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Urteilskopf 137 V 446 47. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Personalfürsorgestiftung X. in Liquidation und Stiftung Sicherheitsfonds BVG gegen B. und H. AG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_779/2010 vom 30. September 2011
Regeste Art. 52, Art. 53 Abs. 1 und Art. 71 Abs. 1 BVG ; Art. 49 ff., Art. 35 und 50 Abs. 3 BVV 2 (in der bis 31. März 2000 gültig gewesenen Fassung), Art. 57 Abs. 1 und 2 BVV 2 (in der vom 1. Juni 1993 bis 31. März 2004 gültig gewesenen Fassung), Art. 58 BVV 2 ; Verantwortlichkeit der Kontrollstelle in Bezug auf Anlagen beim Arbeitgeber. Die Kontrollstelle hat in Bezug auf die Geschäftsführung der Vorsorgeeinrichtung nur eine Rechtmässigkeitsprüfung und nicht auch eine Zweckmässigkeitsprüfung vorzunehmen (E. 6.2.2). Offengelassen, ob und inwieweit die Liquidität in der Regel einer Prüfung unterliegt (E. 6.2.3). Kreditfinanzierte Vermögensanlagen sind nicht per se unzulässig (E. 6.2.6). Offengelassen, ob an Stelle der effektiven Leistung der BVG-Beiträge auch eine Forderung der Vorsorgeeinrichtung gegen den Arbeitgeber gebucht werden kann (E. 6.3). Begriff der Bonität, welcher von der Überschuldung nach Art. 725 OR zu unterscheiden ist (E. 6.3.3.3). Unter dem Gesichtspunkt des adäquaten Kausalzusammenhangs entfällt selbst bei pflichtwidrigem Verhalten eine Haftung, wenn der Schaden auch bei pflichtgemässem Verhalten nicht hätte verhindert werden können, welcher Tatbestand im konkreten Fall als gegeben zu betrachten ist (E. 7.3 und 7.3.2.2).
Sachverhalt ab Seite 447 BGE 137 V 446 S. 447 A. Die unter der Firma "Personalfürsorgestiftung für die Angestellten der Firma X. und allfälliger affiliierter Unternehmen" errichtete "Personalfürsorgestiftung der X." (nachfolgend: PFS) war eine registrierte Vorsorgeeinrichtung im Sinne der Gesetzgebung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. G. war seit 1988 Stiftungsrat der PFS. B., seit Februar 1990 kaufmännischer Leiter und Finanzchef der X. AG (Stifterfirma) (...). Kontrollstelle der PFS war - teilweise rückwirkend - von 1992 bis 1994 die Firma D. AG (seit 2006: H. AG). Über die X. AG wurde der Konkurs eröffnet. (...) B. Am 10. November 2006 reichte die PFS in Liquidation Klage beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, ein und beantragte, G., B. und die H. AG seien in solidarischer Verpflichtung zur Zahlung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 6'266'803.81 nebst 5 % Zins auf verschiedenen Teilbeträgen ab verschiedenen Fälligkeiten zu verurteilen. Das Gericht lud die Stiftung Sicherheitsfonds BVG, welche Leistungen für die Auszahlung des Austrittsguthabens des vom Konkurs der Stifterfirma betroffenen Personals erbracht hatte, bei. (...) BGE 137 V 446 S. 448 Mit Entscheid vom 5. Mai 2010 stellte das Kantonsgericht Basel-Landschaft fest, die Klage gegen G. sei infolge Vergleichs als gegenstandslos abgeschrieben worden (Dispositiv-Ziff. 1); die Klage gegen B. und gegen die H. AG wies es ab (Dispositiv-Ziff. 2). C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lassen die PFS in Liquidation und die Stiftung Sicherheitsfonds BVG das klageweise gestellte Schadenersatzbegehren gegen B. und die H. AG erneuern; eventuell sei die Sache zur erneuten Beurteilung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. (...) B. und die H. AG schliessen auf Abweisung der Beschwerden oder auf Nichteintreten auf das Rechtsmittel. Das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 6. Als Nächstes stellt sich die Frage nach dem pflichtwidrigen Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 (H. AG) betreffend den Betriebsverlust, der aus dem Erwerb der Liegenschaft Y. resultierte, sowie betreffend die angewachsene Kontokorrentforderung gegenüber der Stifterfirma, die in deren Konkurs verloren ging. 6.1 Die Beschwerdeführerinnen bemängeln vorab, dass der Liegenschaftskauf Y. und Z. an und für sich unzulässig gewesen sei. Inwieweit die beiden Käufe eine Idee der Beschwerdegegnerin 2 gewesen waren, kann offengelassen werden. Die Beschwerdeführerinnen hielten in der Klage vom 10. November 2006 ausdrücklich fest, dass der Stiftungsrat und der Beschwerdegegner 1 (B.) für beide Investitionsentscheide verantwortlich zeichneten. In der Beschwerde werden diese Entscheide ausschliesslich mit dem Beschwerdegegner 1 in Zusammenhang gebracht. In den Rechtsschriften finden sich keine Sachverhaltsangaben, die für eine massgebliche Mitbeteiligung der Beschwerdegegnerin 2 sprechen. Dieser können somit die Liegenschaftskäufe als solche nicht angelastet werden. 6.2 Eine andere Frage ist, inwieweit die Investition in die Liegenschaft Y. negative Auswirkungen zeitigte, die eine Intervention der Beschwerdegegnerin 2 erforderlich machten. 6.2.1 Bei der Anlage von Stiftungsvermögen hat die Vorsorgeeinrichtung die Grundsätze der Sicherheit, der Rendite, der BGE 137 V 446 S. 449 Risikoverteilung und der Liquidität zu beachten ( Art. 71 Abs. 1 BVG [SR 831. 40]). Im Gegensatz zu klassischen Stiftungen finden die Vermögensanlagen der Vorsorgeeinrichtungen in einem stark reglementierten Umfeld statt. Art. 53 ff. der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1) stecken den Rahmen sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht ab. Massstab bleibt dabei, dass die Gesamtheit der Vermögensanlage stets die Grundsätze gemäss Art. 71 Abs. 1 BVG zu beachten hat ( BGE 132 II 144 E. 2.4 S. 151). Auf der anderen Seite steht den Organen, die mit der Anlagestrategie betraut sind, ein gewisses Ermessen zu (Urteil 2A.639/2005 vom 10. April 2006 E. 5.7). Entsprechend muss die Kontrollstelle die Anlageentscheide prinzipiell nicht im Detail hinterfragen, andernfalls der Kerngedanke der Anlagevorschriften überspannt würde und die primäre Verantwortlichkeit des Stiftungsrates durch jene der Kontrollstelle ersetzt und seines Gehalts entleert würde (vgl. TRUNIGER/ZEITER, Der Anlageentscheid - die Verantwortlichkeit des Stiftungsrates, SZS 2004 S. 32 Fn. 27; Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, Bd. 4, 2009, S. 221). 6.2.2 Die Vorsorgeeinrichtung bestimmt eine Kontrollstelle für die jährliche Prüfung der Geschäftsführung, des Rechnungswesens und der Vermögensanlage ( Art. 53 Abs. 1 BVG ). In Art. 35 BVV 2 - in der hier massgebenden, bis Ende 2004 gültigen Fassung - finden sich folgende Einzelheiten: 1 Die Kontrollstelle muss jährlich die Gesetzes-, Verordnungs-, Weisungs- und Reglementskonformität (Rechtmässigkeit) der Jahresrechnung und der Alterskonten prüfen. 2 Sie muss ebenso jährlich die Rechtmässigkeit der Geschäftsführung, insbesondere die Beitragserhebung und die Ausrichtung der Leistungen, sowie die Rechtmässigkeit der Anlage des Vermögens prüfen. (...) Danach handelt es sich nicht um eine laufende Kontrolle und Überwachung, sondern es geht grundsätzlich um eine jährliche, nachträgliche Prüfung der Geschäftsführung, des Rechnungswesens und der Vermögensanlage (vgl. BBl 1976 I 260 ad Art. 53 BVG ). Rechtmässigkeit bedeutet Übereinstimmung mit den Gesetzen, den dazugehörenden Verordnungen und Weisungen der Aufsichtsbehörden sowie die Konformität der Tätigkeit der Stiftung mit Stiftungsurkunde und Reglementen. Der Wortlaut von Art. 35 Abs. 1 und 2 BVV 2 ist dabei klar. Die Kontrollstelle hat nur eine BGE 137 V 446 S. 450 Rechtmässigkeitsprüfung und nicht auch eine Zweckmässigkeitsprüfung vorzunehmen. Es sind keine triftigen Gründe ersichtlich, die ein Abweichen vom unmissverständlichen Wortlaut zu begründen vermögen (vgl. Urteil 9C_68/2010 vom 17. Januar 2011; BGE 135 V 215 E. 7.1 S. 229, BGE 135 V 249 E. 4.1 S. 252). Vor allem lässt sich keine andere Regelungsabsicht des Verordnungsgebers ausmachen. Schon der Entwurf des BSV vom 2. August 1983 handelte nur von der Prüfung der Einhaltung rechtlicher Vorschriften. Die von ihm vorgeschlagene Version - im Entwurf Art. 31 Obliegenheiten - lautete: 1 Die Kontrollstelle hat zu prüfen, ob die Jahresrechnung aus der Buchhaltung hervorgeht und ob diese ordnungsgemäss geführt ist. Sodann hat die Kontrollstelle zu prüfen, ob Anlage und Bewertung des Vermögens den rechtlichen Vorschriften entsprechen. 2 Die Prüfung der Geschäftsführung durch die Kontrollstelle bezieht sich auf die Einhaltung rechtlicher Vorschriften. Dies sind insbesondere die Bestimmungen des BVG und der dazugehörigen Verordnungen, des Stiftungsrechts, des Arbeitsvertragsrechts ( Art. 331-331c OR ), Weisungen der Aufsichts- und Oberaufsichtsbehörde, die Stiftungsurkunde und das Reglement der Vorsorgeeinrichtung. (...) Dazu kommentierte das BSV gestützt auf ein breites Vernehmlassungsverfahren, die Praktiker hätten Wert darauf gelegt, dass die Geschäftsführung, das Rechnungswesen und die Vermögensanlage einer Rechtmässigkeitsprüfung, nicht aber einer Zweckmässigkeitsprüfung zu unterziehen seien. Insbesondere würde eine vollumfängliche Prüfung der Geschäftsführung den Rahmen der Zuständigkeit einer Kontrollstelle sprengen (vgl. auch HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl. 2006, S. 691). Diese Betrachtung hat materiell keine Änderung erfahren und ist unverändert in die Verordnung eingegangen. In der Praxis wird denn auch nichts Gegenteiliges gelebt (vgl. Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, a.a.O., S. 220). 6.2.3 Damit bleibt ein grosser Teil der detaillierten und weitreichenden Darlegungen der Beschwerdeführerinnen unter dem Titel "Unzulässigkeit der Investitionen in die Liegenschaften Y. (und Z.)" unbeachtlich, da sie die Zweckmässigkeit der Geschäftsführung oder der Vermögensanlage zum Inhalt haben. Auch bestand - vor allem angesichts der Gegebenheiten von E. 5 (hier nicht publ.) - keine Verpflichtung der Beschwerdegegnerin 2, den Kaufentscheid betreffend die Liegenschaft Y. bereits im Vorfeld zu begleiten und zu prüfen (E. 6.2.2; betreffend die Liegenschaft Z. vgl. E. 7.3.2.2 BGE 137 V 446 S. 451 hinten). Schliesslich ist daran zu erinnern, dass das Bundesgericht keine letzte Appellationsinstanz ist (nicht publ. E. 1.1). Offenbleiben kann, ob und inwieweit die Liquidität in der Regel einer Prüfung unterliegt (verneinend HELBLING, a.a.O., S. 680). Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen, die Beschwerdegegnerin 2 habe es versäumt, die fehlende Finanzplanung der Vorsorgeeinrichtung zu rügen, ist neu, ohne dass dargelegt wird, inwiefern der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt ( Art. 99 Abs. 1 BGG ). Da Anhaltspunkte fehlen, dass sich die neu vorgetragene Tatsache bereits aus den äussert umfangreichen vorinstanzlichen Akten ergibt, hat sie unbeachtet zu bleiben ( BGE 136 V 362 E. 3.3.1 S. 364; Urteil 8C_669/2010 vom 27. Oktober 2010 E. 1.2). 6.2.4 Die Beschwerdeführerin 1 (PFS) kaufte die Liegenschaft Y. im Frühjahr 1993 der Stifterfirma ab. Der Kaufpreis war nicht überhöht (nicht publ. E. 5.1). Darin liegt ein erheblicher Unterschied zum Liegenschaftskauf Z. Ein weiterer entscheidender Unterschied liegt, wie die Vorinstanz nicht offensichtlich unrichtig festgestellt hat, darin, dass die Beschwerdegegnerin 2 seit Ende Oktober 1994 um einen allfälligen Kauf der Liegenschaft Z. zwecks Reduktion resp. Verrechnung mit der Kontokorrentschuld wusste, was den Bilanzwert besonders relevant machte. Die Umstände und die damit korrespondierenden Obliegenheiten der Beschwerdegegnerin 2 in Bezug auf die beiden Liegenschaftskäufe differieren demnach und können nicht über den gleichen Leisten geschlagen werden. Dazu kommt, dass nach dem Kauf der Liegenschaft Y. die Rendite des gesamten Immobilienportefeuilles trotzdem angemessen war (nicht publ. E. 5.2). Bei dieser Sachlage hatte die Beschwerdegegnerin 2 in Übereinstimmung mit der Vorinstanz und unter Verweis auf die diesbezüglichen Erwägungen keine Veranlassung, den Kauf der Liegenschaft Y. und die sich allenfalls daraus ergebenden negativen Auswirkungen rückwirkend für das Jahr 1992 festzuhalten. Ebenso wenig drängte sich eine Detailüberprüfung der Aktivposten auf. Die Kaufpreisregelung berührt - wie der sich später ergebende Betriebsverlust - die Zweckmässigkeit des Kaufgeschäfts, die hier nicht interessiert (E. 6.2.2). Dies betrifft insbesondere die Bezahlung der Restkaufsumme von Fr. 500'000.- (anstatt Verrechnung mit der Kontokorrentforderung gegenüber der Stifterfirma). Dieser von den Beschwerdeführerinnen beanstandete Liquiditätsabzug kann auch nicht mit einer Verletzung der Begrenzungsvorschriften von Art. 54 lit. a BVV 2 in Verbindung gebracht werden, da das BGE 137 V 446 S. 452 Kontokorrentguthaben den Fragekomplex der Anlage beim Arbeitgeber nach Art. 57 BVV 2 beschlägt (vgl. E. 6.3). Die Beschwerdeführerinnen beschuldigen die Vorinstanz somit zu Unrecht, diese habe unbesehen festgehalten, die Stimmigkeit des Kaufpreises schliesse jegliche negativen Faktoren des Liegenschaftskaufs für die Folgejahre aus. Einerseits hat die Vorinstanz einen solchen Ausschluss nur für die Jahre 1993 und 1994 angenommen. Anderseits bezieht er sich auf die Bilanzwahrheit und nicht auf die Wirtschaftlichkeit, die zu Recht nicht Gegenstand der vorinstanzlichen Beurteilung bildete. 6.2.5 Im Weitern hat die Vorinstanz auch den Umstand berücksichtigt, dass sich die Grundstücke der Beschwerdeführerin 1 auf den Raum B. konzentrierten. In Anbetracht der Diversifizierung nach den wichtigsten Anlagekategorien (Liegenschaften, Wertschriften und übrige Werte) und angesichts der Verhältnisse auf der Finanzierungsseite hat sie jedoch ein Klumpenrisiko verneint (anderer Sachverhalt in BGE 132 II 144 E. 2 S. 147 ff.). Die tatsächlichen Eckwerte, die dieser Einschätzung zu Grunde liegen, sind nicht offensichtlich unrichtig oder bundesrechtswidrig festgestellt worden. Die vorinstanzliche Würdigung überzeugt zudem unter dem Blickwinkel, dass dem Stiftungsrat bei der Vermögensanlage ein gewisses Ermessen zukommt (E. 6.2.1). Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, das Immobilienportefeuille der Stifterfirma sei, wie auch die Bautätigkeit der Stifterfirma selber, ebenfalls im Raum B. angesiedelt gewesen, ist nicht zu hören, weil er neu ist und - soweit überblickbar - auch in den Akten keinen Rückhalt findet. Sie begründen nicht, inwieweit erst der Entscheid der Vorinstanz zu diesem neuen Vorbringen Anlass gegeben hat ( Art. 99 Abs. 1 BGG ). 6.2.6 Schliesslich sind kreditfinanzierte Vermögensanlagen nicht per se unzulässig (vgl. STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2005, S. 576 Rz. 1518; HELBLING, a.a.O., S. 607; MARTIN TH. MARIA EISENRING, Die Verantwortlichkeit für Vermögensanlagen von Vorsorgeeinrichtungen, 1999, S. 155 oben). Die Auffassung der Beschwerdeführerinnen, dass der Verordnungsgeber solche nicht gewollt habe, andernfalls er die Anlagebegrenzungen von Art. 54 und 55 BVV 2 auch unter diesem Aspekt differenziert hätte, kann nicht geteilt werden. Weder dem Wortlaut dieser Bestimmungen noch den Materialien lässt sich ein Verbot kreditfinanzierter Vermögensanlagen entnehmen. Im Gegenteil lässt die explizit festgehaltene Belehnungshöhe BGE 137 V 446 S. 453 für Grundpfandtitel auf Grundstücken nach Art. 53 lit. c BVV 2 von 80 Prozent des Verkehrswertes in Art. 54 lit. b BVV 2 (in der vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung) e contrario vermuten, dass grundsätzlich keine Schranken betreffend Fremdfinanzierung bestehen. Vorliegend hat aufgrund der Akten die Aufsichtsbehörde die Finanzierungsart denn auch nie beanstandet. Die Zweckmässigkeit ist nicht Thema (E. 6.2.2). Im Übrigen kann zwar die Kumulation von Anlage- und Kreditrisiko Verluste auf dem investierten Eigenkapital bei gleichzeitigem massivem Wertberichtigungsbedarf bewirken, wie die Beschwerdeführerinnen richtig vorbringen. Dass im hier fraglichen Zeitraum eine Marktsättigung auf Immobilienanlagen und ein gleichzeitiger Anstieg der Fremdkapitalzinsen zu verzeichnen war oder sich abzeichnete, machen sie indessen nicht geltend. Es bedarf deshalb keiner Expertise zur rein theoretischen Frage nach der "Hebelwirkung fremdfinanzierter Anlagen". 6.2.7 Zusammengefasst kann der Beschwerdegegnerin 2 keine Pflichtverletzung in Bezug auf den Betriebsverlust, der aus dem Erwerb der Liegenschaft Y. resultierte, vorgeworfen werden. Die Vermögensanlage wurde nicht durch sie selber begründet. Wohl wurden mit ihr die Begrenzungsvorschriften (fast) ausgeschöpft. Allein deswegen kann jedoch nicht von einem Agieren am Rande der Legalität gesprochen werden. Eine Gefährdung der Prinzipien von Art. 71 BVG bzw. der Sicherheit der Erfüllung des Vorsorgezwecks ist - bei der hier herrschenden, für das Bundesgericht massgebenden Sachverhaltslage - nicht ausgewiesen. Die Beschwerdegegnerin 2 traf deshalb keine Monierungspflicht. Vor allem drängte sich keine - auf den Kauf der Liegenschaft Y. - konzentrierte Prüfung der Rechtmässigkeit auf. Zur Rüge der Beschwerdeführerinnen, die Vorinstanz habe das Gutachten der Treuhand E. vom 27. April 1999 nicht in ihre Würdigung miteinbezogen, kann auf das in E. 5.1 (hier nicht publ.) Gesagte verwiesen werden. Die Rüge, beantragten Beweismitteln im Zusammenhang mit der Unzulässigkeit des Liegenschaftskaufs nicht stattgegeben zu haben, ist nicht rechtsgenüglich begründet (nicht publ. E. 1.1.2). 6.3 Anders präsentieren sich die Gegebenheiten bezüglich der Kontokorrentforderung gegenüber der Stifterfirma. Wie die Vorinstanz - da nicht offensichtlich unrichtig - ebenfalls verbindlich festgestellt hat, sind alle Guthaben, die im Zusammenhang mit dem BGE 137 V 446 S. 454 Inkasso aus Darlehen gegenüber Dritten, dem Wertschriftendepot der Bank Z. und im Zusammenhang mit der Nichtbezahlung von geschuldeten BVG-Beiträgen stehen, als Kontokorrentforderung zu Lasten der Stifter- resp. Arbeitgeberfirma aufgeführt worden. Die Frage, welchen Begründungsaktes es für eine Anlage beim Arbeitgeber bedarf, insbesondere diejenige, ob an Stelle der effektiven Leistung der BVG-Beiträge auch eine Forderung der Vorsorgeeinrichtung gegen den Arbeitgeber gebucht werden kann (bejahend EISENRING, a.a.O., S. 159), braucht nicht beantwortet zu werden. So oder anders hat die Vorinstanz - zumindest hinsichtlich des ungesicherten Teils - zu Unrecht ein pflichtwidriges Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 verneint. 6.3.1 Das Vermögen darf, soweit es zur Deckung der Freizügigkeitsleistungen sowie zur Deckung der laufenden Renten gebunden ist, nicht ungesichert beim Arbeitgeber angelegt werden. Ungesicherte Anlagen beim Arbeitgeber dürfen 20 Prozent des Vermögens nicht übersteigen ( Art. 57 Abs. 1 und 2 BVV 2 , in der vom 1. Juni 1993 bis 31. März 2004 gültigen Fassung). Mit anderen Worten ist die ungesicherte Anlage von Vorsorgegeldern beim Arbeitgeber auf die Höhe der ungebundenen Mittel, d.h. auf das freie Stiftungskapital und die Arbeitgeber-Beitragsreserve begrenzt (EISENRING, a.a.O., S. 162). Die Ansprüche der Vorsorgeeinrichtung müssen wirksam und ausreichend sichergestellt werden. Die Aufsichtsbehörde kann im Einzelfall andere Arten der Sicherstellung (als in Abs. 2 vorgesehen) zulassen ( Art. 58 Abs. 1 und 3 BVV 2 ). 6.3.2 Die Beschwerdeführerin 1 wies in der Jahresrechnung 1994 224 Aktien der Firma C. AG als Sicherstellung eines Teils ihrer Kontokorrentforderung gegenüber der Stifterfirma aus. Gemäss Vorinstanz bestand für die Beschwerdegegnerin 2 kein Anlass, die Bewertung der Aktien zu überprüfen, da deren Wert durch eine andere Kontrollstelle - diejenige der Stifterfirma - bestätigt worden sei. Dies führte zum Ergebnis, dass sich im Verhältnis zu den freien Mitteln, die per 1994 bilanziert worden waren, kein Überhang an ungesicherten Anlagen ergab. Die Beschwerdeführerinnen bestreiten, dass die Aktien der Firma C. AG hinreichend und im Umfang der Bewertung der Kontrollstelle der Stifterfirma Sicherheit für die Kontokorrentforderung boten. Die drei Argumente, die sie dagegen vorbringen, vermögen nicht zu überzeugen. Insoweit sie als Erstes bemängeln, die Aktien BGE 137 V 446 S. 455 der Firma C. AG seien die einzige Sicherstellung gewesen, so findet sich keine Vorschrift, die grundsätzlich mehrere Sicherstellungen fordert. Insbesondere machen sie nicht geltend, die Aufsichtsbehörde habe die Sicherstellung nicht zugelassen (vgl. Art. 58 Abs. 3 BVV 2 ). Zweitens stützt sich die Bewertung der Kontrollstelle der Stifterfirma wohl auf den Jahresabschluss 1992 der Firma C. AG ab. Die Beschwerdeführerinnen sagen jedoch nicht, inwieweit in der Zeit bis 1994 Änderungen eingetreten sind, die eine Neubewertung erforderlich gemacht hätten (nicht publ. E. 3.2.3). Abgesehen davon hinkt eine Aktienbewertung der Aktualität stets nach, weil sie gezwungenermassen auch auf vergangenen Werten beruht. Drittens ist die Behauptung, dass die Firma C. AG wie die Stifterfirma im regionalen Wohn-Immobilien-Investment tätig gewesen sei, wodurch das Klumpenrisiko bestehen geblieben sei, bestritten und unbewiesen. Den als Beweis aufgeführten Stellen in der Klage lässt sich solches nicht entnehmen. Im Weiteren kann auf E. 6.2.5 (neue Tatsache) verwiesen werden. 6.3.3 Ungesicherte Anlagen beim Arbeitgeber sind auch dann, wenn sie den Grenzwert von Art. 57 Abs. 2 BVV 2 (in der vom 1. Juni 1993 bis 31. März 2004 geltenden Fassung) einhalten, nur insoweit zulässig, als sie den allgemeinen Sicherheitsanforderungen von Art. 71 BVG genügen. Nach dem darin statuierten Sicherheitsgrundsatz darf das Stiftungsvermögen nur dann und so lange beim Arbeitgeber angelegt werden, als es dadurch nicht gefährdet ist. Ist eine ungesicherte Anlage beim Arbeitgeber gefährdet, so haben die Organträger der Vorsorgeeinrichtung sofortige Sicherstellung oder Rückzahlung zu verlangen, selbst wenn dadurch die finanzielle Lage der Stifterfirma verschärft wird. Eine Gefährdung der Vermögenslage beim Arbeitgeber ist dann anzunehmen, wenn die Bonität der Stifterfirma nicht mehr gegeben ist. Die Organträger der Vorsorgeeinrichtung haben daher die wirtschaftliche Situation der Arbeitgeberfirma periodisch zu überprüfen und sich die dafür notwendigen Informationen - regelmässig die Bilanz und Jahresrechnung der Stifterfirma - zu beschaffen (SVR 2011 BVG Nr. 2 S. 5, 9C_997/2009 E. 5; Urteil 9C_579/2007 vom 18. März 2008 E. 4.3.1). 6.3.3.1 Die Kontrollstelle ist ein Bestandteil der Organisation der Vorsorgeeinrichtung ( Art. 50 Abs. 1 lit. d und Art. 53 BVG ; JÜRG BRÜHWILER, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2014) und kann - intern - im Sinne einer Funktionsträgerin als BGE 137 V 446 S. 456 Organ bezeichnet werden (JÜRG BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz, 1989, S. 413 Rz. 31). In BBl 1976 I S. 259 ad Art. 53 BVG wird denn auch von Kontrollorgan gesprochen. Inwieweit der Kontrollstelle auch extern - sei es im oben beschriebenen Sinne bzw. im Sinne von Art. 55 ZGB - Organqualität zukommt, bedarf in concreto keiner Antwort (bejahend RIEMER/RIEMER-KAFKA, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 2. Aufl. 2006, S. 55 Rz. 71; verneinend BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge, a.a.O., S. 414 Rz. 32). Hier geht es nicht um die Entscheidbefugnis, wer gegenüber der Stifterfirma handeln darf (vgl. dazu auch Art. 49a Abs. 1 BVV 2 [Fassung bis Ende Dezember 2008], wonach für die Durchführung und Überwachung der Vermögensanlage der Stiftungsrat verantwortlich zeichnet), sondern um die Entscheidungsgrundlage (inwieweit lässt sich eine Anlage beim Arbeitgeber verantworten), deren Beurteilung in den - internen - Aufgabenbereich der Kontrollstelle fällt (E. 6.2.2). 6.3.3.2 Anlagen beim Arbeitgeber stellen grundsätzlich ein Risiko dar (SVR 2011 BVG Nr. 2 S. 5, 9C_997/2009 E. 5), weswegen die Anforderungen an die Bonität streng zu handhaben sind. Wie die Vorinstanz ausgeführt hat, ist die Bonität vor allem dann als einwandfrei zu bezeichnen, wenn die finanzielle Situation des betroffenen Schuldners einer Vorsorgeeinrichtung längerfristig stabil erscheint. Dem ist zuzustimmen. Indes hat das kantonale Gericht für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (nicht publ. E. 1.1), dass in der Stifterfirma von Beginn weg stets Liquiditätsprobleme bestanden haben. Die Geschäftsjahre 1993 und 1994 habe sie lediglich knapp unter Fortführung ihrer Geschäftstätigkeit überstanden. Ausserdem habe die T. Treuhand als Kontrollstelle per Ende 1994 infolge der Zunahme eines Liquiditätsengpasses auf eine Gefahr für das Bestehen der Stifterfirma hingewiesen. Bei dieser Sachlage ist die Annahme einer finanziellen Stabilität weder fundiert noch naheliegend, so dass bereits hinter die vorinstanzliche Folgerung, dass (auch) die "Bonitätserklärungen" der T. Treuhand per Ende 1993 und 1994 keine Einschränkungen enthalten mussten, ein Fragezeichen zu setzen ist. Wie es sich diesbezüglich genau verhält, kann offenbleiben. Auf jeden Fall erweist sich der Schluss der Vorinstanz, auf Grund der "Bonitätserklärungen" habe für die Beschwerdegegnerin 2 kein Anlass bestanden, ihrerseits die durch eine externe Kontrollstelle erstellte Bonität der Stifterfirma in Zweifel zu ziehen, als offensichtlich unhaltbar. BGE 137 V 446 S. 457 6.3.3.3 Die "Bonitätserklärungen" auf Ende 1993 und 1994 haben nicht die Bonität der Stifterfirma zum Inhalt, sondern die Verneinung ihrer Überschuldung. Sie bestätigen, dass das Fremdkapital - mit Einschluss der Kontokorrentforderung - durch die Aktiven voll gedeckt war. Von der Überschuldung nach Art. 725 OR ist die Bonität zu unterscheiden (vgl. Urteil 4A_91/2011 vom 9. Juni 2011 E. 3.2). Der Bonitätsbegriff umschreibt sowohl die Zahlungsfähigkeit und den Zahlungswillen, als auch die im Geschäftsleben positiv zu vertretenden charakterlichen Eigenschaften eines Schuldners bzw. seiner Organe (Urteil 4C.20/2005 vom 21. Februar 2006 E. 4.2.5.1). Aus dem Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein einer Überschuldung kann nicht automatisch auf die Bonität geschlossen werden. Ein Unternehmen kann über Aktiven verfügen, die das Fremdkapital nicht mehr zu decken vermögen, also überschuldet sein, aber trotzdem hinreichende flüssige Mittel haben, um den laufenden Verbindlichkeiten nachzukommen. Umgekehrt kann es sein, dass ein Unternehmen, ohne überschuldet zu sein, mangels liquider Mittel nicht mehr in der Lage ist, seine Geschäftstätigkeit aufrecht zu erhalten. Die vorinstanzliche Begriffswahl ist somit von vornherein verfehlt und die hier fraglichen "Bonitätserklärungen" allein sind keine rechtsgenügliche Grundlage, um die Beschwerdegegnerin 2 zu entlasten. 6.3.3.4 Die Kontokorrentforderung betrug am 31. Dezember 1992 Fr. 2'161'159.85, am 31. Dezember 1993 Fr. 2'832'185.85 und am 31. August 1994 Fr. 3'256'000.-. Gemäss Aktenlage hatte die Beschwerdegegnerin 2 von letzterer Entwicklung (leicht verzögert) zeitecht Kenntnis. Die Prüfung der Jahresrechnung 1992 erfolgte rückwirkend und konnte realistischerweise nicht vor Ende 1993/anfangs 1994 erwartet werden (vgl. Sachverhalt lit. A und E. 7.3.2). In deren Rahmen bemerkte die Kontrollstelle die voraussichtliche Verletzung von Art. 57 Abs. 2 BVV 2 in der Jahresrechnung 1993, was sie pflichtgemäss anzeigte. Als eine der möglichen Lösungsvarianten wurde anlässlich der Abschlussbesprechung der Revision 1992 vom 20. Dezember 1993 - u.a. im Beisein von R. und A., beide damals (auch) Verwaltungsräte der Stifterfirma, sowie in Anwesenheit von S., Verwaltungsrat und Aktionär der Beschwerdegegnerin 2 - ab 1994 die monatliche Überweisung der neuen reglementarischen Beiträge (monatlich rund Fr. 55'000.-) zwecks Vermeidung einer weiteren Zunahme der Kontokorrentforderung ins Auge gefasst. Im September 1994 trat zu Tage, dass sich die BGE 137 V 446 S. 458 finanzielle Situation nicht stabilisiert, sondern verschlechtert hatte, indem die Kontokorrentforderung entgegen der bekundeten Absicht nochmals angewachsen war. In der Folge schlug die Beschwerdegegnerin 2 als eine von mehreren Massnahmen zur Behebung des - wiederholt - drohenden Verstosses gegen Art. 57 BVV 2 erneut die monatliche Überweisung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge ab 1995 vor, obwohl diese schon für das Jahr 1994 in beträchtlichem Ausmass nicht geleistet worden waren. Im Weiteren führte die Beschwerdegegnerin 2 den Verkauf von Liegenschaften im Besitze der Stifterfirma an die Stiftung oder Dritte auf, wobei dies mit einem vorhersehbaren Verstoss gegen Art. 54 lit. c BVV 2 verbunden war. Damit schlug die Beschwerdegegnerin 2 also vor, einen drohenden Verstoss einfach durch einen anderen zu ersetzen. Gewissheit über die tatsächliche Bonität bei der Stifterfirma verschaffte sie sich dagegen nicht. Dazu wäre sie unter den gegebenen Umständen - fehlendes Gleichgewicht im Anlagebereich, vor allem die Anlage beim Arbeitgeber als dauerndes "Sorgenkind", ausbleibende Zahlungen der laufenden Arbeitgeberbeiträge trotz beidseitigen Wissens (bei der Stiftung und Stifterfirma) um deren Notwendigkeit, beschränkte Aussagekraft der "Bonitätserklärungen" (E. 6.3.3.3) - auch ohne weitere Kenntnis der konkreten finanziellen Belange der Stifterfirma (E. 6.3.3.2) verpflichtet gewesen. Spätestens seit November 1994, als die Beschwerdegegnerin 2 einerseits vom definitiven Kauf der Liegenschaft Z. erfuhr, mit dem - wie bereits erwähnt - kein Problem gelöst, sondern lediglich umgelagert wurde (vgl. auch E. 7.1), und sie anderseits leicht hätte feststellen können, dass die Stifterfirma nach wie vor keine regelmässigen monatlichen Zahlungen zur Deckung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Beiträge leistete, bestand zwingend Anlass, sich vertieft mit der Zahlungsfähigkeit der Stifterfirma zu befassen. Entsprechend hätte sich die Beschwerdegegnerin 2 die einschlägigen Informationen - soweit möglich - selber oder andernfalls durch den Stiftungsrat beschaffen lassen müssen (E. 6.3.3.1). 6.3.3.5 War das Kontokorrent-Guthaben der Beschwerdeführerin 1 in seinem Wert nicht mit der erforderlichen Klarheit gesichert, standen allfällige Berichtigungen und Abschreibungen im Raum (vgl. HELBLING, a.a.O., S. 486). Das diesbezüglich passive Verhalten der Beschwerdegegnerin 2 stellt eine Verletzung der allgemeinen Sicherheitsanforderung von Art. 71 BVG dar. Ob und inwieweit die Sachumstände, wie sie sich bis November 1994 entwickelt hatten, BGE 137 V 446 S. 459 eine sofortige, unplanmässige Prüfung nötig machten (vgl. WERNER NUSSBAUM, Die Prüfung der Rechtmässigkeit der Geschäftsführung einer Vorsorgeeinrichtung, in: Bewertung, Prüfung und Beratung in Theorie und Praxis, 1992, S. 310 f.; BBl 1976 I 260 ad Art. 53 BVG ), die je nach Ergebnis in eine umgehende Kündigung und Rückzahlung der Forderung hätte münden müssen, ist an dieser Stelle nicht abschliessend zu erörtern (vgl. E. 7.3.2.2). 7. Sodann gilt es, sich der Voraussetzung des adäquaten Kausalzusammenhangs zuzuwenden. Es fragt sich zum einen, inwieweit die von der Beschwerdegegnerin 2 unterlassene Überprüfung des Liegenschaftswerts Z. geeignet war, den Schaden aus deren Kauf zu überhöhtem Preis zu bewirken. Zum andern steht die unterlassene Überprüfung der Bonität der Stifterfirma zur Diskussion. 7.1 In Bezug auf die im November 1994 von der Stifterfirma gekaufte Liegenschaft Z. steht fest, dass diese Vermögensanlage zu einer Überschreitung der Begrenzungsvorschrift von Art. 54 lit. c BVV 2 führte. Diese Abweichung wurde von der Beschwerdegegnerin 2 pflichtgemäss angezeigt. Wie die Vorinstanz nicht offensichtlich unrichtig festgestellt hat, war die Überschreitung der Begrenzungsvorschrift von Art. 54 lit. c BVV 2 unbesehen des effektiven Liegenschaftswerts gegeben. Wenn die Beschwerdeführerinnen dennoch eine Pflichtverletzung durch die Beschwerdegegnerin 2 rügen, indem die Abweichung von Art. 54 lit. c BVV 2 materiell nicht im Sinne von Art. 59 Abs. 1 lit. a und b BVV 2 (in der bis 30. Juni 1996 gültig gewesenen Fassung) fachmännisch begründet worden sei, so entgeht ihnen, dass es sich dabei um eine Erklärung der Vorsorgeeinrichtung zu Handen der Aufsichtsbehörde handelt, die nicht Prüfungsgegenstand der Kontrollstelle bildet (E. 6.2.2). Namentlich ist die fachmännische Begründung gemäss Art. 59 Abs. 2 BVV 2 Folge der im Kontrollstellenbericht erwähnten Überschreitung der Begrenzungsvorschrift von Art. 54 lit. c BVV 2 und nicht Gültigkeitsvoraussetzung für eine entsprechende Anzeige. Anders als die Beschwerdeführerinnen darlegen, verneinte die Vorinstanz die Pflichtwidrigkeit der Beschwerdegegnerin 2 im Zusammenhang mit dem gesetzwidrigen Immobilisierungsgrad nicht mit dem formellen Vorliegen einer fachmännischen Begründung. Vielmehr sei in der betreffenden Erklärung vom 22. Dezember 1994 bereits bezüglich 1993 darauf hingewiesen worden, dass die Liegenschaft Z. käuflich erworben worden sei. BGE 137 V 446 S. 460 Selbst wenn, wie die Beschwerdeführerinnen geltend machen, die Liegenschaft Z. ein im Sinne von Art. 71 BVG strukturell unzulässiges Investitionsobjekt war, das schon im Voraus nicht für eine Anlage von Vorsorgegeldern in Frage gekommen sei, bedarf es für die Verantwortlichkeit der Beschwerdegegnerin 2, welche nicht massgeblich am Kaufentscheid mitbeteiligt war (E. 6.1), eines konkreten Schadens und eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen diesem und der ihrerseits widerrechtlichen Handlungsweise. Insoweit in der Beschwerde vorgebracht wird, es gehe in Bezug auf die Pflichtwidrigkeiten der anderen Stiftungsorgane, auf die der Beschwerdegegner 2 nicht reagiert habe, nicht allein um den überhöhten Kaufpreis, wird verkannt, dass gemäss angefochtenem Entscheid hinsichtlich der Liegenschaft Z. kein weiterer (Folge-)Schaden ausgewiesen ist. Dabei hat es sein Bewenden, da die dazugehörenden Erwägungen in der vorinstanzlichen Klage nicht mehr aufgegriffen worden sind (nicht publ. E. 1.1.2 und 1.2). Gleichzeitig erübrigt es sich, im Zusammenhang mit der Liegenschaft Z. den "nicht beachteten Pflichten der anderen Stiftungsorgane" nachzugehen. 7.2 Nach Art. 48 Abs. 2 BVV 2 (in der vom 1. Januar 1993 bis 31. März 2004 geltenden Fassung) dürfen Sachwerte, wie Grundstücke, Aktien, Partizipationsscheine und andere Beteiligungsrechte höchstens zum Verkehrswert eingesetzt werden, der ihnen im Zeitpunkt zukommt, auf den die Bilanz errichtet wird. Die Bewertung kann auch zum Anschaffungs-, Kurs- oder Ertragswert erfolgen, sofern dieser nicht über dem Verkehrswert liegt. Es ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin 2 bei der Liegenschaft Z. gegen diese Vorschrift verstossen hat, indem sie es unterliess, das Fehlen einer objektiven Verkehrswertschätzung als Grundlage für die von ihr vorzunehmende Bewertung zu beanstanden. Die Vorinstanz hat indessen eine Haftung für den Schaden (um Fr. 600'000.- bis Fr. 1'000'000.- übersetzter Kaufpreis und entsprechend zu hohe Handänderungssteuern und Notariatskosten) mangels adäquaten Kausalzusammenhangs mit dem pflichtwidrigen Verhalten der Kontrollstelle verneint. 7.3 Nach der Rechtsprechung hat ein Ereignis (pflichtwidriges Verhalten) dann als adäquate Ursache eines Erfolges (Schaden) zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint BGE 137 V 446 S. 461 ( BGE 125 V 456 E. 5a S. 461 mit Hinweisen; vgl. BGE 128 V 124 E. 4f S. 133). Nach dieser Umschreibung entfällt selbst bei pflichtwidrigem Verhalten eine Haftung, wenn der Schaden auch bei pflichtgemässem Verhalten nicht hätte verhindert werden können. Die Beschwerdegegnerin 2 ist nur dann und nur so weit verantwortlich, als die Verletzung des Prüfungsauftrags den Schaden selber adäquat mitverursacht oder einen bereits eingetretenen Schaden adäquat vergrössert hat (HERMANN WALSER, Zur Verantwortlichkeit der Kontrollstelle und des Experten für die berufliche Vorsorge gegenüber Vorsorgeeinrichtungen, in: Bewertung, Prüfung und Beratung in Theorie und Praxis, 1992, S. 496). 7.3.1 Die Beschwerdeführerinnen werfen der Beschwerdegegnerin 2 vor, sie hätte aufgrund der äusserst gefährlichen finanziellen Situation der Vorsorgeeinrichtung unterjährige Kontrollen vornehmen müssen, was sie jedoch unterlassen habe. Vor allem hätte sie sofort nach dem Kauf der Liegenschaft Z. im November 1994 eine entsprechende Prüfung durchführen müssen. Damit laufe die vorinstanzliche Argumentation, durch die Fristerstreckung für die Einreichung der Jahresrechnung 1994 bis zum Dezember 1995 sei der Beschwerdegegnerin 2 eine frühere Überprüfung des Kaufpreises nicht möglich gewesen, ins Leere. Diesen Vorbringen ist in Anbetracht des Verfahrensausgangs (vgl. E. 7.3.2.2) nicht weiter nachzugehen. Gleiches gilt in Bezug auf die in E. 6.3.3.5 aufgeworfene Frage. 7.3.2 Die Aufsichtsbehörde erwartet die jährliche Berichterstattung üblicherweise innert sechs Monaten nach dem Bilanzstichtag (Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, a.a.O., S. 230; vgl. auch EISENRING, a.a.O., S. 161). Dieser war hier der 31. Dezember, womit die Jahresrechnung 1994 grundsätzlich bis spätestens Juli 1995 einzureichen gewesen wäre. Ob und inwieweit die von der Aufsichtsbehörde bewilligte Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 1995 opportun gewesen war, braucht nicht beurteilt zu werden. 7.3.2.1 Besteht begründete Besorgnis einer Überschuldung, ist grundsätzlich der Richter zu benachrichtigen ( Art. 725 Abs. 2 OR ; zu den Ausnahmen Urteil 6B_492/2009 vom 18. Januar 2010 E. 2.2). Dieser eröffnet den Konkurs, kann ihn jedoch auf Antrag des Verwaltungsrates (oder des Stiftungsrates) oder eines Gläubigers aufschieben, falls Aussicht auf Sanierung besteht ( Art. 725a Abs. 1 OR ). Der Konkurs kann nur aufgeschoben werden, wenn berechtigte Aussicht auf dauerhafte Sanierung besteht (statt vieler: HANSPETER WÜSTINER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, BGE 137 V 446 S. 462 N. 6 zu Art. 725a OR ). Dabei ist ein Massnahmenplan vorzulegen wie auch in zeitlicher Hinsicht aufzuzeigen, wie die Überschuldung eliminiert werden soll (SVR 2011 AHV Nr. 4 S. 11, 9C_1086/2009 E. 5.1). 7.3.2.2 Nach nicht offensichtlich unrichtiger und damit für das Bundesgericht verbindlicher Feststellung der Vorinstanz hätte zwar eine Verkehrswertkorrektur im Umfange von Fr. 600'000.- bis Fr. 1'000'000.- unmittelbar zu einer Überschuldung der Vorsorgeeinrichtung geführt. Sodann wäre als Massnahme im Nachgang zu einer Verkehrswertschätzung einzig die Rückführung gefährdeter Anlagen, insbesondere die sofortige Einforderung der Beitragsausstände gegenüber der Stifterfirma, in Frage gekommen. Dafür wären - ab Einreichung der Jahresrechnung 1994 im Juli 1995 bis zum Konkurs der Stifterfirma - rein rechnerisch rund (...) Monate zur Verfügung gestanden. Nachdem die Stifterfirma aber nicht erst wenige Tage vor ihrem Konkurs, sondern gemäss Vorinstanz bereits anfangs 1996 mit desolaten Verhältnissen zu kämpfen hatte, wäre effektiv ein Zeitraum von nur rund fünf Monaten verblieben. Unter diesen Umständen bestand wenig Aussicht auf eine erfolgreiche Sanierung und hätte in Anbetracht der ständigen Liquiditätsprobleme (E. 6.3.3.2) kaum mit einer Schuldenbegleichung innert nützlicher kurzer Frist gerechnet werden können. Die Beschwerdeführerinnen äussern sich weder zu den möglichen Massnahmen, die zur Überwindung der Überschuldung hätten getroffen werden können, noch zum diesbezüglich zeitlich und liquiditätsmässig Machbaren. Es fehlt somit von vornherein - selbst wenn eine umfassende Prüfung, d.h. auch der wirtschaftlichen Situation bei der Arbeitgeberfirma, im November 1994 oder auch früher angesagt gewesen wäre - eine rechtsgenügliche Darlegung der Verantwortlichkeit der Beschwerdegegnerin 2 (nicht publ. E. 1.2). 7.4 Nach dem Gesagten ist sowohl der Schaden aus der zu teuer gekauften Liegenschaft Z. als auch derjenige aus der verfehlten Anlagestrategie bei der Stifterfirma für die Beschwerdeführerin 1 schon eingetreten, bevor die Beschwerdegegnerin 2 im Rahmen ihrer Prüfungstätigkeit den Verstoss gegen Art. 48 Abs. 2 BVV 2 bzw. Art. 71 BVG hätte entdecken müssen. Es ist daher ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen - einerseits - dem Kauf der Liegenschaft Z. zu überhöhtem Preis und dem daraus resultierenden Folgeschaden in Form von zu hohen Handänderungssteuern und Notariatskosten sowie - anderseits - der durch die Beschwerdegegnerin 2 BGE 137 V 446 S. 463 begangenen Verletzung von Art. 48 Abs. 2 BVV 2 zu verneinen, ebenso was die Aufrechterhaltung der Kontokorrentforderung im Verhältnis zu Art. 71 BVG betrifft.
null
nan
de
2,011
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
12d47caf-4946-438f-9b0d-d5a037501800
Urteilskopf 110 Ia 81 16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Mai 1984 i.S. Einwohnergemeinde Brüttelen gegen Regierungsrat des Kantons Bern und Lina Bucher-Bieri, Adrien Jeanneret gegen Einwohnergemeinde Brüttelen, Regierungsrat des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV , rechtliches Gehör. 1. Zusammensetzung einer Augenscheinsdelegation im Beschwerdeverfahren vor der kantonalen Exekutive (E. 5c). 2. Voraussetzungen, unter welchen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geheilt wird (E. 5d).
Erwägungen ab Seite 81 BGE 110 Ia 81 S. 81 Aus den Erwägungen: 5. a) Zunächst rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da der Regierungsrat am Augenschein vom 14. Juni 1983 nicht durch ein Mitglied, sondern nur durch zwei juristische Sekretäre der mit der Beschwerdeinstruktion beauftragten Justizdirektion vertreten gewesen sei. Ausserdem habe der Regierungsrat zu Unrecht den mangelhaft begründeten Entscheid der Baudirektion nicht aufgehoben, sondern versucht, den Mangel selber zu heilen. Dadurch sei ihnen, den Beschwerdeführern, "eine Instanz verlorengegangen". b) Der Umfang des rechtlichen Gehörs bestimmt sich in erster Linie nach den kantonalen Verfahrensvorschriften. Wo sich BGE 110 Ia 81 S. 82 jedoch der kantonale Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz. Im vorliegenden Fall wird in allen drei Beschwerdeschriften nicht behauptet, das Vorgehen des Regierungsrates verletze irgendwelche kantonalen Verfahrensvorschriften. Es ist daher einzig - und zwar mit freier Kognition - zu prüfen, ob unmittelbar aus Art. 4 BV folgende Regeln missachtet wurden ( BGE 108 Ia 6 E. 2a, 191 mit Hinweisen). c) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird Art. 4 BV nicht verletzt, wenn an einem Augenschein in einem kantonalen Beschwerdeverfahren, in welchem der Regierungsrat entscheidet, kein Mitglied der Behörde persönlich anwesend ist ( BGE 100 Ib 400 E. 2 mit Hinweis). Im vorliegenden Fall bestehen in dieser Hinsicht um so weniger Bedenken, als sich der Regierungsrat bei seinem Entscheid auf ein Augenscheinsprotokoll stützen konnte, in welchem die wesentlichen Einwände der Beschwerdeführer festgehalten sind. Überdies konnte er sich aufgrund von bei den Akten liegenden Plänen ein ausreichendes Bild über die tatsächlichen Verhältnisse machen. d) Der Regierungsrat vertritt in seinem Entscheid die Auffassung, wenn man überhaupt von einem mangelhaft begründeten Entscheid der Baudirektion reden könne, wäre ein solcher Mangel im Beschwerdeverfahren geheilt worden, weil ihm, dem Regierungsrat, dieselbe umfassende Kognition zustehe wie der Baudirektion, und die Betroffenen dieselben Argumente erneut vorbringen könnten. Dies entspricht entgegen der Meinung der Beschwerdeführer der Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geheilt wird, wenn der Berechtigte die Möglichkeit hatte, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die zu freier Prüfung aller Fragen befugt war, welche der untern Instanz hätten unterbreitet werden können ( BGE 105 Ib 174 mit Hinweisen). Damit wird ein Fehler, der dem vorinstanzlichen Entscheid anhaftet, korrigiert. Dies bewirkt ebenso wenig eine Verkürzung des Instanzenzuges, wie wenn die obere Instanz ihren Entscheid auf neue rechtliche Erwägungen stützt (ROLF TINNER, Das rechtliche Gehör, in: ZSR 83/1964 II, S. 412). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt somit nicht vor.
public_law
nan
de
1,984
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
12d4a1f2-9fc3-4da7-90d0-4d4f298d9a2d
Urteilskopf 105 Ia 271 51. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. Mai 1979 i.S. Dr. X. gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Nichtwiederwahl eines kantonalen Beamten 1. a) Sofern das kantonale Recht den Beamten keinen Anspruch auf Wiederwahl gewährt, greift die Wahlbehörde durch die Nichterneuerung des Beamtenverhältnisses nicht in rechtlich geschützte Interessen des Beamten ein, so dass diesem aufgrund von Art. 88 OG die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde fehlt (E. 2 a-c). b) Hingegen kann er die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV zustehen (E. 2d). 2. Vor der bloss antragstellenden Behörde besteht unmittelbar gestützt auf Art. 4 BV kein Anspruch auf rechtliches Gehör (E. 3b).
Sachverhalt ab Seite 272 BGE 105 Ia 271 S. 272 Dr. X. wurde 1971 zum Hauptlehrer für Geschichte und Französisch am Gymnasium Münchenstein gewählt und in der Folge für die Amtsdauer 1972-1977 wiedergewählt. Die Subkommission Münchenstein der Aufsichtskommission der Gymnasien und des Lehrerseminars beschloss am 17. November 1976, ihn für die im Frühjahr 1977 beginnende neue 5jährige Amtsdauer dem Regierungsrat nicht mehr zur Wiederwahl vorzuschlagen, da sie zur Auffassung gelangt war, ihm fehle trotz hoher wissenschaftlicher Qualifikation die Berufseignung zum Lehrer. Dr. X. wurde am 6. Dezember 1976 von diesem Beschluss in Kenntnis gesetzt. Am 17. Dezember 1976 fand ein Lehrerkonvent statt, an dem auch Mitglieder der Subkommission sowie ein Vertreter der Erziehungsdirektion teilnahmen. Dr. X. erhielt dort Gelegenheit, seinen Standpunkt zu vertreten. Die Subkommission befasste sich am 4. Januar 1977 nochmals mit der Sache, beschloss jedoch, auf ihre Stellungnahme nicht zurückzukommen. Hierauf fasste der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft am 25. Januar 1977 den Beschluss, Dr. X. nicht mehr wiederzuwählen. Auf eine gegen diesen Beschluss eingereichte Beschwerde trat das Verwaltungsgericht von Basel-Landschaft zunächst nicht ein mit der Begründung, es handle sich beim angefochtenen Beschluss nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt. Eine gegen dieses Urteil erhobene staatsrechtliche Beschwerde hiess das Bundesgericht am 15. März 1978 ( BGE 104 Ia 26 ff.) gut und hob den Nichteintretensbeschluss auf mit der Begründung, der Beschluss über die Nichtwiederwahl eines Lehrers sei nach basellandschaftlichem Verwaltungsprozessrecht eine anfechtbare Verfügung. Am 18. Oktober 1978 behandelte das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerde materiell und wies sie ab. Das Bundesgericht tritt auf eine gegen dieses Urteil erhobene staatsrechtliche Beschwerde nicht ein. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gemäss Art. 88 OG kommt das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern und Korporationen bezüglich solcher "Rechtsverletzungen" zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten BGE 105 Ia 271 S. 273 haben. Im Gegensatz zur Regelung der Legitimationsvoraussetzungen im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ( Art. 103 OG ) steht dem Einzelnen die staatsrechtliche Beschwerde lediglich zur Geltendmachung seiner rechtlich geschützten Interessen zu; zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen wie auch zur Wahrung allgemeiner öffentlicher Interessen ist sie nicht gegeben ( BGE 103 Ia 69 E. 1c; 98 Ia 654 E. 2b ; 97 I 265 ; 95 I 106 E. 1, 115 E. 2 mit weiteren Hinweisen). a) Gemäss diesen Grundsätzen kann der unberücksichtigte Bewerber für ein öffentliches Amt den Beschluss der Wahlbehörde, durch den die Stelle an einen andern Kandidaten vergeben wird, in der Sache selber nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten; der Entscheid greift nicht in seine Rechtstellung ein und die Vorschriften, deren Verletzung er der Wahlbehörde allenfalls vorwerfen könnte, dienen nicht dem Schutz der Bewerber, so dass die Legitimation zur Erhebung einer Willkürbeschwerde fehlt ( BGE 98 Ia 654 ). Aus gleichartigen Überlegungen sprach das Bundesgericht in einem kürzlich beurteilten Fall auch einem Beamten, der seine Nichtwiederwahl anfocht, die Beschwerdelegitimation nach Art. 88 OG ab (Urteil vom 11. Juli 1978 i.S. N. gegen Regierungsrat des Kantons Bern, ZBl 80/1979 S. 116 ff.). Das Bundesgericht nahm an, dass die Wahlbehörde bei der nach Ablauf der Amtsperiode vorzunehmenden Wiederwahl grundsätzlich frei sei, und dem bisherigen Amtsinhaber kein Rechtsanspruch auf Wiederwahl zustehe, weshalb dieser jedenfalls in der Sache selber nicht beschwerdebefugt sei. In einem späteren Urteil fragte sich das Bundesgericht, ob an dieser Auffassung in vollem Umfang festgehalten werden könne, wenn die Wahlbehörde selber anerkenne, dass sie dem Willkürverbot unterstehe und eine Nichtwiederwahl nur zulässig sei, wenn sie auf sachlich vertretbaren, zureichenden Gründen beruhe. Es liess die Frage offen und trat aus einem andern Grund nicht auf die Beschwerde ein (Urteil vom 11. Oktober 1978 i.S. L. gegen Regierungsrat des Kantons Bern). b) Die Rechtstellung des Staatsbeamten kann grundsätzlich nach zwei verschiedenen Systemen ausgestaltet sein. Entweder wird der Beamte ohne zeitliche Begrenzung ("auf Lebenszeit") bestellt, oder er wird auf eine mehrere Jahre umfassende Amtsdauer gewählt, nach deren Ablauf er sich einer Wiederwahl zu unterziehen hat. Während das erstgenannte System in vielen ausländischen Staaten, so namentlich in Deutschland BGE 105 Ia 271 S. 274 und Frankreich, gilt, herrscht in der Schweiz das Amtsdauersystem bei weitem vor. Es bestimmt die Rechtstellung der Beamten sowohl beim Bund als auch in der überwiegenden Mehrzahl der Kantone. Seine dominierende Stellung hängt mit dem schweizerischen Demokratieverständnis zusammen. Durch das Erfordernis der periodischen Wiederwahl soll einem Missbrauch der Amtsgewalt durch praktisch unabsetzbare Beamte vorgebeugt werden, und zugleich soll durch die Wiederwahl, die in der Regel der vom Volk gewählten Regierung zusteht, ein mittelbarer Einfluss des Volkes auf die Besetzung der Beamtenstellen gewährleistet werden. Von der Sache her will das Institut der Amtsdauer dem Gemeinwesen die Möglichkeit bieten, sich von einem Beamten zu trennen, wenn dies im Interesse der bestmöglichen Erfüllung der staatlichen Aufgaben als wünschenswert erscheint; ein wichtiger Grund etwa in Anlehnung an Art. 337 OR oder ein Verschulden des Beamten ist - im Gegensatz zur disziplinarischen oder administrativen Entlassung während der Amtsdauer - nicht erforderlich (vgl. dazu TH. FLEINER, Verwaltungsrecht, 1977, S. 398 ff.; GRISEL, Droit administratif suisse, 1970, S. 262; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage 1976, Band II, S. 1095, Nr. 150; KAUFMANN, Grundzüge des schweizerischen Beamtenrechts, in ZBl 73/1972, S. 384; PLOTKE, Die Wahl, insbesondere die Wiederwahl der Beamten einschliesslich der Lehrer, in ZBl 77/1976, S. 532). Ist aber die Wahlbehörde hinsichtlich der Frage, ob sie ein Beamtenverhältnis nach Ablauf der Amtsdauer erneuern wolle oder nicht, grundsätzlich frei, so greift sie durch die Nichterneuerung nicht in rechtlich geschützte Interessen des Beamten ein, so dass diesem auf Grund von Art. 88 OG keine Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde hinsichtlich seiner Nichtwiederwahl zukommt. c) An diesem Ergebnis ändert nichts, dass die zitierten Autoren in Übereinstimmung mit kantonalen Wahlbehörden und Rechtsmittelinstanzen mehrheitlich die Auffassung vertreten, die Nichtwiederwahl dürfe - jedenfalls wenn es sich bei der Wahlbehörde nicht um das Parlament oder um das Volk handelt - nicht willkürlich erfolgen, d.h. sie bedürfe eines zureichenden sachlichen Grundes (so Solothurn, vgl. ZBl 79/1978, S. 398; Bern in den beiden genannten, vom Bundesgericht beurteilten Fällen). So geht auch das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft im angefochtenen Entscheid davon BGE 105 Ia 271 S. 275 aus, die Wahlbehörde habe bei der Nichtwiederwahl das Willkürverbot zu beachten. Auch das eidgenössische Beamtengesetz bietet dem Bundespersonal einen gewissen Rechtsschutz. Insbesondere haben im Gesetzgebungsverfahren die eidgenössischen Räte entgegen dem Antrag des Bundesrates die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Ablehnung einer Wiederwahl zugelassen ( BGE 99 Ib 236 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat daher als Verwaltungsgericht die Rechtmässigkeit solcher Nichtwiederwahlen zu überprüfen, wobei es allerdings dem Ermessen der Verwaltung einen weiten Spielraum einräumt und lediglich prüft, ob die wegen Beanstandung der Leistungen oder des Verhaltens des Beamten verfügte Nichtwiederwahl nach den Umständen als sachlich haltbare, nicht willkürliche Massnahme erscheint ( BGE 99 Ib 237 E. 3). Indessen kann aus der Regelung der Legitimationsvoraussetzungen zu kantonalen oder eidgenössischen Verwaltungsgerichtsbeschwerden nichts für die Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Nichtwiederwahl kantonaler Beamten abgeleitet werden. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 88 OG verschafft das allgemeine Willkürverbot, das bei jeder staatlichen Verwaltungstätigkeit zu beachten ist, für sich allein dem Betroffenen noch keine geschützte Rechtstellung. Eine Legitimation zur Willkürbeschwerde besteht erst dann, wenn der angefochtene Entscheid den Beschwerdeführer in seiner vorhandenen Rechtstellung berührt und in rechtlich geschützte Interessen eingreift. Die Geltendmachung des Willkürverbots setzt eine Berechtigung in der Sache voraus; aus Art. 4 BV folgt kein selbständiger Anspruch auf willkürfreies staatliches Handeln ( BGE 98 Ia 652 ). Was für das Willkürverbot gilt, muss im gleichen Umfang auch massgebend sein für den Grundsatz von Treu und Glauben und das Rechtsgleichheitsgebot. Der Beamte ist daher zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Nichtwiederwahl nicht schon dann befugt, wenn die kantonale Wahlbehörde an das Willkürverbot, an das Rechtsgleichheitsgebot und an den Grundsatz von Treu und Glauben gebunden ist und die kantonale Rechtsmittelinstanz deren Entscheid im genannten Umfang überprüft, sondern nur dann, wenn das kantonale Recht einen Anspruch auf Wiederwahl gewährt. Das ist indessen im Kanton Basel-Landschaft nicht der Fall. Auf die Rüge des Beschwerdeführers, die Nichtwiederwahl sei ohne genügenden sachlichen Grund sowie in BGE 105 Ia 271 S. 276 rechtsungleicher und treuwidriger Weise erfolgt, kann daher nicht eingetreten werden. d) Dies bedeutet nicht, dass der nicht wiedergewählte Beamte überhaupt nie befugt wäre, sich im Zusammenhang mit der Nichtwiederwahl mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht zu wenden. Vielmehr kann er trotz fehlender Legitimation in der Sache selbst beim Bundesgericht die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen, sofern dies auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft; denn die Befugnis, einen Entscheid wegen formeller Rechtsverweigerung anzufechten, hängt nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr von der Legitimation in der Sache ab. Wer an einem kantonalen Verfahren beteiligt gewesen ist, kann in jedem Falle die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV zustehen ( BGE 103 Ia 574 ; BGE 102 Ia 94 ; 99 Ia 107 , 321; BGE 98 Ia 651 ; BGE 97 I 884 ; BGE 94 I 555 ). So wurde gerade im Fall des heutigen Rekurrenten die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts zugelassen und gutgeheissen, weil der Kanton Basel-Landschaft den Weiterzug aller Verfügungen des Regierungsrates an das Verwaltungsgericht kennt und die Nichtwiederwahl eine Verfügung in diesem Sinn darstellt ( BGE 104 Ia 26 ff.). 3. b) Für die Fragen der richtigen Besetzung der Behörde, des rechtlichen Gehörs und der Akteneinsicht ist von entscheidender Bedeutung, dass zur Wahl oder Nichtwiederwahl einzig und allein der Regierungsrat zuständig war. Der Rekurrent macht nicht geltend, der Regierungsrat habe seinen Entscheid vom 25. Januar 1977 nicht in der richtigen Besetzung gefällt. Da die Subkommission der Aufsichtskommission für die Gymnasien lediglich Antrag stellte, stellt sich die Frage ihrer richtigen Zusammensetzung nicht. Das Verwaltungsgericht hat übrigens zu Recht nicht beanstandet, dass ehemalige Subkommissionsmitglieder zur Kommissionssitzung eingeladen wurden, um als Auskunftspersonen angehört zu werden. Der Beschwerdeführer selber weist darauf hin, dass gemäss § 3 der Verordnung über die Aufsichtskommission der Gymnasien und des Lehrerseminars vom 18. November 1974 der Beizug der Mitglieder anderer Subkommissionen (jeder Mittelschule ist eine Subkommission zugeordnet) in beratender Funktion vorgesehen ist. Auch bezüglich der Wahl oder Nichtwiederwahl BGE 105 Ia 271 S. 277 eines Lehrers hat die Subkommission lediglich beratende Funktion. Wenn der Subkommission bezüglich der Wiederwahl keine Entscheidfunktion zukommt, hatte sie den Beschwerdeführer auch nicht vor ihrem Beschluss, dem Regierungsrat Antrag auf Nichtwiederwahl zu stellen, anzuhören. Bei der Mitteilung dieses Beschlusses an den Beschwerdeführer in der Sitzung vom 7. Dezember 1976 hatte dieser jedoch Gelegenheit, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. In dieser Anhörung und der weitern Äusserungsmöglichkeit anlässlich des Lehrerkonvents vom 17. Dezember 1976 sowie der Behandlung des Wiedererwägungsgesuchs in der Sitzung der Subkommission vom 4. Januar 1977 war im Hinblick auf den Entscheid des Regierungsrats vom 25. Januar 1977 der Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt. Der Beschwerdeführer macht geltend, im Verfahren vor der Subkommission seien ihm lediglich einige - nur belastende - Passagen aus dem Mentoratsbericht vorgelesen worden. Diese Berichte selbst und den Rektoratsbericht habe er erst nach der Nichtwiederwahl aufgrund eines zusammen mit dem verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren gestellten Begehren zu Gesicht bekommen. Der Beschwerdeführer macht jedoch nicht geltend, er hätte Akteneinsichtsbegehren gestellt, die ihm nicht gewährt worden wären. Damit kann auch in dieser Hinsicht nicht von einer Rechtsverweigerung gesprochen werden. Die Beschwerde erweist sich damit, soweit auf sie eingetreten werden kann, als unbegründet.
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Urteilskopf 115 Ia 107 21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Februar 1989 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV . Willkürliche Anwendung von § 173 Abs. 3 der solothurnischen Strafprozessordnung. 1. Die Beschränkung der Appellation ist zulässig, wenn der angefochtene Teil des Urteils (Aufschub des Strafvollzugs) unabhängig von einer weiteren Frage (Landesverweisung) überprüft werden kann (E. 2c). 2. Beschränkte sich die Appellation auf einen unabhängigen Teil des Urteils, ist es der Appellationsinstanz verwehrt, in bezug auf eine weitere selbständige Frage neu zu entscheiden (E. 2a und b).
