Regeste
Gebührenordnung der Einwohnergemeinde Zermatt für das Wasser und das Abwasser: Verweisung auf private Normen;
Art. 9 BV
.
Nach dem kantonalen Recht sind die Gemeinden im Kanton Wallis für die Erhebung von Wasseranschluss- und Kanalisationsanschlussbeiträgen autonom (E. 2.1).
Unterschied zwischen statischen und dynamischen Verweisungen; Voraussetzung derer Zulässigkeit (E. 2.4.1).
Im vorliegenden Fall handelt es sich aufgrund der Auslegung um eine statische Verweisung; willkürliche Annahme einer dynamischen Verweisung durch die Vorinstanz (E. 2.4.2 und 2.4.3).
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Sachverhalt
ab Seite 316
BGE 136 I 316 S. 316
A.
X. baute auf ihrer Parzelle in der Gemeinde Zermatt zwei neue Wohnhäuser. Am 30. August 2005 stellte ihr diese einen
BGE 136 I 316 S. 317
Wasseranschlussbeitrag von Fr. 13'350.90 und einen Kanalisationsanschlussbeitrag von Fr. 14'028.90 in Rechnung. Sie stützte sich dabei auf Art. 2 der Gebührenordnung der Einwohnergemeinde Zermatt für das Wasser und das Abwasser vom 30. November 1977 (nachfolgend: Gebührenordnung). Dagegen hat X. bei der Gemeinde erfolglos Einsprache erhoben.
B.
Den Einspracheentscheid hat X. beim Staatsrat mit Beschwerde angefochten. Diese hiess der Staatsrat gut und hob den Einspracheentscheid der Gemeinde auf. Dagegen hat die Gemeinde Zermatt beim Kantonsgericht des Kantons Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, erfolglos Beschwerde geführt.
C.
Die Gemeinde Zermatt beantragt vor Bundesgericht, den Entscheid des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, Öffentlichrechtliche Abteilung, vom 13. November 2009 aufzuheben. X. (...) beantragt, die Beschwerde abzuweisen. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
2.1.1
Nach der Rechtsprechung sind Gemeinden in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (vgl.
BGE 135 I 233
E. 2.2 S. 241 f.;
BGE 133 I 128
E. 3.1 S. 130 f.;
BGE 129 I 290
E. 2.1 S. 294; je mit Hinweisen).
2.1.2
Nach Art. 69 der Verfassung des Kantons Wallis vom 8. März 1907 (KV/VS; SR 131.232) ordnen die Gemeinden innerhalb der Schranken der Verfassung und der Gesetze ihre Angelegenheiten selbständig. Sie sind für die Aufgaben zuständig, die örtlicher Natur sind, und jene, die sie allein oder zusammen mit andern Gemeinden
BGE 136 I 316 S. 318
lösen können. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Gemeindegesetzes des Kantons Wallis vom 5. Februar 2004 (GG/VS; SGS 175.1) sind die öffentlichrechtlichen Körperschaften (u.a. Einwohnergemeinden: vgl. Art. 1 Abs. 1 GG/VS) in allen ihren Aufgaben, die sie von sich aus im öffentlichen Interesse unternehmen, selbständig (autonom; siehe Überschrift von Art. 2 GG/VS). Sie sind überdies innerhalb der gesetzlichen Schranken für alle übertragenen Aufgaben selbständig (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 GG/VS).
Vorliegend geht es um Wasseranschluss- und Kanalisationsanschlussbeiträge, welche die Gemeinde Zermatt erhebt. Nach Art. 15 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 23. Januar 1987 zur Ausführung des Bundesgesetzes über die Raumplanung (SGS 701.1) bestimmen die Gemeinden die finanzielle Beteiligung der Grundeigentümer an den Erschliessungskosten entsprechend der Spezialgesetzgebung. Sie erlassen zu diesem Zweck ein Reglement (vgl. Art. 13). Nach Art. 14 (Finanzierung der Abwasseranlagen) des kantonalen Gesetzes vom 16. November 1978 betreffend die Vollziehung des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen die Verunreinigung (SGS 814.2) kann die Gemeinde Beiträge und Gebühren für den Bau und den Betrieb der Kanalisationsnetze und der Abwasserreinigungsanlagen erheben (siehe auch Art. 15). Die Gemeinde Zermatt kann in der vorliegenden Streitsache somit autonom kommunale Vorschriften erlassen und vollziehen.
2.2
2.2.1
Soweit im Bereich der kommunalen Autonomie die Handhabung von eidgenössischem oder kantonalem Verfassungsrecht zur Diskussion steht, prüft das Bundesgericht das Vorgehen der kantonalen Behörden mit freier Kognition, ansonsten unter dem Gesichtspunkt der Willkür (
Art. 95 BGG
; Urteil 1C_501/2009 vom 4. Januar 2010 E. 2.3, nicht publ. in:
BGE 136 I 142
; so auch die bisherige Praxis unter dem OG: vgl.
BGE 132 I 68
E. 1.1 S. 69 f.;
BGE 131 I 91
E. 1 S. 93;
BGE 128 I 3
E. 2b S. 9; je mit Hinweisen).
Strittig ist hier die Auslegung und Anwendung von Art. 2 der Gebührenordnung, auf welche sich die Rechnungsverfügung vom 30. August 2005 stützt. Die Gebührenordnung stellt kein Verfassungsrecht dar, weshalb das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung vorliegendenfalls nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür prüft.
2.2.2
Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung dann vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
BGE 136 I 316 S. 319
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (
BGE 134 II 124
E. 4.1 S. 133;
BGE 132 I 175
E. 1.2 S. 177;
BGE 131 I 467
E. 3.1 S. 473 f.; je mit Hinweisen).
2.3
Art. 2 Ziff. 1 lit. a der Gebührenordnung hält fest, dass sich der Anschlussbeitrag nach "m
3
-Inhalt des umbauten Raumes nach SIA" berechnet. Die Gebührenordnung verweist damit auf Normen einer privatrechtlichen Organisation. Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein hat 2003 sein Regelungswerk "Norm-116" durch dasjenige "Norm-416" ersetzt. In dieser wird das Gebäudevolumen nur aus der Geschossfläche und der Höhe des Baukörpers berechnet (vgl. Einleitung Ziff. 5 Norm-416). In jener wurden zum Gebäudevolumen (Geschossfläche und Höhe) Zuschläge etwa für Terrassen, Ausbauten, Aufbauten oder Unterkellerungen einbezogen (vgl. Art. 2 Ziff. I-III Norm-116). Der wesentliche Unterschied besteht also darin, dass - wie die Einleitung der Ziff. 5 Norm-416 festhält - das Gebäudevolumen aus der Geschossfläche und der dazugehörigen Höhe "ohne jegliche Zuschläge und Abzüge" berechnet wird. Ein Vergleich dieser beiden Normen zeigt, dass das anhand der Norm-416 ermittelte Volumen im Durchschnitt 10 % geringer ist als dasjenige nach der Norm-116. Dementsprechend fallen auch die Beiträge unterschiedlich hoch aus. Fraglich ist somit, welche SIA-Norm vorliegend zur Anwendung gelangt und damit die Grundlage für die Verfügung vom 30. August 2005 bildet.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass sich die Gebühren nach der Norm-116 berechnen, da es sich um einen statischen Verweis handle. Die Beschwerdegegnerin und mit ihr die Vorinstanz gehen dagegen davon aus, dass die Norm-416 anwendbar sei; hätte der kommunale Gesetzgeber beim Verweis auf die SIA-Norm in Art. 2 Ziff. 1 lit. a der Gebührenordnung die Norm-116 gemeint, hätte er einen ausdrücklichen Verweis darauf anbringen müssen. Sie gehen m.a.W. von einem dynamischen Verweis aus.
2.4
2.4.1
Eine statische Verweisung liegt vor, wenn das Verweisungsobjekt eine bestehende Regelung ist, die in einer ganz bestimmten Fassung Anwendung finden soll. Das verweisende Organ kennt den Inhalt der Norm, auf die verwiesen wird, und dieser verändert sich nicht
BGE 136 I 316 S. 320
ohne Zustimmung des für die Verweisung zuständigen Organs. Dynamisch ist dagegen die Verweisung, wenn Normen nicht in einer bestimmten, sondern in der jeweils geltenden Fassung als anwendbar erklärt werden. Das bedeutet, dass sich die Norm, auf die verwiesen wird, ohne Zutun des verweisenden Organs ändern kann (dazu GEORG MÜLLER, Elemente einer Rechtssetzungslehre, 2. Aufl. 2006, Rz. 373 ff.; Bundesamt für Justiz, Gesetzgebungsleitfaden, 3. Aufl. 2007, S. 362; PIERRE MOOR, Droit administratif, Bd. III, 1992, S. 101 f.). Vorliegend wird auf Normen einer privatrechtlichen Organisation verwiesen. Während bei statischen Verweisungen private Normen zu staatlich gesetztem Recht werden (vgl. MÜLLER, a.a.O., Rz. 370; CHRISTOPH ERRASS, Kooperative Rechtssetzung, 2010, S. 279 Ziff. 357 m.w.H.), handelt es sich bei der dynamischen Verweisung auf private Normen um eine Rechtssetzungsdelegation (dazu etwa Bundesamt für Justiz, a.a.O., S. 365; ERRASS, a.a.O., S. 255). Diese ist nur dann zulässig (dazu auch die Literaturhinweise in
BGE 123 I 112
E. 7c/cc S. 129 f.), wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Da dem Gesetzgeber entsprechend dem Legalitätsprinzip und der Gewaltenteilung (vgl.
BGE 128 I 113
E. 2c und 3c S. 116 bzw. 121 f.) die Aufgabe obliegt, die wichtigen Normen selber zu erlassen, können nur weniger wichtige Normen an Private delegiert werden (vgl. für den Bund RHINOW/SCHEFER, Schweizerisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 2733 und 2741 i.f.; zu einer Ausnahmeregelung zum Schutz der Grundrechte vgl.
BGE 123 I 112
E. 7c/dd S. 130 f. und zu einer Gegenausnahme E. 7c/ee S. 131 f.); es bedarf dazu allerdings einer verfassungsrechtlichen Delegationskompetenz, die u.a. Private als Rechtssetzungssubjekte und den notwendigen gesetzlichen Übertragungsakt (formelles Gesetz) bezeichnet. Sind Normen so unwichtig, dass sie Gegenstand einer Vollziehungsverordnung sein könnten (z.B. rein technische Normen), handelt es sich funktional um Verwaltung; in diesem Fall werden Verwaltungsaufgaben an Private (für den Bund siehe
Art. 178 Abs. 3 BV
) übertragen (zum Ganzen ERRASS, a.a.O., S. 225 ff., 234 f., 249 ff., 255 f., 259 ff., 261 ff. mit weiteren Hinweisen; siehe etwa auch MOOR, a.a.O., S. 101-103 und 105; zu den Voraussetzungen einer Aufgabenübertragung an Private siehe etwa TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 75 ff.). Ob eine statische oder dynamische Verweisung vorliegt, ist durch Auslegung (zu den Auslegungsregeln
BGE 131 II 697
E. 4.1 S. 702 f.) zu ermitteln (MÜLLER, a.a.O., Rz. 374; implizit auch JEAN-PIERRE ZUFFEREY, La systématique de la législation valaisanne, 1999, S. 15).
BGE 136 I 316 S. 321
2.4.2
Art. 2 Ziff. 1 lit. a der Gebührenordnung hält fest, dass sich der Anschlussbeitrag nach "m
3
-Inhalt des umbauten Raumes nach SIA" berechnet. Der Normtext verweist lediglich auf SIA. Nach dem Wortlaut ist unklar, welche SIA-Norm überhaupt anwendbar ist. Es gibt zahlreiche SIA-Normen. Der Wortlaut lässt auch offen, ob es sich beim Verweis auf die SIA-Norm um einen dynamischen oder statischen Verweis handelt.
Während aus systematischer Sicht (Art. 2 Ziff. 1 lit. b) kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn folgt, ist die Entstehungsgeschichte hingegen erhellend: Bei Erlass der Gebührenordnung bestand zum Thema der Festlegung eines Gebäudevolumens ausschliesslich die SIA-Norm 116 aus dem Jahre 1952 mit dem Titel "Normalien für kubische Berechnungen von Hochbauten". Zwar wird damit noch nicht festgelegt, ob es sich um eine statische oder dynamische Verweisung handelt. Naheliegend ist allerdings, dass ein statischer Verweis gemeint war. Bei Erlass der Gebührenordnung im Jahre 1977 bestand die bereits 1952 erlassene SIA-Norm 116 unverändert seit 25 Jahren. Der Gesetzgeber der Einwohnergemeinde Zermatt wusste somit sehr genau über den Inhalt der SIA-Norm 116 Bescheid, und es ist deshalb davon auszugehen, dass er nur diesen Inhalt für seine Gebührenordnung anwendbar erklären wollte.
Gewichtiger sind allerdings das teleologische und das verfassungskonforme Element. Nach
Art. 69 ff. KV/VS
erlaubt der kantonale Verfassungsgeber den Gemeinden nicht, Private mit Rechtssetzungsaufgaben zu betrauen. Die Kantonsverfassung verpflichtet somit die Gemeinden, wenn sie private Normen für anwendbar erklären wollen, auf einen statischen Verweis. Angesichts dieses Umstandes muss deshalb davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber der Gemeinde sich an das Verfassungsrecht des Kantons halten und mit dem Verweis auf die SIA-Norm einen statischen Verweis implementieren wollte. Wie die Gemeinden grundsätzlich erwarten können, dass sich der Kanton an deren Autonomiebereich hält, kann auch der Kanton davon ausgehen, dass die Gemeinden das kantonale Recht achten. Dass der kommunale Gesetzgeber von den kantonalen Vorgaben abgewichen wäre bzw. abweichen wollte, ist weder ersichtlich noch wird es überhaupt geltend gemacht.
Es kann somit festgehalten werden, dass Art. 2 Ziff. 1 der Gebührenordnung statisch auf die SIA-Norm 116 verweist und die Beschwerdeführerin diese zu Recht in der vorliegenden Streitsache angewendet hat. Da die Bestimmungen der SIA-Norm 116 durch statischen
BGE 136 I 316 S. 322
Verweis zu staatlichem Recht werden (siehe E. 2.4.1), spielt es keine Rolle, ob sie aus Sicht des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins nicht mehr in Kraft sind.
2.4.3
Angesichts dieser Ausführungen ist das Urteil der Vorinstanz offensichtlich unhaltbar und damit willkürlich. Im entscheidenden Punkt führt es lediglich Folgendes aus: "Hätte der Gesetzgeber für immer die bei Erlass des Reglementes gültige SIA-Norm 116 (1952) anwenden wollen, hätte er dies wohl so bestimmt. Ansonsten ist davon auszugehen, dass er die Entwicklung der Normalien der SIA nicht von vornherein ausschliessen wollte [...]." Gefordert wäre indes vielmehr eine Auslegung der strittigen Norm gewesen, um zu bestimmen, ob die Verweisung statisch oder dynamisch ist; sie ist freilich unterblieben. Unbehelflich ist auch der Einwand, dass sich die Gemeinde der vorliegenden Rechtsproblematik bewusst gewesen sei, weshalb sie der Urversammlung - während des kantonalen Beschwerdeverfahrens - einen Entwurf zur Änderung der Gebührenordnung unterbreitet habe. Daraus lässt sich lediglich folgern, dass der Normsinn nach dem historischen, teleologischen und verfassungskonformen Auslegungselement im Normtext nicht in der erforderlichen Klarheit zum Ausdruck kommt. Unbeantwortet ist ferner die Frage geblieben, inwieweit eine Rechtssetzungsdelegation an Private im Bereich der Bemessung von Kausalabgaben, welche in der Regel einer formellgesetzlichen Grundlage durch den staatlichen Gesetzgeber bedürfte (
Art. 127 Abs. 1 BV
;
BGE 135 I 130
E. 7.2 S. 140;
BGE 131 II 735
E. 3.2 S. 739 f.), überhaupt zulässig ist. Ganz abgesehen davon, kennt das Verfassungsrecht des Kantons Wallis - wie dargelegt - keine Rechtssetzungsdelegation an Private (generell zur Vorsicht mahnend auch ZUFFEREY, a.a.O., S. 15).
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public_law
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nan
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de
| 2,010 |
CH_BGE
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CH_BGE_001
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CH
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Federation
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aa217bc7-4d25-4a50-8df7-a07d50645550
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Urteilskopf
117 II 541
99. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Dezember 1991 i.S. K. gegen Grundbuchamt X. und Kantonsgericht Schwyz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
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Regeste
Eintragung eines Grundstückkaufs im Grundbuch, wenn ein Vorkaufsrecht besteht (
Art. 26 Abs. 2 GBV
).
Der Grundbuchverwalter darf eine Anmeldung zur Eintragung eines Grundstückkaufs im Grundbuch nicht mit der Begründung vorläufig abweisen, es stehe noch nicht fest, ob das Vorkaufsrecht gültig ausgeübt worden sei (E. 3).
Vor der Eintragung der Anmeldung hat der Grundbuchverwalter zu prüfen, ob der Verfügende handlungsfähig sei, nicht aber, ob er auch urteilsfähig sei (E. 4).
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Sachverhalt
ab Seite 542
BGE 117 II 541 S. 542
Am 26. Februar 1987 ordnete die Vormundschaftsbehörde X. über K. B. eine kombinierte Beiratschaft im Sinne von
Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB
an. K. B. ist Eigentümer einer landwirtschaftlichen Liegenschaft, welche aus drei Parzellen und einer Scheune besteht. Diese Liegenschaft verkaufte er, vertreten durch den Beirat, mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 17. Juni 1987 und Zusatzvertrag vom 26. Januar 1988 seinem Pächter O. K. zum Preise von Fr. 500'000.--. Am 19. Februar 1988 wurde der Kauf- und Zusatzvertrag beim Grundbuchamt X. zur Eintragung angemeldet. Am gleichen Tag gab der Grundbuchverwalter dem Sohn des Verkäufers, der verbeiständet und laut
Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes (EGG; SR 211.412.11)
vorkaufsberechtigt ist, Kenntnis vom Kaufvertrag. Der Beistand des Sohnes übte am 19. März 1988 das gesetzliche Vorkaufsrecht aus.
Der Regierungsrat des Kantons Schwyz hob am 12. Dezember 1989 die über K. B. errichtete kombinierte Beiratschaft mit Wirkung ex tunc auf. In der Folge ordnete die Vormundschaftsbehörde am 28. Juni 1990 über ihn eine Vermögensverwaltungsbeistandschaft im Sinne von
Art. 393 Ziff. 2 ZGB
an.
K. B. ersuchte am 7. April 1990 beim Grundbuchamt X. um Eintragung des Eigentums von O. K. an der verkauften Liegenschaft in das Grundbuch. Der Grundbuchverwalter wies dieses Begehren mit Verfügung vom 2. November 1990 ab. Eine von O. K. dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Kantonsgericht des Kantons Schwyz mit Beschluss vom 28. Februar 1991 abgewiesen.
O. K. führt beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Kantonsgerichts sei aufzuheben und der Grundbuchverwalter des Grundbuchamtes X. anzuweisen, ihn als Eigentümer der von K. B. verkauften drei Grundstücke im Grundbuch einzutragen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Es trifft zu, dass in der vom Kantonsgericht angeführten Literatur der Grundbuchverwalter für befugt betrachtet wird, die Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch vorläufig zu verweigern, wenn ein Vorkaufsrecht gemäss
Art. 6 EGG
geltend gemacht wird. Allerdings wird diese Auffassung zum Teil ohne jede Begründung vertreten (KAUFMANN, Die Anwendung des neuen
BGE 117 II 541 S. 543
landwirtschaftlichen Bodenrechts, ZBGR 33/1952, S. 349, und DESCHENAUX, Das Grundbuch, in Schweiz. Privatrecht, V/3,I, S. 535 f.) oder unter blossem Hinweis auf
Art. 14 Abs. 1 EGG
(JOST, Handkommentar zum EGG, Ziffer 6 zu
Art. 13 EGG
), dem sich eine derartige Kompetenz des Grundbuchverwalters indessen nicht entnehmen lässt. Auch in der vom Kantonsgericht zitierten Rechtsprechung wurde dem Grundbuchverwalter diese Befugnis einzig aus praktischen Gründen (ZBGR 40/1959, S. 139 f.) zugestanden, oder weil das Verzeichnis der Vorkaufsberechtigten nicht eingereicht worden war (ZBGR 59/1978, S. 75 ff.). Dass sich aber diese Praxis, die offenbar noch in andern Kantonen befolgt wird (vgl. MEIER-HAYOZ, N 276 zu
Art. 681 ZGB
mit Hinweisen), allgemein durchgesetzt habe und auch vom Bundesgericht gebilligt werde, wird vom Kantonsgericht nicht nachgewiesen. Dem von ihm angeführten
BGE 90 I 312
ff. E. 3 lag vielmehr ein anderer Sachverhalt zugrunde, und in
BGE 108 II 549
wurde dem Grundbuchverwalter die Kompetenz, eine Anmeldung zur Eintragung abzuweisen, lediglich mit der Begründung eingeräumt, das kantonale Recht schreibe dem Grundbuchverwalter vor, mit der Eintragung zuzuwarten.
Von einer allgemeinen Geltung der erwähnten Praxis kann demnach nicht die Rede sein. Dazu kommt, dass ihr in der Lehre erhebliche Kritik erwachsen ist (MEIER-HAYOZ, N 277 zu
Art. 681 ZGB
, mit Literaturangaben). Als Argument für die Rechtfertigung dieser Praxis wird zumeist vorgebracht, der Käufer erwerbe nur bedingt Eigentum, solange nicht feststehe, ob das Vorkaufsrecht ausgeübt werde oder nicht, so dass entweder der Kaufvertrag oder die Grundbuchanmeldung bedingt sei und der Käufer deshalb nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden könne. Dieses Argument erweist sich aber nur dann als stichhaltig, wenn eine derartige Bedingung ausdrücklich im Vertrag oder in der Grundbuchanmeldung enthalten ist. Das ist jedoch nach dem Willen der Vertragsparteien regelmässig nicht der Fall; obwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts bei Vertragsabschluss noch ungewiss ist, werden die Willenserklärungen - wie auch vorliegend - dennoch unbedingt abgegeben.
Art. 217 Abs. 1 OR
, wonach bei einem bedingt abgeschlossenen Grundstückkauf die Eintragung ins Grundbuch erst erfolgt, wenn die Bedingung erfüllt ist, kann daher keine Anwendung finden. Eine bedingte Grundbuchanmeldung käme im Hinblick auf
Art. 12 Abs. 1 der Verordnung betreffend das Grundbuch (GBV; SR 211.432.1)
ohnehin nicht in Frage
BGE 117 II 541 S. 544
(JÄGGI, Über das vertragliche Vorkaufsrecht, ZBGR 39/1958, S. 78; PIOTET, Des effets de l'annotation au registre foncier de rapports de droit personnels, ZSR 1960 I S. 428).
Auch das weitere Argument, das Eigentum könne nicht gültig übertragen werden, solange nicht feststehe, dass das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werde, erscheint nicht als durchschlagend. Aus
Art. 681 Abs. 1 und
Art. 959 Abs. 2 ZGB
, wonach das Vorkaufsrecht während der Dauer der Vormerkung im Grundbuch gegenüber jedem Eigentümer besteht und es Wirkung gegenüber jedem später erworbenen Recht erhält, folgt zweifelsfrei, dass ein gültiger Eigentumserwerb trotz der Vormerkung möglich ist. Das gilt auch für die gesetzlichen Vorkaufsrechte aufgrund des EGG, welche gesetzliche Eigentumsbeschränkungen im Sinne von
Art. 680 Abs. 1 ZGB
darstellen und deren Vormerkung zur verstärkten Wirkung weder notwendig noch zulässig ist (MEIER-HAYOZ, N 16 und 37 zu
Art. 682 ZGB
). Durch die Vormerkung des Vorkaufsrechts wird das Grundbuch demnach nicht gesperrt (JÄGGI, a.a.O., S. 78; LEEMANN, SJZ 1920/21, S. 141).
Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass die vom Kantonsgericht angeführte und durch Abweisung der Beschwerde befolgte Praxis weder auf eine einschlägige Vorschrift gestützt werden kann, noch eine Grundlage in den allgemeinen Regeln des Sachen- und Grundbuchrechts findet; es stehen ihr ausserdem praktische Gründe entgegen (PIOTET, a.a.O., S. 428). Der Grundbuchverwalter kann daher, selbst wenn noch ungeklärt ist, ob das Vorkaufsrecht gültig ausgeübt worden ist, nicht befugt sein, die Eintragung des Käufers als Eigentümer der Grundstücke vorläufig zu verweigern, falls sie vom Verkäufer wie hier wiederholt verlangt wird. Ein Hinausschieben des Eintrags wäre mit dem Grundsatz des
Art. 26 Abs. 2 GBV
unvereinbar, wonach die Eintragung sobald wie möglich nach der Anmeldung - diese ist sofort nach Eingang in das Tagebuch einzuschreiben (
Art. 14 Abs. 1 GBV
) - im Hauptbuch vorzunehmen ist. Ob in ganz bestimmten Ausnahmefällen für kurze Zeit von einem Eintrag abgesehen werden dürfte (JÄGGI, a.a.O., S. 79), braucht nicht geprüft zu werden, nachdem der Schwebezustand seit der Anmeldung beim Grundbuchamt nunmehr über drei Jahre und seit der abweisenden Verfügung des Grundbuchverwalters nahezu ein Jahr gedauert hat.
Nach dem Ausgeführten hält die vom Kantonsgericht im angefochtenen Entscheid für die Abweisung der Beschwerde gegebene Begründung vor Bundesrecht nicht stand. Unter diesen Umständen
BGE 117 II 541 S. 545
muss die vom Kantonsgericht offengelassene Frage, ob der Kaufvertrag zu seiner Gültigkeit wegen fehlender Handlungsfähigkeit des Verkäufers der Genehmigung durch die Vormundschafts- bzw. die Aufsichtsbehörde bedurft hätte, noch geprüft werden, nachdem der Beschwerdeantrag auf Anweisung des Grundbuchverwalters, den Beschwerdeführer als Eigentümer der verkauften Grundstücke im Grundbuch einzutragen, lautet.
4.
Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters umfasst auch die Beantwortung der Frage, ob der Verfügende handlungsfähig sei. Dabei geht es aber lediglich um die formelle Seite der Handlungsfähigkeit. So hat der Grundbuchverwalter eine allfällige Entmündigung, Verbeiratung oder Verbeiständung des Verfügenden zu beachten, ebenso einen vorläufigen Entzug der Handlungsfähigkeit. Hingegen gilt dies nicht für die Urteilsfähigkeit des Verfügenden. Diese zu prüfen wäre der Grundbuchverwalter gar nicht in der Lage. Er darf vielmehr von der Regel ausgehen, dass die Urteilsfähigkeit im Rechtsverkehr zu vermuten sei. Der Grundbuchverwalter hat daher, solange ein nach dem Grundbuch Verfügungsberechtigter nicht zufolge eines förmlichen Entscheides der zuständigen Behörde in seiner Handlungsfähigkeit beschränkt ist, grundsätzlich einer im übrigen ordnungsgemässen Anmeldung Folge zu leisten (
BGE 112 II 29
E. 2 mit Hinweisen).
Die über K. B. am 26. Februar 1987 errichtete kombinierte Beiratschaft im Sinne von
Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB
ist am 12. Dezember 1989 vom Regierungsrat des Kantons Schwyz als vormundschaftlicher Aufsichtsbehörde mit Wirkung ex tunc aufgehoben worden. Erst am 28. Juni 1990 unterstellte ihn die Vormundschaftsbehörde einer Vermögensverwaltungsbeistandschaft im Sinne von
Art. 393 Ziff. 2 ZGB
. Für den massgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung des Kauf- und Zusatzvertrages beim Grundbuchamt (
BGE 112 II 31
E. 2), nämlich am 19. Februar 1988, hatte K. B. demnach als handlungsfähig zu gelten. Das gleiche trifft zu für den Abschluss des Kauf- und Zusatzvertrages am 17. Juni 1987 bzw. am 26. Januar 1988 sowie für das erneute Begehren um Eintragung des Beschwerdeführers als Eigentümer im Grundbuch, das K. B. am 7. April 1990 stellte. Der Grundbuchverwalter war daher nicht befugt, die Eintragung des Beschwerdeführers als Eigentümer der verkauften Grundstücke ins Grundbuch - und zwar auch nicht vorläufig - abzulehnen. Die über K. B. errichtete Beistandschaft konnte erst auf den Zeitpunkt ihrer rechtskräftigen Anordnung hin rechtswirksam werden, es kam ihr keine Rückwirkung
BGE 117 II 541 S. 546
zu (EGGER, N 1 zu
Art. 386 ZGB
), ganz abgesehen davon, dass dadurch die Handlungsfähigkeit von K. B. nicht beeinträchtigt wurde (
Art. 417 Abs. 1 ZGB
; EGGER, N 3 zu
Art. 417 und N 15
a zu
Art. 393 ZGB
).
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit gutzuheissen und der angefochtene Beschluss aufzuheben. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Eintragung seiner Person als Eigentümer der von K. B. verkauften Grundstücke im Grundbuch X. ist stattzugeben.
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public_law
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nan
|
de
| 1,991 |
CH_BGE
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CH_BGE_004
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CH
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Federation
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aa258db4-3a9e-4922-bd4e-08885e7ec1be
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Urteilskopf
111 Ia 322
55. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Mai 1985 i.S. I. und Mitbeteiligte gegen Stadtrat von Zürich, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste
Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit.
Voraussetzungen, unter denen die Bewilligung für eine politische Kundgebung auf öffentlichem Grund verweigert werden darf.
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Erwägungen
ab Seite 322
BGE 111 Ia 322 S. 322
Aus den Erwägungen:
6.
a) Es drängt sich zunächst auf, in allgemeiner Hinsicht klarzustellen, was zur politischen Meinungskundgebung gehört, die auch auf öffentlichem Grund zu bewilligen ist, und was darüber hinausgeht. Eine Demonstration ist die Darlegung der Meinung der Teilnehmer, sei es durch das Mitmarschieren an sich, sei es durch das Tragen von Spruchbändern, sei es durch Sprechchöre oder auch durch Ansprachen an dazu geeigneten Plätzen. Keinesfalls zum Begriff der Demonstration gehört aber Randalieren. Die öffentliche Ordnung lässt keinen Raum für Meinungskundgebungen, die mit rechtswidrigen Handlungen wie Beschmieren und Bekleben von Schaufenstern, Einschlagen von Scheiben, Beschädigung von Autos, Stillegung des Strassenverkehrs, Belästigung von Passanten etc. verbunden sind. Solche Veranstaltungen dürfen von der Bewilligungsbehörde ohne Verletzung der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit verboten werden. Ob bei einer Demonstration eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu befürchten ist, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Die Behörde hat diese nach objektiven Gesichtspunkten zu
BGE 111 Ia 322 S. 323
würdigen. Wie das Bundesgericht schon früher festgestellt hat, genügt die blosse Möglichkeit, dass es bei einer Veranstaltung zu rechtswidrigen Handlungen kommen könnte, nicht, um ein Verbot auszusprechen. Ein solches ist nur zulässig, wenn eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung besteht, d. h. wenn bei einer Kundgebung Ausschreitungen der erwähnten Art nach den Umständen "mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit vorauszusehen" sind (
BGE 57 I 272
;
BGE 60 I 208
/209).
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public_law
|
nan
|
de
| 1,985 |
CH_BGE
|
CH_BGE_002
|
CH
|
Federation
|
aa28812b-84d7-43d8-81fd-22c5fd2d5fda
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Urteilskopf
107 II 489
77. Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. November 1981 i.S. Barmer Ersatzkasse gegen Luftseilbahn Betten-Bettmeralp AG (Berufung)
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Regeste
Internationales Privatrecht; Anwendung einer ausländischen Subrogationsnorm des Sozialversicherungsrechts.
Ausländisches öffentliches Recht ist in der Schweiz dann zu berücksichtigen, wenn es das in der Schweiz anwendbare ausländische Privatrecht unterstützt (E. 3).
Ausländische öffentlichrechtliche Subrogationsklauseln des Sozialversicherungsrechts sind unter dem Vorbehalt der Ähnlichkeit in der Schweiz anzuwenden, sofern die Rechtsstellung des Haftpflichtigen dadurch nicht verschlechtert wird. Die Frage der Haftpflicht ist aber nach dem Recht zu beurteilen, das am Unfallort gilt (E. 4).
Bei Anwendung des Kumulationsstatuts ist für eine ausländische Krankenversicherung der Rückgriff auf den Haftpflichtigen nur möglich, wenn diesen ein Verschulden trifft. Ist der Haftpflichtige eine juristische Person, so stellt sich die Frage, ob ein Verschulden eines ihrer Organe vorliegt (E. 5).
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Sachverhalt
ab Seite 490
BGE 107 II 489 S. 490
A.-
Am 12. Juli 1972 ereignete sich auf der ersten Sektion der Luftseilbahn Betten-Bettmeralp ein schweres Unglück, bei welchem 12 Personen den Tod fanden und der damals 18jährige Peter Hennemuth aus Deutschland schwer verletzt wurde.
Dessen Schadenersatzforderungen wurden durch Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 6. September 1979 im Betrage von rund Fr. 230'000.-- gutgeheissen. Ferner wurden Peter Hennemuth eine lebenslängliche monatliche Rente von Fr. 2'700.-- und eine lebenslängliche monatliche Entschädigung von Fr. 720.-- für Pflegekosten, beide Beträge mit einer Indexklausel versehen, sowie ein einmaliger Betrag von Fr. 4'500.-- für den Umbau von Autos zugesprochen, und es wurde ihm davon Akt gegeben, dass die Luftseilbahn Betten-Bettmeralp AG sich bereit erklärt habe, sämtliche in Zukunft anfallenden Arzt-, Arznei- und Spitalkosten, die Kosten der Dialyse und Behandlung sowie der Hilfsmittel (Rollstühle) zu bezahlen, soweit diese nicht von einer öffentlichen Krankenkasse der Bundesrepublik Deutschland übernommen werden. In der Begründung dieses Urteils wird ausgeführt, Peter Hennemuth habe von der Ortskrankenkasse Essen Leistungen in der Höhe von DM 114'753.-- und von der Barmer Ersatzkasse, bei der er seit dem 22. Februar 1974 versichert sei, bis Ende 1977 solche in der Höhe von DM 126'077.78 bezogen; diese Heilungskosten könne er nicht auch noch von der Luftseilbahn Betten-Bettmeralp AG verlangen.