Erwägungen ab Seite 107 BGE 115 Ia 107 S. 107 Aus den Erwägungen: 1. a) Mit Urteil vom 24. Februar 1987 verurteilte das Amtsgericht Solothurn-Lebern Frau K. wegen Widerhandlung gegen das SVG sowie wegen wiederholten und fortgesetzten Diebstahls zu 6 Monaten Gefängnis. Es schob den Vollzug der Gefängnisstrafe auf und ordnete statt dessen als Massnahme eine ambulante psychiatrische Behandlung an. Zugleich erklärte es eine bedingte Vorstrafe von 45 Tagen Gefängnis für vollstreckbar unter Aufschub des Vollzuges zugunsten einer ambulanten psychiatrischen Behandlung. b) Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn erklärte gegen dieses Urteil, bei ihr eingetroffen am 9. Juni 1987, am 11. Juni 1987 die Appellation mit dem Hinweis, das Rechtsmittel richte sich gegen den Aufschub der Freiheitsstrafe i.S. von I Ziff. 2 und II des angefochtenen Urteils. BGE 115 Ia 107 S. 108 Mit Urteil vom 28. September 1988 änderte das Obergericht des Kantons Solothurn den erstinstanzlichen Entscheid insofern ab, als es den Aufschub sowohl der ausgefällten Strafe von 6 Monaten Gefängnis wie auch der widerrufenen Strafe von 45 Tagen Gefängnis verweigerte und lediglich eine ambulante psychiatrische Behandlung während des Strafvollzugs anordnete, sowie zusätzlich eine bedingte Landesverweisung von 5 Jahren (Probezeit 3 Jahre) anordnete. c) Die Verurteilte erhebt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht über die Beschränkung der Appellation der Staatsanwaltschaft hinweggesetzt, indem sie eine Landesverweisung ausgesprochen habe. Darin liege eine willkürliche Anwendung von § 173 Abs. 3 StPO /SO. a) Das Obergericht hat erwogen, gemäss seiner Praxis sei die Beschränkung der Appellation auf die Gewährung des bedingten Strafvollzugs unzulässig; ebenso gelte, dass eine Trennung von Haupt- und Nebenstrafe im Appellationsverfahren nur möglich sei, wenn die Anordnung der Nebenstrafe einen von der Zumessung der Hauptstrafe völlig unabhängigen und trennbaren Teil des Urteils darstelle. Gerade im Falle der Landesverweisung sei für die Anordnung dieser Nebenstrafe das Verschulden massgebend, das auch die Zumessung der Haupt- und Nebenstrafe bestimme, weshalb das Obergericht auch neu über die Frage der Landesverweisung entscheiden könne. b) Gemäss § 173 Abs. 3 StPO /SO kann die Appellation auf selbständige Teile des Urteils beschränkt werden. Die Staatsanwaltschaft hat mit ihrer Appellationserklärung vom 11. Juni 1987 zum Ausdruck gebracht, dass sich das Rechtsmittel "gegen den Aufschub der Freiheitsstrafe i.S. von I Ziff. 2 und II des angefochtenen Urteils" richte. In den zitierten Ziffern des erstinstanzlichen Urteils heisst es, was folgt: "I. 2. Der Vollzug der Gefängnisstrafe wird aufgeschoben und stattdessen ist als Massnahme eine ambulante psychiatrische Behandlung angeordnet. ... II. Der der Beschuldigten mit Urteil des Strafgerichtspräsidenten Basel-Stadt vom 25.4.86 gewährte bedingte Strafvollzug ist widerrufen und die Gefängnisstrafe von 45 Tagen als vollstreckbar erklärt. Der Vollzug wird zugunsten einer ambulanten psychiatrischen Behandlung aufgeschoben." BGE 115 Ia 107 S. 109 Aus dem Wortlaut der Appellationserklärung ergibt sich somit in Verbindung mit den zitierten Ziffern des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils nach den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von rechtlich bedeutsamen Erklärungen, dass die Staatsanwaltschaft einzig gegen den Aufschub des Strafvollzuges zugunsten einer ambulanten psychiatrischen Behandlung appelliert hat, nicht aber dagegen, dass die erste Instanz keine Landesverweisung ausgesprochen hatte. Daraus folgt, dass es dem Obergericht aus prozessualen Gründen verwehrt war, eine Landesverweisung als selbständigen Teil des Urteils i.S. von § 173 Abs. 3 StPO /SO anzusehen. c) Zu prüfen ist somit, ob das Obergericht willkürfrei annehmen durfte, die Beschränkung der Appellation auf den Aufschub der Freiheitsstrafe zugunsten der psychiatrischen Behandlung betreffe nicht einen selbständigen Teil des Urteils; vielmehr beziehe sich die Appellation auf die Strafzumessung im weitesten Sinne, wozu auch die Anordnung einer Landesverweisung gehöre. aa) Zunächst stellt sich die Frage, aus welchen Gründen der Gesetzgeber eine Beschränkung der Rechtsmitteleinlegung zulassen kann. Neben dem Gedanken der Prozessökonomie und der Verfahrensvereinfachung dürfte vor allem die Überlegung bedeutsam sein, dass - in maiore minus - sich aus der Möglichkeit eines völligen Rechtsmittelverzichts auch die Möglichkeit der Rechtsmittelbeschränkung ergibt: Wer sich mit einem Punkt des Urteils abfindet oder sogar einverstanden ist, braucht ihn nicht anzufechten (vgl. FRISCH, SK StPO vor § 296 N 276 ). Daraus folgt, dass ein Rechtsmittelverzicht, jedenfalls wenn er wie im solothurnischen Strafverfahren ausdrücklich vorgesehen ist, prinzipiell beachtlich ist. bb) Fraglich ist einzig, ob es Grenzen des Rechtsmittelverzichts aus übergeordneten Sachgesichtspunkten gibt, gestützt auf welche das Obergericht willkürfrei eine einschränkende Auslegung von § 173 Abs. 3 StPO /SO vornehmen konnte. In der schweizerischen Literatur wird die Möglichkeit einer Teilanfechtung weitgehend anerkannt; keine Einigkeit besteht über ihre Grenzen (vgl. WALTER REAL, Die Berufung in den kantonalen Strafprozessordnungen, ZStrR 1965, S. 280 ff.; HAUSER, Kurzlehrbuch, S. 280; PIQUEREZ, Précis de procédure pénale suisse, Lausanne 1987, N 2108; zur Berner Praxis JÜRG AESCHLIMANN, Das bernische Strafverfahren III, § 221 mit Hinweisen; vgl. ferner KLAUS HERY, Die Berufung im zürcherischen Strafprozess, Zürich BGE 115 Ia 107 S. 110 1975, S. 144 ff.; KLAUS WEBER, Die Berufung im zugerischen Strafprozess, Zürich 1978 S. 108 ff.; HEINZ-PETER KÜHNIS, Das Rechtsmittel der Berufung in der St. Gallischen Strafrechtspflege, Diss. Freiburg 1975 S. 83 f.; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des St. Gallischen Strafprozessrechtes, St. Gallen 1988, S. 314). Soweit die Möglichkeit der Teilanfechtung generell in Frage gestellt wird (vgl. WAIBLINGER, in: Festschrift für H.F. Pfenninger, Zürich 1956, S. 172 und ZBJV 1956, S. 362 ff.), braucht vorliegend darauf nicht eingegangen zu werden, da die Teilanfechtung im solothurnischen Recht ausdrücklich vorgesehen ist. In der deutschen Literatur wird angenommen, eine Teilanfechtung komme nur dort in Betracht, wo die isolierte Prüfung einer Frage möglich sei, Dies sei zu verneinen, wo durch eine isolierte Prüfung und Erörterung gewisse unaufgebbare Postulate gefährdet würden (vgl. FRISCH, a.a.O., N 277; LÖWE/ROSENBERG/GOLLWITZER, 24. A. § 318 N 34 ff.; EBERHARD SCHMIDT, Lehrkommentar II, Göttingen 1957, § 318 N 42 ff.). cc) Die Beschränkung der Appellation ist jedenfalls dann ohne weiteres möglich, wenn der angefochtene Teil des Urteils isoliert überprüft werden kann. Die Möglichkeit einer derartigen isolierten Überprüfung ist vorliegend offensichtlich gegeben. Hätte sich das Obergericht auf eine Überprüfung der mit der Appellationserklärung ausdrücklich genannten Frage beschränkt und deshalb zur Frage der Landesverweisung materiell nicht Stellung genommen, wäre sein Urteil widerspruchsfrei. Dass für die Frage der Landesverweisung auch das Verschulden des Täters eine Rolle spielen kann, ändert daran nichts. Denn jedenfalls im konkreten Fall ist nicht ersichtlich, dass das Obergericht bei der Dauer der ausgesprochenen Freiheitsstrafe auch berücksichtigt hätte, dass überdies eine Landesverweisung ausgesprochen wird. Deshalb scheitert auch der Hinweis des Obergerichtes auf seine Praxis, wonach die Frage des bedingten Strafvollzuges von der Frage der Strafzumessung nicht getrennt werden könne. d) Somit steht fest, dass die Staatsanwaltschaft ihre Appellationserklärung ausdrücklich beschränkt hat auf die Frage des Strafaufschubs zugunsten des Vollzugs einer psychiatrischen Behandlung. Es ergibt sich des weiteren, dass diese Frage unabhängig von einer Landesverweisung geprüft werden konnte. Man muss sich deshalb sogar fragen, ob das Obergericht überhaupt noch berechtigt war, die Strafzumessung der Vorinstanz zu überprüfen. BGE 115 Ia 107 S. 111 Im Lichte dieser Überlegungen erweist sich die Auslegung, die das Obergericht § 173 Abs. 3 StPO /SO gegeben hat, als unhaltbar. Die staatsrechtliche Beschwerde ist deshalb insoweit gutzuheissen und Ziff. 4 des Dispositivs des angefochtenen Urteils aufzuheben.
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Urteilskopf 86 IV 195 50. Entscheid der Anklagekammer vom 5. September 1960 i.S. Verhöramt Zug gegen Staatsanwaltschaft Aargau.
Regeste Art. 372 Abs. 1 und 3, 346 StGB ; Art. 263 BStP . 1. Zuständigkeit der Anklagekammer in Strafsachen, die teils nach dem Jugend-, teils nach dem Erwachsenenstrafrecht zu beurteilen sind (Bestätigung und Ergänzung der Rechtsprechung, Erw. 1). 2. Verhältnis des Gerichtsstandes des Wohnsitzes zu demjenigen des Aufenthaltsortes im Verfahren gegen Kinder und Jugendliche (Erw.2). 3. Konkurrenz des besondern Gerichtsstandes des Art. 372 Abs. 1 mit dem allgemeinen des Art. 346 StGB (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 196 BGE 86 IV 195 S. 196 A.- Der am 5. Juli 1942 geborene, in Sins (Aargau) wohnhafte X. trat im Frühjahr 1958 bei einem Metzgermeister in Cham (Zug), wo er Kost und Logis hatte, in die Leehre, die er ein Jahr später für die Dauer von neun Monaten unterbrach, anfangs 1960 aber in der gleichen Metzgerei unter einem neuen Meister wieder aufnahm. Am 22. Juli 1960, also gut zwei Wochen nach Erreichung des 18. Altersjahres, wurde X. in Cham verhaftet und in Strafuntersuchung gezogen, da sich herausstellte, dass er während der Lehrzeit laufend Geldbeträge aus der Ladenkasse seiner Lehrmeister entwendet und das gestohlene Geld, insgesamt rund Fr. 2500.--, für sich und zum Nutzen seiner Familienangehörigen verwendet hatte. B.- Das Verhöramt Zug stellte unter Berufung darauf, dass X. seinen Wohnsitz in Sins beibehalten und von den zahlreichen Gelddiebstählen nur drei im Gesamtbetrag von Fr. 220.-- nach dem 5. Juli 1960 begangen habe, bei den Behörden des Kantons Aargau das Gesuch, den Fall gemäss Art. 372 StGB zu übernehmen, jedoch ohne Erfolg. Es gelangte daher an die Anklagekammer des BGE 86 IV 195 S. 197 Bundesgerichtes mit dem Begehren, es sei der Kanton Aargau zur Verfolgung und Beurteilung des Beschuldigten zuständig zu erklären. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt Abweisung des Gesuches. Erwägungen Die Anklagekammer zieht in Erwägung: 1. Dem Beschuldigten werden nur Diebstähle zur Last gelegt, und diese hat er ohne Ausnahme im Kanton Zug verübt. Hätte er die Straftaten nach erfülltem 18. Altersjahr begangen, so wäre nach der allgemeinen Regel des Art. 346 StGB ohne weiteres der Gerichtsstand des Begehungsortes gegeben. Da aber ein Teil der strafbaren Handlungen in die Zeit vor Erreichung des 18. Altersjahres fällt, ist streitig, ob für diesen Teil gemäss Art. 372 Abs. 1 StGB die Behörden des Kantons Zug, wo der Beschuldigte Aufenthalt genommen hatte, oder aber die Behörden des Kantons Aargau, wo sich sein Wohnsitz befand, zur Verfolgung zuständig seien und ob, wenn der letztere Fall zutrifft, nicht trotzdem mit Rücksicht auf die nach dem erfüllten 18. Altersjahr im Kanton Zug begangenen Handlungen die Gesamtheit aller Diebstähle diesem Kanton zur Verfolgung und Beurteilung zuzuweisen sei. Gerichtsstandsstreitigkeiten solcher Art sind nicht durch den Bundesrat, sondern durch die Anklagekammer des Bundesgerichts zu entscheiden, die nach der neueren Rechtsprechung immer dann den Gerichtsstand zu bezeichnen hat, wenn nicht eine reine Jugendstrafsache vorliegt, so wenn der Täter teils vor und teils nach Erreichung des 18. Altersjahres straffällig geworden ist ( BGE 85 IV 254 ). An dieser Ordnung ist im Interesse einer klaren und einfachen Kompetenzausscheidung ohne Einschränkung festzuhalten; sie gilt daher unabhängig davon, ob die dem Täter zur Last gelegten Handlungen in mehreren Kantonen begangen wurden oder nicht und ohne Rücksicht darauf, ob das Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit in die BGE 86 IV 195 S. 198 Zeit vor oder nach Erreichung des 18. Altersjahres fällt. Auf das Gesuch ist somit einzutreten. 2. Nach Art. 372 Abs. 1 StGB sind für die Verfolgung und Beurteilung der von Jugendlichen unter 18 Jahren begangenen Straftaten in der Regel die Behörden des Wohnsitzes zuständig, ausnahmsweise diejenigen des Aufenthaltsortes, sofern der Jugendliche sich dauernd an einem andern Ort als am Wohnsitz aufhält. X., der unter elterlicher Gewalt steht, hatte gemäss Art. 25 Abs. 1 ZGB seinen Wohnsitz in Sins (Aargau), wo seine Eltern wohnhaft sind. Anderseits steht fest, dass er sich während längerer Zeit in Cham (Zug) aufhielt. Er trat dort im Frühjahr 1958 eine Stelle als Metzgerlehrling an und bezog während 13 Monaten Kost und Logis bei seinem Meister. Nach einem Unterbruch von neun Monaten, während denen er ebenfalls in Cham in einer Fabrik arbeitete, aber offenbar bei seinen Eltern in Sins wohnte, setzte er die Metzgerlehre in Cham vom Januar 1960 an bis zu seiner Verhaftung am 22. Juli 1960 fort. Auf die zeitliche Dauer des Aufenthaltes an einem andern Ort kommt es indessen nicht allein an. Dauernd im Sinne von Art. 372 Abs. 1 StGB ist der Aufenthalt an einem fremden Ort nur, wenn der Ortswechsel auch zu einer Lockerung der Bindungen des Jugendlichen zum elterlichen Wohnsitz führt und zur Folge hat, dass der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen am Aufenthaltsort begründet wird. Nach den Akten war das hier nicht der Fall. Nichts deutet daraufhin, dass X. die Bande mit Sins gelöst und engere Beziehungen mit den Bewohnern von Cham angeknüpft hätte. Er hat im Gegenteil die Zeit von Samstagabend bis Montagmorgen fast ausnahmslos am Wohnort seiner Eltern zugebracht, und ebenso ist er sehr oft an freien Mittwochnachmittagen nach Sins, das nur 7 km von Cham entfernt liegt, zurückgekehrt, wo er weiterhin seine Kollegen traf und anscheinend auch dem Turnsport oblag. Er hat zudem sein eigenes Schlafzimmer im Elternhaus beibehalten, es mit Hilfe des BGE 86 IV 195 S. 199 gestohlenen Geldes neu ausgestattet und einen Teil der entwendeten Beträge zur Bezahlung von Haushaltschulden seiner Mutter und zur Anschaffung von Gegenständen für seine Angehörigen ausgegeben. Diese Umstände lassen darauf schliessen, dass der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in Sins und nicht in Cham lag. Wären nur die vor dem 5. Juli 1960 verübten Diebstähle zu verfolgen, läge demnach der Gerichtsstand im Wohnsitzkanton Aargau. 3. Eine Aufteilung des Verfahrens auf die beiden verschiedenen Gerichtsstände, die sich aus Art. 372 Abs. 1 und Art. 346 StGB für die vor und nach Erreichung des 18. Altersjahres begangenen Handlungen ergeben, kommt aus den in BGE 85 IV 255 Erw. 2 genannten Gründen nicht in Frage. Wie in diesem Entscheid ferner festgestellt wurde, enthält das Gesetz keine Regel zur Lösung von Gerichtsstandskonflikten dieser Art. Auch kann nicht allgemein der Grundsatz aufgestellt werden, dass der ordentliche Gerichtsstand, der auf die nach dem 18. Altersjahr verübten Taten zutrifft, dem besonderen Gerichtsstand des Art. 372 Abs. 1 immer vorgehe. Es ist vielmehr in jedem Einzelfall in Anlehnung an die auf Grund von Art. 263 BStP entwickelten Grundsätze abzuwägen, welcher der konkurrierenden Gerichtsstände den Vorzug verdient. Im vorliegenden Falle fällt in Betracht, dass X. ausschliesslich im Kanton Zug straffällig geworden ist und dort in Strafuntersuchung steht. Dem steht jedoch die Tatsache gegenüber, dass er den weitaus überwiegenden Teil seiner Straftaten in den zwei Jahren vor der Vollendung seines 18. Altersjahres begangen hat, während die nach dem 5. Juli 1960 verübten Diebstähle, gesamthaft betrachtet, zahlen- wie wertmässig nicht ins Gewicht fallen. Liegt aber das Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit ganz offensichtlich bei den Handlungen, die der Beschuldigte als Jugendlicher beging, so sind die Gesichtspunkte der Jugendgerichtsbarkeit, die eine umfassendere BGE 86 IV 195 S. 200 Erforschung der Persönlichkeit und der Familienverhältnisse des Täters ermöglichen und den zweckmässigen Vollzug einer allenfalls nach Art. 91 ff. StGB zu ergreifenden Massnahme gewährleisten soll, von ausschlaggebender Bedeutung. Dass das Jugendstrafverfahren auch auf jugendliche Täter anzuwenden ist, die im Zeitpunkt der Beurteilung bereits im Alter von 18-20 Jahren stehen, ergibt sich aus Art. 371 Abs. 2 StGB . Der besondere Gerichtsstand des Art. 372 Abs. 1, der gerade dazu bestimmt ist, den Zielen des Jugendstrafrechtes zu dienen, ist daher gegenüber dem allgemeinen des Art. 346 StGB vorzuziehen. Nach den in Ziff. 2 dargelegten Erwägungen sind infolgedessen die Behörden des Kantons Aargau zuständig. Dispositiv Demnach erkennt die Anklagekammer: Die Behörden des Kantons Aargau werden berechtigt und verpflichtet erklärt, X. für alle ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.
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Urteilskopf 108 IV 48 12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. März 1982 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 312 StGB ; Amtsmissbrauch. Unter diese Bestimmung können nur jene unzulässigen Verfügungen und Massnahmen fallen, die der Beamte kraft seines Amtes, in Anwendung seiner hoheitlichen Gewalt, trifft. Der Polizeibeamte, der einer von ihm festgenommenen Person spontan ins Gesicht schlägt, weil sie ihn mit Schimpfwörtern in seiner Ehre als Mensch verletzte, begeht daher keinen Amtsmissbrauch, sondern ist allenfalls wegen Tätlichkeit strafbar.
Sachverhalt ab Seite 48 BGE 108 IV 48 S. 48 A.- In der Nacht vom 17. zum 18. April 1980 waren die Polizeibeamten X. und Y. beauftragt, Personen anzuhalten, die der Beteiligung an Schmierereien an der Fassade des Gebäudes des britischen Generalkonsulats in Zürich verdächtig waren. Den beiden Beamten gelang es, Frau B. und W. zu stellen. W. konnte fliehen. Er wurde von X. nach einer Verfolgungsjagd über rund einen Kilometer durch das Seefeldquartier gefasst und zum Streifenwagen zurückgebracht, bei dem in der Zwischenzeit der Polizeibeamte Y. mit Frau B. gewartet hatte. Nachdem X. den W. auf BGE 108 IV 48 S. 49 die Sinnlosigkeit seiner Flucht und die Gefahr des Schusswaffengebrauchs aufmerksam gemacht hatte, äusserte Frau B. sinngemäss, es wäre nicht das erste Mal, dass jemand von der Polizei grundlos abgeknallt würde, das kenne man inzwischen, das sei das Einzige, was die Polizei machen könne. Darüber hinaus beschimpfte Frau B. den Polizeibeamten X. und seinen Kollegen mit Wörtern wie "Dreckhüng", "Dreckchaibe", "Dreckmore", "Drecksau", "Sauhund". Auf diese Beschimpfungen reagierte X. mit einem Schlag mit dem Handrücken der offenen Hand gegen das Kinn von Frau B. B.- Am 7. Juli 1981 sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich X. von der Anschuldigung des Amtsmissbrauchs und - in Anwendung von Art. 177 Abs. 3 StGB - der Tätlichkeit frei, überband ihm aber die Verfahrenskosten. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft sprach das Obergericht des Kantons Zürich X. am 10. November 1981 des Amtsmissbrauchs und der Tätlichkeit schuldig. Für den Amtsmissbrauch bestrafte es ihn mit einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 300.--; hinsichtlich der Tätlichkeit nahm es in Anwendung von Art. 177 Abs. 3 StGB (Retorsion) von einer Bestrafung Umgang. C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung von der Anschuldigung des Amtsmissbrauchs an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Gemäss Art. 312 StGB werden Mitglieder einer Behörde oder Beamte, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen, mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder mit Gefängnis bestraft. Der Kassationshof hat diesen namentlich in bezug auf die Tathandlung sehr allgemein umschriebenen Tatbestand einschränkend ausgelegt und erkannt, dass nur derjenige im Sinne von Art. 312 StGB die Amtsgewalt missbraucht, welcher die Machtbefugnisse, die ihm sein Amt verleiht, unrechtmässig anwendet, d.h. kraft seines Amtes verfügt (Zwang ausübt), wo es nicht geschehen dürfte ( BGE 76 IV 286 ; BGE 104 IV 22 , BGE 101 IV 410 , BGE 99 IV 13 , BGE 88 IV 70 ; s. auch LOGOZ, Commentaire, BGE 108 IV 48 S. 50 N. 4 zu Art. 312, S. 750, STRATENWERTH, BT II, S. 340). 2. a) Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass der Polizeibeamte X. und sein Kollege auch dann noch "in amtlicher Funktion tätig" waren, als sie mit den festgenommenen B. und W. auf das Eintreffen des per Funk herbeigerufenen Gefangenenwagens warteten, und dass von einer "zwanglos verbrachten Wartezeit" (so das Urteil des Einzelrichters) keine Rede sein kann. Aus dem Umstand allein, dass die beiden Polizeibeamten auch während dieser Wartezeit in amtlicher Funktion tätig waren, zumal sie ja die beiden Festgenommenen zu bewachen hatten, lässt sich jedoch entgegen der Auffassung des Obergerichts nicht ableiten, der inkriminierte Schlag stelle - wie die Verfolgung, Festnahme und Bewachung usw. - eine "dienstliche Verrichtung" dar und erfülle, da er unter den gegebenen Umständen unzulässig war, den objektiven Tatbestand von Art. 312 StGB . Diese Bestimmung erfasst nicht sämtliche pflichtwidrigen Handlungen, die ein mit Zwangsgewalt ausgestatteter Beamter bei Gelegenheit der Erfüllung seiner Pflichten ausführt; unter den Tatbestand des Amtsmissbrauchs können nach der bereits erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur jene unzulässigen Verfügungen und Massnahmen fallen, die der Beamte kraft seines Amtes, in Anwendung seiner hoheitlichen Gewalt, trifft. b) Nach der von der Vorinstanz in einem andern Zusammenhang vertretenen Auffassung stellt der inkriminierte Schlag eine "geradezu klassische Retorsion" dar. Damit bringt das Obergericht zum Ausdruck, die Maulschelle sei eine spontane Reaktion des durch die Schimpfwörter wie "Sauhund", "Drecksau" usw. in seiner Ehre als ehrbarer Mensch verletzten Polizeibeamten X. gewesen. Wie im erstinstanzlichen Urteil und in der Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausgeführt wird, deutet nichts darauf hin, dass X. die Frau B. mit dem Schlag an der Flucht hindern oder sie veranlassen wollte, irgendwelche Aussagen oder Zugeständnisse zu machen, in den Polizeiwagen einzusteigen oder sonstige Anordnungen zu befolgen. Der Beschwerdeführer übte mithin nicht kraft seines Amtes Zwang aus, als er Frau B. den Schlag versetzte. Art. 312 StGB ist daher entgegen der Ansicht des Obergerichts nicht anwendbar. Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen, womit indessen nicht gesagt ist, dass der erteilte Schlag zu billigen sei. Der Beschwerdeführer wurde deswegen zu Recht der Tätlichkeit schuldig gesprochen, und das vorinstanzliche Urteil blieb in diesem Punkte unangefochten.
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Urteilskopf 141 V 466 52. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_841/2014 vom 28. Juli 2015
Regeste Art. 21 Abs. 3 und 5 ATSG ; Art. 16 UVG ; teilweise Einstellung des Taggeldes des Unfallversicherers während des Aufenthalts des Versicherten in einer Strafanstalt mit Rücksicht auf seine Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau (Angehörigenprivileg). Bei der Sistierung ist auf die tatsächliche Gegebenheit des geschlossenen Vollzugs abzustellen, da kein Bedarf für die Deckung des eigenen Unterhalts des Versicherten besteht. Vorbehalten bleibt bei Leistungen des Unfallversicherers das Angehörigenprivileg; das Taggeld ist mit Rücksicht darauf im Umfang von mindestens 50 % weiter auszurichten (E. 4 und 5).
Sachverhalt ab Seite 467 BGE 141 V 466 S. 467 A. A., geboren 1977, bezieht Taggeldleistungen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA). Nachdem die SUVA davon Kenntnis erlangt hatte, dass er sich im Strafvollzug befand, stellte sie die Leistungen mit Verfügung vom 12. November 2012 und Einspracheentscheid vom 19. März 2013 für die Dauer des Strafvollzuges ab dem 8. Oktober 2012 ein. B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 14. Oktober 2014). C. A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei ihm für die Dauer des Strafvollzuges das volle UVG-Taggeld zu entrichten. Überdies ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. Die SUVA beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Taggeldleistungen des Beschwerdeführers während des Strafvollzuges zu Recht eingestellt wurden. Des Weiteren ist zu entscheiden, ob für den Versicherten das sogenannte Angehörigenprivileg nach Art. 21 Abs. 3 ATSG (SR 830.1) gilt. 3. Art. 21 ATSG hat folgenden Wortlaut: " 1 Hat die versicherte Person den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt oder verschlimmert, so können ihr die Geldleistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder in schweren Fällen verweigert werden. 2 Geldleistungen für Angehörige oder Hinterlassene werden nur gekürzt oder verweigert, wenn diese den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei BGE 141 V 466 S. 468 vorsätzlicher Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben. 3 Soweit Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen für Angehörige vorsehen, kann höchstens die Hälfte der Geldleistungen nach Absatz 1 gekürzt werden. Für die andere Hälfte bleibt die Kürzung nach Absatz 2 vorbehalten. 4 (...) 5 Befindet sich die versicherte Person im Straf- oder Massnahmevollzug, so kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter ganz oder teilweise eingestellt werden; ausgenommen sind die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3." 4. 4.1 Bis zum Inkrafttreten des ATSG war das Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung (MVG; SR 833.1) der einzige sozialversicherungsrechtliche Erlass, welcher das rechtliche Schicksal der Geldleistungen bei Freiheitsentzug ordnete ( Art. 13 Abs. 1 MVG in der vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung, inhaltlich übereinstimmend mit der Vorgängernorm von Art. 43 aMVG ; BGE 133 V 1 E. 3.2 S. 4; JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom 19. Juni 1992, 2000, N. 4 zu Art. 13 MVG ). Die Auszahlung des Taggeldes oder der Invalidenrente konnte (ganz oder teilweise) eingestellt werden, wenn der Versicherte eine Freiheitsstrafe oder Massnahme verbüsst (Abs. 1; MAESCHI, a.a.O.). 4.2 Das Eidgenössische Versicherungsgericht, heute Bundesgericht, hat in BGE 102 V 167 (ZAK 1977 S. 116 ff.) erkannt, dass während der Strafverbüssung kein Anspruch auf eine Invalidenrente besteht ( BGE 102 V 167 E. 2 S. 170; vgl. auch BGE 107 V 219 E. 2 S. 221 f. [ZAK 1983 S. 156 ff.]; BGE 110 V 284 E. 1b S. 286 [ZAK 1985 S. 477 ff.]). BGE 113 V 273 (ZAK 1988 S. 249 ff.) bestätigte die Praxis, wonach der Gefangene, für dessen Unterhalt die Öffentlichkeit aufkommt, keinen wirtschaftlichen Vorteil aus dem Strafvollzug ziehen soll ( BGE 113 V 273 E. 2b S. 277; EVGE 1948 S. 74 ff. E. 4 S. 78; SVR 1995 IV Nr. 35 S. 93, I 45/94 E. 2a). Ein Ruhen der Versicherungsleistungen ist mit dieser Überlegung auch nach den massgeblichen Regeln des internationalen Rechts zulässig (Art. 68 lit. b der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 [SR 0.831. 104]; Art. 32 Ziff. 1 lit. b des Übereinkommens Nr. 128 der IAO vom 29. Juni 1967 über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene [SR 0.831.105]; BGE 113 V 273 E. 2b S. 277 f.; MAESCHI, BGE 141 V 466 S. 469 a.a.O, N. 6 zu Art. 13 MVG ). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat seine Rechtsprechung mit BGE 113 V 273 insoweit geändert, als der Strafvollzug nicht mehr wie bis dahin als Revisionsgrund zu qualifizieren und der Anspruch auf eine Invalidenrente zu entziehen sei. Vielmehr sei die Rente zu sistieren und seien die Zusatzrenten weiter auszurichten ( BGE 113 V 273 E. 2a S. 276, E. 2c S. 278 f.; BGE 114 V 143 ). 4.3 Nach der Rechtsprechung zu Art. 21 Abs. 5 ATSG ist Sinn und Zweck der Bestimmung die Gleichbehandlung der invaliden mit der validen inhaftierten Person, welche durch einen Freiheitsentzug ihr Einkommen verliert. Die Kann-Vorschrift erlaubt es, den besonderen Umständen Rechnung zu tragen, wenn eine gesunde Person trotz Straf- oder Massnahmenvollzug einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnte wie in der Halbgefangenschaft oder Halbfreiheit ( BGE 138 V 140 E. 2.2 S. 141, E. 3.3 S. 143; BGE 137 V 154 E. 3.3 S. 158; BGE 133 V 1 E. 4.2.4.1 S. 6 f.; BGE 107 V 219 E. 4 S. 223; SVR 2008 IV Nr. 32 S. 104, 8C_176/2007 E. 4.2; MAESCHI, a.a.O., N. 8 zu Art. 13 MVG ). Die Einstellung der Leistungen steht jedoch nicht im freien Ermessen des Versicherers. Vielmehr sind die Taggeldleistungen aus Gründen der Rechtsgleichheit jeweils einzustellen, wenn der im Gesetz genannte Tatbestand gegeben ist ( BGE 138 V 140 E. 5.3.6 S. 146; vgl. auch MAESCHI, a.a.O., N. 8 zu Art. 13 MVG ). 4.4 Ausgenommen von der Einstellung der Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter für Personen im Straf- oder Massnahmevollzug sind nach Art. 21 Abs. 5 ATSG die Geldleistungen für Angehörige im Sinne von Absatz 3. Wenn Sozialversicherungen mit Erwerbsersatzcharakter keine Geldleistungen für Angehörige vorsehen, erfolgt statt der gänzlichen Sistierung eine Leistungskürzung. 4.5 Die Rechtsfrage, ob Art. 21 Abs. 3 ATSG aufgrund des Verweises in Abs. 5 (letzter Teilsatz) auf die Sistierung von Leistungen an den Strafgefangenen selber nach Art. 21 Abs. 5 ATSG Anwendung findet, hat die Rechtsprechung bis anhin offengelassen (Urteil 8C_377/2011 vom 28. Februar 2012 E. 6, nicht publ. in: BGE 138 V 140 , aber in: SVR 2012 UV Nr. 16 S. 58; SVR 2010 IV Nr. 20 S. 61, 9C_256/2009 E. 4). 4.6 Das sogenannte Angehörigenprivileg war im aMVG im erwähnten Art. 43 beziehungsweise in Art. 13 Abs. 2 MVG geregelt (vgl. oben E. 4.1), welche weitgehend übereinstimmten mit der heutigen Bestimmung von Art. 13 MVG (in Kraft seit dem 1. Januar 2003). BGE 141 V 466 S. 470 Wenn der Versicherte Angehörige hat, denen im Falle seines Todes ein Rentenanspruch zustehen würde, ist ihnen Taggeld oder Invalidenrente während des Straf- und Massnahmevollzugs ganz oder teilweise auszurichten, sofern sie ohne diese Leistung in Not geraten würden. 4.7 Den Gesetzesmaterialien zur Entstehung des ATSG ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber auch im Falle der Strafgefangenschaft des Leistungsbezügers den Unterhalt der Angehörigen gedeckt wissen wollte. Ein Angehörigenprivileg war bereits im Entwurf zu einem Allgemeinen Teil der Sozialversicherung der Arbeitsgruppe der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungsrecht sowie im ständerätlichen Entwurf im Zusammenhang mit der Leistungskürzung enthalten. Es wurde eine besondere Regelung aufgenommen für die Leistungskürzung in Sozialversicherungszweigen, die keine besonderen Leistungen für Angehörige vorsehen. Wo der für Angehörige bestimmte Teil der Leistung nicht gesetzlich festgelegt sei, könne die Hälfte der Leistung als solcher gelten (Beiheft zur SZS 1984 S. 45, 68, Art. 25 Abs. 2 Satz 2 VE-ATSG; Parlamentarische Initiative Allgemeiner Teil Sozialversicherung, Bericht der Kommission des Ständerates vom 27. September 1990, BBl 1991 II 185 ff., 193, 256 zu Art. 27 Abs. 2 Satz 2 E-ATSG). Der allgemeine Grundsatz der Sistierung der Auszahlung von Geldleistungen bei Freiheitsentzug unter Vorbehalt eines Anspruches von Angehörigen wurde erstmals in der vertieften Stellungnahme des Bundesrates zur Parlamentarischen Initiative Sozialversicherungsrecht vorgesehen: Unter dem Titel "Geldleistungen bei Freiheitsentzug" wurde festgehalten, dass die Auszahlung von Geldleistungen teilweise oder ganz eingestellt werden kann, wenn der Versicherte eine Freiheitsstrafe (oder Massnahme) verbüsst, dass jedoch Angehörige des Versicherten, denen im Falle seines Todes eine Geldleistung zustehen würde, Anspruch haben auf die teilweise oder vollständige Ausrichtung von Geldleistungen, sofern sie andernfalls in Not geraten würden. Es wurde dabei verwiesen auf den erwähnten Art. 13 MVG (oben E. 4.6) und auf die Rechtsprechungsänderung nach BGE 113 V 273 sowie BGE 114 V 143 , wonach der Anspruch auf eine Invalidenrente bei Strafgefangenschaft nicht mehr zu entziehen, sondern zu sistieren war, die Zusatzrenten jedoch weiter auszurichten waren (oben E. 4.2; Art. 27 Abs. 5 lit. a und b des BGE 141 V 466 S. 471 bundesrätlichen Entwurfs, BBl 1994 V 921 ff., 937; JÜRG MAESCHI, Das Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom 19. Juni 1992 und die Koordination des Sozialversicherungsrechts, SZS 2001 S. 270 ff., 275 f.). Die Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit stellte in ihrem Bericht vom 26. März 1999 klar, dass der Rentenanspruch bei Strafgefangenschaft zu sistieren, die für die Deckung des Unterhaltsbedarfs der Angehörigen bestimmten Zusatzrenten hingegen weiter auszurichten seien. Die redaktionelle Neufassung von (nunmehr) Abs. 4 des Art. 27 lautete: "Befindet sich der Versicherte im Straf- oder Massnahmevollzug, kann während dieser Zeit die Auszahlung von Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter mit Ausnahme derjenigen für Ansprüche der Angehörigen im Sinne von Absatz 2 bis ganz oder teilweise eingestellt werden"; Absatz 2 bis dieses Entwurfs entspricht dem heutigen Art. 21 Abs. 3 ATSG (BBl 1999 4523 ff., 4565 ff.). In der Diskussion des Gesetzesentwurfs im Nationalrat wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Kommission damit eine breit abgestützte Änderung zugunsten der Versicherten verabschiedet habe (AB 1999 N 1240, Votum Rechsteiner; vgl. zur Entstehungsgeschichte UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, Vorbemerkungen N. 19 ff.). 4.8 Auch nach der Lehre gilt die Regelung des Angehörigenprivilegs nach Art. 21 Abs. 5 ATSG für diejenigen Sozialversicherungszweige, die keine separaten Leistungen für Angehörige ausscheiden und wo somit einzig dem Versicherten selber ein Rechtsanspruch zusteht. Die Leistungen an den Versicherten seien nach dem Verweis auf Abs. 3 höchstens bis zur Hälfte zu suspendieren, wenn er daraus auch familienrechtliche Pflichten zu finanzieren hat (ERWIN MURER, Die Einstellung der Auszahlung von Invalidenrenten der Sozialversicherung während des Straf- und Massnahmevollzugs, in: Festschrift für Franz Riklin, 2007, S. 162; FRANZ SCHLAURI, Die Militärversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1089 Rz. 88). MURER bemängelt die heutige Fassung von Art. 21 Abs. 5 ATSG als kompliziert und dem Wortlaut nach höchst verwirrlich. Sie ziele indessen auf eine ungefähre Gleichbehandlung der Bezüger von IV- und auch Berufsvorsorge-Leistungen mit den Bezügern von UV- und MV-Leistungen in Bezug auf Grundsatz und Umfang der Suspension ab (MURER, a.a.O.). 4.9 Aus der dargelegten Entstehungsgeschichte von Art. 21 ATSG ist zu folgern, dass der Gesetzgeber den Grundsatz der Sistierung von Geldleistungen während des Straf- oder Massnahmenvollzuges BGE 141 V 466 S. 472 unter Vorbehalt des Angehörigenprivilegs positivrechtlich regeln wollte. Mit Abs. 5 wird, analog zu Abs. 3 über die Kürzung von Geldleistungen, bestimmt, dass eine lediglich teilweise, höchstens hälftige Einstellung der Geldleistungen mit Erwerbsersatzcharakter erfolgt in Versicherungszweigen, die keine separaten Leistungen für Angehörige ausscheiden. Dies entspricht auch den Vorgaben des internationalen Rechts, sieht Art. 68 lit. b der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit doch als Ausnahme vom Grundsatz der Sistierung vor, dass ein Teil der Leistung den unterhaltsberechtigten Angehörigen des Leistungsempfängers zu gewähren sei. 5. 5.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er mit Urteil vom 20. April 2011 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt worden sei. Es sei zur Verbüssung der Strafe der Vollzug in der Strafanstalt B. angeordnet worden, wo er sich vom 8. Oktober 2012 bis zum 15. Juni 2013 aufgehalten habe. Eine Sistierung seiner Taggeldleistungen während dieser Zeit sei nicht gerechtfertigt, denn wenn er gesund gewesen wäre, hätte ihm das Electronic Monitoring oder die Halbgefangenschaft bewilligt werden müssen. 5.2 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Versicherte den Strafvollzug nicht in Halbgefangenschaft hat verbüssen können. Seinen Einwänden zur Diskriminierung gegenüber gesunden Straftätern in Halbgefangenschaft oder unter Überwachung durch Electronic Monitoring kann indessen nicht gefolgt werden. Entscheidwesentlich ist, dass der Staat für seinen Unterhalt im Strafvollzug aufgekommen ist. Bei der beantragten weiteren Ausrichtung des Taggeldes auch während seines Aufenthalts in der Strafanstalt vermöchte der Versicherte einen wirtschaftlichen Vorteil aus dem Strafvollzug zu ziehen. Dies zu verhindern war seit jeher ein Hauptgrund für die Revisions- beziehungsweise Sistierungspraxis bei einem Freiheitsentzug und widerspricht Sinn und Zweck der dargelegten Rechtsprechung und Gesetzesbestimmungen (oben E. 4.1-4.3). Dass wie bei einem Straftäter in Halbgefangenschaft oder unter Electronic Monitoring für die Deckung des eigenen Unterhalts ein Bedarf bestand an dem vom Unfallversicherer ausgerichteten Taggeld, welches dem Erwerbsersatz dient, wird in der Beschwerde nicht dargelegt und ist nicht ersichtlich. Jedoch ist das Taggeld mit Rücksicht auf die Unterhaltspflicht des Versicherten gegenüber seiner Ehefrau nach Art. 21 Abs. 5 in BGE 141 V 466 S. 473 Verbindung mit Abs. 3 ATSG im Umfang von mindestens 50 % weiter auszurichten (oben E. 4.4-4.9). Die SUVA wird über die Taggeldleistungen, die dem Beschwerdeführer während seines Strafvollzuges zustanden, neu verfügen.
null
nan
de
2,015
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
12e76549-03c5-40c7-86bc-5c56b5e76d11
Urteilskopf 113 Ia 146 23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. März 1987 i.S. Heinz Aebi und Mitb. gegen den Grossen Rat des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV , Art. 85 lit. a OG ; Wiedererwägungsgesuch betreffend Erwahrungsbeschluss über Abstimmungen und Wahlen. Die Möglichkeit der Wiedererwägung muss auch in bezug auf einen Erwahrungsbeschluss über Abstimmungen und Wahlen gegeben sein. Fehlt eine dahingehende Regelung im kantonalen Recht, so hat der aus Art. 4 BV abgeleitete Grundsatz zu gelten, dass eine Behörde dann auf ein Wiedererwägungsgesuch einzutreten hat, wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen und Beweismittel geltend macht, die ihm während des Wahl- bzw. Abstimmungsverfahrens und der darauf bezogenen Beschwerdefrist nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn unmöglich war.
Sachverhalt ab Seite 147 BGE 113 Ia 146 S. 147 Am 11. September 1983 fand im Amtsbezirk Laufen gestützt auf das Gesetz vom 19. November 1975 über die Einleitung und Durchführung des Anschlussverfahrens des Amtsbezirkes Laufen an einen benachbarten Kanton die Volksabstimmung über den Anschluss des Laufentals an den Kanton Basel-Landschaft statt. Das Resultat über die Abstimmungsfrage "Wollt Ihr Euch aufgrund des vereinbarten Vertrages dem Kanton Basel-Landschaft anschliessen?" ergab 3575 Ja-Stimmen und 4675 Nein-Stimmen. Der Regierungsrat des Kantons Bern erwahrte das Abstimmungsergebnis am 21. September 1983 und teilte es am 12. Oktober 1983 dem Grossen Rat mit. Dieser nahm an seiner Sitzung vom 7. November 1983 davon Kenntnis. Die Erwahrung wurde im Amtsblatt des Kantons Bern veröffentlicht. Am 3. September 1985 erhoben Heinz Aebi, Konrad Düblin, Alfred Jeker, Ernst Mani und Walter Schmidlin, welche im Laufental stimmberechtigt sind, Abstimmungsbeschwerde "an die Staatskanzlei z.H. des zuständigen Entscheidungsorgans". Sie beantragten: "Es sei die Laufentalabstimmung null und nichtig zu erklären, eventuell aufzuheben, und es sei über die gleiche BGE 113 Ia 146 S. 148 Abstimmungsvorlage eine neue Abstimmung durchzuführen." Zur Begründung wiesen sie darauf hin, dass sich aus dem am 2. September 1985 dem Grossen Rat eröffneten Untersuchungsbericht der Besonderen Untersuchungskommission (BUK) zum Bericht Hafner ergebe, dass dem Propaganda-Komitee "Aktion Bernisches Laufental" nebst einem im Jahre 1980 entrichteten Betrag von Fr. 60'000.-- weitere Fr. 273'281.-- aus den SEVA-Lotteriegeldern für Abstimmungspropaganda bezahlt worden seien. Durch diese massive pro-bernische Propaganda sei das Abstimmungsergebnis wesentlich verfälscht worden. Die Beschwerdefrist von drei Tagen seit der Entdeckung des Beschwerdegrundes gemäss Art. 89 Abs. 2 des Gesetzes über die politischen Rechte vom 5. Mai 1980 sei eingehalten; die weitere Bestimmung, wonach spätestens nach drei Tagen nach Veröffentlichung einer Abstimmung die Beschwerde erhoben werden müsse, könne nicht zur Anwendung gelangen, da die Mängel ja erst jetzt entdeckt worden seien. Am 18. November 1985 entschied der Grosse Rat, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Zur Begründung führte er aus, die klare gesetzliche Regelung, wonach die Beschwerde spätestens drei Tage nach der Veröffentlichung der Ergebnisse der Abstimmung einzureichen sei, sei nicht eingehalten worden. Es könne auch nicht auf den Erwahrungsbeschluss des Grossen Rates vom 7. November 1983 zurückgekommen werden, denn hiezu fehle es an einer positiven Rechtsgrundlage; und aus Gründen der Rechtssicherheit erscheine dies auch als unhaltbar. Hiergegen erhoben Heinz Aebi, Konrad Düblin, Alfred Jeker, Ernst Mani und Walter Schmidlin am 28. Dezember 1985 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht wegen Verletzung des Stimmrechts ( Art. 85 lit. a OG ) und wegen Verletzung von Art. 4 BV . Sie beantragen, der Entscheid des Grossen Rates des Kantons Bern vom 18. November 1985 sei aufzuheben; dieser sei anzuweisen, auf die Abstimmungsbeschwerde vom 3. September 1985 einzutreten und diese materiell zu entscheiden. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich bloss kassatorischer Natur ( BGE 112 Ia 211 f. E. 1c, 225 E. 1c, mit Hinweisen). Dies gilt auch für die Stimmrechtsbeschwerde ( BGE 107 Ia 219 E. 1b mit Hinweisen). Der Erlass positiver Anordnungen kann daher in der Regel nicht verlangt werden. Eine Ausnahme BGE 113 Ia 146 S. 149 gilt nur, wenn der verfassungsmässige Zustand nicht schon mit der Aufhebung des angefochtenen Entscheides hergestellt wird. Eine solche Ausnahme besteht im vorliegenden Fall nicht. Deshalb ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, soweit damit mehr als die Aufhebung des Entscheides des Grossen Rates des Kantons Bern vom 18. November 1985 verlangt wird. b) Die Beschwerdeführer rügen zur Hauptsache eine Verletzung ihres politischen Stimmrechts. Sie sind unbestrittenermassen stimmberechtigte Einwohner des Amtsbezirkes Laufen. Als solche sind sie zur Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG legitimiert ( BGE 112 Ia 211 E. 1a, 224 E. 1a; BGE 111 Ia 116 E. 1a mit Hinweisen). Mit der Verletzung ihres Stimmrechts rügen die Beschwerdeführer auch eine solche von Art. 4 BV . Soweit im Rahmen dieser Verfassungsbestimmung zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführer sich auf den von Lehre und Rechtsprechung unmittelbar daraus abgeleiteten Anspruch auf Wiedererwägung eines Entscheides - hier also des die Abstimmung vom 11. September 1983 betreffenden Erwahrungsentscheides - berufen können und ob dieser Anspruch verletzt worden ist, betrifft dies der Sache nach eine Frage ihres Stimmrechts; es würde auf eine Verletzung ihres Stimmrechts hinauslaufen, wenn der Grosse Rat des Kantons Bern mit seinem Entscheid vom 18. November 1985 zu Unrecht nicht auf ihre als Wiedererwägungsgesuch zu verstehende Beschwerde vom 3. September 1985 eingetreten wäre. Insofern sie dies in ihrer Beschwerde geltend machen, sind sie daher auch hinsichtlich der Rüge der Verletzung von Art. 4 BV zur Stimmrechtsbeschwerde legitimiert. Nebstdem kommt der von den Beschwerdeführern zusätzlich erhobenen Rüge der Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes eine nur untergeordnete Bedeutung zu. Ob sie - was nicht nach Art. 85 lit. a, sondern nach Art. 88 OG zu prüfen wäre - auch zu dieser Rüge legitimiert sind (vgl. hiezu BGE 111 Ia 117 E. 1b mit Hinweisen), kann unter den gegebenen Umständen offenbleiben. 2. Nach Art. 89 Abs. 2 des bernischen Gesetzes über die politischen Rechte vom 5. Mai 1980 (GPR) ist eine Beschwerde innert drei Tagen seit der Entdeckung der Beschwerdegründe, spätestens aber drei Tage nach der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Abstimmung oder Wahl, beim Regierungsrat einzureichen. Es steht unbestrittenermassen fest, dass die Beschwerdeführer die letztere Frist nicht eingehalten haben. Entgegen ihrer BGE 113 Ia 146 S. 150 Meinung kann jedoch auf dieses zweite Erfordernis nicht verzichtet werden. Wie der Grosse Rat zu Recht ausführte, kann es aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Frage kommen, den Beginn der Beschwerdefrist wegen der Entdeckung irgendwelcher Beschwerdegründe zu verschieben. Daran vermögen auch Gründe wie der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Grundsatz von Recht und Billigkeit nichts zu ändern. Insofern entschied der Grosse Rat daher zutreffend, auf ihr Gesuch vom 3. September 1985 nicht im Sinne einer förmlichen Beschwerde einzutreten. Dies besagt jedoch nicht, dass sie keine Möglichkeit mehr hätten, eine Überprüfung ihrer Vorbringen erreichen zu können. 3. In Wirklichkeit erweist sich nämlich das von den Beschwerdeführern am 3. September 1985 gestellte Begehren "an die Staatskanzlei z.H. des zuständigen Entscheidungsorgans" als ein solches um Wiedererwägung oder Revision, stützt es sich doch auf neue Tatsachen und Beweismittel, die ihnen bis zum Ablauf der Beschwerdefrist noch nicht bekannt gewesen sein sollen. Der Grosse Rat überprüfte die Eintretensfrage denn auch zusätzlich unter diesem Gesichtspunkt, fand jedoch keine rechtliche Grundlage für ein Zurückkommen auf den Abstimmungsentscheid bzw. den Erwahrungsbeschluss; vielmehr nahm er ein qualifiziertes Schweigen des Verfassungsgebers an, das keinen Raum für eine Interpretation lasse und ein Zurückkommen verunmögliche. Dieser Auffassung kann jedoch aus folgenden Gründen nicht beigepflichtet werden. a) Wiedererwägungs- und Revisionsersuchen im Verwaltungsverfahrensrecht sind Gesuche an eine Behörde, eine rechtskräftige Verfügung aufzuheben oder abzuändern (vgl. ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Band II, S. 947; FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, S. 308 ff., 311 ff. und 316; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage, S. 220 und 260 ff.; PETER SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, S. 166). Die Terminologie in Gesetzgebung, Lehre und Praxis ist nicht einheitlich, und oftmals wird zwischen Wiedererwägung und Revision nicht unterschieden. Soweit ein Unterschied vorgenommen wird, ist das Revisionsgesuch an Fristen und Formen gebunden, das Wiedererwägungsgesuch jedoch nicht (so z.B. GRISEL, a.a.O., S. 947; BGE 109 Ib 252 E. 4a). Beiden Rechtsbehelfen ist gemeinsam, dass unter bestimmten Voraussetzungen von einer Behörde verlangt werden kann, auf ihren früher gefassten, in Rechtskraft erwachsenen Entscheid zurückzukommen (s. die bereits angeführten Zitate). BGE 113 Ia 146 S. 151 Wiedererwägung und Revision sind zunächst immer dort zulässig, wo sie gesetzlich vorgesehen sind. In der Bundesrechtspflege ist die Revision in Art. 66 VwVG und Art. 136 f. OG geregelt. Nach Art. 66 VwVG zieht die Beschwerdeinstanz ihren Beschwerdeentscheid von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei in Revision, wenn ihn ein Verbrechen oder Vergehen beeinflusst hat (Abs. 1), wenn eine Partei neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorbringt (Abs. 2 lit. a) oder nachweist, dass die Beschwerdeinstanz aktenkundige erhebliche Tatsachen oder bestimmte Begehren übersehen hat (Abs. 2 lit. b), oder wenn sie nachweist, dass die Beschwerdeinstanz die Bestimmungen über den Ausstand, die Akteneinsicht oder das rechtliche Gehör verletzt hat (Abs. 2 lit. c). Bei Vorliegen eines Irrtums von seiten der Behörden können die Parteien also über Art. 66 VwVG ein Revisionsbegehren stellen. A fortiori sind sie berechtigt, bei Entdeckung eines Revisionsgrundes erst nach Ablauf der Beschwerdefrist bei der verfügenden Behörde ein Wiedererwägungsgesuch einzureichen, wie dies die Lehre aus Art. 66 VwVG zu Recht ableitet (vgl. BGE BGE 109 Ib 250 E. 4a mit Hinweis auf THOMAS FLEINER-GERSTER, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, 2. Auflage, S. 277 N. 56; ebenso GRISEL, a.a.O., S. 948 Ziff. 3a; s. auch SALADIN, a.a.O., S. 98 ff.). Lehre und bundesgerichtliche Rechtsprechung haben seit längerer Zeit eine Praxis entwickelt, wonach die Steuerbehörden eine Steuerveranlagung unter bestimmten Voraussetzungen in Revision zu ziehen haben, auch wenn diese gesetzlich nicht vorgesehen ist ( BGE 111 Ib 210 ; BGE 105 Ib 251 ff.; BGE 103 Ib 88 ; 98 Ia 572 f. E. 5b, je mit Hinweisen; MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Nr. 43 B Ziff. I S. 262 f.; GRISEL, a.a.O., S. 949 Ziff. 3c). Ebenfalls im Sozialversicherungsrecht anerkennt das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung, dass die Verwaltungsbehörden Entscheidungen, die sich aufgrund von neu entdeckten Tatsachen und Beweismaterialien als fehlerhaft erweisen, selbst bei Fehlen gesetzlicher Bestimmungen in Wiedererwägung zu ziehen haben ( BGE 102 V 17 ; vgl. SALADIN, a.a.O., S. 99). Wo eine solche Verpflichtung weder gesetzlich vorgesehen noch von einer ständigen Verwaltungspraxis anerkannt ist, sind die aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze massgebend. Sie gehen dem kantonalen Recht vor, wenn dieses eine Verpflichtung überhaupt verneint oder einer solchen nur eine hinter den Anforderungen von Art. 4 BV zurückbleibende Tragweite verleiht ( BGE 100 Ib 371 E. 3a). BGE 113 Ia 146 S. 152 Gemäss den von Rechtsprechung und Lehre aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätzen ist eine Behörde dann verpflichtet, sich mit einem Wiedererwägungsgesuch zu befassen, wenn die Umstände sich seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben, oder wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen und Beweismittel namhaft macht, die ihm im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand ( BGE 109 Ib 251 f. E. 4a; BGE 100 Ib 371 f. E. 3a, mit Hinweisen). b) Das bernische Recht sieht eine Wiedererwägung oder Revision im kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 22. Oktober 1961 (VRPG) vor. Es handelt sich um das "neue Recht", welches in Art. 75 ff. VRPG geregelt ist. Danach können Parteien und Beigeladene um Abänderung oder Aufhebung eines in Rechtskraft erwachsenen Entscheides ersuchen (Art. 75 Abs. 1 VRPG), wenn 1. sie Beweismittel, die zur Erwahrung erheblicher Tatsachen dienen, erst seit der Beurteilung der Sache entdeckt oder zur Hand gebracht haben; 2. ihnen seit der Beurteilung der Sache neue, für die Entscheidung erhebliche Tatsachen bekannt geworden sind; 3. durch eine strafbare Handlung auf den Entscheid in erheblicher Weise eingewirkt wurde. Es stellt sich die Frage, ob das "neue Recht" gemäss Art. 75 ff. VRPG auch für Wahl- und Abstimmungsverfahren zur Anwendung gelangen kann. Dem steht vorerst entgegen, dass das Gesetz über die politischen Rechte vom 5. Mai 1980 die Abstimmungs- und Wahlverfahren abschliessend regelt. Zwar sieht Art. 95 Abs. 1 GPR vor, dass in den Beschwerdeverfahren, in denen der Regierungsrat endgültig entscheidet, im übrigen die Vorschriften des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege gelten. Ob damit auch die Bestimmungen über das "neue Recht" zur Anwendung gelangen können, kann hier jedoch offengelassen werden, da für die Anfechtung der Ergebnisse einer kantonalen Abstimmung oder Wahl der Grosse Rat auf Antrag des Regierungsrates zu entscheiden hat (Art. 93 Abs. 2 GPR) und Art. 95 Abs. 1 GPR somit keine Anwendung findet; der Grosse Rat ist keine Verwaltungsjustizbehörde im Sinne von Art. 1 VRPG, so dass dieses Gesetz für ein vor ihm hängiges Verfahren nicht unmittelbar anwendbar ist. Letztlich liesse sich allerdings noch fragen, ob die Bestimmungen des "neuen Rechts" gemäss Art. 75 ff. VRPG in einem Fall wie BGE 113 Ia 146 S. 153 dem vorliegenden analog anwendbar sein könnten. Der Grosse Rat schloss eine solche analoge Anwendbarkeit aber sinngemäss aus, indem er im angefochtenen Entscheid ausführte, dafür, auf seinen Erwahrungsbeschluss vom 7. November 1983 zurückzukommen, fehle es an einer positiven Rechtsgrundlage, und aus Gründen der Rechtssicherheit erscheine ein Zurückkommen ohnehin als unhaltbar. Auch die Beschwerdeführer berufen sich nicht auf eine derartige analoge Anwendbarkeit der Bestimmungen gemäss Art. 75 ff. VRPG. Die Frage kann jedoch offenbleiben, denn es liegt in der Natur der Sache, dass ebenfalls in bezug auf einen Erwahrungsbeschluss über Abstimmungen und Wahlen die Möglichkeit einer Wiedererwägung gegeben sein muss, dies selbst dann, wenn entsprechende gesetzliche Vorschriften fehlen. Wenn nachträglich eine massive Beeinflussung einer Wahl oder Abstimmung zutage tritt, dann muss Art. 4 BV den Betroffenen unmittelbar ein Recht auf Überprüfung der Regularität der betreffenden Wahl oder Abstimmung geben. Auch im vorliegenden Fall haben also die oben (lit. a) dargelegten, aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze zu gelten, wonach sich eine Behörde dann mit einem Wiedererwägungsgesuch zu befassen hat, wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen oder Beweismittel geltend macht, die ihm während des Wahl- bzw. Abstimmungsverfahrens und der im Anschluss daran laufenden Beschwerdefrist nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn unmöglich war oder keine Veranlassung bestand. Es wäre stossend und schlechterdings nicht vertretbar, wenn Unregelmässigkeiten oder gar massive Wahlfälschungen, welche das Wahl- oder Abstimmungsresultat beeinflusst haben, nur deshalb nicht mehr zu einer Überprüfung des Validierungsbeschlusses führen könnten, weil die entsprechenden Tatsachen oder Beweismittel erst nach Ablauf der Beschwerdefrist entdeckt wurden. c) Die Behörde hat auf ein Wiedererwägungsgesuch hin zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen sie zur Wiedererwägung verpflichtet ist, erfüllt sind. Ist dies der Fall, so hat sie, nötigenfalls nach Ergänzung der Akten, einen neuen Sachentscheid zu treffen, gegen den normalerweise die gewöhnlichen Rechtsmittel offenstehen. Findet sie jedoch, dass die verlangten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, so darf sie die materielle Prüfung des Gesuches ablehnen, ohne dass ihr Entscheid eine neue Frist zur Beschwerde in der Sache selbst in Gang setzt; der Gesuchsteller kann dann mit Beschwerde bloss geltend machen, die BGE 113 Ia 146 S. 154 Behörde habe zu Unrecht das Bestehen der Eintretensvoraussetzungen verneint ( BGE 109 Ib 251 E. 4a mit Hinweis). Eine Behörde, die es ablehnt, auf ein Begehren um Wiedererwägung eines Entscheides einzutreten, obwohl die Voraussetzungen dafür erfüllt wären, verletzt Art. 4 BV . d) Hinsichtlich der Frist, innert der ein Wiedererwägungsgesuch gestellt werden kann, ist der vom Regierungsrat in seiner Vernehmlassung vom 5. März 1986 bekundeten Auffassung insoweit beizupflichten, als nicht jede noch so weit zurückliegende Abstimmung bei Entdeckung von eventuell wesentlichen Formfehlern noch angefochten werden kann; auch der Möglichkeit der Wiedererwägung müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zeitliche Grenzen gesetzt sein. Wenn es um schwerwiegende, verborgen gehaltene Mängel geht, kann es sich dabei aber nur um langfristige Grenzen handeln und nicht um eine blosse Dreitagesfrist, wie sie in Art. 89 Abs. 2 GPR vorgesehen ist. Im öffentlichen Recht sind Verjährungs- oder Verwirkungsfristen oft nicht geregelt, so dass sie durch Richterrecht geschaffen werden müssen (s. BGE 112 Ia 262 ff. E. 5 mit Hinweisen). Erwähnt seien in diesem Zusammenhang etwa die fünfjährige Verjährungsfrist bei Ansprüchen aus dem Nationalstrassenbau ( BGE 105 Ib 14 ), die zehnjährige Verjährungsfrist bei Ansprüchen aus materieller Enteignung bei Fehlen kantonalrechtlicher Bestimmungen ( BGE 111 Ib 272 und BGE 108 Ib 340 ) und die dreissigjährige Verwirkungsfrist für den Abbruch rechtswidrig erstellter Bauten ( BGE 107 Ia 124 ). In einem Stimmrechtsfall der vorliegenden Art könnte unter Umständen auch eine analoge Anwendung von Art. 60 OR in Frage kommen, was eine absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren seit der Abstimmung und eine relative Verjährungsfrist von einem Jahr ab Kenntnisnahme der beanstandeten Intervention bedeuten würde. Welche derartige absolute und relative Verjährungs- bzw. welche Verwirkungsfrist in der vorliegenden Sache tatsächlich gelten soll, kann allerdings offenbleiben. Nachdem das Wiedererwägungsgesuch bereits knapp zwei Jahre nach der fraglichen Abstimmung und an dem der Bekanntgabe der beanstandeten Intervention folgenden Tag eingereicht wurde, ist hier eine solche Frist noch keinesfalls abgelaufen. e) Die Beschwerdeführer haben unter Hinweis auf die Veröffentlichung des Untersuchungsberichts der BUK substantiiert dargetan, erst aufgrund dieser Veröffentlichung erfahren zu haben, dass von seiten der Regierung Fr. 333'281.-- an das Propagandakomitee "Aktion bernisches Laufental" bezahlt worden seien. Sie halten BGE 113 Ia 146 S. 155 dafür, dass die Abstimmung dadurch massiv beeinflusst und gefälscht worden sei und dass ohne diesen Zufluss von Geldern ein gegenteiliges Resultat hätte erzielt werden können. Über diese - wie ausgeführt jedenfalls noch rechtzeitig geltend gemachten - neuen Vorbringen kann nicht hinweggesehen werden. Von dem im kantonalen Verfahren mehrfach erwähnten Bundesgerichtsurteil i.S. L. Theiler gegen den Grossen Rat des Kantons Bern vom 21. Juni 1985 unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall einmal darin, dass es damals nicht um eine Wiedererwägung, sondern um die Beschwerdefrist als solche ging. Zum andern erfordern Entscheide der vorliegenden Art immer eine Gewichtung. Im Rahmen der aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze, wie sie oben (lit. a) dargelegt worden sind, kann selbstverständlich keine Rede davon sein, dass jede geringfügige neue Erkenntnis über einen Formfehler bei der Abstimmung einen Wiedererwägungsanspruch verleiht. Vielmehr muss es sich um gravierende Mängel handeln, die ihrer Bedeutung nach mit den eigentlichen Revisionsgründen des Verwaltungsverfahrens- und auch des Zivil- oder Strafprozessrechtes auf eine Ebene zu stellen sind. Eine Gewichtung vorzunehmen, ist in Fällen dieser Art nicht zu umgehen; sie fällt dem Bundesgericht auch in vielen Fällen anderer Natur zu, vor allem bei jeder Interessenabwägung und bei der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit. Diese Gewichtung muss hier klar zugunsten der Erheblichkeit der neu entdeckten Tatsachen ausfallen. Es genügt, die aus kantonalen Mitteln ohne Wissen des Parlamentes und des Volkes aufgewendete Summe durch die Zahl der Stimmberechtigten des Laufentals zu dividieren, um zu erkennen, wie erheblich diese Einflussnahme war. Demnach ist festzustellen, dass der Grosse Rat des Kantons Bern wegen der Erheblichkeit der neu entdeckten Tatsachen auf das von den Beschwerdeführern am 3. September 1985 gestellte Wiedererwägungsgesuch hätte eintreten müssen. Damit ist allerdings noch nichts über die Frage der Erlaubtheit oder Unerlaubtheit der Einflussnahme gesagt. Diese Frage, also die Frage der materiellen Begründetheit des Gesuchs, bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern wird von der für die Wiedererwägung zuständigen Behörde zu beurteilen sein. Die im angefochtenen Entscheid (in Ziff. 2.5. der Erwägungen) enthaltene kurze Stellungnahme des Grossen Rates zur Frage der Erheblichkeit der Einflussnahme auf die Abstimmung vermag BGE 113 Ia 146 S. 156 jedenfalls keine ausreichende Beurteilung der materiellen Vorbringen der Beschwerdeführer darzustellen. f) Somit ist die staatsrechtliche Beschwerde im Sinne der vorstehenden Erwägungen gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und der Entscheid des Grossen Rates des Kantons Bern vom 18. November 1985 ist aufzuheben. Es drängt sich auf, die das Abstimmungs- und Wahlbeschwerdeverfahren betreffende Bestimmung des Art. 93 GPR im Falle einer auf diesem Gebiet vorzunehmenden Wiedererwägung analog anzuwenden, wie dies der Grosse Rat getan hat. Entsprechend ist nach Art. 93 Abs. 2 GPR er selbst die zur materiellen Beurteilung des Wiedererwägungsgesuchs zuständige Behörde. Der Regierungsrat kommt nur als antragstellende Behörde in Betracht, wobei hier offenbleiben kann, ob ihn eine Antragspflicht trifft oder ob er bei einer besonderen Konstellation wie der vorliegenden vom Grossen Rat auch von der Instruktion der Sache entbunden werden kann.
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1,987
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12e9b91e-2294-4ffe-8c3b-7c89bd541f37
Urteilskopf 85 II 149 25. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Mai 1959 i.S. Buss AG gegen Milo-Werke, Nationalunternehmen.
Regeste Art. 43 Abs. 1 OG , Berufungsgrunde. Fragen der Auslegung oder Geltung einer Schiedsklausel können nicht Gegenstand der Berufung sein.
Sachverhalt ab Seite 149 BGE 85 II 149 S. 149 A.- Die Firma Buss AG in Basel verpflichtete sich am 5. Februar 1948 gegenüber dem tschechoslowakischen Nationalunternehmen Milo-Werke zur Lieferung einer Öl-Härtungsanlage. Die Parteien knüpften die Fälligkeit der letzten 10% des Preises unter anderem an die Bedingung, dass die Verkäuferin der Käuferin für die Dauer von sechs Monaten in gleicher Höhe Bankgarantie leiste. "Was den Inhalt der Garantie betrifft", vereinbarten sie, "für eventuelle Differenzen" ein Schiedsgericht zu bestellen. Sie bestimmten, dass jede Partei einen Schiedsrichter zu bezeichnen habe und der Vorsitzende von beiden Parteien gemeinsam oder, falls sie sich nicht einigen könnten, vom Präsidenten des tschechoslowakischen Industrieverbandes zu ernennen sei. Am 18. Dezember 1948 änderten sie den Vertrag. Sie kamen überein, einen Rest von Fr. 58'500.-- des auf Fr. 617'000.-- herabgesetzten Kaufpreises als "Garantierückhalt" zu betrachten. Die Milo-Werke verpflichteten sich, hiefür bei einer schweizerischen Grossbank ein unwiderrufliches Akkreditiv zu errichten, über das die Buss AG gegen Vorweisung des von beiden Parteien unterschriebenen Abnahmeprotokolls über das einwandfreie Funktionieren der gelieferten Anlage sollte verfügen können. Die Anlage wurde in den Jahren 1950 und 1951 geliefert, wies jedoch Mängel auf, weshalb das gemeinsame Abnahmeprotokoll BGE 85 II 149 S. 150 nicht zustande kam. Im Januar 1958 verlangten die Milo-Werke die Wandelung des Vertrages bezüglich eines Teils der Anlage und forderten Schadenersatz. B.- Die Buss AG liess am 26. März 1958 zur Sicherung ihrer Forderung von Fr. 58'500.-- ein Guthaben der Milo-Werke gegen die Schweizerische Verrechnungsstelle mit Arrest belegen und leitete Betreibung ein. Auf Rechtsvorschlag der Milo-Werke hin klagte sie gegen diese beim Bezirksgericht Zürich auf Zahlung von Fr. 58'500.-- nebst Zins-, Arrest- und Betreibungskosten. Die Beklagte wendete unter anderem ein, die staatlichen Gerichte seien wegen der am 5. Februar 1948 vereinbarten Schiedsklausel nicht zuständig. Das Bezirksgericht hielt diese Einrede für begründet und wies daher die Klage von der Hand. Die Klägerin rekurrierte an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses wies den Rekurs am 10. März 1959 ab. Es kam zum Schluss, die vorliegende Schiedsklausel solle nach dem ganzen Vertragssystem dann gelten, wenn wegen Mängelrügen der Beklagten über die Herausgabe des als "Garantie" dienenden und zurückbehaltenen Restpreises von Fr. 58'500.-- Streit entstehe; ein solcher Streit liege vor. Auch sei die Schiedsklausel nicht zum Teil undurchführbar, wie die Klägerin geltend mache. C.- Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt dem Bundesgericht, die Entscheide des Bezirksgerichtes und des Obergerichtes aufzuheben und das Bezirksgericht anzuweisen, die Klage materiell zu beurteilen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: Das Bundesgericht hat seine frühere Auffassung, wonach Schiedsverträge und Schiedsklauseln dem materiellen Privatrecht unterständen, im Jahre 1915 aufgegeben und in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre in ihnen BGE 85 II 149 S. 151 seither immer Vereinbarungen prozessualer Natur gesehen, die ausschliesslich vom kantonalen Prozessrecht beherrscht sind ( BGE 41 II 537 ff., BGE 59 I 179 , BGE 59 II 188 , BGE 60 II 60 , BGE 67 II 148 , BGE 71 II 116 , 179, BGE 78 II 395 ). Dieses bestimmt insbesondere, unter welchen Voraussetzungen sie gültig sind oder dahinfallen und wie sie ausgelegt werden müssen. Die Bestimmungen des eidgenössischen Rechts über Abschluss, Auslegung und Hinfall von Verträgen sind nicht von Bundesrechts wegen anwendbar. Sie treffen nur zu, wenn und soweit das kantonale Recht es verlangt, und haben dann die Natur (subsidiären) kantonalen Rechts ( BGE 71 II 117 ). Art. 2 ZGB , wonach jedermann in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat und der offenbare Missbrauch eines Rechtes nicht geschützt wird, macht keine Ausnahme. Diese Norm schränkt nur die Anwendung von Sätzen des eidgenössischen Rechtes ein, steht dagegen der Anwendung kantonalen Rechts, soweit solches massgebend ist, nicht im Wege ( BGE 84 II 642 ). Das kantonale Recht bestimmt, ob Schiedsverträge oder Schiedsklauseln nur im Rahmen von Treu und Glauben angewendet werden dürfen und ob ihre Anrufung missbräuchlich und deshalb nicht zu schützen ist. Es ist somit eine Frage des kantonalen Prozessrechtes, ob auch das Rechtsbegehren der Klägerin auf Auszahlung des Kaufpreisrestes, der von der Beklagten zur Sicherung ihrer allfälligen Ansprüche aus Gewährleistung zurückbehalten werden durfte, der vereinbarten Schiedsklausel untersteht oder diese, wie die Klägerin glaubt, nur einen unmittelbar auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens solcher Ansprüche oder auf deren Befriedigung gerichteten Rechtsstreit erfasst. Auch die zum Gegenstand der Berufung gemachte Frage, ob die Schiedsklausel hinfällig sei, weil die Ernennung des Vorsitzenden des Schiedsgerichtes voraussichtlich auf Schwierigkeiten stossen werde und daher der Klägerin die Anrufung des BGE 85 II 149 S. 152 Schiedsgerichtes nicht zugemutet werden könne, untersteht dem kantonalen Prozessrecht. Da die Anwendung kantonalen Rechts vom Bundesgericht auf Berufung hin nicht überprüft werden darf ( Art. 43, 55 Abs. 1 lit. c OG ), ist somit die vorliegende Berufung nicht zulässig. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
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Urteilskopf 120 Ib 474 62. Estratto della sentenza 8 novembre 1994 della I Corte di diritto pubblico nella causa FFS c. Fondazione P e Presidente supplente della Commissione federale di stima del 13o Circondario (ricorso di diritto amministrativo)
Regeste Art. 103 EntG ; Art. 7 SchlTZGB, Art. 52, 80 ff. ZGB . Rückforderung von enteigneten Grundstücken, rückforderungsberechtigte Personen. Enteignung von Grundstücken, die einer auf die Zeit der Landvogteien zurückgehenden gemischten Stiftung gehören; nachträgliche Aufhebung der enteigneten Stiftung unter gleichzeitiger Errichtung einer neuen Stiftung mit gemeinnützigem Zweck; Berechtigung der neuen Stiftung zur Rückforderung. Entstehungsgeschichte und Entwicklung einer Stiftung unter den verschiedenen Rechtssystemen seit der Zeit der Tessiner Landvogteien (E. 3). Unterscheidung zwischen Fideikommiss und juristischer Person. Anerkennung der juristischen Persönlichkeit eines Mitgift-Legates unter dem früheren kantonalrechtlichen Regime (E. 5). Tragweite von Art. 7 Abs. 2 SchlTZGB (in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 und 2 und Art. 81 Abs. 2 ZGB ). Gültigkeit der Stiftung nach neuem Recht, obschon im Zeitpunkt ihrer Errichtung die Ansprüche aus der Stiftungsurkunde verjährt waren (E. 6). Voraussetzungen zur Zweckänderung und zur Auflösung einer Stiftung. Trotz einiger Mängel zeitigt das im vorliegenden Fall durchgeführte Verfahren - Aufhebung der enteigneten gemischten Stiftung unter gleichzeitiger Errichtung einer gewöhnlichen Stiftung mit unterschiedlichem Zweck - keine mit der Natur der Stiftung unvereinbare Folgen (E. 9a - e). Aus dem Umstand, dass das Rückforderungsrecht in den früheren Akten nicht erwähnt wird, kann nicht auf einen Verzicht auf dieses geschlossen werden (E. 10c). Nach den in BGE 120 Ib 215 aufgestellten Prinzipien darf davon ausgegangen werden, dass das Rückforderungsrecht auf die neue Stiftung, der das ganze Restvermögen der aufgehobenen Stiftung übereignet wurde, übergegangen sei (E. 11).
Sachverhalt ab Seite 476 BGE 120 Ib 474 S. 476 Il 10 gennaio 1967 il Presidente della Commissione federale di stima (CFS) del Circondario 7 dichiarò aperta ad istanza delle Ferrovie federali svizzere (FFS o esproprianti), Direzione del II Circondario, una procedura espropriativa nella forma abbreviata (art. 33 seg. LEspr, RS 711) nei confronti della "Fondazione Bartolomeo P", con sede in Gravesano, per l'acquisto delle particelle n. 827p, 30p e 829p di complessivi m2 2'2455 in territorio del Comune di Manno. L'espropriata fece opposizione all'espropriazione ( art. 35 lett. a LEspr ), in via subordinata ne chiese l'ampliamento a tutti i beni immobili di sua proprietà ( art. 36 lett. b LEspr ) e notificò pretese di fr. 3'400'000.- (per il caso in cui fosse ammesso il richiesto ampliamento), risp. di fr. 3'000'000.- per il caso in cui esso fosse negato. All'udienza di conciliazione del 29 novembre 1967, l'espropriata ribadì la sua opposizione; dal canto loro, le esproprianti sottolinearono che ricorrevano i presupposti per una procedura "anticipata" d'espropriazione e si dichiararono disposte ad acquistare in via transattiva il tutto per un milione e mezzo di franchi, mentre per la superficie richiesta offrirono fr. 60.- il m2. La CFS si pronunciò con decisione del 20 settembre 1968. Rilevato che la fondazione espropriata era receduta dall'opposizione di principio e non aveva formulato pretese di svalutazione per il resto dell'azienda, essa stabilì l'indennità dovuta in fr. 55.- il m2, per un totale di fr. 1'235'025.-, sotto riserva dell'adeguamento a dipendenza della misurazione definitiva. Essendo in seguito risultato che la superficie del mappale n. 827p di Manno era di m2 673 superiore a quanto consegnato nelle tabelle di espropriazione, le FFS e la Fondazione BP stipularono una convenzione aggiuntiva il 4 novembre/12 dicembre 1974, in virtù della quale veniva versata all'espropriata un'indennità suppletiva per tale superficie di BGE 120 Ib 474 S. 477 fr. 37'015.- (pari a fr. 55.- il m2), oltre interesse dal 18 settembre 1969. La "Fondazione P", con sede in Gravesano, subentrata alla Fondazione Bartolomeo P al termine di una procedura su cui si tornerà, ha introdotto il 23 febbraio 1989 presso la CFS un'azione di retrocessione dei fondi espropriati e/o di risarcimento dei danni, fondata sugli art. 102 segg. LEspr. In pendenza di procedura, le parti hanno convenuto di limitare la causa al risarcimento del danno in denaro e si sono accordate per la continuazione della causa circa la questione pregiudiziale del diritto della fondazione alla retrocessione e quella del danno. Con istanza del 22 giugno 1989 E ha chiesto di esser ammesso ad intervenire in lite a sostegno della Fondazione P, eventualmente a far valere in nome proprio il diritto alla retrocessione. Le FFS hanno chiesto di dichiarare irricevibile l'istanza. Il Presidente supplente della CFS si è pronunciato con decisione del 24 giugno 1991. Egli ha riconosciuto la legittimazione attiva della "Fondazione P" nella causa di retrocessione promossa il 28 febbraio 1989, l'ha invece negata ad E. Con ricorso di diritto amministrativo le FFS chiedono al Tribunale federale di respingere l'azione di retrocessione della "Fondazione P", difettando la legittimazione attiva dell'attrice. Erwägungen Dai considerandi: 3. Le vicende storiche e giuridiche che formano lo sfondo di questa vertenza, e sostanzialmente sono incontestate, si possono riassumere così: a) Lugano con la Capriasca e la Pieve d'Agno costituiva dal 1512 uno dei quattro baliaggi comuni dei dodici cantoni svizzeri (Zurigo, Uri, Zugo, Friborgo, Berna, Svitto, Glarona, Soletta, Unterwalden, Basilea e Sciaffusa - escluso Appenzello), che lo governavano per turni biennali nell'ordine testé riferito. I Signori svizzeri avevano lasciato sussistere gli statuti locali, ispirati per il Sottoceneri a quelli del comasco e del milanese. Per il resto era applicabile il diritto comune, ch'era quello che s'era sviluppato in Lombardia. Un collegio di sindicatori sorvegliava l'attività del vogto (cfr. DTF 104 Ia 383 in fine; EUGEN HUBER, System und Geschichte des Schweizerischen Privatrechtes, vol. I, pag. 31, 54, 64; ANDREAS HEUSLER, Rechtsquellen des Kantons Tessin, ZSR 1892, 177 segg.; O. WEISS, Die Tessinischen Landvogteien der XII Orte im 18. Jahrhundert, Schweiz. BGE 120 Ib 474 S. 478 Studien zur Geschichtswissenschaft 1914, pag. 21 segg., 108 segg.; G. ROSSI/E. POMETTA, Storia del Cantone Ticino, pag. 141 segg.; CARLO POMETTA, La successione legittima secondo gli statuti e i codici ticinesi, Diss. Berna 1921, pag. 14 segg.; PETER LIVER, Das Sottocenere im Mittelalter, in "Abhandlungen zur schweizerischen und bündnerischen Rechtsgeschichte", pag. 115 segg.; F. PARAVICINI, Beitrag zur Rechtsgeschichte des Luganese ..., Diss. Zurigo 1934, pag. 89 segg.; LOUIS AUREGLIA, Evolution du droit public du Canton du Tessin, Parigi 1916, pag. 80; ELSA POZZI/MOLO, L'amministrazione della giustizia nei Baliaggi appartenenti ai Cantoni primitivi, 1953, pag. 38 segg.; G. LEPORI, Diritto costituzionale Ticinese, pag. 27, 29; GEORGES ANDRES E ALTRI: Nouvelle histoire de la Suisse et des Suisses, 2ème édition, Payot Lausanne, pagg. 236 segg., 362 seg.). b) Corre l'anno 1761. Bartolomeo P fu Antonio di Mugena consegna il proprio testamento al notaio Bartolomeo Insermini da Mugena in Lugano. c) L'8 maggio 1764, Bartolomeo P fu Antonio fa rogare dal notaio Giuseppe Cipriano Tarilli in Lugano un codicillo a detto testamento: spiega d'aver omesso di costituire, secondo l'incarico ricevuto dal defunto suo zio Pio Martino P un "certo legato perpetuo di fidecommesso della somma di lire dieci mille, moneta di Milano, da ricavarsi dai Luoghi di Monte (porzione in cui era diviso il capitale di un monte o di un banco, v. PERTILE, Storia del diritto italiano, vol. II, parte I, pag. 510), che tiene nella città di Firenze", da impiegarsi "sopra un fondo stabile qui esistente secondo la pia mente" del predetto zio, legato perpetuo per il quale ha "di già ottenuto il permesso, licenza e facoltà dal Lodevole Sindacato dell'anno 1761, come chiaramente n'appare dalli Atti della Cancelleria suprema". Per il caso che non potesse acquistare egli stesso qualche fondo stabile nella giurisdizione esistente per la menzionata somma, "sopra del quale imporre e fondare detto legato perpetuo ... a tenore della facoltà e permesso come sopra ottenuto", ha "in ogni miglior modo agravato ed agrava i di Lui SSri eredi nel citato suo Testamento chiamati ed istituiti" ad "acquistare tanti fondi, effetti stabili qui esistenti, col denaro proveniente come sopra, affine sopra di quelli venga fondato ed imposto il suddetto legato perpetuo di fidecommesso, senza poter mai né alienare i medesimi né parti di quelli". Premesso che le sue figlie, signorine Maria Agata e Maria Prudenza P, potranno goderne l'"annuo fitto, frutto e redito", finché entrambe, o una di esse, staranno nubili, ordina che detto annuo frutto dovrà ipso BGE 120 Ib 474 S. 479 facto cessare in caso di "collocamento temporale o spirituale" (= in caso si sposassero o prendessero il velo). Ciò verificandosi, tale annuo frutto dovrà "collare" nelle figlie legittime provenienti da linea mascolina delle tre famiglie P, cioè quelle di Bartolomeo e di Giuseppe P, furono Carlo, entrambi al momento in Mugena e quella di Francesco P, figlio di un altro defunto Carlo, che si trova in Gravesano. Ad esecutori di detta Pia mente nomina i reverendi curati "pro tempore" di Gravesano e Mugena e due deputati, da designare uno per comune dai detti comuni. A detti esecutori "dovrà restare perpetuamente... il maneggio e regolamento di detto legato ... indipendenti dalli chiamati e da qualunque altra persona": essi distribuiranno il frutto annuo proveniente dal fidecommisso "a titolo di un sussidio di dote" alle suddette figlie P in occasione del loro "maritaggio spirituale o temporale": fossero le predette figlie P maritate e non ve ne siano altre nubili, allora il frutto annuo del legato si dovrà dispensare in dote temporale o spirituale alle fanciulle di Gravesano e di Mugena "le quali frequentano la Dottrina Cristiana ed abbiano il Santo Timor di Dio", che avranno "maggior voto". Per la loro vigilanza, per l'esazione dell'annuo frutto e per altri loro "incomodi", i quattro esecutori possono anteparte prelevare dal frutto annuo lire venti di Milano da ripartire fra di loro. d) (29 ottobre 1766: Bartolomeo P fu Antonio, fa redigere dallo stesso notaio la dichiarazione secondo cui ha acquistato alcuni fondi e beni stabili in Manno; su tali beni immobili dovrà essere costituito il citato legato). e) (La data della morte di Bartolomeo P non consta. Consta però, da risoluzione 26 ottobre 1849 n. 64'729 del Consiglio di Stato, che gli amministratori del fidecommesso P erano in funzione sin dal 1815). f) Tra gli anni 1761-1766, in cui Bartolomeo P aveva fatto rogare le cennate disposizioni, e il 1815, epoca dov'è attestata l'entrata in funzione dei menzionati amministratori, eventi capitali si erano verificati. aa) La Repubblica elvetica una ed indivisibile (1798-1803) aveva messo fine ai baliaggi e creato i due Cantoni di Lugano e Bellinzona - organizzati come prefetture. La sua costituzione (art. 13) proclamava "che nessun immobile può esser dichiarato inalienabile ... che il diritto esclusivo di proprietà conduce alla schiavitù"; bb) L'Atto di mediazione di Napoleone (14 febbraio 1803) aveva a sua volta posto fine all'Elvetica e creato la Confederazione dei 19 Cantoni, tra i nuovi il Ticino. Una delle prime leggi adottate dal Gran Consiglio ticinese BGE 120 Ib 474 S. 480 fu quella del 16 giugno 1803 che ristabiliva "tutte le leggi civili, statuti, usi e consuetudini vigenti avanti la rivoluzione" (art. 1). g) Il primo codice civile ticinese del 13 giugno 1837 entra in vigore il primo gennaio 1838 (cfr. in proposito: GABRIELLO PATOCCHI, Gli influssi delle legislazioni straniere e degli statuti locali sul codice civile ticinese del 1837, Diss. Berna, Bellinzona 1961). Esso si appoggia al Code civil francese, ma nella sistematica ed in taluni particolari si ispira a quello austriaco, diffuso nella versione italiana nei possedimenti dell'Austria nell'Italia del Nord (E. HUBER, op.cit. vol. IV, pag. 189 con rinvii). All'art. 3 prevede che "la legge dispone solo per l'avvenire. Essa non ha effetto retroattivo". Sono abrogati "gli statuti e le consuetudini distrettuali" (art. 1318). Nel campo ereditario, ammette la sostituzione volgare illimitatamente (art. 352), limita ad una sola quella fede commissaria (art. 354) e proibisce le ulteriori sostituzioni ed ogni fedecommesso (art. 355). Con legge del 1o dicembre 1851, il Gran Consiglio - considerando "che dal codice civile sono state abolite le istituzioni fidecommissarie, ma rimane dubbio se quelle avvenute innanzi la attivazione del codice civile possono tuttavia legittimamente sussistere, e che l'interesse generale esige che i beni stabili siano svincolati da ogni perenne e obbligata trasmissione" - dichiara "cessati e risolti nell'attuale possessore i fidecommessi temporali o perpetui istituiti innanzi la attivazione del Codice Civile" (art. 1) e "proprietari assoluti e con piena e libera disposizione d'essi gli attuali utenti o possessori dei fide-commessi" (art. 2). Sono però "esclusi dalle suddette disposizioni i fide-commessi o legati perpetui o temporanei per gli studi, per le doti e per ogni altra destinazione di pubblica beneficenza" (art. 3). h) Nel 1850 gli amministratori del legato P ravvisarono l'opportunità di allestire un regolamento che determinasse il modo di procedere per l'assegnazione delle doti nei casi che non erano espressamente regolati nelle disposizioni codicillari. Si rivolsero per ciò all'avv. Camillo Bernasconi di Riva San Vitale, il quale fornì il suo parere (integralmente pubblicato in Rep. 1869, pag. 579 seg.) ed allestì un progetto di regolamento di 20 articoli, da sottoporre per sanzione all'autorità governativa e che "senza l'assenso della medesima (non avrebbe potuto) in avvenire esser variato o alterato" (loc.cit. pag. 587). Il Consiglio di Stato approvò, ma su causa dipendente da grida pubblicata nell'aprile del 1855 (v. Foglio officiale 1855, pag. 318 seg.), il Tribunale distrettuale BGE 120 Ib 474 S. 481 civile di Lugano, in prima, e la Camera civile d'appello, in seconda e ultima istanza, annullarono il regolamento, in sostanza perché "la volontà del testatore non racchiudendo cosa contraria alle leggi e all'ordine pubblico è legge essa medesima e vuol esser mantenuta", e perché "né gli amministratori presenti di detto legato, né le persone chiamate a fruirne possono contrarre convenzioni che obblighino gli amministratori ed i chiamati in futuro, perché i rispettivi diritti di questi in caso di controversia dovranno discutersi tra di loro e definirsi dal giudice ogni volta con separato giudizio" (loc.cit. pag. 559). Il Governo, con risoluzione 24 aprile 1856 n. 7961 dichiarò di non potersi ulteriormente ingerire su quest'oggetto (loc.cit., pag. 589, nota 1). i) Il secondo Codice civile ticinese del 15 novembre 1882 entra in vigore il primo gennaio 1883. Esso abroga il precedente del 1837; dispone che, quando la legge non contiene disposizioni, si avrà ricorso a quanto è prescritto in casi analoghi e, il difetto di analogia, alle disposizioni del diritto comune (art. 3). Regola come il suo predecessore, la sostituzione volgare (art. 505), quella fedecommissaria e il divieto dei fedecommessi (art. 507-508). Nella sezione relativa alla capacità di disporre e ricevere per testamento, detta che alle mani morte non si può lasciare più di una certa quota dell'asse, ma dispone che "a favore dello Stato, del comune, degli spedali o d'altri istituti o fondazioni di beneficenza od istruzione potrà disporsi dell'intero patrimonio, salva la porzione legittima agli eredi necessari". l) Il Codice civile svizzero, entrato in vigore il 1o gennaio 1912, dispone nell' art. 7 del suo titolo finale che le organizzazioni corporative, gli istituti e le fondazioni che hanno acquisito la personalità giuridica sotto la legge precedente, la conservano sotto questo codice, anche se non potessero acquistarla secondo le sue disposizioni (cpv. 1). Le persone giuridiche già esistenti, per la cui costituzione, secondo le prescrizioni della nuova legge sarebbe necessaria l'iscrizione in un registro pubblico, devono, entro il termine di cinque anni dall'entrata in vigore della medesima, ottenere questa iscrizione, anche se non era prescritta dal diritto anteriore; decorso questo termine senza esser iscritte, la loro personalità non è più riconosciuta. m) (I beni stabili in Manno furono iscritti sin dall'inizio nei catastrini di Manno sotto la denominazione "legato Bartolomeo P". Non risulta invece che gli amministratori dell'epoca, entro il termine fissato dall' art. 7 Tit.fin. CC , scadente il 1o gennaio 1917, abbiano chiesto alcuna iscrizione in pubblici registri [RC]). n) (1962: costituzione della Fondazione P Bartolomeo. La Fondazione ha esattamente gli scopi che sono descritti nel codicillo del 1764, ed i suoi BGE 120 Ib 474 S. 482 organi corrispondono a quelli ivi previsti; ad essa sono attribuiti tutti i beni immobili in territorio di Manno sin qui intavolati nei catastrini comunali al "legato Bartolomeo P". Con risoluzione 20 dicembre 1962 il Dipartimento dell'interno prende atto della fondazione e ne assume la vigilanza. Il 27 dicembre 1962 la fondazione è iscritta a RC). o) 1966/69 e 1974 - Parte dei fondi intestati alla "Fondazione Bartolomeo P" sono espropriati dalle FFS. p) (1979. Sorgono difficoltà con l'autorità di vigilanza. L'amministrazione della fondazione chiede ad un giurista un parere circa il "fedecommesso" istituito col codicillo testamentario del 1764 e la fondazione costituita nel 1962. Il parere, datato 1o febbraio 1979, giunge alla conclusione che il cosiddetto "legato Bartolomeo P" non ha mai costituito una fondazione o altro ente con personalità giuridica propria, ma un fedecommesso; i beni che lo compongono, gravati dei noti oneri per la costituzione di doti, si sono quindi trasmessi, di generazione in generazione, agli Eredi di Bartolomeo P fu Antonio, anche se solo nudi-proprietari; detto fedecommesso è sopravvissuto a tutti i mutamenti legislativi che si son descritti sopra; la trasformazione del 1962 del "legato Bartolomeo P" in fondazione è radicalmente nulla, perché effettuata da amministratori che non ne avevano la facoltà senza il consenso dei nudi-proprietari. Tale nullità non è stata sanata né dalla circostanza che - materialmente - la fondazione ha scopi identici a quelli espressi dal testatore nel codicillo, né dall'iscrizione a RC). q) (Trattative al fine di trovare una via per uscire dall'imbrogliata situazione con la partecipazione della Fondazione Bartolomeo P stessa, rappresentata dall'autore del cennato parere, di E discendente di uno dei capistipite delle tre famiglie le cui fanciulle possono pretendere di esser dotate giusta il noto codicillo, pure assistito da avvocato, dell'autorità fiscale ticinese e dell'autorità di vigilanza stessa. Il risultato di queste trattative può esser così riassunto: E, tramite procedura giudiziaria, farà intestare a sé stesso i beni immobili (e mobili) iscritti alla "Fondazione Bartolomeo P", per immediatamente ritrasferirli - dedotta una tacitazione di fr. 400'000.- a suo favore - ad una nuova "Fondazione P", da lui costituenda, la quale non avrà più lo scopo di dotare le fanciulle P, risp. quelle di Gravesano e Mugena, ma genericamente "l'intervento a favore della gioventù dei Comuni di Gravesano e Mugena"; l'amministrazione della nuova Fondazione sarà identica a quella di prima: 4 persone, cioè i parroci protempore, o in loro mancanza gli economi BGE 120 Ib 474 S. 483 spirituali dei due Comuni, nonché un delegato di ogni Comune). r) L'accordo viene attuato con gli atti seguenti: 1o Su istanza di E, il Pretore di Lugano-Distretto accerta con decisione 22 dicembre 1982 la proprietà dell'istante sui fondi in Manno rimasti dopo l'espropriazione ed ordina all'Ufficiale dei Registri di rettificarne l'intestazione. La procedura è quella non contenziosa di camera di consiglio prevista dalla legge ticinese di attuazione del CC (LAC, art. 2 n. 14) per l'applicazione dell' art. 662 CC (prescrizione acquisitiva straordinaria). La decisione è stata preceduta dalla pubblicazione di una grida nel FU diffidante altri eventuali interessati ad annunciarsi entro termine perentorio; nei considerandi il Pretore rileva che la procedura "si è resa necessaria al fine di consentire la ratifica della costituzione della Fondazione da parte del discendente maschio superstite dei P". 2o Con istromento del 16 dicembre 1983, rogato dal notaio autore del parere di cui si è detto, E costituisce la nuova "Fondazione P", le conferisce tutti i beni immobili di Manno che non formarono oggetto dell'espropriazione, oltre capitali per ca fr. 690'000.-. La nuova fondazione è iscritta a RC il 31 gennaio 1984; l'autorità di vigilanza ne aveva assunto la sorveglianza il precedente 17 gennaio. 3o (Lo stesso 17 gennaio 1984 l'autorità di vigilanza dichiara soppressa la "Fondazione P Bartolomeo"). 4. (Necessità di approfondire, ai fini dell'applicazione dell' art. 103 LEspr , il quesito della validità o meno della Fondazione Bartolomeo P. Nella misura in cui per tale esame è applicabile il diritto cantonale previgente al CC, l'esame del Tribunale federale, adito con un ricorso di diritto amministrativo, è ristretto all'arbitrio e alla disparità di trattamento come se si trattasse di un ricorso di diritto pubblico [ DTF 120 Ib 220 consid. 4b, DTF 118 Ib 237 consid. 1b, DTF 118 Ia 10 consid. 1b con rinvii]). 5. a) Il parere omette anzitutto di considerare un fatto rilevante e incontroverso. Se è vero che nel codicillo dell'8 maggio 1764 Bartolomeo P fu Antonio incarica gli eredi da lui istituiti nel testamento - non rintracciato - del 1761 di acquistare i fondi su cui costituire il legato, è altrettanto certo però che tale incarico testamentario è divenuto senza oggetto: Bartolomeo P stesso ha reperito ed acquistato i fondi adatti nel 1765 e precisa che su di essi si ha da costituire il legato. Alla di lui morte, l'azienda di Bosciorina fa quindi parte della successione. BGE 120 Ib 474 S. 484 b) Risulta d'altra parte dagli atti - e non è rilevato nel parere - che i quattro amministratori sono in funzione già nel 1815. Ciò significa non solo che Bartolomeo P è deceduto prima di quell'anno poco importa se sotto i Baliaggi, o l'Elvetica, o dopo l'Atto di mediazione -, ma anche che al più tardi in quell'anno era cessato l'usufrutto riservato dal codicillo alle due figlie Maria Agata e Maria Prudenza P. c) Abbracciata la tesi del fedecommesso, il parere non ha approfondito se nel diritto cantonale previgente si riscontrassero istituti assimilabili alle fondazioni che il nuovo diritto doveva poi prevedere e regolare negli art. 52 cpv. 1 e 2 e 80 - 89 CC. Certo, solo poche legislazioni cantonali anteriori all'introduzione del CC menzionavano espressamente e regolavano la fondazione: i Grigioni, Zurigo e i Cantoni che lo imitavano e Glarona (E. HUBER, op.cit., vol. I, 172/176). Ma ciò non significa affatto che, negli altri Cantoni, l'istituto non esistesse. Per limitarsi alla giurisprudenza del Tribunale federale, vedansi, per il Canton Friborgo, DTF 46 II 322 segg. e, per il Ticino, la sentenza 19 maggio 1920 in re Legato Eini-Giudici c. Attilio Giudici, citata nella predetta DTF 46 II 327 , ed integralmente apparsa in Rep. 1921, pagg. 49 segg., alla quale per brevità si rinvia. Se il diritto ticinese anteriore al CC non regolava le fondazioni, esso però le menzionava, riconoscendone l'esistenza. Così, la legge organica comunale del 13 giugno 1854 (Raccolta generale delle leggi, dei decreti e delle convenzioni dal 1803 a tutto il 1864 in vigore nel Cantone Ticino - Lugano, tipografia e litografia cantonale, 1865, pagg. 252, 260/61) all'art. 80 lett. l attribuiva alle municipalità di "amministrare gli ospitali ed altri luoghi pii, legati, fondi o capitali per i poveri; oppure di esigere ogni anno un regolare conto-reso, quando l'amministrazione ne sia devoluta ad altri in forza delle rispettive fondiarie". Su codesta disposizione, oltre che sull' art. 3 CC cantonale del 1882 (rinvio al diritto comune, supra, consid. 3 l), si erano fondate le autorità giudiziarie ticinesi per riconoscere al "legato Eini" - eretto con testamento del 1880 e destinato a sussidi per gli studi "per un giovanetto del Comune di Giornico ... (con) preferenza al più povero e più intelligente" - il carattere di una fondazione, che aveva acquisito fin dall'inizio, come ente morale, la personalità giuridica (sentenza TF citata, Rep. 1921, pag. 53). Il che aveva indotto il Tribunale federale - sia pur per ragioni di procedura - a ritenere che il legato era una fondazione e come tale godeva della personalità giuridica anche secondo i disposti del CC (ibidem, pag. 54, consid. 2 in fine). BGE 120 Ib 474 S. 485 d) Oltre aver omesso tale ricerca, il parere si è appoggiato unicamente sul termine di "fedecommesso" usato nel codicillo del 1764, trascurando di avvertire che - accanto a questo - ricorrevano anche le espressioni "legato perpetuo", "Pia mente" che stanno a designare un lascito, un'"opera pia", un "beneficio". Ma, soprattutto, il parere ha omesso di approfondire quale fosse l'effettiva volontà del testatore, determinante per l'interpretazione delle disposizioni a causa di morte (cfr. DTF 93 II 444 con rif.). Ora, a prescindere dalla menzione degli "eredi istituiti" nel non rintracciato testamento del 1761, incaricati di acquistare i fondi ove il testatore stesso non fosse riuscito a comprarli - come poi accadde -, nulla assolutamente fa ritenere che il testatore Bartolomeo P fu Antonio intendesse che la proprietà dei fondi passasse ai capistipite maschili delle citate tre famiglie (cioè a Giuseppe e Bartolomeo P furono Carlo, ed a Francesco P "figlio di un altro defunto Carlo"). D'altronde, anche se non è stata affrontata l'opera ardua ma non impossibile di ricostruire queste genealogie, due fatti sono da ritener per certi in base agli atti esistenti: a) che le tre predette persone sicuramente non erano discendenti del testatore, ma tutt'al più suoi parenti in linea laterale e b) che la funzione che il testatore loro attribuiva non era quella di raccogliere l'eredità o il lascito per trasmetterlo intatto ai loro discendenti maschi (o al più anziano, come nel maggiorasco), ma quella di metter al mondo - in nozze legittime - fanciulle che, sposandosi o prendendo il velo, avrebbero poi avuto diritto alle doti costituite coi redditi dell'Azienda Bosciorina. Mancando nella discendenza maschile dei prefati tali fanciulle, l'annuo reddito - come s'è visto - doveva profittare ad altre ragazze di Gravesano e Mugena che andassero a nozze: il che faceva del lascito un lascito misto, non esclusivamente di famiglia. Faceva inoltre difetto una caratteristica essenziale del fedecommesso: quella per cui l'erede fedecommissario - rispettati eventuali oneri ricorrenti di cui il fedecommesso fosse gravato (quali ad es. quello di far celebrare messe per l'anima del defunto testatore) - ha vita sua natural durante l'uso e il godimento dei beni che lo costituiscono (RIEMER, in Berner Kommentar, 3a edizione, Personenrecht, 3. Abteilung, Die juristischen Personen, Dritter Teilband, Die Stiftungen, Systematischer Teil, n. 133 segg.): è infatti palese che nessuno dei membri delle citate tre famiglie P ha mai avuto il possesso dell'azienda agricola di Bosciorina. Che così siano state le cose, è confermato da una circostanza che risulta dagli atti. Achille P fu Francesco da Breno, la cui sorella consanguinea BGE 120 Ib 474 S. 486 Carmen riceverà poi nel 1950 un sussidio dotale, notifica con lettera dell'8 gennaio 1940 agli amministratori del legato la nascita del figlio E, avvenuta il 10 luglio 1936, specificando agli amministratori che "le figlie che potrebbero arrivare al mio figlio sopracitato quando venisse a sposarsi avranno diritto al sussidio". Gli amministratori del legato gli danno riscontro il 10 gennaio 1941, assicurando che "tutto sarà fatto per l'iscrizione nei registri del Pio legato P; e che in conformità della fondiaria, le figlie che ne potrebbero derivare avranno diritto al sussidio". e) Adottata a torto la tesi del fedecommesso, l'autore del parere rileva però con ragione che l'istituzione fedecommissaria, pur se é definita perpetua, "può estinguersi se non ci sono più eredi cui trasmettere il bene vincolato al fedecommesso. In questo caso, l'ultimo proprietario potrebbe devolverlo ai suoi eredi legittimi o testamentari; egli potrebbe certamente anche disporre che il bene vincolato al fedecommesso venga convertito in una fondazione". Alla nota 55 (pag. 33) l'autore del parere aggiunge: "certamente anche il testatore avrebbe potuto disporre che nel caso di estinzione del fedecommesso si sarebbe dovuto costituire una fondazione" (sottintendendo: ma non l'ha fatto). Ora, proprio queste corrette esposizioni circa l'istituto del fedecommesso avrebbero dovuto condurre l'autore della perizia a scartare tale ipotesi, siccome chiaramente contraria alla volontà effettiva di Bartolomeo P fu Antonio. Il testatore, infatti, ha manifestamente voluto escludere tale possibilità, perché ha disposto che i redditi della Bosciorina, in mancanza di fanciulle P da maritare, fossero devoluti a dotare altre ragazze meritevoli di Gravesano e Mugena (v. in proposito Rep. 1869 pagg. 579 segg., nota 1, pag. 580). f) Né argomenti a favore di un fidecommesso piuttosto che di una fondazione possono trarsi dalla già citata sentenza del Tribunale di appello, contrariamente a quanto sembra fare l'autore del parere: il tema non formava oggetto del litigio; la sentenza impiega indifferentemente i termini di "fedecommesso", "Pia mente", "legato fedecommissario"; infine, essa non si riferisce ad eredi, ma parla degli amministratori e dei fruitori attuali del legato in relazione con gli amministratori e fruitori futuri. g) Infine, il parere non ha tenuto conto della giurisprudenza cantonale del secolo scorso inerente alla differenza fra il fedecommesso, da un lato, e la creazione di un ente provvisto di personalità morale (beneficio laicale e simili) analogo se non identico alla fondazione del CC dall'altro. Accanto alla già ricordata sentenza relativa al "legato Eini", BGE 120 Ib 474 S. 487 particolarmente significativo è il giudizio 7 dicembre 1870 del Tribunale civile di Lugano concernente l'istituzione Bollina, confermato il 3 aprile 1871 dalla Camera civile di appello e integralmente pubblicato in Rep. 1871, pagg. 241 segg., perchè relativo ad una fattispecie quasi identica a quella di cui qui si tratta. In questa sentenza le autorità cantonali hanno infatti ritenuto che un'istituzione di messe perpetue fatta con speciale dotazione e col conferimento del diritto di amministrare la dote medesima e di nominare il cappellano celebrante doveva essere considerata un beneficio laicale di ius patronato, cioè un'opera pia, "persona morale proprietaria dei beni", e che il fatto di aver assicurato la continuità dell'amministrazione in una determinata linea, non faceva dell'istituzione Bollina - fosse poi essa da considerarsi Beneficio o legato perpetuo o causa Pia - un fedecommesso, per cui a detta istituzione era inapplicabile la legge di soppressione del 1851. La decisione richiama analoga sentenza del Tribunale di appello dell'11 marzo 1853 in re Morosini c. Morosini relativa all'istituzione Trogher, che non era stata considerata un fidecommesso ma una causa Pia, perché agli amministratori non era stata lasciata la proprietà della cosa, ma unicamente la parte dei redditi eccedenti la quantità ordinata a favore della causa Pia. Infine nel novero dei "legati" del secolo scorso che vennero considerati come fondazioni aventi personalità giuridica propria, anche se amministrati da un Comune (Città di Lugano) e furono conservati come tali nel nuovo diritto - previa l'iscrizione a RC entro fine 1916 prevista dall' art. 7 cpv. 2 Tit.fin. CC - va menzionato il celebre caso della "Villa Malpensata", legata dal munifico Antonio Caccia alla Città di Lugano con testamento del 15 ottobre 1891 (Rep. 1917, pag. 41/61, decisione della Commissione dell'amministrativo del Gran Consiglio in re Lampugnani c. Comune di Lugano). La decisione è interessante anche perchè ricorda il numero elevato di fondazioni di questo tipo esistenti in Ticino risultante da una statistica allestita dal Dipartimento Interni (pag. 53/54). h) Da quanto sopra esposto, si deve concludere che, contrariamente all'opinione insostenibile espressa nel citato parere, il "legato Bartolomeo P", sotto il regime del cessato diritto cantonale, aveva personalità giuridica. 6. Trattandosi tuttavia di una fondazione mista - e non di una pura fondazione di famiglia - il legato Bartolomeo P avrebbe però dovuto ottenere entro cinque anni dall'entrata in vigore del CC l'iscrizione a RC (art. 7 cpv. 2 Tit.fin. in relazione con gli art. 52 cpv. 1 e 2, 81 cpv. 2 BGE 120 Ib 474 S. 488 CC, MUTZNER, in Berner Kommentar, 2a edizione, n. 9 ad art. 7 Tit.fin., RIEMER, op.cit., Systematischer Teil, n. 526 segg.). Non avendo conseguito tale iscrizione, esso ha perso la personalità giuridica in virtù della legge il 1o gennaio 1917 (cfr. DTF 46 II 326 ). Non consta tuttavia che il suo patrimonio sia stato raccolto dagli enti pubblici (i Comuni di Gravesano e Mugena, cui apparteneva secondo la sua destinazione - cfr. art. 57 cpv. 1 CC e DTF 47 II 328 in alto -): consta invece che il legato P - ormai persona di solo apparenza - ha continuato a funzionare e, segnatamente, a distribuire doti. La perdita della personalità giuridica in virtù dei citati disposti non è peraltro irrimediabile: il vincolo del patrimonio allo scopo contenuto nell'atto di fondazione permane, e la situazione giuridica è analoga a quella che - vigente il nuovo diritto - sussiste tra il momento in cui la fondazione è validamente istituita ed il momento in cui è iscritta a RC: unica condizione per il riacquisto della personalità è che siano rispettate le condizioni materiali e formali poste dal nuovo diritto, se necessario con l'intervento dell'autorità di vigilanza (cfr. art. 83 cpv. 2 CC , MUTZNER, loc.cit. n. 10). A queste esigenze ha risposto l'istromento 5 gennaio 1962 nei rogiti del notaio B, approvato dall'autorità di vigilanza. In particolare, detto atto di fondazione ha ripreso senza alcuna variazione gli scopi perseguiti dal fondatore nel codicillo del 1764; la nuova "Fondazione P Bartolomeo" ha assunto tutti i beni patrimoniali esistenti ed ha conseguito con l'iscrizione a RC la personalità giuridica il 27 dicembre 1962. È vero che, al momento in cui quest'atto pubblico fu rogato, i diritti derivanti dall'atto di fondazione erano prescritti, il termine decennale iniziato il 1o gennaio 1917 essendo spirato il 1o gennaio 1927 (MUTZNER, loc.cit., n. 10; RIEMER, op.cit., Syst. Teil, n. 526 e n. 5 ad art. 88/89). Ma ciò non nuoce: non consta infatti che i Comuni di Gravesano e di Mugena, che avevano i propri rappresentanti nell'amministrazione del legato, si siano opposti a tale sistemazione, né che abbiano comunque rivendicato il patrimonio decaduto a loro favore. Essi hanno quindi tacitamente approvato la creazione della fondazione, cui d'altronde avrebbero potuto essi stessi provvedere (MUTZNER, ibidem, con riferimento a ZBJV 54, 239 segg.). Comunque sia, è da ritenere che l'approvazione dell'autorità di vigilanza e l'iscrizione a RC abbiano sanato ogni eventuale manchevolezza. Si deve cosí concludere che la procedura espropriativa aperta il 7 gennaio 1967 dal Presidente della CFS su istanza 7 novembre 1966 delle FFS fu diretta contro la legittima proprietaria dei fondi e non, contrariamente a BGE 120 Ib 474 S. 489 quanto asserito nel citato parere, contro una persona giuridica inesistente, di mera apparenza. 7. (Esame delle procedure giudiziaria e amministrativa che hanno condotto alla soppressione della vecchia fondazione con contemporanea creazione della nuova di altro scopo). 8. (Lasciata aperta la questione di sapere se la sentenza 22 dicembre 1982 del Pretore, resa in applicazione dell' art. 662 cpv. 2 CC , ed affetta da gravi vizi, non sia radicalmente nulla, atteso che il dispositivo della sentenza, al quale soltanto spetterebbe la forza di cosa giudicata ( DTF 78 I 104 , DTF 99 II 172 , DTF 101 II 375 , DTF 109 II 436 consid. 1), si limita ad ordinare l'iscrizione al nome di E di fondi non toccati dall'espropriazione, il cui destino è indifferente per giudicare sull'esistenza di un diritto di retrocessione ai sensi dell' art. 103 LEspr . Ciò sarebbe il caso perfino ove si volesse ritenere che detti fondi formassero un'unità aziendale con quelli espropriati [cfr. fatti e HESS/WEIBEL, Das Enteignungsrecht des Bundes, 1986, n. 3 ad art. 103 LEspr ]). 9. Anche la procedura seguita dall'autorità di vigilanza nel quadro dell'accordo preventivo, di cui si è detto, non è esente da pecche. a) Emerge dagli atti che gli amministratori della fondazione erano da tempo animati dal comprensibile desiderio di mutare lo scopo della fondazione - la costituzione di doti - adeguandolo alle profonde modificazioni sociali intervenute, senza peraltro tradire lo spirito che aveva animato il suo remoto istitutore. V'era da tener conto cioè della scomparsa di quella società rurale, che esisteva nel Settecento, era perdurata nell'Ottocento, ma aveva cominciato a irresistibilmente declinare verso l'inizio di questo secolo. Lo scopo del legato, poi fondazione - cioè la costituzione di doti, fossero esse per le ragazze P o per quelle dei due Comuni - aveva perso l'importanza che rivestiva sotto il regime dei Baliaggi ed ancora nell'Ottocento (cfr. circa la preterizione delle figlie ed il genere delle donne nell'ambito successorio: CARLO POMETTA, op.cit., pag. 42 segg., 76 segg.; PATOCCHI, op.cit. pag. 135 segg. e nota 8; vedi anche, nell'edizione del 1874 del CC 1837, le successive regressive mutazioni fatte subire all'originale art. 451 CC 1837, che - audacemente per l'epoca - aveva istituito l'uguaglianza fra femmine e maschi nella successione). D'altra parte, anche la modificazione della struttura e della consistenza del patrimonio della fondazione poteva - accanto al cennato mutamento delle BGE 120 Ib 474 S. 490 condizioni sociali - costituire motivo per un aggiornamento dello scopo (cfr. RIEMER, op.cit., ad art. 85/86, n. 10, pag. 615 in basso). b) La trasformazione della fondazione mista per doti in altra di più largo respiro (a favore della gioventù dei due Comuni), comportava anzitutto l'abbandono del legame con le figlie della discendenza mascolina dei P, cioè l'eliminazione della componente fondazione di famiglia. Per questo, era necessaria o quantomeno opportuna l'adesione di E, incontestatamente unico rappresentante della schiatta, a quell'epoca, secondo gli atti, celibe, ma pur sempre in grado di dar vita a future e prioritarie beneficiarie di doti. Sotto questo profilo la partecipazione di E alla procedura non presta quindi, come tale, il fianco a critica. c) La modificazione del fine della fondazione avrebbe però richiesto l'intervento dell'autorità cantonale competente prevista dall' art. 86 CC , agente dietro proposta dell'autorità di vigilanza e sentito l'organo superiore della fondazione. Nel Cantone Ticino, tale autorità è il Consiglio di Stato (art. 16 cpv. 3 n. 5 LAC). Se tale via fosse stata osservata, non vi sarebbe stata alcuna necessità di ricorrere alla procedura di Camera di Consiglio davanti al Pretore, né, rispettivamente, alla parallela costituzione della seconda fondazione. Raccolta l'adesione di E all'eliminazione (dietro ragionevole compenso se del caso) della componente fondazione di famiglia, il Consiglio di Stato avrebbe potuto procedere alla modificazione dello scopo lasciando sussistere la "Fondazione Bartolomeo P" originaria. d) La ragione per la quale tale via non è stata seguita va indubbiamente scorta nella facilità con la quale l'autorità di vigilanza - senza procedere ad un sufficiente controllo - si è adagiata alle erronee conclusioni cui era pervenuto il noto parere (nullità della fondazione), non solo, ma ad ammettere addirittura - ciò che il parere non asseriva - che E fosse il (nudo) proprietario del patrimonio. Infatti - anche a voler supporre, con il parere, che all'ente creato con il noto codicillo avesse fatto difetto sotto il cessato diritto cantonale la personalità giuridica, trattandosi di un fedecommesso - non sussisteva la minima prova che detta persona fosse l'unico discendente e quindi l'erede di Bartolomeo P fu Antonio: anzi era provato il contrario. D'altronde nella decisione di soppressione della fondazione del 17 gennaio 1984, l'autorità di vigilanza, manifestamente consapevole della discutibilità della nullità radicale della fondazione, adduce a suffragio della decretata soppressione la scomparsa del patrimonio, omettendo però di considerare che - almeno per quanto BGE 120 Ib 474 S. 491 riguarda l'ingente patrimonio mobiliare al quale manifestamente la sentenza del Pretore, fondata sull' art. 662 CC , non poteva applicarsi - tale scomparsa era da attribuire esclusivamente alla adesione della stessa autorità di vigilanza al noto parere ed alla procedura suggerita per uscire da una situazione ritenuta (a torto) inestricabile. e) A differenza delle persone giuridiche organizzate corporativamente, la fondazione non possiede il diritto di decidere il proprio scioglimento: né gli organi della fondazione, né il fondatore, né i beneficiari o altri interessati possono validamente decidere tale scioglimento (per tutti: RIEMER, op.cit., Systematischer Teil, n. 24; ad art. 88/89 n. 4). Tale divieto, che è implicito nella nozione stessa di fondazione, si estende di massima anche all'alienazione del patrimonio della fondazione. Atti che contravvengono a tale divieto sono per principio inficiati di nullità assoluta; cadono sotto il divieto pure i negozi giuridici stipulati con terzi e gli atti processuali (transazione, recesso, adesione alla domanda) che conducono alla liquidazione della causa senza esame del merito, e che hanno per scopo o come conseguenza la dissoluzione della fondazione o l'alienazione del suo patrimonio (RIEMER, ad art. 88/89 n. 4 e la dottrina e giurisprudenza ivi citata, segnatamente DTF 71 I 454 segg. particolarmente 455/456 e 459 segg.). Nel caso in esame, non si giustifica tuttavia di applicare tali rigorosi principi relativi alla nullità assoluta degli atti volti all'alienazione del patrimonio della fondazione. Formalmente, anche se irregolare, la macchinosa procedura messa in atto ha anzitutto raccolto il preventivo consenso dell'autorità di vigilanza. Materialmente, essa non perseguiva il fine di alienare definitivamente il patrimonio della fondazione, rendendola priva del suo sostrato economico, ma quello di trasferire i beni - previa liquidazione del compenso concordato con E per la sua adesione alla soppressione della componente fondazione di famiglia - ad una fondazione non più mista ma ordinaria. Tenendo conto dei profondi rivolgimenti sociali ed economici intervenuti nei due secoli trascorsi e della modificata struttura e consistenza del patrimonio, il fine della nuova fondazione poteva considerarsi consono alla volontà dell'originario istitutore. Anche gli amministratori della nuova fondazione coincidevano con quella della precedente, e il modo della loro designazione riprendeva quello voluto dall'istitutore originario. L'alienazione delle proprietà della fondazione ad E era condizionata alla fondazione da parte di costui della nuova persona giuridica, alla quale BGE 120 Ib 474 S. 492 l'integralità del patrimonio - eccezion fatta per il compenso di cui s'è detto - doveva immediatamente esser ritrasferita. E non ha conferito alla nuova fondazione nulla di suo, ma ha funzionato da tramite per riportare in essa quanto apparteneva alla vecchia. Considerata nel suo complesso, la procedura messa in atto, seppur singolare, non ha quindi avuto un effetto assolutamente inconciliabile con la natura stessa della fondazione consacrata nel CC. Segnatamente, trasferimenti patrimoniali che appaiono giustificati da validi motivi da una fondazione ad altro ente, che offra garanzia per la loro utilizzazione nel quadro dello scopo della fondazione primitiva, non sono illeciti e non può esser denegata loro l'approvazione da parte dell'autorità di vigilanza (RIEMER, op.cit., Systematischer Teil, n. 30, pagg. 41/42, n. 67 segg. (68) ad art. 88/89, n. 87 ad art. 84, n. 106 ad art. 85/86). Certo, con gli accorgimenti procedurali che furono concordati, contemporanea soppressione della fondazione mista esistente e costituzione della nuova fondazione ordinaria con mutamento dello scopo, sono stati sottratti al Consiglio di Stato l'esame e l'approvazione della modifica dello scopo della fondazione originaria, come pure l'esame dell'adeguatezza del compenso finanziario accordato a E in contropartita della sua adesione all'eliminazione della componente fondazione di famiglia, connesso con il mutamento del fine. Ma tale vizio - che comunque non ha avuto come res inter alios acta ripercussioni per le FFS - può comunque ritenersi superato e sanato dalla radiazione e rispettivamente dall'iscrizione a RC e a RF, che risalgono al 1985 e che nessuno ha impugnato. 10. a) (Interpretata secondo il principio dell'affidamento la Convenzione aggiuntiva 4 novembre/12 dicembre 1974 non ha comportato una rinuncia della Fondazione Bartolomeo P ad ogni diritto di retrocessione). b) (L'espropriazione aperta col decreto 10 gennaio 1967 del Presidente della CFS ricade nel novero delle espropriazioni preventive per il futuro ampliamento di un'opera (art. 4, lett. a, ultima parte della frase, art. 27 cpv. 3 LEspr .), per la cui attuazione l'espropriante dispone di un termine di venticinque anni [art. 102 cpv. 1 lett. b]). c) Del patrimonio della radiata "Fondazione Bartolomeo P", prima che fosse transitoriamente trasferito sotto le condizioni e con le finalità che si sono illustrate ad E, faceva quindi indubbiamente parte anche il virtuale diritto alla retrocessione del fondo espropriato in via preventiva BGE 120 Ib 474 S. 493 ( art. 103 LEspr ). Tale diritto sarebbe diventato attuale, ove si fossero realizzate le condizioni per il suo esercizio. Contrariamente all'opinione delle ricorrenti, il fatto che, negli atti che si sono sin qui esaminati (verbali e carteggio degli organi della fondazione, dell'autorità di vigilanza, atto di fondazione dettato da E, decisioni prese dall'autorità di vigilanza) non ne venga fatta menzione non è rilevante ai fini del giudizio: le parti, rispettivamente le autorità che erano implicate in quelle trattative non avevano motivo di ritenere, a quell'epoca, che detto diritto sarebbe diventato attuale a seguito di disposizioni che l'ente espropriante avrebbe in seguito prese, rispettivamente di omissioni in cui egli sarebbe incorso in futuro. Dal fatto che quegli atti non facciano menzione della retrocessione non può quindi esser dedotta una qualsiasi rinunzia all'esercizio di tale diritto, ove esso fosse divenuto attuale. Sotto questo profilo la censura delle FFS è priva di consistenza. 11. Resta pertanto da esaminare se il diritto di richiedere la retrocessione che apparteneva alla Fondazione Bartolomeo P si sia estinto - come pretendono le ricorrenti - con la soppressione della fondazione decretata dall'autorità di vigilanza e la radiazione dal RC, oppure se tale diritto sia da considerare trasferito alla nuova Fondazione P, iscritta a RC lo stesso giorno a domanda dell'autorità di vigilanza. a) L' art. 103 LEspr attribuisce l'esercizio del diritto alla retrocessione al precedente proprietario o ai suoi eredi. Nel caso in cui sia stata espropriata solo una porzione di un fondo oppure una servitù prediale, l'esercizio del diritto è subordinato all'ulteriore condizione che l'espropriato o i suoi eredi siano ancora proprietari della porzione residua del fondo, rispettivamente del fondo dominante. Nella recente sentenza del 22 agosto 1994 in re FFS c. Consorzio del Vedeggio, pubblicata in DTF 120 Ib 215 segg., il Tribunale federale ha illustrato la genesi di questa particolare disposizione, che diverge dal progetto del Consiglio federale, ed è intesa a sottolineare il carattere personale del diritto alla retrocessione, che non è cedibile ad un qualsiasi acquirente del fondo residuo, rispettivamente di quello già dominante. Il legislatore ha voluto riservare il diritto alla retrocessione a chi - come l'originario espropriato ed i suoi eredi - possa accampare, accanto ad interessi puramente politico-economici, anche ragioni di equità, il che appunto non è il caso per un qualsiasi acquirente a titolo particolare (sentenza citata, DTF 120 Ib 218 seg. consid. 3a). BGE 120 Ib 474 S. 494 In quella sentenza il Tribunale federale, dopo aver rilevato come questa condizione aggiuntiva stabilita dalla seconda frase dell' art. 103 LEspr si applichi anche quando espropriata è una persona giuridica, si è anzi chiesto, - senza risolvere il problema - se, nel caso della persona giuridica, non debbano esser introdotte, in interpretazione teleologica della legge, limitazioni supplementari per rispetto alle persone fisiche anche per l'espropriazione totale di un fondo, allorquando la persona giuridica originariamente espropriata - pur rimanendo identica dal punto di vista formale - abbia subito radicali mutamenti, segnatamente circa il suo scopo, oppure abbia avuto luogo un'alienazione del mero mantello azionario ( DTF 120 Ib 218 seg. consid. 3b). Come si vedrà, anche nel presente caso, non sarà necessario approfondire ulteriormente tale questione: giova tuttavia l'accenno a questa problematica, perchè essa si inserisce nel quadro dell'interpretazione teleologica della norma, di cui si è avvalso il Tribunale federale per risolvere quel caso. b) Come s'è visto, l' art. 103 LEspr è modellato sul caso in cui l'espropriato originale sia una persona fisica, che sola può avere eredi in senso civilistico. La norma è silente per il caso della persona giuridica: dal suo testo si può solamente dedurre che, ove la persona giuridica abbia cessato di esistere in seguito a scioglimento deciso dai suoi membri o azionisti, come avviene per le persone giuridiche organizzate corporativamente, con la sua scomparsa si estingue anche il diritto alla retrocessione di cui all' art. 103 LEspr . Silente è la legge per il caso in cui la persona giuridica originariamente espropriata abbia sì cessato di esistere, ma ad essa ne sia subentrata un'altra a titolo universale, come nei casi di fusione e dell'assorbimento di una società da parte di un'altra. Secondo la dottrina (HESS/WEIBEL, op.cit., n. 1 ad art. 103 LEspr ) al caso della successione ereditaria per le persone fisiche dovrebbero essere equiparate contro la lettera della legge (o colmando la lacuna insita nel testo) altri casi di successione universale: a quest'opinione dottrinale le stesse FFS hanno d'altronde aderito (cfr. sentenza citata, consid. 1c). Il Tribunale federale, nel cennato giudizio, pur evitando di dettare una regola generale per i motivi che si sono ricordati sopra, ha ritenuto giustificato parificare alla situazione riservata dall' art. 103 LEspr agli eredi di una persona fisica quella di un nuovo consorzio di arginatura del diritto pubblico cantonale creato dall'autorità cantonale competente allo scopo di sostituire due precedenti consorzi di analoga funzione, contemporaneamente soppressi, e questo nonostante avessero avuto luogo un ampliamento del comprensorio BGE 120 Ib 474 S. 495 complessivo, una redifinizione dello scopo ed un mutamento della cerchia dei membri del Consorzio, limitata a soli enti pubblici con esclusione dei privati ( DTF 120 Ib 223 seg. consid. 5). c) Nel caso di specie, si tratta di una fondazione (mista), che per sua natura non possiede la facoltà di decidere il proprio scioglimento, né di modificare il proprio scopo, né in via di massima di alienare il proprio patrimonio (supra, consid. 8e): tali atti esigono l'intervento dell'autorità di vigilanza o di quella di modificazione (Umwandlung) prevista dall' art. 86 CC . La modificazione dello scopo di una fondazione in applicazione dell' art. 86 CC non comporta manifestamente, di per sé, alcuna estinzione di un diritto di retrocessione, che competesse a tale fondazione in virtù dell' art. 103 LEspr ; lo stesso deve dirsi della trasformazione di una fondazione mista in una fondazione ordinaria: non si avverte infatti una giustificazione qualsiasi per imporre, in virtù dell' art. 103 LEspr , una simile perdita patrimoniale alla fondazione che persegue un fine riconosciuto di pubblica utilità. Certo, il caso in esame si distingue da quello ora ipotizzato per il fatto che - invece di procedere alla modificazione dell'organizzazione ( art. 85 CC ) o dello scopo della fondazione ( art. 86 CC ) - l'autorità cantonale, in seguito ai dubbi che a torto nutriva circa la validità della fondazione, ha instaurato o si è prestata alla macchinosa procedura, che comunque si è conclusa contemporaneamente con la soppressione della prima fondazione e la costituzione della seconda, alla quale l'intero patrimonio residuo della fondazione soppressa è stato trasferito. Come s'è visto, a parte la pecca procedurale del mancato intervento del Consiglio di Stato, materialmente il risultato finale della procedura è compatibile con le regole fondamentali che il codice civile ha dettato per l'istituto della fondazione. Anche se propriamente non si può asserire che la seconda fondazione sia succeduta a titolo universale alla prima, non sussiste nessuno dei motivi che il legislatore ha ritenuto per ammettere che il diritto alla retrocessione di cui all' art. 103 LEspr si sia estinto: al contrario, come nel caso recentemente giudicato del Consorzio del Vedeggio, si giustifica pienamente di ritenere che il diritto alla retrocessione sia trapassato alla nuova Fondazione P. Ammettere il contrario, significherebbe porre l'espropriante al beneficio di errori procedurali, nei quali è semmai incorsa l'autorità cantonale di vigilanza, e di cui sarebbe contrario ad ogni principio di equità far sopportare le conseguenze alla fondazione, rinnovando una spoliazione patrimoniale BGE 120 Ib 474 S. 496 ingiustificata. Ne viene che il ricorso delle FFS, volto a far disconoscere la qualità per esigere la restituzione alla Fondazione P dev'essere respinto.
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Urteilskopf 88 II 511 71. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour civile du 10 décembre 1962 dans la cause Taponnier contre Moreillon.
Regeste Mäklervertrag, Herabsetzung des vereinbarten Mäklerlohns, Art. 417 OR . 1. Die Zahlung schliesst die Herabsetzung eines übermässig hohen Mäklerlohnes nur aus, wenn sie als Verzicht des Auftraggebers auf den Anspruch zur gerichtlichen Herabsetzung aufzufassen ist (Erw. 3 b). 2. Gilt die gleiche Regelung auch für die Konventionalstrafe ( Art. 163 Abs. 3 OR )? Offen gelassen (Erw. 3 a).
Sachverhalt ab Seite 511 BGE 88 II 511 S. 511 Résumé des faits: Moreillon a vendu par l'intermédiaire de l'agent immobilier Taponnier un terrain dont il était propriétaire, à Confignon. Avant de dévoiler le nom de l'amateur, Taponnier s'était fait promettre par Moreillon une commission de 30 000 fr., payée directement par prélèvement sur le prix versé par l'acheteur, 200 000 fr. Invoquant l'art. 417 CO, Moreillon demanda après coup la réduction de la commission à 10 000 fr. et la restitution du surplus. Statuant en seconde instance le 25 septembre 1962, la Cour de justice de Genève réduisit la commission BGE 88 II 511 S. 512 de moitié et condamna Taponnier à payer 15 000 fr. à Moreillon. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en réforme de Taponnier. Erwägungen Extrait des motifs. 3. La Cour de justice a considéré que la réduction d'une commission excessive, en application de l'art. 417 CO, était possible même après le paiement, et que le débiteur pouvait répéter le montant dépassant le chiffre équitable fixé par le juge, à moins que le paiement n'implique une renonciation de sa part à la répétition ou qu'il ait connu la faculté que lui donne la loi de faire réduire sa prestation. Le recourant s'élève contre cette manière de voir. a) En matière de peine conventionnelle, la doctrine est divisée sur le point de savoir si le débiteur qui a payé une peine excessive peut répéter après coup la part qui dépasse le chiffre réduit par le juge. VON TUHR soutient que la réduction d'une peine conventionnelle excessive (art. 163 al. 3 CO) n'est plus possible une fois que le débiteur a payé; il se fonde sur le § 343 du code civil allemand, qui contient une disposition expresse dans ce sens (VON TUHR/SIEGWART, Obligationenrecht, II, p. 729/30 et n. 62). BECKER (n. 22 ad art. 163 CO) est du même avis. Il relève que le législateur, s'il avait voulu permettre la réduction après le paiement, aurait dû fixer un délai au débiteur pour contester la peine comme excessive, ainsi qu'il l'a fait en matière de lésion (art. 21 CO), car les rapports entre les parties ne sauraient demeurer dans l'incertitude pendant une durée indéterminée, jusqu'à la prescription. En revanche, d'autres auteurs admettent que le paiement n'exclut pas nécessairement la réduction de la peine conventionnelle (OSER/SCHÖNENBERGER, n. 17 ad art. 163 CO; SECRETAN, Etude sur la clause pénale en droit suisse, thèse Lausanne 1917, p. 125; SCHERRER, Das "richterliche Ermässigungsrecht" bei Verträgen, thèse Fribourg 1934, p. 24/25; KUNTER, BGE 88 II 511 S. 513 La réduction de la peine conventionnelle déjà acquittée, RDS 1942 p. 97 ss.). Il n'est pas nécessaire de dire si l'opinion de von Tuhr, influencée par le droit allemand, est fondée à propos de la peine conventionnelle. On ne saurait en tout cas pas suivre cet auteur dans l'application de l'art. 417 CO, qui vise le cas différent de la réduction du salaire excessif du courtier. b) L'art. 417 CO a été édicté sur le modèle du § 655 du code civil allemand, qui permet au débiteur de faire réduire par le juge à un montant approprié le salaire disproportionné convenu avec le courtier pour son entremise dans la conclusion d'un contrat de travail. Il en diffère toutefois sur deux points. En droit suisse, la réduction est possible lorsque le courtier a indiqué l'occasion de conclure ou négocié non seulement un contrat de travail, mais aussi une vente d'immeubles. En outre, la dernière phrase de la disposition étrangère, qui exclut expressément la réduction après le paiement du salaire, n'a pas été reprise. Sa suppression a été décidée par la commission d'experts, sur la proposition d'OSER (procès-verbal de la séance du 10 mars 1909, contenant une inadvertance rectifiée par SCHERRER, op.cit., p. 48). Les travaux préparatoires montrent ainsi que le législateur suisse a voulu permettre la réduction d'une commission excessive même après le paiement. Cette solution est aussi conforme au but de la disposition légale, qui est décisif. En matière de courtage immobilier, l'art. 417 CO ne protège pas seulement le vendeur que son inexpérience ou son imprudence laisserait sans défense face aux prétentions exagérées d'un courtier habile, voire rompu aux affaires. Il obéit aussi à des considérations d'intérêt public. Il tend notamment à tempérer des profits injustifiés qui auraient des répercussions sur le marché immobilier (RO 83 II 152). C'est une règle de droit impératif, dont l'application ne saurait être restreinte par des considérations purement théoriques. Ainsi les objections formulées par GUGGENBÜHL BGE 88 II 511 S. 514 (Die Liegenschaftenmäklerei, thèse Zurich 1951, p. 166/7) contre la réduction postérieure au paiement de la commission ne sont pas pertinentes. Le fait que la situation sociale du courtier comme créancier d'un salaire exigerait une prompte solution ne justifie pas de limiter le champ d'application de l'art. 417 CO contrairement à son but. L'intérêt qu'aurait le mandant à envisager la possibilité de réduction au moment où il paie la commission du courtier suppose qu'il ait connaissance alors déjà de son droit; l'expérience montre que ce n'est généralement pas le cas. Quant à l'argument tiré de la nature juridique de la prétention du débiteur, il ne saurait faire échec à l'application de la loi. GUGGENBÜHL (loc. cit.) soutient qu'en demandant au juge de réduire la commission du courtier, le mandant exerce un droit formateur; la commission est due en plein jusqu'à ce que le juge en prononce la réduction; le débiteur qui la paie dans l'intervalle ne s'acquitte pas d'un indu, au sens de l'art. 63 CO, mais exécute une obligation valable; or une dette éteinte par le paiement ne peut plus être réduite. Comme l'a montré TURRETTINI (Le contrat de courtage et le salaire du courtier, thèse Genève 1952, p. 96), on ne résout pas le problème en recourant à la théorie générale du droit formateur. En effet, selon qu'on admet la répétition de la commission excessive déjà payée ou qu'on l'exclut, on affirmera ou on niera le caractère formateur de la demande de réduction. Il suffit de constater que le droit formateur reconnu au débiteur de la commission par l'art. 417 CO présente cette particularité qu'il suppose, outre la réalisation des conditions fixées par la loi, un jugement prononçant la réduction, c'est-à-dire modifiant l'étendue d'une prestation faite en exécution d'une obligation née d'un contrat et valable en soi (OSER/SCHÖNENBERGER, n. 3 ad art. 417 CO; SCHERRER, op.cit., p. 105, 108/9). La créance du courtier découlant du contrat n'est pas définitive quant à son montant. L'autonomie de la volonté des parties est limitée à cet égard par une disposition légale impérative. La convention fixant BGE 88 II 511 S. 515 la rémunération du courtier est valable sous la réserve que le débiteur ne demandera pas la réduction de la commission ni la restitution de la part payée en sus du montant réduit par le juge. Contrairement à l'opinion soutenue par BEKKER à propos de la peine conventionnelle, il n'était pas nécessaire que le législateur impartît au débiteur un délai pour exercer son droit de répétition. Lorsque le mandant a payé la commission sans faire aucune réserve et en pleine connaissance de la disposition de l'art. 417 CO, la prescription annale prévue à l'art. 67 CO limite dans une certaine mesure l'exercice de son droit. Dans les autres cas, il est préférable d'admettre la restitution éventuelle d'une commission excessive plutôt que d'abandonner au courtier un profit immérité. Le paiement n'exclut donc pas la répétition de la commission excessive, à moins qu'il n'ait été opéré sans réserve par un mandant connaissant l'art. 417 CO, qui aurait ainsi reconnu juridiquement le montant de la créance du courtier (OSER/SCHÖNENBERGER, n. 8 ad art. 417 CO; cf. aussi SCHERRER, op.cit., p. 48; TURRETTINI, op.cit., p. 97). Savoir si le paiement implique dans une espèce particulière une renonciation à la réduction judiciaire de la commission est un point de fait. Le juge se montrera strict en appréciant la preuve de la renonciation, en raison du but visé par l'art. 417 CO.