B.-
Mit Klageschrift vom 8. Juli 1976 machte die Barmer Ersatzkasse gegen die Luftseilbahn Betten-Bettmeralp AG eine Regressforderung von Fr. 146'083.40 geltend. Nach durchgeführter Prozessinstruktion schlossen die Parteien vor dem Kantonsgericht Wallis am 26. Januar 1981 eine Prozessvereinbarung, wonach das Kantonsgericht Wallis nur darüber zu entscheiden habe, ob die Barmer Ersatzkasse berechtigt sei, die für Peter Hennemuth erbrachten Krankenkassenleistungen von der Luftseilbahn Betten-Bettmeralp AG zurückzufordern; für den Fall, dass sich die Parteien
BGE 107 II 489 S. 491
über die Höhe einer allfälligen Regressforderung nicht einigen könnten, sahen sie ein Schiedsgerichtsverfahren vor. Demgemäss lautete das Rechtsbegehren der Barmer Ersatzkasse lediglich noch auf Anerkennung des Regressrechtes. Die Klage wurde mit Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 27. Februar 1981 abgewiesen.
C.-
Mit ihrer Berufung ans Bundesgericht beantragt die Klägerin die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Gutheissung der Klage im Rahmen der Prozessvereinbarung vom 26. Januar 1981.
Die Beklagte lässt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils beantragen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Streitwert des vorliegenden Prozesses übersteigt offensichtlich den Betrag von Fr. 15'000.--. Es bestehen auch sonst keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Einigen sich die Parteien darauf, nur einzelne Teile eines Rechtsstreites den staatlichen Gerichten zu unterbreiten, andere Fragen dagegen einer schiedsgerichtlichen Erledigung vorzubehalten, so liegt mit Bezug auf die den staatlichen Gerichten unterbreiteten Streitfragen ein Endurteil vor, das mit der Berufung ans Bundesgericht weitergezogen werden kann (
BGE 41 II 696
).
2.
Die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zur Beurteilung der vorliegenden Klage war schon vor dem Kantonsgericht unbestritten und bildet nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Weiter sind die Parteien auch darüber einig, dass die Klägerin eine Körperschaft des deutschen öffentlichen Rechts ist und dass ihr nach deutschem öffentlichem Recht (§ 1542 der Reichsversicherungsordnung, RVO) im Sinne einer gesetzlichen Subrogation ein allgemeines Regressrecht gegen alle jene Personen zusteht, gegen welche der Versicherte nach anderen gesetzlichen Vorschriften Ersatz seines Schadens beanspruchen kann.
Streitig ist zwischen den Parteien lediglich, ob die Klägerin sich im international-privatrechtlichen Verhältnis gegenüber einem schweizerischen Beklagten auf dieses Regressrecht berufen könne. Das ist in erster Linie eine Frage des schweizerischen internationalen Privatrechts, die der Überprüfung durch das Bundesgericht unterliegt. Dabei besteht auch Einigkeit darüber, dass die Frage nicht nach einem Staatsvertrag zu beurteilen ist, weil das einzige in Betracht fallende Abkommen zwischen der Schweizerischen
BGE 107 II 489 S. 492
Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über soziale Sicherheit vom 25. Februar 1964 (AS 1966 S. 602) sich in der Bundesrepublik Deutschland nur auf Rechtsvorschriften über die Rentenversicherung, die Altershilfe für Landwirte, die gesetzliche Unfallversicherung und das Kindergeld sowie in der Schweiz auf die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die Invalidenversicherung, die staatliche obligatorische Unfallversicherung und die Familienzulagen bezieht. Dagegen werden Leistungen von Krankenkassen durch dieses Abkommen nicht erfasst. Keine Bedeutung kommt schliesslich auch dem im vorinstanzlichen Urteil erörterten sogenannten Quotenvorrecht zu, weil sich die Frage nach einem solchen Vorrecht nur stellt, wenn ein Haftpflichtiger lediglich zu teilweisem Ersatz des Schadens verpflichtet ist (vgl.
BGE 104 II 309
E. 9d mit Hinweisen).
3.
§ 1542 RVO
, auf welchen die Klägerin ihren Regressanspruch stützt, ist eine Vorschrift des deutschen öffentlichen Rechts. Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz des Völkerrechts gilt öffentliches Recht in der Regel nur in jenem Staat, der es erlassen hat (Territorialitätsprinzip). Diesem Grundsatz folgt auch die bundesgerichtliche Rechtsprechung (
BGE 95 II 114
,
BGE 82 I 197
,
BGE 80 II 61
mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Lehre), jedoch mit der Einschränkung, dass ausländisches öffentliches Recht in der Schweiz dann zu berücksichtigen ist, wenn es das in der Schweiz anwendbare ausländische Privatrecht unterstützt, insbesondere in das Privatrecht oder in privatrechtliche Verhältnisse vorwiegend oder ausschliesslich zum Schutze privater Interessen eingreift. Dieser Ausnahmefall liegt hier vor. Bei der Vorschrift von
§ 1542 RVO
handelt es sich um eine Regressnorm, die, wie noch darzulegen sein wird, auch in der Schweiz und in anderen Staaten sowohl im öffentlichen wie im privaten Recht vorzukommen pflegt. Das Bundesgericht hat schon im Jahre 1913 die öffentlichrechtliche Vorschrift von § 140 des deutschen Reichs-Gewerbe-Unfallversicherungsgesetzes als in der Schweiz anwendbar erklärt, weil sie nicht wesentlich von der Regressordnung von
Art. 51 OR
abweiche (
BGE 39 II 76
ff. E. 4). Auch das Kantonsgericht Waadt (Urteil vom 16. Januar 1979) und der Appellationshof des Kantons Bern (ZBJV 100/1964 S. 270 ff.) haben die Anwendung ausländischer öffentlichrechtlicher Subrogationsklauseln des Sozialversicherungsrechtes in der Schweiz zugelassen; beide Urteile betreffen den auch im vorliegenden Fall in Frage stehenden
§ 1542 RVO
. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt steht in dem in der SJZ 64/1968
BGE 107 II 489 S. 493
S. 135 f. wiedergegebenen Urteil grundsätzlich auf dem gleichen Standpunkt; es hat die Nichtanwendung einer ausländischen Subrogationsnorm nur deswegen als nicht willkürlich bezeichnet, weil die betreffende ausländische (französische) Rechtsordnung nicht Gegenrecht halte. Der deutsche Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. April 1966 in VersR 1966 S. 662 ff.) und der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich (Urteil vom 14. Mai 1975 in ZVR 21/1976 S. 79 ff.) haben im gleichen Sinne entschieden. Diese Auffassung entspricht auch der einhelligen schweizerischen Lehre (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allgemeine Einleitung zu
Art. 1-17 OR
, N. 134-137; VISCHER, Internationales Vertragsrecht, S. 244 Anm. 1; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I S. 417; STEIN, Das internationale Sozialversicherungsrecht der Schweiz, in SZS 15/1971, S. 85 f., 98 f. und 102; KELLER, Die Subrogation als Regress im internationalen Privatrecht, in SJZ 71/1975, S. 329 Anm. 120). Sie liegt ferner dem Entwurf zu einem Bundesgesetz über das internationale Privatrecht zugrunde (Art. 13 Abs. 3 und Begleitbericht zum Gesetzesentwurf, S. 71).
4.
Ist somit die Anwendung einer ausländischen öffentlichrechtlichen Subrogationsnorm in der Schweiz durch das schweizerische internationale Privatrecht nicht zum vorneherein ausgeschlossen, so bleibt zu prüfen, nach welchen Grundsätzen sich die Anwendbarkeit im einzelnen Fall richtet. Dabei ist vorweg festzuhalten, dass nach allgemeiner Auffassung die Frage der Haftpflicht nach dem Recht des Unfallortes zu beurteilen ist. Will ein ausländischer Sozialversicherer aufgrund von ihm erbrachter Leistungen in die Ansprüche des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtigen subrogieren, so bieten sich drei Möglichkeiten an, um das auf diese Subrogation anwendbare Recht zu bestimmen:
a) Die Subrogation richtet sich wie die Hauptforderung ausschliesslich nach dem Recht des Unfallortes, im vorliegenden Falle also nach schweizerischem Recht (sog. Haftpflichtstatut).
b) Für die Subrogation ist ausschliesslich die Rechtsordnung massgebend, die das Versicherungsverhältnis zwischen dem Geschädigten und dem die Subrogation beanspruchenden Sozialversicherungsträger beherrscht, im vorliegenden Fall also das deutsche Recht (sog. Versicherungsstatut).
c) Die Subrogation wird nur dann zugelassen, wenn sie im konkreten Einzelfall sowohl vom Haftpflicht- wie vom Versicherungsstatut vorgesehen ist (sog. Kumulationsstatut).
Die herrschende schweizerische Lehre befürwortet die Anwendung
BGE 107 II 489 S. 494
des Kumulationsstatuts (MAURER, a.a.O., S. 415 ff.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, a.a.O., N. 381-383; VISCHER, a.a.O., S. 243 ff.; STEIN, a.a.O., S. 99 ff.; KARRER, Der Regress des Versicherers gegen Dritthaftpflichtige, Diss. Zürich 1965, S. 107 ff.). Dabei nehmen die meisten Autoren an, die Frage, ob überhaupt eine Subrogation stattfinde, richte sich nach dem Versicherungsstatut; der Regress könne aber nur zugestanden werden, wenn auch das Haftpflichtstatut im zu beurteilenden Falle eine Subrogation zulassen würde (ähnlich auch KELLER, a.a.O., S. 328 ff., der allerdings im Falle öffentlichrechtlicher Subrogationsbestimmungen die Subrogation generell zulassen will, unter dem Vorbehalt, dass auch das Haftpflichtstatut die Abtretbarkeit der Forderung zulässt und dass diesem auch alle mit dem Gläubigerwechsel zusammenhängenden Fragen unterstellt werden). Demgegenüber steht die bundesgerichtliche Rechtsprechung vorwiegend auf dem Boden des Versicherungsstatuts, wobei immerhin festgehalten wurde, die Rechtsstellung des Haftpflichtigen dürfe dadurch nicht verschlechtert werden (
BGE 98 II 237
,
BGE 88 II 437
E. 3,
BGE 85 II 272
,
BGE 74 II 88
und
BGE 39 II 76
E. 4). Damit hat sich aber auch das Bundesgericht im Grunde für das Kumulationsstatut ausgesprochen. Es hat sinngemäss erklärt, dass das ausländische Sozialversicherungsrecht unter dem Vorbehalt der Rechtsähnlichkeit anzuwenden sei. Diese Lösung erscheint als durchaus angemessen; es rechtfertigt sich, im abkommensfreien Raum ausländisches Subrogationsrecht nur anzuwenden, wenn dadurch die Lage des einheimischen Schuldners nicht verschlechtert wird (vgl. MAURER, a.a.O., S. 416 f.).
Ebenfalls auf dem Boden des Kumulationsstatuts steht der Entwurf für ein Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) in Art. 142 Abs. 1. Eine Ausnahme ist allerdings vorgesehen für Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wozu insbesondere Sozialversicherungsträger gehören; diese subrogieren ausschliesslich nach ihrem eigenen Recht, d.h. sie unterstehen dem Versicherungsstatut (Art. 142 Abs. 3; vgl. auch den Begleitbericht zum Gesetzesentwurf, S. 154 ff.). Die in neuerer Zeit von der Schweiz abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen sehen meist das Kumulationsstatut vor (Abkommen über soziale Sicherheit mit Deutschland vom 25. Februar 1964, Art. 39, AS 1966 S. 615, mit Österreich vom 15. November 1967, Art. 31, AS 1969 S. 25, mit Luxemburg vom 3. Juni 1967, Art. 22, AS 1969 S. 419, mit Spanien vom 13. Oktober 1969, Art. 28, AS 1970 S. 963, mit den Niederlanden vom 27. Mai 1970, Art. 20, AS 1971
BGE 107 II 489 S. 495
S. 1044, mit Griechenland vom 1. Juni 1973, Art. 28, AS 1974 S. 1693, mit Portugal vom 11. September 1975, Art. 36, AS 1977 S. 305, und mit Belgien vom 24. September 1975, Art. 38, AS 1977 S. 726). Demgegenüber folgen das Abkommen mit Frankreich vom 3. Juli 1975 (Art. 35, AS 1976 S. 2076) allgemein und jenes mit der Türkei vom 1. Mai 1969 (Art. 22, AS 1971 S. 1776) für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten dem Versicherungsstatut.
5.
Nach dem Ausgeführten ist im vorliegenden Fall das Kumulationsstatut anzuwenden, d.h. es ist zu prüfen, ob sowohl das schweizerische wie das deutsche Recht die Subrogation zulassen.
a) Die Klägerin kann nicht der öffentlichrechtlichen schweizerischen Unfallversicherungsanstalt gleichgestellt werden, wie die Berufungsschrift geltend macht. Sie entspricht viel eher einer schweizerischen Krankenkasse im Sinne des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG, SR 832.01). Dieses Gesetz sieht für die Krankenversicherung (im Gegensatz zur obligatorischen Unfallversicherung,
Art. 100 KUVG
) keine allgemeine gesetzliche Subrogation der Träger der öffentlichrechtlichen Krankenversicherung in Haftpflichtansprüche ihres Versicherten, dem sie Leistungen erbracht haben, vor. Vielmehr gilt für die Krankenversicherung die normale Regressordnung von
Art. 51 OR
(OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Bd. I S. 402 ff.; MAURER, a.a.O., S. 384;
BGE 104 II 189
). Dabei beruht die Leistungspflicht der Krankenkasse auf Vertrag. Die Krankenkasse gehört also zur zweiten der in
Art. 51 Abs. 2 OR
aufgeführten Kategorien; ein Regressanspruch steht ihr zu gegenüber einem Haftpflichtigen, den ein Verschulden trifft, nicht aber gegenüber einem solchen, der lediglich kausal, ohne eigenes Verschulden, haftet. Diese Regelung steht auch in Einklang mit
Art. 72 Abs. 1 VVG
, wonach der Versicherer lediglich gegenüber einem aus Verschulden Haftpflichtigen Regress nehmen kann (Oftinger, a.a.O., S. 383 ff. mit Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung). Die Klägerin geht in der Berufungsschrift zu Unrecht von der Annahme aus, eine schweizerische private Kranken- oder Unfallversicherung hätte gemäss
Art. 72 VVG
das gleiche unbeschränkte Regressrecht, wie es der SUVA aufgrund von
Art. 100 KUVG
zukommt. Vielmehr ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass bei Anwendung des Kumulationsstatuts der Klägerin dann kein Regressanspruch zusteht, wenn die Beklagte lediglich kausal haftet und ihr keinerlei Verschulden zur Last fällt.
BGE 107 II 489 S. 496
Der Vollständigkeit halber sei beigefügt, dass der vom Bundesrat bereits verabschiedete Entwurf zu einer Revision des Krankenversicherungsgesetzes in Art. 32 (BBl 1981 II 1253, Erläuterungen dazu S. 1987) den Trägern der sozialen Krankenversicherung das gleiche umfassende Regressrecht zugestehen will, wie es die obligatorische Unfallversicherung gemäss
Art. 100 KUVG
von Anfang an besessen hat. Es entspricht der Tendenz in der neueren Gesetzgebung, den Trägern der Sozialversicherung ganz allgemein die umfassende Subrogation in Ansprüche des Geschädigten einzuräumen; für die AHV und die Invalidenversicherung wurde dieses Subrogationsrecht mit der am 1. Januar 1979 in Kraft getretenen 9. AHV-Revision geschaffen (MAURER, a.a.O., S. 397).
b) Zwar ist die Schadenersatzforderung des Peter Hennemuth gestützt auf die Kausalhaftpflicht der Beklagten nach dem Eisenbahnhaftpflichtgesetz geschützt worden. Damit ist indessen nicht gesagt, dass die Frage nach dem Verschulden der Beklagten am Unfall keine Rolle spiele. Vielmehr ist im Falle einer Kausalhaftpflicht im Zusammenhang mit der Frage des Regresses nach
Art. 72 Abs. 1 VVG
und
Art. 51 Abs. 2 OR
jeweils zu prüfen, ob dem Kausalhaftpflichtigen zusätzlich ein Verschulden zur Last fällt (OFTINGER, a.a.O., S. 349 Anm. 79 und S. 384/85; OSWALD, Das Regressrecht in der Privat- und Sozialversicherung, SZS 16/1972, S. 30). Trifft dies zu, steht dem Versicherer, der Entschädigungsleistungen erbracht hat, der Rückgriff auf den Haftpflichtigen zu. Handelt es sich um die Haftpflicht einer juristischen Person, so ist ein Verschulden dann zu bejahen, wenn ein solches einem ihrer Organe zur Last fällt (OFTINGER, a.a.O., S. 141 und 349). Organ einer juristischen Person ist, wer deren Geschäftsführung besorgt oder für sie in leitender Stellung tätig ist (
BGE 104 II 197
mit Hinweisen).
Ob die Beklagte im Sinne dieser Betrachtungsweise ein Verschulden am Unfall vom 12. Juli 1972 trifft, lässt sich aufgrund der Angaben im angefochtenen Urteil nicht beurteilen. Die Vorinstanz hielt hiezu nur fest, aus den Strafakten ergebe sich nun wohl, dass Moritz Imhof als Betriebsleiter ein Organ der Beklagten sei, nicht aber der Mitverurteilte Blatter, der nur ein Arbeiter gewesen sei, weshalb dessen Verschulden der Beklagten im Zusammenhang mit dem Regressrecht nicht angerechnet werden könne. Damit wird aber über ein allfälliges Verschulden von Imhof, der offenbar als Organ der Beklagten zu gelten hat, nichts ausgesagt. Er wird lediglich als Mitverurteilter von Blatter bezeichnet. Daraus ergibt
BGE 107 II 489 S. 497
sich, dass er strafrechtlich verurteilt worden ist. Im Strafurteil des Kantonsgerichts Wallis vom 3./4. März 1977 wurde dem Betriebsleiter Imhof in der Tat ein schweres Verschulden zur Last gelegt, das zu dessen Verurteilung zu zehn Monaten Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger schwerer Körperverletzung und fortgesetzter Störung des öffentlichen Verkehrs führte. Nach
Art. 53 Abs. 2 OR
ist ein strafrechtliches Erkenntnis mit Bezug auf die Beurteilung der Schuld und die Bestimmung des Schadens für den Zivilrichter jedoch nicht verbindlich. Der Zivilrichter ist verpflichtet, mindestens über die Schuldfrage und die Schadensbestimmung selbständig und frei zu entscheiden. Er muss im Urteil zum Ausdruck bringen, von welchen Feststellungen tatsächlicher Natur er bei der Beurteilung der Schuldfrage ausgeht (
BGE 107 II 159
/160). Das Kantonsgericht hat dies im angefochtenen Urteil nicht getan. Dem Bundesgericht ist die Beurteilung der Frage, ob der Betriebsleiter Imhof als Organ der Beklagten zu betrachten sei und ob ihn am Unfall vom 12. Juli 1972 ein Verschulden treffe, mangels tatsächlicher Feststellungen im angefochtenen Urteil verwehrt. Die Vorinstanz hat sich über diese prozessentscheidenden Fragen auszusprechen. Das angefochtene Urteil muss daher aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werden, damit sie die nötigen Feststellungen über die Stellung des Betriebsleiters Imhof und über sein allfälliges Verschulden treffe und die sich dabei stellenden Rechtsfragen neu beurteile.
c) Sollte sich nach Vornahme der notwendigen Abklärungen herausstellen, dass der Beklagten am Unfall ein Verschulden anzulasten sei, so würde der Klägerin, auch wenn sie ein Versicherungsträger der schweizerischen sozialen Krankenversicherung wäre, im Umfang ihrer Leistungen ein Regressrecht auf die Beklagte nach
Art. 72 Abs. 1 VVG
und
Art. 51 Abs. 2 OR
zustehen. Nach deutschem Recht (
§ 1542 RVO
) stünde ihr dieser Anspruch in jedem Fall zu. Die Voraussetzungen des Kumulationsstatuts wären demnach gegeben. Dem könnte nicht etwa entgegengehalten werden, die Stellung des Schuldners dürfe durch die Subrogation nicht verschlechtert werden. Es ist nämlich nicht die Stellung des Schuldners, wie sie ohne Subrogation bestehen würde, mit jener zu vergleichen, die sich bei Bejahung des Regressrechtes ergibt. Vielmehr ist zu prüfen, ob ein schweizerischer Haftpflichtiger, dessen Haftpflicht dem schweizerischen Recht unterliegt, schlechter gestellt ist, wenn er sich einem ausländischen Regressanspruch gegenübersieht, als wenn ein schweizerischer
BGE 107 II 489 S. 498
Sozialversicherungsträger einen solchen Regressanspruch erheben würde. So betrachtet, könnte von einer Schlechterstellung der Beklagten nicht gesprochen werden; sie müsste sich auch dem Regressanspruch einer schweizerischen Krankenkasse unterziehen.
6.
Schliesslich hat die Beklagte in der Berufungsantwort noch den Einwand erhoben, die Klägerin könne auch deswegen keinen Regressanspruch geltend machen, weil Peter Hennemuth zum Zeitpunkt des Unfalles noch gar nicht bei ihr versichert gewesen, sondern der Kasse erst am 22. Februar 1974 beigetreten sei. Es ist nicht ganz klar, ob die Beklagte diesen Einwand bereits im Verfahren vor Kantonsgericht erhoben hat. Jedenfalls ist im vorinstanzlichen Urteil davon mit keinem Wort die Rede, und auch in den Akten findet sich darüber nichts. Es ist daher fraglich, ob dieser Einwand überhaupt noch zulässig sei. Das kann aber offen bleiben, weil er auf jeden Fall unbegründet ist. Voraussetzung für eine Subrogation ist nach schweizerischem wie nach deutschem Recht ausschliesslich, dass der Versicherer aufgrund eines Ereignisses Leistungen erbracht hat, die der Versicherte wegen des gleichen Ereignisses auch gegenüber dem Haftpflichtigen hätte geltend machen können. Ob der Anspruch des Versicherten auf Versicherungsleistungen schon mit dem Unfall oder erst später entstanden ist, ist demgegenüber bedeutungslos.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Wallis vom 27. Februar 1981 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,981 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
|
CH
|
Federation
|
aa343641-6704-4e38-a422-6ad286afef96
|
Urteilskopf
89 I 278
42. Urteil vom 18. September 1963 i.S. Doninelli gegen Einwohnergemeinde Staufen und Regierungsrat des Kantons Aargau.
|
Regeste
Art. 88 OG
: Dem in einem Submissionsverfahren nicht berücksichtigten Bewerber fehlt die Legitimation zur Beschwerde.
|
Erwägungen
ab Seite 278
BGE 89 I 278 S. 278
1.
Im Submissionsverfahren für die Erstellung eines Schulhauses und einer Mehrzweckturnhalle in der Gemeinde Staufen bewarb sich die Beschwerdeführerin um die Arbeiten. Die Bewerbung der AG Bertschinger war verspätet. Im Hinblick auf diese erhielt die Beschwerdeführerin Gelegenheit, eine bereinigte (niedrigere) Offerte einzureichen, worauf sie an der Angemessenheit ihrer Offerte festhielt. Darauf wiederholte der Gemeinderat die Ausschreibung und teilte die Arbeiten nach Prüfung der Eingaben der Firma AG Bertschinger zu. Eine Beschwerde dagegen hat der Regierungsrat des Kantons Aargau mit Beschluss vom 20. Juni 1963 abgewiesen.
Die AG Plinio Doninelli erhebt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
. Der Gemeinderat von Staufen und der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragen die Abweisung der Beschwerde.
2.
Das Recht zur staatsrechtlichen Beschwerde steht nach
Art. 88 OG
Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemeinverbindliche oder sie persönlich betreffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Legitimiert ist zur
BGE 89 I 278 S. 279
Beschwerde danach, wer die Verletzung eines ihm zustehenden Rechtes, eines rechtlich erheblichen Interesses auf einem Gebiete behauptet, welches die von ihm angerufene Verfassungsbestimmung beschlägt. Zur Rüge der Verletzung öffentlicher Interessen oder von Rechtssätzen, die dem Beschwerdeführer kein eigenes Recht einräumen (von organisatorischen Vorschriften usw.), ist der Bürger nicht befugt. Er wird auch nicht zugelassen zur Anfechtung von Erlassen oder Verfügungen, die angeblich einen Dritten widerrechtlich begünstigen, soweit die Aufhebung einem allgemeinen, etwa staatsbürgerlichen Interesse dienen soll (
BGE 79 I 49
, 158,
BGE 85 I 53
,
BGE 86 I 284
).
Darauf, dass die Behörde im Submissionsverfahren die Arbeiten einem bestimmten Bewerber, nicht einem Dritten zuschlage, besteht regelmässig kein Rechtsanspruch des Bewerbers. Die aargauische Verordnung über die Vergebung öffentlicher Arbeiten und Lieferungen vom 16. Juli 1940 bestimmt ausdrücklich, dass auf die Vergebung kein Anspruch bestehe (§ 2 Abs. 2). Auch im Fall öffentlicher Ausschreibung oder eines beschränkten Wettbewerbes kann der Zuschlag unterbleiben, wobei die Gründe nicht abschliessend, sondern nur beispielsweise aufgezählt werden. Besteht aber kein Rechtsanspruch des Bewerbers auf den Zuschlag, so kann durch dessen Unterbleiben bzw. den Zuschlag der Arbeiten an einen Dritten kein Recht des Bewerbers verletzt werden, dem die Arbeiten nicht zugeschlagen werden. Er kann folgerichtig auch nicht befugt sein, mit der Beschwerde geltend zu machen, die Behörde habe die Ausschreibung der Arbeiten trotz Ablaufs der zunächst angesetzten Anmeldefrist wiederholt. Gestattet ihr doch die Verordnung, die Arbeit direkt zu übertragen, auch dann, wenn eine Ausschreibung stattgefunden hat (§ 12 Ziff. 4 Vo). Fehlt übrigens dem Beschwerdeführer die Legitimation in der Sache selbst, so ist er auch nicht befugt, Verfahrensmängel zu rügen, die sich vor dem Entscheid ergeben haben könnten (
BGE 74 I 168
).
BGE 89 I 278 S. 280
Hat somit die Beschwerdeführerin weder einen Rechtsanspruch auf Zuteilung der Arbeiten, noch darauf, dass die bereits einmal durchgeführte Ausschreibung nicht wiederholt wird, so fehlt es an der Voraussetzung von
Art. 88 OG
und kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob die Beschwerde auch deshalb nicht zulässig wäre, weil der Zuschlag von Arbeiten im Submissionsverfahren bzw. die Verweigerung des Zuschlages keinen hoheitlichen Charakter hat (was die Rechtsprechung bisher angenommen hat, von der Rechtslehre aber abgelehnt wird, weil, wenn auch der Vertrag über die Arbeitsvergebung privatrechtlicher Art sei, ihr doch eine Entscheidung der Behörde über den Zuschlag und damit eine hoheitliche Verfügung vorangehe;
BGE 60 I 369
; MARTI, Probleme der staatsrechtlichen Beschwerde, ZSR 1962, 43; ferner BURCKHARDT, ZbJV 71, 644).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
|
public_law
|
nan
|
de
| 1,963 |
CH_BGE
|
CH_BGE_001
|
CH
|
Federation
|
aa36cd38-cdab-47f0-b5b1-c1498aea091d
|
Urteilskopf
112 Ib 195
35. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 19 mars 1986 dans la cause Ligue suisse pour la protection de la nature (LSPN) et World Wildlife Fund Suisse (WWF) contre Association pour l'organisation des championnats du monde de ski alpin 1987 à Crans-Montana et Département fédéral de l'intérieur (recours de droit administratif)
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Regeste
Art. 31 Abs. 1 FPolG
und
Art. 26 FPolV
; Rodung im Hinblick auf die Durchführung Alpiner Ski-Weltmeisterschaften.
1. Voraussetzungen für die Rodungsbewilligung (E. 2a). Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 2b). Rechtsprechung bezüglich Rodungen für Anlagen, die dem Fremdenverkehr dienen (E. 2c), insbesondere für die Planung von Skipisten (E. 2d).
2. Im speziellen Fall Bejahung eines gewichtigen, das Interesse an der Walderhaltung überwiegenden Bedürfnisses: Die umstrittene Rodung, welche die Verbesserung der bestehenden Skipisten sowie einer signalisierten und unterhaltenen Verbindungsstrecke erlaubt, ermöglicht in erster Linie die Abhaltung der WM 1987, einer Veranstaltung, welcher für die Fremdenverkehrswerbung erstrangige Bedeutung zukommt, weshalb der Bundesrat und der Grosse Rat des Kantons Wallis beschlossen haben, eine Defizitgarantie in beachtlicher Höhe zu übernehmen. Zudem ermöglicht die Rodung, im Rahmen einer generellen Planung auf regionaler Ebene bleibende Verbesserungen für ein ausgedehntes Skigebiet vorzunehmen, dessen Pisten an gewissen Stellen Engpässe aufweisen, welche angesichts der steigenden Zahl von Skifahrern den Anforderungen der Sicherheit immer weniger genügen (E. 4 und 5).
3. Polizeiliche Gründe (E. 6) oder Gründe des Landschaftsschutzes (E. 8) stehen der Rodung, die überdies nur teilweise bestritten ist (E. 3b und 8a), keine entgegen. Schliesslich fehlt im vorliegenden Fall eine ernsthafte Alternative, auf die näher eingegangen werden müsste (E. 7).
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Sachverhalt
ab Seite 197
BGE 112 Ib 195 S. 197
Au début des années huitante, les six communes d'Icogne, Lens, Chermignon, Montana, Randogne et Mollens - sur le territoire desquelles se trouvent les champs de ski du Haut-Plateau de Crans-Montana - ainsi que d'autres groupements ont constitué un comité chargé de préparer et déposer, avec l'accord de la Fédération suisse de ski et auprès de la Fédération internationale (FIS), la candidature de la région pour l'organisation des championnats du monde de ski alpin 1986.
En mai 1983, à Sydney, la FIS attribua l'organisation des championnats à la station de Crans-Montana, mais pour 1987. Une association fut créée à cet effet le 28 février 1984, dont l'assemblée générale groupe, outre les principaux intéressés au développement de la région (district, communes, association de clubs de ski, Office national suisse du tourisme, Union valaisanne du tourisme, sociétés de développement et de remontées mécaniques, sociétés d'hôteliers, etc.), des représentants du canton du Valais et de la Confédération (art. 4 des Statuts).
Par décret du 16 mai 1984, le Grand Conseil valaisan approuva une garantie cantonale contre le déficit de 20%, limitée toutefois à 800'000 francs. Le 15 août 1984, confirmant un premier engagement pris le 30 mars 1983, le Conseil fédéral décida pour sa part de garantir le déficit éventuel à concurrence de 50%, mais de 2 millions de francs au maximum. Ces interventions étaient fondées notamment sur le fait que l'organisation des championnats du monde de ski alpin était une occasion importante, pour le Valais et la Suisse en général, d'affirmer leur position sur le marché touristique. La nécessité d'opérer des défrichements en vue du déroulement des championnats du monde était connue au moment où le Grand Conseil valaisan et le Conseil fédéral ont accordé leur garantie du déficit.
BGE 112 Ib 195 S. 198
Le 9 mai 1984, l'Association présenta, en accord avec les propriétaires concernés, une demande tendant au défrichement d'une surface de 49'300 m2, située sur les communes de Lens et de Randogne, pour permettre de corriger, d'élargir ou d'aménager certaines pistes, selon la répartition suivante: 4200 m2 pour une piste No 1 existante à Chetzeron; 12'200 m2 pour une piste No 2 nouvelle à Chetzeron; 22'500 m2 pour une piste No 3/4 existante à Cry d'Err; 10'400 m2 pour une piste No 5 existante à Bella Lui (la "Nationale"). Le Conseil d'Etat du canton du Valais transmit la requête au Département fédéral de l'intérieur avec un préavis favorable. La Commission fédérale pour la protection de la nature et du paysage, sans avoir inspecté les lieux, recommanda le rejet de la demande. En cours d'instruction, le Comité exécutif de l'Association organisatrice des championnats du monde donna à l'Office fédéral des forêts les assurances suivantes: les défrichements demandés permettraient non seulement de corriger des pistes existantes, mais en même temps d'éliminer, dans l'intérêt du sport pratiqué par une large couche de la population, des endroits dangereux et des goulots d'étranglement; les défrichements assainiraient par conséquent durablement la situation dans le domaine skiable du triangle du Mont-Lachaux et rendraient superflus et caducs d'autres projets éventuels d'amélioration de pistes et de défrichement; cet assainissement du domaine skiable, requis par une demande en forte hausse depuis 1970, correspondait à un besoin touristique important. La requérante était en outre disposée à renoncer à la création de la piste No 2, à condition de pouvoir élargir la piste No 1, ce qui entraînerait des défrichements du même ordre de grandeur. Enfin, la requérante mettait à la disposition de la Commission cantonale de la protection de la nature et du paysage un montant de 100'000 francs pour l'étude de la flore et de la faune de la région.
Le 20 juin 1985, le Département fédéral de l'intérieur autorisa le défrichement des 49'300 m2 de forêt objet de la demande, tout en réservant les autres autorisations nécessaires (police des constructions, protection des eaux) et en ordonnant un reboisement de compensation de 55'400 m2. Il fixa en outre de nombreuses charges et conditions, très strictes. Sa décision était justifiée par les deux fins visées, l'une temporaire en principe (organisation d'une manifestation sportive d'envergure et effet publicitaire en découlant), l'autre certainement permanente (élimination d'endroits dangereux et de goulots d'étranglement,
BGE 112 Ib 195 S. 199
accroissement de la capacité d'accueil sur les pistes dans le cadre d'une planification générale du domaine skiable).
Agissant par la voie du recours de droit administratif, la Ligue suisse pour la protection de la nature (LSPN) et la fondation World Wildlife Fund Suisse (WWF) ont demandé au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Département fédéral de l'intérieur dans la mesure où elle autorisait le défrichement de 12'200 m2 pour la piste No 2 (Chetzeron) et de 22'500 m2 pour la piste No 3/4 (Cry d'Err), soit 34'700 m2 au total. Les recourantes ne s'opposaient pas au défrichement nécessaire à l'élargissement des pistes Nos 1 (Chetzeron - 4200 m2) et 5 (Bella Lui - 10'400 m2), estimant à cet égard qu'il était généralement préférable de laisser se développer au maximum admissible les stations déjà existantes plutôt que d'en voir se créer de nouvelles.
L'instruction du recours a d'abord permis d'obtenir des renseignements de l'association et du département intimés, ainsi que de l'Institut fédéral pour l'étude de la neige et des avalanches, au Weissfluhjoch. L'aménagement du tronçon médian de la piste No 3/4 a été précisé par le dépôt d'un rapport technique et de plans. Une inspection des lieux a été effectuée le 13 février 1986. A la suite de l'audience d'instruction tenue ce jour-là, l'association intimée a produit un plan des défrichements modifié, qui tenait compte de l'élargissement de la piste No 1 consécutif à l'abandon de la piste No 2, consenti définitivement. Finalement, après modification de leurs conclusions et renonciation, par l'Association intimée, à la création de la piste No 2, les recourantes n'ont plus contesté que 26'900 m2 (4400 m2 de la piste No 1 élargie + 22'500 m2 de la piste No 3/4) sur les 49'300 m2 de défrichement autorisés. Le Département fédéral de l'intérieur a proposé que le Tribunal fédéral opère lui-même les modifications nécessaires en raison, notamment, du remplacement de la piste No 2 par un élargissement de la piste No 1.
Le Tribunal fédéral a pris acte du fait que l'Association intimée avait renoncé à l'autorisation de défricher en tant qu'elle concernait la piste No 2 de Chetzeron; il a rejeté le recours pour le surplus et confirmé la décision attaquée avec quelques rectifications et adaptations.
BGE 112 Ib 195 S. 200
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Selon l'
art. 31 al. 1 LFor
, l'aire forestière de la Suisse ne doit pas être diminuée. L'autorisation de défrichement constituant donc l'exception, on ne doit admettre qu'avec retenue que les conditions en sont réalisées (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, vol. I, No 37 B II et III; ZBl 1979 p. 591). Se fondant sur la délégation de compétence que lui concède l'
art. 50 al. 2 LFor
, le Conseil fédéral a édicté les
art. 24 ss OFor
, qui fixent la portée du principe de la conservation de l'aire forestière et précisent la façon de traiter les demandes de défrichement. C'est ainsi que l'
art. 26 OFor
, dont la légalité a été maintes fois constatée (
ATF 106 Ib 43
,
ATF 103 Ib 58
/59), définit les conditions auxquelles doit satisfaire toute demande de défricher.
a) Le requérant doit tout d'abord prouver l'existence d'un besoin prépondérant, primant l'intérêt à la conservation de la forêt (
art. 26 al. 1 OFor
). Un besoin prépondérant - qui peut être public ou civil, voire combiner ces deux aspects (arrêt du 17 juin 1977 dans la cause Aschwanden Aarau AG c. DFI) - ne signifie pas une nécessité absolue, et il convient dans chaque cas de procéder à une comparaison des intérêts en présence (
ATF 108 Ib 268
), étant précisé que des intérêts financiers ne sont pas considérés comme un besoin prépondérant (art. 26 al. 3, 2e phrase).
Ensuite, il ne doit pas y avoir de raisons de police (protection des eaux, dangers d'avalanches, d'éboulements, de glissements, de chutes de pierres) qui s'opposent au défrichement (art. 26 al. 2).
Il faut en outre que l'ouvrage pour lequel le défrichement est sollicité ne puisse être construit qu'à l'endroit prévu (art. 26 al. 3, 1re phrase). Cette exigence n'est toutefois pas absolue, car il existe presque toujours un certain choix; mais les raisons de ce choix comptent dans la pesée des intérêts en présence (
ATF 108 Ib 174
lettre b,
ATF 98 Ib 372
consid. 3 et 4, 497 consid. 4 in fine, 498 consid. 6).
Enfin, l'autorité compétente pour autoriser un défrichement doit tenir compte de la protection de la nature et du paysage (art. 26 al. 4).
b) Le Tribunal fédéral examine en principe librement si l'autorité inférieure a correctement comparé les intérêts en présence, cette appréciation relevant du droit (
art. 104 lettre a OJ
). Il reconnaît toutefois un certain pouvoir d'appréciation aux autorités inférieures, en particulier lorsque la solution recherchée dépend des circonstances locales, qu'elles connaissent mieux
BGE 112 Ib 195 S. 201
(
ATF 108 Ib 172
, 181 et les renvois). Si l'autorité intimée est fédérale, une retenue n'est pas de mise, car cette autorité n'a pas en soi une connaissance des conditions locales plus étendue que celle du Tribunal fédéral (
ATF 108 Ia 181
consid. 1a). Celui-ci n'est en outre pas lié par les constatations de fait lorsque, comme dans le cas particulier, la décision attaquée n'émane ni d'un tribunal cantonal, ni d'une commission de recours (
art. 105 OJ
). Il n'empêche qu'en l'espèce, des fonctionnaires du département intimé sont allés sur place et ont pu comparer leurs constatations aux avis favorables exprimés par les autorités et services du canton du Valais, responsables notamment, au premier chef, de la planification (
ATF 104 Ib 225
consid. 5a).
c) Le tourisme représente dans certaines régions, en Valais notamment, une branche économique très importante. Le promouvoir n'est pas un but étranger à la législation fédérale (art. 1er al. 1 et 2 lettre c,
art. 3 al. 4 lettre a LAT
; cf. aussi la loi fédérale sur l'aide en matière d'investissements dans les régions de montagne, du 28 juin 1974, art. 3).
Cependant, la création ou le maintien d'emplois ne sauraient représenter un besoin collectif primant l'intérêt à la conservation de la forêt (
ATF 108 Ib 175
consid. 6,
ATF 101 Ib 316
consid. 2). En outre, c'est en principe le développement touristique qui doit s'adapter aux conditions naturelles et au paysage, spécialement à la topographie des lieux et à la présence de la forêt, non l'inverse (
ATF 108 Ib 178
consid. 7).
Après avoir fait une large part à l'intérêt public qui découle des exigences du développement touristique (
ATF 98 Ib 499
consid. 7), la jurisprudence se montre aujourd'hui plus réservée, en particulier lorsqu'un défrichement porte sur d'importantes surfaces boisées et a pour conséquence de graves atteintes, souvent irréversibles, à la forêt et au paysage. Sous peine de vider l'
art. 31 LFor
de toute sa portée, il y a lieu de restreindre l'octroi d'autorisations de défrichement en vue de la réalisation d'équipements touristiques aux cas où ceux-ci répondent à un besoin impérieux primant l'intérêt à la conservation de la forêt (
ATF 108 Ib 175
consid. 6, 268 consid. 3a et les références). Préconisée voici plusieurs années déjà, et appliquée souvent en Valais, cette sévérité accrue correspond à une meilleure prise de conscience des problèmes de l'environnement tant par les autorités que par le public, consacrée par le développement législatif récent (cf. ACF du 25 août 1971 modifiant l'OFor, RO 1971 1193;
ATF 109 Ib 212
/213 consid. a et b;
BGE 112 Ib 195 S. 202
arrêt non publié Società funicolare Cassarate - Monte Bré du 10 février 1982).
d) Dans sa jurisprudence récente, relative plus précisément à l'aménagement de pistes de ski, le Tribunal fédéral considère notamment que l'on ne doit pas dévaster une importante étendue de forêt pour créer une station entièrement nouvelle, éloignée des villages. Le défrichement requis n'apparaît pas alors secondaire par rapport au développement régional, ni comme un aménagement lié à l'emplacement choisi (
ATF 108 Ib 174
consid. 5b). Il s'est aussi montré restrictif dans deux espèces haut-valaisannes où l'on voulait ouvrir de très grandes tranchées en pleine forêt, dans une station existante certes, mais pour une seule piste avec son installation de remontée mécanique et hors du secteur de développement prévisible (arrêt Visperterminen du 6 mai 1981), ou encore après que d'importants déboisements avaient déjà été effectués pour construire des installations servant au tourisme hivernal (
ATF 106 Ib 136
ss).
En revanche, le défrichement peut être autorisé, en vue de créer des pistes, là où de petites coupes sont nécessaires pour améliorer un tracé, éliminer des endroits dangereux, permettre l'accès aux pistes à des véhicules ad hoc ou assurer la liaison entre des descentes déjà ouvertes, ou encore améliorer grandement l'exploitation dans le cadre d'un aménagement général et à des frais relativement modestes (cf.
ATF 106 Ib 138
ss consid. 2 et 3; décisions non publiées des 24 octobre 1980 et 23 juin 1982 radiant du rôle, ensuite de transaction, les causes opposant la LSPN, resp. le CAS à la Bourgeoisie de Nax et à Télé-Mont-Noble S.A., les parties s'étant mises d'accord sur un projet d'aménagement sylvo-pastoral de la région du Mont-Noble/Gautier, commune de Nax).
3.
Avant d'aborder l'examen de l'application de ces principes à l'espèce, il sied de mettre en évidence les points suivants:
a) En cours d'instruction, l'association intimée a maintenu sa proposition de renoncer à la piste No 2 si la piste No 1 pouvait être aménagée de façon à répondre aux exigences techniques et aux normes de sécurité imposées par la FIS. Ainsi qu'elle l'a confirmée à l'audience tenue à Crans, cette renonciation - judicieuse et désirée par la délégation du tribunal - est définitive et le défrichement supplémentaire projeté pour la piste No 1 - indiqué sur le plan transmis au Tribunal le 14 février 1986 par l'ingénieur Robyr, plan qui reflète la décision prise par le comité de
BGE 112 Ib 195 S. 203
l'association intimée - n'aboutira pas à dépasser la surface totale autorisée par le Département. Cette solution - on le verra plus loin (consid. 8a) - contribue de surcroît à diminuer sensiblement l'atteinte portée au paysage.
Il n'est dès lors plus nécessaire de rechercher si un danger d'avalanches existait sur le tracé de la piste No 2. Il faudra en revanche se demander si l'augmentation de la surface à défricher à l'emplacement de la piste No 1 se justifie; le déboisement total y serait identique à ce qui était demandé pour les deux pistes, car la réunion sur un seul espace, non seulement de tous les slaloms géants, mais surtout de deux tracés simultanés de géants exige que la piste soit élargie à 62 m, au dire du délégué technique de la FIS.
b) Les associations recourantes ont insisté sur le caractère partiel de leur recours, qui ne vise plus - depuis la réduction de leurs conclusions et l'abandon de la piste No 2 - que 26'900 m2 sur les 49'300 m2 de défrichement autorisés. A propos du défrichement, non contesté, de la piste No 5 (10'400 m2), elles ont mis elles-mêmes l'accent sur l'importance, pour le Valais, d'avoir une piste de descente répondant à tous les critères de sécurité exigés actuellement par la FIS, piste qu'il se justifie d'élargir, en déboisant, sous peine de voir annuler purement et simplement les championnats du monde de ski alpin 1987 sur le Haut-Plateau.
c) Ces championnats sont attribués à la station de Crans- Montana depuis mai 1983. C'est là un élément qui différencie déjà la présente espèce du cas limite de la piste de l'Ours (
ATF 96 I 502
ss), où les requérants invoquaient non seulement un concours mineur (la coupe d'Europe des jeunes), mais des Jeux Olympiques d'hiver qui n'avaient pas été attribués au Valais et pour lesquels le terrain défriché ne devait servir que de piste de remplacement.
Au demeurant, l'association intimée ne crée pas une nouvelle station de toutes pièces et ne propose pas davantage des pistes hors des champs de ski existants et de leur développement prévisible. D'après les prospectus édités par Crans-Montana, tout un réseau de descentes sillonnent le secteur du Mont-Lachaux, partant de Cry d'Err et de Chetzeron. Même le tracé de la future descente dames (piste No 3/4) est signalé, entretenu et parcouru; l'inspection des lieux l'a montré. Il ne s'agit donc pas, comme à la piste de l'Ours et dans d'autres espèces valaisannes, d'ouvrir à la pratique du ski un terrain entièrement nouveau.
BGE 112 Ib 195 S. 204
4.
L'autorisation de défricher suppose un intérêt prépondérant, primant l'intérêt à la conservation de la forêt (
art. 26 al. 1 OFor
).
L'occasion de la demande de défrichement - et sans doute sa raison principale - est l'organisation des championnats du monde de ski alpin 1987. C'est également cette compétition, de caractère temporaire, qui paraît exiger des pistes présentant certaines caractéristiques et situées à des endroits plus ou moins déterminés.
a) Invitée par le juge délégué à l'instruction à indiquer avec précision les exigences de la FIS, documents à l'appui, l'association intimée a fourni tous les renseignements nécessaires, programmes et règlements compris, en particulier les règlements des concours internationaux de ski (RIS) et le règlement pour le Super-G (octobre 1985), émis par la FIS. Il s'avère que les pistes prévues sont indispensables quant à leur nombre, leur genre et leurs caractéristiques (dénivellation, sinuosité, largeur et sécurité; stades d'arrivée, nombreuses installations techniques, etc.). Les explications sont complètes, précises et étayées dans tous leurs éléments, notamment sur deux points essentiels: la largeur nécessaire et les exigences de la sécurité, surtout en forêt. Un skieur moyen, voire toute personne qui suit les compétitions de ski peut les comprendre et se convaincre de leur bien-fondé. On notera seulement que le programme s'est alourdi, pour la première fois, des deux supergéants, courses très rapides. De plus, l'abandon de la piste No 2 ramène sur la première tous les slaloms géants, dont les deux tracés - courus le même jour - doivent être préparés simultanément. Quant aux descentes, les cinq derniers championnats du monde les ont organisées sur deux pistes, quand bien même - lors des trois premiers - les descentes du combiné n'existaient pas encore. Il est aisé de comprendre qu'en deux semaines, les compétiteurs ne sauraient courir quatre descentes et s'y entraîner d'abord pendant trois jours, ou du moins à trois reprises (art. 703.2 RIS) sur une seule piste, vu surtout les risques de mauvaises conditions obligeant de reporter courses et entraînements, et sans compter le fait que la piste No 5 (la "Nationale") concentre, dans sa partie inférieure, plusieurs compétitions. Il faut en outre relever que les organisateurs ont réduit en dessous du minimum exigé - de moitié - la largeur du tronçon médian, en traversée de la piste No 3/4 (art. 701.4, par. 2, RIS).
Les recourantes ont certes contesté la nécessité tant de la piste No 3/4 (descente dames) que de l'élargissement de la piste No 1. Il
BGE 112 Ib 195 S. 205
paraît évident, toutefois, que les organisateurs des championnats, sous le contrôle de la FIS et de ses délégués techniques, sont mieux à même qu'elles d'estimer le nombre et les caractéristiques des pistes qui conviennent au regard des règlements et des décisions prises par les organes compétents. Leurs déclarations à cet égard sont convaincantes, en particulier celles que le directeur technique de l'association intimée a faites à l'audience du 13 février 1986. Ce responsable a notamment confirmé qu'il n'y avait pas de solution de rechange et qu'ainsi, faute de pouvoir aménager les pistes litigieuses, il n'y aurait pas possibilité d'organiser les championnats du monde en 1987. Il a expressément contesté ce qui avait été rapporté à ce sujet dans la presse, insistant sur le fait que l'enneigement doit être garanti dans la station même (problèmes de transports, d'installations de radio/TV). Or, précisa-t-il, les pistes dans la région des glaciers se trouvent en dehors de la station; si elles pourront effectivement être utilisées par les équipes, c'est pour leurs entraînements, non pour les compétitions. Pour leur part, les recourantes n'ont pas été en mesure de proposer une alternative sérieuse, réalisable sans défrichement.
b) En décidant de garantir la couverture d'une partie du déficit éventuel, tant le Conseil fédéral que le Conseil d'Etat valaisan ont tenu compte de l'intérêt public d'une manifestation telle que les championnats du monde de ski alpin: pour le Valais et la Suisse en général, l'organisation de ces championnats devrait être en effet une occasion importante d'affirmer leur position sur le plan touristique. Dans son message au Grand Conseil valaisan, le Gouvernement cantonal s'exprimait ainsi à ce propos:
"Le ski exerce un attrait de première importance sur le public en général. Les précédents championnats du monde de ski alpin ont largement démontré l'intérêt que leur portent les mass média, tant nationales qu'internationales. La présence de journalistes de tous les continents, les retransmissions télévisées et radiodiffusées des épreuves, constituent une forme de publicité supérieure à toute autre forme de promotion directe. Des actions publicitaires parallèles et complémentaires, coordonnées par l'Union valaisanne du tourisme, seront envisagées.
Par l'intermédiaire d'une région touristique de premier plan, notre canton démontre son dynamisme et ses capacités à mettre sur pied une manifestation de renommée mondiale. Les retombées à long terme qui y sont liées sont également considérables pour notre canton.
Cette organisation représente également un apport économique direct pour l'ensemble de notre économie (logement des concurrents et de leurs délégations techniques, hébergement de près de 1500 journalistes, des délégués de la Fédération internationale de ski et des spectateurs, etc.)."
BGE 112 Ib 195 S. 206
Ces considérations du Conseil d'Etat ne doivent sans doute pas faire oublier que le développement touristique doit en principe s'adapter aux conditions naturelles et au paysage, ainsi qu'il a été exposé au consid. 2c ci-dessus. Il est indéniable néanmoins qu'une compétition sportive du niveau des championnats du monde de ski alpin constitue une excellente publicité pour la Suisse en général et pour le Valais en particulier, où le tourisme représente un atout économique de premier ordre. L'organisation d'une compétition de cette envergure ne pouvant être réalisée qu'en un lieu doté de l'infrastructure nécessaire, le choix de Crans-Montana était approprié, car cette station peut accueillir simultanément toutes les épreuves d'une grande compétition internationale sur des pistes existantes dont il convient toutefois, pour des motifs de sécurité notamment, de corriger, d'élargir ou d'aménager le tracé. Le fait que l'on tienne compte, dans le cas des championnats du monde de ski alpin de Crans-Montana, d'un intérêt au développement du tourisme n'implique d'ailleurs nullement qu'il en irait de même de l'organisation, en quelque lieu que ce soit, de compétitions sportives bénéficiant d'un impact publicitaire comparable; la mise sur pied de telles manifestations ne peut justifier sans autre des atteintes à la forêt.
c) Tout en rappelant que la jurisprudence n'exige pas une nécessité absolue (
ATF 108 Ib 268
consid. 3a) et que les autorités inférieures et locales jouissent d'un certain pouvoir d'appréciation (consid. 2a-c), il y a lieu d'admettre en l'espèce l'existence d'un besoin impérieux au sens de l'
art. 26 OFor
et de la jurisprudence relative à cette disposition. Les considérations qui précèdent et le fait qu'une planification générale du domaine skiable est envisagée (consid. 5 ci-après) permettent de conclure que cet important besoin l'emporte dans le cas particulier sur l'intérêt à la conservation de la forêt. Au demeurant, en ne critiquant que partiellement la décision attaquée, les recourantes admettent en principe que l'organisation d'une compétition de ski au plus haut niveau peut constituer un intérêt prépondérant au défrichement.
5.
Si les championnats du monde de ski alpin 1987 sont, grâce au déboisement autorisé, l'occasion d'améliorations pour la station et ses skieurs, leurs organisateurs ont aussi démontré, de façon convaincante, que ces améliorations s'inscrivent dans un programme de planification définitive du domaine skiable de la région du Mont-Lachaux.
BGE 112 Ib 195 S. 207
a) De fait, l'idée d'organiser les championnats du monde de ski alpin a décidé les communes intéressées, jusque-là divisées sur les problèmes de développement à l'échelon régional, à se réunir pour entreprendre, avec les sociétés de développement de l'endroit, l'aménagement rationnel et concerté de la zone de ski du Mont-Lachaux. C'est donc aussi pour cette raison, outre la publicité des championnats, que les Services cantonaux et le Conseil d'Etat valaisan, puis le Département fédéral intimé ont consenti au défrichement sollicité. Par lettre du 5 mai 1985, les organisateurs ont de plus assuré le Département fédéral que leur requête rendait superflus et caducs, dans le périmètre du Mont-Lachaux, d'autres projets éventuels d'amélioration de pistes et de défrichement; cette lettre était contresignée, pour accord, par les communes concernées de Lens, Chermignon, Montana et Randogne, ainsi que par trois sociétés de remontées mécaniques.
b) Les coupes de bois autorisées améliorent sans doute plusieurs tracés, éliminent quelques endroits dangereux et des goulots d'étranglement, facilitent parfois l'accès aux pistes à des véhicules d'entretien et assurent une meilleure liaison entre deux domaines skiables adjacents. Cet aménagement est devenu nécessaire en raison de l'augmentation spectaculaire du nombre des personnes utilisant les remontées mécaniques - environ dix fois plus de 1962 à 1982 -, alors que les pistes restaient plus ou moins celles d'il y a vingt ans, la surface du domaine skiable n'ayant même pas doublé. La prépondérance du tourisme hivernal, et surtout du ski alpin, dans l'essor économique du Haut-Plateau est vérifiée dans les chiffres fournis par l'intimée. Il est donc incontestable que les améliorations en question serviront durablement aux activités sportives d'une large couche de la population, celle qui, pendant de nombreux mois, jouit des pistes de ski du Mont-Lachaux. En ce qui concerne tout particulièrement la piste No 3/4, il s'agit d'aménager durablement, en vue de sa sécurité et de son entretien, si ce n'est une piste au sens parfait du terme, du moins un parcours naturel, signalé et entretenu, qui relie vers le bas le Mont-Lachaux à la "Nationale" et au secteur des "Violettes", et qui figure d'ailleurs comme tel, plus ou moins au même endroit, sur tous les prospectus produits. Il faut noter par ailleurs qu'une descente dangereuse, au-dessus du Vieux-Cor, disparaîtra grâce au reboisement qui y est prévu.
c) Une planification générale des pistes faisant partie d'un domaine skiable étendu, réparti sur le territoire de plusieurs
BGE 112 Ib 195 S. 208
communes, se doit d'être saluée et même encouragée. La recherche d'une telle solution globale ne peut être réalisée cependant que dans le cadre de certaines limites données; le respect de l'aire forestière en est une. S'il se justifie en l'espèce de faire une exception à ce principe, c'est parce que les championnats du monde de ski alpin attribués pour 1987 à la station de Crans-Montana ne pourraient pas, sinon, s'y dérouler (consid. 3b et c, 4a ci-dessus); c'est aussi, on vient de le voir, parce que le déboisement requis permet une amélioration durable des pistes dans un secteur où le ski de tourisme s'est développé d'une façon particulièrement importante. A cela s'ajoute, ainsi qu'il sera démontré ci-après (consid. 6 et 8), qu'aucune raison de police ou considération tirée de la protection du paysage n'est susceptible de faire obstacle au déboisement litigieux.
6.
Il n'y a pas, en l'espèce, de raisons de police qui s'opposeraient au défrichement (
art. 26 al. 2 OFor
).
Le Tribunal fédéral a demandé l'avis d'un expert de l'Institut fédéral pour l'étude de la neige et des avalanches au Weissfluhjoch. Le 11 décembre 1985, avant d'avoir vu les lieux, ce spécialiste estimait, sur le vu des plans joints au dossier, qu'un déboisement pourrait, en raison de la pente, créer une possibilité de décrochements ("Lawinenanrisse") sur la piste No 3/4 entre les deux chemins cotés 1690 et 1750 m, à savoir vers la courbe située au point H sur les plans. L'association intimée s'est engagée à obtenir à ses frais un second rapport de l'expert et à prendre les mesures que celui-ci préconiserait, le cas échéant, en vue de protéger les skieurs ou la forêt en hiver, voire d'éviter des éboulements ou chutes de pierres le reste de l'année. Ce rapport, auquel est joint un plan, a été adressé au Tribunal le 25 février 1986. Il en résulte que les défrichements prévus désormais pour les pistes Nos 1 et 3/4 (Chetzeron et Clavan) ne modifient pas le risque d'avalanches.
Les recourantes ont certes craint, à l'audience d'instruction, un danger d'éboulement des schistes à l'angle du tronçon médian de la piste No 3/4, en Clavan. Mais, selon les spécialistes présents, les procédés techniques actuels permettent de stabiliser le terrain; au demeurant, l'ouvrage nécessaire au passage des skieurs sera léger et l'essentiel paraît être un assainissement hydrologique; les autorisations réservées dans la décision attaquée devront résoudre les problèmes qui pourraient surgir. En tout état de cause, les réserves et conditions suffisent du point de vue du défrichement.
BGE 112 Ib 195 S. 209
7.
La condition posée par l'art. 26 al. 3, 1re phrase, OFor, selon laquelle l'ouvrage projeté - ici des pistes de ski - ne doit pouvoir être aménagé qu'à l'endroit prévu, est manifestement réalisée, ainsi que cela ressort déjà du consid. 4 ci-dessus. Il convient de mentionner en outre qu'aucune alternative sérieuse, digne d'être retenue, n'a été proposée. L'association intimée a fourni au reste, dans ce contexte, des explications convaincantes sur les inconvénients d'autres sites, plus précisément en ce qui concerne l'emplacement des installations techniques (chronométrage, retransmissions télévisées, etc.) et les voies d'accès aux stades d'arrivée et lieux de compétition; et c'est avec raison qu'elle a souligné la nécessité d'éviter les champs de ski de l'Aminona, vu le danger d'avalanches existant dans cette zone.
8.
Reste à se demander si l'autorisation accordée tient "dûment compte de la protection de la nature et du paysage" (
art. 26 al. 4 OFor
). A cet égard, l'avis des fonctionnaires cantonaux et de ceux du Département fédéral, qui se sont rendus sur place, revêt une importance certaine, car ils ont pu ainsi se faire une opinion motivée.
a) La piste No 1 fait un coude dans le haut. Avant le changement de direction, les défrichements ne sont pas situés dans une pente bien visible du plateau et même d'en face; après le virage, le parcours actuel sera élargi des deux côtés. Tout en bas, un court passage apparaîtra dans une langue de forêt, puis viendra l'élargissement d'un passage à travers les arbres. Vu l'étendue et la situation du terrain déjà découvert, le tout ne ressemblera en rien à une trouée verticale nouvelle. Le tracé de la piste No 1 reste d'ailleurs le même que celui prévu à l'origine et auquel les recourantes ne se sont pas opposées. Certes, le déboisement supplémentaire nécessaire pour obtenir une largeur de piste de 62 m n'est pas négligeable. Il s'agit là cependant d'une exigence de la FIS qui a été justifiée de manière convaincante (consid. 4a). De plus, outre le fait que les recourantes ne contestent qu'une partie seulement de ce déboisement, il faut reconnaître que le maintien de la piste No 2 aurait exercé un effet plus néfaste sur le site. A ce propos, la décision de renoncer à cette piste est heureuse, car la trouée verticale sous la télécabine de Chetzeron eût davantage enlaidi le paysage, spécialement en raison de l'orientation de la pente.
b) Il est normal que la piste No 3/4 de la descente dames ait causé au départ plus de soucis aux recourantes, et regrettable que les organisateurs n'aient pas présenté plus tôt leur projet d'aménagement
BGE 112 Ib 195 S. 210
du tronçon médian en traversée. Selon ce projet, la largeur de la surface à défricher est de 15 m, en amont puis en aval d'un chemin forestier de 3 à 4 m, qui sert déjà de raccordement, signalé et entretenu, avec la "Nationale". Aux deux secteurs extrêmes, la pente est forte, à l'est surtout, où une certaine dégradation du terrain schisteux n'est pas exclue. Pour éviter d'importantes ruptures de lignes, la piste sera assez fortement en dévers et, à l'est, en aval du chemin. Le talus sera reverdi, voire reboisé partiellement, le mur d'abord prévu étant remplacé par des caissons de bois, gabions ou clayonnages, qui garantiront une meilleure intégration dans le paysage. D'en bas, ce qui est le point de vue normal et courant, et même d'en haut lorsqu'on descend à ski, la pente fera sans doute que l'étroite bande déboisée n'apparaîtra guère, et en tout cas de façon moins brutale en raison du nouvel aménagement proposé, car - et c'est l'essentiel - le passage n'est pas une trouée verticale, mais une traversée. Le respect des conditions et charges de l'autorisation garantira d'ailleurs une réduction au minimum des atteintes à la nature et au site.
Les recourantes ont critiqué le tournant qui suit la traversée et l'élargissement de l'aire d'arrivée de la "Nationale", qui côtoie la fin de la descente dames. Sur le premier point, elles pensent qu'il faudra aplanir le terrain dans la courbe; tel n'est pas le cas, ce que précise d'ailleurs la charge imposée par le Département (ch. 38 A: courbe relevée). Quant au second, il est certain qu'un stade de slalom et l'arrivée de deux pistes de descente prennent de la place et ouvrent largement la forêt. Mais un tel stade est nécessaire; de surcroît, il existe et le mal est déjà fait pour la plus grande partie.
Quant au problème de la protection de la faune et de la flore, soulevé de manière très générale par les recourantes, il y a lieu de constater que la piste No 3 et ses abords, y compris le chemin forestier de raccordement, sont un endroit déjà fort fréquenté. L'on ne se trouve pas en présence d'une forêt inviolée. Au demeurant, les filets de protection ne seront posés aux abords des pistes que temporairement, durant les compétitions.
9.
(Evocation du ski sauvage, problème distinct du défrichement lui-même.)
10.
(L'autorisation de défricher est accordée pour une surface déterminée; il incombe aux autorités d'exécution de vérifier si les organisateurs la respectent, ainsi que les nombreuses charges et conditions de l'autorisation. Rectification ou adaptation de celles-ci.)
BGE 112 Ib 195 S. 211
11.
En résumé, il y a donc lieu d'admettre que, dans les circonstances données, un besoin impérieux primant l'intérêt à la conservation de la forêt, tel que l'exige la jurisprudence, existe pour le défrichement litigieux, contesté en partie seulement par les recourantes, à concurrence de 26'900 m2. Ce déboisement permet l'aménagement de pistes existantes ainsi que l'amélioration d'un passage, signalé, entretenu et parcouru, assurant la liaison avec "La Nationale". Il rend ainsi possible le déroulement des championnats du monde de ski alpin 1987, manifestation dont l'intérêt primordial du point de vue touristique a incité le Conseil fédéral et le Grand Conseil du canton du Valais à accorder leur garantie pour une part importante du déficit éventuel. Simultanément, il permet d'améliorer durablement un domaine skiable étendu, dont les pistes présentent par endroits des goulots d'étranglement de moins en moins compatibles avec les exigences de sécurité eu égard au nombre toujours croissant de skieurs. Le défrichement litigieux entre donc aussi dans le cadre d'une planification générale sur laquelle les communes intéressées ont réussi à s'entendre et qui exclut tout autre défrichement ultérieur pour des pistes de ski dans la région du Mont-Lachaux. Il n'y a par ailleurs pas de motifs de police qui s'opposent au défrichement; il n'existe en particulier aucun danger d'avalanches dans les secteurs visés. Quant au problème de la stabilité du terrain, il devra être résolu dans l'autorisation de construire, par des charges et des conditions appropriées. La décision, prise au cours de la procédure devant le Tribunal fédéral, de renoncer à la piste No 2 à Chetzeron, piste nouvelle contestée par les recourantes, va dans le sens d'une meilleure protection de la nature et du paysage. L'élargissement de la piste No 1 rendu nécessaire par cet abandon, étant moins apparent, constitue une atteinte bien moins incisive au paysage. Grâce notamment à cette modification, il est dûment tenu compte en l'espèce des intérêts de la protection de la nature, d'autant que le défrichement n'est que partiellement contesté. Enfin, la confirmation - avec les quelques rectifications ou adaptations convenues avec les parties - des charges et conditions déjà émises par le Département fédéral de l'intérieur garantit, entre autres, que les mesures nécessaires au reverdissement du terrain des pistes seront prises et que, dans la même région, une surface de 55'400 m2 sera reboisée, ce qui aura pour résultat en définitive d'accroître la surface forestière de 6100 m2.
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public_law
|
nan
|
fr
| 1,986 |
CH_BGE
|
CH_BGE_003
|
CH
|
Federation
|
aa3a0cdd-1b8a-48c5-9e10-48102fc489d4
|
Urteilskopf
92 IV 16
6. Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1966 i.S. Spranger gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden.
|
Regeste
1.
Art. 272 Abs. 6 BStP
. Die Parteien haben nur Anspruch, die Akten bei den kantonalen Behörden einzusehen, nicht darauf, dass ihnen die Akten zugestellt werden (Erw. 1).
2.
Art. 32 Abs. 1 SVG
. Zulässige Geschwindigkeit; Bedeutung der Signale Nr. 115 und 225. Der Vortrittsberechtigte hat die Geschwindigkeit herabzusetzen, sobald damit zu rechnen ist, dass sich ein Wartepflichtiger unrichtig verhalten könnte (Erw. 2 und 3).
3.
Art. 31 Abs. 1 SVG
. Der Fahrzeugführer, der zu spät Massnamen ergreift, um die Gefahr eines Zusammenstosses abzuwenden, beherrscht sein Fahrzeug nicht (Erw. 2 und 3).
4.