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12fb2dcf-41e5-44eb-a2e8-e09f43253897
Urteilskopf 133 III 589 78. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_134/2007 vom 5. Juli 2007
Regeste Beschwerde gegen den abweisenden Arrestentscheid. Der Arrestentscheid ist eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (E. 1).
Sachverhalt ab Seite 589 BGE 133 III 589 S. 589 Die Beschwerdeführer verlangten die Arrestierung sämtlicher Vermögenswerte des Beschwerdegegners bei der L. Bank. BGE 133 III 589 S. 590 Sowohl das Bezirksgericht Zürich als auch das Obergericht des Kantons Zürich wiesen das Arrestbegehren ab. Mit Eingabe vom 10. April 2007 verlangen die Beschwerdeführer die Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses und die Arrestierung sämtlicher Vermögenswerte des Beschwerdegegners bei der L. Bank. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Entscheid über das Arrestbegehren ist ein Endentscheid im Sinn von Art. 90 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110; so ausdrücklich die Botschaft, BBl 2001 S. 4332 oben), da er losgelöst von einem Hauptverfahren erfolgt und unter prozessrechtlichen Gesichtspunkten verfahrensabschliessend ist. Lautet er auf Abweisung, ist die Beschwerde in Zivilsachen gegeben ( Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG ). Weiter ist zu prüfen, ob der Arrestentscheid als materielles Endurteil aufzufassen ist, bei dessen Prüfung das Bundesgericht über volle rechtliche Kognition verfügt ( Art. 95 BGG ), oder ob er eine vorsorgliche Massnahme darstellt, womit nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden kann ( Art. 98 BGG ). Für die Qualifizierung ist nicht massgebend, in welchem Verfahren der Entscheid gemäss dem anwendbaren Prozessrecht ergangen ist; ausschlaggebend ist vielmehr, ob er eine Rechtsfrage endgültig, aufgrund einer vollständigen tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung mit materieller Rechtskraftwirkung regelt, ohne den Entscheid in einem Hauptverfahren vorzubehalten. Der Arrest bezweckt allein, den Erfolg einer schon eingeleiteten oder erst noch bevorstehenden Vollstreckung, in der die Voraussetzungen einer provisorischen oder definitiven Pfändung oder der Aufnahme eines Güterverzeichnisses noch nicht gegeben sind, durch sofortige Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Schuldners zu sichern (vgl. BGE 107 III 33 E. 2 S. 35). Insofern handelt es sich beim Arrest weder um eine Betreibungshandlung (wie bei der Pfändung) noch um die Schaffung eines materiellen Vorzugsrechts zugunsten des Gläubigers (wie bei der Verpfändung). Der Arrest hat vielmehr Sicherungsfunktion und daher auch bloss provisorischen Charakter (AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Aufl., Bern 2003, § 51 Rz. 2). Dies äussert sich in der Obliegenheit zur Prosequierung gemäss Art. 279 SchKG , von deren rechtzeitigen Einleitung und Durchführung der Fortbestand des Arrestes abhängig ist ( Art. 280 SchKG ), und in der Möglichkeit des Schuldners, sich durch Sicherheitsleistung das freie Verfügungsrecht über die Arrestobjekte zu bewahren ( Art. 277 SchKG ; BGE 116 III 35 E. 3b S. 40). BGE 133 III 589 S. 591 Hat aber der Arrest weder materielle Rechtswirkungen noch eine eigenständige Regelungsfunktion, sondern erschöpft er sich in einer amtlichen Beschlagnahme, mit welcher die Wirkungen des Pfändungsbeschlages vorverlegt werden (vgl. Art. 275 SchKG ), um den späteren Zugriff auf Vollstreckungssubstrat zu sichern, stellt er eine vorsorgliche Massnahme für die Zeit des Prosequierungsverfahrens dar; angesichts der fehlenden vorgängigen Anhörung der Gegenpartei entspricht er der superprovisorischen Verfügung des Zivilprozessrechts (vgl. AMONN/WALTHER, a.a.O., § 51 Rz. 3). In der Lehre wird der Arrest denn auch mehrheitlich als vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG angesehen (WALTER, Neue Zivilrechtspflege, in: Neue Bundesrechtspflege, Berner Tage für die juristische Praxis [BTJP] 2006, Bern 2007, S. 142; TAPPY, Le recours en matière civile, in: La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, Lausanne 2007, S. 98; WALTHER, Auswirkungen des BGG auf die Anwaltschaft/Parteivertretung, in: Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, S. 364 Fn. 28; JENT-SØRENSEN, BGG und SchKG, in: Wege zum Bundesgericht in Zivilsachen nach dem Bundesgerichtsgesetz, Zürich 2007, S. 76; PHILIPPIN, La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral: Effets sur le droit des poursuites et faillites, in: Le droit du bail et le droit des poursuites et des faillites, Lausanne 2007, S. 159; a.M.: PETER, Das neue Bundesgerichtsgesetz und das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, in: BlSchK 2007 S. 8). 2. Ist nach dem Gesagten eine vorsorgliche Massnahme angefochten, kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden ( Art. 98 BGG ) und darf das Bundesgericht das Recht nicht von Amtes wegen anwenden ( Art. 106 Abs. 1 BGG ), sondern aufgrund des für vorsorgliche Massnahmen geltenden Rügeprinzips nur insofern eine Prüfung vornehmen, als in der Beschwerdeschrift entsprechende Rügen vorgebracht und begründet worden sind ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). Die von Art. 106 Abs. 2 BGG geforderte Substanziierung der Vorbringen ist mit derjenigen identisch, wie sie für die frühere staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 84 OG (BS 3 S. 531) gegolten hat (Botschaft, BBl 2001 S. 4344 f.). Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG war in jenem Verfahren darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden waren. In diesem Sinn prüfte das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene Rügen, während es auf ungenügend BGE 133 III 589 S. 592 begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintrat ( BGE 125 I 492 E. 1b S. 495; BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 262). Vorliegend machen die Beschwerdeführer nicht einmal geltend, welches verfassungsmässige Recht verletzt sein soll. Die Beschwerdebegründung erschöpft sich sodann in typischer appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid, wie sie nach dem Gesagten für Beschwerden gegen vorsorgliche Massnahmen im Sinn von Art. 98 BGG unzulässig ist. Auf die Beschwerde ist folglich mangels Substanziierung im Sinn von Art. 106 Abs. 2 BGG nicht einzutreten.
null
nan
de
2,007
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13012d2e-f7b3-418c-ae6c-ea8f7b9eb1f3
Urteilskopf 121 III 304 62. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. September 1995 i.S. W. gegen W.-Z. (Berufung)
Regeste Art. 210 Abs. 1 ZGB ; Berücksichtigung von künftigen Grundstückgewinnsteuern bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung. Künftige, nur schätzungsweise feststellbare Grundstückgewinnsteuern dürfen bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung nur berücksichtigt werden, wenn mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass ein im ehelichen Vermögen stehendes Grundstück nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung veräussert wird.
Sachverhalt ab Seite 304 BGE 121 III 304 S. 304 A. W. und E. W. heirateten am 7. April 1967. Aus ihrer Ehe gingen die Kinder M., geboren am 10. Mai 1970, F., geboren am 25. Februar 1972, und P., geboren am 17. September 1975, hervor. Am 31. Januar 1990 reichte E. W. beim Amtsgericht Sursee die Scheidungsklage gegen A. W. ein. Mit Urteil vom 6. April 1993 hiess das Amtsgericht Sursee die Scheidungsklage gut und regelte die scheidungs- und güterrechtlichen Nebenfolgen. Mit Appellation vom 29. April 1993 gelangte E. W. ans BGE 121 III 304 S. 305 Obergericht des Kantons Luzern. Gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 7. März 1995 führte E. W. mit Eingabe vom 12. März 1995 Berufung ans Bundesgericht. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. b) Der Kläger macht geltend, dass bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung die künftigen Grundstückgewinnsteuern hätten berücksichtigt werden müssen. Zur Begründung führt er aus, dass er durch die finanziellen Nebenfolgen der Ehescheidung derart stark belastet werde, dass er nicht mehr in der Lage sei, das von ihm bewohnte Einfamilienhaus zu halten. Die bei der Veräusserung fällig werdenden Grundstückgewinnsteuern von rund Fr. 100'000.-- hätten daher in die Vorschlagsberechnung einbezogen werden müssen. Gemäss Art. 211 ZGB sind die Vermögensgegenstände bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu ihrem Verkehrswert einzusetzen. Massgebend ist dabei der Nettoverkehrswert, da bei der Vorschlagsberechnung nach Art. 210 Abs. 1 ZGB die auf den zu teilenden Vermögenswerten lastenden Schulden abzuziehen sind. Dies bedeutet, dass bei einer Veräusserung eines Vermögenswertes laufende Gebühren, Abgaben und Steuerlasten in Abzug zu bringen sind (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, N. 15 zu Art. 211 ZGB ; SPÜHLER/FREI-MAURER, N. 54 zu Art. 154 ZGB ). Künftige, nur schätzungsweise feststellbare latente Lasten dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes nur zurückhaltend berücksichtigt werden. So ist bei der Vorschlagsermittlung eine latente Steuerlast nur dann zu berücksichtigen, wenn mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, dass ein Vermögensgegenstand veräussert wird (unveröffentlichtes Urteil vom 27. April 1987 i.S. C. S. c. J. V.; HAUSHERR/REUSSER/GEISER, N. 15 zu Art. 211 ZGB ; SPÜHLER/FREI-MAURER, N. 54 zu Art. 154 ZGB ). Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gezwungen sein wird, die von ihm bewohnte Liegenschaft abzustossen. Bei der Zusammenstellung der finanziellen Verhältnisse des Klägers wurden dessen Wohnkosten mit Fr. 2'800.-- pro Monat eingesetzt. Bei einer hypothekarischen Belastung der Liegenschaft mit Fr. 500'000.--, die die güterrechtliche Abfindung an die Beklagte bereits beinhaltet, und einem Hypothekarzinssatz von derzeit 5,5% dürften unter Berücksichtigung der Abgaben und Unterhaltskosten die von der Vorinstanz berechneten monatlichen Wohnkosten BGE 121 III 304 S. 306 zutreffend sein und dem Kläger erlauben, das Haus zu halten. Dass der Kläger angesichts der Erhöhung der Unterhaltsrente an die Beklagte ab Juli 1997 über weniger finanzielle Mittel verfügt, trifft nicht zu. Im Gegenteil dürfte er trotz der um Fr. 700.-- erhöhten Unterhaltspflicht ebenfalls über Fr. 700.-- pro Monat mehr verfügen, da ab diesem Zeitpunkt die Alimente für F. und P. im Gesamtbetrag von monatlich Fr. 1'400.-- entfallen. Vor diesem Hintergrund ist nicht mit Sicherheit oder hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der Kläger zur Veräusserung der von ihm bewohnten Liegenschaft gezwungen sein wird. Eine Berücksichtigung von allfälligen künftigen Grundstückgewinnsteuern bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung kommt daher nicht in Frage.
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Urteilskopf 93 III 72 13. Entscheid vom 7. November 1967 i.S. Chapaprieta.
Regeste Arrest. 1. Hinfall eines Arrestes mangels einer Klage oder Betreibung, die ihn nach Art. 278 SchKG aufrechtzuerhalten vermöchte. Befugnis des Schuldners, den Hinfall durch die Betreibungsbehörden feststellen zu lassen. Verwirkung dieser Befugnis? - Der Bestand und die Fälligkeit der Arrestforderung sind nicht durch Arrestaufhebungsklage ( Art. 279 Abs. 2 SchKG ), sondern durch Rechtsvorschlag gegen den Zahlungsbefehl in der Arrestbetreibung zu bestreiten. (Erw. 1). 2. Eine vor der Bewilligung des Arrestes angehobene Klage ( Art. 278 Abs. 1 SchKG ) vermag den Arrest nur aufrechtzuerhalten, wenn sie die Arrestforderung betrifft (Erw. 2 a). 3. Kann ein Arrest für einen Anspruch aufSicherheitsleistung ( Art. 38 SchKG ) erwirkt werden? Frage offen gelassen. Bei Bejahung dieser Frage müsste der Arrestbefehl klar zum Ausdruck bringen, dass der Arrest für einen solchen Anspruch vollzogen werden soll. Ein Arrest für eine Geldforderung lässt sich nicht durch eine Klage auf Sicherheitsleistung aufrechterhalten. Begriff der Zwangsvollstreckung auf Sicherheitsleistung im Sinne von Art. 38 SchKG (Erw. 2 b).
Sachverhalt ab Seite 73 BGE 93 III 72 S. 73 A.- Am 9. März 1967 erwirkten Alberto und Joaquin Chapaprieta Ornstein, Madrid, beim Amtsgerichtspräsidenten von Luzern-Stadt gegen ihren Bruder José Maria Chapaprieta Ornstein, Madrid, gestützt auf Art. 271 Ziff. 4 SchKG für eine Forderung von Fr. 2'000,000.-- einen Arrestbefehl, der die Arrestgegenstände wie folgt bezeichnete: "Sämtliche Werttitel, Konti, Depots, Depot von Gold, welche sich bei der Schweiz. Kreditanstalt in Luzern in Depot oder Safes zugunsten von José Maria Chapaprieta Ornstein befinden." BGE 93 III 72 S. 74 In der Rubrik "Forderungsurkunde und deren Datum, Grund der Forderung" steht: "a) Testament von Frau Elisa Ornstein Trapote vom 16.10.1963 und daraus resultierende Erbansprüche. b) bevorstehendes Urteil des erstinstanzlichen Zivilgerichtes Madrid gemäss Klage der Petenten vom 30.7.1966". Das Betreibungsamt Luzern vollzog diesen Arrestbefehl am 10. März 1967 (Arrest Nr. 6/1967). B.- Am 17. Juni 1967 stellte der Arrestschuldner beim Betreibungsamt das Gesuch, der Arrest sei gemäss Art. 278 SchKG als dahingefallen zu erklären, weil eine Betreibung zur Prosequierung des Arrestes nicht eingeleitet worden sei und die im Arrestbefehl erwähnte, in Madrid hängige Klage nicht die Anerkennung der Arrestforderung zum Ziel habe. Das Betreibungsamt wies dieses Gesuch am 18. Juli 1967 zurück. C.- Gegen diese Verfügung beschwerte sich der Arrestschuldner mit dem Antrag, sie aufzuheben und den Arrest als dahingefallen zu erklären. Die untere Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde am 31. August 1967 ab. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat sie dagegen mit Entscheid von 16. Oktober 1967 geschützt. D.- Diesen Entscheid haben die Arrestgläubiger an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, die Verfügung des Betreibungsamtes zu bestätigen, den Arrest aufrechtzuerhalten und die Beschwerde des Schuldners abzuweisen, eventuell auf sie nicht einzutreten. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Die Rekurrenten machen in erster Linie geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art. 17, 271 und 279 SchKG , und zwar dadurch, "dass auf die Beschwerde eingetreten wurde, eventuell, dass sie nicht abgewiesen wurde." Der Arrestschuldner vertrete die Auffassung, die in Madrid gegen ihn eingereichte Klage habe keine verfallene Forderung im Sinne von Art. 271 Abs. 1 SchKG zum Gegenstand. Er bestreite damit eine grundlegende Voraussetzung des Arrestes, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 51 III 27 ff.) den im Gesetz aufgezählten Arrestgründen gleichzusetzen sei. Er hätte daher gemäss Art. 279 SchKG binnen fünf Tagen seit Zustellung BGE 93 III 72 S. 75 der Arresturkunde durch Klage beim Gericht des Arrestortes die Aufhebung des Arrestes verlangen sollen, was er nicht getan habe. Es sei rechtsmissbräuchlich, nach Versäumung der Frist für die Arrestaufhebungsklage die Beschwerde im Sinne des Art. 17 SchKG zu einem Zwecke zu benützen, dem allein die Arrestaufhebungsklage dienen könne, und es verstosse gegen Treu und Glauben, dass der Schuldner erst Monate nach der Arrestlegung auf die Madrider Klage zurückkomme, obwohl ihm von Anfang an habe bekannt sein müssen, dass der Arrest mit dieser Klage zusammenhänge und nach der Urteilsfällung prosequiert werden würde. Der Schuldner bestreitet jedoch im vorliegenden Verfahren nicht das Vorhandensein der (von den Rekurrenten so genannten) "Arrestvoraussetzung der fälligen Forderung", sondern macht geltend, der Arrest sei nach Art. 278 Abs. 4 SchKG dahingefallen, weil innert zehn Tagen seit Zustellung der Arresturkunde keine Betreibung angehoben worden sei und weil die vor der Arrestlegung in Madrid eingeleitete Klage nicht die Arrestforderung zum Gegenstand habe. Dass ein Arrest nach der eben genannten Bestimmung dahingefallen sei, ist gegebenenfalls von den Betreibungsbehörden festzustellen ( BGE 66 III 59 , BGE 77 III 142 , BGE 81 III 158 , BGE 93 III 70 . Erw. 1). Der Schuldner hat sich daher mit seinem Begehren, der Arrest Nr. 6 sei aus den angegebenen Gründen als dahingefallen zu erklären, mit Recht an diese Behörden gewandt. Es kann keine Rede davon sein, dass der Schuldner die Befugnis, den Hinfall des Arrestes feststellen zu lassen, durch ein gegen Art. 2 ZGB verstossendes Verhalten, insbesondere durch langes Zuwarten mit seinem Gesuch, verwirkt habe, wie die Rekurrenten anzunehmen scheinen. Werden die nach Art. 278 SchKG zur Aufrechterhaltung des Arrestes nötigen Vorkehren nicht ergriffen, so fällt der Arrest gemäss Art. 278 Abs. 4 SchKG von selbst dahin und sind die arrestierten Gegenstände von Amtes wegen freizugeben ( BGE 66 III 59 , BGE 77 III 142 ). Wenn das Betreibungsamt nicht von sich aus den Hinfall des Arrestes feststellt und die Arrestgegenstände freigibt, so kann der Schuldner jederzeit verlangen, dass das geschehe. Das Zuwarten mit diesem Gesuch gereicht nur ihm selber zum Nachteil. Die Verfügung, mit welcher das Betreibungsamt ein solches Gesuch abweist, kann innert der Frist von Art. 17 Abs. 2 SchKG durch Beschwerde angefochten werden. Die Vorinstanzen sind daher auf die Beschwerde vom 28. BGE 93 III 72 S. 76 Juli 1967, mit welcher der Schuldner die Verfügung des Betreibungsamtes vom 18. Juli 1967 anfocht, zu Recht eingetreten. Die Rekurrenten irren im übrigen, wenn sie ausBGE 51 III 27ff. ableiten, der Arrestschuldner habe das Bestehen einer fälligen Forderung durch Arrestaufhebungsklage zu bestreiten. Das Bundesgericht hat in diesem Entscheide nur ausgesprochen, die Einrede, dass die Arrestforderung pfandgesichert sei, sei wie die Einrede, dass ein Arrestgrund im Sinne von Art. 271 Ziff. 1 - 5 SchKG fehle, durch Arrestaufhebungsklage zu erheben. Dabei war namentlich die Erwägung massgebend, dass auch mit der Einrede der Pfandsicherung "die Aufhebung des Arrestes bezweckt wird und dass sie nicht gegen den Bestand der Forderung und auch nicht gegen den Arrestvollzug gerichtet ist" (S. 29). Damit gab das Bundesgericht zu erkennen, dass Einwendungen gegen den Bestand der Arrestforderung nicht durch die Arrestaufhebungsklage zu erheben sind. Der Schuldner, der den Bestand oder die Fälligkeit dieser Forderung bestreiten will, hat gegen den Zahlungsbefehl in der Arrestbetreibung Rechtsvorschlag zu erheben (JAEGER N. 3 zu Art. 279 SchKG ). 2. Für den Fall, dass auf die Beschwerde eingetreten werden kann, machen die Rekurrenten geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art. 38 SchKG . Das Rechtsbegehren 2 ihrer Madrider Klage habe eine Sicherheitsleistung zum Inhalt. Die Schuldbetreibung diene nach Art. 38 SchKG für Zwangsvollstreckungen, die auf eine Geldzahlung oder auf eine Sicherheitsleistung gerichtet sind. In beiden Fällen habe der Schuldner den im Zahlungsbefehl genannten Betrag zu zahlen, im ersten Fall an den Gläubiger, im zweiten an das Betreibungsamt. Die Betreibung auf Sicherheitsleistung habe nur die Besonderheit, dass der Betriebene die Sicherheit anders als durch Übergabe von Geld, z.B. durch Hinterlegung von Wertschriften, leisten könne. Die Betreibung auf Sicherheitsleistung stelle im Verhältnis zur Betreibung auf Geldzahlung nicht ein "minus" dar ( BGE 62 III 121 ). Aus diesen Gründen könne die Arrestprosequierung auch durch Betreibung auf Sicherheitsleistung erfolgen. Auch ein ausländisches Urteil könne durch eine solche Betreibung vollstreckt werden. Die Sicherheitsleistung auf Grund eines ausländischen Urteils könne allerdings nicht durch Bezahlung an ein Betreibungsamt erfolgen, da diese Institution im Ausland nicht unbedingt gegeben sei. Es müsse daher genügen, wenn die Sicherheitsleistung durch Zahlung an ein Gericht oder eine ähnliche BGE 93 III 72 S. 77 Instanz zu erbringen sei. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Die Madrider Klage tauge daher zur Prosequierung des Arrestes Nr. 6. Es wäre stossend, wenn dieser materiellrechtliche Anspruch des spanischen Rechts nicht durch einen Arrest in der Schweiz gesichert werden könnte. Die betreibenden Gläubiger seien mit den Klägern, die arrestierten Vermögenswerte mit den eingeklagten identisch. Die Kläger seien legitimiert, als Arrestgläubiger die eingeklagte Sicherheitsleistung an das Zivilgericht in Madrid durch Arrestprosequierung zu erwirken. Damit sei der direkte Zusammenhang zwischen Arrestlegung und Arrestprosequierungsklage im Sinne von Art. 278 SchKG gegeben. - Gemäss Rechtsbegehren 3 der Klage habe der Schuldner der Erbmasse, die allen drei Parteien als den einzigen gesetzlichen Erben der am 8. April 1964 in Madrid gestorbenen Erblasserin zu gesamter Hand zustehe, alle Erträge und Zinsen der arrestierten Güter herauszugeben. Als Miterben seien die Kläger zur Einklagung des Betrags, den der Beklagte als Miterbe in die Erbschaft einzuwerfen habe, legitimiert. Es handle sich hier unzweifelhaft um eine Geldzahlung. Auch dieses Rechtsbegehren sei also durch Betreibung prosequierbar. Diese Argumente halten in den entscheidenden Punkten nicht stand. a) Nach Art. 271 Abs. 1 SchKG kann der Gläubiger für eine verfallene Forderung, soweit sie nicht durch ein Pfand gedeckt ist, beim Vorliegen eines Arrestgrundes im Sinne von Ziff. 1 - 5 daselbst Vermögensstücke des Schuldners mit Arrest belegen lassen. Unter Forderung ist dabei eine Geldforderung des Arrestgläubigers gegen den Arrestschuldner zu verstehen. Der vorliegende Arrest ist denn auch für eine solche Forderung im Betrage von zwei Millionen Franken erwirkt worden. Eine vor der Bewilligung des Arrestes angehobene, zur Zeit dieser Bewilligung noch hängige Klage vermag den Arrest nach Art. 278 SchKG nur aufrechtzuerhalten, wenn sie die Arrestforderung betrifft (vgl. Art. 278 Abs. 3 SchKG : "Hatte der Gläubiger schon vor der Bewilligung des Arrestes seine Forderung gerichtlich eingeklagt...", und JAEGER N. 2 zu Art. 278 SchKG ). Die Klage, welche die Rekurrenten am 30. Juli 1966 in Madrid gegen ihren Bruder eingeleitet haben, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Mit dem 1. Klagebegehren wird verlangt, es sei festzustellen, dass alle Vermögenswerte, die am 8. April 1964 für einen Betrag von zwei Millionen Schweizerfranken auf den BGE 93 III 72 S. 78 Namen des Beklagten bei der Schweiz. Kreditanstalt in Luzern lagen, Eigentum der (am 8. April 1964 gestorbenen) Frau Elisa Ornstein Trapote waren. Das 2. Begehren geht dahin, der Beklagte sei zu verurteilen, alles Bargeld, Wertpapiere und Vermögensstücke, die er am 8. April 1964 in Höhe von zwei Millionen Schweizerfranken bei der Schweiz. Kreditanstalt in Luzern auf seinen Namen hinterlegt hielt, mittels von ihm vorzunehmender Hinterlegung beim angerufenen Gericht zu "zahlen", d.h. diese Vermögenswerte dem Gericht als Hinterlegungsstelle abzuliefern. Das 3. Begehren lautet, der Beklagte sei zu verurteilen, alle Erträgnisse dieser Vermögenswerte der Erbmasse zur Verfügung zu stellen. Mit dem 4. Begehren wird für den Fall, dass das Gericht das Bestehen einer Schenkung annehmen sollte, subsidiär verlangt, diese Schenkung sei als kollationierbar zu erklären. Keines dieser Begehren hat die Forderung, für die der Arrest erwirkt wurde, zum Gegenstand. Insbesondere geht das 2. Begehren nicht auf eine Geldzahlung von zwei Millionen Franken, sondern auf die Ablieferung bestimmter, auf diesen Betrag bewerteter Vermögensstücke an das Gericht. Auch mit dem 3. Begehren wird nicht eine Geldleistung an die Rekurrenten, sondern die Ablieferung gewisser (übrigens nicht bezifferter und den Betrag der Arrestforderung zweifellos nicht erreichender) Erträgnisse an die Erbmasse verlangt. Die in Madrid hängige Klage vermag also den Arrest Nr. 6 nicht aufrechtzuerhalten. b) Die Rekurrenten vertreten freilich die Ansicht, ein Arrest könne nicht nur für eine Geldforderung, sondern auch für einen Anspruch auf Sicherheitsleistung erwirkt und demgemäss auch durch eine Klage aufSicherheitsleistung aufrechterhalten werden, und machen geltend, das 2. Begehren ihrer Madrider Klage gehe auf Sicherheitsleistung für zwei Millionen Franken. Obwohl Art. 271 Abs. 1 SchKG nur davon spricht, dass der Gläubiger Vermögensstücke des Schuldners für eine Forderung gegen diesen mit Arrest belegen lassen kann, nehmen einzelne Autoren an, ein Arrest könne auch für einen Anspruch auf Sicherheitsleistung im Sinne von Art. 38 SchKG erwirkt werden (BLUMENSTEIN, Handbuch S. 829 Ziff. 3 a; C. KOCKEL, Die Betreibung auf Sicherheitsleistung nach dem schweiz. Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Zürcher Diss. 1931, S. 63). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Auffassung zutreffe; denn selbst wenn man den Rekurrenten in diesem Punkte BGE 93 III 72 S. 79 beistimmen wollte, könnte der vorliegende Rekurs nicht geschützt werden. Wollte man nämlich zulassen, dass der Inhaber eines Anspruchs auf Sicherheitsleistung zur Sicherung der Vollstreckung dieses Anspruchs einen Arrest erwirkt, so müsste er durch eine entsprechende Fassung des Arrestgesuchs dafür sorgen, dass der Arrestbefehl klar zum Ausdruck bringt, dass der Arrest für einen solchen Anspruch vollzogen werden soll (vgl. Art. 67 Abs. 1 Ziff. 3 und 69 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG, wonach aus dem Betreibungsbegehren und aus dem Zahlungsbefehl hervorgehen muss, ob der Schuldner auf Geldzahlung oder auf Sicherheitsleistung betrieben wird). Im vorliegenden Arrestbefehl wird nicht gesagt, der Arrest solle die Vollstreckung eines Anspruchs auf Sicherheitsleistung sichern. Vielmehr ist darin eine Geldforderung von Fr. 2'000,000.-- erwähnt. Angesichts des Unterschieds zwischen der Zwangsvollstreckung auf Geldzahlung und der Zwangsvollstreckung auf Sicherheitsleistung, den die Rekurrenten unter Hinweis aufBGE 62 III 121selbst hervorheben, lässt sich ein Arrest für eine Geldforderung nicht durch eine Klage auf Sicherheitsleistung aufrechterhalten. Die Zwangsvollstreckung auf Sicherheitsleistung kann zudem nur zur Durchsetzung eines Anspruchs darauf dienen, dass der Schuldner für die Erfüllung einer ihm obliegenden Pflicht eine Sicherheit leiste, auf die gegriffen werden kann, wenn er seine Pflicht nicht erfüllt. Ein solcher Anspruch steht hier nicht in Frage. Die Vermögenswerte, deren Ablieferung an das Gericht in Madrid mit Klagebegehren 2 verlangt wird, sollen den Rekurrenten nach ihren eigenen Begehren nicht im erwähnten Sinne als Sicherheit dienen, sondern sie sollen gerichtlich hinterlegt werden, damit sie im Falle der Gutheissung des 1. (oder eventuell des 4.) Klagebegehrens in die Teilung des Nachlasses von Frau Ornstein Trapote einbezogen werden können. Wollen die Rekurrenten dafür sorgen, dass die auf den Namen ihres Bruders bei der Bank in Luzern liegenden, nach ihrer Auffassung zum Nachlass der Frau Ornstein Trapote gehörenden Vermögensstücke bis zur Erledigung der erbrechtlichen Auseinandersetzung unter den Parteien vorhanden und für die Erbteilung greifbar bleiben, so können sie dieses Ziel nicht durch einen Arrest, sondern nur nach Massgabe des kantonalen Prozessrechts durch eine vorsorgliche Massnahme zur Erhaltung des Streitgegenstandes erreichen. BGE 93 III 72 S. 80 Es bleibt also dabei, dass die in Madrid hängige Klage nicht zur Aufrechterhaltung des Arrestes Nr. 6 taugt. Die Rekurrenten hätten ihren Bruder gemäss Art. 278 Abs. 1 SchKG innert zehn Tagen seit Zustellung der Arresturkunde auf Zahlung von Fr. 2'000,000.-- betreiben müssen, wenn sie gegen ihn eine solche Forderung zu haben glaubten. Da sie das nicht getan haben, ist der Arrest gemäss Art. 278 Abs. 4 SchKG dahingefallen. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
null
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Urteilskopf 104 Ia 314 48. Auszug aus dem Urteil vom 20.9.1978 i.S. G. und F. gegen Staatsanwaltschaft und Kassationsgericht des Kantons Thurgau
Regeste Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK . Parteiöffentlichkeit der Beweiserhebungen im Strafprozess. 1. Die in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK gewährleistete sog. Waffengleichheit verleiht dem Beschuldigten keinen Anspruch auf unmittelbare Teilnahme bei Zeugeneinvernahmen während der Untersuchung (E. 4b). 2. Tragweite von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK in bezug auf Zeugenaussagen, die für das Strafurteil wesentlich sind oder sein könnten. Auch die aus dieser Bestimmung fliessenden Rechte des Beschuldigten unterstehen dem Regime des kantonalen Verfahrensrechts (E. 4c).
Sachverhalt ab Seite 314 BGE 104 Ia 314 S. 314 In der Strafuntersuchung gegen G. und F. wurden zahlreiche Zeugen einvernommen, ohne dass die Angeschuldigten BGE 104 Ia 314 S. 315 oder deren Verteidiger zur Befragung vorgeladen worden wären. Als der Untersuchungsrichter die Untersuchung als vollständig erachtete, erliess er aufgrund von § 87 der Strafprozessordnung für den Kanton Thurgau (StPO) eine Akteneröffnungsverfügung und setzte dem Verteidiger eine Frist zur Stellung allfälliger Begehren um Beweisergänzung. Dem hierauf eingereichten Antrag auf Einholung gewisser Auskünfte wurde entsprochen. Nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hatte, zogen die Beschuldigten einen neuen Verteidiger bei, der innert gesetzlicher Frist das Begehren um Beurteilung durch das Kriminalgericht und eine Reihe von Beweisanträgen stellte, insbesondere die gerichtliche Befragung von über hundert Zeugen, die bereits durch den Untersuchungsrichter einvernommen worden waren. Das Kriminalgericht lehnte es ab, diese Zeugenbefragungen in Anwesenheit der Angeklagten zu wiederholen und fällte sein Urteil nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens. Gegen diesen Entscheid erhoben die Angeklagten kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und gegen den abweisenden Entscheid des thurgauischen Kassationsgerichts staatsrechtliche Beschwerde. Sie machen geltend, es verstosse gegen Art. 4 BV und gegen Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK , dass mit einer Ausnahme sämtliche Zeugen lediglich vom Untersuchungsrichter in ihrer Abwesenheit vernommen worden seien und das Kriminalgericht ihren Antrag, die Zeugenbefragung zu wiederholen, abgelehnt habe. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. (Vereinbarkeit des nach dem Prinzip der geheimen Untersuchung durchgeführten Verfahrens mit Art. 4 BV ). 4. Die Rechtsprechung anerkennt heute, dass einem Beschuldigten aufgrund von Art. 4 BV das Recht, die Abnahme erheblicher Beweise in seinem Beisein zu verlangen, dann nicht abgesprochen werden kann, wenn das kantonale Recht die Möglichkeit einer Teilnahme kennt und diese frist- und formgerecht begehrt wird ( BGE 103 Ia 38 /9). Man kann sich fragen, ob diese Praxis mit Rücksicht auf Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK , unter dessen Gesichtswinkel sie noch nicht überprüft worden ist, modifiziert werden muss. a) Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK gewährleistet dem Angeklagten das Recht, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder BGE 104 Ia 314 S. 316 stellen zu lassen ("interroger ou faire interroger") und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Diese Bestimmung ist offensichtlich primär auf das Parteiverfahren nach angelsächsischem Muster zugeschnitten (vgl. dazu z.B. JUNOD, La Suisse et la Convention européenne des droits de l'homme, Diss. NE, S. 50/1 und JACOBS, The European Convention on Human Rights, S. 118 f.). Das zeigen bereits die verwendeten Begriffe "Entlastungs-" und "Belastungszeugen", die zur kontinentaleuropäischen Untersuchungsmaxime nicht recht passen, gibt es doch hier keine Zeugen, die zum vornherein entlasten oder belasten sollen, sondern nur solche, die zur Aufklärung des objektiven Sachverhalts herangezogen werden. Natürlich kann das nicht hindern, dass ihre Aussagen den Angeklagten dann doch ent- oder belasten und diese daher von der Verteidigung oder der Anklage ins Feld geführt werden. Eigentliche Parteizeugen gibt es aber unter dem Regime der Untersuchungsmaxime nicht. b) Der ins Auge gefasste Artikel dient vorerst einmal, wie auch die kantonalen Instanzen festgehalten haben, der Waffengleichheit der Parteien (vgl. z.B. SCHUBARTH, ZSR 94 I S. 509 Nr. 166; GURADZE, Die Europäische Menschenrechtskonvention, S. 109/10; auch: Die Menschenrechte in der Praxis des Europarates, Nachschlagwerk der Rechtsprechung zur EMRK (1955-1967), Nr. 111 und 112; Annuaire de la Convention européenne des droits de l'homme [Ann.] XVII S. 315 Nr. 5523/72). Insbesondere sollen die Parteien unter einheitlichen Voraussetzungen Ladung und Einvernahme von Zeugen verlangen und unter gleichen Bedingungen Fragen an sie stellen können. Die Beschwerdeführer bringen vor, diese erste Garantie der Bestimmung sei vorliegend verletzt worden. Der thurgauische Verhörrichter müsse nämlich "nicht als Unparteiischer, sondern als Vertreter der Strafverfolgungsbehörden" gewertet werden. Daher hätte auch den Angeschuldigten die unmittelbare Teilnahme bei den Zeugeneinvernahmen während der Untersuchung zugestanden werden sollen. Diese Rüge ist unbegründet. Grundsätzlich ist in Fällen wie dem vorliegenden im Kanton Thurgau das Verhörrichteramt mit der Untersuchung betraut. Es ist institutionell wie personell von der anklageerhebenden Staatsanwaltschaft getrennt. Der Untersuchungsrichter, der gemäss § 84 StPO allen belastenden und BGE 104 Ia 314 S. 317 entlastenden Tatsachen mit der gleichen Sorgfalt nachzugehen hat, lädt die Zeugen in eigener Kompetenz vor und befragt sie, um über alle bedeutsamen Umstände Klarheit zu erhalten. Die Ergebnisse seiner Untersuchung können daher der Verteidigung wie der Anklage zugute kommen. Dass dadurch die unter dem Schutze der EMRK stehende Waffengleichheit verletzt sein sollte, ist nicht einzusehen. Warum und inwiefern insbesondere im konkreten Fall der Verhörrichter als Vertreter der Anklagebehörde aufgetreten sei und als solcher einseitige Zeugenbefragung vorgenommen haben soll, wird denn auch von den Beschwerdeführern nicht dargelegt. Unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Beschwerde auf jeden Fall als nicht begründet. c) Die Beschwerdeführer folgern aus Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK über die Waffengleichheit hinaus, es gelte der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit für Beweise, die bei der Urteilsfindung verwertet werden, gleichgültig, ob sie vor Gericht oder im Untersuchungsstadium erhoben werden. Zu prüfen ist demnach, ob Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK und insbesondere der dort verankerte Gedanke, den Zeugen (der Gegenpartei) Fragen stellen zu können, im kontinentaleuropäischen System nicht noch eine weitere Bedeutung hat, als nur diejenige einer Gleichstellung der Parteien. Zweifellos muss die Vorschrift im Zusammenhang mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK gesehen werden, der dem Beschuldigten in jedem Falle einen fairen Prozess sichert. Vor diesem Hintergrund drängt sich nun die Frage auf, ob die ins Auge gefasste Bestimmung das direkte Verfahren des angelsächsischen Rechtes mit den im Parteienprozess jedenfalls äusserlich verstärkten eigenen Verteidigungsmöglichkeiten nicht bis zu einem gewissen Masse in den kontinentalen Prozess übertragen will. Für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ist die Auslegung des Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK durch die Menschenrechtskommission heranzuziehen. Wegleitend muss vor allem der Entscheid Ann. XVI S. 113 ff. Nr. 5049/71, insbes. S. 123, sein. Es handelte sich dort um einen Fall, wo auf dem Rechtshilfeweg ein Zeuge einvernommen worden war, der die Angeklagten belastete. Weder den Beschuldigten oder ihren Verteidigern noch der Anklagebehörde (wohl aber einem Ausschuss des urteilenden Gerichts) hatte man die Anwesenheit gestattet. Die Angeklagten, bzw. ihre Verteidiger, hatten aber die gemachten BGE 104 Ia 314 S. 318 Aussagen einsehen können und Gelegenheit erhalten, nachträglich schriftlich Ergänzungsfragen zu stellen, welche dann in einer weiteren Einvernahme dem Zeugen vorgelegt worden waren. Die Kommission entschied hier, das in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Recht, den Zeugen Fragen zu stellen oder stellen zu lassen, sei nicht verletzt worden. Bedenkt man des weitern, dass die Kommission immer die Meinung vertreten hat, Zeugen seien (z.B. auf Antrag der Verteidigung) dann einzuvernehmen, wenn ihre Aussagen zur Ermittlung der Wahrheit beitragen könnten (vgl. etwa Ann. XIV S. 635 Nr. 4607/70, zusammengefasst S. 727 Ziff. 8; Ann. XVII S. 315 Nr. 5523/72, zusammengefasst S. 501, IV), wird Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK besser verständlich: Die Bestimmung bezweckt vor allem, wie schon die Vorinstanz ausgeführt hat, dass Zeugenbefragungen nicht einseitig vorgenommen werden, sondern alles zur Kenntnis des Gerichts kommt, was die Zeugen wissen und was für den Prozess bedeutend ist. Soweit der Beschuldigte und sein Verteidiger dabei mithelfen können, muss ihnen das Recht zur Fragestellung gewahrt sein. Die Bestimmung schliesst daher aus, dass ein Strafurteil auf Aussagen von Zeugen gestützt werde, ohne dass dem Beschuldigten wenigstens einmal Gelegenheit geboten worden ist, bei deren Vernehmung mündlich oder nach Einsicht in die Aussagen schriftlich Ergänzungsfragen zu stellen. In diesem Sinne drückt sich auch SCHUBARTH (ZSR 94 I 509 Nr. 167) aus, der das Problem nuancierter angeht, als die Beschwerdeführer es wahrhaben wollen. Zwar wirft dieser Autor die (rechtspolitische) Frage auf, ob der Beizug des Angeschuldigten bei Zeugeneinvernahmen im Untersuchungsverfahren nicht auf jeden Fall erforderlich wäre; er macht die Gültigkeit von belastenden Zeugenaussagen aber nur von einer Möglichkeit zur Fragestellung abhängig. Dass diese Fragen mündlich und anlässlich einer Gegenüberstellung gestellt werden müssten, sagt er entgegen der Meinung der Beschwerdeführer nirgends. Der Zweck von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK verlangt ausserdem, dass der Beschuldigte allgemein auch Zeugen anrufen kann. Von ihrer Einvernahme darf nur abgesehen werden, wenn sie für die Sachentscheidung nichts wesentliches beizutragen vermögen. Die Menschenrechtskommission hat sich bei der Auslegung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK allerdings stets vom Gedanken leiten lassen, dass den Strafgerichten ein beträchtlicher BGE 104 Ia 314 S. 319 Ermessensspielraum zusteht, wenn darüber zu entscheiden ist, welche Zeugenaussagen als erheblich zu betrachten sind, d.h. ob die Vernehmung der angerufenen Zeugen zur Ermittlung der Wahrheit beitragen könne (vgl. z.B. Ann. XIV S. 635 Nr. 4607/70 und Ann. XVII S. 315 Nr. 5523/72). Ausserdem hat sie stets die Auffassung vertreten, die ins Auge gefasste Bestimmung habe nicht den Sinn, innerstaatliche Vorschriften auszuschliessen, die für die Zulassung und Vernehmung von Zeugen gewisse Voraussetzungen aufstellen (vgl. Die Menschenrechte in der Praxis des Europarates, S. 85 Nr. 187; GURADZE, a.a.O., S. 109). Weder aus Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK noch aus der zugehörigen Rechtsprechung lässt sich daher ableiten, (a) dass die Vernehmung von Zeugen in der Untersuchung durch einen neutralen Untersuchungsrichter ohne Beizug des Angeschuldigten überhaupt unzulässig sei; (b) dass dem Untersuchungsrichter und dem Gericht nicht die Freiheit zustehe, vom Angeschuldigten angerufene Zeugen auf Grund einer antizipierten Beweiswürdigung wegen Unerheblichkeit der zu erwartenden Aussagen nicht vorzuladen; (c) dass dem Beschuldigten mehrmals Gelegenheit geboten werden müsse, zu verlangen, dass Zeugen in seiner Gegenwart oder ein zweites Mal ergänzend befragt werden. Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK zum Teil über die auf Grund von Art. 4 BV in der Praxis gewährleisteten Rechte hinausgeht: Es ist dem Beschuldigten unabhängig von der Ausgestaltung des kantonalen Prozessrechts mindestens einmal während des Verfahrens Gelegenheit zu geben, der Einvernahme von Zeugen, die ihn belasten, beizuwohnen und Ergänzungsfragen zu stellen oder aber, sofern er der Vernehmung nicht beiwohnen kann, nach Einsicht in die Aussagen schriftlich ergänzende Fragen anzubringen. Das hindert nicht, dass auch dieses prozessuale Recht unter dem Regime des kantonalen Verfahrensrechtes steht. Es kann den Kantonen nicht verwehrt sein, die Einhaltung gewisser Vorschriften bei der Ausübung dieses Rechtes zu verlangen, so etwa, dass entsprechende Anträge frist- und formgerecht gestellt werden. Es scheint auch klar, dass auf dieses Recht ausdrücklich oder stillschweigend verzichtet werden kann und dass ein solcher Verzicht die Zeugenaussagen weder nichtig macht, noch einen Anspruch auf Wiederholung entstehen lässt. BGE 104 Ia 314 S. 320 5. (Abweisung der Beschwerde, weil die Beschwerdeführer nach der Akteneröffnung auf die nochmalige Einvernahmen verzichtet hatten und die Beschwerde im übrigen ungenügend substantiiert war.)
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130d19e9-078b-4266-b7be-9d9f7be30561
Urteilskopf 120 III 123 42. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 15 septembre 1994 dans la cause J. et consorts (recours LP)
Regeste Art. 106 ff. SchKG ; Frist zur Anmeldung des Drittanspruches, wenn zuvor eine Sperrung in einem Fall gegenseitiger Rechtshilfe in Strafsachen verfügt worden ist. Der Staat, zu dessen Gunsten im Rahmen gegenseitiger Rechtshilfe eine Sperrung verfügt worden ist, handelt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn er - gestützt auf die Rechtsprechung, welche der strafrechtlichen den Vorrang vor der zivilrechtlichen Zwangsmassnahme einräumt - mit der Anmeldung seines Drittanspruches bis zum Entscheid über die Rechtshilfe zuwartet, zumal er im Rechtshilfeverfahren klar zu erkennen gegeben hat, dass er Anspruch auf die umstrittenen Vermögenswerte erhebe und die Arrestgläubiger mit der Anmeldung des Drittanspruches im Falle der Abweisung des Rechtshilfegesuches rechnen mussten (E. 2 und 3).
Sachverhalt ab Seite 123 BGE 120 III 123 S. 123 A.- A fin 1986/début 1987, les Etats-Unis d'Amérique (ci-après: USA) ont requis les autorités helvétiques de bloquer un certain nombre de comptes détenus par diverses personnes, dont H., auprès d'établissements bancaires BGE 120 III 123 S. 124 et financiers suisses. Fondée sur le Traité entre la Confédération suisse et les USA sur l'entraide judiciaire en matière pénale (TEJUS; RS 0.351.933.6), la demande fut accueillie positivement par la Confédération helvétique, qui fit procéder, par l'intermédiaire de l'Office fédéral de la police (OFP) et du Juge d'instruction de Genève, à la saisie des avoirs bancaires et financiers visés. Le 1er février 1990, les charges pénales dirigées contre les personnes visées par la requête d'entraide ont toutefois été abandonnées par les instances judiciaires américaines. Le 3 février 1992, après que les USA eurent vainement sollicité à deux reprises le versement des fonds et avoirs bloqués en leur faveur, l'OFP décida de rejeter la requête d'entraide pour le motif qu'il n'y avait plus de procédure pénale en cours aux USA, les conditions de l' art. 1er ch. 1 let. a TEJUS n'étant ainsi plus remplies. Il a toutefois maintenu le blocage des avoirs et fonds saisis jusqu'au 30 juin 1992, afin de permettre à l'Etat requérant de faire valoir ses intérêts sur le plan civil. Par arrêt du 29 mars 1993, le Tribunal fédéral a rejeté le recours de droit administratif formé par les USA contre la décision de l'OFP et a maintenu à son tour le blocage pour une durée de soixante jours. B.- Par courriers adressés à l'Office des poursuites de Genève les 18 mai, 25 mai et 4 juin 1993, les USA ont déclaré "revendiquer la propriété des actifs, en particulier des fonds, faisant l'objet des (...) procédures de séquestre" introduites à l'encontre de H. par divers tiers, dont J. et consorts. Avocats de H. aux USA, ces derniers avaient en effet obtenu l'exécution d'un séquestre contre leur client le 9 juillet 1990, séquestre qui fut ensuite converti en saisie définitive. L'office des poursuites ayant écarté leur déclaration de revendication, jugée tardive, les USA ont porté plainte à l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève. Par décision du 22 juin 1994, cette autorité a annulé la décision de l'office et invité celui-ci à enregistrer la revendication, puis à ouvrir la procédure prévue par les art. 106 ss LP . C.- J. et consorts ont recouru à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral aux fins de faire constater que la revendication des USA était tardive et d'obtenir qu'elle soit rejetée. La Chambre des poursuites et des faillites a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable. BGE 120 III 123 S. 125 Erwägungen Extrait des considérants: 2. a) La loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite ne fixe aucun délai pour former la déclaration de revendication des biens saisis ou séquestrés (art. 106 à 109 et 275 LP); celle-ci peut donc intervenir, en principe, dès le moment où l'intéressé a eu connaissance de l'exécution valide de la saisie jusqu'à la distribution des deniers ( art. 107 al. 4 LP ). Toutefois, une annonce tardive par le tiers de ses prétentions peut compromettre les droits du créancier, qui aura soit accompli des actes ou engagé des frais inutilement, soit perdu l'occasion d'obtenir d'autres actes d'exécution pour la couverture de sa créance ( ATF 109 III 58 consid. 2c p. 60). Aussi la déclaration de revendication doit-elle être opérée dans un délai bref et approprié aux circonstances, le tiers étant déchu de son droit s'il tarde malicieusement à la faire ou s'il commet une négligence grossière ( ATF 114 III 92 consid. 1 et 2 p. 94 ss, ATF 113 III 104 ss, ATF 112 III 59 ss, ATF 111 III 21 consid. 2 p. 23 et les arrêts cités; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3e éd., Lausanne 1993, p. 210 § 3; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. I, 3e éd., Zurich 1984, § 26 n. 17; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5e éd., Berne 1993, § 24 n. 19 ss). La temporisation dans l'annonce de la revendication n'est toutefois pas contraire à la bonne foi lorsque le créancier poursuivant sait qu'un tiers déterminé pourrait faire valoir des droits sur les valeurs patrimoniales mises sous main de justice ( ATF 114 III 92 consid. 1a p. 95 et les arrêts cités). b) Dans sa décision, l'autorité cantonale de surveillance retient que les USA ont eu une connaissance exacte et très détaillée du séquestre obtenu par J. et consorts le 25 septembre 1992, mais que leur revendication, formulée en mai/juin 1993 seulement, ne devait pas pour autant être rejetée comme étant tardive: en effet, les créanciers séquestrants savaient que les biens dont ils demandaient la mise sous main de justice faisaient l'objet d'une demande d'entraide pénale formée par les USA, lesquels cherchaient à obtenir le transfert en leur faveur des valeurs concernées; lesdits créanciers devaient donc s'attendre à une revendication de la part des USA. Dans ces conditions, conclut l'autorité cantonale, la temporisation dans l'annonce de la revendication n'apparaissait pas contraire à la bonne foi; les USA pouvaient d'ailleurs considérer de manière parfaitement légitime que, tant et aussi longtemps que le séquestre pénal produisait ses effets, BGE 120 III 123 S. 126 ils n'encourraient aucun risque de voir les fonds qu'ils cherchaient à récupérer échapper à la mesure exécutée à leur demande pour être distribués aux créanciers de H.; ils n'avaient ainsi aucune raison d'intervenir comme tiers revendiquant dans les procédures d'exécution ouvertes contre ce débiteur. 3. a) Selon les recourants, l'autorité cantonale de surveillance aurait dû faire application de la jurisprudence relative à la loi fédérale sur l'entraide internationale en matière pénale (EIMP; RS 351.1), telle qu'elle a été exposée aux ATF 115 Ib 517 ss. Les règles de l'EIMP ne sont applicables qu'à titre subsidiaire dans le cadre des affaires d'entraide judiciaire en matière pénale avec les USA (arrêt du 29 mars 1993, consid. 2). De surcroît, à la différence de certaines procédures régies par l'EIMP, l' art. 1er ch. 1 let. b TEJUS , qui traite de l'"obligation d'accorder l'entraide" en vue de restituer à l'Etat requérant des objets ou valeurs lui appartenant ou provenant d'infractions, a un caractère contraignant. Dès lors, la jurisprudence rendue à propos de dispositions telles que la "Kann-Vorschrift" de l' art. 59 EIMP - à laquelle renvoie l'art. 74 al. 3 de la même loi - sur la restitution d'objets et valeurs qui ne sont pas nécessaires à l'Etat requérant comme moyens de preuve ne peut avoir qu'une application limitée dans les procédures soumises au TEJUS ( ATF 118 Ib 111 consid. 6b/aa p. 125/126). Le grief est donc mal fondé. b) Les USA disent avoir toujours estimé que leur demande de restitution des avoirs fondée sur le traité d'entraide judiciaire avec la Suisse (TEJUS) primait toute autre mesure de droit civil ou des poursuites; c'est la raison pour laquelle ils ne seraient pas intervenus dans les diverses procédures de séquestre. L'autorité cantonale de surveillance a qualifié de tout à fait légitime ce point de vue des intimés. Les recourants le contestent. La position adoptée par les USA se comprend aisément à la lecture de l'arrêt Pannetier du 25 octobre 1967 ( ATF 93 III 89 ). Aux termes de cet arrêt, en effet, le séquestre ordonné préalablement par le juge pénal ne fait pas obstacle à l'exécution du séquestre fondé sur les art. 271 ss LP , mais il le prime en cas de conflit (consid. 3 p. 93). En l'espèce, le caractère pénal du blocage des fonds litigieux dans le cadre de la procédure d'entraide ne saurait être mis en doute, la décision ayant été prise par le Juge d'instruction genevois sur la base des art. 178 ss CPP gen. ( ATF 113 Ib 175 , résumé des faits, p. 178). Certes, la mesure fondée sur le droit pénal ne dispense-t-elle pas, en principe, celui qui se prétend titulaire de droits préférables d'accomplir cette simple formalité que constitue la déclaration de revendication (arrêt non publié B.T.C. du BGE 120 III 123 S. 127 25 mars 1986, consid. 2b). En l'espèce, cependant, les USA ont constamment annoncé qu'ils revendiquaient les fonds en cause, comme le constate l'arrêt du Tribunal fédéral du 29 mars 1993 dans son état de fait: "... Auf den vorliegenden Fall bezogen ergebe sich, dass die in Frage stehenden Beträge nach der Darstellung im Ersuchen vollumfänglich in die Kassen der USA hätten fliessen müssen, doch hätten sie eine Verwendung gefunden, die den von den Beschuldigten in ihrer Eigenschaft als Beauftragte in amtlicher Mission zu wahrenden öffentlichen Interessen zuwidergelaufen seien ..." (p. 4); "... Am 16. Februar 1989 übermittelte das OIA den schweizerischen B ehörden ein Zusatzbegehren, mit welchem in Anwendung von Art. 1 Ziff. 1 lit. b RVUS um Herausgabe der gesperrten, den USA angeblich unrechtmässig vorenthalten Gelder ersucht wurde ..." (p. 5). Comme l'arrêt B.T.C. déjà cité l'a relevé, bien qu'il y ait lieu de distinguer entre la procédure pénale et la procédure de poursuite, les déclarations faites au cours de la première peuvent ne pas être dénuées de pertinence pour la seconde et mériter qu'on les prenne en considération dans celle-ci. Dans le cas jugé alors, le tiers au nom duquel le compte bancaire séquestré était ouvert - indice pour la créancière qu'il pourrait y avoir revendication - avait expressément déclaré au cours de la procédure pénale qu'il n'était pas le réel titulaire du compte en question, ce qui pouvait inciter la créancière à renoncer en toute bonne foi à d'autres mesures pour la couverture de ses prétentions. La Chambre de céans a donc estimé que la revendication du tiers, formulée au demeurant plus de quatre ans après la connaissance du séquestre - soit un laps de temps largement supérieur à la moyenne des cas jugés et publiés jusqu'alors -, constituait un abus de droit et n'avait donc pas à être prise en considération. Il n'y a rien de tel en l'espèce où, on l'a vu, les USA ont annoncé d'entrée de cause et constamment au cours de la procédure d'entraide pénale qu'ils revendiquaient les fonds litigieux, de sorte que les recourants, qui représentaient H. dans cette procédure, devaient s'attendre à une revendication selon les art. 271 ss LP en cas d'échec de la demande d'entraide, et prendre les mesures nécessaires pour assurer la couverture de leur créance ou éviter des frais inutiles. S'appuyant sur une jurisprudence reconnaissant la primauté du séquestre pénal sur le séquestre civil, les USA n'ont pas agi de manière contraire à la bonne foi en retardant de quelque huit mois (septembre 1992 - mai 1993) leur déclaration BGE 120 III 123 S. 128 de revendication, une fois scellé le sort de la procédure d'entraide judiciaire. L'omission par eux d'une déclaration formelle de revendication dès la connaissance du séquestre obtenu par les recourants ne saurait être taxée, dans les circonstances données, de "négligence grossière". c) Dans la mesure où les recourants semblent vouloir mettre en doute le droit de propriété des USA sur les avoirs visés, il sied de rappeler que la question de savoir si une revendication est bien ou mal fondée relève du fond, donc de la compétence du juge et non de celle de l'autorité de surveillance (GILLIÉRON, op.cit., p. 209 § 3; FAVRE, Droit des poursuites, 3e éd., p. 197/198).
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Urteilskopf 98 IV 55 10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. März 1972 i.S. Politzer gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste 1. Falscher Führerausweis a) Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1, 10 Abs. 4 SVG. Strafbar ist schon das Mitführen nicht für den Führer bestimmter Ausweise, nicht erst das Vorweisen (Erw. 1a). b) Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG betrifft nur echte Ausweise; die Verwendung falscher oder gefälschter Ausweise fällt unter Art. 252 Ziff. 1 StGB (Erw. 1 b, 2). c) Art. 95 Ziff. 1 Abs. 1 SVG setzt voraus, dass der Führer den Ausweis überhaupt nicht besitzt (Erw. 2). d) Verhältnis von Art. 99 Ziff. 3 SVG zu Art. 252 Ziff. 1 StGB (Erw. 2). 2. Art. 227 Abs. 2, 268ff., 277 ter BStP. Verbot der reformatio in peius (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 56 BGE 98 IV 55 S. 56 A.- Georges Politzer will im Jahre 1969 von einem Beamten in München gegen Bezahlung unter anderem einen deutschen Führerschein lautend auf Dr. Georges Politzer, deutscher Staatsangehöriger, geb. 12. Januar 1921 in Lüttich/Belgien, gekauft haben. Die darin enthaltenen Angaben sind insofern unrichtig, als Politzer nicht in Lüttich, sondern in Budapest geboren wurde und er nicht deutscher Nationalität, sondern staatenlos ist. Seit 1969 verwendete er diesen falschen deutschen Führerschein und führte ihn insbesondere mit, als er am 28. Juni 1971 mit seinem Wagen mit der Kontrollnummer ZH 25'523/71 von Turin kommend über den Grossen St. Bernhard nach Zürich reiste. Politzer besass damals auch einen gültigen deutschen Führerausweis, den er indessen nicht auf sich hatte. B.- Das Bezirksgericht Zürich sprach Politzer am 26. Juli 1971 deswegen des fortgesetzten Fahrens ohne Führerausweis im Sinne von Art. 95 Ziff. 1 Abs. 1 SVG schuldig und verurteilte ihn wegen dieser und anderer strafbaren Handlungen zu zwei Monaten Gefängnis, abzüglich 28 Tage Untersuchungshaft, und zu Fr. 100.-- Busse. Auf Berufung hin änderte das Obergericht des Kantons Zürich den erstinstanzlichen Schuldspruch dahin ab, dass es Politzer nicht wegen fortgesetzten Fahrens ohne Führerausweis, sondern wegen fortgesetzten Missbrauchs von Ausweisen gemäss Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG verurteilte und ihm an die Gefängnisstrafe 30 statt 28 Tage Untersuchungshaft anrechnete. Im übrigen bestätigte es den Urteilsspruch des Bezirksgerichtes, indem es Politzer namentlich den bedingten Strafvollzug und die vorzeitige Löschbarkeit der Busse im Strafregister verweigerte. C.- Politzer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei nur wegen Nichtmitführens von Ausweisen im Sinne des Art. 10 Abs. 4 SVG schuldig zu erklären, und es sei ihm der bedingte Strafvollzug, eventuell die vorzeitige Löschung der Busse im Strafregister zu bewilligen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. D.- Eine von Politzer gegen das obergerichtliche Urteil eingereichte kantonale Kassationsbeschwerde ist vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 24. Januar 1972 abgewiesen worden. BGE 98 IV 55 S. 57 Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, zu Unrecht Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG angewendet zu haben. Indem er einen falschen Führerausweis bloss mit sich geführt habe, habe er diesen nicht im Sinne der genannten Bestimmungen verwendet. Von einem Verwenden könnte nur gesprochen werden, wenn er den Ausweis bei einer Kontrolle vorgezeigt hätte. Des weiteren sei der gefälschte Ausweis kein Ausweis im Rechtssinne gewesen; er habe deshalb gar keinen Ausweis verwenden können, der nicht für ihn bestimmt gewesen wäre. Da er nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichtes einen gültigen Führerausweis besessen habe, könne er nur wegen Nichtmitführens dieses Ausweises bestraft werden ( Art. 99 Ziff. 3 SVG ). a) Die Bestimmung des Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG , der zufolge sich strafbar macht, wer Ausweise verwendet, die nicht für ihn bestimmt sind, ist im Zusammenhang mit der allgemeinen Vorschrift des Art. 10 Abs. 4 SVG zu sehen, die den Führer verpflichtet, einerseits die Ausweise mitzuführen und anderseits diese auf Verlangen der Kontrollorgane vorzuweisen. Da das eine wie das andere Gebot der Kontrolle des Motorfahrzeugverkehrs dient ( BGE 87 IV 162 ), das Nichtmitführen des Ausweises aber den Fahrzeuglenker überhaupt ausserstande setzt, der Kontrollpflicht zu genügen, liegt der Akzent offensichtlich auf der ersteren Verpflichtung. Dem ist nun aber auch bei der Auslegung von Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG Rechnung zu tragen. Da diese Strafsanktion die Verwendung nicht für den Führer bestimmter Ausweise treffen will, um die Kontrolle des Motorfahrzeugverkehrs zu gewährleisten, muss sie folgerichtig schon das missbräuchliche Mitführen und nicht erst das Vorweisen der fraglichen Ausweise zum Gegenstand haben. Ein Verwenden im Sinne des Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG ist deshalb bereits gegeben, wenn der Fahrzeuglenker einen nicht für ihn bestimmten Ausweis auf einer Fahrt im öffentlichen Verkehr mit einem Fahrzeug, dessen Führung ausweispflichtig ist, mitführt (SCHULTZ, Strafbestimmungen des SVG, S. 294 oben), in der Absicht, sie auf Verlangen eines Kontrollorgans vorzuweisen. Dass der Ausweis zu einer Kontrolle auch tatsächlich vorgewiesen wurde, ist somit entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht erforderlich. Insoweit hat die Vorinstanz Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG zutreffend ausgelegt. BGE 98 IV 55 S. 58 b) Dagegen hat sie verkannt, dass eine Widerhandlung gegen diese Bestimmung nur möglich ist, wenn der mitgeführte Ausweis echt ist (SCHULTZ, op.cit. S. 293 unten und 305). Der Gebrauch falscher oder verfälschter Ausweise fällt nicht unter Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG . Diese Bestimmung behandelt die Verwendung fremder Ausweise und diejenige von Kontrollschildern, die für ein anderes als das geführte Fahrzeug bestimmt sind, gleicherweise und in einem Zuge. Die Verwendung der letzteren wird jedoch in Absatz 6 gesondert unter Strafe gestellt, wenn sie falsch oder verfälscht sind. Das wäre aber ohne Zweifel nicht nötig gewesen, wenn die Verwendung von falschen Kontrollschildern bereits unter Absatz 1 fiele. Warum es sich bezüglich der Ausweise anders verhalten sollte, ist nicht ersichtlich. Zwar fehlt in Art. 97 Ziff. 1 SVG eine Absatz 6 entsprechende Bestimmung über die Verwendung falscher oder gefälschter Ausweise. Da diese jedoch unter Art. 252 Ziff. 1 StGB fällt (SCHULTZ, op.cit. 293 Anm. 21), ist die Parallele zur missbräuchlichen Verwendung von Kontrollschildern insoweit hergestellt, mit der Folge, dass im vorliegenden Fall, wo der Beschwerdeführer erwiesenermassen einen falschen Ausweis mitgeführt hat, Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG vom Obergericht zu Unrecht angewendet wurde. c) Schliesslich hätte die Vorinstanz jene Bestimmung aber auch deswegen nicht heranziehen dürfen, weil darunter nach klarem Gesetzeswortlaut nur die Verwendung von Ausweisen fällt, die nicht für den Führer bestimmt sind. Der falsche deutsche Führerschein jedoch, den Politzer mitgeführt hat, war für ihn ausgestellt worden und lautete auch auf seinen Namen. 2. Hat demnach die Vorinstanz den Beschwerdeführer zu Unrecht des Missbrauchs von Ausweisen im Sinne des Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG schuldig gesprochen, so ist damit noch nicht gesagt, dass Politzer bloss wegen Nichtmitführens von Ausweisen nach Art. 99 Ziff. 3 SVG zu bestrafen sei. Zwar ist dann, wenn der Führer einen gültigen Ausweis besitzt, ihn aber nicht mitführt, nicht Art. 95 Ziff. 1 Abs. 1 SVG , sondern Art. 99 Ziff. 3 SVG anwendbar; die erstere Bestimmung setzt nämlich voraus, dass der Führer den erforderlichen Ausweis überhaupt nicht besitzt (BADERTSCHER/SCHLEGEL, Strassenverkehrsgesetz, S. 204; SCHULTZ, op.cit. S. 257 und 322). Im vorliegenden Fall hat jedoch die Vorinstanz verbindlich festgestellt, es sei zugunsten des Beschwerdeführers anzunehmen, dass er im Besitz eines BGE 98 IV 55 S. 59 gültigen deutschen Führerscheins gewesen sei. Hätte Politzer es bloss unterlassen, diesen Ausweis mitzuführen, so wäre er in der Tat einzig nach Art. 99 Ziff. 3 SVG zu bestrafen. Indessen hat er sich mehr als eine solche geringfügige Übertretung zuschulden kommen lassen, die vom Gesetz bloss mit Busse bis zu Fr. 10.- geahndet wird. Er hat nach den tatsächlichen Annahmen des Obergerichtes einen falschen, auf seinen Namen lautenden Ausweis mitgeführt in der Absicht, ihn vorzuweisen, falls er von den Kontrollorganen dazu aufgefordert werden sollte. Damit ist nicht nur erstellt, dass der Beschwerdeführer den falschen Ausweis verwendet (s. Erw. 1a oben), also gebraucht hat, sondern auch, dass dies zum Zwecke der Täuschung geschehen ist. Des weiteren steht nach dem angefochtenen Urteil fest, dass der Beschwerdeführer den gültigen Führerschein deshalb nicht verwendet hat, weil er mit dem von ihm gebrauchten, ebenfalls falschen deutschen Pass nicht übereinstimmte. Die Verwendung des mit diesem übereinstimmenden falschen Führerausweises sollte somit zumindest die Entdeckung jener anderen Fälschung verhindern und dem Beschwerdeführer Unannehmlichkeiten, wenn nicht gar eine Strafverfolgung ersparen. Sie war somit auf eine Verbesserung seiner persönlichen Lage, d.h. auf eine Erleichterung seines Fortkommens angelegt (s. auch das nicht veröffentlichte Urteil des Kassationshofes vom 24.2.1970 i.S. Oertli). Ist dem aber so, muss die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werden, damit sie den Beschwerdeführer statt nach Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG nach Art. 252 Ziff. 1 Abs. 3 StGB schuldig spreche ( BGE 96 IV 66 ), sofern das kantonale Prozessrecht dies zulässt. Von Bundesrechts wegen steht jedenfalls diesem Vorgehen nichts entgegen. Die tatsächlichen Grundlagen der abweichenden rechtlichen Unterstellung des Sachverhaltes durch den Kassationshof sind diejenigen des angefochtenen Entscheides, zu denen der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren hatte Stellung nehmen können ( BGE 74 I 10 ), und was die Strafdrohung des Art. 252 Ziff. 1 StGB anbelangt, so deckt sie sich mit derjenigen des Art. 97 Ziff. 1 SVG , von welcher die Vorinstanz ausgegangen ist. Schliesslich bleibt auch das Verschulden des Beschwerdeführers dasselbe, so dass die Änderung im Schuldspruch nicht zu einer Verschärfung der Strafe führen muss ( BGE 70 IV 224 ). Zwar kann sich fragen, ob nicht Idealkonkurrenz zwischen Art. 252 StGB und Art. 99 BGE 98 IV 55 S. 60 Ziff. 3 SVG bestehe, was gegebenenfalls die Rückweisung der Sache zu einer reformatio in peius werden liesse. Das ist jedoch zu verneinen. Art. 252 Ziff. 1 StGB gilt die Tat nach allen Seiten ab, und sein Strafrahmen ist weit genug, um eine dem gesamten Verschulden angemessene Sanktion auszufällen (vgl. die analogen Erwägungen bei SCHULTZ, op.cit. 305 i.f. betr. das Verhältnis des Vergehenstatbestandes des Art. 97 Ziff. 1 zu Art. 95 SVG ), ohne dass es dazu der zusätzlichen Berücksichtigung des in seiner Strafdrohung auf höchstens Fr. 10.- Busse beschränkten Übertretungstatbestandes bedürfte. Sollte jedoch eine Schuldigsprechung nach Art. 252 StGB aus Gründen des kantonalen Verfahrensrechtes nicht möglich sein, so wäre entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers in diesem Punkte nur wegen Nichtmitführens von Ausweisen gemäss Art. 99 Ziff. 3 SVG zu verurteilen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 21. Oktober 1971 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Urteilskopf 100 Ia 244 35. Auszug aus dem Urteil vom 22. Mai 1974 i.S. VITA Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft gegen Kanton Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Regeste Art. 4 und 46 Abs. 2 BV . Kantonale Minimalsteuer auf dem Grundeigentum juristischer Personen (hier: einer Lebensversicherungsgesellschaft). Begrenzung dieser Minimalsteuer aufgrund von Art. 46 Abs. 2 BV .