Art. 26 SVG
. Diese Grundregel hat neben den besondern Verkehrsregeln der
Art. 31 und 32 SVG
subsidiäre Bedeutung.
|
Sachverhalt
ab Seite 17
BGE 92 IV 16 S. 17
A.-
Creszentia Spranger führte am 22. Juni 1964 gegen 14 Uhr einen Porsche-Personenwagen auf der betonierten, 7,5 m breiten Hauptstrasse von Chur Richtung Landquart. Als sie sich mit einer Geschwindigkeit von 100 km/Std der nördlichen Zufahrtsrampe von Untervaz näherte, die parallel zur Hauptstrasse verlief, sah sie plötzlich einen Silo-Lastwagen, der von links aus der Zufahrtsstrasse herkommend die Hauptstrasse schräg Richtung Zizers überquerte, um auf die rechte Fahrbahn zu gelangen. Creszentia Spranger versuchte, am Lastwagen rechts vorbeizukommen, als dessen Abstand vom Drahtzaun, der den rechten Strassenrand begrenzte, nur noch 1,80 m betrug. Beide Fahrzeuge bremsten, wobei der Porsche etwas ins Schleudern geriet und mit seiner linken Seite den Lastwagen vorne rechts streifte. Personen wurden nicht ver letzt.
B.-
Der Kreispräsident Fünf Dörfer büsste Creszentia Spranger am 25. Februar 1965 wegen Übertretung von Art. 26 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 32 Abs. 1 SVG mit einer Busse von Fr. 80.-.
Auf Einsprache der Gebüssten bestätigte der Kreisgerichts-Ausschuss V Dörfer am 24. Juli 1965 das Strafmandat.
C.-
Gegen dieses Urteil führt Creszentia Spranger Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
BGE 92 IV 16 S. 18
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerde enthält in den einleitenden Bemerkungen den Hinweis, dass die Vorinstanz die kantonalen Akten dem Anwalt der Beschwerdeführerin auf dessen Gesuch hin in Verletzung von
Art. 272 Abs. 6 BStP
nicht zur Begründung der Beschwerde zugestellt habe.
Art. 272 Abs. 6 BStP
verpflichtet indessen die kantonalen Behörden nicht, die Akten den Parteien zur Einsicht zuzustellen, sondern die Bestimmung schreibt nur vor, dass die Akten vor Einreichung der Beschwerdeschrift zur Einsicht offenzuhalten seien, was den Sinn hat, es müsse den Parteien Gelegenheit geboten werden, die Akten bei den kantonalen Behörden einzusehen (Entscheidungen des Kassationshofes vom 3. Februar 1949 i.S. Düring gegen Solothurn und vom 27. August 1960 i.S. Peter gegen Bern). Wäre dieser Anspruch verletzt worden, hätte der Kassationshof auf Verlangen der benachteiligten Partei anzuordnen, dass ihr die Einsicht in die Akten ermöglicht wird, ehe über die Beschwerde entschieden wird.
Im vorliegenden Falle stellt die Beschwerdeführerin keinen entsprechenden Antrag. Sie macht auch nicht geltend, dass ihrem Anwalt die Einsicht verweigert worden sei, und räumt zudem ein, dass dieser imstande war, die Beschwerdebegründung auf Grund der eigenen Handakten und Notizen abzufassen.
2.
Die von der Beschwerdeführerin eingehaltene Geschwindigkeit von 100 km/Std war auf der gut ausgebauten Autostrasse bei den gegebenen Sicht- und Verkehrsverhältnissen nicht an sich übersetzt. Zur Herabsetzung der Geschwindigkeit verpflichtete sie auch nicht das Signal Nr. 225 (Überholverbot). Es verbietet nur, andere Motorfahrzeuge zu überholen (
Art. 24 SSV
), bedeutet aber nicht, dass die Geschwindigkeit im Hinblick auf Fahrzeuge, die möglicherweise eingeholt werden, zum vornherein verlangsamt werden müsse. Das ferner angebrachte Signal Nr. 115, das die Kreuzung mit einer Strasse ohne Vortritt anzeigt, warnt den Vortrittsberechtigten vor möglichen Gefahren und verpflichtet ihn zu erhöhter Vorsicht und Aufmerksamkeit; zur Verminderung einer an sich zulässigen Geschwindigkeit ist er aber erst gehalten, wenn bestimmte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ihn ein Wartepflichtiger in seiner Fahrt behindern könnte (
Art. 14 Abs. 1 VRV
; Urteil des Kassationshofes vom 14. Mai 1965 i.S. Gurt gegen Graubünden).
BGE 92 IV 16 S. 19
Ob schliesslich das Signal Nr. 113 (Arbeiten auf der Fahrbahn), obschon es nach den Feststellungen des Kreispräsidenten im Strafmandat in Wirklichkeit nicht wegen Bauarbeiten, sondern lediglich wegen des provisorischen Charakters der Abzweigung nach Untervaz aufgestellt worden war, die Fahrzeugführer oder solche, die wie die Beschwerdeführerin von der missbräuchlichen Verwendung des Signals keine Kenntnis hatten, zur Verlangsamung der Geschwindigkeit verpflichtet habe, kann in Rücksicht auf die nachfolgenden Erwägungen offen bleiben.
Zur Herabsetzung der Geschwindigkeit war die Beschwerdeführerin auf jeden Fall verpflichtet, als erkennbar wurde, dass der Silolastwagen von links in die Hauptstrasse einbog und diese zu überqueren begann, um die rechte Fahrbahn zu erreichen. In diesem Augenblick musste die Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit rechnen, dass der Lastwagenführer den Porsche nicht gesehen habe oder zu spät wahrnehme oder dass er dessen Geschwindigkeit falsch abgeschätzt haben könnte. Sie durfte sich daher nicht im Vertrauen auf ihr Vortrittsrecht darauf verlassen, der Lastwagen werde noch rechtzeitig anhalten, um den Porsche rechts durchfahren zu lassen, sondern sie hatte sich auf das Verhalten des Lastwagenführers einzustellen und ihrerseits alles zu tun, um der drohenden Gefahr eines Zusammenstosses wirksam zu begegnen (
BGE 90 IV 145
;
Art. 26 Abs. 2 SVG
). Dazu wäre sie auch in der Lage gewesen. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz legte der Lastwagen von der Einmündung bis zur Kollisionsstelle eine Wegstrecke von 24 m zurück, für die er 11-13 Sekunden benötigte. Spätestens, als der Lastwagen die Hälfte dieses Weges durchfahren hatte, hätte die Beschwerdeführerin auf der weit überblickbaren Strecke das Einbiegemanöver erkennen können. In diesem Zeitpunkt befand sie sich noch mindestens 150 m vom Lastwagen entfernt, so dass sie ohne weiteres ihre Geschwindigkeit genügend hätte verlangsamen oder nötigenfalls, wenn sie den Lastwagen nicht links überholen durfte, das Fahrzeug hätte anhalten können. Es war in hohem Masse leichtfertig, mit unverminderter Geschwindigkeit zuzufahren, obschon sichere Anzeichen für ein Anhalten des Lastwagens fehlten, und zudem das Fahrzeug erst abzubremsen, als es bereits die Höhe des innerhalb der rechten Fahrbahn befindlichen Lastwagens erreicht hatte.
BGE 92 IV 16 S. 20
3.
Der Beschwerdeführerin wird daher zu Recht vorgeworfen, sie habe ihre Geschwindigkeit nicht den Verkehrsverhältnissen angepasst. Ebenso zutreffend ist der Vorwurf der Nichtbeherrschung des Fahrzeuges, die darin bestand, dass die Beschwerdeführerin - sei es aus Unaufmerksamkeit, sei es aus Verwegenheit - zu spät Massnahmen ergriff, um die Gefahr eines Zusammenstosses mit dem Lastwagen abzuwenden. Verletzt sind somit die Verkehrsregeln der Art. 31 Abs. 1 und 32 Abs. 1 SVG. Eine Bestrafung wegen Verletzung der allgemeinen Grundregel des
Art. 26 SVG
, die neben den anwendbaren besondern Verkehrsregeln nur subsidiäre Bedeutung hat, fällt dagegen ausser Betracht. Der Wegfall dieser Übertretung ändert jedoch nichts an der unverantwortlichen Fahrweise der Beschwerdeführerin und der Angemessenheit der ausgefällten Busse von Fr. 80.-.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
| null |
nan
|
de
| 1,966 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
aa40629c-3542-4ceb-bd00-0ab80418193c
|
Urteilskopf
137 V 351
35. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Sozialversicherungen gegen L. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_286/2011 vom 11. August 2011
|
Regeste
Beginn des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung nach Inkrafttreten der 5. IV-Revision.
Entgegen dem Verweis in Art. 42 Abs. 4 in fine IVG richtet sich der zeitliche Beginn des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung nicht nach
Art. 29 Abs. 1 IVG
. Vielmehr gelangt weiterhin sinngemäss
Art. 28 Abs. 1 IVG
zu den Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente zur Anwendung (E. 4 und 5).
|
Sachverhalt
ab Seite 352
BGE 137 V 351 S. 352
A.a
Der am 29. Dezember 1944 geborene L. meldete sich, vertreten durch seinen Vormund, am 22. Mai 2007 erstmals für eine Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung an. Der behandelnde Arzt, Dr. med. F., Arzt für Allgemeine Medizin, diagnostizierte eine ankylosierende Coxarthrose rechts, ein ausgeprägtes Ulcus cruris links, rheumatoide Arthritis und einen Verdacht auf Borderline-Persönlichkeit. Mit Verfügung vom 18. Februar 2008 verneinte die IV- Stelle des Kantons Thurgau (nachfolgend: IV-Stelle) einen Anspruch des L. auf Hilflosenentschädigung. Die Abklärungen hätten ergeben, dass er lediglich in einer Lebensverrichtung (Fortbewegung) hilflos sei. Ausserdem seien die Voraussetzungen der Regelmässigkeit, Dauer und Intensität lebenspraktischer Begleitung nicht erfüllt.
A.b
Am 14. Dezember 2009 meldete sich L. erneut zum Bezug von Hilflosenentschädigung an. Dabei machte er eine besonders aufwendige Pflege und daraus resultierende ungedeckte Kosten geltend. Die IV-Stelle wies dieses zweite Begehren mit Verfügung vom 18. Oktober 2010 ab. Es liege keine aufwendige Pflege vor und es sei nicht Aufgabe der Hilflosenentschädigung, für Kosten aufzukommen, die von der Krankenkasse nicht gedeckt würden.
B.
Auf Beschwerde des L. hob das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die Verfügung der IV-Stelle vom 18. Oktober 2010 auf und leitete die Sache zur weiteren Behandlung an die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau weiter. Zur Begründung führte es aus, Grundlage eines allfälligen Anspruchs auf Hilflosenentschädigung bilde in materieller Hinsicht nicht das Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG), sondern dasjenige über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG), da der fragliche Anspruch frühestens sechs Monate nach der (Neu-)Anmeldung, d.h. am 14. Juni 2010 und somit nach Erreichen des AHV-Alters am 29. Dezember 2009, habe entstehen können. Die diesbezügliche Beurteilung falle daher in die Zuständigkeit der Ausgleichskasse (Entscheid vom 2. März 2011).
C.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) reicht dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ein und
BGE 137 V 351 S. 353
beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 2. März 2011 sei aufzuheben und es sei die Sache an dieses zur materiellen Prüfung der Verfügung der IV-Stelle vom 18. Oktober 2010 zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht stellt Antrag auf Abweisung der Beschwerde, die IV-Stelle schliesst auf Gutheissung und L. verzichtet auf Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Streitig ist die frei überprüfbare Rechtsfrage (
Art. 106 Abs. 1 BGG
), wann der allfällige Anspruch des Beschwerdegegners auf Hilflosenentschädigung frühestens entstehen konnte und welche Stelle in der Folge zuständig ist, darüber zu befinden.
2.
Nach
Art. 42 Abs. 4 IVG
, in Kraft seit 1. Januar 2004, wird die Hilflosenentschädigung frühestens ab der Geburt und spätestens bis Ende des Monats gewährt, in welchem vom Rentenvorbezug gemäss Artikel 40 Absatz 1 AHVG Gebrauch gemacht oder in welchem das Rentenalter erreicht wird. Der Anspruchsbeginn richtet sich nach Vollendung des ersten Lebensjahres nach Artikel 29 Absatz 1. In einer Fussnote (188), die unmittelbar nach dem Verweis auf
Art. 29 Abs. 1 IVG
platziert ist, findet sich der Zusatz "Heute gemäss Art. 28 Abs. 1 Bst. b" ("Actuellement par l'art. 28 al. 1 let. b"; "Ora: dall'art. 28 cpv. 1 lett. b").
Wie das BSV in seiner Beschwerde ausführt, wurde die Fussnote 188 nach der parlamentarischen Schlussabstimmung über die 5. IV-Revision, in Kraft seit 1. Januar 2008, auf seine Intervention hin von der Redaktionskommission der Bundesversammlung angebracht. Sie ist somit nicht unmittelbarer Ausdruck des Gesetzgebers.
2.1
Sowohl
Art. 28 IVG
als auch
Art. 29 IVG
haben im Rahmen der 5. IV-Revision eine Änderung erfahren. Bis Ende Dezember 2007 lauteten die beiden Bestimmungen im Wesentlichen wie folgt (nachstehend zitiert als aArt. 28 und 29 IVG):
Art. 28 Massgebende Invalidität
1
Ist ein Versicherter zu mindestens 40 Prozent invalid, so hat er Anspruch auf eine Rente. Diese wird wie folgt nach dem Grad der Invalidität abgestuft:
(...)
BGE 137 V 351 S. 354
Art. 29 Beginn des Anspruchs
1
Der Rentenanspruch nach Artikel 28 entsteht frühestens in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherte:
a. mindestens zu 40 Prozent bleibend erwerbsunfähig (
Art. 7 ATSG
) geworden ist oder
b. während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 Prozent arbeitsunfähig (
Art. 6 ATSG
) gewesen war.
2
Die Rente wird vom Beginn des Monats an ausgerichtet, in dem der Anspruch entsteht, jedoch frühestens von jenem Monat an, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt. Der Anspruch entsteht nicht, solange der Versicherte ein Taggeld nach Artikel 22 beanspruchen kann.
2.2
Seit 1. Januar 2008 lauten
Art. 28 und 29 IVG
in den hier interessierenden Punkten wie folgt:
Art. 28 Grundsatz
1
Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
a. ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können;
b. während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (
Art. 6 ATSG
) gewesen sind; und
c. nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (
Art. 8 ATSG
) sind.
(...)
Art. 29 Beginn des Anspruchs und Auszahlung der Rente
1
Der Rentenanspruch entsteht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt.
2
Der Anspruch entsteht nicht, solange die versicherte Person ein Taggeld nach Artikel 22 beanspruchen kann.
(...)
3.
Die Vorinstanz vertritt in ihrem Entscheid vom 2. März 2011 die Auffassung, es sei nach wie vor von der Parallelität der Voraussetzungen für den Anspruchsbeginn bei der Rente einerseits und bei der Hilflosenentschädigung anderseits auszugehen. Auf Grund deren Art und Charakter als finanzielle Leistung der Invalidenversicherung bestehe kein Anlass, davon abzuweichen. Die Fussnote 188
BGE 137 V 351 S. 355
betreffe die allgemeine Umschreibung der Voraussetzungen für den Anspruchsbeginn, der bis 31. Dezember 2007 im vormaligen
Art. 29 Abs. 1 IVG
umschrieben gewesen sei. Dem stehe
Art. 35 IVV
(SR 831.201) nicht entgegen, da die Anspruchsvoraussetzungen im übergeordneten Gesetz geregelt seien. Die Regelung von
Art. 35 IVV
besage lediglich, dass die Hilfsbedürftigkeit sachverhaltlich eingetreten sein müsse. Damit sei vom Grundsatz auszugehen, dass
Art. 29 Abs. 1 IVG
, wonach der Leistungsanspruch frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Anspruchs im Sinne von
Art. 29 Abs. 1 ATSG
(SR 830.1) entstehe, auch für die Hilflosenentschädigung gelte.
3.1
In der Vernehmlassung beruft sich die Vorinstanz auf den klaren Wortlaut von
Art. 42 Abs. 4 IVG
. Eine Auslegung praeter legem auf Grund einer Fussnote in der Amtlichen Sammlung, die vom Parlament nicht verabschiedet worden sei, sei nicht statthaft. Auch sei nicht ersichtlich, weshalb die Regelung des Anspruchsbeginns bei der Hilflosenentschädigung eher derjenigen für die Eingliederungsmassnahmen als derjenigen für die Renten entsprechen solle.
3.2
Das Beschwerde führende BSV ist der Ansicht, dass sich der Anspruchsbeginn der Hilflosenentschädigung im Rahmen der 5. IV- Revision nicht geändert habe. Die Hilflosenentschädigung sei damals - mit Ausnahme kleiner Anpassungen - kein Thema gewesen. Geändert hätten jedoch diverse Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Rentenanspruch und mit dem Beginn des Anspruchs auf Eingliederungsmassnahmen. Bei den Renten sei neben der Neufassung der Anspruchsvoraussetzungen in
Art. 28 Abs. 1 IVG
vor allem auch eine Neuordnung des Rentenbeginns in
Art. 29 Abs. 1 IVG
geschaffen worden. Ziel dieser Neuordnung sei eine möglichst frühzeitige Erfassung der beeinträchtigten Personen, um die Chancen auf eine noch erfolgreiche Eingliederung oder eine Sicherung des noch bestehenden Arbeitsplatzes so hoch wie möglich zu halten. Die sechs Monate, die nach der Anmeldung zunächst zurückzulegen seien, bis ein Rentenanspruch entstehen könne, entspreche der Zeit der Frühintervention, jener Zeit also, in der die versicherten Personen ihr Augenmerk auf die Eingliederung richten sollen und in der die Rentenperspektive möglichst ausgeblendet sein solle. Die Änderungen zum Anspruchsbeginn bei der Rente seien demnach durch das neue Eingliederungssystem bedingt und stellten keine Sparmassnahme dar. Für die Hilflosenentschädigung würden die Ziele von
Art. 29 Abs. 1 IVG
nicht passen. Weder gelte es, für die Zeit der
BGE 137 V 351 S. 356
Frühintervention die Perspektive weg von der Hilflosenentschädigung zu nehmen, noch sei es in Bezug auf die Eingliederungswirksamkeit problematisch, wenn eine Hilflosenentschädigung erst zu einem relativ späten Zeitpunkt angemeldet und folglich rückwirkend zugesprochen werde. Beim Verweis in
Art. 42 Abs. 4 IVG
handle es sich um eine "gesetzgeberische Unterlassungssünde". Auf eine formelle Berichtigung sei verzichtet worden, da
Art. 42 IVG
nicht Gegenstand der 5. IV-Revision gewesen sei und die Bundesversammlung darüber streng formell betrachtet keinen Beschluss gefasst habe. Immerhin sei mittlerweile im Rahmen der Vorlage zur 6. IV-Revision (zweites Massnahmenpaket) eine ausdrückliche Regelung des Anspruchsbeginns der Hilflosenentschädigung in
Art. 42 Abs. 4
bis
IVG
vorgeschlagen und damit eine formelle Korrektur des Verweises beabsichtigt. Für Hilflosenentschädigungsfälle könne somit die Bestimmung zur Entstehung des Rentenanspruchs nach
Art. 29 Abs. 1 IVG
nicht angewendet werden. Vielmehr seien Art. 28 Abs. 1 Bst. b IVG und
Art. 24 ATSG
heranzuziehen. Unter diesen Umständen hätte im vorliegenden Fall ein allfälliger Anspruch auf Hilflosenentschädigung bereits vor dem Eintritt ins AHV-Alter entstanden sein können, womit korrekterweise die IV-Stelle die entsprechende leistungsablehnende Verfügung erlassen habe.
4.
Es ist der Vorinstanz zuzustimmen, dass der Wortlaut von
Art. 42 Abs. 4 IVG
grundsätzlich klar ist und in Bezug auf den Beginn des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung unmissverständlich auf
Art. 29 Abs. 1 IVG
verweist. Von diesem klaren Wortlaut ist indessen abzuweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche triftigen Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben (
BGE 137 I 77
E. 3.2.2 S. 84 mit Hinweis auf
BGE 131 II 217
E. 2.3 S. 221).
4.1
Art. 42 Abs. 4 IVG
wurde im Rahmen der 4. IV-Revision, in Kraft seit 1. Januar 2004, eingeführt und hat bis heute - abgesehen von der angebrachten Fussnote 188 (vorne E. 2) - keine Änderung erfahren. Anlass für seine Einführung war die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts (EVG), wonach die Regeln über die Entstehung des Rentenanspruchs sinngemäss auch für den Beginn des Anspruchs auf eine Hilflosenentschädigung Geltung hätten (BBl 2001 3289 ad
Art. 42 IVG
). Das EVG hatte in seinem Urteil I 498/78
BGE 137 V 351 S. 357
vom 8. Mai 1979, auszugsweise publ. in:
BGE 105 V 66
, erwogen, dass das IVG in Bezug auf den Anspruch auf Hilflosenentschädigung keine Wartezeit vorschreibe, jedoch nur als hilflos gelte, wer
dauernd
der Hilfe Dritter oder der persönlichen Überwachung bedürfe. Dieses Erfordernis sei erfüllt, wenn der Zustand, der die Hilflosigkeit begründe, weitgehend stabilisiert und im Wesentlichen irreversibel sei, wenn also analoge Verhältnisse wie bei der ersten Variante von aArt. 29 Abs. 1 IVG gegeben seien. Ferner sei das Erfordernis der Dauer als erfüllt zu betrachten, wenn die Hilflosigkeit während 360 Tagen ohne wesentlichen Unterbruch gedauert habe und voraussichtlich weiterhin andauern werde (2. Variante). Da der Anspruch auf Hilflosenentschädigung nicht von einem allfälligen Rentenanspruch abhängig sei, entstehe er im Falle der ersten Variante somit im Zeitpunkt, in dem die leistungsbegründende Hilflosigkeit als bleibend vorausgesehen werden könne, und im Falle der zweiten Variante nach Ablauf der 360 Tage, sofern weiterhin mit einer Hilflosigkeit der vorausgesetzten Art zu rechnen sei (
BGE 105 V 66
E. 2 S. 67). Zwar stand im Zeitpunkt dieser Rechtsprechung eine (nochmals) ältere Fassung von
Art. 29 IVG
in Kraft als im Zeitpunkt der Einführung von
Art. 42 Abs. 4 IVG
und vor Umsetzung der 5. IV-Revision (vgl. vorne E. 2.1). Die Unterschiede sind aber im Zusammenhang mit der hier zu beurteilenden Streitfrage von untergeordneter Bedeutung, zumal sie sich vor allem im Masslichen finden (Höhe der Erwerbsunfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit [je zur Hälfte]; vgl. Urteil I 498/78 vom 8. Mai 1979 E. I.1 und aArt. 29 Abs. 1 IVG).
Dieser altrechtliche Hintergrund darf nicht schon zum Schluss verleiten, dass der in
Art. 42 Abs. 4 IVG
verankerte konnexe Anspruchsbeginn von Hilflosenentschädigung und Rente als Fortschreibung seiner Parallelität zu verstehen ist. Zum einen ist mit der 5. IV-Revision eine umfassende Neugestaltung des Rentenanspruchs einhergegangen. Zum andern bildete die Hilflosenentschädigung, wie das BSV zutreffend ausführt, als solche nicht Gegenstand der besagten IV-Revision.
4.2
Ziel der 5. IV-Revision war es u.a., die Neuberentungen zu dämpfen. Im Hinblick darauf standen im Leistungsbereich zwei Gesichtspunkte im Vordergrund: Einerseits sollten neu eine Früherfassung und eine Frühintervention bei arbeitsunfähigen Versicherten erfolgen sowie Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung eingeführt und sollte der Bereich der beruflichen
BGE 137 V 351 S. 358
Eingliederungsmassnahmen ausgeweitet werden. Anderseits sollte der Zugang zur Invalidenrente durch eine Anpassung des Invaliditätsbegriffs und der Voraussetzungen des Rentenanspruchs eingeschränkt werden (BBl 2005 4502 f. Ziff. 1.2; THOMAS LOCHER, Invalidität, Invaliditätsgrad und Entstehung des Rentenanspruchs nach dem Entwurf zur 5. IV-Revision, in: Medizin und Sozialversicherung im Gespräch, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.],2006, S. 276; vgl. auch ROSALBA AIELLO LEMOS CADETE, La 5
e
révision de l'AI - 1
re
étape de l'assainissement de l'AI, in: La 5
e
révision de l'AI, Kahil-Wolff/Simonin [Hrsg.], 2009, S. 27 ff. und 37).
Die in
Art. 29 Abs. 1 IVG
stipulierte Wartezeit von sechs Monaten seit Anmeldung dient der Zielerreichung des ersten Gesichtspunkts. Sie bezweckt, während der Frühinterventionsphase von sechs Monaten bei den betroffenen Personen die Anspruchsvoraussetzungen auf ordentliche Leistungen der Invalidenversicherung zu klären und insbesondere einen Grundsatzentscheid betreffend Rentenanspruch zu fällen. Die frühzeitige Klärung der Rentenfrage ist oft wichtig, um anschliessend die Perspektive aller Beteiligten auf die berufliche (Wieder-)Eingliederung zu konzentrieren. Mit Abschluss der Phase der Frühintervention ist also festgestellt, welche beruflichen Massnahmen nötig sind und allenfalls welche Rentenhöhe in Frage kommt, damit eine bestmögliche Arbeitsintegration erreicht werden kann (BBl 2005 4519 dritter Absatz, Ziff. 1.6.1.2.2, 4568 f.). Diese (neue) Konzeption des Grundsatzes "Eingliederung statt Rente" (BBl 2005 4524 Ziff. 1.6.1.3.3) hat keinen Zusammenhang mit der Frage der Hilflosigkeit. Muss eine versicherte Person trotz einer an sich bereits bestehenden Hilflosigkeit im Sinne von
Art. 9 ATSG
auf den Beginn der Hilflosenentschädigung nur deshalb warten, weil die IV-Stellen gehalten sind, vor dem Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung allfällige Integrationsmassnahmen zu prüfen, wird mit Bezug auf den Beginn der Hilflosenentschädigung ein Umstand berücksichtigt, der mit der Hilflosigkeit nichts zu tun hat. Sinn und Zweck von
Art. 29 Abs. 1 IVG
sprechen somit gegen die Befolgung des Wortlauts von
Art. 42 Abs. 4 IVG
.
4.3
Im Weiteren sind die bei der Hilflosenentschädigung verlangte Hilflosigkeit und die bei der Rente vorausgesetzte Invalidität zwei verschiedene Begriffe, wie das Bundesgericht unlängst in
BGE 133 V 42
dargelegt hat. Sie haben nur so viel gemeinsam, als beide an eine Beeinträchtigung der Gesundheit anknüpfen (vgl.
Art. 7 und 8 ATSG
einerseits mit
Art. 9 ATSG
anderseits). Zwar hatte das EVG
BGE 137 V 351 S. 359
im zitierten Urteil I 498/78 (vorne E. 4.1) davon gesprochen, dass der Anspruch auf Hilflosenentschädigung eine "Invalidität" voraussetze (
BGE 105 V 66
E. 2 S. 67). Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass die Umschreibung der Hilflosigkeit in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung von
Art. 42 Abs. 2 IVG
mit Hilfe dieses Terminus erfolgte.
Art. 9 ATSG
, in Kraft seit 1. Januar 2003, geht von einer "Beeinträchtigung der Gesundheit" aus, was eine gewisse Ausweitung darstellt. Indes war der Begriff der Hilflosigkeit schon vor Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 nicht auf Invalide im Sinne von aArt. 4 IVG, d.h. auf Versicherte, die infolge eines geistigen oder körperlichen Gesundheitsschadens in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt waren, beschränkt. Das Wort "Invalidität" hatte im Zusammenhang mit der Hilflosenentschädigung schon nach altem Recht nicht eine wirtschaftliche Bedeutung, sondern diejenige der körperlichen und/oder geistigen Behinderung. So waren körperlich Behinderte, wie z.B. Rollstuhlfahrer, die dank einer guten Eingliederung wegen ihres Gesundheitsschadens keine Erwerbseinbusse erleiden, hingegen in den alltäglichen Lebensverrichtungen dauernd auf die Hilfe Dritter angewiesen sind, schon bisher anspruchsberechtigt. Das ATSG hat deshalb mit der neuen Formulierung von Art. 9 insbesondere einen redaktionellen Fehler eliminiert (
BGE 133 V 42
E. 3.4 S. 45 f.).
Wiewohl die Hilflosigkeit eine leistungsspezifische (vgl.
Art. 4 Abs. 2 IVG
) Invalidität darstellt, unterscheidet sie sich klar von der rentenbegründenden Invalidität, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Dass Hilflosigkeit und Invalidität zwei verschiedene Dinge sind, zeigt sich - umgekehrt - auch darin, dass Versicherte, die vollständig invalid sind und daher eine ganze Rente beziehen, ihre alltäglichen Lebensverrichtungen trotzdem selber besorgen können und deshalb nicht notwendigerweise auch hilflos sind. Insoweit fehlt es an einem vernünftigen Grund für den in
Art. 42 Abs. 4 IVG
- hinsichtlich des Anspruchsbeginns - stipulierten Zusammenhang zwischen Hilflosenentschädigung und Rente. Den Materialien zur 5. IV- Revision lässt sich nichts entnehmen, weshalb die Hilflosenentschädigung erst ab dem Zeitpunkt des Rentenbeginns laufen soll und nicht, wie bis anhin, wenn die Voraussetzungen für die Entschädigung erfüllt sind (vgl. vorne E. 4.1).
4.4
In systematischer Hinsicht fällt auf, dass
Art. 29 Abs. 1 IVG
- anders als die ursprüngliche Fassung in der Botschaft vom 22. Juni
BGE 137 V 351 S. 360
2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [5. Revision] - in zwei Teile geteilt wurde (vgl. vorne E. 2.2 und BBl 2005 4613). Eine solche Zweiteilung war nie Diskussionspunkt im Rahmen der parlamentarischen Beratungen, weder in den Kommissionen noch anlässlich der Plenumsberatungen der Eidgenössischen Kammern (vgl. Protokoll der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 11.-13. Januar 2006, S. 73-75; Protokoll der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 29./30. Mai 2006, S. 44-46; AB 2006 N 381 f. unten und AB 2006 S 607). Gemäss BSV erfolgte die Zweiteilung durch die Redaktionskommission. Sie ist formell - was den Aufgabenbereich der Redaktionskommission beschlägt (Art. 57 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung [Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10]) - mit Blick auf den Wortlaut von
Art. 42 Abs. 4 IVG
insoweit nachvollziehbar, als sich der gleichzeitige Bezug von Taggeld und Hilflosenentschädigung nicht ausschliesst. Während Ersteres der Fristung des allgemeinen Lebensunterhalts dient, kommt Letzterer schadenersatzähnlicher Charakter zu (Urteil 8C_309/2011 vom 31. Mai 2011 E. 3.3.3). Hätte der Gesetzgeber wirklich eine materielle Gleichschaltung von Beginn des Rentenanspruchs und des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung gewollt, hätte er die Auswirkung der bundesrätlichen Fassung von
Art. 29 Abs. 1 IVG
auf die Hilflosenentschädigung wohl diskutiert. Dies gilt umso mehr, als der integrale Verweis auf
Art. 29 Abs. 1 IVG
am Ende von
Art. 42 Abs. 4 IVG
in offenkundigem Widerspruch zum ersten Satz dieser Bestimmung steht, der die altersmässige Voraussetzung abweichend von
Art. 29 Abs. 1 IVG
regelt.
4.5
Nach dem Gesagten entspricht die in
Art. 42 Abs. 4 IVG
statuierte Verknüpfung von Hilflosenentschädigung und Rente nicht dem tatsächlichen Willen des Gesetzgebers. Dass es mit der Fussnote 188 "nur" zu einer redaktionellen Berichtigung gekommen ist, ändert nichts daran. Abgesehen von der grossen Gefahr, dass die Fussnote leicht überlesen wird, steht hier nicht die Zulässigkeit dieser formellen Korrektur zur Beurteilung, sondern der wahre materielle Gehalt der auszulegenden Bestimmung (vorne E. 4). Im Übrigen soll, wie das BSV in seiner Beschwerde festhält, dem Verweis in
Art. 42 Abs. 4 IVG
im Rahmen der 6. IV-Revision (zweites Massnahmenpaket) Rechnung getragen werden.
BGE 137 V 351 S. 361
5.
5.1
Entgegen dem wörtlich verstandenen Verweis in Art. 42 Abs. 4 in fine IVG richtet sich der zeitliche Beginn des Anspruchs auf Hilflosenentschädigung somit nicht nach
Art. 29 Abs. 1 IVG
. Vielmehr gelangt weiterhin sinngemäss die Bestimmung zu den Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente zur Anwendung, also
Art. 28 Abs. 1 IVG
. Dazu hat die II. sozialrechtliche Abteilung die Zustimmung der I. sozialrechtlichen Abteilung eingeholt (Anfrage vom 4. August 2011; Antwort vom 10. August 2011;
Art. 23 Abs. 2 BGG
).
Der Entstehungsgrund der bleibenden Erwerbsunfähigkeit wurde mit der 5. IV-Revision fallen gelassen (vgl. vorne E. 2.1 und 2.2), die 2. Variante von aArt. 29 Abs. 1 IVG - d.h. Hilflosigkeit während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch und voraussichtlich weiterhin andauernd - dagegen beibehalten (nunmehr
Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG
[vorne E. 2.2]). Anders als in der Fassung vor der 5. IV-Revision, in welcher die fragliche Litera lediglich alternativ gemeint ist, ist sie in der seit 1. Januar 2008 gültigen Fassung kumulativer Tatbestand (ULRICH MEYER, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, 2. Aufl. 2010, S. 269 f.; vgl. auch die Botschaft zur 5. IV-Revision betreffend
Art. 28 IVG
, BBl 2005 4568). In Anbetracht der begrifflichen Differenz zwischen "Hilflosigkeit" und "Invalidität" (vorne E. 4.3) bedeutet dieser Umstand aber nicht, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilflosenentschädigung gleichermassen auszudehnen sind. Gleichzeitig steht die Rechtmässigkeit von Rz. 8092 des Kreisschreibens des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH) fest, in der ebenfalls
Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG
als anwendbar erklärt wird. Ob und inwieweit eine Zusprechung der Hilflosenentschädigung - aus gesetzessystematischen Gründen - nach wie vor auch vor Ablauf des Wartejahres in Betracht kommt (vorne E. 4.1; MEYER, a.a.O., S. 430), braucht an dieser Stelle nicht beantwortet zu werden (vgl. hinten E. 5.2).
Der Anspruch auf Hilflosenentschädigung kann solange geltend gemacht werden, als die Frist gemäss
Art. 24 ATSG
läuft. Das Bundesgericht hat erst kürzlich im Zusammenhang mit einer Hilflosenentschädigung entschieden, dass bei einer Anmeldung nach dem 1. Januar 2008 lediglich die bis zum 1. Januar 2007 (Zeitpunkt des Inkrafttretens der 5. IV-Revision abzüglich 12 Monate) entstandenen Ansprüche verwirkt sind. Mit dem Ausserkrafttreten von aArt. 48
BGE 137 V 351 S. 362
Abs. 2 IVG ist somit
Art. 24 Abs. 1 ATSG
sofort und uneingeschränkt anwendbar geworden, d.h. es gilt eine fünfjährige Verwirkungsfrist ab Entstehung des - am 1. Januar 2008 nach altem Recht noch nicht verwirkten - Anspruchs auf die einzelne Leistung (Urteile 9C_42/2011 vom 27. April 2011 E. 4.2 und 8C_233/2010 vom 7. Januar 2011 E. 4.2.3).
5.2
Für den hier zu beurteilenden Fall bedeutet dies, dass ein Anspruch des Versicherten auf Hilflosenentschädigung vor Erreichen des 65. Altersjahrs möglich war, für welche Prüfung die IV-Stelle zuständig ist (
Art. 40 Abs. 1 IVV
). Die Vorinstanz hat deren Verfügung vom 18. Oktober 2010 demnach zu Unrecht aufgehoben und die Sache an die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau weitergeleitet. Vielmehr wäre sie zu einer materiellen Auseinandersetzung mit dem Fall verpflichtet gewesen.
| null |
nan
|
de
| 2,011 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
aa431cea-ac54-4815-9def-e71e59f23754
|
Urteilskopf
83 III 27
8. Entscheid vom 25. Januar 1957 i.S. Pehrsson.
|
Regeste
Widerspruchsverfahren, Parteirollenverteilung. Unter welchen Voraussetzungen ist im Widerspruchsverfahren über Rechte an beweglichen Sachen die Klagefrist gemäss
Art. 107 SchKG
dem Drittansprecher anzusetzen? Für wen übt der für den betriebenen Nachlass bestellte Erbschaftsverwalter den Gewahrsam aus? Parteirollenverteilung und Beweislast.
Bestellung eines Armenanwalts für den Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts? (
Art. 152 OG
).
|
Sachverhalt
ab Seite 27
BGE 83 III 27 S. 27
In der Betreibung, welche die Geschwister Voss gegen den Nachlass des Friedrich Hille führen, beansprucht Elfriede Pehrsson das Eigentum an den gepfändeten Wertschriften, weil es sich dabei um Bestandteile des Vermögens handle, das die vorverstorbene Ehefrau des Friedrich Hille diesem als Vorerben und ihr als Nacherbin zugewendet hatte. Nachdem die Gläubigerinnen und der für den Nachlass Friedrich Hilles als Erbschaftsverwalter bestellte Notar Müller diese Ansprache bestritten hatten, setzte das Betreibungsamt Schanfigg am 8. August 1956 der Frau Pehrsson gemäss
Art. 107 SchKG
Frist zur Klage gegen die Bestreitenden auf Anerkennung ihres Eigentums. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde der Frau Pehrsson gegen diese Fristansetzungen am 10. Dezember 1956 abgewiesen. Mit ihrem Rekurs an das Bundesgericht
BGE 83 III 27 S. 28
erneuert Frau Pehrsson den Antrag, die Fristansetzungen gemäss Art. 107 seien durch solche gemäss
Art. 109 SchKG
zu ersetzen, weil der Erbschaftsverwalter den Gewahrsam am Nachlass für die daran beteiligten Personen und damit insbesondere auch für sie als Nacherbin der Frau Hille ausübe. Für das Verfahren vor Bundesgericht ersucht sie um Bewilligung des "Armenrechts mit Rechtsvertretung".
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Wenn wie hier Rechte an beweglichen Sachen streitig sind, richtet sich die Verteilung der Parteirollen im Widerspruchsprozess ausschliesslich nach dem Gewahrsam, und bei Beurteilung der Frage, in wessen Gewahrsam sich eine solche Sache befindet, ist allein massgebend, wer darüber die tatsächliche Verfügungsgewalt hat (
BGE 54 III 148
;
BGE 71 III 6
). Dem Drittansprecher ist die Klagefrist gemäss Art. 106/107 SchKG dann und nur dann anzusetzen, wenn diese Verfügungsgewalt ausschliesslich beim Schuldner liegt oder wenn sich der in Frage stehende Gegenstand in den Händen eines Dritten befindet, der das streitige Recht nicht selber beansprucht, sondern den Gewahrsam (soweit es sich nicht um die Wahrung seiner allfälligen Rechte als Pfandgläubiger, Depositar usw. handelt) ausschliesslich für den Schuldner ausübt (
BGE 73 III 65
ff. und dort zit. Entscheide,
BGE 76 III 8
/9,
BGE 80 III 140
). In den übrigen Fällen ist
Art. 109 SchKG
anwendbar.
Notar Müller, der die streitigen Wertpapiere in Händen hat, ist nach der eigenen Darstellung der Rekurrentin für den Nachlass des Friedrich Hille, nicht etwa für denjenigen der vorverstorbenen Frau Hille als Erbschaftsverwalter eingesetzt worden. In dieser Eigenschaft handelt er dem Grundsatze nach nur für die Erben des Friedrich Hille, zu denen die Rekurrentin als Schwester und Nacherbin der Frau Hille nicht gehört. Dass er den Gewahrsam an gewissen im Nachlass befindlichen Gegenständen für die Rekurrentin ausübe, sei es für sie allein oder für sie und
BGE 83 III 27 S. 29
weitere Personen, namentlich die Erben, könnte nur angenommen werden, wenn er selber den Standpunkt einnähme, dass er die fraglichen Gegenstände bloss für die Rekurrentin oder doch auch für sie verwahre. Nur in diesem Falle liesse sich sagen, dass die Rekurrentin durch seine Vermittlung über die betreffenden Gegenstände Verfügungsgewalt besitze. So verhält es sich aber eben nicht. Der Erbschaftsverwalter lässt nicht gelten, dass die gepfändeten Wertschriften aus dem der Rekurrentin als Nacherbin zukommenden Nachlass der Frau Hille stammen, sondern betrachtet sie als Bestandteile des eigenen Vermögens von Friedrich Hille und nimmt demgemäss den Standpunkt ein, dass er den Gewahrsam daran ausschliesslich für dessen gesetzliche Erben ausübe. Diese Stellungnahme hat das Betreibungsamt hinzunehmen, ohne zu prüfen, ob sie berechtigt sei oder nicht, da sich die Gewahrsamsfrage, wie gesagt, einzig nach den tatsächlichen Gewaltverhältnissen beurteilt. Wenn die Rekurrentin geltend macht, sie sei als Inhaberin des mittelbaren Gewahrsams anzuerkennen, weil die gepfändeten Wertpapiere als Teile des von Frau Hille hinterlassenen Vermögens ihr Eigentum seien, so verkennt sie vollständig, was das Wesen des Gewahrsams ausmacht. Selbst wenn angenommen würde, dass die Rekurrentin die wirkliche Eigentümerin sei, hätte sie deswegen angesichts der Haltung des Erbschaftsverwalters keinerlei Verfügungsgewalt über die streitigen Wertpapiere. Im übrigen mutet die Rekurrentin mit ihrer Argumentation den Betreibungsbehörden zu, gerade über die Frage zu entscheiden, die Gegenstand des Widerspruchsverfahrens zu bilden hat. Hiezu sind diese Behörden nicht berufen. Ist demnach davon auszugehen, dass der Erbschaftsverwalter den Gewahrsam an den gepfändeten Wertpapieren ausschliesslich für die Erben des Friedrich Hille ausübe, die materiell Schuldner der gegen den unverteilten Nachlass in Betreibung gesetzten Forderung sind, so ist die Klagefrist zu Recht gemäss
Art. 107 SchKG
der Rekurrentin angesetzt worden.
BGE 83 III 27 S. 30
Auf die Beweislast im Widerspruchsprozess hat die Parteirollenverteilung entgegen der Ansicht der Rekurrentin keinen Einfluss (FAVRE, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, S. 186; FRITZSCHE, Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung, I S. 203).
2.
Da das Beschwerdeverfahren in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, vom Falle des Art. 70 GebT abgesehen, gemäss Art. 69 GebT in allen Instanzen gebührenfrei ist, kommt in diesem Verfahren die Gewährung des Armenrechts für die Gerichtskosten von vornherein nicht in Frage. Das Bundesrecht sieht aber für dieses Verfahren auch die Bestellung eines Armenanwalts nicht vor, so wenig wie es die Befreiung eines bedürftigen Schuldners oder Gläubigers von der Pflicht kennt, die Betreibungskosten zu tragen bzw. vorzuschiessen (
BGE 55 I 366
; Entscheid der Staatsrechtlichen Kammer vom 14. Juli 1954 i.S. Foletti). Insbesondere bietet
Art. 152 OG
, der bestimmt, unter welchen Voraussetzungen das Bundesgericht einer bedürftigen Partei die unentgeltliche Rechtspflege gewährt, keine Grundlage für die Ernennung eines Armenanwalts im Rekursverfahren gemäss
Art. 78 ff. OG
.
Art. 152 Abs. 2 OG
, wo von der Beiordnung eines Armenanwalts die Rede ist, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Art. 152 Abs. 1, der die Befreiung von der Zahlung der Gerichtskosten und der Sicherstellung der Parteientschädigung behandelt, und kommt daher nur zur Anwendung, wo diese Befreiung besonders gewährt werden muss, nicht auch dort, wo das Verfahren ohnehin kostenlos ist und die Sicherstellung der Parteientschädigung schon deshalb nicht verlangt werden kann, weil im betreffenden Verfahren die Zusprechung einer solchen Entschädigung von vornherein ausgeschlossen ist, wie es für das betreibungsrechtliche Beschwerde- und Rekursverfahren zutrifft (
BGE 76 III 83
Erw. 1). Der gleiche Schluss ergibt sich auch daraus, dass
Art. 152 Abs. 2 OG
die Ausrichtung eines Honorars aus der Bundesgerichtskasse nur für den Fall des Unterliegens oder der Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung vorsieht.
BGE 83 III 27 S. 31
Ein für das Rekursverfahren gemäss
Art. 78 ff. OG
bestellter Armenanwalt erhielte also zwar im Falle des Unterliegens ein Honorar aus der Gerichtskasse, müsste aber im Falle des Obsiegens leer ausgehen, weil eine Parteientschädigung, die seine Honoraransprüche decken oder sich im Sinne von
Art. 152 Abs. 2 OG
als uneinbringlich erweisen könnte, in diesem Verfahren überhaupt nicht zugesprochen werden kann. Dieses Ergebnis wäre widersinnig, was bestätigt, dass die eben erwähnte Bestimmung im Rekursverfahren gemäss
Art. 78 ff. OG
nicht gelten kann. Man wüsste im übrigen auch nicht, wie ein für dieses Verfahren ernannter Armenanwalt zu honorieren wäre, da der auf Grund von
Art. 160 OG
erlassene Tarif (AS 1950 I 52 ff.), in dessen Rahmen das Armenanwaltshonorar gemäss
Art. 152 Abs. 2 OG
festzusetzen ist, für die Rekurse an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer keinen Ansatz enthält. Das Gesuch der Rekurrentin muss daher abgelehnt werden.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs und das Gesuch um Bestellung eines Armenanwalts werden abgewiesen.
| null |
nan
|
de
| 1,957 |
CH_BGE
|
CH_BGE_005
|
CH
|
Federation
|
aa464e07-48db-4309-bff1-3972f784c825
|
Urteilskopf
121 V 1
1. Auszug aus dem Urteil vom 9. Februar 1995 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Bern gegen D. und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
|
Regeste
Art. 5, 8 und 9 AHVG
,
Art. 39 AHVV
.
- Für den Wechsel des Beitragsstatuts in jenen Fällen, wo über die in Frage stehenden Sozialversicherungsbeiträge bereits eine formell rechtskräftige Verfügung vorliegt, bedarf es eines Rückkommenstitels (Wiedererwägung oder prozessuale Revision).
- Geht es nicht um einen rückwirkenden, sondern um einen für die Zukunft wirkenden Wechsel des Beitragsstatuts, greift grundsätzlich die freie erstmalige Prüfung der Statutsfrage Platz unter Beachtung der gebotenen Zurückhaltung in Grenzfällen.
- Betrifft die Frage des Statutswechsels sowohl Entgelte, auf welchen bereits Sozialversicherungsbeiträge erhoben wurden, als auch solche, die noch nicht Gegenstand einer Verfügung waren, ist für jenen Teil, über den eine formell rechtskräftige Verfügung vorliegt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung oder für eine prozessuale Revision gegeben sind, während das Beitragsstatut für die übrigen bisher nicht erfassten Entgelte frei zu prüfen ist.
|
Erwägungen
ab Seite 2
BGE 121 V 1 S. 2
Aus den Erwägungen:
5.
a) Die Ausgleichskasse Basel-Stadt hat mit in Rechtskraft erwachsenen Verfügungen vom 14. März 1990 vom Beschwerdegegner persönliche Sozialversicherungsbeiträge aus selbständiger Erwerbstätigkeit von Fr. 309.-- für das Jahr 1987, Fr. 3'600.40 für 1988 und Fr. 312.-- für das Jahr 1989 gefordert. Dabei ging sie, gestützt auf eine Meldung der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt vom 19. Dezember 1989, von einem 1987 erlittenen Verlust von Fr. 37'642.-- und einem 1988 erzielten Einkommen von Fr. 38'172.-- sowie einem am 1. Januar 1989 im Betrieb investierten Eigenkapital von Fr. 31'284.-- aus und setzte die Beiträge für 1987 und 1988 aufgrund des im jeweiligen Jahr erzielten Verlustes respektive Einkommens und jene für 1989 aufgrund des Durchschnittseinkommens aus den Jahren 1987 und 1988 fest. Die der Steuermeldung zugrunde liegende Erfolgsrechnung für das Jahr 1988 zeigt ferner, dass der Beschwerdegegner unter dem Titel "Einnahmen Computer" die ihm in diesem Jahr von der Firma H. ausbezahlten Fr. 114'155.-- als Einnahmen verbucht hatte.
BGE 121 V 1 S. 3
Daraus ergibt sich, dass über die Sozialversicherungsbeiträge auf den durch die Firma H. dem Beschwerdegegner im Jahr 1988 ausgerichteten Zahlungen von Fr. 114'155.-- durch die Ausgleichskasse Basel-Stadt am 14. März 1990 rechtskräftig verfügt worden war. Es fragt sich daher, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ausgleichskasse des Kantons Bern die gleichen Entgelte zum Gegenstand einer erneuten, anderslautenden Verwaltungsverfügung machen durfte.
b) Die bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich. In EVGE 1960 S. 312 Erw. 1 in fine hat das Eidg. Versicherungsgericht unter Hinweis auf EVGE 1956 S. 35 (recte S. 41) und 1959 S. 29 ausgeführt, dass mit der Änderung des Beitragsstatuts frühere rechtskräftige Verfügungen über persönliche Beiträge hinfällig werden, "d.h. die neu verfügte Qualifikation hebt die früheren Verfügungen zwangsläufig auf, soweit diese damit in Widerspruch stehen".
In der nicht publizierten Erwägung 5 von
BGE 104 V 126
hat das Eidg. Versicherungsgericht an dieser Rechtsprechung, welche inzwischen in der Wegleitung des BSV über den Bezug der Beiträge (in der Fassung von 1974) Niederschlag gefunden hatte, im wesentlichen festgehalten und ergänzt, rechtlich könne es keinen Unterschied machen, ob die sich widersprechenden Verfügungen von einer und derselben oder von verschiedenen Ausgleichskassen stammen, weil die AHV-Verwaltung hinsichtlich der Beitragsbestimmung als Einheit aufzufassen sei. Weiter hat es indes hinzugefügt: "Im Interesse der Rechtssicherheit ist aber auch zu beachten, dass die Ausgleichskassen nur dann auf ein durch rechtskräftige Verfügung geregeltes Beitragsverhältnis zurückkommen dürfen, wenn sich jene Verfügung als zweifellos falsch erweist und ausserdem ein praktisch ins Gewicht fallender Betrag auf dem Spiele steht, wobei dem Umstand, dass die Berechnungsjahre für die paritätischen Beiträge und die persönlichen Beiträge aus selbständiger Tätigkeit in der Regel nicht übereinstimmen, Rechnung zu tragen ist".
Dieser Grundsatz wurde in der Folge nicht mehr konsequent angewandt. Im Urteil ZAK 1981 S. 384 Erw. 4 hat das Eidg. Versicherungsgericht erneut dargelegt, dass die Änderung des Beitragsstatuts jede frühere rechtskräftige Beitragsverfügung für persönliche Beiträge ungültig werden lasse, somit jede neue Beurteilung notwendigerweise alle früheren Verfügungen aufhebe, soweit sie im Widerspruch zur neuen Rechtslage stünden und im Rahmen der Vorschriften noch korrigiert werden könnten. Die gleiche Auffassung hat es in den nicht publizierten Urteilen W. vom 25. Oktober
BGE 121 V 1 S. 4
1984 und B. vom 9. Dezember 1985 vertreten.
In ZAK 1985 S. 315 Erw. 3c hat das Eidg. Versicherungsgericht unter Hinweis auf die nicht veröffentlichte Erw. 5 von
BGE 104 V 126
ausgeführt: "Beim Vorliegen eines die beitragsrechtliche Statusfrage betreffenden Grenzfalles erscheint es als gerechtfertigt, in der Vornahme eines Wechsels des Beitragsstatuts eine gewisse Zurückhaltung zu üben. Hiefür sprechen insbesondere der Grundsatz der Verfahrensökonomie und gegebenenfalls die Möglichkeit, dass die bereits unter dem Titel der früheren beitragsrechtlichen Qualifikation bezahlten Beiträge unter Umständen gar nicht mehr zurückgefordert werden könnten wegen Ablaufs der absoluten Verjährungsfrist des
Art. 16 Abs. 3 AHVG
. Abgesehen davon könnte im Falle der Wiedererwägung einer rechtskräftigen Verfügung der in einem Grenzfall getroffene Entscheid ohnehin kaum je als zweifellos unrichtig bezeichnet werden".
An der Aussage, in Grenzfällen sei in der Vornahme eines Wechsels des Beitragsstatuts eine gewisse Zurückhaltung zu üben, hielt das Eidg. Versicherungsgericht in der Folge fest, wobei es diese Rechtsprechung nicht nur dann anwandte, wenn über die streitigen Sozialversicherungsbeiträge bereits eine rechtskräftige Verfügung vorlag, sondern auch beim Wechsel des Beitragsstatuts für die Zukunft (ZAK 1989 S. 439, 1986 S. 577 Erw. 3c; nicht publiziertes Urteil A. vom 30. Dezember 1988).
6.
Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (
BGE 119 V 183
Erw. 3a, 477 Erw. 1, je mit Hinweisen).
Von der Wiedererwägung ist die sogenannte prozessuale Revision von Verwaltungsverfügungen zu unterscheiden. Danach ist die Verwaltung verpflichtet, auf eine formell rechtskräftige Verfügung zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen (
BGE 119 V 184
Erw. 3a, 477 Erw. 1a, je mit Hinweisen).
Aus diesen im Sozialversicherungs- und allgemein im Verwaltungsrecht geltenden Grundsätzen folgt, dass die Verwaltung nicht frei ist, formell rechtskräftige Verfügungen aufzuheben, sondern dass es hiefür der Voraussetzungen für die Wiedererwägung oder die prozessuale Revision
BGE 121 V 1 S. 5
bedarf. Für den Wechsel des Beitragsstatuts braucht es somit in jenen Fällen, wo über die in Frage stehenden Sozialversicherungsbeiträge bereits eine formell rechtskräftige Verfügung vorliegt, einen Rückkommenstitel (Wiedererwägung oder prozessuale Revision). In diesem Sinne ist die Rechtsprechung gemäss der nicht publizierten Erwägung 5 von
BGE 104 V 126
wieder aufzunehmen. Nur wenn sich die formell rechtskräftige Verfügung, mit welcher bestimmte Entgelte als Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit qualifiziert wurden, als zweifellos unrichtig erweist und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist, oder wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern rechtlichen Beurteilung zu führen, ist es zulässig, eine rückwirkende Änderung des Beitragsstatuts betreffend die gleichen Entgelte vorzunehmen. Geht es indes nicht um einen rückwirkenden, sondern um einen nur für die Zukunft wirkenden Wechsel des Beitragsstatuts, greift grundsätzlich die freie erstmalige Prüfung der Statusfrage Platz unter Beachtung der gebotenen Zurückhaltung in Grenzfällen (ZAK 1989 S. 440 Erw. 2b). Betrifft die Frage des Statutswechsels sowohl Entgelte, auf welchen bereits Sozialversicherungsbeiträge erhoben wurden, als auch solche, die noch nicht Gegenstand einer Verfügung waren, ist für jenen Teil, über den eine formell rechtskräftige Verfügung vorliegt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung oder für eine prozessuale Revision gegeben sind, während das Beitragsstatut für die übrigen bisher nicht erfassten Entgelte frei zu prüfen ist.
| null |
nan
|
de
| 1,995 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
aa5372a9-bc6a-4d5a-b39c-25edb4bcb837
|
Urteilskopf
119 IV 92
16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1993 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt (Nichtigkeitsbeschwerde)
|
Regeste
Art. 254 Abs. 1 BStP
. Verfahrenseinstellung in Delegationsstrafsachen; Opportunitätsprinzip.
1. Begriff des Einstellungsbeschlusses (
Art. 268 Ziff. 2 und
Art. 254 Abs. 1 BStP
) (E. 1).
2.
Art. 254 Abs. 1 BStP
verpflichtet die kantonalen Behörden, die ihnen durch den Bundesrat übertragenen oder den Bundesanwalt überwiesenen Bundesstrafsachen zu untersuchen, d.h. tätig zu werden sowie die Untersuchung durch förmlichen Einstellungsbeschluss oder Urteil zu beenden (E. 2).
3. Eine auf Opportunitätsüberlegungen beruhende Bestimmung, nach welcher von der Ausdehnung eines hängigen Ermittlungsverfahrens auf Delikte, die neben den zur Anklage gelangenden nicht ins Gewicht fallen, abgesehen werden kann (
§ 5 Abs. 1 StPO
/BS), verletzt kein Bundesrecht (E. 2h).
4. Aus
Art. 4 BV
und Art. 2 ÜbBest. BV ergeben sich inhaltliche Schranken für die Zulässigkeit von Einstellungsbeschlüssen, die auf Opportunitätsüberlegungen beruhen (E. 3).
Art. 253 Abs. 1 BStP
. Verfahrenskosten in Delegationsstrafsachen.
Die Kantone können in den durch sie zu beurteilenden Bundesstrafsachen der delegierenden Bundesbehörde keine Kosten auferlegen (E. 4).
|
Sachverhalt
ab Seite 93
BGE 119 IV 92 S. 93
A.-
Mit Delegationsverfügung vom 31. März 1991 übertrug die Schweizerische Bundesanwaltschaft die Strafverfolgung und Beurteilung von A. (geb. 1970) wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte (
Art. 285 Ziff. 1 StGB
; tätliche Auseinandersetzung Jugendlicher mit einem Zugführer) den Behörden des Kantons Basel-Stadt, bei denen gegen den Beschuldigten bereits ein Verfahren hängig war.
BGE 119 IV 92 S. 94
Mit Vereinigungsverfügung vom selben Tag delegierte die Schweizerische Bundesanwaltschaft auch das gegen den Beschuldigten wegen Urkundenfälschung (
Art. 251 Ziff. 1 StGB
; SBB-Halbtaxabonnement) geführte Verfahren an dieselbe Behörde.
B.-
Mit Beschlüssen vom 6. bzw. 2. April 1992 sah die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt in bezug auf die beiden delegierten Strafsachen gestützt auf
§ 5 StPO
/BS von einer Ausdehnung des Ermittlungsverfahrens auf diese Delikte ab, weil sie neben den strafbaren Handlungen, für welche der Beschuldigte dem Strafgericht zur Beurteilung überwiesen werden solle, strafrechtlich nicht ins Gewicht fielen.
Wegen zahlreicher anderer Delikte (mehrfacher vollendeter und versuchter Diebstahl, mehrfache Sachbeschädigung und mehrfacher Hausfriedensbruch sowie Urkundenfälschung) hatte sie offenbar zuvor am 31. März 1992 Anklage erhoben.
C.-
Mit Rekursen vom 10. April 1992 wandte sich die Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen die Beschlüsse der Staatsanwaltschaft vom 2. und 6. April 1992 an die Überweisungsbehörde Basel-Stadt mit dem Antrag, diese seien aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen, die Angelegenheit weiter zu verfolgen.
Mit Beschlüssen vom 22. Mai 1992 wies die Überweisungsbehörde Basel-Stadt beide Rekurse unter Kostenauflage ab und bestätigte die angefochtenen Einstellungsbeschlüsse der Staatsanwaltschaft.
D.-
Mit eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerden vom 10. Juni 1992 beantragt die Schweizerische Bundesanwaltschaft dem Kassationshof des Bundesgerichts, die Beschlüsse der Überweisungsbehörde aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt verzichtete auf Gegenbemerkungen und verwies auf die Ausführungen in den angefochtenen Entscheiden.
Die Überweisungsbehörde Basel-Stadt beantragt, die Beschwerden abzuweisen.
A. liess sich nicht vernehmen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Da sich in beiden Beschwerden dieselben grundsätzlichen Fragen stellen und sich im kantonalen Verfahren dieselben Parteien
BGE 119 IV 92 S. 95
gegenüberstanden, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren in einem Urteil zu erledigen.
b) Bei den angefochtenen Entscheiden handelt es sich - auch nach Ansicht der Parteien - um letztinstanzliche Einstellungsbeschlüsse, die der eidg. Nichtigkeitsbeschwerde unterliegen (
Art. 268 Ziff. 2 BStP
). Denn als solche gelten Entscheide, die bewirken, dass die Strafverfolgung mindestens in einem Anklagepunkt nicht durch- oder nicht weitergeführt wird, und die nicht vom urteilenden Gericht ausgehen (vgl.
BGE 117 IV 235
E. 1b), unabhängig davon, ob sie im kantonalen Recht als Einstellung, Nichtanhandnahme oder Keinefolgegebung bezeichnet sind (CORBOZ, Le pourvoi en nullité, SJ 1991, S. 69; vgl. HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, S. 310; vgl. PIQUEREZ, Précis de procédure pénale suisse, N 2326; vgl. SCHMID, Strafprozessrecht, N 1085); diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall der förmlichen Nichtausdehnung des hängigen Ermittlungsverfahrens auf die delegierten Delikte gegeben.
2.
a) Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, die Vorinstanz habe
Art. 254 Abs. 1 BStP
verletzt, denn diese Bestimmung verpflichte die kantonalen Behörden nicht nur dazu, das Verfahren förmlich zum Abschluss (Einstellungsbeschluss) zu bringen, sondern auch zur Untersuchung und materiellen Beurteilung der überwiesenen Strafsache; eine Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsüberlegungen sei unzulässig.
Sie wirft damit die grundsätzliche Frage auf, ob für Bundesstrafsachen, die der Bundesrat bzw. der Bundesanwalt (BS 1 299 und AS 1969, S. 78 f.; vgl. auch SCHWERI, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, N 31) gemäss
Art. 18 BStP
den kantonalen Behörden zur Untersuchung und Beurteilung überträgt bzw. überweist (
Art. 247 Abs. 1 BStP
), d.h. sogenannte Delegationsstrafsachen, das prozessuale Legalitätsprinzip - nach welchem bei hinreichendem Tatverdacht und sofern keine Verfahrenshindernisse (bspw. Verjährung, Fehlen eines Strafantrages) bestehen, ein Verfahren einzuleiten ist (vgl. PIQUEREZ, a.a.O., N 692) - gelten soll, oder ob die kantonalen Behörden auch in diesen Fällen aus Opportunitätsgründen von einer Strafverfolgung absehen können, wenn nach dem kantonalen Prozessrecht diese Möglichkeit besteht.
b)
Art. 254 Abs. 1 BStP
bestimmt:
"Überweist der Bundesrat eine Bundesstrafsache einem Kanton, so muss das Verfahren durch Urteil oder Einstellungsbeschluss erledigt werden."
BGE 119 IV 92 S. 96
Dem Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich einzig entnehmen, dass das Verfahren in diesen Fällen auch ohne Urteil durch Einstellungsbeschluss erledigt werden kann; aus welchen Gründen dies möglich ist, wird nicht gesagt. Eine Entscheidung zwischen Legalitäts- und Opportunitätsprinzip ist damit nicht getroffen (vgl. Xavier Speckert, Legalitätsprinzip und Opportunitätsprinzip, Diss. Zürich 1951, S. 33). Insbesondere wird nicht ausgeschlossen, dass das Verfahren mangels genügender Beweise, wegen Verfahrensmängeln oder aus Gründen des materiellen Rechts, die einer Verurteilung entgegenstehen, eingestellt werden dürfte.
c) Es bleibt zu prüfen, ob sich aus anderen Bestimmungen des Bundesstrafprozesses Anhaltspunkte für eine solche Auslegung von
Art. 254 Abs. 1 BStP
ergeben.
aa) Wie
Art. 105 BStP
- allerdings beschränkt auf politische Delikte - zeigt, ist das prozessuale Opportunitätsprinzip im Bundesstrafprozess nicht schlechthin ausgeschlossen. Einige Autoren berufen sich in diesem Zusammenhang auch auf
Art. 120 BStP
(ROBERT ROTH, Le principe de l'opportunité de la poursuite, ZSR 108 (1989) II S. 293; PIERRE CAVIN, Droit pénal fédéral et procédure cantonale, ZSR 65 (1946) S. 12a); auch diese Bestimmung schweigt indessen über die Gründe, aus welchen der Bundesanwalt im Laufe der Untersuchung von einer Verfolgung zurücktreten kann.
bb) Die
Art. 18 und 247 Abs. 1 BStP
bestimmen ausschliesslich die zuständigen Behörden. Sie geben keinerlei Aufschlüsse darüber, nach welchem der beiden Prinzipien die Kantone die ihnen übertragenen Strafsachen zu erledigen haben. Insbesondere kann
Art. 247 Abs. 1 BStP
nicht entnommen werden, dass das Verfahren bis zu einem Urteil durchzuführen wäre, sieht doch
Art. 254 Abs. 1 BStP
ausdrücklich vor, dass es auch durch einen Einstellungsbeschluss beendet werden kann. Nach
Art. 247 Abs. 2 BStP
wenden die Kantone in den ihnen übertragenen Bundesstrafsachen Bundesstrafrecht an; gemäss
Art. 247 Abs. 3 BStP
richtet sich indessen das Verfahren - soweit Bundesrecht nichts anderes bestimmt - nach dem kantonalen Recht. Ob im Bereich der Strafverfolgung das Legalitäts- oder Opportunitätsprinzip gelte, ist nach herrschender Auffassung eine Frage des Verfahrensrechts (vgl. JÜRG SOLLBERGER, Das Opportunitätsprinzip im Strafrecht, ZSR 108 (1989) II, S. 55; A.O. GERMANN, Zum strafprozessrechtlichen Legalitätsprinzip, ZStrR 77 (1961), S. 17 Anm. 47; NOLL, Strafprozessrecht, S. 17; FRANK HEYDEN, Begriff, Grundlagen und Verwirklichung des Legalitätsprinzips und des Opportunitätsprinzips, Diss. Zürich 1961, S. 53; a. A. PFENNINGER,
BGE 119 IV 92 S. 97
Legalität oder Opportunität im schweizerischen Strafrecht, ZStrR (66) 1951, S. 151, der das Opportunitätsprinzip dem materiellen Strafrecht zurechnet, obwohl es auf die Strafverfolgungsbehörden beschränkt bleibe). Sie wird somit durch das anwendbare kantonale Recht entschieden, es sei denn, Bundesrecht würde insoweit etwas anderes bestimmen. Wie bereits dargelegt wurde, besteht indessen keine Bestimmung des Bundesrechts, welche die Anwendung des Opportunitätsprinzips auf Delegationsstrafsachen ausdrücklich ausschliessen würde.
d) Auch den Materialien lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Auslegung der fraglichen Gesetzesbestimmungen im Sinne einer solchen Einschränkung entnehmen.
aa)
Art. 254 Abs. 1 BStP
war in der Vorlage des Bundesrates noch nicht enthalten (vgl. BBl 1929 II 707). Der in der Botschaft erwähnte Grundsatz, dass die Kantone verpflichtet sind, die ihnen durch Beschluss des Bundesrates übertragenen Bundesstrafsachen zu verfolgen und zu beurteilen (BBl 1929 II 631), bezieht sich auf den heutigen
Art. 247 Abs. 1 BStP
. Auch wenn daraus etwa der Schluss gezogen wurde, aus
Art. 247 Abs. 1 BStP
könne nach den Materialien das prozessuale Legalitätsprinzip hergeleitet werden (FRANZ STÄMPFLI, Das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934,
Art. 247 N 1
; HARALD HUBER, Das Verfahren in Bundesstrafsachen, die von kantonalen Behörden zu beurteilen sind, Diss. Zürich 1939, S. 33; HEYDEN, a.a.O., S. 53), ist die Bestimmung klarerweise als reine Kompetenzzuweisung zu verstehen (TREYVAUX, Légalité ou opportunité de la poursuite pénale?, Diss. Lausanne 1991, S. 124; PIQUEREZ, a.a.O., N 719; GERMANN, a.a.O., S. 19; ROTH, a.a.O., S. 212). Soweit das Bundesgericht daher in
BGE 112 IV 46
das strafprozessuale Legalitätsprinzip, nach welchem bei Verdacht einer Straftat ein Verfahren zu eröffnen sei, ohne nähere Begründung aus
Art. 247 BStP
ableitete, kann daran nicht festgehalten werden.
bb) Die ursprünglich vorgesehene Fassung von Art. 254 (damals Art. 255) BStP lautete: "Überweist der Bundesrat eine Bundesstrafsache einem Kanton, so ist dieser Kanton allein zur Verfolgung und Beurteilung berechtigt und verpflichtet" (BBl 1929 II S. 707). Die Bestimmung wurde in den Beratungen gestützt auf einen Vorschlag der nationalrätlichen Kommission geändert, deren deutschsprachiger Berichterstatter dazu ausführte:
"... Spezialbestimmungen für die Delegationsfälle. In Abs. 1 von Art. 255 soll jeder Zweifel darüber beseitigt werden, dass die Kantone in solchen
BGE 119 IV 92 S. 98
Fällen das Verfahren unbedingt bis zum Einstellungsbeschluss oder bis zum Urteil durchführen müssen" (Sten.Bull. NR 1932, S. 1).