Sachverhalt ab Seite 245 BGE 100 Ia 244 S. 245 Aus dem Sachverhalt: A.- Das Steuergesetz des Kantons Luzern (Gesetz über die direkten Staats- und Gemeindesteuern = StG) enthält in § 61 Abs. 3 folgende Bestimmung über die Minimalsteuer: "Die juristischen Personen entrichten an Stelle der ordentlichen Steuern eine Minimalsteuer von 2‰ des Steuerwertes der im Kanton Luzern gelegenen Grundstücke, wenn der Minimalsteuerertrag die nach den §§ 50-59 sich ergebenden Steuern übersteigt. Ausgenommen hievon sind..." (Die gesetzlichen Ausnahmen sind im vorliegenden Fall ohne Belang.) B.- Die VITA Lebensversicherungs-Aktiengesellschaft besitzt im Kanton Luzern keine Betriebsstätte, ist aber Eigentümerin mehrerer Wohnhäuser in Luzern und Kriens, deren Katasterwert total Fr. 14 653 200.-- beträgt. In der Steuererklärung für die Jahre 1969/70 deklarierte die VITA einen steuerbaren Gesamtgewinn von Fr. 2 422 900.--, ein Verhältniskapital von Fr. 43 718 000.-- und ein steuerbares Gesamtkapital von Fr. 45 696 528.--. In der Beilage zur Steuererklärung berechnete die Gesellschaft nach den Grundsätzen der bundesgerichtlichen Praxis den Anteil des Kantons Luzern am Gesamtgewinn auf Fr. 105 800.-- und den Anteil des Kantons Luzern am steuerbaren Gesamtkapital auf Fr. 375 000.--. Die Veranlagungsbehörde teilte der VITA in der Folge mit, dass sie an Stelle der ordentlichen Steuern gemäss § 61 Abs. 3 StG eine Minimalsteuer von 2‰ des Katasterwertes der im Kanton Luzern gelegenen Grundstücke zu bezahlen habe; aufgrund des Katasterwertes dieser Grundstücke von Fr. 14 653 200.-- ergab sich eine Minimalsteuer von Fr. 29 306.40. Die gegen diese Veranlagung erhobene Einsprache wurde abgewiesen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die gegen den Einspracheentscheid eingereichte Beschwerde ebenfalls ab. C.- Gegen das Urteil des Luzerner Verwaltungsgerichtes vom 28. September 1973 führt die VITA gestützt auf Art. 4 und 46 Abs. 2 BV staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, von der Erhebung einer Minimalsteuer nach § 61 Abs. 3 StG sei abzusehen BGE 100 Ia 244 S. 246 und die Beschwerdeführerin sei gemäss ihrer Steuererklärung im Kanton Luzern für einen Ertrag von Fr. 105 882.-- und für ein Kapital von Fr. 375 013.-- einzuschätzen. D.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und die Steuerverwaltung des Kantons Luzern beantragen Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Zur Frage, ob eine Minimalsteuer auf dem Grundeigentum juristischer Personen vor dem Willkürverbot standhalte und auch das Prinzip der Rechtsgleichheit nicht verletze, hat das Bundesgericht schon wiederholt Stellung genommen. Zwei ältere Urteile - BGE 40 I 56 , BGE 86 I 209 - betreffen die Erhebung einer minimalen Vermögenssteuer auf dem gesamten Wert des Grundeigentums, sofern das nach den allgemeinen Vorschriften berechnete steuerbare Vermögen einer juristischen Person geringer ist. In BGE 40 I 56 wurde eine solche Sonderregelung nicht nur als Verstoss gegen das Doppelbesteuerungsverbot, sondern auch als Verletzung der Rechtsgleichheit betrachtet. In BGE 86 I 209 erklärte das Gericht die dort streitige spezielle Besteuerung des das Grundkapital und die Reserven übersteigenden Wertes der Liegenschaften als mit Art. 4 BV vereinbar, hob aber den angefochtenen konkreten Entscheid wegen Verletzung des Doppelbesteuerungsverbotes auf. In zwei neuern Entscheiden erklärte das Bundesgericht die Minimalsteuer des Kantons St. Gallen ( BGE 92 I 439 ) und jene des Kantons Thurgau ( BGE 96 I 64 ), welche analog der hier zu prüfenden luzernischen Minimalsteuer ausgestaltet sind, als mit Art. 4 BV vereinbar. a) Ausgehend von der Feststellung, dass der Steuergesetzgeber einen weiten Spielraum des Ermessens hat und dass jede mit sachlichen Gründen vertretbare Regelung vor Art. 4 BV standhält, stützte das Bundesgericht seine neuere Praxis im wesentlichen auf zwei Argumente ( BGE 92 I 442 , BGE 96 I 66 ): aa) Es gibt juristische Personen, die aus bestimmten Gründen nur einen kleinen Gewinn erzielen oder auf die Erzielung eines solchen überhaupt verzichten und ein im Verhältnis zu ihren Aktiven sehr geringes Eigenkapital aufweisen. Bei diesen BGE 100 Ia 244 S. 247 nicht gewinnstrebigen Genossenschaften und Aktiengesellschaften bringt - nach den überzeugenden Feststellungen in dem 1955 vom eidg. Finanz-und Zolldepartement herausgegebenen Expertenbericht "Zum Problem der gleichmässigen Besteuerung der Erwerbsunternehmungen" (Motion Piller) - weder der ausgewiesene Reinertrag noch das Eigenkapital die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinreichend zum Ausdruck. Eine Steuerordnung, die ausschliesslich auf diese Faktoren abstellt, führt zu einer Privilegierung dieser Körperschaften (Konsumgenossenschaften, Wohnbaugenossenschaften, Immobiliengesellschaften). Will man dies vermeiden, so müssen für die Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit andere Kriterien gefunden werden. Der Liegenschaftsbesitz mag innerhalb gewisser Grenzen ein solches Kriterium für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Unternehmungen, insbesondere von Immobiliengesellschaften, bilden. Soweit die Minimalsteuer auf dem Grundeigentum einen tauglichen und sachgemässen Weg zur Besteuerung einer anders nicht erfassbaren Ertragskraft darstellt, verstösst sie nicht gegen das Willkürverbot. Inwiefern und unter welchen Umständen der Wert der Liegenschaften wirklich ein tauglicher Massstab für die anders nicht erfassbare wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sein kann, wurde in der bisherigen Rechtsprechung nicht näher untersucht (vgl. BGE 92 I 447 E 6b, bb). Im erwähnten Expertenbericht wird der Liegenschaftswert nicht als möglicher Ersatzfaktor für die Besteuerung nicht gewinnstrebiger Unternehmungen vorgeschlagen (Expertenbericht S. 147 ff). IMBODEN (ASA 34 S. 195) bezeichnete die Basler Minimalsteuer auf dem Grundbesitz als eine Objektsteuer, die einem ganz andern Zweckgedanken folge; es soll eine minimale fiskalische Belastung der im Kanton liegenden unbeweglichen Güter sichergestellt werden. bb) Dieses Motiv des Gesetzgebers wurde vom Bundesgericht in den erwähnten Urteilen ebenfalls als haltbare sachliche Begründung für eine subsidiäre Minimalsteuer auf dem Grundbesitz anerkannt ( BGE 92 I 448 , BGE 94 I 40 , BGE 96 I 67 E 2b). Die Doppelbesteuerungsrechtsprechung hat das Besteuerungsrecht des Liegenschaftskantons seit jeher geschützt ( BGE 48 I 358 , BGE 51 I 123 ). Die Kantone können auf dem Liegenschaftswert auch Objektsteuern erheben (vgl. die Angaben BGE 96 I 67 ). BGE 100 Ia 244 S. 248 Dass ein Kanton zwar auf eine generelle zusätzliche Objektsteuer verzichtet, aber subsidiär eine Objektsteuer als Minimalsteuer fordert, sofern die ordentlichen Steuern nicht einen gewissen Mindestbetrag erreichen, erscheint im Hinblick auf die mit dem Grundeigentum verbundenen Ausgaben des Gemeinwesens (Infrastrukturkosten) als vertretbar ( BGE 96 I 67 ). b) Es bleibt zu prüfen, ob diese in der bisherigen Praxis unter dem Aspekt von Art. 4 BV als hinreichend erachteten Gründe für die Erhebung einer Minimalsteuer auf dem Liegenschaftswert auch im vorliegenden Fall zutreffen. aa) Das Verwaltungsgericht macht geltend, die Beschwerdeführerin verzichte ähnlich wie Konsum- oder Einkaufsgenossenschaften durch teilweise Rückerstattung des Bruttogewinnes an die Versicherten weitgehend auf die Erzielung von Gewinnen; die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit komme daher weder im steuerbaren Reingewinn noch im steuerbaren Kapital hinreichend zum Ausdruck; es müsse ein anderes Kriterium zur Bestimmung der Ertragskraft gesucht werden. Dass private Lebensversicherungsgesellschaften in diesem Sinne als nicht-gewinnstrebig zu bezeichnen seien, wurde bisher noch nie behauptet. Es scheint auch direkt abwegig, die vom Standpunkt der Versicherungsnehmer aus erwünschte Rückerstattung in Form von sogenannten Gewinnanteilen den Lebensversicherungsgesellschaften auf der Ebene des Steuerrechts gewissermassen zum Vorwurf zu machen. Das Argument der fehlenden Gewinnstrebigkeit trifft hier nicht zu. Das Verwaltungsgericht selber schwächt übrigens den von ihm zunächst eingenommenen Standpunkt entscheidend ab, indem es in einer nachfolgenden Erwägung richtig feststellt, dass sich für den Kanton Luzern trotz normaler Ertragsfähigkeit der Beschwerdeführerin deswegen ein geringer steuerbarer Ertrag und ein unbedeutendes steuerbares Kapital ergebe, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes das Deckungskapital als abzugsfähige Schuld behandelt werden müsse und die darauf berechneten Zinsen vom Roheinkommen abzuziehen seien. Es ist also nicht die fehlende Gewinnstrebigkeit, die zum "unbefriedigenden" Resultat der ordentlichen Besteuerung führt, sondern die besondere Art der Anlagetätigkeit und die steuerrechtliche Behandlung der mit dem Versicherungsgeschäft verbundenen Verpflichtungen. BGE 100 Ia 244 S. 249 Die Lebensversicherungsgesellschaften haben im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit grosse finanzielle Mittel anzulegen, welche der Sicherstellung des Deckungskapitals dienen. Diese Kapitalanlagen, die dem Sparteil der Prämie entsprechen, müssen für die Zahlung der versicherten Leistung bei Ablauf der Versicherung zur Verfügung stehen. Wie das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zum Doppelbesteuerungsverbot anerkannt hat, stellen die technischen Reserven im Lebensversicherungsgeschäft nicht Reinvermögen des Versicherers dar, sondern bilden, da ihnen feste Ansprüche der Versicherten gegenüberstehen, ein Passivum, einen abzugsfähigen Schuldposten ( BGE 54 I 395 E 4c, BGE 57 I 77 , BGE 74 I 461 ). Gemäss der in BGE 93 I 236 aufgestellten Regel ist bei der Besteuerung des Reinertrages auf dem Deckungskapital ein abzugsfähiger Passivzins in der Höhe des durchschnittlichen gesamtschweizerischen Hypothekarzinsfusses zu berechnen. Nach den in der Beschwerdeschrift enthaltenen statistischen Angaben bestehen rund 20% der Kapitalanlagen schweizerischer Lebensversicherungsunternehmungen in Grundstücken. Wenn nun in den Kantonen, in welchen eine Lebensversicherungsgesellschaft ausschliesslich als Grundeigentümerin zu besteuern ist, nach den vom Bundesgericht entwickelten Ausscheidungsprinzipien die Steuerfaktoren "Kapital" und "Reingewinn" im Verhältnis zum Wert der Liegenschaften klein sind, so beruht dies nicht auf einer ungewöhnlichen Art der Finanzierung mit einem übersetzten Fremdkapital-Anteil, sondern ergibt sich aus dem speziellen Zweck der Anlagetätigkeit von Lebensversicherungsunternehmungen. Die Anlagen dienen eben vorwiegend der Sicherstellung des Deckungskapitals; den angelegten Werten steht insoweit ein steuerlich zu berücksichtigender Passivposten gegenüber, und der steuerbare Ertrag wird um den vom Deckungskapital berechneten, ebenfalls der Erfüllung der Versicherungsverträge dienenden Passivzins vermindert. Die Gründe, welche bei sogenannten nicht-gewinnstrebigen Unternehmen im System der Besteuerung juristischer Personen nach Reingewinn und Kapital allenfalls für eine subsidiäre Minimalsteuer auf dem Ersatzfaktor "Liegenschaftswert" angeführt werden können, lassen sich auf die Lebensversicherungsunternehmungen zweifellos nicht übertragen. Die Untersuchungen der Expertenkommission zur Motion Piller bezogen sich auch nicht auf Lebensversicherungsgesellschaften. BGE 100 Ia 244 S. 250 Der Einwand, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Lebensversicherungsgesellschaften lasse sich mit den ordentlichen Kriterien der Besteuerung nicht genügend erfassen, trifft nicht zu. Ist das Deckungskapital im Lebensversicherungsgeschäft als Passivum zu qualifizieren und die Abzugsfähigkeit entsprechender Passivzinse steuerrechtlich anzuerkennen, dann kann vernünftigerweise das Resultat dieser Überlegungen nicht mit der Behauptung beiseitegeschoben werden, die sich ergebenden Steuerfaktoren entsprächen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht. Zudem könnte bei einer Lebensversicherungsgesellschaft der Wert der Liegenschaften wohl kaum als taugliches Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezeichnet werden; die Verhältnisse liegen hier anders als bei einer Immobiliengesellschaft. bb) Wenn die subsidiäre Minimalsteuer auf Grundbesitz sich somit gegenüber Lebensversicherungsunternehmungen nicht als Ersatzbesteuerung wegen ungenügender Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch die ordentlichen Steuern rechtfertigen lässt, so bleibt zu prüfen, ob das zweite Argument - die Sicherung eines minimalen Beitrags des Grundeigentums an die Ausgaben des Gemeinwesens - ein nicht willkürliches, sachliches Motiv für diese Besteuerung zu bilden vermag. Die Frage ist zu bejahen. Es ist mit guten Gründen vertretbar, dass der Liegenschaftskanton einen minimalen Steuerertrag aus dem Grundeigentum auch dann beanspruchen darf, wenn es sich um den der Sicherstellung des Deckungskapitals dienenden Liegenschaftsbesitz einer Lebensversicherungsgesellschaft handelt. Die Argumente, welche allgemein für eine zusätzliche Objektsteuer auf Liegenschaften oder für eine derartige subsidiäre Minimalsteuer angeführt werden können, gelten auch inbezug auf den Immobilienbesitz von Lebensversicherungsgesellschaften. Wohl lässt sich auf Grund der geschilderten Besonderheiten eine Ausnahme von der Minimalbesteuerung begründen, wie sie in § 77b Abs. 3 lit. c des baselstädtischen Steuergesetzes vorgesehen ist. Lehnt ein Gesetzgeber eine solche Ausnahme ab - wie im Kanton Luzern -, so ist dies auf keinen Fall eine gänzlich unhaltbare und daher willkürliche Lösung. c) ... BGE 100 Ia 244 S. 251 4. a) Eine gegen Art. 46 Abs. 2 BV verstossende Doppelbesteuerung liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger von zwei oder mehreren Kantonen für das nämliche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird (aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, zu deren Erhebung ein anderer Kanton zuständig wäre (virtuelle Doppelbesteuerung). Ausserdem hat das Bundesgericht aus Art. 46 Abs. 2 BV abgeleitet, ein Kanton dürfe einen Steuerpflichtigen nicht deshalb stärker belasten, weil er nicht in vollem Umfang seiner Steuerhoheit unterstehe, sondern zufolge seiner territorialen Beziehungen auch noch in einem andern Kanton steuerpflichtig sei. Eine unzulässige Doppelbesteuerung ist daher grundsätzlich gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger in mehreren auf dem Boden der Reineinkommenssteuer stehenden Kantonen zusammen mehr als sein gesamtes Reineinkommen zu versteuern hat, also mehr als bei Konzentration der Steuerpflicht in einem Kanton ( BGE 93 I 241 , BGE 66 I 46 , BGE 60 I 106 /7, BGE 51 I 126 ). b) Durch die Erhebung einer subsidiären Minimalsteuer auf den im Kanton befindlichen Liegenschaften (gemäss § 61 Abs. 3 des luzernischen Steuergesetzes) wird nicht das gleiche Steuerobjekt für die gleiche Periode von zwei Kantonen besteuert. Die Minimalsteuer bezieht sich als subsidiäre Objektsteuer nicht auf Vermögenswerte, deren Besteuerung einem andern Kanton zusteht, sondern beschränkt sich auf die im Kanton gelegenen, der ausschliesslichen Steuerhoheit dieses Kantons unterworfenen Liegenschaften. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich keine Doppelbelastung des gleichen Steuersubstrates, und die Minimalsteuer greift auch nicht in die Steuerhoheit anderer Kantone ein ( BGE 94 I 40 /41, BGE 96 I 69 ). Eine aktuelle oder virtuelle Doppelbesteuerung im oben umschriebenen Sinne liegt daher nicht vor. c) Hingegen hat die angefochtene Minimalsteuer zur Folge, dass die eine Doppelbesteuerung verhindernden Ausscheidungsgrundsätze teilweise ausgeschaltet werden und dass das im Kanton Luzern gelegene Grundeigentum mit höhern Steuern belastet wird als dem in diesem Kanton geltenden System der Besteuerung juristischer Personen nach Reingewinn und Kapital entsprechen würde. Es ist unbestritten und BGE 100 Ia 244 S. 252 unbestreitbar, dass die subsidiäre Minimalsteuer, wie sie § 61 Abs. 3 StG regelt, den Grundeigentümer mit Beziehungen zu mehreren Kantonen unter Umständen wesentlich schlechter stellt als den ausschliesslich im Kanton Steuerpflichtigen. Wenn - was im vorliegenden Fall zutreffen dürfte - durch die der Bundesgerichtspraxis entsprechende, ordentliche interkantonale Steuerausscheidung der Kanton Luzern als Kanton der gelegenen Sache Steuerfaktoren zugewiesen erhält, die einen unter der Minimalsteuer liegenden Steuerbetrag ergeben, während die Besteuerung des gesamten Unternehmens im Kanton auf Reingewinn und Kapital beschränkt bliebe und keine Minimalsteuer auslösen würde, dann bedeutet dies eine steuerliche Schlechterstellung wegen der interkantonalen Aufteilung der Steuerpflicht. Das zweite aus Art. 46 Abs. 2 BV sich ergebende Prinzip ist insoweit nicht eingehalten. In BGE 94 I 40 /41 und BGE 96 I 70 wurde diese Auswirkung einer subsidiären Minimalsteuer auf dem Grundeigentum im interkantonalen Verhältnis erkannt und die Zulässigkeit einer steuerlichen Mehrbelastung als Folge der Aufteilung der Steuerpflicht erörtert. Das Bundesgericht hat bei dieser Frage - wie inbezug auf den sogenannten Ausscheidungsverlust ( BGE 93 I 241 E 2, BGE 91 I 397 ) - dem besondern Grundsatz, dass Liegenschaften dem Liegenschaftskanton zur ausschliesslichen Besteuerung vorbehalten bleiben sollen, gegenüber dem Verbot einer Schlechterstellung wegen interkantonaler Aufteilung der Steuerpflicht den Vorrang eingeräumt. Diese Einschränkung eines klaren, wohl begründeten Prinzips ist jedoch nicht unbedenklich (vgl. die Kritik der Rechtsprechung betr. Ausscheidungsverlust: STUDER, ZBl 59, S. 44/45; SCHLUMPF, Bundesgerichtspraxis zum Doppelbesteuerungsverbot, 3. Aufl. S. 258; PASCHOUD, L'imposition des immeubles et de leur rendement en droit fiscal intercantonal, p; 142 ss.; DÄTWYLER, Die Behandlung von Unternehmungsliegenschaften im interkantonalen Steuerrecht, S. 100 f). Gegenüber der generellen Objektsteuer (als Hauptsteuer oder Ergänzungssteuer) auf allen Liegenschaften weist die subsidiäre, als Objektsteuer ausgestaltete Minimalsteuer eine besondere Problematik auf: Während sich bei einer allgemeinen Objektsteuer (Grundsteuer) keine Schlechterstellung infolge der interkantonalen Aufteilung der Steuerpflicht ergeben kann, wird durch die subsidiäre Minimalsteuer auf dem Grundeigentum BGE 100 Ia 244 S. 253 oft in der praktischen Konsequenz das Resultat der interkantonalen Steuerausscheidung zu Gunsten des Liegenschaftskantons und zu Lasten des Steuerpflichtigen, der zu zwei oder mehr Kantonen territoriale Beziehungen hat, "korrigiert". Nun sprechen allerdings - wie bereits in anderm Zusammenhang ausgeführt wurde - für diese Wahrung eines minimalen Steueranspruches des Ortes der gelegenen Sache Argumente von erheblichem Gewicht. Dies ist auch im Rahmen der Auslegung des Doppelbesteuerungsverbotes zu beachten. Gemeinden und Kantone, welche durch Infrastrukturaufwendungen zur Werterhaltung und Wertvermehrung des Grundeigentums einen wesentlichen Beitrag leisten, haben ein legitimes Interesse, von den Eigentümern der in ihrem Gebiet gelegenen Liegenschaften wenigstens eine minimale Abgabe erheben zu können. Dies lässt sich - ohne Änderung des ganzen Systems der interkantonalen Steuerausscheidung - nur erreichen durch eine steuerliche Mehrbelastung der betreffenden Grundeigentümer. Doch muss der Erhebung subsidiärer, anstelle der ordentlichen Ertrags- und Kapitalsteuern tretender Minimalsteuern im interkantonalen Verhältnis eine Grenze gesetzt werden, da andernfalls die aus Art. 46 Abs. 2 BV abgeleiteten Ausscheidungsregeln durch hohe subsidiäre Minimalsteuern praktisch aus den Angeln gehoben werden könnten (in diesem Sinne schon BGE 96 I 70 ). Die Limitierung erfolgt zweckmässigerweise durch Festlegung eines Promillesatzes des für die ordentliche Besteuerung massgebenden Liegenschaftswertes, der durch solche Minimalsteuern von Staat und Gemeinde gesamthaft nicht überschritten werden darf. In diesem Sinne erscheint eine Limite von 2‰ des Liegenschaftswertes hier als angemessen. Die zusätzlichen generellen Objektsteuern auf Liegenschaften (Grundsteuern, Liegenschaftssteuern), die in einzelnen Kantonen (u.a. auch im Kanton Luzern) von sämtlichen Grundeigentümern erhoben werden, sind von dieser Begrenzung nicht betroffen und bei der Ermittlung der zulässigen Maximalbelastung durch Minimalsteuern auch nicht anzurechnen. Zwar liegt diesen Grundsteuern der gleiche Zweck zugrunde wie der hier angefochtenen Minimalsteuer; sie wollen ebenfalls dem mit den Infrastrukturkosten belasteten Ort der gelegenen Sache einen fiskalischen Mindestanspruch sichern. Doch handelt es sich bei der Grundsteuer um eine BGE 100 Ia 244 S. 254 zusätzlich zu den Staats- und Gemeindesteuern zu bezahlende generelle Objektsteuer, die alle Grundeigentümer innerhalb des Kantons in gleicher Weise trifft; sie ersetzt nicht, wie dies bei der Minimalsteuer der Fall ist, die ordentliche Steuer auf Kapital und Ertrag juristischer Personen, bei deren Festsetzung die aus Art. 46 Abs. 2 BV abgeleiteten Ausscheidungsregeln allenfalls zum Zuge kommen; sie kann insoweit auch nicht zu einer Umgehung des Doppelbesteuerungsverbotes führen, weshalb sie im vorliegenden Zusammenhang nicht berücksichtigt zu werden braucht. Die oben festgesetzte Grenze von 2‰ des Liegenschaftswertes bezieht sich nur auf den hier gegebenen Fall, dass die Minimalsteuer ausschliesslich dem Zweck dient, dem Liegenschaftskanton eine minimale fiskalische Belastung des Grundeigentums zu sichern. Wie es sich hinsichtlich der Minimalsteuern verhält, die der Erfassung einer bei ordentlicher Besteuerung nicht erfassbaren wirtschaftlichen Ertragskraft dienen (bei fehlender Gewinnstrebigkeit oder bei ungewöhnlicher Finanzierung des Unternehmens), ist hier nicht zu prüfen. 5. Die festgelegte Maximalbelastung deckt sich mit dem Ansatz, den §61 Abs. 3 des luzernischen Steuergesetzes für die Minimalsteuer vorsieht; die von der Beschwerdeführerin erhobene Minimalsteuer von Fr. 29 306.40 entspricht 2‰ des Katasterwertes (Fr. 14 653 200.--) ihrer im Kanton Luzern gelegenen Grundstücke. Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher abzuweisen.
public_law
nan
de
1,974
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
1328d865-b2cb-42fe-9a2c-8a6c11a4c003
Urteilskopf 136 II 281 26. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eheleute A. und Mitb. gegen I. AG, Baudirektion und Regierungsrat des Kantons Zug (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 1C_212/2009 / 1C_214/2009 vom 2. Juni 2010
Regeste Art. 89 Abs. 1 und Art. 111 Abs. 1 BGG ; Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG ; Art. 11 Abs. 2 USG ; Beschwerde- und Einspracheberechtigung von Anwohnern einer Deponie. Personen, die an der Zufahrtsstrasse zur Deponie wohnen und den zusätzlichen Lastwagenverkehr deutlich wahrnehmen können, sind befugt, Rechtsmittel gegen das Vorhaben zu ergreifen. Gestützt auf das Vorsorgeprinzip ist eine Erschliessungsachse zu wählen, die unter den Gesichtspunkten der Lärm- und Luftbelastung, der Verkehrssicherheit und der Rücksichtnahme auf bestehende Siedlungen zu möglichst wenig Beeinträchtigungen führt (E. 2.5.3). Der zusätzliche Lastwagenverkehr verändert die Verkehrszusammensetzung und ist deutlich wahrnehmbar, auch wenn sich der Beurteilungspegel rein rechnerisch um weniger als 1 dB(A) erhöht (E. 2.5.4).
Sachverhalt ab Seite 282 BGE 136 II 281 S. 282 Die I. AG beabsichtigt, im Gebiet Stockeri, Gemeinde Risch, eine Deponie für unverschmutztes Aushubmaterial zu errichten und zu betreiben. Zusammen mit einem Zonierungsgesuch reichte sie beim Kanton Zug ein Gesuch um Erteilung der Errichtungsbewilligung ein. Der Deponiebetrieb ist für eine Dauer von ca. acht Jahren vorgesehen. Die Ablagerung soll etappenweise erfolgen. Nach Abschluss der Deponiearbeiten soll die Fläche rekultiviert, ökologisch aufgewertet und landwirtschaftlich genutzt werden. Die von der Deponie beanspruchte Fläche liegt in der Landwirtschaftszone, welche von einer Landschaftsschutzzone überlagert wird. Im kantonalen Richtplan des Jahres 2004 wurde im Gebiet Stockeri ein Standort für eine Inertstoffdeponie (Aushubmaterial/Inertstoffe) mit einem Volumen von 700'000 m 3 festgesetzt. Der Deponiestandort befindet sich im BLN-Objekt 1309 "Zugersee" (vgl. Verordnung vom 10. August 1977 über das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung [VBLN; SR 451.11]). Während der öffentlichen Auflage des Nutzungsplanungs- und Bewilligungsprojekts gingen 121 Einsprachen ein. Mit Verfügung vom 30. September 2008 erteilte die Baudirektion des Kantons Zug die Errichtungsbewilligung für die Inertstoffdeponie. Die Bewilligung steht unter dem Vorbehalt der Rechtskraft der kantonalen Nutzungszone "Stockeri" und enthält verschiedene Auflagen und Bedingungen. Auf die Einsprachen "aus dem Raum Buonas, Risch und Seefeld (Gemeinde Risch)" trat die Baudirektion "wegen fehlendem Berührtsein und fehlendem schutzwürdigen Interesse" nicht ein. BGE 136 II 281 S. 283 Mit Beschluss vom 30. September 2008 erliess der Regierungsrat des Kantons Zug die kantonale Nutzungszone für Abfallanlagen "Stockeri". Er stellte fest, dass die geplante Deponie umweltverträglich sei. Auf zahlreiche Einsprachen aus dem Raum Buonas, Risch und Seefeld (Gemeinde Risch) trat er nicht ein. In Gutheissung von Einsprachen aus dem Raum Meierskappel sowie der Einsprache des Gemeinderats Meierskappel wies er die Baudirektion an, die Errichtungsbewilligung mit einer Auflage zu versehen, die Erschliessung der Deponie ohne Inanspruchnahme der Lendiswilerstrasse in der Gemeinde Meierskappel festzulegen. Dieser Zonierungsbeschluss wurde gleichzeitig mit der von der Baudirektion erteilten Deponiebewilligung eröffnet. Gegen die Errichtungsbewilligung für die Deponie "Stockeri" und gegen die kantonale Nutzungszone für Abfallanlagen "Stockeri" erhoben unter anderem acht Personen bzw. Eheleute aus Risch Beschwerde beim Verwaltungsbericht des Kantons Zug. Mit Urteil vom 31. März 2009 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden ab. Die Vorinstanzen hätten die Einspracheberechtigung der Beschwerdeführenden zu Recht verneint. Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts führen mehrere Personen aus der Gemeinde Risch beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie reichten zwei weitgehend identische Beschwerdeschriften ein und beantragen, es sei festzustellen, dass sie einsprache- und beschwerdelegitimiert seien. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 31. März 2009 sei aufzuheben. Am 3. Mai 2010 führte eine Delegation des Bundesgerichts einen Augenschein bei der geplanten Deponie durch. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG (SR 700) gewährleistet das kantonale Recht gegen Nutzungspläne und raumplanerische Verfügungen (z.B. Baubewilligungen gemäss Art. 22 RPG ) die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Ferner schreibt Art. 111 BGG die Einheit des Verfahrens vor: Wer zur BGE 136 II 281 S. 284 Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt ist, muss sich am Verfahren vor allen kantonalen Vorinstanzen als Partei beteiligen können ( Art. 111 Abs. 1 BGG ); die unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts muss grundsätzlich mindestens die Rügen nach den Art. 95-98 BGG prüfen können ( Art. 111 Abs. 3 BGG ). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die kantonalen Behörden die Rechtsmittelbefugnis nicht enger fassen dürfen, als dies für die Beschwerde an das Bundesgericht vorgesehen ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_379/2008 vom 12. Januar 2009 E. 3.2 mit Hinweisen). Zur Beurteilung, ob das Verwaltungsgericht die Beschwerdeführer vom Rechtsmittel ausschliessen durfte, ist im vorliegenden Fall die Beschwerdeberechtigung nach den Grundsätzen von Art. 89 Abs. 1 BGG , welche mit denjenigen des bisherigen Art. 103 lit. a OG übereinstimmen, zu prüfen. Sind die Beschwerdeführer befugt, gegen einen Sachentscheid über das umstrittene Vorhaben beim Bundesgericht Beschwerde zu führen, so müssen die Vorinstanzen auf ihr Rechtsmittel eintreten, soweit die übrigen formellen Voraussetzungen erfüllt sind. 2.2 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist nach Art. 89 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a), durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist (lit. b) und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c). Verlangt ist somit neben der formellen Beschwer, dass der Beschwerdeführer über eine spezifische Beziehungsnähe zur Streitsache verfügt und einen praktischen Nutzen aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht. Die Nähe der Beziehung zum Streitgegenstand muss bei Bauprojekten insbesondere in räumlicher Hinsicht gegeben sein. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4236 Ziff. 2.3.1.2). Die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG hängen eng zusammen. Insgesamt kann insoweit an die Grundsätze, die zur Legitimationspraxis bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 103 lit. a OG entwickelt worden sind, angeknüpft werden ( BGE 133 II 400 E. 2.2 S. 404 f. mit Hinweisen). 2.3 Die Behauptung allein, jemand sei von den Folgen einer Baubewilligung betroffen, genügt nicht, um die Beschwerdebefugnis zu begründen. Vielmehr muss aufgrund des konkreten Sachverhalts das BGE 136 II 281 S. 285 besondere Berührtsein und das schutzwürdige Interesse glaubhaft erscheinen. 2.3.1 Ein Kriterium für die Beurteilung der Beschwerdebefugnis ist die räumliche Distanz des Nachbarn zum umstrittenen Bauvorhaben, wobei es nicht auf abstrakt bestimmte Distanzwerte ankommt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_133/2008 vom 6. Juni 2008 E. 2.4 mit Hinweisen). Das Beschwerderecht wird in der Regel anerkannt, wenn der Bau oder Betrieb einer projektierten Anlage mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit zu Immissionen führt und der Beschwerdeführer durch diese - seien es Lärm-, Staub-, Erschütterungs-, Licht- oder andere Einwirkungen - betroffen wird. Sind solche Beeinträchtigungen zu erwarten, ändert auch der Umstand, dass eine grosse Anzahl von Personen betroffen ist, nichts an der Beschwerdebefugnis. So hat das Bundesgericht schon erkannt, dass bei grossflächigen Immissionen ein sehr weiter Kreis Betroffener zur Beschwerdeführung legitimiert sein kann, zum Beispiel die Anwohner eines Flughafens einschliesslich jener, die in der Verlängerung der Flugpisten wohnen (d.h. im Bereich der An- und Abflugschneisen; BGE 125 II 293 E. 3a S. 303 f.), oder all jene Personen, die von Schiesslärm betroffen sind, wenn sie den Lärm deutlich hören können und dadurch in ihrer Ruhe gestört werden ( BGE 133 II 181 E. 3.2.2 mit Hinweisen). In dicht besiedelten Gebieten kann somit grundsätzlich sehr vielen Personen die Beschwerdelegitimation zukommen, ohne dass von einer unzulässigen Popularbeschwerde gesprochen werden müsste ( BGE 121 II 171 E. 2b S. 174; BGE 121 II 176 E. 2b S. 178; BGE 120 Ib 378 E. 4d S. 388; BGE 110 Ib 99 E. 1c S. 102; Urteil des Bundesgerichts 1A.98/1994 vom 28. März 1995 E. 2b, in: ZBl 96/1995 S. 528 f.). 2.3.2 Wird die Einsprache- und Rechtsmittelbefugnis aus den Immissionen des Zubringerverkehrs abgeleitet, so müssen diese für den Beschwerdeführer deutlich wahrnehmbar sein, damit er zur Beschwerde legitimiert ist ( BGE 113 Ib 225 E. 1c S. 228 f.; BGE 110 Ib 99 E. 1c S. 102). In Grenzfällen besteht ein Beurteilungsspielraum, bei dessen Ausübung einerseits eine kaum mehr zu begrenzende Öffnung des Beschwerderechts zu vermeiden ist und andererseits die Schranken auch nicht zu eng gezogen werden dürfen, um nicht die vom Gesetzgeber gewollte Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung in Fällen, in denen der Beschwerdeführer ein aktuelles und schützenswertes Interesse besitzt, auszuschliessen ( BGE 112 Ib 154 E. 3 S. 159 mit Hinweis). Das Bundesgericht prüft die Legitimationsvoraussetzungen in einer Gesamtwürdigung anhand der im BGE 136 II 281 S. 286 konkreten Fall vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse. Es stellt nicht schematisch auf einzelne Kriterien (wie z.B. Distanz zum Vorhaben, Sichtverbindung etc.) ab. So hat das Bundesgericht die Beschwerdeberechtigung verneint in Bezug auf Personen, die in einer Entfernung von rund 250 m bis 1,7 km vom an zentraler Lage in der Innenstadt von Zürich geplanten Casinobetrieb wohnten, weil keine deutlich wahrnehmbare zusätzliche Lärmimmissionen an den bereits vorbelasteten Strassenabschnitten zu erwarten waren (Urteil des Bundesgerichts 1C_405/2008 vom 18. März 2009). In gleicher Weise wurde die Beschwerdelegitimation verneint beim Zufahrtsverkehr zu einer Kiesgrube, weil sich das Grundstück der Beschwerdeführerin in einem hinreichenden Abstand von 60 m zur Kieswerkstrasse jenseits einer Böschung sowie eines kleinen Waldsaums befand, sodass die Immissionen aus dem Kiesgrubenverkehr für sie nicht mehr deutlich wahrnehmbar waren (Urteil des Bundesgerichts 1A.77/2000 vom 7. Februar 2001 E. 2d). In Bezug auf Anwohner der Zufahrt zu einer Tongrube, in welcher eine Inertstoffdeponie eingerichtet werden sollte, bejahte das Bundesgericht die Einsprache- und Beschwerdeberechtigung (Urteil 1C_362/2008 vom 27. April 2009). Ebenfalls bejaht wurde die Legitimation bei Personen, welche ungefähr einen Kilometer vor der Einfahrt in ein Kiesgrubengelände wohnten, wenn während 40 bis 50 Jahren durchschnittlich mit 120 Hin- und Rückfahrten pro Tag zu rechnen war ( BGE 113 Ib 225 E. 1c S. 228 f.). Bei Lärmimmissionen des Verkehrs zu einem regionalen Einkaufszentrum bezeichnete das Bundesgericht die Bejahung der Legitimation bei einer Verkehrszunahme von 10 % als recht- und zweckmässig. Dabei wurde davon ausgegangen, dass eine Steigerung des durchschnittlichen täglichen Verkehrs (DTV) um 25 % zu einer Erhöhung des Verkehrslärmpegels um 1dB(A) führte und eine solche wahrgenommen werden könne (Urteil des Bundesgerichts 1A.148/2005 vom 20. Dezember 2005 E. 3.5 f., in: ZBl 107/2006 S. 609; URP 2006 S. 144). 2.4 Die Beschwerdeführer leiten ihre Einsprache- und Beschwerdeberechtigung nicht nur aus der nahen räumlichen Beziehung zum streitbetroffenen Vorhaben als solchem ab, sondern insbesondere aus der wegen des Deponieverkehrs zu erwartenden Zunahme des schweren Lastwagenverkehrs und den damit verbundenen Immissionen an den betroffenen Strassenabschnitten. Als Anwohner seien sie von der Zunahme des Lastwagenverkehrs in schutzwürdigen Interessen direkt und stärker betroffen als die Allgemeinheit und somit zur Einsprache und Ergreifung weiterer Rechtsmittel befugt. BGE 136 II 281 S. 287 Auch das Verwaltungsgericht geht davon aus, die Beschwerdeführer von Risch wohnten bezüglich der Erschliessung der geplanten Deponie an kritischen Stellen, weil die zu ihren Liegenschaften führende Kantonsstrasse bisher namentlich durch Lastwagen wenig befahren gewesen sei. Unter Berücksichtigung des Deponieprojekts sei im Jahresdurchschnitt über 365 Tage beim Stotzenacker neu mit einer Steigerung des DTV um 8.06 % zu rechnen bzw. mit einer Steigerung pro Tag von bisher 670 Fahrzeugen um 60 Lastwagen. Auf der Strecke Landhus-Stotzenacker sei eine Steigerung des DTV von 2.28 % bzw. eine Steigerung pro Tag von bisher 2'500 Fahrzeugen um 57 Lastwagen zu erwarten. Beim Stotzenacker ergebe sich eine Frequenz an 220 Betriebstagen mit je bloss 8 Betriebsstunden von täglich knapp 100 Fahrten bzw. von stündlich rund 12 Fahrten und beim Seefeld etwas weniger. Beim Strassenverkehrslärm sei die Erhöhung des Beurteilungspegels um 1 dB(A) gerade noch wahrnehmbar. Diese Zunahme entspreche einer Steigerung des durchschnittlichen täglichen Verkehrsaufkommens um rund 25 %. Der prognostizierte Mehrverkehr liege unter 10 %. 2.5 Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) weist zutreffend darauf hin, dass die vom Verwaltungsgericht genannten Erfahrungsregeln, zu welchen sich auch das Bundesgericht geäussert hat (s. E. 2.3.2), für Situationen mit gleich bleibender Verkehrszusammensetzung gelten. Beim vorliegend zu beurteilenden Deponieverkehr ändere sich auf den betroffenen Strassen die Verkehrszusammensetzung, weil ausschliesslich der Lastwagen-Anteil zunehme. Die Lärmemissionen eines Lastwagens entsprächen denjenigen von 10 bis 15 Personenwagen. Zudem ändere sich durch den erhöhten Schwerverkehrsanteil die akustische Qualität des Verkehrsgeräusches. Diese Veränderung sei wahrnehmbar, selbst wenn die Erhöhung des Beurteilungspegels unter 1 dB(A) liege. Die vom Verwaltungsgericht genannten Erfahrungsregeln seien deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht anwendbar. 2.5.1 Der bundesgerichtliche Augenschein hat gezeigt, dass die Kantonsstrasse, von welcher die Deponiezufahrt abzweigt und an welcher ein Teil der Beschwerdeführer wohnt, heute kaum von Lastwagen befahren wird. Der Schwerverkehr zwischen Rotkreuz und Küssnacht a.R. wird im Wesentlichen über die Autobahn N 4 abgewickelt. Der Deponiebetrieb hängt zu einem beträchtlichen Teil von der Lieferung des Deponieguts über die Kantonsstrasse (Küssnachterstrasse) ab. Gemäss dem Umweltverträglichkeitsbericht (Kapitel 4.3 BGE 136 II 281 S. 288 Verkehrsgrundlagen), welcher den vorinstanzlichen Entscheiden zugrunde liegt, sollten über 90 % der Anlieferungen von Süden (Autobahnausfahrt Küssnacht a.R.) her erfolgen. Die Zufahrt aus Süden war via Kantonsstrasse, die Wegfahrt via Lendiswilerstrasse vorgesehen. Die übrigen 10 % der Fahrten wären Richtung Nord über die Kantonsstrasse Holzhäusern-Risch erfolgt. Der Regierungsrat Zug entschied am 30. September 2008 im Rahmen des Rechtsmittel- und Genehmigungsverfahrens, dass die Erschliessung ohne Inanspruchnahme der Lendiswilerstrasse in Meierskappel (Gemeindestrasse) festzulegen sei, weil diese Strasse den gesetzlichen Anforderungen nicht entspreche. Nach dem genannten Entscheid des Regierungsrats muss die Deponiebetreiberin die Lieferanten verpflichten, die Deponie auf dem kürzesten Weg vom übergeordneten Verkehrsnetz anzufahren und die Wegfahrt ebenso zu gestalten. Danach würden weiterhin rund 90 % des Deponieverkehrs von bzw. nach Süden erfolgen, und zwar einzig über die Kantonsstrasse, nachdem die Lendiswilerstrasse nicht mehr zur Verfügung steht. 2.5.2 In Abweichung von diesem nach dem Umweltverträglichkeitsbericht wahrscheinlichen Verkehrsablauf spricht sich der Regierungsrat für eine Aufteilung des Lastwagenverkehrs auf drei Achsen aus: Vor dem Hintergrund, dass der Hauptanteil des Deponieguts aus dem nördlichen Teil des Einzugsgebiets stamme, wo sich rund 81 % der Bevölkerung und der Arbeitsplätze befinden, soll sich der Deponieverkehr nach Ansicht des Regierungsrats gleichmässig auf zwei Achsen von Norden und eine Achse von Süden aufteilen. Zur Verfügung stehen von Norden her ab Autobahnanschluss Rotkreuz die Route Holzhäusern-Buonas-Risch und die Route Rotkreuz-Meierskappel-Risch. Von Süden wird die Deponie ab Autobahnanschluss Küssnacht a.R. über die Kantonsstrasse Richtung Risch erreicht. Das ergäbe für jede dieser Routen einen Anteil am gesamten Lastwagenverkehr von etwa 30 % (je 7'150 Fahrten pro Jahr). Für diese Verkehrsverteilung spreche, dass der überwiegende Teil des Deponieguts aus dem Nordteil des Einzugsgebiets stamme. Für Lastwagen aus diesem Gebiet würde der Umweg von 5 km über die Autobahnausfahrt Küssnacht a.R. Mehrkosten von ca. Fr. 40.- pro Fahrt bedeuten (Schwerverkehrsabgabe und LKW-Mehrbenützung). Dies führe bei einer voraussichtlichen Betriebsdauer von acht Jahren zu Zusatzkosten von insgesamt 5,75 Mio. Franken. Es sei somit aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt, die erwähnten kürzeren Zufahrtsrouten von Norden her zu wählen. Ein Verkehrsanteil aus Süden von BGE 136 II 281 S. 289 wesentlich über 30 % erscheine somit als unwahrscheinlich. Da sich der Verkehr auf die drei beschriebenen Achsen gleichmässig verteile, sei auch keine relevante zusätzliche Belastung der Anwohner zu erwarten. 2.5.3 Diese Ausführungen des Regierungsrats im bundesgerichtlichen Verfahren sind nicht mit dem Umweltverträglichkeitsbericht, der zum Deponievorhaben ausgearbeitet wurde, vereinbar. Dieser Bericht geht von einem Verkehrsanteil von Süden her in der Grössenordnung von 90 % aus. Die Feststellungen im Umweltverträglichkeitsbericht liegen auch den vorinstanzlichen Entscheiden zugrunde, soweit sie nicht - wie hinsichtlich der Benutzung der Lendiswilerstrasse - im Laufe des Verfahrens geändert wurden. Die Darlegungen des Regierungsrats zur gleichmässigen Aufteilung des Verkehrs auf drei Achsen finden in den Projektunterlagen keine Stütze. Die Erschliessung über die Kantonsstrasse und den Autobahnanschluss Küssnacht a.R. gewährleistet im Vergleich zu den beiden anderen Achsen die direkteste und sicherste Verbindung zum übergeordneten Strassennetz. Sie führt unter den Gesichtspunkten der Lärm- und Luftbelastung, der Verkehrssicherheit und der Rücksichtnahme auf bestehende Siedlungen zu deutlich weniger Beeinträchtigungen als die anderen vom Regierungsrat genannten Erschliessungsachsen. Es ist somit im Hinblick auf das in Art. 11 Abs. 2 USG (SR 814.01) verankerte Vorsorgeprinzip bundesrechtlich geboten, den Deponieverkehr im Wesentlichen über den Autobahnanschluss Küssnacht a.R. abzuwickeln. Diese Erkenntnis liegt zu Recht auch dem Umweltverträglichkeitsbericht zugrunde. Eine gleichmässige Aufteilung der strassenmässigen Erschliessung auf drei Achsen, wovon zwei wegen ihrer Lage im Siedlungsgebiet von Meierskappel, Rotkreuz und Buonas/Risch für die Aufnahme des Deponieverkehrs nicht geeignet sind, ist mit dem Bundesumweltschutzrecht nicht vereinbar. Die Deponiebetreiberin wird deshalb im weiteren Verfahren auch verpflichtet werden müssen, die Zu- und Wegfahrten im Wesentlichen über diese Hauptachse von Küssnacht a.R. zu organisieren. 2.5.4 Der auf der Kantonsstrasse ab Autobahnausfahrt Küssnacht a.R. bis zur Abzweigung der Stockeristrasse entstehende Lastwagenverkehr erweist sich nach den zutreffenden Darlegungen des BAFU angesichts der erheblichen Veränderung der Verkehrszusammensetzung als deutlich wahrnehmbar, auch wenn die Lärmzunahme rein rechnerisch unter 1 dB(A) liegt. Dies trifft insbesondere auf die Liegenschaften Stotzenackerweg 1 und 3 zu, welche von der BGE 136 II 281 S. 290 Lärmzunahme bei der Abzweigung der Stockeristrasse am stärksten betroffen sind. Diese Liegenschaften befinden sich mit direkter Sicht- und Hörverbindung leicht erhöht oberhalb des genannten Kreuzungsbereichs, über welchen 12 Lastwagen pro Stunde die Deponie bedienen. Eine durchschnittliche Lastwagenfrequenz von 5 Minuten ist in dieser ruhigen Wohngegend zweifellos wahrnehmbar, weshalb zumindest den in den genannten Liegenschaften wohnenden beschwerdeführenden C. (Beschwerdeführerin 3) sowie Eheleuten H. (Beschwerdeführer 8) die Einsprache- und Beschwerdebefugnis nicht abgesprochen werden durfte. Die Legitimation dieser Anwohner ist sowohl für das Nutzungsplanungsverfahren als auch für das Verfahren der Errichtungsbewilligung zu bejahen. Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob auch den übrigen Beschwerdeführenden, deren Wohnhäuser etwas weiter von der Verzweigung Küssnachterstrasse/Stockeristrasse entfernt liegen, die Einsprache- und Beschwerdebefugnis zukommt.
public_law
nan
de
2,010
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
132c7b4d-d860-4f8f-ab1a-e897052fcc41
Urteilskopf 123 III 385 59. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Oktober 1997 i.S. Y. gegen Z. AG (Berufung)
Regeste Art. 28 ZGB und 28a Abs. 1 Ziffer 3 ZGB; Feststellungsanspruch bei widerrechtlicher Verletzung der Persönlichkeit durch Presseäusserungen. Presseäusserungen beispielsweise des Inhalts, ein leitender Bankangestellter habe dubiose Geschäfte betrieben, wegen persönlicher Vorteile Dritten Kredite zu Vorzugskonditionen verschafft oder sich massiv und häufig mit Geschäften an der Grenze der Legalität bereichert, stellen schwere Eingriffe in dessen Persönlichkeit dar und begründen den gesetzlichen Feststellungsanspruch des Betroffenen (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 385 BGE 123 III 385 S. 385 Im Prozess wegen widerrechtlicher Persönlichkeitsverletzung des Klägers Y. gegen die Beklagte Z. AG erkannte das Bezirksgericht, was folgt: "1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit ihren Artikeln - in der Zeitung X. vom 19. Oktober 1990 unter dem Titel: "Aktien-Skandal BGE 123 III 385 S. 386 in Bank A.", und - in der Zeitung X. vom 22. Februar 1991 unter dem Titel: "Neue Beute für Insider-Jäger", den Kläger widerrechtlich in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt hat, indem sie den Ein druck erweckte bzw. dem Kläger im einzelnen unterstellte: - er habe dubiose Geschäfte betrieben, - er habe auf Veranlassung der eidgenössischen Bankenkommission seine Anstellung als stellvertretender Direktor bei der Bank B. verlassen müssen, weil er keine Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsführung geboten habe, - die Vorfälle innerhalb der Bank seien so gravierend gewesen, dass die Behörde den Ausschluss des Klägers ultimativ verlangt habe, - er habe wegen der Bevorzugung beim Kauf der C. Aktien dem Verkäufer Q. zusätzliche Kredite zu Vorzugskonditionen verschafft, - er habe sich massiv und häufig mit Geschäften an der Grenze der Legalität bereichert, - für eine strafrechtliche Untersuchung seien zwei Tatbestände denkbar, einerseits das Insidervergehen und andererseits ungetreue Geschäftsführung, - gegen den Kläger laufe eine Strafuntersuchung wegen eventueller Betrügereien mit Titeln der Firma C." Das Bezirksgericht umschrieb ferner die Modalitäten der Veröffentlichung dieser Feststellung. Auf Berufung der Z. AG hin wies das Obergericht die Klage von Y. ab. Gleich dem Bezirksgericht bejahte es zwar, dass die beanstandeten Presseäusserungen den Kläger widerrechtlich in seiner Persönlichkeit (namentlich in der Geschäftsehre) verletzten, teilte aber die Auffassung nicht, die Widerrechtlichkeit der Verletzungen wirke sich weiterhin störend aus (Urteil vom 25. Februar 1997). Dem Bundesgericht beantragt Y., das obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen, eventuell die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Während das Obergericht auf Gegenbemerkungen verzichtet hat, schliesst die Z. AG auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht heisst Berufung und Klage teilweise gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 4. Art. 28a Abs. 1 Ziffer 3 ZGB macht die Klage auf Feststellung der Widerrechtlichkeit einer Persönlichkeitsverletzung davon abhängig, dass "sich diese weiterhin störend auswirkt". Der Kläger BGE 123 III 385 S. 387 vertritt, es reiche aus, wenn diese Störwirkung noch im Zeitpunkt der Klageeinleitung nachweisbar gewesen sei. Sodann beurteile sich jene nicht nach Massgabe des Durchschnittslesers, sondern nach dem Kreis von Lesern, bei denen das vom Kläger gezeichnete Bild haften bleibe, weil sie ihn privat oder beruflich kennen würden. Die Beklagte widerspricht dem; sie stützt sich auf die jüngste Entwicklung der bundesgerichtlichen Praxis. a) Das Bundesgericht hat erkannt, dass ein blosser Störungszustand - namentlich die mit dem Fortbestand eines Presseerzeugnisses verbundene Gefahr erneuter Wahrnehmung - zur Begründung der Feststellungsklage nicht genügt (BGE BGE 120 II 371 E. 3 S. 373; im Ergebnis gl.M. TERCIER, Le droit de la personnalité - Chronique de jurisprudence 1996, medialex 1997 S. 110 ff., S. 112). Wie beim Rechtsschutzinteresse allgemein muss auch dieses gesetzlich umschriebene Feststellungsinteresse vom Kläger dargetan werden, und es ist eine vom kantonalen Richter grundsätzlich endgültig zu beurteilende Tatfrage, welche Umstände in der konkreten Streitsache nach den Prozessvorbringen der Parteien und gegebenenfalls dem Ergebnis des Beweisverfahrens erstellt und der rechtlichen Subsumption unter den Begriff des Interesses zugrunde zu legen sind; frei zu prüfende Rechtsfrage ist dagegen, welche Umstände rechtserheblich sind und ob sie im Einzelfall ausreichen, die Klagebefugnis zu begründen (allgemein: BGE 116 II 351 E. 3b S. 355 mit Hinweis; für den Persönlichkeitsschutz: BGE 120 II 371 E. 3 S. 373/374; ebenso z.B. BGE 116 II 196 E. 2b S. 200, die Patentnichtigkeitsklage betreffend). Diesen Nachweis der Störungswirkung hat das Bundesgericht dem Kläger bei schweren Eingriffen in die Persönlichkeit abgenommen, weil von diesen nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine anhaltend störende Auswirkung der Verletzung geschlossen werden darf; ob ein solch schwerer Eingriff vorliegt, beurteilt sich aus der Sicht des Durchschnittslesers ( BGE 122 III 449 E. 2b S. 453). Im Berufungsverfahren vor Bundesgericht stellen sich bei behaupteten schweren Eingriffen insoweit nurmehr Rechtsfragen. Die Beklagte zeichnet diese Entwicklung zutreffend nach; zu präzisieren ist lediglich, dass gemäss dem letztpublizierten Urteil der Rechtsschutz nicht sogar dann eingreift, "wenn man keine Störungswirkung behauptet", sondern eben dann, wenn man keine Tatsachen beweist oder Indizien zeigt (Tatfrage), die eine anhaltende Störungswirkung zu folgern erlauben (Rechtsfrage). Bei schweren Eingriffen in die Persönlichkeit geht es somit um die Ersetzung des Nachweises BGE 123 III 385 S. 388 durch eine Vermutung, mithin um eine Frage der Beweislastumkehr und nicht um die Befreiung von der Antragsbegründung (z.B. BGE 108 II 503 E. 3 S. 506; 109 II 363 E. 2 S. 364, betreffend Widerspruchsrecht gegen die Scheidungsklage; BGE BGE 109 II 188 E. 2 S. 190 ff.; BGE 118 II 235 E. 3 S. 237 mit Hinweis, zum Verlust des Rentenanspruchs des in einem Konkubinat lebenden Berechtigten; BGE 116 II 1 für den Anspruch auf Gegendarstellung). Entgegen der Behauptung des Klägers verknüpfen daher weder das Obergericht noch das Bundesgericht den von ihm zu leistenden Nachweis, dass sich die Persönlichkeitsverletzung weiterhin ("effektiv noch oder erneut") störend auswirkt, mit dem Durchschnittsleser. Dieser Nachweis ist vielmehr mit den allgemein zulässigen Mitteln zu erbringen (vgl. BGE 120 II 371 E. 3 S. 373; Urteil vom 22. März 1996, in: medialex 1996 S. 156 E. 5, mit Angaben, was dazu nicht genügt; BGE 91 II 401 E. 4c S. 411, zum Zeugenbeweis). Der Durchschnittsleser spielt hingegen dort eine Rolle, wo es um die Vermutung andauernder Störungswirkung geht. Die Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeit, die hiefür vorausgesetzt wird, muss nach einem objektivierten Massstab bewertet werden, aus der Sicht des Durchschnittslesers also ( BGE 122 III 449 E. 2b S. 454). Das vom Bundesrecht abschliessend geregelte Rechtsschutzinteresse muss auch im Zeitpunkt des Urteils noch vorhanden sein. Das gilt allgemein ( BGE 116 II 351 E. 3c S. 355/356 mit Hinweis), aber auch für die Feststellungsklage nach Art. 28a Abs. 1 Ziffer 3 ZGB ( BGE 122 III 449 E. 2b S. 453, Abs. 2, a.E.). Eine Verletzung von Bundesrecht liegt somit nicht darin, dass das Obergericht verlangt hat, die Persönlichkeitsverletzung müsse sich "heute noch" störend auswirken. Der Einwand des Klägers, durch Zeitablauf könne diese Sachurteilsvoraussetzung entfallen, trifft zwar zu, ist aber nichts Besonderes und gehört zum Prozessrisiko (z.B. BGE 109 II 165 E. 2 S. 167, die Patentnichtigkeitsklage betreffend, wenn die Schutzdauer während des Prozesses abgelaufen und kein weiterbestehendes Feststellungsinteresse dargetan ist). Die Befürchtung des Klägers, es liege damit in der Hand der Gegenpartei, den Prozess zu trölen und derart das Andauern der Störungswirkung zu vereiteln, ist insofern unberechtigt, als die entsprechende Einrede gestützt auf das Verbot offenbaren Rechtsmissbrauchs nicht gehört werden dürfte (z.B. BGE 116 III 107 Nr. 22). Im übrigen trägt die Praxis dem Moment der Prozessdauer Rechnung, wenn es bei schweren Eingriffen in die Persönlichkeit das Feststellungsinteresse ohne Weiterungen präsumiert. Dieses Moment unterstreicht die Beklagte mit gutem Grund. BGE 123 III 385 S. 389 b) Zum Nachweis der andauernden Störungswirkung führt der Kläger an, die unmittelbarste Folge der Presseäusserungen sei seine Verhaftung durch jenen Bezirksanwalt gewesen, der im Artikel der Beklagten bereits namentlich hochgejubelt und damit aufgeputscht worden sei. Verbunden mit dieser Inhaftierung sieht er als Störungswirkung die Angst seiner Kinder. Tatsächliche Feststellungen zu diesen beiden Punkten fehlen indessen. Vor allem die klägerische Behauptung, erst aufgrund der Presseartikel habe die Bezirksanwaltschaft Untersuchungen angestellt, ist im kantonalen Verfahren bestritten geblieben. Fehlt ein Beweisergebnis dazu, müssen die Sachvorbringen des Klägers vor Bundesgericht als neu und unzulässig gelten ( BGE 116 II 196 E. 3a S. 200 mit Hinweis). Die Beklagte verweist darauf zu Recht. Auf einer zweiten Linie rückt der Kläger berufliche Beeinträchtigungen in den Vordergrund: Die wahrheitswidrige Behauptung der Beklagten, die Eidgenössische Bankenkommission habe ultimativ seine Ablösung gefordert, habe in Bankenkreisen Aufsehen erregt, was als Erfahrungstatsache nicht eigens bewiesen werden müsse. Aufgrund der Zeugeneinvernahmen stehe auch fest, dass er durch diese Publikationen "abserviert" worden sei. Blosses Aufsehen kann allerdings eine vorübergehende Erscheinung sein, und zu der hier angeblich in beruflichen Folgen liegenden Störungswirkung ist zu bemerken, dass der Kläger nach eigenen Angaben seit 1993 wieder bei einer namhaften Bank als Direktor angestellt sein soll, weshalb in Bank- und Wirtschaftskreisen anhaltende Auswirkungen der Persönlichkeitsverletzung verneint werden können. Diese dem angefochtenen Urteil entnommene Auslegung der klägerischen Prozesserklärungen ist nicht zu beanstanden. c) Die Vermutung der andauernden Störungswirkung kann hingegen nicht verneint werden. Der berichtete Skandal wird namentlich mit der Person des Klägers identifiziert. Die eingeklagten Presseäusserungen unterstellen ihm eine unlautere, ja strafrechtlich relevante Geschäftstätigkeit und lassen jegliche Ausgewogenheit vermissen. Dass der Kläger heute wieder in der angestammten Branche tätig ist, ändert nichts am negativen Eindruck als solchem, der beim Durchschnittsleser entstanden ist. Auf die zutreffenden Ausführungen der kantonalen Instanzen zu den Verletzungen des Klägers in seiner Persönlichkeit kann insgesamt verwiesen werden. Der daherige Eingriff in die Geschäftsehre eines leitenden Bankangestellten wiegt fraglos schwer (z.B. Urteil des Bundesgerichts vom 16. Februar 1937, in: SJ 60/1938 177 E. 5 S. 184, den Vorwurf der BGE 123 III 385 S. 390 Veruntreuung gegen einen Bankdirektor betreffend; zuletzt z.B. BGE 120 II 97 E. 2a S. 98, hinsichtlich der Würdigung eines Flugzeugverkaufs als Kriegsmaterialhandel). Die vom Obergericht erwähnte Klageänderung kann dabei wohl für das Publikationsbegehren ( Art. 28a Abs. 2 ZGB ) Schlüsse erlauben, aber nicht für das Feststellungsbegehren (Art. 28a Abs. 1 Ziffer 3 ZGB); die Voraussetzungen der jeweiligen Ansprüche sind auseinanderzuhalten (statt vieler: TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zürich 1984, N. 993 und N. 1003 ff. S. 135 ff.). Der Feststellungsanspruch muss unter diesen Umständen bejaht und die Klage gutgeheissen werden, nachdem die Widerrechtlichkeit der festzustellenden Persönlichkeitsverletzung unbestritten geblieben ist.
null
nan
de
1,997
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
132f55b7-9865-41d4-8b8e-aef5044c9e24
Urteilskopf 91 II 77 11. Verfügung des Präsidenten der II. Zivilabteilung vom 2. Februar 1965 i.S. H. gegen H.