Der französischsprachige Berichterstatter ging noch einen Schritt weiter, indem er darlegte:
"L'art. 255 du projet du Conseil fédéral a été complété et précisé par la commission. Précisé en ce sens que toute infraction déférée par le Conseil fédéral à un canton doit aboutir soit à un jugement, soit à une ordonnance de non-lieu. Les autorités du canton ont l'obligation de suivre à la cause, et ne peuvent la laisser ouverte et sans solution" (Sten.Bull. NR 1932, S. 2).
Der Vorschlag der Kommission wurde nach dem Nationalrat auch durch den Ständerat diskussionslos angenommen (Sten.Bull. SR 1933, S. 57). Zweck der Bestimmung war zu verhindern, dass eine kantonale Behörde die Verfolgung nur wegen eines Delikts des kantonalen Rechts durchführe und die Bundesstrafsache einfach verschwinden lasse (FRANZ STÄMPFLI, Die Bundesstrafrechtspflege nach dem Strafgesetz und Strafprozessentwurf, ZSR 50 (1931), S. 72a f.). Insbesondere sollte aber auch gewährleistet werden, dass der Bundesanwalt die Möglichkeit habe, zunächst kantonale und letztinstanzlich nötigenfalls auch das eidgenössische Rechtsmittel gegen eine bundesrechtswidrige Erledigung eines Falles zu ergreifen (HUBER, a.a.O., S. 74; GERMANN, a.a.O., S. 19). Daraus ergibt sich auch, dass der in
Art. 254 Abs. 1 BStP
verwendete Begriff des Einstellungsbeschlusses gleich zu verstehen ist wie der in
Art. 268 Ziff. 2 BStP
verwendete (vgl. oben E. 1b).
e) Nach der Rechtsprechung dürfen Delegationsstrafsachen nicht einfach fallengelassen, sondern müssen behandelt und einem anfechtbaren Entscheid zugeführt werden (
BGE 100 IV 127
). In
BGE 109 IV 49
wird darüber hinaus angedeutet, dass eine Durchbrechung des Verfolgungszwanges durch Ausnahmen vom Legalitätsprinzip nicht von vornherein unzulässig wäre (vgl. SOLLBERGER, a.a.O., S. 55) und dass die "Einstellung" einen formellen Entscheid der Staatsanwaltschaft oder einer richterlichen Behörde (nicht der Polizei) erforderlich macht (vgl. SOLLBERGER, a.a.O., S. 50; HAUSER, a.a.O., S. 131); es wird zudem darauf hingewiesen, dass diese Entscheide teilweise sogar kantonalen Rechtsmitteln unterlägen.
Aus dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung, an welcher (im Gegensatz zum in E. 2d/aa erwähnten
BGE 112 IV 46
) festzuhalten ist, ergibt sich somit für Delegationsstrafsachen in bezug auf die
BGE 119 IV 92 S. 99
Anwendung des Opportunitätsprinzips lediglich eine Einschränkung formeller Art.
f) In der Lehre wurde von CAVIN die Auffassung vertreten, dass dem Bund auch nach Delegation einer Bundesstrafsache an einen Kanton der Strafanspruch zustehe, was eine Einstellung aus Opportunitätsgründen ausschliesse (vgl. a.a.O., S. 12a). Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Denn mit der Delegation geht die Bundesstrafsache als Ganzes an die kantonalen Behörden über, d.h. die Kantone werden damit anstelle des Bundes zuständig (vgl. WAIBLINGER, Das Strafverfahren für den Kanton Bern,
Art. 8 N 2
); die Bundesbehörden haben keinen Einfluss mehr auf den Gang der Untersuchung (vgl. HUBER, a.a.O., S. 85). Der Bundesanwalt kann deshalb nach der Delegation auch nicht mehr in Anwendung von
Art. 120 BStP
(in bezug auf welche Bestimmung ROTH (a.a.O., S. 293) die Auffassung vertritt, sie lasse eine Einstellung aus Opportunitätsgründen zu) von der Verfolgung zurücktreten; dieses Recht steht vielmehr ausschliesslich dem kantonalen Ankläger nach Massgabe des für ihn geltenden jeweiligen kantonalen Prozessrechts zu. PFENNINGER betont, die Kantone seien "unbedingt verpflichtet, das Verfahren einzuleiten und durchzuführen" (a.a.O., S. 149). Im übrigen legt auch die überwiegende Mehrheit der Lehre
Art. 254 Abs. 1 BStP
- allerdings ohne nähere Begründung - dahingehend aus, dass die Bestimmung eine Verfolgungspflicht im Sinne des Legalitätsprinzips statuiere, demzufolge für Delegationsstrafsachen das Opportunitätsprinzip ausschliesse und die Kantone verpflichte, das Verfahren einzuleiten und bis zur Einstellung oder zum Urteil durchzuführen (vgl. HAUSER, a.a.O., S. 129; SCHMID, a.a.O., N 106; PIQUEREZ, a.a.O., N 719; ROTH, a.a.O., 211; WALDER, Strafverfolgungspflicht und Anfangsverdacht, recht 1990, S. 1; DOMINIQUE TREYVAUD, a.a.O., S. 124 f.; HEYDEN, a.a.O., S. 53; A.O. GERMANN, a.a.O., S. 18 f.; SOLLBERGER, a.a.O., S. 57; SCHWERI, a.a.O., N 256, N 382, N 389; SPECKERT, a.a.O., S. 33 f. wendet sich zwar gegen eine solche Auslegung von
Art. 254 BStP
, hält aber eine sogenannte "ordonnance de classement" für unmöglich).
g) Nach dem Gesagten verpflichtet
Art. 254 Abs. 1 BStP
die kantonalen Behörden, die ihnen überwiesenen Bundesstrafsachen zu untersuchen, d.h. tätig zu werden sowie die Untersuchung durch Einstellungsbeschluss oder Urteil zu beenden. Eine Regelung, nach welcher die Strafverfolgung einfach - ohne förmlichen Entscheid - fallen gelassen werden kann, verstösst daher gegen Bundesrecht.
BGE 119 IV 92 S. 100
Aus welchen Gründen die kantonalen Strafverfolgungsorgane die Untersuchung allenfalls einstellen können, richtet sich indessen nach kantonalem Prozessrecht (
Art. 247 Abs. 3 BStP
), denn
Art. 254 Abs. 1 BStP
lässt sich diesbezüglich nichts entnehmen.
h) Ob sich mit der aufgezeigten Auslegung von
Art. 254 Abs. 1 BStP
ein "unbeschränktes" Opportunitätsprinzip vereinbaren lässt, kann im vorliegenden Fall offenbleiben (siehe aber E. 3b hiernach); denn es ist hier nur zu prüfen, ob dies in bezug auf ein "beschränktes" Opportunitätsprinzip (vgl. SCHMID, a.a.O., N 100), wie es in
§ 5 Abs. 1 StPO
/BS vorgesehen ist, der Fall ist. Dies ist zu bejahen, denn die Einstellung bzw. der Verzicht auf die Ausdehnung des Ermittlungsverfahrens gemäss der genannten Bestimmung ist an die Voraussetzung gebunden, dass gegen den Beschuldigten bereits ein Ermittlungsverfahren hängig ist, das voraussichtlich zu einer Anklage führt, und die weiteren strafbaren Handlungen neben den zur Anklage gelangenden nicht ins Gewicht fallen. Dadurch ist gewährleistet, dass die Delegationsstrafsache nicht einfach fallengelassen wird, sondern gegen den Beschuldigten ein Verfahren geführt wird, und die Staatsanwaltschaft in diesem Verfahren zumindest summarisch prüft, ob die delegierten Delikte gegenüber den bereits zur Anklage gelangenden eine Weiterung des Verfahrens rechtfertigen; dies dürfte dann der Fall sein, wenn die delegierten Delikte zu einer wesentlich anderen Beurteilung führen müssten. Der förmliche Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft kann zudem bei der Überweisungsbehörde angefochten werden (
§ 5 Abs. 4 StPO
/BS).
3.
a) Auch ausserhalb des Bundesstrafprozesses findet sich keine Bestimmung des Bundesrechts, die einer Verfahrenseinstellung in Delegationsstrafsachen aus Gründen der Opportunität ausdrücklich entgegenstünde.
Dazu ist zu betonen, dass der Gesetzgeber die unterschiedliche Praxis der Kantone in bezug auf die Anwendung des strafprozessualen Opportunitätsprinzips kennen musste, welches etwa im Kanton Genf seit 1884 gesetzlich vorgesehen ist (vgl. FRANÇOIS CLERC, Opportunité ou légalité des poursuites, ZStrR 99 (1982) S. 278). Insbesondere entspann sich mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches eine lebhafte Diskussion über diese Frage (vgl. dazu SOLLBERGER, a.a.O., S. 51 ff. und GERMANN, a.a.O., S. 15). Hätte der Gesetzgeber daher in dieser Frage in bezug auf die Delegationsstrafsachen eine für alle Kantone verbindliche Regelung treffen wollen, so ist zu vermuten, dass dies wenn nicht schon mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches so doch inzwischen längst geschehen wäre; dies ist
BGE 119 IV 92 S. 101
nicht der Fall. Zwar sind in neuerer Zeit zwei bundesstrafrechtliche Bestimmungen in Kraft getreten, die auf dem Opportunitätsprinzip beruhen (
Art. 66bis StGB
und
Art. 19a Ziff. 2 und 3 BetmG
); es kann indessen darin nicht die Absicht erblickt werden, dieses Prinzip abschliessend für den Bereich der Anwendung von Bundesstrafrecht bundesrechtlich zu verankern.
Es ist somit davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Einstellung des Verfahrens aus Gründen der Opportunität zwar gewissen formellen Schranken unterwerfen, nicht aber ausdrücklich ausschliessen wollte.
b) Dennoch ergeben sich aus Bundesrecht inhaltliche Schranken für die Zulässigkeit von Einstellungsbeschlüssen, die auf Opportunitätsüberlegungen beruhen.
Denn schon aufgrund von
Art. 4 BV
(vgl. NOLL, a.a.O., S. 17) und der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV) kann ein Einstellungsbeschluss - unbesehen der jeweiligen kantonalen Gesetzgebung - nicht auf irgendwelche Opportunitätsüberlegungen gestützt werden, andernfalls die rechtsgleiche Verwirklichung des Bundesstrafrechts nicht mehr gewährleistet, sondern vielmehr vereitelt würde (vgl. HEYDEN, a.a.O., S. 53; PIQUEREZ, a.a.O., N 696; WALDER, a.a.O., S. 1; HAUSER, a.a.O. S. 5); denn das kantonale Strafprozessrecht darf der vollen Auswirkung des materiellen Bundesrechts nicht hindernd im Wege stehen (
BGE 69 IV 158
). Ein Einstellungsbeschluss verletzt daher Bundesrecht, wenn sich daraus ergibt, dass die zuständige Behörde sich grundsätzlich weigert, eine Bestimmung des Strafgesetzbuches anzuwenden, dass sie deren Inhalt verändert (etwa durch Beifügen von konstitutiven Merkmalen einer strafbaren Handlung), dass sie diese falsch anwendet oder auslegt oder dass ihre Weigerung im Einzelfall nicht auf einer vernünftigen Begründung beruht, so dass dies einer Verweigerung der Anwendung von Bundesrecht gleichkommt.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den angefochtenen Entscheiden weder, dass die kantonalen Behörden einer Bestimmung des Bundesrechts grundsätzlich die Anwendung versagen oder deren Bedeutung oder Tragweite verkennen, noch, dass die Einstellung nicht auf vernünftigen Gründen beruht. Die kantonalen Behörden haben vielmehr genau dargelegt, welche Gründe im vorliegenden Fall dazu geführt haben, das Ermittlungsverfahren nicht auf die beiden Delegationsstrafsachen auszudehnen.
c) Ob im übrigen die konkreten Umstände des vorliegenden Falles eine Einstellung des Verfahrens nach
§ 5 StPO
/BS rechtfertigen, ist
BGE 119 IV 92 S. 102
eine Frage der Anwendung des kantonalen Rechts, die nicht mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde zu überprüfen ist.
4.
a) Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich eine Verletzung von
Art. 253 Abs. 1 BStP
. Diese erblickt sie darin, dass ihr durch die Vorinstanz die Verfahrenskosten auferlegt wurden.
b) Gemäss
Art. 253 Abs. 1 BStP
vergütet der Bund den Kantonen keine Kosten. Die Bestimmung gilt gemäss dem Titel ("I. Allgemeine Bestimmungen") für alle Bundesstrafsachen, die von den kantonalen Gerichten zu beurteilen sind, d.h. auch für Delegationsstrafsachen. Diese systematische Auslegung findet ihre Bestätigung in den Protokollen der parlamentarischen Beratungen, in welchen diesbezüglich ausgeführt wurde: "La Commission entend indiquer par là que cette disposition relative aux frais et aux amendes ne s'applique pas seulement aux infractions attribuées par la législation aux cantons, mais aussi à celles déférées aux cantons par la décision du Conseil fédéral" (Sten.Bull. NR 1933, S. 785).
Die Kantone können somit in Bundesstrafsachen, die durch sie zu beurteilen sind, der delegierenden Bundesbehörde keine Kosten auferlegen. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt gutzuheissen.
| null |
nan
|
de
| 1,993 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
aa5511da-948d-4a5d-b84f-df753ef240ca
|
Urteilskopf
118 Ia 101
13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. Januar 1992 i.S. A. R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
|
Regeste
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
,
Art. 59 KV/ZH
(rasches und billiges Verfahren zur gerichtlichen Beurteilung von Haftentschädigungsansprüchen).
Das Verfahren und die gerichtliche Zuständigkeit für die Beurteilung von Genugtuungsansprüchen wegen Missachtung der Garantien von
Art. 5 Ziff. 1-4 EMRK
sind in
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
nicht geregelt. Es verletzt weder
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
noch
Art. 59 KV/ZH
, wenn die Gesetzgebung des Kantons Zürich die Beurteilung solcher Ansprüche nicht dem in der Strafsache erkennenden Richter, sondern den kantonalen Zivilgerichten zuweist.
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Sachverhalt
ab Seite 102
BGE 118 Ia 101 S. 102
Die II. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich erklärte mit Urteil vom 8. Februar 1991 A. R. des Verweisungsbruches schuldig und bestrafte ihn mit fünf Monaten Gefängnis, abzüglich 101 Tage Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Gleichzeitig stellte das Obergericht fest, dass im vorliegenden Fall
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
verletzt worden sei, weil entgegen dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Jutta Huber vom 23. Oktober 1990 der die Untersuchung führende Bezirksanwalt den Angeschuldigten in Untersuchungshaft versetzt und hernach Anklage gegen ihn erhoben habe. Das Obergericht trat jedoch auf das Begehren des Angeklagten um Zusprechung einer Entschädigung wegen der Konventionsverletzung mangels Zuständigkeit nicht ein.
Hiegegen gelangte A. R. mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde am 10. September 1991 ab, soweit es darauf eintrat. Es lehnte die Auffassung von A. R. ab, wonach der Strafrichter diesem von Amtes wegen eine Entschädigung wegen Verstosses gegen
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
hätte zusprechen müssen. Seit dem Inkrafttreten des kantonalen Gesetzes über die Haftung des Staates und der Gemeinden sowie ihrer Behörden und Beamten (Haftungsgesetz) vom 14. September 1969 seien die kantonalen Zivilgerichte zur Beurteilung des von A. R. geltend gemachten Genugtuungsanspruches zuständig.
Gegen das Urteil des Kassationsgerichtes gelangte A. R. wegen Verletzung der
Art. 5 Ziff. 5 und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
sowie von
Art. 59 KV/ZH
mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
a) Der Beschwerdeführer rügt,
Art. 5 Ziff. 5 und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
i.V.m.
Art. 59 KV/ZH
seien durch das kantonale Kassationsgericht verletzt worden. Aus den Bestimmungen ergebe sich nämlich, dass der Strafrichter von Amtes wegen über Genugtuungsansprüche wegen Verletzung einer EMRK-Vorschrift (hier:
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
) zu befinden habe. Nur dadurch sei innert angemessener Frist bzw. mittels eines raschen und wohlfeilen Verfahrens ein Entscheid über die Genugtuungsansprüche sichergestellt. In
BGE 118 Ia 101 S. 103
Beachtung der Prädikate "billig, angemessen, wohlfeil und rasch" verbiete sich die von der Vorinstanz entwickelte Praxis, wonach für entsprechende Genugtuungs- und Entschädigungsbegehren im Kanton Zürich die Zivilgerichte zuständig seien.
b)
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
bestimmt, dass jeder, der entgegen den Bestimmungen von
Art. 5 EMRK
von Festnahme oder Haft betroffen worden ist, Anspruch auf Schadenersatz habe. Darunter fällt auch immaterieller Schaden im Sinne des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Genugtuungsanspruches (
BGE 113 Ia 183
E. 3 mit Hinweisen; vgl. zur Praxis des Bundesgerichtes auch MARC FORSTER, EMRK als Argument, in: Prätor 1988/89, S. 43; zur Praxis der Strassburger Organe FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl 1985, N 134 zu
Art. 5 EMRK
). Die Anwendung des
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
setzt die Verletzung einer Bestimmung von Ziff. 1-4 des
Art. 5 EMRK
voraus (
BGE 113 Ia 182
E. 2d mit Hinweisen). Dies ist hier unbestrittenermassen zu bejahen.
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
regelt hingegen die Frage nicht, in welchem Verfahren und in welcher Zuständigkeit die entsprechenden Ansprüche geltend gemacht und entschieden werden müssen. Mit der Lehre ist zu schliessen, dass die Regelung des Verfahrens und der Zuständigkeit den einzelnen Ländern freigestellt ist (vgl. FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N 131-133, insbes. S. 102 Fn. 91; STEFAN TRECHSEL, Die europäische Menschenrechtskonvention, ihr Schutz der persönlichen Freiheit und die schweizerischen Strafprozessrechte, Bern 1974, S. 275). Die zürcherische Regelung in den §§ 19 und 23 Haftungsgesetz, wonach diesbezüglich die kantonalen Zivilgerichte zuständig sind, steht deshalb zu
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
nicht im Widerspruch. Die Bestimmungen des kantonalen Haftungsgesetzes finden gemäss dessen § 5 immer dann Anwendung, wenn die in Frage kommende Haftung des Staates nicht durch Bundesrecht oder andere kantonale Gesetze geregelt ist. Der Beschwerdeführer nennt denn auch insbesondere keine kantonalen Normen, welche die erkennenden Strafgerichte als für die Beurteilung von entsprechenden Genugtuungsansprüchen zuständig erklären würden. Eine Verletzung von
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
liegt demnach nicht vor.
c) Der Beschwerdeführer ruft für seinen Standpunkt auch zu Unrecht
Art. 59 KV/ZH
an. Danach ist das Prozessverfahren im Sinne rascher und wohlfeiler Erledigung zu ordnen. Diese Bestimmung steht aber ihrerseits unter dem Vorbehalt von
Art. 58 Abs. 1 KV/ZH
, wonach das Gesetz die Kompetenz und das Verfahren der Gerichte zu regeln hat. Gestützt darauf durfte der Kanton Zürich im Haftungsgesetz ohne Verletzung von
Art. 59 KV/ZH
die Zivilgerichte für
BGE 118 Ia 101 S. 104
zuständig erklären, Genugtuungsforderungen wegen EMRK-Verletzungen in Strafprozessen zu beurteilen.
d) Entgegen der Rüge des Beschwerdeführers liegt in dieser zürcherischen Regelung auch keine Verletzung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
i.V.m.
Art. 59 KV/ZH
, ohne dass hier das Verhältnis dieser beiden Bestimmungen zueinander näher untersucht werden müsste. Diese Bestimmungen verlangen eine rasche Verfahrenserledigung bzw. eine solche innerhalb einer angemessenen Frist. Die gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
erhebliche Frist wird erst durch die Klageerhebung ausgelöst; hängt die Anrufung eines Gerichtes, wie im Falle des zürcherischen Haftungsgesetzes, von der Durchführung eines Vorverfahrens ab, beginnt die Frist bereits mit dessen Einleitung zu laufen (vgl. FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N 98 zu
Art. 6 EMRK
mit Hinweisen). Eine formelle Klageerhebung, geschweige denn die Einleitung des Vorverfahrens, hat der Beschwerdeführer aber bis anhin unterlassen; dies obschon er Zuständigkeit und Verfahren, wie aus den kantonalen Akten ergeht, genau kennt. Es wäre ihm möglich und zumutbar gewesen, dieses Verfahren schon längst korrekt einzuleiten, wusste er doch bereits im Zeitpunkt des Strassburger Urteils i.S. Jutta Huber vom 23. Oktober 1990 (EGMR Série A, vol. 188), dass entgegen diesem Entscheid der gleiche Bezirksanwalt am 6. Juli 1990 Anklage erhoben hat, der vorher gegen ihn die Untersuchungshaft angeordnet hatte. Wer prozessuale Handlungen versäumt, kann sich folgerichtig nicht auf das Beschleunigungsgebot berufen, gleichviel, ob er sich auf
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
oder auf
Art. 59 KV/ZH
stützt. Hätte sich der Beschwerdeführer an die kantonalen Zuständigkeitsbestimmungen gehalten, wäre es durchaus möglich gewesen, einen Entscheid über seine Genugtuungsforderung schon vor Erlass des angefochtenen Entscheides zu erwirken.
|
public_law
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nan
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de
| 1,992 |
CH_BGE
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CH_BGE_002
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Federation
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aa5a6ef6-d811-441f-8dde-26e8808b0e27
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Urteilskopf
118 Ib 11
2. Auszug aus dem Beschluss der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Februar 1992 i.S. Schweizerischer Bund für Naturschutz gegen Einwohnergemeinden Saanen und Zweisimmen sowie Regierungsrat des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde).
|
Regeste
Art. 97 ff. und insbesondere
Art. 99 lit. c OG
,
Art. 5 VwVG
und
Art. 34 RPG
; Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Nutzungspläne, die einer Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
gleichkommen.
1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1).
2. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise Nutzungspläne mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden können (E. 2).
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Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 118 Ib 11 S. 11
In den Gemeinden Saanen und Zweisimmen lag die Überbauungsordnung Nr. 32 "Golf Saanenland" vom 27. September bis 26. Oktober 1989 öffentlich auf. Die Planauflage wurde im Amtsblatt des Kantons Bern vom 27. September 1989 publiziert. Mit dieser Überbauungsordnung sollen die planungsrechtlichen Grundlagen für die Erweiterung des heute bestehenden Neun-Loch-Golfplatzes (23,25 ha) zu einer 18-Loch-Anlage (46,62 ha) geschaffen werden. Gemäss dem aufgelegten Projekt tangieren die Golfbahnen 4 bis 9 ein Flachmoorgebiet, welches in dem vom Bund erarbeiteten, aber
BGE 118 Ib 11 S. 12
noch nicht in Kraft gesetzten Bundesinventar der Flachmoore von nationaler Bedeutung als Objekt Nr. 374 bezeichnet wird. Insbesondere die Spielfelder 4 und 5 sollen stark in den wertvollsten Bereich des Flachmoorgebiets hineinragen.
Gegen die Überbauungsordnung Nr. 32 ging eine einzige, hier nicht interessierende Einsprache ein. Mit Gemeindebeschlüssen vom 3. November bzw. 7. Dezember 1989 wurde die Überbauungsordnung in den betreffenden Gemeinden angenommen. Mit Beschluss vom 30. Mai 1990 genehmigte die Baudirektion des Kantons Bern die Überbauungsordnung unter Abweisung der Einsprache.
Gegen diesen Beschluss führten der Schweizerische Bund für Naturschutz (SBN) und der Naturschutzverband des Kantons Bern (NVB) gemeinsam Beschwerde beim Regierungsrat mit dem Rechtsbegehren, der Genehmigungsbeschluss sei aufzuheben und der Überbauungsordnung sei die Genehmigung zu verweigern.
Die das Beschwerdeverfahren zuhanden des Regierungsrates instruierende Justizdirektion beschränkte das Verfahren auf die Frage der Beschwerdelegitimation. Der Regierungsrat entschied am 9. Januar 1991, dass der SBN und der NVB nicht beschwerdeberechtigt seien und trat auf deren Beschwerde nicht ein.
Gegen diesen Nichteintretensentscheid des Regierungsrates des Kantons Bern erhebt der SBN am 8. Februar 1991 Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Justizdirektion führte in ihren namens des Regierungsrates abgegebenen Stellungnahmen unter anderem aus, sofern gegen einen letztinstanzlichen Entscheid, wie er im vorliegenden Verfahren vor Bundesgericht angefochten sei, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offenstehe, sei kantonsintern das Verwaltungsgericht die letzte kantonale Instanz. Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates stelle somit keinen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid dar, weshalb das Bundesgericht auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eintreten könne. Mit Schreiben vom 26. November 1991 hat der Instruktionsrichter das Verwaltungsgericht des Kantons Bern angefragt, ob es diese Auffassung teile. In seiner Antwort vom 4. Dezember 1991 hält das Verwaltungsgericht fest, für den Fall, dass die Überbauungsordnung "Golf Saanenland" mit eidgenössischer Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden könne, erweise sich der angefochtene Regierungsratsbeschluss vom 9. Januar 1991 insoweit nicht als kantonal letztinstanzlicher Entscheid.
BGE 118 Ib 11 S. 13
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Gemäss
Art. 97 OG
in Verbindung mit
Art. 5 VwVG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen, sofern diese von den in
Art. 98 OG
genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner der in
Art. 99 ff. OG
oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist. Dies gilt auch für Verfügungen, die sowohl auf kantonalem bzw. kommunalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht (
BGE 116 Ib 162
f. E. 1a,
BGE 115 Ib 350
E. 1b, 385 E. 1a, 459 f. E. 1b mit weiteren Hinweisen; vgl. auch
BGE 116 Ia 266
f.). Zu dem im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde überprüfbaren Bundesrecht gehört auch das Bundesverfassungsrecht, soweit die Rüge eine Angelegenheit betrifft, die in die Sachzuständigkeit der eidgenössischen Verwaltungsrechtspflegeinstanz fällt (
BGE 115 Ib 338
E. 2 mit Hinweis).
Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind auch auf unselbständiges kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht gestützte Anordnungen zu überprüfen sowie auf übrigem kantonalem Recht beruhende Anordnungen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweisen. Soweit dem angefochtenen Entscheid hingegen selbständiges kantonales Recht ohne den genannten engen Sachzusammenhang zum Bundesrecht zugrunde liegt, steht ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde zur Verfügung (
BGE 117 Ib 10
ff.,
BGE 116 Ib 10
,
BGE 103 Ib 146
E. 2a, 314 E. 2b,
BGE 99 Ib 326
E. 1b; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 269 f.; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 92 ff.; PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel und Stuttgart 1979, S. 78 ff.; vgl.
BGE 116 Ib 180
E. 1c,
BGE 115 Ib 461
E. 1d,
BGE 114 Ib 217
E. 1d, je mit Hinweisen).
b) Gemäss
Art. 98 lit. g OG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen der Kantone nur gegeben, soweit ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid angefochten wird. Im vorliegenden Fall fehlt es nach übereinstimmender Auffassung von Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Bern am Erfordernis der Letztinstanzlichkeit, sofern und soweit die Überbauungsordnung Nr. 32 "Golf Saanenland" der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an
BGE 118 Ib 11 S. 14
das Bundesgericht unterliegt. Das Bundesgericht hat keinen Anlass, an diesen Darlegungen zu zweifeln. Es ist daher für das weitere Vorgehen in diesem Verfahren entscheidend, ob und gegebenenfalls inwieweit die umstrittene Überbauungsordnung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann.
2.
a) Im angefochtenen Nichteintretensentscheid vertritt der Regierungsrat die Auffassung, die Genehmigung von Nutzungsplänen durch die kantonalen Behörden sei eine Verfügung im Sinne von
Art. 26 RPG
. Gemäss
Art. 34 RPG
seien solche Genehmigungsentscheide bzw. im Anschluss an sie gefällte Beschwerdeentscheide des Regierungsrates endgültig. Vorbehalten bleibe lediglich die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Dem Beschwerdeführer stehe daher im vorliegenden Fall nur noch dieses Rechtsmittel offen. Es liege kein Anwendungsfall von
Art. 12 NHG
vor.
b) Die Überbauungsordnung Nr. 32 "Golf Saanenland" der Gemeinden Saanen und Zweisimmen gilt nach der Rechtsprechung als Sondernutzungsplan im Sinne von
Art. 14 ff. RPG
. Er unterliegt als solcher gemäss
Art. 34 Abs. 1 und 3 RPG
grundsätzlich der staatsrechtlichen Beschwerde.
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts können ausnahmsweise auch Nutzungspläne mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Dies ist dann der Fall, wenn ein solcher Plan Anordnungen enthält, die sich auf Bundesverwaltungsrecht stützen und Verfügungen im Sinne von
Art. 5 VwVG
darstellen, soweit kein Ausschlussgrund nach
Art. 99 ff. OG
oder der Spezialgesetzgebung des Bundes vorliegt (
BGE 117 Ib 11
f. E. 2b,
BGE 116 Ib 60
f. E. 4e, 162 f. E. 1a, 425 E. 1a,
BGE 115 Ib 350
f. E. 1b, 507).
Der Ausschlussgrund von
Art. 99 lit. c OG
kommt hinsichtlich der in einem solchen Plan enthaltenen Verfügungen im Sinne von
Art. 5 VwVG
zum Zug, wenn er die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausschliesst, würden diese Anordnungen separat, ausserhalb des Nutzungsplans getroffen. Der planungsrechtliche Teil des Nutzungsplans, dem kantonalrechtliche Natur beigemessen wird (vgl. namentlich
Art. 22quater Abs. 1 BV
und
Art. 34 Abs. 3 RPG
), stellt keine Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
dar, weshalb insoweit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von vornherein nicht in Betracht kommt.
Art. 34 Abs. 3 RPG
sieht dafür denn auch ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde vor.
Die im vorliegenden Sondernutzungsplan enthaltenen Standortbestimmungen für die Golfbahnen 4 bis 9, welche sich unter dem Gesichtspunkt des Moorschutzes auf Bundesverwaltungs- und
BGE 118 Ib 11 S. 15
-verfassungsrecht (
Art. 24sexies Abs. 5 BV
und
Art. 29 Abs. 1 lit. a NHV
; SR 451.1) stützen (
Art. 5 VwVG
) bzw. hätten stützen sollen, stellen Vorentscheide über die erwähnten Golfbahnen dar. Diese - gleich wie etwa Rodungsbewilligungen - würden der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen, wären sie als separate Verfügung erlassen worden, und der Ausschlussgrund von
Art. 99 lit. c OG
käme für sie nicht zur Anwendung. Der Umstand, dass diese Anordnungen in der Überbauungsordnung "Golf Saanenland" enthalten sind, macht sie nicht zu "Verfügungen über Pläne" im Sinne von
Art. 99 lit. c OG
.
d) Im vorliegenden Verfahren geht es auch nicht um eine Bau- oder Betriebsbewilligung für eine technische Anlage im Sinne von
Art. 99 lit. e OG
. Diese Bestimmung betrifft das technische Funktionieren einer Anlage und nicht deren Auswirkungen in bezug auf das Umweltschutzrecht, das Natur- und Heimatschutzrecht, das Forstrecht oder
Art. 24 RPG
(vgl.
BGE 117 Ib 12
, 115 Ib 352, 460,
BGE 114 Ib 216
f. E. 1b,
BGE 100 Ib 223
ff. E. 2).
e) Es ergibt sich somit, dass die Rüge der Verletzung des bundesrechtlichen Moorschutzes durch Anordnungen im umstrittenen Sondernutzungsplan grundsätzlich mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht werden kann. Die Tragweite der bundesrechtlichen Bestimmungen über den Moorschutz und des noch nicht in Kraft gesetzten Bundesinventars der Flachmoore von nationaler Bedeutung bildet Gegenstand der materiellen Prüfung und ist somit im vorliegenden Verfahren nicht weiter zu untersuchen. Von Bedeutung ist jedoch, dass es sich bei den in
Art. 24sexies Abs. 5 BV
enthaltenen Vorschriften um direkt anwendbare bundesrechtliche Bestimmungen handelt (
BGE 117 Ib 246
E. 3; THOMAS FLEINER-GERSTER, Kommentar BV, Art. 24sexies, Rz. 47).
Sodann ist zu beachten, dass die Bewilligung für Bauten und Anlagen in Mooren und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und von nationaler Bedeutung als Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von
Art. 2 NHG
zu betrachten ist.
Wie das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung entschieden hat, sind die gesamtschweizerischen ideellen Vereinigungen des Natur- und Heimatschutzes gestützt auf
Art. 12 NHG
berechtigt, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht zu rügen, eine in Anwendung von
Art. 24 RPG
erteilte Baubewilligung verstosse gegen die nach
Art. 24sexies BV
und nach den Vorschriften des NHG notwendige Rücksichtnahme auf Natur und Heimat (
BGE 116 Ib 121
f. E. 2b und 207 E. 3a, 115 Ib 479 E. 1d, bb, 114 Ib 271
BGE 118 Ib 11 S. 16
E. 2b,
BGE 112 Ib 77
). Dabei ist weder Voraussetzung, dass es um ein öffentliches Bauvorhaben des Bundes geht, noch dass ein vom Bund nach
Art. 5 NHG
inventarisiertes Schutzobjekt betroffen wird. Schon in
BGE 112 Ib 75
erklärte das Bundesgericht ganz allgemein, in der Handhabung der Bestimmung von
Art. 24 RPG
im oben beschriebenen Sinne liege die Erfüllung einer Bundesaufgabe. Sein Hinweis auf Bauvorhaben, die "namentlich" in einer Landschaft verwirklicht werden sollen, die in einem Inventar des Bundes verzeichnet sind, erfolgte nur beispielhaft (ebenso in
BGE 115 Ib 479
f. E. 1d, bb, und
BGE 114 Ib 271
E. 2b, wo die Feststellung, es könnte ein BLN-Objekt betroffen sein, jeweils nicht im Sinne einer Voraussetzung der Legitimation gemacht wurde). Im Falle von
BGE 116 Ib 121
ff. war überhaupt nicht mehr von einem Inventar die Rede. Der Wirkungsbereich des NHG beschränkt sich denn auch nicht nur auf Objekte von nationaler Bedeutung, wie zum Beispiel aus
Art. 3 Abs. 3 und
Art. 4 sowie
Art. 18b und
Art. 21 NHG
hervorgeht. Ebensowenig ist erforderlich, dass es um ein Bauvorhaben des Bundes oder einer Bundesanstalt geht. So ging es zum Beispiel im Falle
BGE 114 Ib 268
ff. um eine von der Korporation Walchwil projektierte Walderschliessungsstrasse, im Falle
BGE 115 Ib 472
ff. um ein Flusssanierungsprojekt des Kantons Zürich und in den Fällen
BGE 116 Ib 8
ff. und 119 ff. um eine von einem Privaten projektierte Geflügelmasthalle (
BGE 117 Ib 99
E. 3a; vgl. auch
BGE 115 Ib 335
ff., wo eine private Chaletsiedlung zur Diskussion stand, und
BGE 116 Ib 207
ff. E. 3, wo es um ein kommunales Bauvorhaben ging). Diese Grundsätze gelten sinngemäss auch für Bewilligungen, die in Anwendung von
Art. 24sexies Abs. 5 BV
erteilt werden oder hätten erteilt werden sollen.
3.
(Wegen fehlender Letztinstanzlichkeit wird die Sache dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern überwiesen.)
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public_law
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de
| 1,992 |
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CH_BGE_003
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Federation
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aa5d72d9-540a-438d-b5cb-bfdebad5b889
|
Urteilskopf
118 Ia 366
50. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 8 décembre 1992 dans la cause X. contre Société d'assurances Y. et Cour de justice du canton de Genève (demande de révision)
|
Regeste
Art. 137 lit. b OG
; Revision eines Urteils des Bundesgerichts, das im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren ergangen ist.
Das Revisionsgesuch bezüglich neuer Tatsachen und Beweise ist zulässig gegen ein Urteil des Bundesgerichts, das aufgrund einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
ergangen ist (Präzisierung der Rechtsprechung).
|
Sachverhalt
ab Seite 366
BGE 118 Ia 366 S. 366
A.-
Le 19 mai 1990, X. a formé un recours de droit public au Tribunal fédéral contre un arrêt rendu le 6 avril 1990 par la Cour de justice du canton de Genève dans la cause qui l'opposait à la Société d'assurances Y.
B.-
Par arrêt du 12 octobre 1990, la IIe Cour civile a rejeté le recours dans la mesure de sa recevabilité.
C.-
Le 7 juillet 1992, X. a présenté une demande de révision. Il a conclu à l'annulation, tant de l'arrêt fédéral du 12 octobre 1990, que de la décision de la Cour de justice du 6 avril 1990; à ce qu'il soit dit que les troubles consécutifs à l'opération sont dus à un accident au sens des conditions générales d'assurance et, partant, à leur
BGE 118 Ia 366 S. 367
prise en charge par l'assureur; au renvoi de la cause aux juridictions cantonales pour qu'elles instruisent sur l'indemnité.
La Société d'assurances Y. propose principalement l'irrecevabilité de la demande de révision, subsidiairement son rejet.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
La révision, en vertu de l'
art. 137 let. b OJ
, d'un arrêt rendu sur recours de droit public n'est certes pas exclue par principe (
ATF 118 II 203
,
ATF 107 Ia 190
/191 consid. 2 et les arrêts cités). Comme le relève POUDRET, la portée de ce motif de révision dépend toutefois "du pouvoir d'examen du Tribunal fédéral à l'égard des faits et de l'usage qu'il en a fait en rendant l'arrêt litigieux" (COJ V, n. 2.1 ad art. 137). Aussi la jurisprudence déclare-t-elle irrecevable la demande de révision qui se fonde sur la découverte de faits et de moyens de preuve nouveaux lorsqu'elle est dirigée contre un arrêt du Tribunal fédéral statuant sur un recours de droit public pour violation des droits constitutionnels des citoyens, soumis à l'exigence de l'épuisement préalable des instances cantonales (
ATF 107 Ia 190
/191 consid. 2a, confirmé par l'arrêt Ghattas c. Chemical Bank du 25 mars 1992, SJ 1992 p. 401 consid. 3a; cf. ég. KÖLZ, RJB 1983 p. 588). Une décision récente, non publiée, considère cependant que dans un tel cas la demande de révision est simplement mal fondée (arrêt M. c. K. du 15 juin 1992, consid. 3, qui se réfère à MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zurich 1992, p. 48 n. 24).
Cette dernière solution ne peut toutefois être suivie. L'arrêt paru in
ATF 107 Ia 187
ss n'est certes pas exempt de contradiction (cf. dans ce sens, SCHWEIZER, Le recours en revision spécialement en procédure civile neuchâteloise, thèse Neuchâtel 1985, p. 177 en haut). L'irrecevabilité de la demande de révision en raison de faits et de moyens de preuve nouveaux y est motivée par leur prohibition dans les recours soumis à l'exigence de l'épuisement préalable des instances cantonales, en particulier les recours fondés sur la violation de l'
art. 4 Cst.
(p. 190/191 consid. 2a). Mais l'arrêt rappelle que la jurisprudence constante ouvre la voie de la révision de l'
art. 137 let. b OJ
contre les arrêts rendus sur recours en réforme, bien que dans ce cas le Tribunal fédéral ne puisse pas non plus tenir compte des nova (p. 190 consid. 1b). La recevabilité ou l'irrecevabilité de ces derniers n'est donc pas le critère décisif, ou du moins pas le seul.
Lorsque le Tribunal fédéral admet ou rejette le recours en réforme, son arrêt se substitue à la décision entreprise; il s'ensuit que la
BGE 118 Ia 366 S. 368
demande de révision doit être dirigée contre l'arrêt fédéral, et pour les motifs énumérés aux
art. 136 et 137 OJ
(MESSMER/IMBODEN, op.cit., p. 47 et n. 20). En revanche, lorsqu'il rejette - comme en l'espèce - un recours de droit public, son arrêt ne se substitue pas à la décision attaquée (KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Berne 1984, p. 333 ss), laquelle demeure en force et peut dès lors faire l'objet d'une demande de révision, aux conditions du droit de procédure cantonal, pour les motifs qui affectent l'état de fait qu'elle constate (POUDRET, n. 2.1 ad
art. 137 OJ
). En effet, selon un principe général, la demande de révision, sur le fond, doit être formée devant l'autorité qui, en dernière instance, a statué au fond (cf. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3e éd., Zurich 1979, p. 532 n. 13; dans ce sens, la disposition expresse du § 295 al. 1 ZPO/ZH, aux termes duquel la demande de révision doit être présentée à l'autorité "welche in letzter Instanz in der Sache selbst entschieden hat"; cf. RUST, Die Revision im Zürcher Zivilprozess, thèse Zurich 1981, p. 164/165). Or, lorsque l'autorité s'est prononcée à l'occasion d'un recours extraordinaire - à l'instar du recours de droit public -, la demande de révision n'est recevable que pour les motifs qui affectent son arrêt, et non la décision sur le fond rendue par la juridiction inférieure (GULDENER, ibid.; POUDRET, n. 2.2 ad Titre VII et n. 2.1 ad
art. 137 OJ
; mutatis mutandis,
ATF 92 II 134
/135, pour la demande de révision d'un arrêt d'irrecevabilité rendu sur recours en réforme).
Le requérant n'invoque en l'espèce aucun motif de révision dont serait entaché l'arrêt du 12 octobre 1990, rejetant son recours de droit public. L'expertise médicale produite à l'appui de la demande ne ferait, à son avis, que confirmer le reproche qu'il avait adressé à la Cour de justice de n'avoir pas ordonné de complément d'expertise. Mais comme l'avait relevé la cour de céans dans l'arrêt précité, ce dernier avait été ordonné par le tribunal bernois postérieurement à la décision attaquée. En définitive, seul l'arrêt de la cour cantonale sur le fond, demeuré en force, est susceptible de révision (dans le même sens, arrêt non publié Sch. c. Société d'assurances H. du 22 décembre 1986, dans lequel le requérant invoquait - comme en l'espèce - une expertise médicale postérieure à la décision cantonale attaquée). Cette question ressortit toutefois au droit de procédure cantonal (cf.
art. 154 ss LPC
gen.), dont la cour de céans ne saurait connaître dans la présente instance (
ATF 92 II 135
).
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public_law
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nan
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fr
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CH_BGE
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Federation
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aa5dc28f-83c7-4515-943f-f252b74ec808
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Urteilskopf
117 IV 498
87. Urteil des Kassationshofs vom 22. November 1991 i.S. Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
|
Regeste
Art. 36 Abs. 2 SVG
,
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
; Rechtsvortritt auf Strassenverzweigungen.
Die Kreuzung, Gabelung oder Einmündung von Garage- und Parkplatzausfahrten usw. bilden im Verhältnis untereinander Verzweigungen, auf denen das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt hat (E. 3-5).
Art. 36 Abs. 4 SVG
; Vortrittsrecht.
Der Rückwärtsfahrer ist auf Verzweigungen vortrittsbelastet; offengelassen, ob dies auch gegenüber Fahrzeugen gilt, die eine untergeordnete Verkehrsfläche befahren (E. 6).
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Sachverhalt
ab Seite 498
BGE 117 IV 498 S. 498
Mit Urteil vom 2. November 1990 sprach das Obergericht des Kantons Aargau Z. in zweiter Instanz des Missachtens des Vortrittsrechts schuldig und verurteilte ihn gestützt auf
Art. 90 Abs. 1
BGE 117 IV 498 S. 499
SVG
in Verbindung mit
Art. 14 Abs. 5 VRV
zu einer Busse von Fr. 50.--. Von der Anklage der Verletzung der
Art. 36 Abs. 4 SVG
und 15 Abs. 3 VRV sprach es ihn frei.
Dagegen führt der Verurteilte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
) stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar: Der Beschwerdeführer fuhr am 14. Oktober 1989 mit seinem Personenwagen Toyota Corolla auf dem Areal A. in B. aus der Ausfahrt der Tiefgarage in Richtung Gemeindehaus. Gleichzeitig fuhr I. mit seinem Personenwagen Toyota Supra rückwärts vom Parkplatz der Liegenschaft Hauptstrasse 26 her ebenfalls in Richtung Gemeindehaus. Als sich der Beschwerdeführer bereits im Rechtsbogen zum Gemeindehaus befand, nahte von links der rückwärtsfahrende Personenwagen des I., so dass es zu einer leichten Kollision kam, wobei der Personenwagen des I. mit der linken, hinteren Fahrzeugecke seitlich gegen den linken, vorderen Kotflügel des Personenwagens des Beschwerdeführers stiess.
Die kantonalen Instanzen kamen zum Schluss, der Unfallort stelle eine Garageausfahrt dar, welche in eine Parkplatzzufahrt einmünde, so dass weder
Art. 36 Abs. 4 SVG
noch
Art. 36 Abs. 2 SVG
oder
Art. 15 Abs. 3 VRV
Anwendung finden könnten. Wie sich aus der Bestimmung von
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
ergebe, fehle es auch an den Voraussetzungen einer Strassenverzweigung. Es handle sich um einen Fall des nicht geregelten Vortritts nach
Art. 14 Abs. 5 VRV
, bei welchem die Fahrzeuglenker besonders vorsichtig fahren und sich über den Vortritt verständigen müssten. Diesen Vorsichtspflichten sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen, insbesondere habe er keinen Blick nach links geworfen.
2.
Der Beschwerdeführer räumt ein, dass die Garage- und Parkplatzausfahrt Verkehrsflächen darstellten, deren Zusammentreffen mit der Fahrbahn gemäss
Art. 1 Abs. 8 VRV
nicht als Verzweigung gelten würde. Er stellt sich aber auf den Standpunkt, die in der genannten Bestimmung aufgeführten Verkehrsflächen
BGE 117 IV 498 S. 500
bildeten im Verhältnis untereinander Strassenverzweigungen, wenn sie zusammenträfen und Fahrbahnen im Sinne von
Art. 1 Abs. 4 VRV
aufwiesen. Da beide Verkehrsflächen dem Fahrverkehr dienten, sei eine Fahrbahn zu bejahen. Bei dieser Sachlage liege eine Verzweigung im Sinne von
Art. 1 Abs. 8 Satz 1 VRV
vor, so dass
Art. 36 Abs. 1 Satz 1 SVG
zur Anwendung gelange, während
Art. 14 Abs. 5 VRV
nicht anwendbar sei. Im Eventualstandpunkt macht der Beschwerdeführer geltend, dass er die Bestimmung von
Art. 14 Abs. 5 VRV
- selbst wenn sie anwendbar sein sollte - nicht verletzt habe, weil im zu beurteilenden Fall wegen der Rückwärtsfahrt des Unfallbeteiligten I. eine Verständigung über den Vortritt gar nicht möglich gewesen sei. Es habe ungeachtet seines eigenen Verhaltens allein aufgrund der Rückwärtsfahrt von I. zur Kollision kommen müssen. Die Vorinstanz sei somit von einem bundesrechtswidrigen Begriff des natürlichen Kausalzusammenhanges ausgegangen.
3.
Auf Strassenverzweigungen hat gemäss
Art. 36 Abs. 2 SVG
grundsätzlich das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Strassen sind die von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder Fussgängern benützten Verkehrsflächen, wobei der dem Fahrverkehr dienende Teil als Fahrbahn bezeichnet wird (
Art. 1 Abs. 1 und 4 VRV
). Verzweigungen sind Kreuzungen, Gabelungen oder Einmündungen von Fahrbahnen (
Art. 1 Abs. 8 Satz 1 VRV
). Aus dieser Begriffsumschreibung folgt, dass die Rechtsvortrittsregel von
Art. 36 Abs. 2 SVG
dem Grundsatze nach immer gilt, wenn Fahrbahnen in Form von Kreuzungen, Gabelungen oder Einmündungen aufeinandertreffen bzw. sich schneiden.
Von dieser Regel sehen Gesetz und Verordnung Ausnahmen vor. So haben nach
Art. 36 Abs. 2 SVG
Fahrzeuge auf gekennzeichneten Hauptstrassen den Vortritt, auch wenn sie von links kommen, wobei weitere abweichende Regelungen durch Signale oder durch die Polizei vorbehalten bleiben. Ferner gilt gemäss
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
das Zusammentreffen von Rad- oder Feldwegen, von Garage-, Parkplatz-, Fabrik- oder Hofausfahrten usw. mit der Fahrbahn nicht als Verzweigung. In Übereinstimmung hiermit hat nach
Art. 15 Abs. 3 VRV
, wer aus Fabrik-, Hof- oder Garageausfahrten, aus Feldwegen, Radwegen, Parkplätzen, Tankstellen und dergleichen oder über ein Trottoir auf eine Haupt- oder Nebenstrasse fährt, den Benützern dieser Strassen den Vortritt zu gewähren. Für zwei hier nicht interessierende Sonderfälle
BGE 117 IV 498 S. 501
sich verzweigender Strassen enthalten die Abs. 1 und 2 von
Art. 15 VRV
eine besondere Vortrittsregelung.
4.
a) Ausnahmen von der Rechtsvortrittsregel, wie sie
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
vorsieht, sind unfallträchtig. Im Interesse der Verkehrssicherheit müssen sie daher auf Fälle beschränkt werden, die auch ohne Signalisierung für die Beteiligten, selbst für Ortsunkundige und bei erschwerten Sichtverhältnissen, zweifelsfrei erkennbar sind. Im Zweifel ist stets für die normale Ordnung, nicht für die Ausnahme zu entscheiden (
BGE 107 IV 49
E. 3a).
Der Kassationshof hat objektive Kriterien dafür aufgestellt, wann eine derartige Ausnahmesituation anzunehmen ist. In erster Linie handelt es sich um die in
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
ausdrücklich erwähnten Beispiele. Dazu gehören namentlich Ausfahrten, die nur einzelnen Gebäuden oder Parkplätzen usw. dienen, unabhängig von ihrem Ausbau, also auch breite asphaltierte Verkehrsflächen und bei Längen um ca. 100 m (
BGE 107 IV 49
E. 3b mit Hinweis auf
BGE 99 IV 222
). Ferner liegt eine Ausnahmesituation bei eigentlichen Feldwegen vor, die schmal sind und keinen Belag aufweisen. Für Fälle, in denen eine Klassierung unter die in
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
genannten Beispiele nicht eindeutig ist, hat der Kassationshof zusätzlich auf die Bedeutung des Verkehrsweges abgestellt, die dieser für den allgemeinen Fahrverkehr hat, insbesondere im Vergleich mit der Strasse, mit der er zusammentrifft. Er hat dabei erkannt, dass Strässchen, die nur bestimmten Personen offenstehen oder als Stichstrassen bzw. Sackgassen wenige Häuser bedienen, bei der Einmündung in Durchgangsstrassen eine derart untergeordnete Bedeutung zukomme, dass auch dort die Rechtsvortrittsregel nicht gelte (
BGE 112 IV 88
; ferner
BGE 91 IV 41
und 146).
b) Im Fall eines zu einem Einkaufszentrum gehörenden Parkplatzes, bei dem drei Fahrbahnen zur Einfahrt und eine zur Wegfahrt dienten, die alle mit Pfeilen als Einbahnwege gekennzeichnet waren, hat der Kassationshof erkannt, dass nicht nur die eigentlichen Parkfelder, sondern auch die zwischen den Parkfeldern liegenden Fahrstreifen als untergeordnete Verkehrsflächen von
Art. 15 Abs. 3 VRV
umfasst würden (
BGE 100 IV 62
E. 3). Demgegenüber hat er die der Ein- und Ausfahrt dienenden Fahrstreifen, die keine direkte Zufahrt zu den Parkfeldern boten, im Verhältnis zu den zwischen den Parkfeldern liegenden Fahrstreifen den Strassen gleichgestellt. Daraus folgte, dass dem aus einem Parkfeld kommenden und in die Fahrbahn der Ein- und
BGE 117 IV 498 S. 502
Wegfahrten einbiegenden Fahrzeugführer gemäss
Art. 15 Abs. 3 VRV
und der allgemeinen Regel von
Art. 36 Abs. 4 SVG
das Vortrittsrecht nicht zustand (
BGE 100 IV 62
E. 4; ebenso unveröffentlichter Entscheid des Kassationshofs vom 10. Oktober 1974 i.S. Z., SJZ 1975 S. 266 Nr. 117 a.E.).
5.
a) Der Verkehrsweg, den der Fahrzeuglenker I. benützte, dient allein als Zufahrt zu den Parkplätzen einer Liegenschaft und ist maximal 30 Meter lang, so dass auf dieser Strecke kein Verkehr aufkommen kann. Dasselbe gilt für die Garageausfahrt, die der Beschwerdeführer befuhr. Beide Verkehrswege sind daher als Parkplatz- beziehungsweise Garageausfahrten im Sinne von
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
zu betrachten. Eine unterschiedliche verkehrsmässige Bedeutung der beiden Ausfahrten ist nicht ersichtlich und wird von der Vorinstanz jedenfalls nicht festgestellt.
b) Nach der allgemeinen Regel von
Art. 36 Abs. 2 SVG
hat auf Strassenverzweigungen das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt. Diese Rechtsvortrittsregel gelangt entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch zur Anwendung, wenn sich zwei Verkehrsflächen von untergeordneter Bedeutung kreuzen oder gabeln, beziehungsweise die eine in die andere einmündet (vgl. SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, S. 245 N 664 mit weiteren Hinweisen). Die Bestimmung von
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
steht dem nicht entgegen. Diese besagt, dass das Zusammentreffen von Garage- und Parkplatzausfahrten etc. mit einer Fahrbahn nicht als Verzweigung gilt. Rad- oder Feldwege und Garage- oder ähnliche Ausfahrten sind jedoch ebenfalls von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder Fussgängern benützte Verkehrsflächen und weisen dem Fahrverkehr dienende Teile auf. Sie stellen nach der gesetzlichen Umschreibung ebenfalls Strassen und Fahrbahnen dar (vgl.
Art. 1 Abs. 1 und 4 VRV
).
Art. 1 Abs. 8 Satz 1 VRV
trifft daher auch auf solche Verkehrsflächen zu, so dass Kreuzungen, Gabelungen oder Einmündungen derartiger Verkehrswege ebenfalls Verzweigungen sind.
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
liegt der Gedanke zugrunde, dass der Verkehr auf Durchgangsstrassen weder innerorts noch ausserorts durch Abzweigungen behindert werden soll, die für den Motorfahrzeugverkehr praktisch keine oder nur geringe Bedeutung haben (
BGE 92 IV 27
). Im Verhältnis zu Verkehrswegen von eindeutig untergeordneter Bedeutung steht der Vortritt somit in jedem Fall den auf Strassen mit grossem Verkehrsaufkommen
BGE 117 IV 498 S. 503
verkehrenden Fahrzeugen zu. Dies steht in Einklang mit
Art. 15 Abs. 3 VRV
. Satz 2 von
Art. 1 Abs. 8 VRV
beinhaltet somit eine Ausnahme von der Rechtsvortrittsregel gemäss
Art. 36 Abs. 2 SVG
. Ein Grund für eine solche Ausnahme vom Rechtsvortrittsgebot besteht jedoch beim Zusammentreffen von Wegen und Ausfahrten, denen je im Verhältnis unter sich in bezug auf die Verkehrsdichte annähernd die gleiche Bedeutung zukommt, nicht (vgl. zu Verhältnis zweier Nebenstrassen untereinander
BGE 96 IV 37
E. 1).
Zusammenfassend ergibt sich daraus, dass als Regel bei jeder Verzweigung von Fahrbahnen der Rechtsvortritt gilt. Ausnahmen davon greifen nur Platz bei Verzweigungen von Fahrbahnen, bei denen der einen Fahrbahn gegenüber der anderen im Sinne der angeführten bundesgerichtlichen Rechtsprechung verkehrsmässig eine eindeutig untergeordnete Bedeutung zukommt. Dem entspricht, dass die Ausnahmebestimmung von
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV
im Interesse möglichst klarer Verkehrs- und Vortrittsrechtsverhältnisse einschränkend auszulegen ist und im Zweifel stets die normale Ordnung gilt (
BGE 106 IV 57
,
BGE 107 IV 49
E. 3a).
c) Aus dem Gesagten folgt, dass das Zusammentreffen der Fahrbahn der Garageausfahrt, die der Beschwerdeführer benützte, und der von I. befahrenen Parkplatzausfahrt eine Strassenverzweigung bildet, bei der nach
Art. 36 Abs. 2 SVG
der Rechtsvortritt gilt. Der Beschwerdeführer war daher gegenüber dem von links kommenden Fahrzeuglenker I. vortrittsberechtigt. Wenn die Vorinstanz dies verneinte und
Art. 14 Abs. 5 VRV
anwandte, hat sie somit Bundesrecht verletzt.
6.
Das Vortrittsrecht des Beschwerdeführers ergibt sich überdies auch aus dem Umstand, dass I. rückwärts fuhr. Gemäss
Art. 36 Abs. 4 SVG
darf der Fahrzeugführer, der rückwärts fahren will, andere Strassenbenützer nicht behindern. Er hat allen auf der Strasse verkehrenden Fahrzeugen, ob sie von rechts oder von links kommen, den Vortritt zu gewähren (
BGE 106 IV 60
E. 2). Die Vortrittspflicht des Rückwärtsfahrenden gilt bei jeder Verzweigung auch gegenüber von links kommenden oder durch Signal an sich vortrittsbelasteten Vorwärtsfahrern (vgl. BUSSY/RUSCONI, Code suisse de la circulation routière, Commentaire, art. 36 No 4.14 let. d; GIGER, Strassenverkehrsgesetz, 4. Aufl. 1985, S. 111 lit. f).
Das Zusammentreffen der Parkplatz- und der Garageausfahrt im zu beurteilenden Fall bilden eine Verzweigung im Sinne von
BGE 117 IV 498 S. 504
Art. 1 Abs. 8 Satz VRV (vgl. E. 5 hievor). Dem Beschwerdeführer stand daher der Vortritt auch deshalb zu, weil I. rückwärts fuhr. Ob I. als Rückwärtsfahrender auch dann vortrittsbelastet gewesen wäre, wenn die von ihm befahrene Verkehrsfläche gegenüber derjenigen, auf der sich der Beschwerdeführer befand, übergeordnet gewesen wäre (Art. 1 Abs. 8 Satz 2 und 15 Abs. 3 VRV), kann offenbleiben (vgl. SCHAFFHAUSER, a.a.O., N 704).
7.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer aus zwei Gründen vortrittsberechtigt war: Zum einen, weil er in der vorliegenden Konstellation den Rechtsvortritt hatte; zum anderen, weil I. als Rückwärtsfahrer vortrittsbelastet war. Aus diesen Gründen ist die Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen.
| null |
nan
|
de
| 1,991 |
CH_BGE
|
CH_BGE_006
|
CH
|
Federation
|
aa6c9896-23e0-498b-be52-0b0bb6d287b1
|
Urteilskopf
120 V 423
59. Urteil vom 10. August 1994 i.S. K. gegen Erziehungsdirektion des Kantons Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich
|
Regeste
Art. 19 Abs. 1 und 2 IVG
,
Art. 26bis Abs. 1 IVG
,
Art. 8 ff. IVV
,
Art. 24 Abs. 1 und 3 IVV
,
Art. 1 ff. SZV
, Art. 97, 98 lit. a-h,
Art. 128 OG
,
Art. 5 VwVG
.
- Rechtsweg bei Ablehnung eines Instituts als Sonderschule im Einzelfall (Erw. 1, 2).
- Für die Zulassung eines privaten Instituts als Sonderschule im Einzelfall erforderliche Voraussetzungen in personeller Hinsicht (Erw. 3, 4).
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Sachverhalt
ab Seite 423
BGE 120 V 423 S. 423
A.-
Der 1977 geborene K. leidet an mehreren Geburtsgebrechen, namentlich an Klumpfüssen und an einer peripher-motorischen Dyslalie bei Moebius-Syndrom (Einwärtsschielen bei beidseitiger Abducens- und Facialisparese). Die Invalidenversicherung kam für medizinische Massnahmen auf, sprach Beiträge an pädagogisch-therapeutische Massnahmen zu und gab diverse Hilfsmittel ab.
Die ersten fünf Schuljahre verbrachte K. an der Volksschule; daneben erhielt er ambulante logopädische und psychomotorische Betreuung. Seit dem Schuljahr 1990/91 besucht er die Freie Evangelische Schule Zürich. Dort legte er das sechste Schuljahr zurück, absolvierte sodann ein Jahr in einer Übergangsklasse und ist seit Beginn des Schuljahres 1992/93 in einer Oberstufenklasse unter heilpädagogischer Leitung. Am 18. Dezember 1991
BGE 120 V 423 S. 424
stellte der Vater von K. der Invalidenversicherung ein Begehren um Beiträge daran ab Schuljahr 1990/91. Nach Vornahme verschiedener Abklärungen liess die Erziehungsdirektion des Kantons Zürich die Freie Evangelische Schule Zürich mit Verfügung vom 3. Februar 1993 als Sonderschule im Einzelfall für die Schuljahre 1992/93 bis 1994/95 zu, lehnte jedoch mit Verfügungen vom 6. und 20. April 1993 eine rückwirkende Zulassung für 1990/91 und 1991/92 ab.
B.-
Den gegen die beiden Verfügungen vom 6. und 20. April 1993 eingereichten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Entscheid vom 12. Januar 1994 ab.
C.-
Die Eltern von K. lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, die Freie Evangelische Schule Zürich sei als Sonderschule im Einzelfall für die Schuljahre 1990/91 und 1991/92 zuzulassen.
Die Erziehungsdirektion des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Auf die Begründungen wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Gesetz und Verordnung unterscheiden zwischen den materiellen Anspruchsvoraussetzungen für Sonderschulbeiträge einerseits (
Art. 19 IVG
, Art. 8 f. IVV) und dem Erfordernis der formellen Zulassung anderseits (
Art. 26bis IVG
,
Art. 24 Abs. 1 IVV
). Gestützt auf diese Bestimmungen sieht die Verordnung über die Zulassung von Sonderschulen in der Invalidenversicherung (SZV; SR 831.232.41) besondere Zulassungsvoraussetzungen und ein spezielles Zulassungsverfahren für Institutionen und Einzelpersonen vor, die im Rahmen der Invalidenversicherung Minderjährige unterrichten. Der Sonderschulunterricht ist durch IV-Beiträge nur zu subventionieren, wenn die betreffende Schule zur Tätigkeit auf dem Gebiet der Invalidenversicherung zugelassen worden ist. Weder die Invalidenversicherungs-Kommission (heute IV-Stelle) noch die Ausgleichskasse (durch Verfügung), noch der Richter (auf Beschwerde gegen die Kassenverfügung) sind im Rahmen des IV-rechtlichen Anmeldungs- (
Art. 46 IVG
) oder darauffolgenden Leistungsstreitverfahrens (
Art. 69 IVG
in Verbindung mit
Art. 84 AHVG
) zuständig, über diese Zulassung zu befinden oder Zulassungsverfahren einzuleiten (vgl.
BGE 109 V 15
Erw. 2b; ZAK 1982
BGE 120 V 423 S. 425
S. 325). Dies ist nach Gesetz und Verordnung in allen Fällen Sache des Bundesamtes für Sozialversicherung oder der zuständigen kantonalen Amtsstelle. Ihnen obliegt es abzuklären, ob das Institut generell oder bezogen auf einen einzelnen Schüler die Zulassungsvoraussetzungen (
Art. 2 ff. SZV
) erfüllt (vgl. zum Ganzen MEYER-BLASER, Die Bedeutung der Sonderschulzulassung für den Leistungsanspruch gegenüber der Invalidenversicherung, in SZS 1986 S. 77 f., mit Hinweisen).
b) Schulen, die invaliden Minderjährigen einen dem Gebrechen angepassten regelmässigen Sonderschulunterricht im Sinne von
Art. 8 Abs. 1 lit. a IVV
erteilen wollen, bedürfen nach
Art. 26bis Abs. 1 und 2 IVG
einer Zulassung, um ihren Schülern Anspruch auf Beiträge der Invalidenversicherung zu vermitteln. Der Bundesrat übertrug die Zuständigkeit zum Erlass von Zulassungsvorschriften gemäss
Art. 24 Abs. 1 IVV
dem Eidg. Departement des Innern, das gestützt auf diese Delegation am 11. September 1972 die SZV erlassen hat. Deren Art. 10 sieht vor, dass für die Zulassung von Sonderschulen, die ständig mehr als vier Schüler mit Anspruch auf den Sonderschulbeitrag der Invalidenversicherung unterrichten, das Bundesamt für Sozialversicherung zuständig ist (Abs. 1); in den übrigen Fällen liegt die Zuständigkeit für die Anerkennung als Sonderschule beim Kanton, in dem sich das Institut befindet (Abs. 2).
2.
a) Gemäss
Art. 128 OG
beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von
Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG
auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen verweist
Art. 97 OG
auf
Art. 5 VwVG
. Nach
Art. 5 Abs. 1 VwVG
gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (und im übrigen noch weitere, nach dem Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen).
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach
Art. 98 lit. g OG
zulässig gegen Verfügungen letzter kantonaler Instanzen, soweit nicht das Bundesrecht zunächst die Beschwerde an eine Vorinstanz in Sinne der lit. b-f desselben Artikels vorsieht.
Der angefochtene Regierungsratsentscheid vom 12. Januar 1994 ist eine letztinstanzliche kantonale Verfügung auf dem Gebiet der Sozialversicherung, gegen die das Bundesrecht keine Weiterzugsmöglichkeit an eine andere Vorinstanz vorsieht. Es handelt sich um einen jener Fälle, da eine andere Behörde als die nach
Art. 85 AHVG
in Verbindung mit
BGE 120 V 423 S. 426
Art. 69 IVG
vorgesehenen kantonalen Beschwerdeinstanzen auf dem Gebiet der Invalidenversicherung den anfechtbaren Entscheid erlässt. Hiegegen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig. Ferner ist der Versicherte (oder sein gesetzlicher Vertreter) im Hinblick darauf, dass die beantragten Sonderschulbeiträge nur zugesprochen werden können, wenn das in Aussicht genommene Institut als Sonderschule im Einzelfall zugelassen worden ist (ZAK 1980 S. 273 f. Erw. 1b und Erw. 2 in fine), im Sinne von
Art. 103 lit. a OG
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (MEYER-BLASER, a.a.O.). Auf diese ist somit einzutreten.
b) Da es im vorliegenden Rechtsstreit um die Zulassung einer Privatschule als Sonderschule im Einzelfall und damit nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen (
Art. 132 OG
) geht, hat das Eidg. Versicherungsgericht nur die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, nicht aber die Angemessenheit zu prüfen; an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhaltes ist das Gericht nicht gebunden (Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 1 OG
).
3.
a) Entsprechend dem angefochtenen negativen Zulassungsentscheid des Regierungsrates ist vorliegend einzig zu prüfen, ob die Freie Evangelische Schule Zürich den Anforderungen der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere der SZV, und der Rechtsprechung (vgl. hiezu
BGE 109 V 14
ff., Erw. 2a und 3) für eine derartige Zulassung im Einzelfall genügt. Nicht zu prüfen und im übrigen auch nicht umstritten ist dagegen die Frage, ob der Beschwerdeführer sonderschulunterrichtsbedürftig ist.