Regeste Sicherstellung für eine allfällige Parteientschädigung ( Art. 150 Abs. 2 OG ). Ist die im Ausland, und zwar in einem der IÜZPR nicht beigetretenen Staate, wohnende Ehefrau im Scheidungsprozess als Berufungsklägerin auf Begehren des Ehemannes anzuhalten, eine ihm allfällig zukommende Parteientschädigung sicherzustellen?
Sachverhalt ab Seite 77 BGE 91 II 77 S. 77 Unter Hinweis auf die vom Kläger und Berufungsbeklagten im Sinne von Art. 150 Abs. 2 OG am 19. Januar 1965 gestellten folgenden Anträge: "1. Die Beklagte und Berufungsklägerin sei zu verhalten, die allfällige Parteientschädigung zugunsten des Klägers und Berufungsbeklagten im Gesamtbetrage von Fr. 1800.-- (inkl. Auslagen) sicherzustellen. BGE 91 II 77 S. 78 2. Nach fruchtlosem Ablauf der für die Sicherstellung gesetzten Frist sei auf die eingereichte Berufung vom 14.12.1964 nicht einzutreten." sowie auf die Vernehmlassung der Beklagten und Berufungsklägerin vom 28. gl. Mts., womit Abweisung des vorerwähnten Gesuches, eventuell Herabsetzung des geforderten Betrages von Fr. 1'800.-- beantragt wird, Erwägungen zieht der Präsident der II. Zivilabteilung in Erwägung: Die Beklagte, in den USA vom Ehemann getrennt lebende schweizerisch-amerikanische Doppelbürgerin, kann sich auf keine staatsrechtlichen Bestimmungen berufen, kraft deren sie von der Sicherstellung einer allfälligen Parteientschädigung im vornherein befreit wäre. Die USA sind der Haager Übereinkunft betr. Zivilprozessrecht, vom 17. Juli 1905 (BS 12 277 ff., insbes. 287), rev. am 1. März 1954 (AS 1957, 467 ff.), nicht beigetreten. Daherige Fragen stellen sich nicht (vgl. BGE 90 II 144 ff.). Das Gesuch ist somit nur unter dem Gesichtspunkt von Art. 150 Abs. 2 OG auf Grund richterlichen Ermessens zu prüfen (vgl. den zit. BGE S. 146 unten). Materiell hat die Vorinstanz schweizerisches Scheidungsrecht direkt angewendet, das Güterrecht jedoch nur als Ersatzrecht für das in Kalifornien geltende. Es besteht jedenfalls mit Bezug auf die vorsorgliche Massregel der prozessualen Sicherstellung der Parteientschädigung kein Grund, von der Berücksichtigung des schweizerischen Rechts abzuweichen. Das schweizerische Recht verpönt es z.B., dass der Ehemann seine Ehefrau im Scheidungsprozess auf das Armenrecht verweise, auch wenn ihr Verschulden geltend gemacht wird. Weder sie, noch er, haben allein für die gesamten Kosten des andern Ehegatten aufzukommen (vgl. EGGER, 2. Aufl., zu Art. 145 N. 17). Das gilt auch bei der Errungenschaftsgemeinschaft (Art. 239 f., 225 f. ZGB). Schon daraus ergäbe sich eine angemessene Herabsetzung der Sicherstellung für eine Parteientschädigung. Anderseits ist im Falle der Abweisung einer Scheidungsklage die Zwangsvollstreckung unter Ehegatten auch für die zugesprochene Parteientschädigung unzulässig ( Art. 173 ff. ZGB ; BGE 84 III 1 ff., BGE 83 III 89 ff.). Auch bei der Scheidungsklage darf der Richter, wenn er den Ehemann zur Aufbringung von BGE 91 II 77 S. 79 Parteikosten verpflichtet, seine Verfügung nicht mit der Androhung verbinden, dass mangels Erlegung die Klage von der Hand gewiesen werde (EGGER, 1. c., N. 17). Bei umgekehrten Prozessrollen muss das gleiche zugunsten der Ehefrau gelten. Es ist auch nicht einzusehen, aus welchem Grunde es nicht gleicherweise verpönt sein sollte, die Ehefrau durch Verfügungen auf Sicherstellung blosser Parteikosten des andern Ehegatten allenfalls um die Einsprache gegen das Scheidungsbegehren zu bringen. Daher könnte, wenn dem Gesuch des Klägers gemäss Art. 150 Abs. 2 OG entsprochen werden sollte, damit keinesfalls die Androhung von Art. 150 Abs. 4, wonach mangels Sicherstellung innert Frist auf die Rechtsvorkehr (hier die Berufung) nicht eingetreten würde, verbunden werden. Dann wäre aber der Kläger gleicherweise auf blosse Betreibung angewiesen, wie wenn er ein definitives, seine Scheidungsklage gutheissendes Urteil erhält. Vorliegend wäre es um so weniger gerechtfertigt, dem Gesuch um Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung zu entsprechen, als sich der Kläger sonst im Prozesse, z.B. bei der Frage der Kinderzuteilung, im Verhältnis zur Beklagten auf seine gehobene soziale Stellung beruft. Es erübrigt sich zu entscheiden, ob die Anwendung von Art. 150 Abs. 2 und bes. 4 OG im Scheidungsprozess nicht im vornherein durch Art. 145 ZGB ausgeschlossen ist. Dispositiv verfügt: Das Begehren des Klägers um Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung wird abgewiesen.
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Urteilskopf 118 II 369 73. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 16 décembre 1992 dans la cause Eglise de Scientologie de Lausanne contre Editions Sélection du Reader's Digest et Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud (recours de droit public)
Regeste Art. 87 OG ; nicht wiedergutzumachender Nachteil. Der Nachteil im Sinne dieser Bestimmung liegt in der Gefahr, dass die rechtliche Stellung des Beschwerdeführers aus der Sicht der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel beeinträchtigt wird. In einem Fall der vorliegenden Art wird das Bundesgericht bei einer Anfechtung des Sachentscheids die diesem vorangegangenen vorsorglichen Verfügungen nicht überprüfen können (E. 1). Art. 28c Abs. 3 ZGB ; Persönlichkeitsverletzung durch periodisch erscheinende Medien; Begehren um Richtigstellung auf dem Weg vorsorglicher Massnahmen. Die Richtigstellung auf dem Weg vorsorglicher Massnahmen ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Rechts auf Gegendarstellung ( Art. 28g ZGB ) nicht erfüllt sind (E. 4a). Es ist nicht willkürlich, Art. 28c Abs. 3 ZGB als auf ein Begehren anwendbar zu erklären, mit dem die Berichtigung auf dem Massnahmenweg verlangt wird (E. 4c).
Sachverhalt ab Seite 370 BGE 118 II 369 S. 370 Par requête de mesures provisionnelles du 14 septembre 1991, l'Eglise de Scientologie de Lausanne a demandé à la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois d'interdire aux Editions Sélection du Reader's Digest (ci-après: l'intimée) d'éditer et distribuer en Suisse tout ou partie d'un article déjà paru dans l'édition du 6 mai 1991 du "Time Magazine" et intitulé "Scientology, A Dangerous Cult Goes Mainstream". Elle invoquait le caractère diffamatoire et mensonger de cet article. Le juge instructeur de la cour a fait droit, en urgence, à la requête. L'intimée ayant toutefois passé outre à l'interdiction et envoyé son magazine aux abonnés suisses, la requérante a aussitôt demandé que l'intimée soit astreinte à publier un rectificatif. Par ordonnance du 25 novembre 1991, le juge a rejeté les requêtes de mesures provisionnelles de l'Eglise de Scientologie de Lausanne. BGE 118 II 369 S. 371 Celle-ci a fait appel de cette décision et maintenu sa demande de rectificatif, dont elle a précisé la teneur. Contre l'arrêt de la Cour civile du 5 mai 1992 rejetant cet appel, l'Eglise de Scientologie de Lausanne a formé un recours de droit public auprès du Tribunal fédéral. Invoquant une violation de l' art. 4 Cst. dans l'application de l' art. 28c CC , elle a conclu à l'annulation de l'arrêt attaqué. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable. Erwägungen Extrait des considérants: 1. Aux termes de l' art. 87 OJ , le recours de droit public qui a pour objet la violation du seul art. 4 Cst. n'est recevable que contre les décisions finales prises en dernière instance; il n'est recevable contre des décisions incidentes que s'il en résulte un dommage irréparable pour l'intéressé. Le Tribunal fédéral considère comme finale la décision sur mesures provisoires. Lorsqu'il laisse la question indécise, il admet qu'un dommage irréparable est à craindre si la mesure prise pour la durée d'un procès devient caduque en raison du prononcé sur le fond et ne peut être attaquée avec lui, n'en constituant dès lors pas une étape ( ATF 108 II 71 consid. 1, ATF 103 II 122 consid. 1 et les arrêts cités). Le dommage en tant que condition de recevabilité du recours de droit public diffère du préjudice en tant que condition de fond de la protection juridique provisoire: ce n'est pas une atteinte à la situation juridique matérielle du recourant, mais l'impossibilité du contrôle constitutionnel par le Tribunal fédéral; le dommage juridique nécessaire, c'est donc le risque d'une atteinte à la position juridique du justiciable quant aux voies de droit à sa disposition ( ATF 116 Ia 447 et les arrêts cités). Le Tribunal fédéral ne doit certes être saisi qu'une fois, mais seulement s'il pourra examiner avec le jugement au fond telle décision qui l'aura précédé (cf. MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zurich 1992, p. 195 et les références, spéc. note 23; HANS MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4e éd., 1979 p. 98). Tel n'est pas le cas en l'espèce, et le recours est donc en principe recevable. Au demeurant, les conditions de la mesure provisoire et celles du prononcé sur le fond ne sont pas identiques, même si le contenu de la rectification demandée ne varie pas. Les premières ne BGE 118 II 369 S. 372 sont d'ailleurs pas moins rigoureuses en tous points et le procès ouvert peut durer longtemps. 4. a) Les juridictions cantonales et les parties admettent qu'après la parution de l'article contesté la recourante a demandé au juge d'ordonner la publication d'un texte qui constitue réellement un rectificatif. En effet, le droit de réponse de l' art. 28g CC permet à la personne touchée dans sa personnalité par la présentation de faits qui la concernent d'obliger l'entreprise de médias à caractère périodique qui l'a donnée à diffuser gratuitement, par le même canal, sa propre version des faits; il doit pouvoir s'exercer, sauf refus injustifié, sans intervention judiciaire; il ne suppose pas l'illicéité de l'atteinte (PIERRE TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, p. 175 No 1295; DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, 2e éd. 1986, p. 176/177 No 680; ATF 117 II 1 et 115, ATF 115 II 113 , ATF 114 II 385 et 388, ATF 112 II 465 ; cf. aussi, parmi les décisions cantonales, SJ 1989 p. 63, RVJ 1989 p. 160). La réponse s'oppose donc à la présentation de faits, objet de la preuve, dont se distingue l'expression d'un jugement de valeur ou d'une opinion, qui reposent sur une appréciation subjective (DESCHENAUX/STEINAUER, op.cit., p. 180 nos 689/690) et ne peuvent qu'être rectifiés. Une mesure provisionnelle ne saurait être ordonnée qu'en présence d'un préjudice impossible à détourner autrement, sans quoi elle paraîtrait disproportionnée. Il s'ensuit qu'une rectification par voie de mesures provisoires n'est en principe recevable que si les conditions du droit de réponse ne sont pas remplies; elle l'est dans le cas contraire (TERCIER, op.cit., p. 175 Nos 1296 à 1298; DESCHENAUX/STEINAUER, op.cit., p. 177 no 681; ANDREAS BUCHER, Personnes physiques et protection de la personnalité, 2e éd. 1982, p. 174 No 643; cf. sous l'ancien droit les ATF 107 Ia 283 -285 et ATF 104 II 5 , lequel relève qu'une rectification ordonnée par le juge peut avoir un impact plus grand qu'une réponse du lésé). Certes, il est parfois malaisé de distinguer la présentation de faits d'une part, le jugement de valeur, la simple expression d'une opinion et le commentaire d'autre part ( ATF 114 II 387 /388 et les références). Mais tel n'est pas le cas en l'espèce, de l'avis des juridictions cantonales et des parties (du moins devant le Tribunal fédéral pour l'intimée), qui admettent aussi la périodicité de l'entreprise de médias. La recourante, en revanche, conteste que l' art. 28c al. 3 CC soit applicable. b) Cet argument est nouveau. Le juge instructeur déjà, en termes exprès et clairs, avait fondé sa décision sur l' art. 28c al. 1 et 3 CC . BGE 118 II 369 S. 373 Dans son mémoire d'appel, la recourante s'est placée sur le même terrain. Exerçant son droit à la rectification à l'encontre d'une entreprise de médias à caractère périodique, elle y prétend que la mesure n'est "pas disproportionnée" par rapport à la "gravité incontestable" du préjudice causé et qu'elle est habilitée à intervenir immédiatement dans le cadre d'une action en "cessation de trouble": toutes expressions qui se réfèrent à l'al. 3, dont l'applicabilité n'est pas discutée (ce qui a conduit l'intimée à l'appel à se borner à rappeler que la cause relevait de l' art. 28c al. 3 CC uniquement). Nouveau, l'argument du recours de droit public sur ce point est donc irrecevable. c) Fût-il recevable, qu'il serait mal fondé, du moins dans une procédure de mesures provisionnelles examinée céans sous le seul angle de l'arbitraire. Lesdites mesures doivent avoir un lien avec la procédure au fond, dont elles sont l'accessoire (OSCAR VOGEL, Probleme des vorsorglichen Rechtsschutzes, RSJ 1980 p. 93). Il convient donc d'interpréter l' art. 28c al. 3 CC dans le cadre, non seulement des deux premiers alinéas, mais aussi de l' art. 28a CC . Au reste, les expressions utilisées imposent ces références. Selon l' art. 28c al. 3 CC , le juge ne peut interdire ou faire cesser à titre provisionnel une atteinte portée par les médias à caractère périodique que si elle est propre à causer un préjudice particulièrement grave, si sa justification ne semble manifestement pas donnée et si la mesure ne paraît pas disproportionnée: ces trois conditions sont cumulatives. Les deux mesures prévues s'inscrivent dans le cadre de l'al. 2, où elles sont mentionnées à titre d'exemples ("notamment"). Il s'agit de savoir si elles comprennent la "rectification" ("Berichtigung", "rettificazione"). Selon l' art. 28a CC , le demandeur dispose de trois actions défensives (al. 1) et de prétentions en réparation (al. 3). Il peut requérir le juge d'interdire une atteinte illicite si elle est imminente (tel n'était plus le cas en l'espèce après la publication de l'article malgré l'interdiction urgente), de la faire cesser si elle dure encore, enfin d'en constater le caractère illicite si le trouble qu'elle a créé subsiste. L'al. 2 de la disposition en déduit "en particulier" la possibilité de publier ou communiquer à des tiers une rectification. La rectification est donc une modalité des conclusions que peut prendre le demandeur, en relation avec chacune des trois actions défensives, mais plus spécialement - comme avant la révision - un moyen approprié de faire cesser l'atteinte (Message du CF, FF 1982 II 686; TERCIER, op.cit., p. 136 Nos 999 et 1000; DESCHENAUX/STEINAUER, op.cit., p. 155 No 601 et p. 175 No 676; OLIVIER RODONDI, BGE 118 II 369 S. 374 Le droit de réponse dans les médias, thèse Lausanne 1991, p. 43/44). Elle peut même assumer une fonction réparatrice (PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 3e éd. 1989, p. 156). C'est une mise au point en vue de réduire, voire supprimer, le trouble laissé par un article auprès des destinataires, une atteinte qui existe toujours et doit être écartée, le cas échéant, le plus rapidement possible. Ce moyen de défense était déjà admis sous l'ancien droit ( ATF 106 II 101 consid. 4, ATF 104 II 2 /3, ATF 103 II 166 , ATF 100 II 180 consid. 6 et les arrêts cités). Il le fut déjà au titre d'une mesure provisoire destinée à faire cesser l'atteinte ( ATF 107 Ia 277 ss, spéc. p. 282 ss; cf. RSJ 1988 p. 421 No 69 et ZR 1988 p. 26 No 10 et p. 203 No 90). En l'absence d'un droit de réponse institué par le droit cantonal, l' art. 28 CC autorisait qu'une rectification immédiate fût ordonnée, lorsque c'est le seul moyen de limiter le dommage causé par une atteinte vraisemblablement illicite aux intérêts personnels du lésé (ATF précité p. 283 consid. c/aa; cf. PETER JÄGGI, Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, RDS 1960 p. 255a; MAX KUMMER, Der zivilprozessrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechtes, RJB 1967 p. 111; HANS MICHAEL RIEMER, Persönlichkeitsschutz und Presse, in Die Verantwortlichkeit im Recht, I Zurich 1981, p. 233; PIERRE ENGEL, Protection de la personnalité, 1985, p. 17). Il n'est pas insoutenable de maintenir cette jurisprudence, appuyée par la doctrine, dans le nouveau droit (cf. BUCHER, loc.cit.). En effet, les art. 28a al. 1 et 28c al. 2 usent des mêmes termes: faire cesser l'atteinte qui subsiste, et la seconde disposition contient une énumération non exhaustive des mesures à prendre. Pour la même raison de texte, jointe à l'interprétation de l' art. 28a al. 2 CC , l'on ne saurait taxer d'arbitraire l'opinion des juridictions cantonales qui ont admis l'applicabilité de l' art. 28c al. 3 CC à la demande de rectification par voie de mesures provisionnelles (cf. TERCIER, op.cit., p. 155 No 1151, p. 157 No 1167, p. 175 Nos 1294 et 1298; DESCHENAUX/STEINAUER, op.cit., p. 177 No 681: si le droit de réponse n'est pas donné, parce qu'il ne s'agit pas seulement de faits; BUCHER, loc.cit.). Il n'est certes pas incompréhensible que l'on veuille restreindre l'application de la disposition en jeu au stade de la recherche des informations, puis de leur diffusion. Si la note 1151 de TERCIER n'est pas parfaitement claire, car l'auteur évoque aussi la cessation de l'atteinte et rappelle la relation rectification/droit de réponse, il est assez manifeste que le message du Conseil fédéral entendait surtout éviter la censure judiciaire (FF 1982 II 690/691). BGE 118 II 369 S. 375 Mais s'il existe un doute, voire une interprétation préférable contre le texte apparemment large de la loi, celle des juridictions vaudoises n'en devient pas pour autant arbitraire (cf. ATF 117 Ia 106 consid. b, 122 consid. 1b, 139 consid. c et les arrêts cités). Au demeurant, la cour de céans a constaté que, dans la genèse de la révision de la loi, on a admis tant la voie des mesures provisionnelles que l'application de l' art. 28c al. 3 CC ( ATF 117 II 117 /118).
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Urteilskopf 91 I 295 47. Urteil vom 12. März 1965 i.S. Schüder und Konsorten gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.
Regeste 1. Art. 2 GSchG . Zu den zulässigen vorbeugenden Massnahmen gehören auch die Erhebungen zur Feststellung von Verunreinigungen (Erw. 2). 2. Art. 12 GSchG . Begriff der Ersatzvornahme. Auch die unmittelbare Ersatzvornahme ist durch diese Bestimmung gedeckt (Erw. 3a). Als Pflichtiger erscheint der Störer (Erw. 3b). 3. Kostenersatz bei Sondierbohrungen, die durch einen lecken Öltank verursacht wurden (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 296 BGE 91 I 295 S. 296 A.- Martin Schüder, Hans Grämiger und Frau Eisen liessen als Eigentümer der - in Winterthur gelegenen - Liegenschaften Marktgasse 12, 14 und 16 während des Frühjahres 1962 gemeinsam einen Behälter für Heizöl bauen. Auf Rat der von ihnen beigezogenen Architektin entschieden sie sich für einen mit Kunststoff ausgekleideten Betontank. Die Anlage entsprach den Weisungen des städtischen Tiefbauamtes und der Feuerpolizei, welche den Tank besichtigte und zur Benutzung freigab. Am 29. August 1962 liessen die beteiligten Grundeigentümer 11'800 Liter Heizöl in den Tank einfüllen. Obwohl nur während kurzer Zeit geheizt wurde, enthielt der Behälter Ende Oktober bloss noch rund 1800 Liter Öl. Daraus musste geschlossen werden, dass ungefähr 10'000 Liter Öl unbemerkt im Untergrund versickert sind. Die Grundeigentümer benachrichtigten die städtische Wasserversorgung und die Stadtpolizei, die unter Beizug von Fachleuten am 29. Oktober 1962 einen Augenschein vornahmen. Da der Tank über dem Eulachgrundwasserstrom liegt, welcher der Wasserversorgung Winterthur dient, verfügte die kantonale Baudirektion am 3. Dezember 1962 gestützt auf Art. 2 und 12 des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (GSchG): "I. Die zur Feststellung und Behebung der Grundwasserverunreinigung durch Heizöl infolge Auslaufens des Öltanks der Liegenschaften Marktgasse 12, 14 und 16, Winterthur, im Sinne der Erwägungen erforderlichen Massnahmen werden von Amtes wegen durchgeführt. Die Wasserversorgung der Stadt Winterthur wird mit dem Vollzug beauftragt. Die Kosten dieser Massnahmen werden den Eigentümern der genannten Liegenschaften unter solidarischer Haftung eines jeden für das ganze Betreffnis auferlegt. II. Die Anordnung von weiteren Massnahmen zur Behebung der Verunreinigung bleibt vorbehalten. III. Den Eigentümern des Öltanks im Hause Marktgasse 14 in Winterthur wird dessen Wiedereinfüllung untersagt, bis der Wasserversorgung der Stadt Winterthur gegenüber der Nachweis erbracht ist, dass sowohl der Tank wie auch dessen Kontrollschacht und die Ableitung in die städtische Kanalisation vollständig dicht sind." Nach den Erwägungen der Verfügung hatte ein Geologe empfohlen, in der Gegend des Stadtgartens drei Schächte für Beobachtungsrohre zu graben. Einem allfälligen Rekurs wurde überdies aufschiebende Wirkung entzogen. BGE 91 I 295 S. 297 Vom Dezember 1962 bis März 1963 erstellte die Firma Lutz unter Leitung der Wasserversorgung der Stadt Winterthur vier Beobachtungsrohre, die bis in eine Tiefe von ungefähr 26 m reichten. Die Rechnung der Firma Lutz vom 19. März 1963 machte Fr. 13'893.35 aus. Die Wasserversorgung Winterthur entnahm den Beobachtungsrohren Wasserproben, die durch den Stadtchemiker von Zürich untersucht wurden. Die Ergebnisse liessen nicht eindeutig auf Ölspuren schliessen. B.- Gegen die Verfügung der Baudirektion rekurrierten die drei Grundeigentümer an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Der Regierungsrat wies am 4. Juli 1963 den Rekurs ab und bestätigte die angefochtene Verfügung. Der Begründung ist zu entnehmen: Art. 2 GSchG verpflichte die zuständigen Behörden, Vorkehren gegen Gewässerverunreinigungen zu treffen. Dazu gehörten vorsorgliche Massnahmen zur Verhinderung drohender oder möglicher Schädigungen. Art. 12 GSchG stelle es den Kantonen anheim, die notwendigen Massnahmen auf Kosten der Pflichtigen selbst zu besorgen. Kostenpflichtig sei der Störer im Sinne des Polizeirechtes, hier der Grundeigentümer, der den polizeiwidrigen Zustand verursacht habe. Die Kostenersatzpflicht sei im öffentlichen Recht verankert, nicht im Bundesprivatrecht, das die Schadenersatzpflicht nach eingetretener Schädigung ordne. Die Anordnung gewässerpolizeilicher Massnahmen und die diesbezügliche Kostenauflage seien Sache der Verwaltungsbehörden. Ausgelaufenes Öl könne je nach der Beschaffenheit des Bodens auch tiefliegendes Grundwasser früher oder später verunreinigen. Das Verschwinden des Öls habe demnach eine bedrohliche Lage geschaffen. Durch die Bohrungen sei eine umfassende Beobachtung des gefährdeten Gebietes ermöglicht worden. Man habe nicht abwarten dürfen, bis sich das Öl in den bestehenden Pumpstationen bemerkbar mache. Die Tankanlage sei mangelhaft gewesen; der dichtende Kunststoff im Innern des Tanks sei fehlerhaft angebracht worden. Es sei mit Kosten von ungefähr Fr. 15'500.-- zu rechnen. C.- Gegen diesen Entscheid haben die Eigentümer des Tankes eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde einerseits beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich und anderseits beim Bundesgericht eingereicht. 1. Mit Entscheid vom 14. November 1963 trat das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich auf die Beschwerde nicht BGE 91 I 295 S. 298 ein, weil sich die Vorinstanz sowohl zur Rechtfertigung der Kontrollmassnahmen als auch zur Begründung der Kostenauflage auf eidgenössisches Recht, nämlich Art. 2 und 12 GSchG gestützt habe. Eine Polizeiverfügung, die in Anwendung des Gewässerschutzgesetzes ergangen sei, könne gemäss Art. 14 GSchG durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde in allen Teilen an das Bundesgericht gezogen werden. Dies schliesse die Zuständigkeit des zürcherischen Verwaltungsrichters aus (vgl. Rechenschaftsbericht des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich 1963, S. 34/35). 2. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht beantragen die Eigentümer des Tankes die Aufhebung des angefochtenen Regierungsratsbeschlusses bzw. der Verfügung der Direktion der öffentlichen Bauten. Sie machen zur Hauptsache geltend, dem Bundesgesetz über den Gewässerschutz sei eine Generalklausel, welche die Gewässerverunreinigung überhaupt verbiete, fremd. Im vorliegenden Falle fehle indessen ein konkretisierender Verwaltungsakt. Treffe die Beschwerdeführer keine Leistungspflicht, so bestehe für die Verwaltungsstelle auch keine Möglichkeit einer Ersatzvornahme, wie sie die klassische Lehre verstehe. Seien die getroffenen Massnahmen nicht als Ersatzvornahmen zu betrachten, so handle es sich um Realakte. Ohne gesetzliche Grundlage sei es nicht zulässig, - wie vorliegend geschehen - eine Abgabe an einen Realakt zu knüpfen. Die angeordneten und ausgeführten Massnahmen seien überdies weder notwendig noch zweckmässig gewesen; es sei stossend, mit deren Kosten die Grundeigentümer, die kein Verschulden treffe, zu belasten. D.- Der Regierungsrat beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Er berichtigt mehrere tatbeständliche Ausführungen und hält im übrigen am Entscheid vom 4. Juli 1963 fest. E.- Das Eidg. Departement des Innern, dem die Akten zur Stellungnahme unterbreitet wurden, bezweifelt, ob den Beschwerdeführern auf Grund des Art. 12 GSchG Kosten von Kontrollmassnahmen auferlegt werden können. Voraussetzung für die Anwendung des Art. 12 sei das Bestehen einer gesetzlichen oder auf eine gesetzmässige Anordnung sich stützenden Pflicht des Betroffenen. Man könne sich fragen, ob für die Beschwerdeführer eine öffentlichrechtliche Verpflichtung bestanden habe, die ausserhalb ihres Grundstückes angeordneten Bohrungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. BGE 91 I 295 S. 299 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführer beantragen, die vom Regierungsrat bestätigte Verfügung der kantonalen Baudirektion aufzuheben. Ziff. II der Verfügung, welche die Anordnung weiterer Massnahmen vorbehält, belastet die Beschwerdeführer, zumindest einstweilen, nicht; es steht ihnen daher nicht zu, dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben. Gegen die in Ziff. III der Verfügung enthaltene Weisung, den Tank bis zur Behebung der Mängel nicht aufzufüllen, haben sie nichts vorgebracht. Sie haben diese Weisung befolgt. Es ist daher anzunehmen, dass sie Ziff. III der Verfügung anerkennen. Wäre dem nicht so, so würde der Beschwerde insofern die gemäss Art. 90 in Verbindung mit Art. 107 OG erforderliche Begründung fehlen, weshalb nicht darauf einzutreten wäre. Die Sätze 1 und 2 in Ziff. I der Verfügung treffen die Beschwerdeführer nicht unmittelbar, weil die darin angeordneten Massnahmen nicht von ihnen zu vollziehen sind und nicht auf ihrem Boden erfolgen; sie werden jedoch mittelbar dadurch belastet, indem Ziff. I Satz 3 ihnen die Kosten der Vorkehrungen auferlegt. Zwar beziffert der Entscheid die Höhe der Kosten nicht; dem Grundsatze nach wird aber die Kostentragungspflicht der Beschwerdeführer endgültig festgelegt. Es handelt sich insofern nicht um eine blosse Zwischenverfügung, gegen welche die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht gegeben ist (Birchmeier, Handbuch, S. 418 unten), sondern um einen anfechtbaren Entscheid. Die Beschwerdeführer, die durch die Feststellung der Kostentragungspflicht belastet werden, sind befugt, sich mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen zur Wehr zu setzen. Da mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur die Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden kann ( Art. 104 Abs. 1 OG ), ist auf die Rüge der Verletzung von § 31 Abs. 1 des zürcherischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes nicht einzutreten. 2. Gemäss Art. 2 GSchG haben die zuständigen Behörden die Massnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, damit Grundwasser als Trinkwasser verwendet werden kann. Das Bundesgericht hat in BGE 84 I 156 und BGE 86 I 195 erkannt, dass die Behörde gestützt auf diese Bestimmung Vorkehren vorbeugender und repressiver Natur anordnen kann. Zu den vorbeugenden Massnahmen gehören auch Erhebungen zur Feststellung von Verunreinigungen. BGE 91 I 295 S. 300 Wie die Erfahrung zeigt, genügen schon geringe Mengen versickerten Öls, um Grundwasser derart zu verschlechtern, dass es nicht mehr den Anforderungen genügt, die gemäss dem Lebensmittelbuch an Trinkwasser zu stellen sind. Bestehen Anhaltspunkte für ein Versickern von Öl, so muss deshalb unverzüglich untersucht werden, welchen Weg dieses genommen hat, um soweit möglich zu verhindern, dass es ins Grundwasser gelange, und um eine nicht mehr vermeidbare Verschmutzung möglichst einzuschränken. Die Behörde ist auf Grund des Art. 2 GSchG nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, alle darauf abzielenden Massnahmen einzuleiten. 3. Wer die Auslagen dieser Vorkehren zu tragen hat, sagt Art. 2 GSchG nicht. Der Regierungsrat sieht aber in Art. 12 GSchG , wonach die Kantone die zwangsweise Durchführung der von ihnen verlangten Massnahmen verfügen oder nötigenfalls auf Kosten der Pflichtigen selber besorgen, eine Handhabe, um die Heizgemeinschaft Schüder mit den Aufwendungen für die Abklärungsmassnahmen zu belasten. Die Beschwerdeführer bestreiten dies mit der Behauptung, Art. 12 GSchG regle allein die Ersatzvornahme im klassischen Sinne. Daher hätte den von der öffentlichen Hand unmittelbar angeordneten und ausgeführten Sondierbohrungen eine Androhung und Fristansetzung vorausgehen müssen. Da es an der genannten Verfahrenseinleitung fehle, komme ein Kostenersatz nicht in Frage. Der Regierungsrat dagegen hält dafür, dass Art. 12 GSchG nicht nur die Ersatzvornahme im herkömmlichen Sinne ordne. Vielmehr sei durch dessen Wortlaut auch die unmittelbare Ersatzvornahme gedeckt. Daher seien die Behörden ermächtigt, ohne die Pflichtigen vorgängig zu einem Handeln auffordern zu müssen, die notwendigen Vorkehren selbst auszuführen und unmittelbar eine öffentlichrechtliche Geldleistungspflicht derselben zu begründen. Es ist somit zu prüfen, welcher Sinn dem Begriff "Ersatzvornahme" im Rahmen von Art. 12 GSchG zukommt und wer als Pflichtiger erscheint. a) Nach der herkömmlichen Lehre besteht die Ersatzvornahme darin, dass die vom Pflichtigen rechtswidrig verweigerte, vertretbare Leistung im Auftrag des Staates von einem Dritten oder von einer amtlichen Stelle auf Kosten des Pflichtigen vorgenommen wird (FLEINER, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechtes, 8. Aufl., S. 220/21; GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechtes I, S. 567; BGE 91 I 295 S. 301 IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 2. Aufl., S. 258). Der Ersatzvornahme geht in der Regel eine Androhung und Fristsetzung voraus (RUCK, Schweizerisches Verwaltungsrecht I, 3. Aufl., S. 131). SCHINDLER vertritt nun die Ansicht (Rechtsfragen des Gewässerschutzes in der Schweiz, ZSR 1965 II S. 489/90), allein die Ersatzvornahme im obigen Sinne könne Art. 12 GSchG zugrunde liegen. Er beruft sich auf die Botschaft des Bundesrates (BBl 1954 I 343), wo ausgeführt ist, dass es in Wirklichkeit ausserordentlich schwer halte, eine Ersatzvornahme durchzuführen, und dass deshalb diese Bestimmung nur ganz ausnahmsweise zur Anwendung gelangen dürfte. Indessen lässt schon die Tatsache, dass der Gesetzgeber für Art. 12 GSchG den Randtitel "Zwangsmassnahmen" - somit den weiteren Begriff als Ersatzvornahme - gewählt hat, an der Richtigkeit dieser Auffassung zweifeln. RUCK (a.a.O., S. 131) nimmt zudem von der üblichen Verfahrenseinleitung den Fall der drohenden Gefahr aus. Ferner fällt ins Gewicht, dass im neueren Schrifttum der Begriff der Ersatzvornahme verfeinert umschrieben worden ist. So sagt MERK (Deutsches Verwaltungsrecht, Band I, 1961, S. 961): "Die Ersatzvornahme muss, abgesehen von dem Falle der unmittelbaren Ausführung - wie bei Gefahr im Verzug - ... vorher angedroht werden ..." DREWS-WACKE (Allgemeines Polizeirecht, 7. Aufl., 1961, S. 299) vertreten die nämliche Ansicht. So führen sie aus, gewisse polizeiliche Massnahmen müssten ihrer zeitlichen oder sachlichen Notwendigkeit wegen unmittelbar von der Behörde ausgeführt werden. Bei der unmittelbaren Ausführung fasse die Behörde gewissermassen die sachliche Verfügung, die Androhung, sowie die Festsetzung und Ausführung des Zwangsmittels in einen einzigen Akt zusammen. Die unmittelbare oder sofortige Ausführung werde allenfalls durch den unmittelbaren Zwang durchgesetzt. Sie könne aber auch in anderer Form vollzogen werden. Stosse die Polizei- oder Ordnungsbehörde beispielsweise auf ein offensichtlich baufälliges Haus, so sei sie ermächtigt, auch ohne vorherige Benachrichtigung des Eigentümers die Schäden durch einen sogleich von ihr beauftragten Unternehmer beseitigen zu lassen. Dies aber sei Ersatzvornahme. Der Unterschied zwischen diesen beiden Formen der unmittelbaren Ausführung sei wichtig, weil bei der Ausführung durch unmittelbaren Zwang die entstehenden Kosten Polizeikosten seien, bei der Ersatzvornahme aber vom Verpflichteten eingezogen BGE 91 I 295 S. 302 werden können. Unter Bezugnahme auf DREWS-WACKE hat zudem das Oberverwaltungsgericht Münster am 3. Oktober 1963 (vgl. Deutsches Verwaltungsblatt 1964, S. 684) entschieden, dass es zulässig sei, die durch das Ausfliessen von Öl erforderlich gewordenen Abwehrmassnahmen dem Tankwagenhalter nicht durch Ordnungsverfügung aufzuerlegen, sondern durch das betroffene Gemeinwesen unmittelbar auszuführen. Unerlässlich sei in solchen Fällen, dass die Massnahmen zur Abwendung der Gefahr für das Grundwasser dringlich seien und alle anderen Möglichkeiten der Gefahrenbeseitigung durch Erlass einer Ordnungsverfügung nicht in Betracht kämen. Diese Erweiterung des herkömmlichen Begriffes der Ersatzvornahme hat ihre guten Gründe. Es ist in der Tat nicht einzusehen, weshalb das Gemeinwesen die Pflichtigen - nach Erlass einer Verfügung - auffordern sollte, dringliche Massnahmen des Gewässerschutzes zu treffen, ihnen beim Ausbleiben die Vornahme durch einen Dritten anzudrohen und gar eine Nachfrist anzusetzen, wenn zum vorneherein feststeht, dass den Betroffenen die rechtlichen und technischen Mittel fehlen, um den behördlichen Anordnungen nachzukommen. Es muss daher dem Gemeinwesen in einem so gelagerten Falle zustehen, Massnahmen, die eine Gefahrenquelle für Trinkwasser feststellen lassen, unmittelbar anzuordnen und auszuführen, ohne den Anspruch auf Kostenersatz zu verlieren. Eine solche Auslegung hält sich im Rahmen von Art. 12 GSchG : nach dessen Wortlaut ist es den Behörden gestattet, Massnahmen zum Schutz der Gewässer "nötigenfalls auf Kosten der Pflichtigen selber zu besorgen". b) Weiter ist zu prüfen, wer gemäss Art. 12 GSchG als Pflichtiger die Kosten der von den Behörden unmittelbar ausgeführten Massnahmen zu tragen hat. Wenn es eine Störung oder Gefahr zu beheben gilt, so hat sich die Behörde einem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz zufolge an den Störer zu halten (vgl. BGE 87 I 113 /14, BGE 90 I 4 Erw. 1). Als Störer ist zu betrachten, wer die Störung oder Gefahr verursacht hat, aber auch, wer über die Personen und Sachen, die den ordnungswidrigen Zustand geschaffen haben, Gewalt hat. Dabei kommt nichts darauf an, ob der Inhaber der Gewalt privatrechtlich für die entstandenen Schäden hafte und ob ihn ein Verschulden treffe (FLEINER, Kausalitätsprobleme im Verwaltungsrecht, in Festschrift für Heinrich Zangger, S. 496 ff.; MÜLLER, Über BGE 91 I 295 S. 303 Präventivpolizei, S. 102; VOIGT, Der liberale Polizeibegriff und seine Schranken in der bundesgerichtlichen Judikatur, S. 67; JELLINEK, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 442; TUREGG-KRAUS, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 4. Aufl., S. 450; PETERS, Lehrbuch der Verwaltung, S. 382; DREWS-WACKE, a.a.O., S. 207, 217 ff., 231 ff.). Nach Art. 12 GSchG ist demnach der Störer verpflichtet, die durch das unmittelbare Tätigwerden der Behörde entstandenen Kosten, die eine öffentlich-rechtliche Schuldpflicht darstellen, zu tragen. 4. Geht man hievon aus, so war die kantonale Baudirektion ermächtigt und verpflichtet, die Kontrollmassnahmen zum Schutze des Eulachgrundwassers unmittelbar anzuordnen und auszuführen. Die Tankanlage der Beschwerdeführer, die bestimmungsgemäss mit Heizöl gefüllt worden ist, hat wegen ihres Ungenügens eine ernste Gefahr für die aus dem Grundwasser gespeiste Trinkwasserversorgung der Stadt Winterthur geschaffen. Die Heizgemeinschaft Schüder war somit Störer der gewässerpolizeilichen Ordnung. Die Beschwerdeführer verfügten weder über die technischen noch die rechtlichen Mittel, um in der Gegend des Stadtgartens innert nützlicher Frist Bohrungen vorzunehmen. Sie haben daher den mit der Wahrung dieser Ordnung betrauten Behörden grundsätzlich die Kosten zu ersetzen, die diesen aus den unmittelbar ausgeführten Sondierbohrungen erwachsen sind. Da im vorliegenden Fall weder ein zivilrechtliches noch ein strafrechtliches Verschulden in Frage steht und das Verwaltungsrecht keine dem Art. 55 OR entsprechende Entlastungsmöglichkeit kennt, kann nichts darauf ankommen, dass die Beschwerdeführer die Tankanlage nach den Anweisungen einer Architektin erstellen liessen und dass die Behörden die Tankanlage abgenommen haben. Unerheblich ist auch, dass sie für die entstandenen Kosten nicht versichert sind. Um einen unversicherbaren Schaden handelt es sich übrigens nicht. Wie aus dem von den Beschwerdeführern angerufenen Aufsatz von Portmann ("Gefahren aus dem Transport und der Lagerung von Mineralölen - Versicherungsmöglichkeiten" in "Schweizer Energie-Konsument" 15. Februar 1963) hervorgeht, sind einzelne Haftpflichtversicherer dazu übergegangen, auch die Kosten von Schadenverhütungsmassnahmen zu decken. 5. Der angefochtene Entscheid legt die Höhe der Kosten, die von den Beschwerdeführern zu tragen sind, nicht fest. BGE 91 I 295 S. 304 Hierüber wird vielmehr eine neue Verfügung ergehen. Die kantonalen Instanzen werden sich bei deren Erlass davon leiten lassen, dass dem Störer nur die Kosten der notwendigen und zweckmässigen Massnahmen zur Behebung der Störung oder Gefahr auferlegt werden können. Mit den Einwendungen, welche die Beschwerdeführer in dieser Hinsicht erheben, werden sich somit zunächst die kantonalen Behörden zu befassen haben. Sie sind nach den Verhältnissen zu beurteilen, wie sie sich den zuständigen Behörden bei Bekanntwerden des Unfalles boten. Gegen ihren Entscheid steht den Beschwerdeführern wiederum die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen, worin sie die Frage der Notwendigkeit und Zweckmässigkeit der getroffenen Vorkehren erneut aufwerfen können ( Art. 14 GSchG ). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, im Sinne der Erwägungen abgewiesen.
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Urteilskopf 81 II 112 20. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. April 1955 i.S. Tirenga Treu-Unternehmen gegen Immo-Hyp-Propria A.-G. in Nachlassliq.
Regeste "Verpfändung" eines Namensschuldbriefes durch einen nichtverfügungsberechtigten Nichteigentümer: Die Verpfändung ohne Indossament mittelst Ausstellung einer Verpfändungserklärung ( Art. 901 Abs. 2 ZGB ) verschafft dem Pfandnehmer auch bei gutem Glauben nicht mehr Rechte, als der Pfandgeber selbst am Titel hatte. Für Übertragung des Namensschuldbriefes (zu Eigentum) gemäss Art. 869 Abs. 2 genügt - im Gegensatz zur Verpfändung nach Art. 901 Abs. 2 - ein Blankoindossament nicht. Dass der den Schuldbrief im eigenen Namen und als Eigentümer Verpfändende, falls er dies nicht war, vom Eigentümer zur Verpfändung sonstwie ermachtigt gewesen sei, hätte der Pfandansprecher zu beweisen.
Sachverhalt ab Seite 113 BGE 81 II 112 S. 113 Im Verfahren über den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung der Immo-Hyp-Propria A.-G. in Nachlassliquidation meldete das Tirenga Treu-Unternehmen reg. in Vaduz eine Forderung von Fr. 150'000.-- zur Kollokation an sowie ein Pfandrecht dafür am Namensschuldbrief per Fr. 80'000.-- dat. 1. September 1945, lastend auf Liegenschaft Rotwandstrasse 52, Zürich 4. Die Liquidatoren anerkannten die Forderung, nicht aber das Pfandrecht, weil es nicht rechtsgültig bestellt worden sei, und setzten der Ansprecherin Frist zur Anfechtung des Kollokationsplanes nach Art. 250 SchKG . Die Ansprecherin stellte fristgerecht beim Einzelrichter im beschleunigten Verfahren des Bezirksgerichts Zürich das Rechtsbegehren auf Anerkennung des Pfandrechts am Schuldbrief. Beide Vorinstanzen haben das Bestehen eines Pfandrechtes verneint und die Klage abgewiesen. Mit der vorliegenden Berufung hält die Klägerin an ihrem Begehren fest. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1./3. - (Streitwert, formellrechtliche Anträge). 4. Materiell hat eine Gutheissung der Klage zur Voraussetzung, dass der fragliche Namensschuldbrief der Klägerin rechtsgültig verpfändet worden ist. Zu dieser Frage ergibt sich zunächst in tatsächlicher Hinsicht aus den Akten und den Feststellungen der Vorinstanz folgendes: a) Gemäss dem Kaufvertrag vom 18. Oktober 1949 zwischen der Immo-Aktiengesellschaft und der Immo-Hyp-Propria AG über die Liegenschaft Rotwandstrasse 52 in Zürich 4 war damals die Käuferin, d.h. die heutige Beklagte, Eigentümerin des Schuldbriefes. Sie bezahlte Fr. 80.,000.-- an den Kaufpreis durch Verrechnung ihres BGE 81 II 112 S. 114 Guthabens gegenüber der Verkäuferin "laut dem ihr gehörenden Namenschuldbrief". b) Die Verpfändung dieses Schuldbriefes an die heutige Klägerin erfolgte einige Tage später, am 1. November 1949 durch Edwin Gloor, der beim Abschluss des Kaufvertrags vom 18. Oktober 1949 sowohl die Verkäuferin als die Käuferin vertreten hatte, da er in beiden Firmen einzelzeichnungsberechtigter Verwaltungsrat war. In der Verpfändungserklärung vom 1. November 1949 bezeichnete Gloor sich selbst als Eigentümer des Schuldbriefes und fügte der Beschreibung des Titels bei: "blanco cediert". Der Schuldbrief seinerseits enthält unter der Rubrik "Übertragungen" zunächst eine Zessionserklärung der Leihkasse Neumünster, Zürich, gegenüber der Immo-Aktiengesellschaft vom 29. Dezember 1947, dann ein undatiertes Blankoindossament dieser letztern. c) Die Klägerin macht nun geltend - und hat im kantonalen Verfahren nur geltend gemacht -, Gloor sei durch dieses Blanko-Indossament und die Inbesitznahme des Titels Eigentümer desselben geworden und habe als solcher den Titel der Klägerin verpfändet, oder er sei durch die Blanko-Zession zum mindesten zur Verpfändung ermächtigt worden. Ein Beweis dafür, dass Gloor, falls nicht Eigentümer, ausdrücklich von berechtigter Seite die Ermächtigung zur Verpfändung des Titels erhalten habe, wurde nicht erbracht. Vielmehr ist nach Annahme der Vorinstanz als erwiesen zu betrachten, dass Gloor - wenn er nicht Eigentümer des Schuldbriefes geworden ist - in der Zeitspanne zwischen dem erwähnten Kaufvertragsabschluss (18. Oktober 1949) und der angeblichen Verpfändung (1. November 1949) den Titel für die Beklagte besessen hat. 5. Aus diesen Tatsachen folgert die Vorinstanz, dass Gloor nicht befugt war, über die im Namensschuldbrief verkörperte Forderung der Beklagten zu verfügen, und dass daher eine rechtsgültige Verpfändung mit der Erklärung vom 1. November 1949 nicht bewirkt wurde. BGE 81 II 112 S. 115 Die zu diesem Schlusse und damit zur Abweisung der Klage führenden rechtlichen Erwägungen der Vorinstanz treffen durchaus zu, so dass ohne weiteres auf sie verwiesen werden kann. Zusammenfassend und, in Rücksicht auf die teilweise neuen Rechtserörterungen der Berufungsschrift, ergänzend ist indessen zu bemerken: a) Wäre die Verpfändung des Namenstitels durch Gloor in wertpapiermässiger Form durch Indossierung erfolgt, so könnte sich der Pfandgläubiger auf gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts berufen und wäre darin auch dann zu schützen, wenn der Verpfänder kein Recht zur Verpfändung hatte, analog Art. 933 ZGB . Bei der in casu von Gloor gewählten, nicht skripturmässigen Verpfändung mit Ausstellung einer Verpfändungserklärung (vergl. BGE 42 III 296 ff.) jedoch konnte die Pfandgläubigerin auch bei gutem Glauben nicht mehr Rechte erwerben, als Gloor selbst am Titel hatte (vergl. OFTINGER Komm. zu Art. 900, 901). Es kommt daher in der Tat darauf an, ob Gloor die Verfügungsmacht über den Titel hatte oder nicht. b) Eigentümer des Namenschuldbriefes bzw. Gläubiger der darin verkörperten Forderung ist Gloor nicht geworden; und zwar durch gewöhnliche Abtretung nach Art. 165 Abs. 1 OR nicht, weil sie, wenn überhaupt, jedenfalls nicht schriftlich verembart worden ist; durch skripturrechtliche Übertragung nach Art. 869 Abs. 2 ZGB nicht, weil die für die Übereignung der Namenstitel ausdrücklich geforderte Angabe des Erwerbers auf dem Titel selbst fehlt. Die Auffassung der Klägerin, es genüge entgegen dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ein sog. Blanko-Indossament, ist von beiden Vorinstanzen zutreffend widerlegt worden. Der Hinweis der Klägerin auf Art. 901 Abs. 2 ZGB und auf LEEMANN N. 25 zu dieser Bestimmung geht am Problem vorbei; denn es handelt sich in diesem Zusammenhang nicht darum, ob dem nach Art. 901 Abs. 2 zur Verpfändung - alternativ mit einer Abtretungserklärung - notwendigen Indossament auch ein blosses BGE 81 II 112 S. 116 Blanko-Indossament entspreche (was LEEMANN a.a.O. bejaht), sondern ob der für den Eigentumserwerb an Schuldbriefen massgebenden, ganz anders lautenden, den Übertragungsvermerk mit Angabe des Erwerbers verlangenden Vorschrift des Art. 869 Abs. 2 mit einem Blanko-Indossament Genüge getan sei, was zweifellos zu verneinen ist. c) Hat aber Gloor das Eigentum am Schuldbrief nicht erworben, so steht der Beklagten als Eigentümerin desselben - wie die Klägerin an sich zugibt - die Einrede zu, dass letztere mangels Verfügungsbefugnis des Gloor ein Pfandrecht nicht erworben habe. Diese Einrede wurde schon mit der auf Art. 869 Abs. 2 ZGB hinweisenden Verfügung der Liquidatoren vom 2. Dezember 1952 erhoben und im Prozess näher substanziert. Sie ist nach dem Gesagten, soweit der Eigentumserwerb des Gloor in Frage steht, begründet und zu schützen. d) Die Klägerin macht nun allerdings eventualiter geltend, Gloor sei, wenn auch nicht Eigentümer des Titels, so doch zur Verpfändung im Namen des wirklichen Eigentümers berechtigt gewesen, und sie beanstandet, dass die Vorinstanz zu dieser These ihr, der Klägerin, den Beweis und nicht der Beklagten den Gegenbeweis auferlegt habe. Denn nach ihrer Auffassung ergäbe sich das Verfügungsrecht des Gloor bereits aus dem richtig ausgelegten Pfandvertrag. Der gute Glaube der Klägerin sei bei Anwendung von Art. 900 ZGB nur insofern nicht geschützt, als ihr Einreden aus dem Grundgeschäft entgegengehalten werden könnten. Nun habe aber die Beklagte sowohl das Grundgeschäft als die Stellung Gloors als ihres Verwaltungsrates gekannt und müsse sein Handeln gegen sich gelten lassen, soweit sie nicht beweise, dass er unbefugt gehandelt habe. Diese Argumentation geht jedoch - abgesehen von den darin enthaltenen neuen Behauptungen - fehl. Gloor hat den Pfandvertrag mit der Klägerin eindeutig im eigenen Namen und für ein ihm persönlich von dieser gewährtes BGE 81 II 112 S. 117 Darlehen abgeschlossen und sich dabei ausdrücklich als Eigentümer des Schuldbriefs erklärt. Wie dieses Dokument dahin ausgelegt werden könnte, Gloor habe eventuell - falls er nicht Eigentümer wäre - nur als Vertreter der Immo-Hyp-Propria gehandelt und diese ihn zu seinem Handeln ermächtigt, ist unerfindlich. Ein solcher Sachverhalt könnte sich höchstens aus andern Tatsachen ergeben, die aber die Klägerin zu behaupten und zu beweisen hätte. Dieser Beweis wurde nach Feststellung der Vorinstanz nicht erbracht, ja nicht einmal angetragen. Ihre Erwägungen, wonach eine gültige Pfandbestellung mangels Verfügungsberechtigung des Gloor nicht erfolgen konnte, treffen daher zu. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Soweit auf die Berufung eingetreten werden kann, wird sie abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich. II. Zivilkammer, vom 2. April 1954 bestätigt.
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Urteilskopf 105 III 50 12. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 15. November 1979 i.S. A. (Rekurs)
Regeste Pfändung eines Stipendiums; Betreibung für Unterhaltsansprüche ( Art. 92, 93 SchKG ). 1. Ein Stipendium ist grundsätzlich beschränkt pfändbar im Sinne von Art. 93 SchKG (E. 1, 2). 2. Auch eine Rente gemäss Art. 151 ZGB kann Unterhaltscharakter haben, so dass sich der Schuldner nach den Regeln, wie sie für die Betreibung für Unterhaltsansprüche aufgestellt worden sind, bei der Pfändung gegebenenfalls einen verhältnismässigen Eingriff in sein Existenzminimum gefallen lassen muss (E. 3, 4). 3. Ein Eingriff in das Existenzminimum ist jedoch auch bei einer Betreibung für Unterhaltsansprüche nur zulässig, wenn der Gläubiger zur Deckung seines eigenen Notbedarfs auf die Beiträge des Schuldners angewiesen ist (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 51 BGE 105 III 50 S. 51 A.- Mit Urteil vom 28. Oktober 1976 schied das Zivilamtsgericht von Bern die Eheleute Hans und Gabrielle A. und genehmigte die am 24. Juli 1976 abgeschlossene Ehescheidungskonvention. Darin hatte sich der Ehemann verpflichtet, an den Unterhalt der Frau eine monatliche Rente von Fr. 300.- sowie an denjenigen des der Frau zugesprochenen Kindes einen monatlichen Beitrag von Fr. 225.- zu bezahlen, wobei beide Beträge an den Index der Konsumentenpreise gebunden waren. Mit Zahlungsbefehl Nr. 3343 vom 27. April 1979 setzte Gabrielle A. den Unterhaltsbeitrag für sich und das Kind für den Monat April 1979 in der Höhe von Fr. 541.- abzüglich einer bereits erfolgten Zahlung von Fr. 100.- in Betreibung. B.- Mit Verfügung vom 9. August 1979 pfändete das Betreibungsamt Thun vom Stipendium in der Höhe von Fr. 1'125.- pro Monat, das der Schuldner vom Kanton Bern für den Besuch der Handelsschule bezieht, einen Betrag von Fr. 306.- pro Monat. Das Betreibungsamt bemass den Notbedarf des Schuldners unter Einschluss der Alimente von Fr. 541.- sowie des Schulgeldes von Fr. 420.- auf Fr. 1'987.- pro Monat. Die pfändbare Quote berechnete es nach der für die Betreibung für Unterhaltsansprüche massgebenden Formel (541 - x 1'125.-: 1987.- = 306.30). Eine Beschwerde des Schuldners gegen diese Verfügung wurde von der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern mit Entscheid vom 17. September 1979 abgewiesen. C.- Gegen den Entscheid der bernischen Aufsichtsbehörde rekurrierte Hans A. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer BGE 105 III 50 S. 52 des Bundesgerichts mit dem Antrag, die Pfändung des Stipendiums sei aufzuheben. Die Gläubigerin hat auf Vernehmlassung verzichtet, während sich das Betreibungsamt innert der ihm angesetzten Frist nicht vernehmen liess. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist die Sache zu ergänzender Abklärung und neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Mit dem Rekurs macht der Rekurrent in erster Linie geltend, ein Stipendium dürfe überhaupt nicht gepfändet werden; es stelle seiner Natur nach einen Ausbildungsbeitrag dar und solle dem Stipendiaten ermöglichen, seine berufliche Ausbildung zu finanzieren, nicht jedoch seine familiären Verpflichtungen zu erfüllen. Pfändbar sind grundsätzlich sämtliche Vermögensrechte des Schuldners, soweit nicht das Bundesrecht eine Ausnahme vorsieht ( BGE 97 III 25 ). Eine Vorschrift, die Stipendien als unpfändbar erklären würde, findet sich weder in Art. 92 SchKG noch in einer anderen Bestimmung des Bundesrechts. Ob das kantonale Recht die Unpfändbarkeit von Stipendien vorsehen dürfe, obwohl die Unpfändbarkeitsbestimmungen des Bundesrechts grundsätzlich als abschliessend zu betrachten sind, jedenfalls soweit sie auf sozialpolitischen Überlegungen beruhen ( BGE 97 III 25 , BGE 80 III 19 , BGE 65 III 10 , BGE 64 III 2 ), kann dahingestellt bleiben, da im Kanton Bern nach den in diesem Punkt für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid eine solche Vorschrift nicht besteht. Die rechtliche Natur des Stipendiums steht dessen Pfändbarkeit nicht entgegen. Es handelt sich dabei um eine auf öffentlichem Recht beruhende Forderung gegen das Gemeinwesen, über die der Berechtigte grundsätzlich frei verfügen kann. Dass es sich im Kanton Bern anders verhalte, behauptet der Rekurrent nicht. Freilich soll das Stipendium dazu dienen, dem Berechtigten das Studium zu ermöglichen, und es soll diesem Zweck nicht entfremdet werden. Das schliesst aber dessen Pfändbarkeit nicht notwendig aus. Entgegen der Ansicht des Rekurrenten deckt das Stipendium in der Regel und auch im vorliegenden Fall nicht nur die Ausbildungskosten im engeren BGE 105 III 50 S. 53 Sinne (z.B. Schulgeld, Auslagen für Lehrmittel), sondern es trägt auch an den Lebensunterhalt des Berechtigten bei, der wegen des Studiums nicht in der Lage ist, einem Verdienst nachzugehen. Jedenfalls soweit es um Forderungen geht, die mit dem Studium und dem Lebensunterhalt des Berechtigten sowie allenfalls seiner Familie im Zusammenhang stehen, verbietet auch die Zweckbestimmung des Stipendiums dessen Pfändbarkeit nicht. So kann es z.B. der Zimmervermieterin des Studenten nicht verwehrt sein, in der Betreibung für den Mietzins auf das Stipendium zu greifen, wenn keine anderen pfändbaren Vermögensstücke vorhanden sind. Das gleiche gilt für den vorliegenden Fall, wo es um Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehefrau und des Kindes des Schuldners geht. Das Stipendium des Rekurrenten ist daher grundsätzlich pfändbar. 2. Zu Recht hat jedoch das Betreibungsamt das Stipendium zu den nur beschränkt pfändbaren Forderungen im Sinne von Art. 93 SchKG gezählt. Zwar handelt es sich dabei nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz nicht um einen eigentlichen "Lohn", sondern - ähnlich wie dies bei Leistungen der Arbeitslosenversicherung oder bei Alimentationsleistungen der Fall ist - um eine Art Ersatzeinkommen, das nach dem Gesagten unter anderem auch zur Deckung des Lebensunterhalts des Schuldners bestimmt ist. Von einem derartigen Einkommen darf grundsätzlich nur der das Existenzminimum des Schuldners übersteigende Teil gepfändet werden. 3. Der für Unterhaltsansprüche betriebene Schuldner, dessen Verdienst den Notbedarf einschliesslich der für den Unterhalt des Gläubigers notwendigen Alimente nicht deckt, muss sich jedoch nach der Rechtsprechung, auf die sich der angefochtene Entscheid stützt, einen Eingriff in sein Existenzminimum gefallen lassen. Dieser ist so zu bemessen, dass sich der Schuldner und der Gläubiger im gleichen Verhältnis einschränken müssen ( BGE 105 III 49 , BGE 87 III 9 , BGE 86 III 14 , BGE 78 III 66 , BGE 71 III 177 /178, BGE 68 III 28 und 106, BGE 67 III 138 ). Der Rekurrent macht geltend, diese Regel dürfe nicht angewendet werden, wenn wie hier ein Ausbildungsbeitrag in Frage stehe, da man sonst auch die Unkosten für die Ausbildung bei der Rechnung des Notbedarfs berücksichtigen müsse. Diese Rüge ist unverständlich, hat doch das Betreibungsamt das Existenzminimum des Rekurrenten um den Betrag des Schulgeldes (Fr. 420.- pro Monat) und die zusätzlichen Kosten BGE 105 III 50 S. 54 für auswärtige Verpflegung (Fr. 80.- pro Monat) erhöht. Dass noch weitere Auslagen für den Schulbesuch hätten berücksichtigt werden müssen, behauptet der Rekurrent nicht, und er hat im kantonalen Verfahren auch keine Beweise für derartige Unkosten angeboten. 4. Der Rekurrent macht weiter geltend, es liege gar keine Pfändung für Unterhaltsansprüche vor. Der Gläubigerin sei im Scheidungsurteil lediglich eine Rente gemäss Art. 151 ZGB zugesprochen worden; für eine solche Rente komme aber ein Eingriff in das Existenzminimum nicht in Frage. Dem ist vorab entgegenzuhalten, dass die in Betreibung gesetzte Forderung auch die Ansprüche des Kindes umfasst, denen ohne jeden Zweifel Unterhaltscharakter im Sinne der eben erwähnten Rechtsprechung zukommt. Dass es sich bei Leistungen, die auf Grund von Art. 151 Abs. 1 ZGB geschuldet werden, nicht um Unterhaltsbeiträge handeln könne, trifft sodann offensichtlich nicht zu. Nach ständiger Rechtsprechung gehört zu den Vermögensrechten, die durch die Scheidung beeinträchtigt werden und für die der schuldige Ehegatte dem schuldlosen nach der genannten Bestimmung eine angemessene Entschädigung zu entrichten hat, auch der sich aus Art. 160 Abs. 2 ZGB ergebende Unterhaltsanspruch der Ehefrau gegenüber dem Ehemann ( BGE 98 II 165 , BGE 95 II 597 , BGE 90 II 72 E. 4). Freilich scheint das Bundesgericht in BGE 55 III 156 unten die Ansicht vertreten zu haben, ein Eingriff in das Existenzminimum sei nur bei einer Bedürftigkeitsrente im Sinne von Art. 152 ZGB zulässig, offenbar in der Annahme, dass der rentenberechtigte Ehegatte zur Deckung seines Notbedarfs nur bei grosser Bedürftigkeit auf die Unterhaltsbeiträge angewiesen sei, dass jedoch bei grosser Bedürftigkeit einzig eine Rente nach Art. 152 ZGB , nicht aber eine solche nach Art. 151 ZGB in Frage komme (vgl. BGE 68 II 4 ). Diese Auffassung ist indessen durch die neuere Rechtsprechung überholt. Danach ist die Zusprechung einer Bedürftigkeitsrente im Sinne von Art. 152 ZGB ausgeschlossen, wenn die grosse Bedürftigkeit des ansprechenden Ehegatten durch die Ausrichtung einer Entschädigungsrente im Sinne von Art. 151 ZGB behoben werden kann ( BGE 90 II 74 /75). Art. 152 ZGB ist somit insoweit gegenüber Art. 151 ZGB subsidiär. Ist dies aber der Fall, so kann nicht gesagt werden, eine Rente gemäss Art. 151 ZGB könne nicht zur Deckung des Notbedarfs des berechtigten Ehegatten BGE 105 III 50 S. 55 dienen, so dass im Falle einer Betreibung ein Eingriff in das Existenzminimum des Schuldners zum vornherein unzulässig sei. 5. Dem Schuldner weniger als das Existenzminimum zu belassen, ist indessen auch bei einer Betreibung für Unterhaltsansprüche nur gerechtfertigt, wenn der Gläubiger zur Deckung seines eigenen Notbedarfs auf die Beiträge des Schuldners angewiesen ist ( BGE 89 III 67 , BGE 84 III 31 , BGE 72 III 95 , BGE 71 III 177 , BGE 70 III 24 , BGE 68 III 28 , 106). Das hat die Vorinstanz übersehen. Dass der Alimentengläubiger auf die Alimente angewiesen ist, ist bei richterlich zugesprochenen Unterhaltsbeiträgen freilich zu vermuten ( BGE 71 III 177 , BGE 68 III 28 ). Diese Vermutung kann jedoch nicht ohne weiteres auch für Renten gemäss Art. 151 ZGB oder für vertraglich vereinbarte Alimente gelten, auch wenn diese richterlich genehmigt worden sind, kommt es doch häufig vor, dass derartige Beiträge mehr als nur den Notbedarf des Alimentengläubigers zu decken vermögen. Im vorliegenden Fall muss zudem ohnehin angenommen werden, die Gläubigerin verfüge noch über weitere Einkünfte, da sie mit den gemäss Scheidungskonvention geschuldeten Alimenten allein offensichtlich nicht leben könnte. Der Rekurrent unterlässt es zwar, hierüber nähere Angaben zu machen. Indessen haben die Betreibungsbehörden die massgebenden tatsächlichen Verhältnisse bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommens von Amtes wegen abzuklären ( BGE 102 III 15 , BGE 97 III 11 /12, BGE 93 III 37 E. 2, BGE 87 III 104 ). Dies muss umso mehr gelten, wenn die Pfändung wie hier beträchtlich in das für den Schuldner zum Leben Notwendige eingreift. Den Akten lässt sich entnehmen, dass die Gläubigerin als Berufsbezeichnung "Alterspflegerin" angibt. Ob sie diesen Beruf auch tatsächlich ausübt und ob sie mit dem allfälligen Erwerbseinkommen ihren Notbedarf und denjenigen des Kindes decken kann, lässt sich auf Grund der Aktenlage jedoch nicht entscheiden. Die Sache ist daher zur Abklärung dieser Fragen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erst wenn feststeht, dass und allenfalls in welchem Ausmass die Gläubigerin unter Berücksichtigung ihrer eigenen Einkünfte auf die Leistungen des Rekurrenten angewiesen ist, um ihren Lebensunterhalt und denjenigen des Kindes zu bestreiten, kann die pfändbare Quote nach der vom Betreibungsamt verwendeten Formel festgesetzt werden. In diesem Sinne ist der Rekurs gutzuheissen.
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Urteilskopf 114 IV 128 37. Urteil des Kassationshofes vom 30. September 1988 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 271 Ziff. 1 StGB . Verbotene Handlung für einen fremden Staat. Entscheidend ist, ob die einer Behörde oder einem Beamten zukommende Handlung ihrer Natur nach amtlichen Charakter trügt (E. 2b). Dies ist bei einer Zeugenbefragung für die Zwecke eines gerichtlichen Verfahrens der Fall (E. 2c).