Nach
Art. 1 SZV
gelten Institutionen und Einzelpersonen, die im Rahmen der Invalidenversicherung invalide Minderjährige unterrichten, als Sonderschulen und bedürfen einer Zulassung. Sie haben zudem den kantonalen Vorschriften zu genügen (
Art. 2 SZV
).
Die Leitung und die Personen, die mit der Schulung, Erziehung sowie der Durchführung pädagogisch-therapeutischer Massnahmen betraut sind, müssen über die für ihre Tätigkeit erforderliche Ausbildung und Eignung verfügen (
Art. 3 Abs. 1 SZV
). Personen ohne ausreichende Ausbildung dürfen für die Durchführung der in Abs. 1 genannten Massnahmen nur eingesetzt werden, wenn sie unter der Leitung und Verantwortung einer voll ausgebildeten Fachperson arbeiten und sich verpflichten, die fehlende Ausbildung zu erwerben (Abs. 3). Der Unterricht muss den Gebrechen der Schüler angepasst sein und
BGE 120 V 423 S. 427
den therapeutischen Erfordernissen Rechnung tragen (
Art. 4 SZV
). Erfordert das Gebrechen der Schüler besondere Pflege und Behandlung, muss eine fachgemässe Durchführung sichergestellt sein (
Art. 7 SZV
).
b) Der Regierungsrat hat die Zulassung der Freien Evangelischen Schule Zürich als Sonderschule im Einzelfall für den Beschwerdeführer für die Schuljahre 1990/91 und 1991/92 im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Lehrer, welche in jenen Jahren den Versicherten unterrichtet hätten, seien nicht im Besitz der erforderlichen Spezialausbildung gewesen. Ferner seien nicht Kleinklassen im Sinne der Sonderschulung, sondern relativ kleine Normalklassen mit 10 bis 16 Schülern geführt worden. In der Oberstufe hingegen erhalte der Beschwerdeführer Unterricht und Betreuung von einer heilpädagogisch geschulten Lehrkraft, weshalb die Zulassung zu Recht erst ab dem Schuljahr 1992/93 erfolgt sei.
Demgegenüber lässt der Beschwerdeführer geltend machen, gemäss einer Bestätigung des Lehrers M. hätte er seiner Behinderungen wegen keine Volksschule besuchen können. Nur dank der Sonderschulung habe er die Prüfungen für den Übertritt in die Sekundarschule bestanden. Sowohl der Lehrer der 6. Klasse wie die Lehrerin der Übergangsklasse hätten über eine sonderpädagogische Spezialausbildung verfügt. Die 6. Klasse habe sodann 9, die Übergangsklasse 15 Schüler umfasst. Damit seien die Voraussetzungen für eine Zulassung erfüllt gewesen.
4.
a) Gemäss einem Schreiben des Rektors der Freien Evangelischen Schule Zürich an die kantonale Erziehungsdirektion vom 3. Februar 1993 haben im 6. Schuljahr Frau W. und Herr S., in der Übergangsklasse Frau J. den Beschwerdeführer unterrichtet. Frau W. hat gemäss einer vom Rechtsvertreter des Versicherten erstellten Liste ausser dem Primarlehrerpatent keine weitere Ausbildung erworben. Herr S. besitzt neben einem solchen Patent Abschlüsse in Theologie und in Erwachsenenbildung. Er hat zudem Kurse in verschiedenen Institutionen über sonderpädagogische und allgemeine psychologische Fragen besucht, ohne in diesen Gebieten über ein Abschlussdiplom zu verfügen. Einige dieser Kurse hat er offenbar erst nach den hier streitigen Schuljahren absolviert. Frau J. schliesslich ist ausser Primar- und Mittelstufenlehrerin ausgebildete Legasthenietherapeutin und hat eine Reihe von Kursen aus verschiedenen Fachgebieten besucht.
b) Aus diesen Unterlagen ergibt sich, dass Frau W. offensichtlich die Voraussetzungen für die Anerkennung des von ihr erteilten Unterrichts als
BGE 120 V 423 S. 428
Sonderunterricht im Einzelfall nicht erfüllt. Herr S. dürfte aufgrund der von ihm besuchten Kurse über gewisse hilfreiche Kenntnisse verfügen. Eine eigentliche heilpädagogische Ausbildung mit entsprechendem Abschluss liegt jedoch nicht vor. Frau J. ist sodann wohl ausgebildete Legasthenietherapeutin; dies ist jedoch keine Ausbildung zur Führung einer Sonderklasse oder Sonderschule. Die Erziehungsdirektion des Kantons Zürich weist in ihrer Vernehmlassung ans Eidg. Versicherungsgericht darauf hin, dass Legasthenietherapeuten, die heilpädagogische Funktionen auszuüben wünschen, eine Ausbildung für Sonderklassen- und Sonderschullehrer nachzuholen und sich darüber mit einem Diplom auszuweisen haben. Im weiteren leidet der Beschwerdeführer nicht in erster Linie an Legasthenieproblemen, sondern an körperlichen Behinderungen und an Beeinträchtigungen in der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen. Er hat denn auch vor allem logopädische und psychomotorische Therapien erhalten.
c) Demnach ist festzustellen, dass die Lehrkräfte, welche den Beschwerdeführer in den hier streitigen Schuljahren unterrichtet haben, den Anforderungen für die Zulassung der Freien Evangelischen Schule Zürich als Sonderschule im Einzelfall nicht genügt haben. Keine erfüllt die Voraussetzung einer fachlichen Ausbildung im Sinne von
Art. 3 Abs. 1 SZV
in genügendem Ausmass. Sie haben ihren Unterricht auch nicht unter Aufsicht einer voll ausgebildeten Person nach
Art. 3 Abs. 3 SZV
erteilt. Dass die betreffenden Personen sich verpflichtet hätten, eine entsprechende Ausbildung mit Diplomabschluss nachzuholen, ist sodann nirgends ausgewiesen und wird auch nicht geltend gemacht. Unter diesen Umständen hat der Regierungsrat die Schule für den Beschwerdeführer zu Recht erst ab der Oberstufe als Sonderschule im Einzelfall zugelassen, da dieser Unterricht unter der Leitung eines ausgebildeten Heilpädagogen steht.
d) Bei diesem Ergebnis braucht nicht mehr näher geprüft zu werden, ob eine Zulassung auch wegen der Klassengrösse nicht in Betracht gekommen wäre. Immerhin weist die Erziehungsdirektion in der Vernehmlassung vor dem Eidg. Versicherungsgericht nicht ohne Grund darauf hin, dass zumindest die Klasse von 16 Schülern (oder deren 15, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde behauptet wird) im Übergangsschuljahr die gemäss den einschlägigen kantonalen Vorschriften bestehenden Höchstschülerzahlen für eine Zulassung überstiegen hätte. Nach
Art. 2 SZV
haben Sonderschulen auch den kantonalen Vorschriften zu genügen.
BGE 120 V 423 S. 429
Ebenso erübrigen sich nähere Ausführungen zur Frage, ob und in welchem Umfang in Fällen wie dem vorliegenden, da die Eltern erst nach Ablauf von mehr als einem Schuljahr um Kostengutsprache durch die Invalidenversicherung ersuchen, eine rückwirkende Zulassung möglich ist.
5.
(Kostenpunkt)
| null |
nan
|
de
| 1,994 |
CH_BGE
|
CH_BGE_007
|
CH
|
Federation
|
aa6d29a5-c960-4399-9143-736a21bb0d21
|
Urteilskopf
83 II 401
54. Sentenza 11 luglio 1957 della I Corte Civile nella causa Tellus SA contro Maletti e Coste.
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Regeste
Art. 197 OR
, Gewährleistung für Sachmangel.
Auf die Lebenserfahrung gestützte Auslegung einer tessinischen notariellen Klausel, wonach Liegenschaften "in ihrem den Vertragsparteien bekannten gegenwärtigen tatsächlichen und rechtlichen Zustand" verkauft werden.
Begriff der "blossen Floskel".
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Sachverhalt
ab Seite 401
BGE 83 II 401 S. 401
A.-
In data del 27 settembre 1952, Agnese Maletti ha venduto alla Tellus SA, in Lugano, una casa di reddito che aveva fatto costruire a Morbio Inferiore nel 1950/1951, secondo i piani e sotto la direzione dell'architetto Coste. Il negozio fu concluso per un prezzo di 165 000 fr. (di cui 1500 per il giardino e la strada), previo esame della costruzione dalla cantina al solaio. La clausola num. 5 del contratto notarile disponeva quanto segue: "I beni suddetti sono venduti ed acquistati nel loro attuale stato di fatto e di diritto, noto alle parti contraenti, e dichiarati liberi da servitù sia attiva sia passiva, fatto eccezione per i diritti di passo sulla strada, come iscritto a registro fondiario".
Poichè al momento della visita dell'immobile era stata costatata l'esistenza di talune screpolature, le parti contraenti sottoscrissero, lo stesso giorno in cui fu concluso il contratto di compra-vendita, una convenzione separata del tenore seguente: "... si conviene che entro 8 giorni da oggi serà effettuato in comune un sopralluogo per accertare i lavori da fare effettuare ai capi d'arte in garanzia; detti lavori saranno fatti eseguire dalla signora Maletti entro fine ottobre 1952".
BGE 83 II 401 S. 402
B.-
Pochi giorni dopo la conclusione del contratto, la Tellus SA incaricava un architetto di controllare l'edificio. Questi attribuiva le screpolature a eccessiva debolezza delle impalcature, faceva riserve circa la stabilità della casa in genere, stimava in 9330 fr. il costo dei lavori di rafforzamento delle impalcature e riteneva un minor valore della costruzione di 15 884 fr.
Agnese Maletti e l'architetto Coste contestarono la fondatezza delle affermazioni e valutazioni del perito designato dalla Tellus SA, cosicchè questa li conveniva in giudizio direttamente davanti alla Camera civile del Tribunale d'appello. Le sue conclusioni, intese a ottenere il pagamento di 25 577 fr. 20 da ambedue i convenuti in solido e, inoltre, di 700 fr. da Agnese Maletti, furono respinte con sentenza del 9 luglio 1956. Nel suo giudizio, il Tribunale di appello considerò in sostanza che la clausola num. 5 del contratto di compra-vendita comportava, riservato l'art. 199 CO, le cui condizioni non erano in concreto adempiute, l'esclusione di ogni garanzia per difetti diversi da quelli contemplati nella convenzione separata; inoltre, ritenne che, nella misura in cui era diretta contro l'architetto Coste, l'azione doveva comunque essere respinta per l'assenza di un rapporto contrattuale qualsiasi con la compratrice.
C.-
La Tellus SA ha interposto in tempo utile un ricorso per riforma al Tribunale federale, nel quale chiede che i convenuti siano obbligati a pagarle in solido 11 635 fr. più gli interessi legali.
Nelle loro osservazioni, Agnese Maletti e l'architetto Coste hanno concluso per la reiezione del gravame.
D.-
In corso d'istruttoria del ricorso, il Tribunale federale si è rivolto al Tribunale di appello del Cantone Ticino per conoscere l'opinione dei giudici di quella corte circa il significato generalmente attribuito, nel Ticino, alla clausola contrattuale num. 5 nel campo delle transazioni immobiliari. Il Tribunale di appello ha risposto alle varie domande postegli con scritto del 19 giugno 1957.
BGE 83 II 401 S. 403
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
All'autorità cantonale la ricorrente rimprovera avantutto di avera violato l'art. 197 CO relativo alla garanzia per i difetti della cosa nei contratti di compravendita, ritenendo che la clausola num. 5 dell'atto notarile avesse per effetto di escludere ogni garanzia per i difetti diversi da quelli contemplati nella convenzione separata. Secondo il suo modo di vedere, la clausola "I beni suddetti sono venduti ed acquistati nel loro attuale stato di fatto e di diritto, noto alle parti contraenti" non potrebbe escludere la garanzia per i difetti non noti, in quanto par la unicamente di "stato di fatto ... noto alle parti contraenti". In realtà, la conclusione di una convenzione separata mediante la quale la venditrice s'impegnava a porre rimedio ai difetti costatati dalle parti prima della stipulazione del contratto notarile starebbe precisamente a confermare che l'immobile fu acquistato "nello stato - e cioè con i difetti - noti in quel momento", riservata ogni eccezione per quelli non riconoscibili.
Su questo punto, occorre considerare quanto segue. In assenza di un'accettazione della cosa a norma dell'art. 201 CO in unione con l'art. 221 CO (l'ispezione dell'immobile avvenne prima della conclusione del contratto di compravendita e non potè dunque significare per sè accettazione della cosa nel senso dei disposti citati), determinante per la risoluzione del presente litigio è effettivamente l'interpretazione che dev'essere data alla clausola num. 5 del contratto di compra-vendita. Detta interpretazione verte qui in primo luogo sulla portata, secondo l'esperienza generale, di una dichiarazione contrattuale di volontà e non sul significato che le parti hanno potuto attribuire alla clausola in base a speciali circostanze esterne. Ne segue che la questione è di massima soggetta al sindacato del Tribunale federale già per questo motivo (cfr. RU 69 II 319 sgg), indipendentemente dal fatto se la clausola medesima possa o meno essere definita una clausola di
BGE 83 II 401 S. 404
stile vera e propria conformemente a quanto serà esposto più oltre.
2.
Come il Tribunale federale ha già più volte statuito, la disposizione dell'art. 197 CO non è di diritto imperativo. Riservato il caso in cui il venditore abbia dissimulato al compratore dei difetti dolosamente (art. 199 CO), la garanzia per i difetti della cosa può essere soppressa o limitata mediante convenzione. Naturalmente, la clausola contrattuale che sopprime o limita la garanzia del venditore deve essere voluta dalle parti. Inoltre, occorre che essa sia chiara. Quando queste condizioni siano adempiute, dev'essere deciso di volta in volta secondo i principi della buona fede e tenuto conto tanto delle circostanze del caso concreto quanto del comportamento delle parti medesime. Secondo la giurisprudenza del Tribunale federale, si tratta di esaminare quale interpretazione gli interessati fossero in diritto di dare, in base all'opinione comune prevalente nelle relazioni tra gente ragionevole, alle loro dichiarazioni. Nel dubbio, la clausola sarà interpretata in modo restrittivo, la buona fede obbligando il venditore a dire senza equivoco possibile che non intende assumere garanzia alcuna (cfr. RU 72 II 269;
73 II 224
sgg).
Se si tiene conto di questi principi - segnatamente delle circostanze in cui l'immobile è stato venduto nonchè del comportamento delle parti contraenti -, l'interpretazione che la ricorrente vorrebbe dare alla clausola litigiosa non può essere condivisa. Innanzitutto, oggetto del contratto di compra-vendita non era un vecchio stabile, bensì una costruzione terminata da appena un anno. Così stando le cose, è evidente che la clausola non poteva comunque riferirsi alle conseguenze di un uso normale e prolungato della cosa. D'altra parte, i contraenti avevano concluso, per quanto concerne i difetti constatati al momento della visita preliminare, una convenzione separata intesa a porvi rimedio. Ne segue che, limitata a questi soli difetti, la clausola si rivelerebbe priva di senso.
BGE 83 II 401 S. 405
In realtà, occorre ammettere che la venditrice ha voluto escludere, vendendo l'immobile nel suo attuale stato di fatto noto alle parti, ogni garanzia per eventuali difetti che si fossero rivelati solo più tardi. Quest'interpretazione si giustifica, dal momento che la clausola in discussione non contiene restrizioni di sorta. Sotto tale aspetto, essa si distingue in particolare da una clausola che fosse stata convenuta per escludere la garanzia - poniamo - per i soli difetti del materiale usato o per i soli vizi di costruzione. Se da una disposizione di questa natura sarebbe per sè ammissibile dedurre che l'esclusione della garanzia è limitata ai soli difetti del materiale o ai soli vizi di costruzione, nulla autorizza un'illazione analoga quando una cosa è venduta "nel suo attuale stato di fatto".
La circostanza che le parti abbiano preliminarmente visitato l'immobile non conduce a una conclusione diversa. Infatti, i contraenti non convennero che l'immobile era venduto e consegnato "nel suo stato di fatto quale risultava dall'ispezione oculare", ma conclusero al contrario, circa le constatazioni fatte durante la visita della casa, una convenzione separata. La clausola litigiosa non può in tale situazione ragionevolmente essere intesa nel senso che la garanzia doveva essere esclusa unicamente per i difetti riconoscibili, come si potrebbe invece ritenere quando una cosa è venduta in base alle risultanze di un controllo oculare (cfr. su questo punto BECKER, Commentario CO, nota 3 ad. art. 199; per il diritto germanico, STAUDINGER, Commentario BGB, 10. edizione note 6 e 7 al § 476).
Contrariamente all'opinione della ricorrente, proprio il tenore della convenzione separata raffrontato a quello della clausola litigiosa induce in ogni modo a considerare infondata la tesi sostenuta nel gravame per riforma. Vi si par la infatti non già di "lavori da fare effettuare" in genere, bensì di "lavori da fare effettuare ai capi d'arte in garanzia". Se non si vuole negare ogni valore a questa precisazione, l'argomentazione della ricorrente secondo
BGE 83 II 401 S. 406
cui per "stato di fatto ... noto" si dovrebbe intendere "lo stato difettoso" dell'immobile dev'essere definita per lo meno inverosimile. Certo è che tale ragionamento pecca comunque alla base, in quanto nella clausola litigiosa non è nemmeno fatto cenno di difetti, riconoscibili o meno.
L'interpretazione della clausola litigiosa nel senso che essa implica di massima l'esclusione di ogni garanzia per i difetti della cosa si giustifica in concreto, tanto più che detta clausola non differisce sostanzialmente da quella che in situazioni affini sono usate, con gli stessi effetti giuridici, in altri Cantoni e, inoltre, in Germania. Innanzitutto, il caso in esame è assai analogo a una controversia giudicata l'8 febbraio 1937 dalla Corte d'appello del Cantone di Friborgo (cfr. Extraits des principaux arrêts du Tribunal Cantonal 1936/1937, pag. 55 sgg). Chiamato a statuire sul significato della clausola secondo cui un immobile era venduto "dans l'état où il se trouve actuellement", quella corte considerò che la medesima doveva essere valutata quale un elemento del contratto e che come tale costituiva la legge delle parti e escludeva ogni garanzia per i difetti non riconoscibili. L'analogia con la fattispecie qui in esame è ancora più palese in un caso sul quale si pronunciarono i tribunali germanici (cfr. Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenstand, 1901, pag. 45 num. 141). Il tenore della clausola era allora il seguente: l'immobile è venduto "im Zustande und in der Beschaffenheit worin sich dasselbe gegenwärtig befindet und wie solches dem Käufer genügend bekannt ist". I giudici germanici considerarono in quel caso che l'esclusione della garanzia non era per nulla limitata dalla precisazione "und wie solches dem Käufer genügend bekannt ist". Essi ritennero al contrario che, dichiarando di conoscere lo stato di fatto della cosa, il compratore aveva precisamente rinunciato al diritto di allegare eccezioni per dei fatti che non gli fossero stati noti al momento della conclusione del contratto. Basti questo esempio a indicare come, contrariamente alla tesi della ricorrente, la precisazione "noto alle
BGE 83 II 401 S. 407
parti" - lungi dal costituire una limitazione dell'esclusione della garanzia - ne rafforzi in realtà la portata.
Solo qualora dovesse rivestire, nel Cantone Ticino, il carattere di una "clausola di stile" vera e propria, la clausola litigiosa potrebbe, nella misura in cui non fosse provata una volontà diversa delle parti contraenti, essere definita inefficace agli effetti dell'esclusione della garanzia per i difetti non riconoscibili della cosa. Nella fattispecie, quest'ipotesi non è tuttavia attuata. Il Tribunale federale giunge a questa conclusione dopo avere considerato che, in materia d'esclusione della garanzia per i difetti della cosa, una clausola non può essere definita di stile per il solo fatto che è abitualmente o per lo meno frequentemente inserita in un medesimo tipo di contratto, come taluni autori ritengono (cfr. LECOMTE: La clause de style, nella Revue trimestrielle de droit civil 1935, pag. 305 segg). Se non si vogliono misconoscere i requisiti posti in questo campo dalla dottrina e dalla giurisprudenza, una clausola sarà di stile e come tale inefficace solo se figura nella formula abituale del tipo di contratto cui si riferisce e le parti l'hanno riprodotta nel loro proprio contratto, ispirandosi alla formula ma senza averne nè previsto nè voluto il contenuto (cfr. op.cit., pag. 320). In concreto, appare dalle osservazioni unanimi dei nove membri del Tribunale di appello che nel Ticino (per l'Italia cfr. GORLA: La compravendita e la permuta 1937, num. 91, pag. 118) la clausola litigiosa "non riproduce une frase che si trovi in tutti gli atti del genere (essa rispecchia la circostanza della visita dello stabile realmente effettuata dalle parti) e che altre clausole sono più frequentemente usate nei contratti di compra-vendita". Così stando le cose, si potrebbe escludere che la clausola litigiosa sia di puro stile nel Ticino, già perchè non figura nella formula abituale del tipo di contratto cui si riferisce, che è quello precisemente della compra-vendita. Certo è che detta clausola non può essere di puro stile perchè non si è introdotta nel contratto indipendentemente dalla volontà delle parti: lo
BGE 83 II 401 S. 408
dimostra la circostanza che la ricorrente nemmeno pretende di non aver voluto la stipulazione di quella clausola, ma si limita a contestare l'interpretazione che ne ha dato l'autorità cantonale. Pure i termini della clausola litigiosa, che non sono tratti da un vocabolario giuridico speciale ma corrispondono a espressioni della parlata popolare corrente con un senso preciso, inducono a ritenere che la clausola stessa non sia di puro stile.
A questo riguardo, la situazione è tra l'altro diversa da quella di cui il Tribunale federale si occupò nella sentenza RU 60 II 443/444.. Sebbene la clausola "Nachwährschaft wird wegbedungen" fosse per sè più esplicita nella sua formulazione di quella qui in esame, il Tribunale federale le negò qualsiasi valore agli effetti dell'esclusione di ogni garanzia perchè, secondo gli accertamenti vincolanti dell'ultima istanza zurigana, detta clausola, usata all'origine dal venditore per cautelarsi contro l'ulteriore accertamento di diritti reali limitati non iscritti, era successivamente divenuta una semplice clausola tradizionale sulla cui portata e sul cui significato le parti non potevano facilmente nè dovevano comunque necessariamente rendersi conto (cfr. anche RU 72 II 268). La ricorrente non pretende che la clausola ticinese avrebbe un'origine analoga. Ne segue che la stessa non può essere valutata - per usare un'espressione della sentenza ìmpugnata - alla stregua di un "inutile fronzolo notarile".
3.
...
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è respinto. Di conseguenza la sentenza impugnata è confermata.
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public_law
|
nan
|
it
| 1,957 |
CH_BGE
|
CH_BGE_004
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CH
|
Federation
|
aa6eb11c-ba25-498c-87f7-df2494fb2cf6
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Urteilskopf
81 I 133
24. Extrait de l'arrêt du 22 juin 1955 dans la cause Lévy et Abetel contre Vaud, Cour de cassation pénale.
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Regeste
Rechtsnatur und Wirkungen der in
Art. 102 Ziff. 13 BV
vorgesehenen bundesrätlichen Genehmigung kantonaler Erlasse.
Anwendung der aufgestellten Grundsätze auf die nach
Art. 29 SchKG
erforderliche Genehmigung.
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Sachverhalt
ab Seite 134
BGE 81 I 133 S. 134
A.-
Le 5 septembre 1944, le Grand Conseil du canton de Vaud a adopté une loi sur la représentation des parties (ci-après LRP), qui dispose notamment:
"Art. 3. - Nul ne peut représenter habituellement les parties devant les juges et tribunaux et vis-à-vis des offices et autorités de poursuites et de faillites s'il n'est avocat ou agent d'affaires breveté."
"Art. 8 al. 1. - Toute contravention à l'art. 3 est punie de l'amende jusqu'à dix mille francs ou des arrêts jusqu'à trois mois."
La LRP est entrée en vigueur le 1er janvier 1945. En été 1954, le Conseil d'Etat du canton de Vaud l'a soumise à l'approbation du Conseil fédéral, en application de l'art. 29 LP. Cette approbation a été accordée le 30 juillet 1954.
B.-
Le 16 septembre 1954, le Tribunal de simple police du district de Rolle a condamné Robert Lévy et Raymond Abetel à une amende de cinquante francs chacun. Il a admis qu'ils avaient contrevenu à l'art. 3 LPR en adressant, en juin 1953, de Lausanne, en leur qualité d'administrateurs de Recouvrex S. A., deux réquisitions de poursuite à l'Office des poursuites et faillites de Rolle, alors qu'ils ne sont ni avocats ni agents d'affaires brevetés. Invoquant l'arrêt rendu par la Chambre des poursuites et des faillites le 15 mars 1940 dans la cause Strüby (RO 66 III 11), les condamnés avaient fait valoir qu'en juin 1953, date des contraventions incriminées, la LRP était entachée de nullité absolue et ne leur était donc pas applicable parce qu'elle n'avait pas encore reçu la sanction du Conseil fédéral. Cependant le Tribunal de simple police a considéré que, nonobstant ce défaut d'approbation, la LRP était applicable depuis son entrée en vigueur, c'est-à-dire dès le 1er janvier 1945.
Lévy et Abetel ont recouru au Tribunal cantonal vaudois, qui les a déboutés par arrêt du 15 novembre 1954 en relevant notamment que l'approbation du Conseil fédéral prévue par l'art. 29 LP n'a qu'un effet déclaratif et qu'ainsi la LRP avait toujours été valable.
BGE 81 I 133 S. 135
C.-
Lévy et Abetel saisissent aujourd'hui le Tribunal fédéral par la voie d'un recours de droit public. Ils reprennent leur moyen tiré d'une prétendue nullité de la LRP.
La Cour de cassation déclare se référer aux considérants de son arrêt. Le Ministère public conclut au rejet du recours.
D.-
Le 17 mai 1955, après une première délibération, la Chambre de droit public a décidé de procéder à un échange de vues (art. 16 OJ) avec la Chambre des poursuites et des faillites au sujet de la jurisprudence instaurée par l'arrêt Strüby. Les considérants de droit ci-après reviendront sur cet échange de vues dans la mesure nécessaire.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Malgré la divergence existant entre le texte allemand de l'art. 27 LP, qui autorise les cantons à organiser la représentation professionnelle des créanciers, et le texte français, qui permet aux cantons d'organiser la profession d'agent d'affaires, il n'y a pas de doute que la LRP est une loi cantonale rentrant dans le cadre de cette disposition et qu'elle est par conséquent soumise à l'approbation du Conseil fédéral, conformément à l'art. 29 LP. Il est constant d'autre part que cette approbation n'avait pas encore été donnée quand les contraventions incriminées ont été commises. Les recourants en déduisent qu'à cette époque la LRP n'était pas applicable et qu'ils ne sont pas punissables. Cette argumentation suppose que l'approbation du Conseil fédéral, telle qu'elle est prévue par l'art. 29 LP, aurait un effet constitutif. Il faut donc rechercher si tel est le cas. Cette question peut être examinée par le Tribunal fédéral statuant comme juridiction de droit public. En effet, elle ne saurait lui être soumise, pas plus d'ailleurs qu'à une autre autorité fédérale, par une action ou par un autre moyen de droit quelconque (art. 84 al. 2 OJ). En particulier, la Cour de cassation ne serait pas compétente, car les causes pénales de droit
BGE 81 I 133 S. 136
cantonal ne sont susceptibles de lui être déférées que lorsqu'elles soulèvent une question préjudicielle de droit pénal fédéral dont la solution commande l'application de la disposition cantonale (RO 73 IV 135 ss).
2.
Les recourants affirment que l'approbation du Conseil fédéral prévue par l'art. 29 LP est une condition de validité de l'acte cantonal. Cette opinion a été autrefois soutenue par FLEINER (Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Tübingen 1923, p. 58) qui s'appuyait lui-même sur la jurisprudence du Conseil fédéral (SALIS, Le droit fédéral suisse, 1re éd., vol. I, no 48; 2e éd., vol. V, no 2110; FF 1905 V 21 ss, spéc. 32/33). Plus récemment, elle a été exprimée par la Chambre des poursuites et des faillites dans son arrêt Strüby (RO 66 III 11), que les recourants citent à l'appui de leur manière de voir. En revanche, elle n'a jamais été celle de la Chambre de droit public.
Lorsque le Conseil fédéral donne son approbation à une loi faite par un canton en exécution de l'art. 27 LP, il tire son pouvoir de l'art. 102 ch. 13 Cst. aux termes duquel "il examine les lois et ordonnances des cantons qui doivent être soumises à son approbation". Il s'agit donc en définitive d'examiner quelle est la nature de l'approbation prévue par l'art. 102 ch. 13 Cst. Or la Chambre de droit public a tranché cette question à plusieurs reprises déjà, notamment à propos des lois cantonales sur la répression des abus en matière de presse (art. 55 al. 2 Cst.), sur l'établissement et les droits électoraux des citoyens établis en matière communale (art. 43 al. 6 Cst.), sur l'introduction du Code civil (art. 52 al. 3 Tit. fin. CC) et sur la chasse. De sa jurisprudence, les principes suivants peuvent être dégagés:
Quand il statue en vertu de l'art. 102 ch. 13 Cst., le Conseil fédéral ne fait pas acte de législateur, le texte qui lui est soumis restant le fait du législateur cantonal. Il agit uniquement comme autorité fédérale exécutive. Il se borne à procéder à un simple contrôle, à un examen sommaire et "prima facie" qui se caractérise dès lors comme un acte administratif et qui est essentiellement
BGE 81 I 133 S. 137
différent de l'examen auquel le Tribunal fédéral peut procéder en sa qualité de juridiction de droit public (RO 30 I 671/2, consid. 2
;
42 I 348
/9, consid. 2
;
52 I 160
ss, consid. 3
;
61 I 444
). Le but de ce contrôle n'est pas d'établir de façon définitive la constitutionnalité de la loi ou du règlement cantonal, mais simplement de prévenir les violations flagrantes de la Constitution ou des lois fédérales (RO 2, p. 37, consid. 2
;
30 I 671
/2, consid. 2
;
42 I 348
/9, consid. 2
;
52 I 160
ss, consid. 3). Etant donné sa nature, l'approbation du Conseil fédéral ne saurait être une condition de validité de l'acte législatif cantonal, qui entre en vigueur dès qu'il est promulgué et avant même que le Conseil fédéral l'ait examiné (RO 60 I 121, consid. 2
;
64 I 163
ss, consid. 2). Il s'ensuit que, lorsqu'un canton omet de présenter au Conseil fédéral un texte qui aurait dû lui être soumis en vertu de l'art. 102 ch. 13 Cst., ce texte n'en perd pas pour autant sa validité, mais reste applicable dès son entrée en vigueur (RO 15, p. 52/3, consid. 2; p. 540, consid. 1
;
60 I 121
, consid. 2). Il ne peut en aller autrement que lorsque la disposition de droit fédéral exigeant la sanction du Conseil fédéral en fait expressément une condition de validité de la loi ou de l'ordonnance cantonale (RO 42 I 348/9, consid. 2) ou tout au moins lorsque cela résulte sans discussion possible soit du système de la loi fédérale soit des travaux préparatoires. C'est pourquoi la Chambre de droit public a toujours estimé qu'elle pouvait librement examiner si une loi cantonale, même approuvée par le Conseil fédéral, était compatible avec le droit fédéral (RO 15 p. 52/3, consid. 2; p. 540 consid. 1
;
30 I 671
/2, consid. 2
;
38 I 471
, consid. 3
;
42 I 348
/9, consid. 2
;
50 I 342
, consid. 3
;
61 I 443
/4). C'est pourquoi aussi elle considère qu'elle n'est liée par la décision du Conseil fédéral qu'autant que celui-ci a refusé son approbation (RO 52 I 160, consid. 3).
Les cours civiles du Tribunal fédéral ont adopté cette jurisprudence et ont jugé que l'approbation du Conseil fédéral tend simplement à éviter des contradictions évidentes entre le droit fédéral et le droit cantonal et qu'elle
BGE 81 I 133 S. 138
ne dispense pas les autorités judiciaires d'examiner de plus près si la disposition cantonale est conforme au droit fédéral (RO 51 II 337, consid. 4 in fine;
53 II 461
/2;
63 II 294
). La doctrine dominante considère également que l'approbation du Conseil fédéral, telle qu'elle est prévue par l'art. 102 ch. 13 Cst., n'est pas une condition de validité de l'acte cantonal mais n'a que des effets déclaratifs (FLEINER/GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, p. 135-137; BURCKHARDT, Commentaire, p. 377/8, 521; FAVRE, Cours de droit des poursuites, p. 25, ch. 2). Enfin, à la suite de l'échange de vues intervenu, la Chambre des poursuites et des faillites a admis l'exactitude de la jurisprudence de la Chambre de droit public, et a déclaré consentir à ce que l'on s'écarte de l'arrêt RO 66 III 11. Il y a donc lieu d'affirmer en principe que l'approbation du Conseil fédéral prévue par l'art. 102 ch. 13 Cst. n'est pas une condition de validité de l'acte cantonal, à moins que la disposition de droit fédéral qui l'exige ne le prévoie expressément ou que cela ne résulte sans discussion possible du système de la loi fédérale ou des travaux préparatoires.
Ainsi que la Chambre des poursuites et des faillites l'a admis à la suite de l'échange de vues intervenu, ce principe doit s'appliquer à l'art. 29 LP. Cette disposition ne prévoit pas expressément que l'approbation du Conseil fédéral est une condition de validité de l'acte cantonal. Cela ne ressort pas non plus du système de la LP ou des travaux préparatoires. Dans ces conditions, les lois et règlements cantonaux organisant la profession d'agents d'affaires sont valables dès leur entrée en vigueur, avant même leur approbation par le Conseil fédéral. Tel est le cas en particulier de la LRP. Le moyen que les recourants entendaient tirer d'une prétendue nullité de cette loi n'est donc pas fondé.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral,
rejette le recours.
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nan
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