Sachverhalt ab Seite 128 BGE 114 IV 128 S. 128 A.- Gegen B., den H. seit 1981 als Anwalt in der Schweiz vertrat, wurde in Australien seit Jahren eine Strafuntersuchung insbesondere wegen Vermögensdelikten geführt. Um die Beweiskraft verschiedener durch die Schweizerische Volksbank den australischen Behörden 1975 übermittelten und von einem Beamten der Kantonspolizei Zürich 1981 vor dem australischen Gericht als echt bezeugten Kopien von Urkunden zu erschüttern, gelangte H. Ende 1981 an die Schweizerische Volksbank in Zürich. Anlässlich einer ersten Besprechung legte er auf Veranlassung von B. acht zumindest in sprachlicher Hinsicht von ihm redigierte Entwürfe von Bestätigungen vor, welche die Geschäftsvorgänge unzutreffend darstellen, deren drei nach inhaltlicher Abänderung schliesslich akzeptiert wurden. An einer zweiten Besprechung nahm auf Wunsch von B. und durch Vermittlung von H. dessen Mitarbeiter, Rechtsanwalt und Notar S. teil, damit er später vor dem australischen Gericht in den Beweisformen von "secondary evidence" und "evidence on information and belief" als Person mit erhöhter Glaubwürdigkeit über das, was er wahrgenommen habe, Zeugnis ablegen und seine Schlussfolgerungen bekanntgeben könne. B. befragte die Bankvertreter, während S., der sich vorgängig ihre Namen und Funktionen hatte nennen lassen, einige wenige Notizen machte. In den folgenden beiden Tagen arbeiteten S. und B. in der Anwaltskanzlei von H. unter Mitwirkung seiner Angestellten BGE 114 IV 128 S. 129 verschiedene "als Aktennotiz" bezeichnete Erklärungen in englischer Sprache aus, an denen H. insofern mitwirkte, als er S. mehrfach bezüglich Interpretationsfragen und Übersetzung Auskunft erteilte und die Erklärungen schliesslich durchsah. Diese gaben den Verlauf des Gesprächs mit den Vertretern der Schweizerischen Volksbank nicht wahrheitsgetreu wieder, indem sie dem Schema der australischen Beweisregeln folgend zuerst einen angeblich von H. oder B. erteilten Auftrag an S. enthielten, eine bestimmte Tatsache zu verifizieren, unter dem Titel "Information" angeblich von S. gestellte und protokollarisch festgehaltene Fragen sowie die entsprechenden Antworten aufführten und schliesslich unter dem Titel "Belief" die vermeintlichen Schlussfolgerungen von S. erwähnten. Die Aktennotizen wurden, wie H. wusste, von S. anlässlich seiner Abhörung als Zeuge vor dem australischen Gericht als Gedankenstütze verwendet, und der Verteidiger von B. reichte sie zudem dem Gericht ein. Um eine Bewilligung für in derartiges Vorgehen war nicht nachgesucht worden. B.- Das Obergericht des Kantons Zürich sprach H. am 27. März 1987 der verbotenen Handlung für einen fremden Staat schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von zehn Tagen. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am 9. November 1987 eine von H. eingelegte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab. C.- H. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an dieses zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Der verbotenen Handlungen für einen fremden Staat macht sich gemäss Art. 271 Ziff. 1 StGB schuldig, wer auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornimmt, die einer Behörde oder einem Beamten zukommen, oder wer solchen Handlungen Vorschub leistet. Das Obergericht gelangt zum Schluss, der Beschwerdeführer habe sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung erfüllt. Um ihre Abhörung auf dem Rechtshilfeweg zu umgehen, habe BGE 114 IV 128 S. 130 Rechtsanwalt und Notar S. den von Dritten wahrgenommenen Sachverhalt durch deren Befragung selber abgeklärt, um später im Strafverfahren gegen B. vor einem ausländischen Gericht zu dessen Gunsten darüber als Zeuge aussagen zu können. Tatsachenermittlung durch Abhörung von Augen- bzw. Ohrenzeugen stelle aber nach schweizerischer Rechtsauffassung eine dem Richter vorbehaltene Beweiserhebung dar. Die urteilsmässige Erledigung angehobener Prozesse und damit die Rechtsverwirklichung liege im allgemeinen Staatsinteresse. Zu diesem Zweck in einem anderen Staat Beweise zu erheben, stelle somit ein Handeln im Interesse des fremden Staates und damit für diesen dar. Der Beschwerdeführer habe, insbesondere durch den Beizug von Rechtsanwalt und Notar S., zu diesem Tun wissentlich und willentlich Vorschub geleistet. 2. a) Der Beschwerdeführer behauptet, es liege hier gar keine einer Behörde oder einem Beamten zukommende Handlung vor. b) Eine einer Behörde oder einem Beamten zukommende Handlung im Sinne von Art. 271 Ziff. 1 StGB ist nach Lehre und Rechtsprechung - unbekümmert, ob ein Beamter dabei tätig wurde - jede Handlung, die für sich betrachtet, d.h. nach ihrem Wesen und Zweck sich als Amtstätigkeit charakterisiert; entscheidend ist mithin, ob sie ihrer Natur nach amtlichen Charakter trage, und nicht die Person des Täters (E. HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Bd. II, S. 676; P. LOGOZ, Commentaire du Code pénal suisse, Partie spéciale, Bd. II, N. 3cc zu Art. 271 StGB ; V. SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, S. 483 Nr. 735; P. REICHLIN, ZBl 65, S. 122 f.; BGE 65 I 43 E. 2). c) Weder unterscheidet das Obergericht entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers zwischen einem dem Strafprozess ohnehin fremden Behauptungs- und einem Beweisverfahren, noch geht es davon aus, alles was im Strafprozess und insbesondere im Beweisverfahren geschehe, sei ausnahmslos Sache des Staates. Es begnügt sich vielmehr mit der (richtigen) Aussage, die Beweiserhebung, beispielsweise durch mündliche Befragung von Augen- bzw. Ohrenzeugen, sei nach schweizerischem Recht und schweizerischer Rechtsauffassung dem Richter, einer Untersuchungs- oder Anklagebehörde vorbehalten. Das trifft, geht man die schweizerischen Strafprozessordnungen durch, tatsächlich zu (R. HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, S. 132 und 169; G. PIQUEREZ, Précis de procédure pénale suisse, N. 989 f. und 1100 f.; C. MARKEES, SJZ 65, S. 34). Die Parteien können anlässlich der Vernehmung lediglich ergänzende Fragen und diese in der Regel BGE 114 IV 128 S. 131 nicht direkt, sondern nur durch den Richter oder Gerichtspräsidenten stellen (G. PIQUEREZ, a.a.O., N. 1100). Der Verweis des Beschwerdeführers auf das Kreuzverhör, in welchem die Parteien Beschuldigte und Zeugen befragen, ist unbehelflich; der Strafprozess ist - entgegen der amerikanischen Auffassung, welcher das Kreuz- oder Wechselverhör entspricht - nach schweizerischem Recht längst kein Parteienprozess mehr, das für Geschworenenprozesse in den Kantonen Zürich, Genf und Tessin verbliebene Relikt des Kreuzverhörs deshalb für schweizerische Verhältnisse in keiner Weise repräsentativ (R. HAUSER, a.a.O., S. 234 f.; G. PIQUEREZ, a.a.O., N. 1100 und 1101), ganz abgesehen davon, dass auch ein Kreuzverhör vor dem Gericht, also vor einer Behörde stattfindet. Es kann demnach nicht zweifelhaft sein, dass Einvernahmen für die Zwecke eines gerichtlichen Verfahrens ihrer Natur nach amtlicher Charakter zukommt; das wird allgemein anerkannt (THORMANN/V. OVERBECK, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, N. 5 zu Art. 271 StGB ; P. LOGOZ, a.a.O., N. 3cc zu Art. 271 StGB ; V. SCHWANDER, a.a.O., S. 483 Nr. 735; BGE 65 I 45 E. 2). Die Berufung auf Guldener (GULDENER/MILLER, in International Co-operation in Litigation: EUROPE, Hans Smit Ed., The Hague 1965, S. 360 bis 362) ist unbehelflich: GULDENER tritt jener Auffassung nicht entgegen, sondern hebt vielmehr hervor, eine private mündliche Abhörung des Erklärenden könne nicht durchgeführt werden (S. 365); die vom Beschwerdeführer genannte Stelle bezieht sich ausschliesslich auf die Vorlage von Urkunden im Prozess und inwiefern Zweifel an der in dieser Hinsicht herrschenden Auffassung angebracht seien, wird nicht dargelegt. Bei der Einreichung von Urkunden geht es im Unterschied zur Zeugenvernehmung um eine behördliches Handeln nicht erfordernde Parteivorkehr; die herrschende Auffassung, wonach Einvernahmen für gerichtliche Zwecke in die ausschliessliche Zuständigkeit von Behörden und Beamten fallen, lässt sich daher mit dem Hinweis auf den Urkundenbeweis nicht widerlegen. d) Kommt es einzig auf den amtlichen Charakter der vorgenommenen Handlung, nicht auf die Person des Täters an, so ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers die Tatsache bedeutungslos, dass weder S. noch B. hätten Zwang ausüben können; daran wird es ohnehin regelmässig gerade deshalb fehlen, weil ein anderer als das dafür zuständige staatliche schweizerische Organ die diesem vorbehaltene Amtshandlung durchführt, so dass Art. 271 Ziff. 1 StGB praktisch toter Buchstabe bliebe, wenn beim BGE 114 IV 128 S. 132 Täter vorhandene Zwangsgewalt Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit bilden würde. S. hat, wie das Obergericht zutreffend erwägt, nicht bloss seine Einvernahme als Zeuge vorbereitet, sondern, um überhaupt aussagen zu können, zu diesem Zweck den ihm unbekannten Sachverhalt unter Mithilfe von B. wie ein Untersuchungsorgan durch mündliche Befragung der Zeugen selber abgeklärt; dies nach Feststellung des Obergerichts in der Absicht, die nicht zu dem von B. gewünschten Ergebnis führende rechtshilfeweise gerichtliche Einvernahme derselben zu umgehen. Er hat deshalb nicht eine bloss prozessvorbereitende, sondern eine staatlichen Organen zustehende Handlung vorgenommen, wie auch seine Abhörung durch das australische Gericht eine solche darstellte. 3. a) Auch der Einwand des Beschwerdeführers, es fehle am Tatbestandsmerkmal des Handelns für einen fremden Staat, verfängt nicht. b) Als für einen fremden Staat vorgenommen gilt nach Lehre und Rechtsprechung jegliche Tätigkeit in dessen bzw. seiner Behörden Interesse (E. HAFTER, a.a.O., S. 677; V. SCHWANDER, a.a.O., S. 483 Nr. 735; BGE 65 I 45 E. 2); dass der Täter im Auftrag des fremden Staates handeln, der fremde Staat seine Tätigkeit wollen müsse, wie der Beschwerdeführer meint, wird sowenig vorausgesetzt, als dass der Täter Beamter jenes Staates sein müsse (P. LOGOZ, a.a.O.; N. 3bb zu Art. 271 StGB ; V. SCHWANDER, a.a.O., S. 483 Nr. 735). Das Obergericht hat überzeugend und zutreffend dargelegt, dass die Rechtsverwirklichung durch richterliches Urteil zu den Aufgaben jeden Staates gehört, die hiefür nötige Sachverhaltsermittlung insbesondere durch Abhörung von Zeugen daher gleich wie wenn er sie durch seine Organe selber vornehmen würde seine Interessen beschlägt. Aus dem Hinweis des Beschwerdeführers, es gebe zahllose zulässige Tätigkeiten auf schweizerischem Staatsgebiet im Interesse fremder Staaten, so die Begleichung von Sozialversicherungsbeiträgen an ausländische staatliche Einrichtungen, die Bezahlung im Ausland verwirkter Parkbussen, die Mitarbeit für staatlich gelenkte Universitäten des Auslands, lässt sich nichts zu seinen Gunsten ableiten; die Tatbestandsmässigkeit fehlt in solchen Fällen, weil es nicht um ihrem Wesen nach in die Zuständigkeit einer Behörde oder eines Beamten fallende Handlungen geht. Das ist auch der fälschlicherweise auf G. STRATENWERTH (Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, S. 254) gestützten Kritik des Beschwerdeführers betreffend der Ausuferung des Tatbestandes entgegenzuhalten. BGE 114 IV 128 S. 133 4. Das Obergericht legt dem Beschwerdeführer nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen nicht bloss zur Last, er habe S. mehrfach bezüglich Interpretationsfragen und Übersetzung Auskunft erteilt und die von diesem unter Mithilfe von B. verfassten Erklärungen durchgesehen, sondern vor allem, dass er ihn auf Wunsch von B. überhaupt für die verpönte Tätigkeit zugezogen, ihn B. dafür vermittelt habe. Er erleichterte dadurch die verbotene Handlung für einen fremden Staat auf schweizerischem Gebiet, leistete also Vorschub zu dieser. Was er tat lag entgegen seiner Bestreitung klar innerhalb des strafrechtlich relevanten; unter Vorschubleisten wird jedes irgendwie geartete, die strafbare Tätigkeit fördernde Verhalten verstanden, Beihilfe wie Vorbereitung, welches daher als vollendetes Delikt zu bestrafen ist (E. HAFTER, a.a.O., S. 678; P. LOGOZ, a.a.O., N. 3c zu Art. 271 StGB ).
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Urteilskopf 124 III 5 2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Dezember 1997 i.S. Rosa X. gegen Reto R. (Berufung)
Regeste Art. 8, 9, 467, 499 ff. und 519 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB. Gültigkeit eines öffentlich beurkundeten Testamentes. Zusammenfassung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Testierfähigkeit (vgl. BGE 117 II 231 ff.); diese gelten auch in bezug auf ein öffentlich beurkundetes Testament (E. 1). Fall einer Erblasserin, die angesichts ihres allgemeinen Gesundheitszustandes und des teilweise schwer nachvollziehbaren Testamentsinhalts im massgebenden Zeitpunkt hinsichtlich der Errichtung eines Testamentes wahrscheinlich nicht mehr verfügungsfähig war. Die Vermutung der Testierfähigkeit gilt daher nicht, doch steht der Gegenbeweis offen, dass die Erblasserin in einem luziden Intervall gehandelt hat (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 5 BGE 124 III 5 S. 5 A.- Am 24. Dezember 1993 verstarb die am 2. Februar 1903 geborene Maria X. Als einzige gesetzliche Erbin hinterliess sie ihre ledige Schwester Rosa X. Ein von Maria X. am 5. September 1974 verfasstes eigenhändiges Testament enthält u.a. folgende Anordnung: "Sollte ich vor meiner Schwester sterben, so verfüge ich, dass sie meinen Wohnhausanteil samt Umschwung auf Anrechnung an ihren Pflichtteil erhalten soll, auch wenn der Wert ihren Pflichtteil übersteigen sollte. BGE 124 III 5 S. 6 Mein Bar und Wertschriften Vermögen soll indessen zu gleichen Teilen nach Abzug der Todesfallkosten an folgende Institutionen ausgerichtet werden: 1. für die Kirchenrenovation in [...] 2. Pater W. Ostpriesterhilfe 3. Das Spital [...] 4. Das Spital [...] ..." Im Jahr 1979 verliess Maria X. das gemeinsam mit ihrer Schwester bewohnte Haus und zog in eine Wohnung in eine andere Gemeinde. Am 14. Juli 1980 verfasste Maria X. einen Nachtrag zu ihrem Testament vom 5. September 1974. Abgesehen von der Bestätigung der Gültigkeit ihres früheren Testamentes ordnete sie was folgt an: "... Bei meinem Tode sollen zu meinem Seelenheil 30 hl. Messen eine (Gregoriana) gelesen werden. Das Pfarramt in L. soll dafür sorgen, dass die Messen gelesen werden." B.- Am 11. November 1985 erlitt Maria X. einen Hirnschlag. Nach einem Spital- und Erholungsaufenthalt kehrte sie in ihre Wohnung zurück. Am 12. Januar 1989 wurde Maria X. von der Pro Senectute, von der sie während des letzten halben Jahres stundenweise in der Haushaltsarbeit unterstützt worden war, in ein Altersheim verbracht. Nachdem sie am 13. Januar 1989 von dort davongelaufen war, wurde sie durch den Hausarzt wegen nächtlicher Verwirrung, Agitiertheit und daraus abgeleiteter Selbstgefährdung in eine Psychiatrische Klinik eingewiesen. Am 25. Februar 1989 wurde sie von der zuständigen Vormundschaftsbehörde auf eigenes Begehren verbeiständet; zum Beistand wurde Reto R. bestellt. Am 23. März 1989 fand zwischen Maria X. und dem Notar P. eine Besprechung im Hinblick auf ein öffentlich zu beurkundendes Testament statt, und am 5. April 1989 wurde im Büro des Notars eine öffentliche letztwillige Verfügung mit folgendem Wortlaut errichtet: I. Meine einzige derzeit noch lebende gesetzliche Erbin, nämlich meine Schwester Rosa X. ist gemäss geltendem Erbrecht nicht pflichtteilsgeschützt. Ich verweise auf Art. 471 ZGB . Es ist deshalb mein letzter Wille, dass meiner Schwester aus meinem Nachlass aus Erbrecht nichts zukommt. II. Ich wünsche ausdrücklich meine Beerdigung in [...]. III. Als Alleinerben setze ich Herrn Reto R.[...] ein. BGE 124 III 5 S. 7 IV. Sofern ich zu einem früheren Zeitpunkt eine letztwillige Verfügung, sei diese eigenhändig oder öffentlich errichtet haben sollte, gelten diese errichteten letztwilligen Verfügungen als vollumfänglich aufgehoben. V. Mein derzeitiges Vermögen setzt sich aus Wertschriften im Umfang von rund Fr. 110'000.-- und einem hälftigen Miteigentumsanteil an einer Liegenschaft mit Gebäulichkeiten in [...] zusammen. VI. Als Testamentsvollstrecker ernenne ich Rechtsanwalt und Notar P." C.- Nachdem die zuständige Behörde am 2. Februar 1994 die durch die Erblasserin am 5. September 1974 und am 14. Juli 1980 eigenhändig verfassten Testamente sowie das öffentliche Testament vom 5. April 1989 eröffnet hatte, erhob Rosa X. am 17. Juni 1994 gegen Reto R. Klage mit dem Begehren, dass das öffentliche Testament vom 5. April 1989 für ungültig zu erklären sei. Mit Urteil vom 5. September 1996 hiess das Bezirksgericht die Klage von Rosa X. gut und erklärte das öffentliche Testament vom 5. April 1989 für ungültig. Die gegen dieses Urteil von Reto R. erhobene Berufung hiess das Kantonsgericht mit Urteil vom 7. Januar 1997 gut; das Urteil des Bezirksgerichts wurde aufgehoben und die von Rosa X. erhobene Ungültigkeitsklage abgewiesen. D.- Mit Berufung vom 28. August 1997 beantragt Rosa X. dem Bundesgericht, dass das Urteil des Kantonsgerichtes aufzuheben und das am 5. April 1989 verfasste öffentliche Testament für ungültig zu erklären sei. Sowohl Reto R. als auch das Kantonsgericht beantragen die Abweisung der Berufung, soweit auf sie einzutreten sei. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und weist die Sache zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurück Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. Umstritten ist im vorliegenden Verfahren die Frage, ob Maria X. im Zeitpunkt der Errichtung des öffentlichen Testamentes verfügungsfähig war. Ein gültiges Testament kann nur derjenige errichten, der urteilsfähig ist ( Art. 467 ZGB ). Urteilsfähig ist, wem nicht infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln ( Art. 16 ZGB ). a) Der Begriff der Urteilsfähigkeit enthält zwei Elemente: einerseits eine intellektuelle Komponente, nämlich die Fähigkeit, Sinn, Zweckmässigkeit und Wirkungen einer bestimmten Handlung zu erkennen, andrerseits ein Willens- bzw. Charakterelement, nämlich die Fähigkeit, gemäss der vernünftigen Erkenntnis nach seinem freien Willen zu handeln und allfälliger fremder Willensbeeinflussung BGE 124 III 5 S. 8 in normaler Weise Widerstand zu leisten ( BGE 117 II 231 E. 2a S. 232 m.w.H.; ausführlich EUGEN BUCHER, Berner Kommentar, N. 44 ff. zu Art. 16 ZGB ). Die Urteilsfähigkeit ist aber auch relativ zu verstehen; sie ist nicht abstrakt festzustellen, sondern in bezug auf eine bestimmte Handlung je nach deren Schwierigkeit und Tragweite zu beurteilen. Es ist daher denkbar, dass eine Person trotz allgemeiner Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit zwar gewisse Alltagsgeschäfte noch zu besorgen vermag und diesbezüglich urteilsfähig ist, während ihr für anspruchsvollere Geschäfte die Urteilsfähigkeit abzusprechen ist ( BGE 117 II 231 E. 2a S. 232 f. m.w.H.; BUCHER, a.a.O., N. 87 ff. zu Art. 16 ZGB ). Im Unterschied zu alltäglichen Geschäften und Besorgungen zählt die Errichtung eines Testamentes zu den eher anspruchsvolleren Geschäften; dies trifft insbesondere dann zu, wenn komplizierte Verfügungen getroffen werden (ARNOLD ESCHER, Zürcher Kommentar, N. 6 zu Art. 467 ZGB ). b) Die Urteilsfähigkeit ist die Regel und wird aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung vermutet. Folglich hat derjenige, der deren Nichtvorhandensein behauptet, dies zu beweisen. Der Beweis ist keiner besonderen Vorschrift unterstellt; eine sehr grosse Wahrscheinlichkeit, welche jeden ernsthaften Zweifel ausschliesst, genügt insbesondere bei einer verstorbenen Person, weil in diesem Fall die Natur der Dinge selber einen absoluten Beweis unmöglich macht ( BGE 117 II 231 E. 2b S. 234 m.w.H.; BUCHER, a.a.O., N. 125 ff. zu Art. 16 ZGB ). An sich ist der Beweis nicht in bezug auf die Urteilsfähigkeit einer Person im allgemeinen, sondern in einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen. Dieser Beweis ist dann einfach zu führen, wenn beispielsweise wegen einer Geisteskrankheit auf eine permanent vorhandene Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten zu schliessen ist und damit auch luzide Intervalle auszuschliessen sind; ist dies aber nicht der Fall, dürfte namentlich "post mortem" der Nachweis der Urteilsunfähigkeit zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt im allgemeinen kaum zu führen sein. Wie die Vermutung der Urteilsfähigkeit und die daraus fliessende Beweislastverteilung folgen auch die Grenzen dieser Regeln aus der allgemeinen Lebenserfahrung: Führt die Lebenserfahrung - etwa bei Kindern, bei bestimmten Geisteskrankheiten oder altersschwachen Personen - zur umgekehrten Vermutung, dass die handelnde Person ihrer allgemeinen Verfassung nach im Normalfall und mit Wahrscheinlichkeit als urteilsunfähig gelten muss, ist der Beweispflicht insoweit Genüge getan und die Vermutung der Urteilsfähigkeit umgestossen; der Gegenpartei steht in diesem Fall der BGE 124 III 5 S. 9 Gegenbeweis offen, dass die betreffende Person trotz ihrer grundsätzlichen Urteilsunfähigkeit aufgrund ihrer allgemeinen Gesundheitssituation in einem luziden Intervall gehandelt hat ( BGE 117 II 231 E. 2b S. 234 f. m.w.H.; BUCHER, a.a.O., N. 127 zu Art. 16 ZGB ). c) Als öffentliche Urkunde erbringt das öffentliche Testament für die durch sie bezeugten Tatsachen vollen Beweis, solange nicht die Unrichtigkeit ihres Inhaltes nachgewiesen ist ( Art. 9 ZGB ). Für den Beweis der Urteilsfähigkeit ändert dies allerdings nichts, da die Verfügungsfähigkeit wie erwähnt ohnehin aufgrund der Lebenserfahrung zu vermuten ist. Hinzu kommt, dass die öffentliche Urkunde lediglich eine Vermutung zugunsten der Richtigkeit des Urkundeninhaltes schafft, um dessentwillen die Form der öffentlichen Urkunde gefordert ist (MAX KUMMER, Berner Kommentar, N. 39 und 48 zu Art. 9 ZGB ). Nicht zum Urkundeninhalt in diesem engen Sinn gehört aber beim öffentlichen Testament die Erklärung der beiden Zeugen auf der Urkunde, dass sich der Erblasser nach ihrer Wahrnehmung im Zustand der Verfügungsfähigkeit befunden hat ( Art. 501 Abs. 2 ZGB ); diese bildet lediglich ein Indiz zugunsten der Urteilsfähigkeit (BUCHER, a.a.O., N. 137 f. zu Art. 16 ZGB m.w.H.). Der Richter ist weder an die Bestätigung der Testierfähigkeit durch die Zeugen noch an die Erklärungen des Urkundsbeamten gebunden ( BGE 117 II 231 E. 2b S. 234 und E. 3b/bb S. 238). Erkrankungen des Geistes, die sich nicht in akuten Erscheinungen, sondern in einer allgemeinen Abnahme der geistigen Kräfte äussern, bleiben dem ungeübten Beobachter leicht verborgen, so dass sie und namentlich ihre Auswirkungen vielfach nur durch eine sachverständige Untersuchung festgestellt werden können (ESCHER, a.a.O., N. 7 zu Art. 501 ZGB ). 2. Das Kantonsgericht hat bei seinen Tatsachenfeststellungen einerseits auf die Krankengeschichte und ein medizinisches Gutachten von Prof. K. und andrerseits auf die Aussagen einer Reihe von Zeugen abgestellt. a) Nach der Krankengeschichte ist Maria X. am 13. Januar 1989 in eine Psychiatrische Klinik gebracht worden; anlässlich der Aufnahme hat der diensthabende Arzt festgehalten, dass es der Patientin nach längerer Überlegungszeit gelinge, die Fragen zu ihrer Person und ihrem nahen Umfeld richtig zu beantworten und dass sie durchaus wisse, wo sie sich nun befinde und was in der letzten Zeit vorgefallen sei; lediglich bei der Zeitangabe habe sie etwas Mühe, könne aber nach längerem Überlegen den richtigen Tag angeben. Eine Verwirrtheit bestehe zum Zeitpunkt der Aufnahme und auch BGE 124 III 5 S. 10 abends um 6 Uhr auf der Station nicht. Die Assistenzärztin Dr. A. hat am 25. Januar 1989 notiert, dass sich Maria X. unterschiedlich orientiert zeige und dass sie vorgestern abend in einem Verwirrtheitszustand aus dem Fenster steigen wollte; am 7. Februar 1989 hielt die Assistenzärztin fest, dass sich Maria X. nun eingelebt habe. Am 13. März 1989 stellten Oberarzt Dr. Z. und Assistenzärztin Dr. A. folgende Diagnose: "Ausgeprägtes POS senilsklerotischer Genese ICD Nr. 290.4"; an eine Verlegung der noch recht mobilen Patientin in ein Pflegeheim sei in diesem Zeitpunkt auf längere Zeit kaum zu denken. Der nächste Eintrag in der Krankengeschichte erfolgte erst am 20. Dezember 1989, d.h. nach der Errichtung des hier zu beurteilenden öffentlichen Testamentes. Im Austrittsbericht der Psychiatrischen Klinik nach dem Tod von Maria X. am 24. Dezember 1993 wird wiederholt, dass die Patientin bei ihrem Eintritt allseits orientiert gewesen sei, dass sie aber mit der zeitlichen Orientierung Mühe gehabt habe; ohne zeitliche Angaben wird ausgeführt, dass Maria X. in zunehmendem Mass pflegebedürftig geworden sei, dass sich ihre Mobilität auf ein Minimum reduziert habe und dass sich die geistigen Fähigkeiten bei stark fortschreitendem POS gemindert hätten. b) Der mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Prof. K. stützte sich in erster Linie auf die Unterlagen der Psychiatrischen Klinik. Im Gutachten wird die Diagnose der Klinikärzte bestätigt, dass ein "Psychoorganisches Syndrom senilsklerotischer Genese" vorliege. Nach Auffassung des Experten habe Maria X. in den ersten Monaten des Jahres 1989 an einer Geistesschwäche gelitten, weshalb ihre Erinnerungsfähigkeit, die Merkfähigkeit und das Denken deutlich beschränkt gewesen seien. Aufgrund des in der Krankengeschichte dokumentierten psychischen Zustandes ergebe sich eine Wahrscheinlichkeit, dass sich die Erblasserin mehr von einem momentan überwiegend emotionalen Gedanken gegenüber Reto R., der sie zum Notar begleitet habe, habe leiten lassen als von ihren habituellen Einstellungen und Überzeugungen, die ihrer Grundpersönlichkeit entsprochen hätten und die in den früheren Testamenten zum Ausdruck gekommen seien. Nachdem eine spezielle Testuntersuchung der mnestischen Funktionen in der Klinik nicht durchgeführt worden sei, bleibe rückblickend unklar, in welcher geistigen Verfassung sich Maria X. anlässlich ihrer beiden Besuche beim Notar - am 23. März 1989 und am 5. April 1989 - im einzelnen befunden habe und welche Aussagen zum Testament sie bei einer neutralen psychiatrischen Exploration gemacht hätte. BGE 124 III 5 S. 11 c) Im Zusammenhang mit den tatsächlichen Feststellungen rapportierte das Kantonsgericht sodann eine Reihe von Zeugenaussagen: Die mit der Erblasserin entfernt verwandte Rita B. erklärte, mit Maria X. habe man schon in der Zeit vor 1989 keine vernünftigen Gespräche mehr führen können, und sie habe auch komisch gelacht; immerhin habe sie das Gefühl gehabt, Maria X. sei in verwandtschaftlichen Fragen orientiert gewesen und habe sie als Verwandte betrachtet. Der als Zeuge einvernommene Dr. F., der langjährige Hausarzt von Maria X., führte aus, dass sich das Denkvermögen der Erblasserin nach dem Hirnschlag im Herbst 1985 deutlich verschlechtert habe; sie habe sich zwar gut erholt, sei im Denken aber deutlich verlangsamt geblieben; im Dezember 1988 sei sie zeitweise etwas verwirrt gewesen. Bei seinem letzten Besuch am 20. Dezember 1988 habe sie die Örtlichkeiten noch gekannt, sei aber im Zeitbegriff ganz unsicher gewesen. Über ihre eigenen Angelegenheiten (Eintritt ins Altersheim) habe man sich mit ihr aber noch gut unterhalten können. Der Psychiatriepfleger Vitus S. sagte als Zeuge aus, dass sich Maria X. vorerst klar ausdrücken konnte, aber bereits anfänglich an Wahnideen, Halluzinationen und Angstzuständen gelitten habe. Ihre Verwirrtheit und Desorientiertheit hätten laufend zugenommen; am Schluss sei ihre Orientierung sehr schlecht gewesen, und sie habe wahrscheinlich keine Besucher mehr erkennen können, oder zumindest habe sie sich nach kurzer Zeit nicht mehr daran erinnern können. Schliesslich sagte Hans T., der zu Maria X. in der Zeit zwischen Juni 1988 und April 1989 als Sozialarbeiter Kontakt gehabt hatte, als Zeuge aus, dass der Zustand von Maria X. als "eher verwirrt" - im Sinne altersbedingter Vergesslichkeit - zu bezeichnen sei; sie sei beispielsweise mitten auf der Hauptstrasse gelaufen, wobei er nicht wisse, ob sie sich der Gefahr bewusst gewesen sei. Er habe aber den Eindruck gehabt, dass die Erblasserin im Jahr 1988/1989 gut habe unterscheiden können, wer zu ihr gestanden sei und wer nicht; sie habe seine Funktion gekannt und seine Intention, sie möglichst lange in ihrer Wohnung "halten" zu können. d) Gestützt darauf ging das Kantonsgericht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass Maria X. in der Zeit um die Errichtung des öffentlichen Testamentes in ihren geistigen Fähigkeiten nach aussen erkennbar eingeschränkt gewesen sei - mit Defiziten vor allem im Bereich zeitlicher und örtlicher Orientierung sowie der Merkfähigkeit. Sie habe sich indessen noch gut unterhalten können, sei sich ihrer Situation bewusst gewesen und habe gewusst, wer zu ihr stehe. BGE 124 III 5 S. 12 3. Im Unterschied zum Bezirksgericht, welches die Verfügungsfähigkeit der Erblasserin verneinte, ist das Kantonsgericht in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, es sei nicht erwiesen, dass Maria X. am 5. April 1989 urteilsunfähig war. Zur Begründung führt das Kantonsgericht im wesentlichen aus, dass der medizinische Gutachter bei Maria X. zum Zeitpunkt der Errichtung des angefochtenen Testamentes ein "Psychoorganisches Syndrom" diagnostiziert habe, welche Krankheit als Geistesschwäche im Rechtssinn zu qualifizieren sei; seine Ausführungen liessen aber keinen Zweifel daran, dass diese Geistesschwäche nicht derart gravierend war, dass die Fähigkeit rechtsgeschäftlichen Handelns zum vornherein hätte ausgeschlossen werden müssen. Angesichts der Vermutung der Urteilsfähigkeit hätte die Klägerin daher die Urteilsunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes beweisen müssen. Dieser Beweis sei indessen in keiner Weise gelungen. Der Gutachter spreche zwar von der Wahrscheinlichkeit, dass Maria X. sich mehr von momentan überwiegend emotional bedingten Gedanken gegenüber dem als Alleinerben eingesetzten Beklagten habe leiten lassen; letztlich werde aber die Frage der Urteilsfähigkeit der Erblasserin offengelassen. Für die Handlungsfähigkeit der Erblasserin spreche, dass sie ein nachvollziehbares Motiv gehabt habe, den Beklagten anstelle ihrer Schwester - der Klägerin - zu begünstigen; während die Erblasserin mit ihrer Schwester zerstritten gewesen sei und aus diesem Grund aus dem gemeinsam bewohnten Haus ausgezogen sei, sei die Erblasserin vom Beklagten in den Jahren vor der Übersiedlung in die Klinik in verschiedener Hinsicht unterstützt worden. Im übrigen sprächen die Aussagen sämtlicher Zeugen sowie die Angaben in der Krankengeschichte der Psychiatrischen Klinik übereinstimmend eher für die Testierfähigkeit von Maria X. Insgesamt würden im vorliegenden Fall weder ein einzelnes Beweismittel - namentlich das Gutachten - noch die Würdigung sämtlicher Beweismittel ausreichen, um die Vermutung der Urteilsfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Verfügung umzustossen, weshalb es sich nicht rechtfertige, das Testament wegen fehlender Testierfähigkeit für ungültig zu erklären. Die Klägerin hält diese Begründung für bundesrechtswidrig. Sie räumt zwar ein, dass der Experte in seinem Gutachten nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen konnte, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung der öffentlich letztwilligen Verfügung urteilsunfähig war. Da sich die Erblasserin jedoch in einem generellen Zustand von Verwirrtheit und Desorientiertheit BGE 124 III 5 S. 13 befunden habe, sei unter Berücksichtigung aller Umstände die Vermutung der Handlungsfähigkeit im massgebenden Zeitpunkt nicht haltbar; vielmehr spreche die Lebenserfahrung unter Berücksichtigung aller Umstände gegen die Vermutung der Urteilsfähigkeit der Erblasserin, so dass dem Beklagten hätte der Beweis für die Urteilsfähigkeit im Verfügungszeitpunkt auferlegt werden müssen. 4. Die Beurteilung der Urteilsfähigkeit einer Person umfasst sowohl Feststellung von Tatsachen als auch Anwendung von Bundesrecht, wobei die Abgrenzung sich im Einzelfall als schwierig erweisen kann: Der Sachrichter stellt den geistigen Zustand einer Person im fraglichen Zeitraum sowie Art und Tragweite möglicher störender Einwirkungen fest; dazu gehört insbesondere, ob und inwieweit die Erblasserin zur Beurteilung der Folgen ihres Handelns und zur Leistung von Widerstand gegenüber Versuchen der Willensbeeinflussung befähigt war. Diese tatsächlichen Feststellungen können vom Bundesgericht im Berufungsverfahren unter Vorbehalt offensichtlicher Versehen nicht überprüft werden (Art. 55 Abs. 1 lit. c und d und 63 Abs. 2 OG). Hingegen prüft das Bundesgericht frei, ob der kantonale Richter zu Recht oder zu Unrecht vom festgestellten geistigen Gesundheitszustand bzw. diesbezüglichen Störungen auf die Urteilsfähigkeit geschlossen habe, soweit dies vom Begriff der Urteilsfähigkeit selbst abhängt bzw. von der allgemeinen Lebenserfahrung oder vom hohen Grad der Wahrscheinlichkeit, der für den Ausschluss dieser Fähigkeit erforderlich ist ( BGE 117 II 231 E. 2c S. 235 m.w.H.). a) Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung ergänzende Tatsachenbehauptungen vorträgt, von denen sich im angefochtenen Urteil nichts findet, ist angesichts der verbindlichen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz auf die Berufung nicht einzutreten. Die Berufung erweist sich daher insoweit als unzulässig, als geltend gemacht wird, der Beklagte habe knapp einen Monat nach seiner Ernennung zum Beistand mit dem Notar einen Termin zur Errichtung des Testaments arrangiert, in der Folge Maria X. zum Notar gebracht und sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor dieser Besprechung über die erbrechtliche Situation aufgeklärt und ihr das vor dem Notar zu Nennende eingetrichtert. Dasselbe gilt für den Verweis auf die am 13. März 1989 in der Krankengeschichte gemachte Feststellung, wonach sich Maria X. unter einer niedrig gehaltenen Dipiperonkur auf der Abteilung ruhig halten lasse, recht angenehm und im grossen und ganzen lenkbar sei, dass sie an permanenten Verwirrtheitszuständen mit Höhepunkt jeweils am BGE 124 III 5 S. 14 Abend, aber auch den Tag durch sowie an zeitlicher, örtlicher und teilweise autopsychischer Desorientiertheit mit mnestischen Einbussen leide. Eine unzulässige Tatsachenbehauptung liegt schliesslich auch insoweit vor, als geltend gemacht wird, der Notar sei weder durch die Erblasserin selber noch durch deren Beistand auf die Hospitalisation in der Psychiatrischen Klinik aufmerksam gemacht worden, wie überhaupt letzterer gegenüber dem Notar alle auf die Urteilsunfähigkeit von Maria X. hinweisenden Tatsachen verschwiegen habe. So habe der Notar auch den Testamentsentwurf nicht etwa an die Adresse von Maria X. in der psychiatrischen Klinik geschickt, sondern an deren frühere, mit jener des Beklagten übereinstimmenden Adresse. Da sich zu all dem wie auch zum Fragenkomplex allfälliger Beeinflussungen der Erblasserin durch Dritte keine Ausführungen im Urteil finden, kann auf die entsprechenden tatsächlichen Ausführungen in der Berufung nicht eingetreten werden. b) Das Kantonsgericht ist davon ausgegangen, dass bei Maria X. für den Zeitpunkt der Errichtung des angefochtenen Testamentes ein "Psychoorganisches Syndrom" diagnostiziert wurde, so dass von einer Geistesschwäche im Rechtssinn auszugehen sei; daraus könne aber in rechtlicher Hinsicht nicht gefolgert werden, dass der Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes die Fähigkeit rechtsgeschäftlichen Handelns zum vornherein gefehlt habe. Es begründet dies damit, dass Prof. K. als Gutachter das Ausmass der Beeinträchtigung nicht mehr habe bestimmen können und namentlich keine schlüssigen Aussagen darüber gemacht habe, ob Maria X. anlässlich der Besprechung des öffentlichen Testamentes am 23. März 1989 und dessen Errichtung am 5. April 1989 urteilsfähig war oder nicht; daraus folge, dass nach der Lebenserfahrung die Vermutung der Urteilsfähigkeit gelte; es sei daher Sache der Klägerin, die Urteilsunfähigkeit der Erblasserin bei der Errichtung des Testamentes zu beweisen, weil die Ausführungen des Experten keine Zweifel daran liessen, dass die Geistesschwäche nicht derart gravierend war, dass Maria X. zum vornherein die Fähigkeit zu rechtsgeschäftlichem Handeln gefehlt habe. Mit dieser Begründung verstösst die Vorinstanz gegen die Grundsätze, die sich zur Vermutung der Urteilsfähigkeit ergeben (E. 1b). Allein der Umstand, dass sich im nachhinein das genaue Ausmass der Störung bei Maria X. nicht mehr bestimmen liess und weder bewiesen ist, dass die Erblasserin an den fraglichen Tagen die Tragweite ihres Handelns realisierte, noch das Gegenteil, lässt nicht darauf schliessen, dass die Klägerin mit dem von ihr zu erbringenden BGE 124 III 5 S. 15 Beweis der Urteilsunfähigkeit gescheitert ist. Nach der Rechtsprechung ist nämlich der Nachweis einer Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit für einen ganz bestimmten Zeitpunkt - im vorliegenden Fall für den 23. März 1989 und den 5. April 1989 - dann nicht erforderlich, wenn nachgewiesen wird, dass die verfügende Person aufgrund ihres allgemeinen Gesundheitszustandes im Normalfall und mit grosser Wahrscheinlichkeit als urteilsunfähig gelten musste. Während die Lebenserfahrung im allgemeinen für die Vermutung der Urteilsfähigkeit spricht, findet diese Vermutung dort ihre Grenzen und wird in ihr Gegenteil umgekehrt, wo aufgrund des allgemeinen Gesundheitszustandes der betroffenen Person die Lebenserfahrung dafür spricht, dass die Person im allgemeinen für urteilsunfähig zu gelten hat. Aus diesen Gründen durfte das Kantonsgericht den von der Klägerin zu erbringenden Nachweis der Urteilsunfähigkeit nicht mit dem Hinweis für gescheitert erklären, dass die fehlende Testierfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung des öffentlichen Testamentes nicht bewiesen sei. Vielmehr hätte es sich zunächst dazu äussern müssen, ob die Klägerin den Nachweis dafür erbracht hat, dass Maria X. im fraglichen Zeitraum im Normalfall und mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht testierfähig war. c) Im folgenden ist daher zu prüfen, ob gestützt auf die verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz über den geistigen Zustand von Maria X. aufgrund der Lebenserfahrung von der Vermutung auszugehen ist, dass die Erblasserin in der damaligen Zeit im Normalfall und mit grosser Wahrscheinlichkeit urteilsunfähig war, wie es die Klägerin behauptet. aa) Die Vorinstanz geht selbst davon aus, dass Maria X. an einem ausgeprägten Psychoorganischen Syndrom und damit an einer Geistesschwäche im Rechtssinn gelitten hatte. Ihre Krankheit äusserte sich unter anderem darin, dass die damals 86jährige Erblasserin aufgrund mehrerer tatsächlicher Feststellungen allgemein unter einem Zustand der Verwirrtheit litt, wobei sie einmal versucht habe, abends aus dem Fenster zu steigen bzw. mitten auf der Hauptstrasse gelaufen sei. Diese Vorfälle decken sich mit der vom Kantonsgericht übernommenen Feststellung des ärztlichen Gutachters, dass die Erinnerungsfähigkeit, die Merkfähigkeit und das Denken bei Maria X. in der massgebenden Zeit deutlich beschränkt gewesen seien. Vor diesem Hintergrund ist nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, dass die Erblasserin hinsichtlich der intellektuellen Komponente noch als urteilsfähig gelten konnte. Doch auch in bezug auf das Willenselement ergeben sich ernsthafte Zweifel an der Testierfähigkeit BGE 124 III 5 S. 16 der Erblasserin; immerhin hielt der medizinische Gutachter nach den verbindlichen Tatsachenfeststellungen fest, dass sich Maria X. aufgrund ihres Geisteszustandes mehr von einem momentan überwiegend emotional bedingten Gedanken gegenüber dem sie begleitenden Beklagten leiten liess als von ihren habituellen Einstellungen und Überzeugungen. Bereits aufgrund dieses allgemeinen Gesundheitszustandes und der dadurch hervorgerufenen Verhaltensweisen erscheint fraglich, ob aufgrund der Lebenserfahrung die Fähigkeit zu vernunftgemässem Handeln im allgemeinen noch gegeben war. bb) Diese Bedenken werden durch den Umstand noch akzentuiert, dass die Urteilsfähigkeit relativ zu verstehen ist; auch wenn jemand trotz einer allgemeinen Beeinträchtigung gewisse Alltagsgeschäfte noch zu besorgen vermag und daher in bezug auf diese urteilsfähig ist, kann die gleiche Person aufgrund des Grades der Beeinträchtigung für andere, anspruchsvollere Geschäfte urteilsunfähig sein. Der für die Verurkundung des Testamentes verantwortliche Notar P. erklärte gemäss den Feststellungen der Vorinstanz, Maria X. habe ihn am 23. März 1989 unter vier Augen darüber orientiert, dass sie eine Schwester als Verwandte habe, dass der Beklagte auf ihren Wunsch zu ihrem Beistand ernannt worden sei und dass sie ein Testament errichten wolle; sie habe ihm die Weisung gemacht, ihre Beerdigung solle in [...] erfolgen, habe ihr Vermögen mit ca. Fr. 110'000.-- Wertschriften sowie einem hälftigen Hausteil angegeben und klar festgehalten, den Beklagten als Alleinerben einsetzen zu wollen. Er habe den Eindruck gehabt, dass Maria X. an diesem Tag ihren Willen klar formulieren konnte und dass sie auch verstand, worum es ging und wie die rechtliche Situation war. In der Folge sei am 5. April 1989 die Beurkundung des öffentlichen Testamentes in Anwesenheit von Maria X. vorschriftsgemäss erfolgt. Der vom Notar über den Verlauf der Sitzung vom 23. März 1989 vermittelte Eindruck, Maria X. habe völlig autonom über ihre Verwandtschafts- und namentlich Vermögensverhältnisse berichtet und ihre Verfügungsabsichten klar kundgetan und habe sich als zweifelsfrei testierfähig erwiesen, steht unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten solcher Geschäfte in offensichtlichem Kontrast zur Tatsachenfeststellung des Kantonsgerichts, dass ihre Erinnerungsfähigkeit, die Merkfähigkeit und das Denken gemäss ärztlichem Gutachter deutlich beschränkt gewesen seien. Auffallend ist namentlich, dass Maria X. in ihrem eigenhändigen Testament vom 5. September 1974 von ihrem "Bar und Wertschriften Vermögen" sprach, ohne dessen Höhe auch nur ungefähr zu benennen, während BGE 124 III 5 S. 17 sie - 15 Jahre später und 11 Jahre nach Erleiden des Hirnschlages - anlässlich der Errichtung der öffentlichen letztwilligen Verfügung vom 5. April 1989 ihr Vermögen auf "rund Fr. 110'000.--" zu beziffern vermochte. In Kontrast dazu steht auch der Umstand, dass sich die Erblasserin an ihre früheren testamentarischen Verfügungen offensichtlich nicht mehr erinnerte und diese gegenüber dem Notar nicht erwähnte, so dass sich dieser mit einer vagen Standardformulierung behelfen musste (siehe Ziff. IV des öffentlichen Testamentes). Obwohl aufgrund des allgemeinen Gesundheitszustandes von Maria X. ihre Urteilsfähigkeit in bezug auf das hier zu beurteilende Geschäft alles andere als evident ist, findet sich im angefochtenen Urteil keine Erklärung, weshalb sie in der Lage war, ihr Wertschriftenvermögen - wenn auch nur mit einem Zirkabetrag - anzugeben, nicht aber, sich an ihre früheren eigenhändigen Testamente zu erinnern. Aufgrund der geistigen Verfassung, in welcher sich die Erblasserin laut dem angefochtenen Urteil befand, ist es - unter Vorbehalt eines luziden Intervalls - schwer vorstellbar, dass sie die ihr Vermögen betreffenden Angaben zu machen vermochte, wie es umgekehrt plausibel ist, dass sie sich der früheren Testamente nicht mehr entsann. cc) Dass die Fähigkeit zu vernunftgemässem Verhalten für das hier zu beurteilende Rechtsgeschäft nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei Maria X. nicht mehr gegeben war, wird auch erhärtet, wenn die umstrittene Verfügung auf ihre Vernünftigkeit geprüft und daraufhin untersucht wird, ob sie den habituellen Einstellungen und Überzeugungen der Erblasserin entsprach, wie sie namentlich in den eigenhändigen Testamenten zum Ausdruck gelangten. Unter bestimmten Umständen darf auch die Vernünftigkeit der in Frage stehenden Handlung bei der Beurteilung der Urteilsfähigkeit berücksichtigt werden. Zwar kann nicht generell vom Inhalt oder von den Folgen eines Rechtsgeschäftes auf das Vorliegen oder Fehlen der Urteilsfähigkeit der betreffenden Person geschlossen werden. Die Frage, ob eine Verfügung unter dem Gesichtspunkt des verantwortungsbewussten und vernünftigen Handelns für Aussenstehende nachvollziehbar ist, stellt sich nämlich dann nicht, wenn beim Testator weder allgemein noch speziell für die Zeit der Verfügung Zweifel an der Urteilsfähigkeit bestehen; sind hingegen wie im vorliegenden Fall solche Zweifel angebracht, kann die Vernünftigkeit einer Verfügung insoweit bedeutsam werden, als deren Inhalt als Indiz dafür gelten kann, dass sich der Testator seiner Handlung bzw. deren Folgen nicht mehr bewusst war ( BGE 117 II 231 E. 2a S. 233 m.w.H.; BUCHER, a.a.O., N. 83 ff. zu Art. 16 ZGB ). BGE 124 III 5 S. 18 In diesem Zusammenhang weist das Kantonsgericht darauf hin, dass der Beklagte Maria X. - offenbar während Jahren - geholfen, und sich namentlich um ihre finanziellen Verhältnisse gekümmert und ihr das nötige Brennholz besorgt habe, während die Erblasserin mit der Klägerin zerstritten gewesen sei. Die Begünstigung des Beklagten auf Kosten der Klägerin, d.h. dessen Einsetzung als Alleinerbe unter Ausschaltung der Schwester als gesetzliche Erbin, entspricht unter den gegebenen Umständen dem normalen Gedankenablauf eines normalverständigen Menschen, so dass diese mutmassliche Motivationslage die Verfügung insoweit durchaus als plausibel erscheinen lässt. Auch dem Kantonsgericht ist indessen nicht entgangen, dass Maria X. mit der durch die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgten Aufhebung aller früherer Testamente nicht nur ihre Schwester vom Erbe ausschloss, sondern auch ihre Vermächtnisse gegenüber vier Institutionen - der Kirche [...], der Ostpriesterhilfe und den Spitälern [...] und [...] - aufhob, welche sie mit dem 15 Jahre zuvor verfassten eigenhändigen Testament mit dem Bar- und Wertschriftenvermögen je zu gleichen Teilen bedacht hatte. An sich ist es zwar nichts Aussergewöhnliches, dass jemand ein früheres Testament durch ein späteres ganz oder teilweise aufhebt. Nun gilt es aber auch zu bedenken, dass nach der allgemeinen Erfahrung Menschen mit zunehmendem Alter sich oft in ihren Gedanken mit dem Tod und damit zusammenhängenden Fragen beschäftigen, und nicht selten stehen Vergabungen damit in Zusammenhang; namentlich religiöse Menschen tätigen zugunsten gemeinnütziger oder kirchlicher Institutionen Vergabungen auch ganz bewusst im Sinn guter Werke im Hinblick auf ihr Ableben. Bei Maria X. hätte es sich nun aber insoweit gerade umgekehrt verhalten, als sie im sehr hohen Alter frühere, gemeinnützige Vergabungen widerrief, ohne dass eine Motivation für diese Handlungsweise sichtbar wäre. Besonders ins Auge springt in diesem Zusammenhang, dass mit der öffentlichen letztwilligen Verfügung auch der am 14. Juli 1980 erfolgte Testamentsnachtrag widerrufen wurde, mit dem die Erblasserin nicht nur die "volle Gültigkeit" des Testaments vom Jahre 1974 bestätigt, sondern auch verfügt hatte: "Bei meinem Tode sollen zu meinem Seelenheil 30 hl. Messen eine (Gregoriana) gelesen werden". Dass Maria X. im Alter von 86 Jahren ihre frühere Anweisung zum eigenen "Seelenheil" widerrief, muss als sehr ungewöhnlich gewertet werden; nach der allgemeinen Erfahrung ist ein solches Verhalten nicht nachvollziehbar und entspricht entgegen der Auffassung der Vorinstanz keineswegs "dem normalen Gedankenablauf eines normalverständigen Menschen". Der mit dem umstrittenen BGE 124 III 5 S. 19 Testament verbundene Widerruf früherer gemeinnütziger Vergabungen sowie der zugunsten ihres Seelenheils getroffenen Auflagen sind Umstände, denen entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts bei der Beurteilung der Testierfähigkeit durchaus Gewicht zukommt. d) Insgesamt ergibt sich, dass angesichts des allgemeinen Gesundheitszustandes von Maria X. die Lebenserfahrung für den Normalfall gegen deren Urteilsfähigkeit in bezug auf das hier zu beurteilende Rechtsgeschäft spricht. Was das Kantonsgericht als Umstände anführt, die nach der Lebenserfahrung für die Vermutung der Urteilsfähigkeit der Erblasserin hinsichtlich des hier zu beurteilenden Geschäftes sprechen sollen, vermag daran nichts zu ändern: aa) Das Kantonsgericht hat bei der Beurteilung der Frage der Urteilsfähigkeit von Maria X. insbesondere grosses Gewicht auf die Aussagen der Zeugen gelegt, und unter Bezugnahme auf dieselben festgestellt, dass man sich mit Maria X. noch gut habe unterhalten können, dass sie sich ihrer Situation bewusst gewesen sei und dass sie gut habe unterscheiden können, wer zu ihr gestanden sei oder nicht. Die Feststellung, die Erblasserin sei sich ihrer Situation bewusst gewesen, erfolgt unter Hinweis auf Äusserungen des Hausarztes Dr. F. Abgesehen davon, dass eine so allgemein gehaltene Umschreibung kaum konkrete Schlüsse auf den Grad der Urteilsfähigkeit zuliesse, hat sich der Zeuge gerade nicht in diesem allgemeinen Sinn ausgedrückt, sondern nach den Feststellungen des Kantonsgerichts vielmehr erklärt, über ihre eigenen Angelegenheiten - d.h. den Eintritt ins Altersheim - habe man sich mit ihr noch gut unterhalten können; zudem ist nicht bekannt, auf welchem intellektuellen Niveau sich die Unterhaltung über den Eintritt ins Altersheim bewegte. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass Dr. F. nach den verbindlichen Tatsachenfeststellungen auch von einer deutlichen Verschlechterung des Denkvermögens seit dem 1985 erlittenen Hirnschlag, von einer deutlichen Verlangsamung des Denkens und von einer teilweisen Verwirrtheit im Dezember 1988 sprach. Dies deutet eher darauf hin, dass von einer im Normalfall wesentlich beeinträchtigten Urteilsfähigkeit auszugehen ist. bb) Was sodann die sich teilweise widersprechenden Aussagen der Zeugen Vitus S. und Hans T. einerseits und der Zeugin Rita B. andrerseits betrifft, ist vorweg darauf hinzuweisen, dass Laien erfahrungsgemäss nur selten eine zutreffende Vorstellung der Urteilsfähigkeit im Rechtssinn haben; in aller Regel kann ein Zeuge hinsichtlich der Urteilsfähigkeit keine genaue Angaben machen, ausser er BGE 124 III 5 S. 20 wisse tatsächlich genau Bescheid über das fragliche Rechtsgeschäft und die psychische Verfassung der betreffenden Person. Dieser Besonderheit hat das Kantonsgericht bei seinen Schlüssen, die es aus den Zeugenaussagen in bezug auf die Urteilsfähigkeit gezogen hat, keine Rechnung getragen. Jedenfalls kann allein aus den Einschätzungen des Zeugen Vitus S., zu Beginn des Aufenthaltes in der Klinik sei Maria X. für das Abfassen eines Testamentes urteilsfähig gewesen, nicht einfach auf die Testierfähigkeit der Erblasserin geschlossen werden; das gleiche gilt für die Aussage des Zeugen Hans T., der den Eindruck gehabt hat, Maria X. habe im Jahre 1988/1989 gut unterscheiden können, wer zu ihr gestanden sei und wer nicht. Umgekehrt kann auch aus der Aussage der Zeugin Rita B., mit Maria X. habe man schon in der Zeit vor 1989 keine vernünftigen Gespräche mehr führen können und sie habe auch komisch gelacht, nicht ohne weiteres auf die fehlende Testierfähigkeit geschlossen werden. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Umstand, dass in der Krankengeschichte festgehalten wird, dass die Patientin - wenn auch nur in bescheidenem Rahmen - noch diskussionsfähig gewesen sei. Wenn eine unbestrittenermassen in ihren intellektuellen Fähigkeiten angeschlagene Person noch in der Lage war, an einer Unterhaltung etwa über banale Alltäglichkeiten teilzunehmen, kann daraus nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit der Schluss gezogen werden, diese Person sei auch in bezug auf intellektuell anspruchsvollere Fragen - wozu letztwillige Verfügungen über das Vermögen zweifellos gehören - im Normalfall wahrscheinlich urteilsfähig gewesen. e) Insgesamt ergibt sich das Bild einer allgemeinen Geistesverfassung von Maria X., das nur den Schluss auf eine im Normalfall stark eingeschränkte Urteilsfähigkeit zulässt; es ist daher davon auszugehen, dass die Erblasserin nach ihrer Einweisung in die Psychiatrische Klinik im Frühjahr 1989 in bezug auf den Abschluss von relativ anspruchsvollen Geschäften, wozu die Errichtung eines Testamentes zählt, im Normalfall nicht mehr urteilsfähig war. Das Kantonsgericht durfte daher nicht davon ausgehen, dass der von der Klägerin zu erbringende Nachweis für die fehlende Testierfähigkeit der Erblasserin gescheitert sei. Vielmehr ist aufgrund einer Würdigung aller Umstände davon auszugehen, dass Maria X. im fraglichen Zeitraum mit grosser Wahrscheinlichkeit im Normalfall nicht mehr testierfähig war. Dem Beklagten steht der Gegenbeweis offen, dass die Erblasserin trotz im Normalfall gegebener Urteilsunfähigkeit zum fraglichen Zeitpunkt ausnahmsweise urteilsfähig war.
null
nan
de
1,997
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
135669ee-5082-47b6-a878-8fdcf196cf44
Urteilskopf 104 Ia 321 49. Auszug aus dem Urteil vom 27. September 1978 i.S. Näf gegen Knaff, Stolz und Obergericht (2. Zivilabteilung) des Kantons Aargau
Regeste Art. 4 BV . Rechtliches Gehör. Verletzung des rechtlichen Gehörs bei ausgangsgemässer Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen im Zivilprozess ohne Prüfung des begründeten Antrags der unterliegenden Partei auf Kostenteilung.
Sachverhalt ab Seite 321 BGE 104 Ia 321 S. 321 Heinz Näf kaufte 1968 mehrere unerschlossene Bauparzellen, wobei er sich gemäss Kaufvertrag an den Erstellungskosten der Zufahrtsstrasse zu beteiligen hatte. 1971 erwarben Knaff und Stolz je ein an die inzwischen erstellte Zufahrtsstrasse anstossendes Grundstück vom Bauunternehmer Marty, mit welchem sie gleichzeitig Bauverträge abschlossen. Während die Käufer gemäss den Grundstückskaufverträgen die noch offenstehenden Anteile am Strassenbau separat zu bezahlen hatten, sahen die Bauverträge eine Pauschale für Erschliessungs- und Umgebungsarbeiten vor. Unter Berufung auf diese Bauverträge lehnten Knaff und Stolz in der Folge eine Beteiligung an den Erstellungskosten der Strasse ab, welche von Näf und zwei weiteren Anstössern bezahlt worden waren. Näf klagte Knaff und Stolz auf die Bezahlung eines Kostenanteils ein. Das zuständige Bezirksgericht wies die Klage ab, wobei es der Ansicht war, Knaff und Stolz seien weder aus Vertrag noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. ungerechtfertigter Bereicherung zur BGE 104 Ia 321 S. 322 Übernahme eines Kostenanteils gegenüber Näf verpflichtet. Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte dieses Urteil. Gegen seinen Entscheid erhob Näf staatsrechtliche Beschwerde, unter anderem weil im Zusammenhang mit der Kosten- und Entschädigungsregelung Art. 4 BV verletzt worden sei. Das Bundesgericht gelangt in diesem Punkte zur Gutheissung der Beschwerde aus folgender Erwägungen Erwägung: 3. Die weiteren Rügen des Beschwerdeführers richten sich gegen die Kosten- und Entschädigungsregelung für das kantonale Verfahren; das Obergericht auferlegte ihm Fr. 850.- Gerichtskosten und Fr. 769.- und 638.- Parteientschädigungen und bestätigte die ihm ebenfalls auferlegten Fr. 900.- Gerichtskosten und Fr. 1599.- bzw. 100.- Parteientschädigungen erster Instanz. a) Der Beschwerdeführer legt dem Obergericht eine Missachtung der Begründungspflicht gemäss § 138 der Zivilprozessordnung des Kantons Aargau vom 12. März 1900 (ZPO) und zugleich des verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches Gehör zur Last, weil das angefochtene Urteil auf seinen Antrag, auch bei Klageabweisung die Kosten zu teilen, nicht eintrete. Das Obergericht begründet in der Tat seinen Kostenspruch unter Hinweis auf § 53 ZPO nur damit, dass der Beschwerdeführer im Verfahren unterlag. Die Pflicht zur Begründung richterlicher Entscheide wird grundsätzlich vom kantonalen Verfahrensrecht bestimmt; der Gehörsanspruch aus Art. 4 BV hat demgegenüber nur subsidiäre Bedeutung und darf deshalb auch nicht zu streng gehandhabt werden ( BGE 102 Ia 6 , BGE 101 Ia 305 und frühere). Nach § 138 ZPO soll ein Endurteil u.a. "d) die Erwägungen" enthalten; auch wenn der Kostenspruch - anders als bei "e) Entscheidungen" in Verbindung mit § 140 ZPO - nicht ausdrücklich erwähnt wird, dürfte doch auch diesbezüglich die Begründungspflicht zu bejahen sein. Dieser Pflicht ist das Obergericht jedoch nachgekommen, wenn auch in knappster Form. Insoweit ist die Beschwerde unbegründet. b) Der Beschwerdeführer meint denn auch wohl gar nicht das Fehlen jeglicher Begründung, sondern will rügen, dass auf die von ihm vorgetragenen Argumente nicht eingegangen worden sei, was ebenfalls eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs ergeben kann (TINNER in ZSR 83/1964 II S. 358 und 362; vgl. auch BGE 104 Ia 321 S. 323 BGE 96 I 723 , BGE 101 Ia 296 und 552); die Erwägungen sollen auch eine Würdigung der Parteivorbringen enthalten (EICHENBERGER, Beiträge zum Aargauischen Zivilprozessrecht, S. 206 zu lit. d). In der Verhandlung vor Obergericht beantragte der Anwalt des Beschwerdeführers unter Berufung auf § 54 lit. b und c ZPO im Falle seines Unterliegens Kostenteilung, weil er in guten Treuen prozessiert habe, entsprechend der vorprozessual überblickbaren Rechtslage, in schuldloser Unkenntnis der massgebenden Tatsachen, nach klarer und eindeutiger Verpflichtung der Beklagten im Brief Marty und in den Kaufverträgen, während die Bauverträge erst im Prozess und unvollständig eingereicht worden seien. Nach § 54 ZPO kann denn auch der Richter die Kosten wettschlagen oder verhältnismässig teilen: "a)... b) wenn die Streitsache nach dem Ermessen des Richters derart ist, dass die unterliegende Partei in guten Treuen zur Führung des Rechtsstreites veranlasst war, c) wenn die unterliegende Partei die Tatsache, die den Grund des Urteils ausmacht, nicht kannte und zu kennen nicht verbunden war." Indem das Obergericht sich nur auf die Regel des § 53 ZPO stützte, wonach die unterliegende Partei kostenpflichtig wird, ohne überhaupt auf die Frage einzutreten, ob der Beschwerdeführer sich zu Recht auf einen der gesetzlichen Ausnahmefälle gemäss § 54 ZPO berief, hat es diesem das rechtliche Gehör verweigert. Daran ändert auch nichts, dass § 54 ZPO weitgehend auf richterliches Ermessen verweist. Das muss zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, soweit es die erst- und zweitinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen regelt. c) Auf die weitere Rüge, dass vorliegend § 54 lit. b und c ZPO willkürlich nicht angewandt worden seien, braucht bei diesem Ausgang nicht eingegangen zu werden.
public_law
nan
de
1,978
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
13599de5-66e8-4468-a349-f8db4a036464
Urteilskopf 113 II 506 88. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. November 1987 i.S. Immoconsulta AG gegen Georg Schwyzer und Mitbeteiligte (Berufung)
Regeste Auslegung einer Grunddienstbarkeit (Art. 730/738 ZGB). 1. Dienstbarkeit des Inhalts, dass auf den belasteten Grundstücken nur Wohnhäuser mit höchstens einer Wohnung je Etage gestattet sind und dass nicht mehr als zwei Wohnhäuser zusammengebaut werden dürfen, wobei jedes der beiden Häuser höchstens eine Wohnung je Etage aufweisen darf (sog. Parkring-Servitut in Zürich). 2. Dieser Dienstbarkeit kann keine Vorschrift entnommen werden, wonach im Falle des Zusammenbaus von zwei Häusern je zwei in statischer, funktioneller und ästhetischer Hinsicht selbständige Gebäude erstellt werden müssen. 3. Eine Attikawohnung, die sich über zwei zusammengebaute Häuser erstreckt, verträgt sich mit Wortlaut, Sinn und Zweck der Servitut.
Sachverhalt ab Seite 507 BGE 113 II 506 S. 507 A.- Die Immoconsulta AG (Herrliberg) beabsichtigt, auf ihrem Grundstück Kat. Nr. 655 in Zürich-Enge sechs Mehrfamilienhäuser zu bauen, von denen je zwei aneinandergebaut werden sollen. Gemäss Beschluss vom 6. September 1986 der Bausektion II des Stadtrates von Zürich hat die Immoconsulta AG hiefür die mit Bedingungen verbundene Baubewilligung erhalten. Auf dem Grundstück lastet die sogenannte Parkring-Servitut vom 22. Mai 1947 (Servitutenprotokoll Zürich-Enge Nr. 757), die für das ganze Quartier gegenseitige Bau- und Gewerbebeschränkungen vorsieht. Sie hat bezüglich der in Frage stehenden Parzelle folgenden Wortlaut: "Auf den Grundstücken ... sind nur Wohnhäuser mit maximal einer Wohnung pro Etage gestattet. In bezug auf das Zusammenbauen ist höchstens gestattet, zwei Wohnhäuser aneinander zu errichten, sei es auf dem gleichen Grundstück, sei es zwischen zwei Grundstücken; dabei darf jedes der beiden Häuser maximal eine Wohnung pro Etage aufweisen. Zur Erreichung einer guten Bauausnützung innerhalb dieses maximalen Baurahmens und der gesetzlichen Grenz- und Gebäudeabstände sind ausdrücklich beliebige Land-Neueinteilungen (Zusammenlegungen oder Parzellierungen) gestattet. ..." Georg Schwyzer, Doris Gäumann, Silvia Scheuermann und Max Saesseli sind Eigentümer von am Parkring gelegenen Liegenschaften, die ebenfalls durch die Parkring-Servitut belastet und berechtigt sind. Sie widersetzten sich der von der Immoconsulta AG geplanten Überbauung, indem sie eine Verletzung dieser Dienstbarkeit geltend machten. B.- Am 1. März 1985 klagte die Immoconsulta AG beim Bezirksgericht Zürich auf Feststellung, dass ihr Bauvorhaben die BGE 113 II 506 S. 508 Parkring-Servitut nicht verletze. Das Bezirksgericht Zürich hiess die Klage mit Urteil vom 2. Oktober 1986 gut und wies die Widerklage der Gegenpartei, mit welcher ein Verbot des Bauvorhabens verlangt wurde, ab. Demgegenüber hiess das Obergericht des Kantons Zürich eine Berufung von Georg Schwyzer, Doris Gäumann, Silvia Scheuermann und Max Saesseli gut, wies somit die Hauptklage der Immoconsulta AG ab und verbot dieser in Gutheissung der Widerklage die Ausführung des umstrittenen Bauvorhabens. Gegen dieses Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 28. April 1987 erhob die Immoconsulta AG Berufung an das Bundesgericht, die gutgeheissen wurde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die sich aus einer Dienstbarkeit ergebenden Rechte und Pflichten sind zunächst aufgrund des Eintrags zu ermitteln ( Art. 738 Abs. 1 ZGB ). Hilfsweise sind sodann, im Rahmen des Eintrags, der Erwerbsgrund und die Art heranzuziehen, wie die Dienstbarkeit während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist ( Art. 738 Abs. 2 ZGB ). Schliesslich ist auch nach Sinn und Zweck der Dienstbarkeit zu fragen, und es sind die Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks zu berücksichtigen ( BGE 109 II 414 E. 3, BGE 108 II 547 ff.; Kommentar LIVER, N. 16 und 109 ff. zu Art. 738 ZGB ; Kommentar LEEMANN, N. 11 zu Art. 738 ZGB ; PIOTET, in Schweizerisches Privatrecht V/1, S. 583); das lässt allerdings, entgegen einer Bemerkung der Vorinstanz, Art. 738 Abs. 2 ZGB nicht zu einer blossen Kann-Vorschrift (im Sinne der Einräumung behördlichen Ermessens) werden. In dem hier zu beurteilenden Fall ist dem Wortlaut des Dienstbarkeitsvertrags vom 22. Mai 1947 zweierlei zu entnehmen: Jedes Wohnhaus darf nicht mehr als eine Wohnung je Stockwerk haben, und der Zusammenbau ist auf zwei Wohnhäuser beschränkt. Daraus lässt sich der Zweck der Dienstbarkeit erkennen: Die Wohndichte soll tief gehalten und der Umfang (das Volumen) der Bauten soll beschränkt werden. Gleich wie mit den für das ganze Gebiet geltenden Gewerbebeschränkungen wird mit diesen Vorschriften der Parkring-Servitut die Hebung der Wohnqualität angestrebt. 3. Einleitend zur Parkring-Servitut wird festgestellt, neben den öffentlichrechtlichen Bauvorschriften gälten "nachstehende privatrechtliche Bauvorschriften". Diese (übrigens selbstverständliche) Feststellung schafft, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, BGE 113 II 506 S. 509 keineswegs eine Verbindung zwischen öffentlichem und privatem Recht in dem Sinne, dass die Vorschriften des öffentlichen Rechts für die Auslegung der Dienstbarkeit beizuziehen wären, sofern - wie im vorliegenden Fall - keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie nicht ohnehin Bestandteil der privatrechtlichen Vereinbarung geworden sind. Damit ist der Überlegung der Boden entzogen, weil die Dienstbarkeit im Gegensatz zu der im Zeitpunkt ihrer Errichtung geltenden Bauordnung das Doppelwohnhaus nicht nenne, sei mit dem Begriff des Zusammenbauens "der Begriff der Trennbarkeit unauflöslich verbunden". Auch lässt sich - mit dem Hinweis auf das am 1. April 1947 aufgehobene Baureglement für das Villenquartier Enge, an dessen Stelle die Bauordnung der Stadt Zürich und, am 22. Mai 1947, die Parkring-Servitut getreten sei - nicht behaupten, die geplante Überbauung mit 18 Wohnungen und 44 Abstellplätzen widerspreche dem Charakter eines angenehmen und ruhigen Wohnquartiers. Beschränkt sind nach der Dienstbarkeit nämlich die Zahl der Wohnungen je Etage und das Bauvolumen, nicht aber die Zahl der Wohnungen überhaupt. Abstellplätze für Fahrzeuge werden von der Dienstbarkeit schon gar nicht ins Auge gefasst. 4. Das Obergericht des Kantons Zürich wirft der Klägerin eine Umgehung des Wortlauts der Servitut vor, weil die beabsichtigten Bauten der Unterteilung ermangelten. Unter Wohnhaus lasse sich nur ein Haus verstehen - führt die Vorinstanz aus -, in dem die üblichen Wohnbedürfnisse befriedigt werden können. Bei den hier projektierten Bauten seien jedoch wichtige Wohnfunktionen von den Blockhälften losgelöst und auf andere Grundstück- und Gebäudeteile verteilt, was zahlreiche unter- und oberirdische Verbindungswege von einem Teil des Areals zum andern erfordere. Im Block C befinde sich der Luftschutzkeller für die Blöcke B und C, im Block B die Heizung für diese beiden Blöcke. Der Block C enthalte zwei Treppenhäuser, aber nur einen Lift; der Keller dieses Blocks sei nicht in zwei Gebäudekeller unterteilt. Auch der Keller im Block B sei nicht nach Gebäuden unterteilt, und dieser Block enthalte nur eine Waschküche. Beim Block A sei zwar eine Trennmauer in der Mitte des Kellers vorgesehen, doch sei diese mit einer Türe durchbrochen. Der Block A habe nur eine einzige Heizung und einen Luftschutzraum. Teilweise unter dem Block B und teilweise unter der Freifläche zwischen den Blöcken B und C befinde sich eine Einstellhalle für 32 Personenwagen. BGE 113 II 506 S. 510 Insbesondere stellt die Vorinstanz fest, dass auf den Blöcken B und C je eine grosse Attikawohnung gebaut werden solle, die von einer Blockhälfte her durch Lift und Treppenhaus erschlossen sei. Baulich reichten diese Attikawohnungen über die darunter liegende Brandmauer auf die andere Blockhälfte hinüber. 5. Die Parkring-Servitut enthält keine Vorschriften über die innere oder äussere Ausgestaltung der Wohnhäuser, wonach, für Dritte ohne weiteres erkennbar, je zwei selbständige Häuser gebaut werden müssten. Davon abgesehen, erscheint es zum mindesten fraglich, ob der Begriff des Wohnhauses - wie die Beklagten behaupten - verlange, dass jedes Haus über einen eigenen Keller und Luftschutzraum, eine eigene Waschküche und Heizungsanlage, eine eigene Empfangsanlage für das Fernsehen und schliesslich eine eigene Autogarage verfüge, treten doch diese Anlagen äusserlich in der Regel nicht oder nur wenig in Erscheinung. Anderseits ist den Feststellungen im angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass bei jedem Wohnblock getrennte Eingänge und bei den Blöcken B und C getrennte Treppenschächte optisch erkennbar sind. Insoweit verstösst das Bauprojekt der Klägerin auf jeden Fall nicht gegen den Wortlaut der Dienstbarkeit. Demgegenüber kann eine Attikawohnung, die sich über zwei Blockhälften erstreckt, den Eindruck erwecken, es bestehe nur ein einziges Wohnhaus anstatt deren zwei. Von diesem Eindruck ausgehend, könnte man meinen, auf jeder der unteren Etagen seien zwei Wohnungen untergebracht anstatt nur eine, wie es die Servitut verlangt. Das wird denn auch von den Beklagten in den Vordergrund gestellt und von der Klägerin eingesehen. 6. Die Beklagten sehen den Sinn der Unterscheidung zwischen zusammengebauten Häusern mit je einer Wohnung pro Etage (wie sie die Dienstbarkeit erlaube) und einheitlichen Häusern mit zwei Wohnungen je Geschoss (wie sie die Servitut verbiete) "in der Absicht, die Kleinmassstäblichkeit der Bausubstanz, die Individualisierbarkeit von Bauten und Bewohnern und eine gewisse Bürgerlichkeit des Quartiers zu erhalten". Was immer man unter diesen Umschreibungen verstehen mag, vermögen sie nicht eine Verletzung der Parkring-Servitut zu begründen. Übertrieben erscheint sodann die Erklärung der Beklagten, es würde eine Grossüberbauung mit zahlreichen (Klein-)Wohnungen entstehen, wenn das Projekt der Klägerin verwirklicht werden könnte; denn die aneinander gebauten Wohnhäuser würden als ein einziges Gebäude betrachtet und, mit Ausnahme der Attikawohnung, BGE 113 II 506 S. 511 zwei Wohnungen je Stockwerk aufweisen. Wie bereits ausgeführt, kann der umstrittenen Servitut keine Bestimmung entnommen werden, welche die äussere (und die innere) Ausgestaltung der Wohnhäuser vorschreibt. Daher besteht keine Verpflichtung der Dienstbarkeitsbelasteten, die Fassaden (Fenster, Balkone usw.) so zu gestalten, dass daraus auf zwar zusammengebaute, aber dennoch optisch getrennte Wohnhäuser geschlossen werden kann. 7. Die Beklagten begründen ihre Auffassung, dass die Servitut eine vertikale Trennung der Wohnhäuser - und damit eine statische und bauphysikalische Selbständigkeit, eine die üblichen Wohnbedürfnisse befriedigende Selbständigkeit und auch eine optisch in Erscheinung tretende, ästhetische Selbständigkeit - verlange, mit dem Hinweis auf den Wortlaut der Dienstbarkeit, welche die Errichtung von zwei aneinandergebauten Wohnhäusern gestatte und die Wendung enthalte "... jedes der beiden Häuser". Abgesehen davon, dass das Verlangen nach einer äusserlich in Erscheinung tretenden Trennung der Wohnhäuser im Wortlaut der Servitut keine Stütze findet, ist zuzugeben, dass - nach den vorliegenden Plänen und dem Modell zu schliessen - jeder der projektierten Wohnblöcke als eine Einheit erscheint und dass gewisse Anlagen wie Heizung, Keller, Waschküche und Aufzug nicht doppelt vorgesehen sind. Insoweit entbehren die zusammengebauten Häuser, jedes für sich genommen, der konsequenten funktionellen Selbständigkeit. Indessen ist nicht ersichtlich, was für die Erfüllung des Dienstbarkeitszweckes erreicht wäre und was die Servitutsberechtigten gewinnen würden, wenn in jedem Wohnblock die technischen Anlagen doppelt erstellt würden, jeder Wohnblock eine durchgehende Trennmauer hätte und die Keller in zwei völlig voneinander getrennte und nicht miteinander verbundene Teile getrennt würden. Unter diesem Gesichtspunkt besteht kein schutzwürdiges Interesse der Beklagten, dass rigoros auf den Wortlaut der Dienstbarkeit ("jedes der beiden Häuser") abgestellt wird. 8. Es bleibt das Problem der für die Blöcke B und C projektierten Attikawohnungen zu beurteilen, deren Vereinbarkeit mit der Parkring-Servitut in der Tat nicht ohne weiteres gegeben ist. a) Zutreffend ist die Darstellung in der Berufungsantwort, dass eine solche Attikawohnung, welche sich über den ganzen Wohnblock erstreckt und das ganze Stockwerk beansprucht, den Wohnblock als ein einziges Haus erscheinen lässt; bezüglich der unteren BGE 113 II 506 S. 512 Etagen würde der Eindruck erweckt, dass je zwei Wohnungen bestehen. Sollte der Wohnblock in zwei Hälften geteilt werden, würde im Attikageschoss den beiden Hälften eine Aussenmauer fehlen, und die eine Hälfte der Attikawohnung hätte keinen eigenen Zugang und wäre selbständig weder durch eine Treppe noch durch einen Lift erschlossen. Anderseits ist zu erwarten, dass eine sich über den ganzen Wohnblock erstreckende Attikawohnung weniger Bewohner beherbergen wird als zwei Wohnungen auf demselben Geschoss. Das wird weniger Immissionen nach sich ziehen und verstärkt eher den bürgerlichen Villencharakter, auf den die Beklagten Wert legen. Von einer "Vermassung der Bausubstanz" kann im Hinblick auf die Attikawohnungen jedenfalls keine Rede sein. b) Die endgültige Antwort ist wiederum im Zweck der Dienstbarkeit zu suchen. Als solcher ist die Tiefhaltung der Wohndichte und die Beschränkung des Bauvolumens erkannt worden. Hingegen kann es nicht als Zweck der Parkring-Servitut bezeichnet werden, eine statische und bauphysikalische Selbständigkeit jedes einzelnen Wohnhauses durchzusetzen. Eine konsequente funktionelle Selbständigkeit der technischen Anlagen würde - abgesehen davon, dass sie als unwirtschaftlich erscheint - das Bauvolumen eher vergrössern denn vermindern. Für das Verlangen nach optischer Unterscheidbarkeit der beiden Gebäudehälften kann, wie bereits ausgeführt, in der Dienstbarkeit keine Stütze gefunden werden; ja es ist zu befürchten, dass eine solche Differenzierung zu einer ästhetisch fragwürdigen Lösung führen könnte, welche auch nicht im Sinne der Beklagten läge. So gesehen, lässt sich die Meinung nicht aufrechterhalten, die geplanten Attikawohnungen seien mit der Parkring-Servitut unvereinbar. Wenngleich nicht zu übersehen ist, dass nach dem Wortlaut der Dienstbarkeit freistehende Wohnhäuser mit nicht mehr als einer Wohnung auf jeder Etage die Regel bilden sollen und der - nach der Dienstbarkeit zulässige - Zusammenbau von zwei Wohnhäusern sich dergestalt nach dieser Regel zu richten hat, dass jedes der beiden zusammengebauten Häuser höchstens eine Wohnung je Stockwerk aufweist, müssen die Attikawohnungen im vorliegenden Fall als noch zulässig betrachtet werden. Das erheischen nicht zuletzt der bei der Auslegung einer Dienstbarkeit zu beobachtende Grundsatz der Verhältnismässigkeit und das Gebot der restriktiven Auslegung ( BGE 109 II 414 E. 3).
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1,987
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Federation
135bbf08-a1ed-40b1-83bb-778e679b8a74
Urteilskopf 117 Ia 430 68. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. Oktober 1991 i.S. C. AG und Mit. gegen Gemeinde Wiesendangen und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 22ter BV ; Zuweisung eines Gebietes zur Reservezone. 1. Kognition des Bundesgerichts bei der Überprüfung von Zoneneinteilungen und -abgrenzungen (E. 4a). 2. Allgemeine Grundsätze. Bei der Festsetzung von Bauzonen, insbesondere bei Industriezonen, sind auch die regionalen Verhältnisse zu berücksichtigen (E. 4b). 3. Bei der erstmaligen Zonenplanung im Sinne des Raumplanungsgesetze müssen besondere Umstände vorliegen, damit eine Einzonungspflicht besteht (E. 4c).
Sachverhalt ab Seite 430 BGE 117 Ia 430 S. 430 Die C. AG und Mit. sind Eigentümerinnen verschiedener Grundstücke im Gebiet Ruchegg/Hinteregg in der Gemeinde Wiesendangen. Nach dem Zonenplan dieser Gemeinde vom 23. Oktober 1970 befand sich dieses Gebiet in der Gewerbezone. Mit dem BGE 117 Ia 430 S. 431 Gesamtplan vom 10. Juli 1978 wies der Zürcher Kantonsrat die Fläche dem Bauentwicklungsgebiet zu. Am 31. Oktober 1983 beschloss die Gemeindeversammlung Wiesendangen eine neue Nutzungsplanung. In der Folge unterbreitete der Gemeinderat die neue Ortsplanung dem Regierungsrat des Kantons Zürich zur Genehmigung. Dieser nahm das Gebiet Ruchegg/Hinteregg mit Beschluss vom 30. Mai 1984 von der Genehmigung aus, da die dort von der Gemeindeversammlung Wiesendangen festgelegte Gewerbezone dem kantonalen Gesamtplan widersprach. Hiegegen gelangte die Politische Gemeinde Wiesendangen mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung der Gemeindeautonomie ans Bundesgericht. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 1. Mai 1985 ab, soweit es darauf eintrat. Gestützt auf dieses erste Urteil des Bundesgerichtes wies die Gemeindeversammlung Wiesendangen das Areal Ruchegg/ Hinteregg der Reservezone zu. Dagegen rekurrierten u.a. die C. AG und Mit. bei der kantonalen Baurekurskommission IV. Diese wies die Rekurse am 30. Juni 1988 vollumfänglich ab und bestätigte die Zuteilung des rund 13 ha umfassenden Areals Ruchegg/Hinteregg zur Reservezone. Auch der Regierungsrat wies den von den genannten Grundeigentümerinnen erhobenen Rekurs am 12. September 1990 ab. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, es sei nicht erforderlich, dass jede Gemeinde erhebliche Reserven an Industrie- und Gewerbezonen aufweise. Es genüge vielmehr, wenn diese an geeigneter Verkehrs- und Immissionslage für mehrere Gemeinden zusammengefasst würden. Das Bundesgericht weist die von der C. AG und Mit. erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. a) Die Beschwerdeführerinnen rügen weiter eine Verletzung von Art. 22ter BV , weil die Nichteinzonung des Gebietes Ruchegg/ Hinteregg nicht im öffentlichen Interesse liege. Ob eine Eigentumsbeschränkung im Verhältnis zu den entgegenstehenden Privatinteressen im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, prüft das Bundesgericht bei einer auf Art. 22ter BV gestützten Beschwerde grundsätzlich frei, doch auferlegt es sich Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser überblicken als das Bundesgericht, und soweit sich ausgesprochene BGE 117 Ia 430 S. 432 Ermessensfragen stellen, deren Beantwortung den primär für die Ortsplanung verantwortlichen Behörden überlassen bleiben muss ( Art. 2 Abs. 3 RPG ); dies trifft für Fragen der Zoneneinteilung und -abgrenzung regelmässig zu ( BGE 115 Ia 352 E. 3a mit Hinweisen). b) Bei der Erfüllung raumplanerischer Aufgaben, insbesondere bei der Festsetzung von Zonen, haben die Planungsbehörden die Gesamtheit der im positiven Recht normierten Ziele und Grundsätze optimal zu berücksichtigen. Solche ergeben sich aus dem Bundesrecht und dem kantonalen Recht ( BGE 115 Ia 353 ; BGE 114 Ia 374 , BGE 113 Ib 270 ). Dazu gehören die Ziele und Planungsgrundsätze, wie sie in Art. 1 und 3 RPG umschrieben sind. Die Grundsätze der Raumplanung verlangen, dass das Gemeinwesen eine Ordnung der Besiedlung schafft, die auf die erwünschte Entwicklung des Landes ausgerichtet ist ( Art. 22quater BV ; Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RPG ). Die Vorschriften über die Dimensionierung der Bauzonenfläche auf 15 Jahre ( Art. 15 lit. b RPG ) will einen Massstab schaffen, der dieser Ordnungsidee gerecht wird: Die Bauzone soll sich sowohl nach der privaten Bauentwicklung richten als auch diese mit Rücksicht auf den Gesamtzusammenhang begrenzen. Folglich rechtfertigt eine private Nachfrage allein keine Bauzonenerweiterung. Dazu sind besondere Gründe erforderlich. Eine Vergrösserung der Bauzone muss durch eine umfassende Abwägung und Abstimmung aller räumlich wesentlichen Interessen und Gesichtspunkte gerechtfertigt sein ( BGE 115 Ia 353 ; BGE 114 Ia 368 ff., 374). Überdies hat sie der lokal und vor allem regional oder überregional erwünschten Entwicklung zu entsprechen; mit anderen Worten sind bei der Festsetzung von Bauzonen die regionalen Verhältnisse zu berücksichtigen (Urteil des Bundesgerichts vom 10. Dezember 1987, in Pra 1988 Nr. 220; unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 4. Dezember 1990 i.S. Gemeinde Tersnaus, E. 3b und vom 18. März 1988 i.S. Raurica Immobilien AG, E. 2b; WALTER HALLER/PETER KARLEN, Raumplanungs- und Baurecht, Zürich 1990, § 6 N 41 ). Die Planungsgrundsätze von Art. 1 und 3 RPG erlauben gerade bei den Industrie- und Gewerbezonen eine regionale Betrachtung. Dass die Berücksichtigung regionaler Aspekte nicht nur erlaubt, sondern auch sinnvoll ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die bauliche Entwicklung einer Gemeinde nicht zuletzt auch vom Baulandangebot in den Nachbargemeinden, mithin von regionalen Faktoren abhängt. c) Bei einer erstmaligen Zonenplanung im Sinne des eidgenössischen Raumplanungsgesetzes wie hier müssen besondere Umstände BGE 117 Ia 430 S. 433 vorliegen, damit eine Einzonungspflicht besteht. Derartige Umstände sehen die Beschwerdeführerinnen in der vorzüglichen Eignung des betreffenden Areals als Standort für industrielle und gewerbliche Bauten. Diese Eignung stellt der Regierungsrat auch nicht in Abrede. In der Tat ist, wie am Augenschein festgestellt werden konnte, die Verkehrslage des Areals nahe den Autobahnanschlüssen Oberwinterthur und dem Attiker-Dreieck (Autobahnverzweigung N1 und N7) sehr gut. Das Gebiet liegt zudem unweit der Bahnstation Rickenbach/Attikon an der SBB-Linie Zürich-Winterthur-Frauenfeld; verkehrsmässig kann es als groberschlossen bezeichnet werden. Dies gilt für die Kanalisation nur teilweise, doch könnte eine Lösung ohne weiteres gefunden werden. Auch das für eine Überbauung notwendige Quartierplanverfahren würde keine grossen Schwierigkeiten verursachen. Immissionsmässig ist das Gebiet, wie die Beschwerdeführerinnen zu Recht ausführen, offensichtlich für eine Industrie- und Gewerbezone geeignet, liegt es doch abgesetzt von den Wohngebieten. Das Dreieck Ruchegg/ Hinteregg wird auf zwei Seiten durch die N1 und den tiefen Einschnitt der SBB-Linie Winterthur-Frauenfeld bzw. durch die Staatsstrasse Winterthur-Frauenfeld begrenzt. Der Zufahrtsverkehr würde keine Wohngebiete belasten. Das Gebiet Ruchegg/Hinteregg ist, zumindest im heutigen Zeitpunkt, nicht als Fruchtfolgefläche ausgeschieden. Nebst der Eignung verlangt Art. 15 lit. b RPG , dass das Land voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird. Wie eine eingehende Besichtigung des Dorfes Wiesendangen am Augenschein ergab, steht heute in der Gemeinde Wiesendangen praktisch kein unüberbautes Gewerbe- bzw. Industriebauland mehr zur Verfügung. Allerdings sind auch in den Wiesendanger Kern- und Wohnzonen wenig störende Gewerbebetriebe zulässig. Diesen für eine Einzonung sprechenden Gesichtspunkten sind die dagegen sprechenden gegenüberzustellen. Der Regierungsrat führt in seinem Entscheid aus, in der Region Winterthur seien die Reserven an unüberbautem Industriezonenland hinreichend gross, was nach den Feststellungen an der bundesgerichtlichen Instruktionsverhandlung zutrifft. So sind im ca. 2 km entfernten Winterthur-Hegi ca. 52 ha unüberbautes Gewerbezonenland feinerschlossen und zum grössten Teil im freien Handel erhältlich. Aufgrund der Planung werden dort innert der nächsten fünf Jahre weitere 7 ha Industriezonenland erschlossen. Im benachbarten Elsau sind ebenfalls 7 ha Industriezonenland unüberbaut. Diese Verhältnisse BGE 117 Ia 430 S. 434 sind eine Folge des Entscheids der politischen Organe des Kantons Zürich im Rahmen der kantonalen Gesamtplanung, in den Städten Zürich und Winterthur keine Redimensionierung des Baugebietes vorzunehmen, dieses aber in den Agglomerationen dieser Städte mehr zu reduzieren. Es handelt sich dabei um einen Grundsatzentscheid, der durchaus im Bereich des planungspolitischen Ermessens liegt und jedenfalls vor der Verfassung standhält (vgl. ALDO ZAUGG, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, Bern 1987, N 4 zu Art. 53). Wenn der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid diese regionalplanerischen Gesichtspunkte berücksichtigt und sie gegenüber den privaten Interessen höher gewichtet hat, so ist dies aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Für das Bundesgericht, das nicht oberste Planungsbehörde ist ( BGE 115 Ia 385 mit Hinweisen), besteht jedenfalls kein Anlass, in den Ermessensspielraum einzugreifen, der dem Regierungsrat bei der Genehmigung einer kommunalen Nutzungsplanung zusteht. Wie erwähnt, darf die kantonale Behörde bei der Genehmigung kommunaler Zonenpläne den regionalen Aspekten Rechnung tragen. Das Bundesgericht hat bereits früher ausgeführt, dass es gerade Aufgabe der kantonalen Behörde sei, übergeordnete Gesichtspunkte im Rahmen des in Art. 26 RPG vorgesehenen Genehmigungsverfahrens zur Geltung zu bringen. Aus überkommunalen Gründen kann es daher unter Umständen erforderlich sein, in einer Gemeinde eine andere Zonierung zu verlangen, als es aus der Sicht ihrer Bewohner selbst wünschbar erscheint (Pra 1988 Nr. 220; unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 2. Juli 1990 i.S. Stadtgemeinde Schlieren, E. 4a). In diesem Sinne kann dem Schluss des Regierungsrates, es sei nicht notwendig, dass jede Gemeinde erhebliche Reserven an Industrie- und Gewerbezonen aufweise, sondern es genüge, wenn diese an geeigneter Verkehrs- und Immissionslage für mehrere Gemeinden zusammengefasst würden, durchaus gefolgt werden.
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Urteilskopf 90 II 443 49. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. November 1964 i.S. Brenn gegen Brenn.
Regeste Dienstvertrag. Entgegennahme von Diensten, deren Leistung nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist ( Art. 320 Abs. 2 OR ). Fall eines im Elternhause lebenden Bäckers und Konditors, der als voraussichtlicher Geschäftsnachfolger seines Vaters jahrelang in dessen Betrieb arbeitet, ohne einen Barlohn zu beziehen. Stillschweigende Einigung über die Stundung der Lohnforderung. Hinderung und Stillstand der Verjährung. Begriff des Dienstboten im Sinne von Art. 134 Abs. 1 Ziff. 4 OR .
Sachverhalt ab Seite 443 BGE 90 II 443 S. 443 A.- Cassian Brenn, Inhaber einer Bäckerei in Rueun, hatte zwei Söhne und sechs Töchter. Seinen Sohn Franz, geboren 1930, liess er auswärts eine Lehre als Bäcker und BGE 90 II 443 S. 444 Konditor bestehen. Er beabsichtigte, ihm dereinst sein Geschäft zu überlassen. Nach beendigter Lehre übte Franz Brenn seinen Beruf je während einiger Monate in Samedan und Trun aus. Im Anschluss an eine Operation, für deren Kosten der Vater aufkam, kehrte er 1952 in sein Elternhaus zurück. Er erhielt dort Unterkunft und Kost und arbeitete als Bäcker und Konditor im väterlichen Geschäft. Sein Vater scheint ihm ein Taschengeld gegeben zu haben. Im Dezember 1961 zahlte er ihm ausserdem Fr. 700.--. Einen weitern Barlohn erhielt Franz Brenn nicht. Dagegen konnte er von 1956 an den vom Vater angeschafften und unterhaltenen Motorwagen mitbenützen und damit hie und da für seine Rechnung kleine Taxifahrten ausführen. Am 24. Oktober 1961 heiratete Franz Brenn. Sein Vater zahlte die Kosten des Hochzeitsmahls, liess für ihn eine Wohnung einrichten, stellte sie ihm zur Verfügung und kam für die Lebensbedürfnisse des Ehepaares auf. Franz Brenn arbeitete im väterlichen Geschäft weiter. Am 7. Januar 1962 musste sich Franz Brenn in Spitalpflege begeben. Am 18. Januar 1962 starb er. Sein Vater trug die infolge der Krankheit und des Todes entstandenen Kosten. B.- Mit Klage vom 6. Juni 1963/3. Januar 1964 belangten die beiden Erbinnen des Franz Brenn, nämlich dessen Witwe und ihr am 17. August 1962 geborenes Töchterchen, den Vater des Verstorbenen auf Zahlung von Fr. 48'595.50 nebst 5% Zins seit 1. Februar 1962. Sie forderten diesen Betrag als Lohn für die vom Erblasser während neun Jahren geleistete Arbeit, unter Abzug der Leistungen, die der Beklagte wegen der Hochzeit, der Krankheit und des Todes seines Sohnes gemacht hatte. Das Bezirksgericht Glenner wies die Klage ab. Das Kantonsgericht von Graubünden hiess sie dagegen am 19. August 1964 auf Grund von Art. 320 Abs. 2 OR für den Teilbetrag von Fr. 10'903.65 nebst 5% Zins seit 6. Juni 1963 gut. BGE 90 II 443 S. 445 C.- Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beklagte macht geltend, das angefochtene Urteil verletze Art. 320 Abs. 2 OR ; denn unter Familiengliedern gelte die Vermutung der Unentgeltlichkeit der auf Zeit geleisteten Dienste und die Klägerinnen hätten keine Tatsachen bewiesen, die im vorliegenden Falle für Entgeltlichkeit sprächen. Die Auffassung, dass unter Familiengliedern selbst die auf Zeit entgegengenommenen Dienste vermutungsweise unentgeltlich geleistet würden, findet weder in Art. 320 Abs. 2 OR noch in den vom Beklagten angerufenen Urteilen des Bundesgerichtes ( BGE 49 II 1 , BGE 50 II 447 , BGE 67 II 203 ) eine Stütze. Die erwähnte Bestimmung stellt einfach darauf ab, ob die Leistung der Dienste nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten war. Zu den massgebenden Umständen können auch die Beziehungen unter den Beteiligten gehören. Sie sind aber von Fall zu Fall und in Verbindung mit den übrigen Tatsachen zu würdigen. Familienrechtliche Bande sprechen nicht allgemein gegen die Entgeltlichkeit. Im vorliegenden Falle ist zu berücksichtigen, dass der Sohn des Beklagten mündig war, als er im väterlichen Geschäft arbeitete. Er tat dies, ohne nach Familienrecht dazu verpflichtet zu sein. Es verhält sich also nicht so wie z.B. im Falle von Ehegatten, die einander mit Rat und Tat Beistand schulden (Art. 159 Abs. 3, 161 Abs. 2 ZGB) und daher grundsätzlich ohne besonderes Entgelt auch im Beruf oder Gewerbe des andern mitarbeiten müssen (vgl. BGE 74 II 208 , BGE 79 II 168 , BGE 82 II 96 f.). Freiwillig aber leistet ein junger Mann in der Regel nicht jahrelang unentgeltliche Dienste. Die Absicht, zu heiraten, ein Geschäft zu gründen oder sonstwie für seine Zukunft vorzusorgen, legen ihm nahe, nur gegen Entgelt zu arbeiten. Es spricht nichts BGE 90 II 443 S. 446 dafür, dass Franz Brenn anders eingestellt gewesen sei. Dass auch seine Geschwister im Elternhause gearbeitet haben sollen, ohne laufend bar entlöhnt zu werden, ist kein Grund zur Annahme, er habe aufeine Vergütung verzichtet. Er brauchte eine solche nicht ausdrücklich zu fordern, weil er voraussetzen durfte, das väterliche Geschäft werde spätestens beim Tode des Vaters auf ihn übergehen und bei dieser Gelegenheit werde seinen Diensten angemessen Rechnung getragen. Durfte er daraufrechnen, bei der Übernahme des Geschäftes ein Entgelt zu erhalten, so sind seine Dienste auch in dem nun eingetretenen und von keiner Seite vorausgesehenen Falle seines Vorversterbens als entgeltlich zu betrachten. Die Vorinstanz hat also mit Recht angenommen, zwischen Franz Brenn und seinem Vater habe ein Dienstvertrag bestanden. Die auf diesem Vertrag beruhende Lohnforderung Franz Brenns ( Art. 330 OR ) ist gemäss Art. 602 ZGB auf die Klägerinnen als seine Erbinnen übergegangen. Die Art. 334 und 633 ZGB setzen voraus, dass die mündigen Kinder auf ein Entgelt zwar nicht ausdrücklich verzichtet, darauf aber auch keinen vertraglichen Anspruch erlangt haben. Wird den Klägerinnen für die Dienste, die Franz Brenn dem Beklagten leistete, eine Lohnforderung aus Dienstvertrag zuerkannt, so sind sie folglich nicht befugt, unter Berufung auf diese Dienste in einem allfälligen Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Beklagten oder bei der Teilung seines Nachlasses zu verlangen, dass zu ihren Gunsten Art. 334 oder 633 ZGB angewendet werde, selbst wenn man annimmt, die Erben eines vorverstorbenen Kindes seien grundsätzlich berechtigt, an dessen Stelle die Rechte aus diesen Bestimmungen geltend zu machen (vgl. zu dieser - heute nicht zu entscheidenden - Frage EGGER, 2. Aufl., N. 7 zu Art. 334 ZGB ; ESCHER, 3. Aufl., N. 13 zu Art. 633, und TUOR/PICENONI N. 50 zu Art. 633 ZGB ; PIOTET, SJZ 1963 S. 247). Eine doppelte Belastung des Vermögens des Beklagten ist also nicht zu befürchten. Der Beklagte vermag auch nicht einzuwenden, die BGE 90 II 443 S. 447 Zuerkennung einer Lohnforderung an Franz Brenn bezw. dessen Erben benachteilige seine andern Kinder. Die Ansprüche, die diesen allenfalls nach Art. 334, 633 ZGB oder Art. 320 Abs. 2 OR zustehen, bleiben gewahrt. Ob der Beklagte heute imstande ist, die Dienste aller seiner Kinder zu entlöhnen, ist für die Frage, ob jene des Franz Brenn nur gegen Entgelt zu erwarten waren, nicht entscheidend. Auch kann nicht gesagt werden, der Schutz der Klage habe zur Folge, dass jeder Vater seine mehrjährigen Kinder aus dem Hause schicken müsse, um sich vor spätern Lohnforderungen zu schützen. Der Vater kann mit seinen Kindern vereinbaren, unter welchen Bedingungen er ihre Dienste annehmen will. Wenn die Umstände dafür sprechen, dass das Kind bei sich bietender Gelegenheit ein Entgelt erwarte, darf er dagegen nicht die Dienste annehmen, ohne sie zu entlöhnen. 2. Der Beklagte macht geltend, die Lohnforderung sei jedenfalls verjährt, soweit sie sich auf Dienste stützt, die mehr als fünf Jahre vor Einleitung des Prozesses, d.h. vor dem 6. Juni 1958, geleistet wurden. Die Forderungen aus Arbeit von Angestellten, Dienstboten und Arbeitern verjähren mit dem Ablauf von fünf Jahren ( Art. 128 Ziff. 3 OR ). Die Verjährung beginnt mit der Fälligkeit der Forderung ( Art. 130 Abs. 1 OR ). Sie beginnt aber nicht und steht stille, falls sie begonnen hat, "für Forderungen der Dienstboten gegen die Dienstherrschaft während der Dauer des Dienstverhältnisses" ( Art. 134 Ziff. 4 OR ). Wie die Vorinstanz verbindlich festgestellt hat, beabsichtigte der Beklagte, seinem Sohne Franz dereinst sein Geschäft zu überlassen. Im Hinblick hierauf und in der Erwartung, dass er das Entgelt für seine Arbeit bei dieser Gelegenheit erhalten werde, sah Franz Brenn davon ab, die laufende Auszahlung eines Barlohns zu verlangen. Aus diesen Umständen ist zu schliessen, dass der Beklagte und Franz Brenn stillschweigend vereinbarten, die Lohnforderung werde bis zur Auflösung des Dienstverhältnisses gestundet. BGE 90 II 443 S. 448 Sie wurde also erst mit dem Tode des Sohnes (18. Januar 1962) fällig und war somit bei Einleitung der Klage noch nicht verjährt. Wollte man eine Stundung verneinen, so wäre die Verjährungseinrede in Anwendung von Art. 134 Ziff. 4 OR zu verwerfen. Dienstbote im Sinne dieser Bestimmung ist nicht nur, wer im Haushalt arbeitet, sondern auch, wer die Dienste in einem mit dem Haushalt eng verbundenen Gewerbe des Dienstherren leistet und mit diesem wie ein Glied der Familie in Hausgemeinschaft lebt. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn, wie hier, der Dienstherr der Vater des Dienstpflichtigen ist. Die besondere Rücksichtnahme, die in einem solchen Verhältnis im Interesse des Familienfriedens geboten und üblich ist, pflegt den Dienstpflichtigen davon abzuhalten, seine Forderung schon während der Dauer des Verhältnisses in einer die Verjährung unterbrechenden -Weise ( Art. 135 Ziff. 2 OR ) geltend zu machen. Daher muss ihm gegenüber gleich wie zugunsten eines im Haushalt beschäftigten Dienstboten die Verjährungsfrist während der Dauer des Dienstverhältnisses stillstehen. Der gesetzgeberische Gedanke von Art. 134 Ziff. 4 (s. BECKER N. 4) trifft hier zu. Der Begriff des Dienstboten darf auf Personen in der Stellung, in der sich Franz Brenn gegenüber seinem Vater befand, um so eher angewendet werden, als die Auffassung vertreten wird, auch Art. 333 Abs. 1 Ziff. 3 OR beschränke ihn nicht auf die im Haushalt arbeitenden Dienstpflichtigen, sondern erfasse auch die mit dem Dienstherrn in Hausgemeinschaft lebenden landwirtschaftlichen Hilfskräfte (OSER/SCHÖNENBERGER N. 11, BECKER N. 6 zu Art. 333 OR ). Es liesse sich nicht rechtfertigen, den in einer Bäckerei des Dienstherrn arbeitenden Sohn und Hausgenossen anders zu behandeln. Die Verjährung lief daher nicht, solange Franz Brenn im Dienste seines Vaters stand und mit ihm in Hausgemeinschaft lebte. 3. Mit Bezug auf die Höhe der Forderung ficht der Beklagte das Urteil des Kantonsgerichtes nicht an. BGE 90 II 443 S. 449 Dispositiv Demnach erkennt des Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes von Graubünden vom 19. August 1964 bestätigt.
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Urteilskopf 102 Ia 279 41. Auszug aus dem Urteil vom 30. Juni 1976 i.S. Minelli gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.
Regeste Persönliche Freiheit; Untersuchungshaft 1. Legitimation zur Anfechtung allgemeinverbindlicher Erlasse (hier: einer kantonalen Verordnung über die Polizeigefängnisse) (E. 1). 2. Bedeutung der - Garantie der persönlichen Freiheit und weiterer Grundrechte der Bundesverfassung, - Europäischen Menschenrechtskonvention, - Mindestgrundsätze für Behandlung der Gefangenen für die Prüfung einer Gefängnisordnung (E. 2). 3. Prüfung einzelner Vorschriften der angefochtenen Gefängnisordnung: - Mitnahme persönlicher Effekten in die Zellen (E. 3); - Hochklappen der Betten (E. 4); - Gaben Dritter (E. 6); - Spaziergänge, körperliche Betätigung (E. 7); - Bezug von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern (E. 8); - Mitnahme von Radioapparaten in die Zellen (E. 9); - Korrespondenz (E. 11).
Sachverhalt ab Seite 280 BGE 102 Ia 279 S. 280 Der Regierungsrat des Kantons Zürich erliess am 19. April 1972 eine Verordnung über die Bezirksgefängnisse (BezGV). Eine gegen diesen Erlass gerichtete Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 4. April 1973 ( BGE 99 Ia 262 ff.) im Sinne der Erwägungen ab. Am 25. Juni 1975 erliess der Regierungsrat des Kantons Zürich eine Verordnung über die kantonalen Polizeigefängnisse BGE 102 Ia 279 S. 281 (PVO). Polizeigefängnisse werden von der Kantonspolizei in der kantonalen Polizeikaserne und im Kriminalpolizeigebäude geführt. Sie dienen gemäss § 1 PVO der Aufnahme der Gefangenen, mit denen sich die Kantonspolizei und die Kriminalabteilung der Stadtpolizei im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung zu befassen haben. In die Polizeigefängnisse werden gemäss § 1 PVO aufgenommen: "a) Gefangene im Polizeiverhaft; b) Untersuchungsgefangene für die Dauer des polizeilichen Ermittlungsverfahrens; c) Sicherheitsgefangene; d) Auslieferungsgefangene; e) Administrativ festgenommene Personen bis zu ihrer Überführung in eine entsprechende Anstalt; f) Strafgefangene auf Anordnung der Strafvollzugsbehörden bis zur Zuführung an eine Vollzugsanstalt oder ausnahmsweise zur Erstehung kurzfristiger Haftstrafen." Die Polizeigefängnisse weisen derzeit 56 Plätze auf. Im Jahre 1974 waren in diesen Anstalten 6801 Personen inhaftiert, davon 53% Untersuchungs-, 9% Straf- und 38% übrige Gefangene. Die Untersuchungsgefangenen hielten sich im Durchschnitt während 4,2, die Strafgefangenen während 1,2 und die übrigen Gefangenen während 1,8 Tagen in diesen Anstalten auf. Im Jahre 1975 waren von insgesamt 7035 Gefangenen 3127 bis zu 24 Stunden, 3074 bis zu 3 Tagen, 561 bis zu 10 Tagen, 202 bis zu einem Monat und 71 über einen Monat in den Polizeigefängnissen inhaftiert. Die längeren Haftdauern ergaben sich insbesondere bei Auslieferungsgefangenen. Das Bundesgericht hat eine von Ludwig A. Minelli gegen die Verordnung über die Polizeigefängnisse eingereichte staatsrechtliche Beschwerde teilweise gutgeheissen und die §§ 16 und 18, 23, 31, 33, 36 PVO aufgehoben. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Gemäss Art. 84 Abs. 1 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde sowohl gegen Verfügungen (Entscheide) als auch gegen allgemeinverbindliche Erlasse zulässig. Zur Anfechtung von Erlassen ist jeder legitimiert, auf den die als verfassungswidrig bezeichneten Vorschriften künftig einmal angewendet BGE 102 Ia 279 S. 282 werden könnten. Es genügt, dass der Beschwerdeführer virtuell unter den Erlass fällt; er braucht nicht bereits praktisch davon betroffen zu sein ( BGE 99 Ia 264 E. 1). Der Beschwerdeführer, der im Kanton Zürich wohnt, ist daher befugt, die Verordnung über die kantonalen Polizeigefängnisse mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten. 2. Die angefochtene Verordnung enthält in den §§ 1-11 Bestimmungen über die Organisation der kantonalen Polizeigefängnisse; die §§ 12-49 regeln die Hausordnung. Sie enthalten Grundsätze über den Eintritt und die Entlassung der Gefangenen, ihre Effekten, ihre Unterbringung, über Tagesordnung und Arbeit, Verpflegung, Gesundheitspflege, Besuche und Briefe, Disziplin und Disziplinarmassnahmen sowie das Rekursrecht. Zahlreiche dieser Vorschriften stimmen mit denen der Verordnung über die Bezirksgefängnisse zum Teil wörtlich überein. Andere weichen davon ab, vor allem mit Rücksicht auf den besonderen Zweck der Polizeigefängnisse. Das Bundesgericht hat die Verfassungsmässigkeit der Verordnung über die Bezirksgefängnisse - soweit entsprechende Rügen erhoben worden waren - in BGE 99 Ia 262 ff. im Sinne der Erwägungen bejaht. Dies schliesst eine nochmalige Beurteilung der damals streitigen Fragen nicht aus, da die Beschwerde sich gegen einen neuen Erlass richtet. Es stände selbst einer erneuten (und dann vorfrageweisen) Überprüfung der Verordnung über die Bezirksgefängnisse nichts entgegen, wenn die Beschwerde einen Anwendungsakt jener Verordnung zum Gegenstand hätte. Wird die Verfassungsmässigkeit eines Erlasses auf eine staatsrechtliche Beschwerde hin bejaht, so kommt dieser Beurteilung für spätere Entscheide keine Rechtskraft zu. a) Die Verfassungsmässigkeit einer Gefängnisordnung beurteilt sich vorab nach Massgabe der Garantie der persönlichen Freiheit. Diese gewährleistet als ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung die Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität des Menschen. Sie schützt darüber hinaus alle elementaren Erscheinungen menschlicher Persönlichkeit, die nicht durch andere Grundrechte der Bundesverfassung gewährleistet sind. Die Garantie der persönlichen Freiheit schliesst Beschränkungen der geschützten Fähigkeiten und Tätigkeiten nicht aus. Solche sind jedoch nur zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen BGE 102 Ia 279 S. 283 Interesse liegen und dem Gebot der Verhältnismässigkeit entsprechen. Zudem darf die persönliche Freiheit weder völlig unterdrückt noch ihres Gehalts als fundamentale Institution der Rechtsordnung entleert werden ( BGE 97 I 49 E. 3; vgl. BGE 101 Ia 345 E. 7a mit Hinweisen). Eine Gefängnisordnung ist mit dem Grundrecht der persönlichen Freiheit demnach nicht vereinbar, wenn den Gefangenen Freiheitsbeschränkungen auferlegt werden, die dem Gebot eines menschenwürdigen, von schikanösen und sachlich nicht begründeten Eingriffen freien Vollzugs widersprechen (dazu im einzelnen: BGE 99 Ia 266 ff. E. II und III; BGE 97 I 842 E. 4-6). Werden durch die Gefängnisordnung weitere Grundrechte der Bundesverfassung, wie etwa die Meinungsäusserungsfreiheit, beschränkt, so sind die Vorschriften auch an diesen Gewährleistungen zu messen (vgl. BGE 101 Ia 148 ff.). b) Die Freiheitsbeschränkungen müssen überdies mit den Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sein (vgl. J.P. MÜLLER, Die Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Schweiz, ZSR 94/19751 S. 383 ff.; TRECHSEL, Die europäische Menschenrechtskonvention, ihr Schutz der persönlichen Freiheit und die schweizerischen Strafprozessrechte, S. 144 ff.). Ob das zutrifft, prüft das Bundesgericht im Unterschied zu den Konventionsorganen nicht lediglich im konkreten Einzelfall, sondern - im Hinblick auf die Bestimmungen, welche die Grundlage für solche Eingriffe bilden - auch im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ( Art. 84 Abs. 1 lit. c OG ; vgl. auch BGE 100 Ia 69 E. 2c).- Die Garantie der persönlichen Freiheit, die zum ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes gehört, verlangt nach dem soeben Gesagten einen menschenwürdigen, von schikanösen und sachlich nicht begründeten Eingriffen freien Vollzug der Untersuchungshaft sowie von Strafen und Massnahmen. Über diesen Schutz reichen die Gewährleistungen der Menschenrechtskonvention nach der bisherigen Rechtsprechung der Konventionsorgane nicht hinaus (vgl. zur Übersicht: Les droits de l'homme dans les prisons, hrsg. von der Europäischen Kommission für Menschenrechte, Strassburg 1971; GANTER, Die Spruchpraxis der Europäischen Kommission für Menschenrechte auf dem Gebiet des Strafvollzugs, Bonn 1974; WILDHABER, Die materiellen Rechte der Konvention mit Ausnahme des BGE 102 Ia 279 S. 284 Art. 5 und 6, ZSR 94/1975 I S. 516 ff., 529 ff.). Die Haftbedingungen der Gefangenen sind daher in erster Linie an den Grundrechten der Bundesverfassung zu messen. Bei deren Konkretisierung sind jedoch die Garantien der Konvention und die Rechtsprechung der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu berücksichtigen. c) Am 19. Januar 1973 beschloss das Ministerkomitee des Europarates die Resolution (73) 5 betreffend Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen. Die Entschliessung enthält eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten - zu denen auch die Schweiz zählt -, sich bei ihrer innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis von den Grundsätzen leiten zu lassen, die der Resolution als Anhang beigefügt sind, mit dem Ziel, die Grundsätze in zunehmendem Masse zu verwirklichen. Dem Generalsekretär des Europarates ist alle fünf Jahre Bericht darüber zu erstatten, welche Schritte unternommen worden sind. Die der Entschliessung beigefügten Mindestgrundsätze sind eine Europäische Fassung der Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen, die vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen im Jahre 1957 verabschiedet wurden. Diese gehen ihrerseits auf Vorarbeiten und Entschliessungen des Völkerbundes zurück (vgl. zur Entstehungsgeschichte und zum Text: Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen, Europäische Fassung, Karlsruhe 1975, bes. S. 12 ff.; JESCHECK/KRÜMPELMANN, Die Untersuchungshaft im deutschen, ausländischen und internationalen Recht, Bonn 1971, S. 891 ff.). Die Mindestgrundsätze enthalten keine die Mitgliedstaaten des Europarates völkerrechtlich bindende Vorschriften. Ihre Nichtbeachtung kann daher auch nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden. Da sie - wie die Europäische Menschenrechtskonvention - ihre Grundlage in der gemeinsamen Rechtsüberzeugung der Mitgliedstaaten des Europarates finden, sind die bei der Konkretisierung der Grundrechtsgewährleistungen der Bundesverfassung gleichwohl zu berücksichtigen. Wo den Mindestgrundsätzen der Charakter eigentlicher Grundrechtsverbürgungen zukommt, wird sich das Bundesgericht zu ihnen nicht leichthin in Gegensatz stellen. Soweit die Grundsätze mehr kriminalpolitischer Natur sind, obliegt ihre Verwirklichung nicht der Verfassungsrechtsprechung, sondern den politischen Behörden des Bundes und der BGE 102 Ia 279 S. 285 Kantone, in deren Kompetenz die Gesetzgebung und Rechtsanwendung hinsichtlich des Strafvollzugs gehört. d) Nach § 29 des zürcherischen Gesetzes vom 30. Juni 1974 über das kantonale Strafrecht und den Vollzug von Strafen und Massnahmen (StVG) vollzieht der Regierungsrat die Vorschriften des Bundesrechts und die Anordnungen der Bundesbehörden. Er bestimmt die Anstalten für die einzelnen Strafen und Massnahmen. § 30 StVG beauftragt den Regierungsrat, auf dem Verordnungsweg Bestimmungen über die Führung der Anstalten, die Rechte und Pflichten der Eingewiesenen und den Vollzug von Freiheitsstrafen und Massnahmen zu treffen. Er hat sich dabei an die Vorschriften des Bundesrechts sowie an die in § 30 Ziff. 1-7 und § 31 StVG geregelten Grundsätze zu halten. § 30 Ziff. 2 und 6 StVG lauten: "2. Die menschliche würde des Eingewiesenen ist zu achten und zu schützen. Beim Vollzug sind unnötige Einschränkungen, die sich nicht aus dem Freiheitsentzug selbst ergeben, zu unterlassen. 6. Der Verkehr mit der Aussenwelt, insbesondere mit Ehegatten, Angehörigen und anderen geeigneten Personen, ist zu fördern; wenn es verantwortbar ist, wird er ohne Überwachung gestattet. Behördemitglieder, Vormünder und Sozialarbeiter können mit dem Eingewiesenen in der Regel unbeaufsichtigt verkehren." § 30 Ziff. 2 StVG wiederholt lediglich Grundsätze, die sich bereits aus der verfassungsmässigen Garantie der persönlichen Freiheit ergeben (oben E. 2a) und bietet insofern den Eingewiesenen keinen zusätzlichen Rechtsschutz. Ziff. 6, auf die sich der Beschwerdeführer vor allem im Zusammenhang mit seinen Rügen bezüglich des Besuchsrechts beruft, bezieht sich gleich wie der ganze Abschnitt des Gesetzes grundsätzlich auf den Strafvollzug. Die Verfassungsmässigkeit der einzelnen Bestimmungen der angefochtenen Verordnung ist somit nicht an § 30 Ziff. 2 und 6 StVG zu messen. 3. Die Beurteilung der gegen die einzelnen Verordnungsbestimmungen gerichteten Rügen führt zu folgenden Ergebnissen: a) Gemäss § 16 PVO werden dem eintretenden Gefangenen alle Gegenstände abgenommen, welche nicht zu seiner persönlichen Ausrüstung gehören. Diese umfasst nach § 18 PVO die eigene Kleidung und Leibwäsche sowie die zugelassenen Toilettenartikel. § 18 Abs. 2 PVO setzt fest, dass der Gefangenenwart BGE 102 Ia 279 S. 286 im Einverständnis mit der zuständigen Stelle die Mitnahme weiterer Gegenstände der persönlichen Habe in die Zelle gestatten kann. Der Beschwerdeführer beanstandet, dass nach dieser Regelung der Gefangene seine Uhr, Schreibzeug, Notizen, Fotos von Angehörigen und weitere Gegenstände - wie Brieftaschen, Ringe, usw. - in die Zelle nur dann mitnehmen dürfe, wenn dies vom Gefangenenwart gestattet werde. Nach den Ausführungen des Regierungsrates findet die in den §§ 16 und 18 PVO getroffene Ordnung ihre Rechtfertigung darin, dass die Effekten der Gefangenen gesichtet und unter Umständen zu den Akten genommen werden müssten. Der Ehering werde den Gefangenen nicht abgenommen; andere Wertgegenstände (wie Uhren, Schmuck) müssten durch den Fahndungsdienst darauf überprüft werden, ob sie gestohlen seien. Eine zeitweilige Wegnahme dieser Gegenstände sei daher nicht zu vermeiden. Doch würden sie sobald als möglich zurückgegeben. Schreibzeug könne den Gefangenen deshalb nicht überlassen werden, weil damit "Kassiber" hergestellt werden könnten. Wenn der Gefangene jedoch "im Interesse der Untersuchung - auch zu seiner Verteidigung" schriftliche Aufzeichnungen zu erstellen habe, so werde ihm das nötige Schreibzeug zur Verfügung gestellt. b) Zur Verhinderung unerlaubter Verbindungen mit anderen Gefangenen und mit der Aussenwelt sowie als Vorkehr gegen Ausbruchsversuche, Selbstmordversuche oder Angriffe auf das Anstaltspersonal ist eine übersichtliche und leicht kontrollierbare Ordnung in den Zellen notwendig. Das Bundesgericht gelangte daher in BGE 99 Ia 272 E. V Ziff. 1 zur Auffassung, es stehe mit der Garantie der persönlichen Freiheit nicht in Widerspruch, wenn die Mitnahme der persönlichen Habe in die Zellen grundsätzlich untersagt sei und wenn die Gefängnisverwaltung bestimme, welche Gegenstände die Gefangenen ausser Kleidern und Toilettenartikeln bei sich in der Zelle haben dürften. Das Bundesgericht hielt fest, dass die in den §§ 23 und 25 BezGV getroffene Regelung - mit welcher die in der PVO enthaltene Ordnung fast wörtlich übereinstimmt - eine flexible, die verfassungsmässigen Rechte und die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigende Praxis ermögliche. Es sei selbstverständlich, dass die Gefängnisverwaltung nicht in schikanöser Weise ungefährliche Objekte, die BGE 102 Ia 279 S. 287 für einen Gefangenen einen erheblichen Affektionswert hätten (wie Bilder oder Bücher), von der Mitnahme ausschliessen dürfe. Gestützt auf diese Erwägungen hielt das Bundesgericht im genannten Entscheid die Rüge, die §§ 23 und 25 BezGV schränkten die persönliche Freiheit der Gefangenen über Gebühr ein, für unbegründet. An dieser Rechtsprechung kann nicht im ganzen Umfang festgehalten werden. Zwar besteht kein Anlass, vom eingangs erwähnten Grundsatz abzugehen. In den Polizei- wie in den anderen Gefängnissen ist eine übersichtliche und leicht kontrollierbare Zellenordnung unerlässlich. Einschränkungen, die sich für die Gefangenen daraus ergeben, sind sachlich begründet und verletzen die Verfassung nicht. Die in den §§ 16 und 18 PVO nach dem Vorbild der Verordnung über die Bezirksgefängnisse getroffene Regelung kann bei einer erneuten Überprüfung aber nicht als sachgerechte gesetzgeberische Lösung bezeichnet werden, welche selber die mögliche und gebotene Gewähr für eine verfassungsmässige Rechtsanwendung bietet. Die §§ 16 und 18 PVO unterscheiden Sachen der "persönlichen Ausrüstung", die in die Zellen ohne besondere Erlaubnis mitgenommen werden dürfen, und übrige Gegenstände der persönlichen Habe, deren Besitz den Gefangenen ohne besondere Erlaubnis des Gefangenenwartes nicht gestattet ist. Die Aufzählung der Gegenstände, die zur "persönlichen Ausrüstung" gehören, ist angesichts der gewählten Systematik zu eng. Sie hat zur Folge, dass Gegenstände einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterstellt sind, deren Besitz den Gefangenen (vom Vorliegen akuter Suizidgefahr abgesehen) kaum je verwehrt werden kann. Zu diesen Gegenständen gehören die Uhr, Schreibmaterial und der Ehering. Es ist auch nicht regelmässig der Fall, dass einem Gefangenen solche Gegenstände im Interesse der Strafuntersuchung abgenommen werden müssen. Die Verordnung bringt mit der blossen "kann-Formel" überdies nicht mit der wünschbaren Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die Mitnahme anderer Gegenstände als derjenigen der "persönlichen Ausrüstung" vom Gefangenenwart gestattet werden muss, wenn die Sachen für den Gefangenen einen hohen Affektionswert besitzen oder wenn sie der Selbstbeschäftigung dienen (vgl. BGE 97 I 51 ff. E. 4 und 5), sofern ihr Vorhandensein mit dem Erfordernis einer übersichtlichen und BGE 102 Ia 279 S. 288 leicht kontrollierbaren Zellenordnung vereinbar ist und dem Zweck der Haft nicht zuwiderläuft. Da die §§ 16 und 18 PVO diesen Grundsätzen nicht entsprechen, sind sie aufzuheben. 4. § 23 PVO schreibt vor, dass die Betten in den Zellen tagsüber hochzuklappen sind. Der Gefangenenwart bewilligt Ausnahmen bei Krankheiten, Gebrechlichkeit und Unpässlichkeit sowie bei einer Haftdauer von mehr als einer Woche als Belohnung für Reinlichkeit und gute Führung. Die Verordnung über die Bezirksgefängnisse enthält keine entsprechende Bestimmung. § 23 PVO soll nach der Darstellung des Regierungsrates die gute Ordnung in den Zellen sicherstellen. In den recht engen Räumen werde durch das Hochklappen der Betten Bewegungsraum geschaffen. Erfahrungsgemäss hätten die wenigsten Gefangenen das Bedürfnis, sich tagsüber hinzulegen, weil sie sonst nachts nicht mehr schlafen könnten. Zudem seien unter den in § 23 genannten Voraussetzungen Ausnahmen möglich. Diese Überlegungen vermögen die angefochtene Vorschrift nicht zu rechtfertigen. Wenn das Bett tagsüber hochgeklappt werden muss, so hat der Inhaftierte lediglich noch die Wahl, auf dem in der Zelle vorhandenen Stuhl zu sitzen oder sich, wenn er nicht stehen will, auf den blanken Boden zu legen. Die Möglichkeit, sich tagsüber auf sein Bett zu legen, ist eine der elementarsten Freiheiten, die ein Gefangener in Einzelhaft beanspruchen kann. Sie ihm zu verweigern, lässt sich mit sachlichen Gründen schlechterdings nicht rechtfertigen. Dass die dafür vorgebrachten Gründe nicht stichhaltig sind, belegt schon die angefochtene Vorschrift selber, kann doch den Gefangenen das Herabklappen der Betten "als Belohnung" für Reinlichkeit und gute Führung gestattet werden. Die Verpflichtung, das Bett in der Zelle tagsüber hochzuklappen, mag aus Gründen der Anstaltsordnung im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn ein Gefangener sich unreinlich benimmt. In seiner allgemeinen Fassung aber widerspricht § 23 PVO dem verfassungsmässigen Gebot eines menschenwürdigen, von schikanösen und sachlich nicht begründeten Beschränkungen freien Vollzugs. Die Vorschrift ist deshalb aufzuheben. 6. § 31 PVO bestimmt, dass die Gefangenen pro Woche eine Gabe von Dritten erhalten dürfen. Es sind nur folgende Artikel zulässig: BGE 102 Ia 279 S. 289 2 Kilogramm Obst, 250 Gramm Käse oder Dauerwurst, 200 Gramm Schokolade, 250 Gramm Stärkungsmittel (Ovomaltine oder dergleichen) oder Zucker oder Konfitüre. § 31 PVO stimmt wörtlich mit § 42 BezGV überein. Das Bundesgericht bezeichnete jene Vorschrift in BGE 99 Ia 279 E. V Ziff. 7 als sehr eng. Zwar anerkannte es die Notwendigkeit einer klaren und leicht anwendbaren Regelung. Es vertrat jedoch die Auffassung, diesem Erfordernis sei Genüge getan, wenn die Aufzählung in der Verordnung als Richtlinie betrachtet werde mit der Möglichkeit, auf Gesuch hin anstelle einer ausdrücklich genannten Ware eine entsprechende Quantität eines gleichwertigen anderen Produkts zu bewilligen. Derart als Richtlinie im Sinne einer Minimalvorschrift verstanden, verstosse die Bestimmung nicht gegen einen verfassungsrechtlichen Grundsatz. Der Regierungsrat schliesst sich in seiner Vernehmlassung diesen Erwägungen des Bundesgerichts nicht an. Er führt zur Rüge des Beschwerdeführers, in der neuen Verordnung müsste klar zum Ausdruck kommen, dass es sich bei § 31 PVO um eine Minimalvorschrift handle, folgendes aus: Die in § 31 PVO genannten Waren seien im Handel in den entsprechenden Mengen verpackt; eine eingehende Kontrolle ihres Inhalts sei deshalb entweder nicht nötig oder leicht möglich. Zwar kämen unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle auch andere Produkte als zulässige Gaben Dritter in Frage, doch sei eine klare Regelung und eine abschliessende Aufzählung notwendig, wenn Schwierigkeiten vermieden werden sollten. Der Regierungsrat lehnt nach dem Gesagten die Erwägungen des Bundesgerichts zur Handhabung der beanstandeten Vorschrift ab. Er tut in seiner Vernehmlassung jedoch nicht dar, inwiefern der Haftzweck oder die Anstaltsordnung ausschliessen, dass die Gefangenen auch andere als die in § 31 PVO aufgezählten Gaben erhalten dürfen, wenn die Waren leicht zu kontrollieren sind oder wegen ihrer Verpackung überhaupt nicht kontrolliert werden müssen. Die Einwendung des Regierungsrates vermag daher ein Abgehen von der dargelegten Rechtsprechung nicht zu rechtfertigen. Die vom Regierungsrat vertretene enge Auslegung von § 31 PVO kann sich auf den Wortlaut der Bestimmung stützen. Wenn BGE 102 Ia 279 S. 290 die Vorschrift jede Wahlmöglichkeit ausschliesst, hält sie vor der Verfassung jedoch nicht stand. § 31 PVO ist aus diesem Grunde aufzuheben. 7. a) § 33 PVO setzt fest, dass die Gefangenen nach Ablauf einer Woche "in der Regel jeden dritten Tag eine halbe Stunde" unter Aufsicht spazieren dürfen. In § 44 BezGV ist demgegenüber bestimmt, dass in den Bezirksgefängnissen mit abgeschlossenem Hof die Gefangenen, die nicht im Freien beschäftigt werden, nach Ablauf einer Woche "wöchentlich mindestens dreimal eine halbe Stunde" unter Aufsicht spazieren können. Das Bundesgericht gelangte in BGE 99 Ia 280 E. V Ziff. 8 zur Auffassung, dass § 44 BezGV "zur Zeit und mit Rücksicht auf die praktischen Schwierigkeiten", den Gefangenen einen täglichen Spaziergang zu ermöglichen, noch als verfassungsmässig bezeichnet werden könne. Überdies war zu berücksichtigen, dass die damals streitige Vorschrift ihrem Wortlaut nach eine Minimalregel enthielt und dass demnach den Gefangenen eine tägliche Bewegungsmöglichkeit eingeräumt werden musste, wo dies praktisch durchführbar war. Auf diesen Umstand hatte in der Vernehmlassung zur damaligen staatsrechtlichen Beschwerde für den Regierungsrat des Kantons Zürich auch die Direktion der Justiz hingewiesen und ausgeführt, es sei vorgesehen, durch ergänzende Richtlinien den Gefangenen vermehrte Bewegungsmöglichkeiten zu gewähren, soweit Bauten und Personalbestand es zuliessen. Das Bundesgericht stellte bei seinem Entscheid vom 4. April 1973 sodann darauf ab, dass bis zu jenem Zeitpunkt für die Kantone noch keine Richtlinien aufgestellt worden waren, die als Regel einen täglichen Spaziergang von einer gewissen Mindestdauer vorsahen. In den Urteilserwägungen wurde aber darauf hingewiesen, es sei nicht ausgeschlossen, "dass in Zukunft auf Grund der neuern Auffassung über die Stellung der Gefangenen ohne Rücksicht auf die praktischen Verhältnisse ein verfassungsmässiger Anspruch auf ein gewisses Minimum an täglicher Bewegung anerkannt" werde ( BGE 99 Ia 281 E. V Ziff. 8 lit. d). b) § 33 der neuen Verordnung über die Polizeigefängnisse sieht vor, dass die Gefangenen nach Ablauf einer Woche Haft "in der Regel jeden dritten Tag eine halbe Stunde" spazieren dürfen. Der Regierungsrat begründet die getroffene Regelung BGE 102 Ia 279 S. 291 damit, der grösste Teil der Gefangenen halte sich weniger als eine Woche in den Polizeigefängnissen auf. Diese Anstalten besässen keine geschlossenen Gefängnishöfe und die personellen Mittel zur Überwachung der Gefangenen seien äusserst beschränkt. Ein halbstündiger Spaziergang jeden dritten Tag sei daher das Äusserste, was die Bewachungsorgane zu bewältigen vermöchten. Die Verordnung über die Polizeigefängnisse dehnt die Möglichkeiten körperlicher Betätigung, die den Gefangenen eingeräumt sind, im Vergleich zur Verordnung vom 19. April 1972 über die Bezirksgefängnisse nicht aus, sondern schränkt sie ein. Ein halbstündiger Spaziergang ist nicht mehr "wöchentlich mindestens dreimal" vorgesehen. Den Gefangenen wird lediglich "in der Regel jeden dritten Tag" Gelegenheit zum Spaziergang gegeben. Dabei ist die Vorschrift offenbar so zu verstehen, dass Abweichungen von der Regel eher gegen unten als gegen oben zu erwarten sind. Dies ist angesichts der Erwägungen des Bundesgerichts in BGE 99 Ia 280 E. V Ziff. 8 nur schwer verständlich. c) An der Regelung von § 33 PVO kann bei einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht beanstandet werden, dass die Gefangenen in der ersten Haftwoche vom Spaziergang ausgeschlossen sind. Diese zusätzliche Beschränkung der persönlichen Freiheit lässt sich für die neu in die Anstalt eingetretenen Gefangenen mit sachlichen Gründen rechtfertigen. Verhaltensweisen und Besonderheiten der Neueintretenden sind dem Anstaltspersonal noch nicht bekannt. Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass die Gefangenen in der ersten Haftwoche durch Verhöre und durch die erkennungsdienstliche Behandlung stark in Anspruch genommen werden. Auch kann nicht gesagt werden, diese vorübergehende Freiheitsbeschränkung gefährde die Gesundheit der Gefangenen. Wenn es sich im Einzelfall dennoch so verhalten sollte, so versteht sich von selbst, dass dem betreffenden Gefangenen Gelegenheit zur notwendigen körperlichen Bewegung im Freien gegeben werden muss. Die Rüge, § 23 PVO sei insoweit mit der Verfassung nicht vereinbar, als er das Spazierrecht während der ersten Haftwoche ausschliesse, ist daher nicht begründet. § 23 PVO verletzt insoweit auch die Europäische Menschenrechtskonvention nicht. Der Ausschluss des Spazierrechts in der ersten Haftwoche steht wohl auch nicht in Gegensatz zum Mindestgrundsatz BGE 102 Ia 279 S. 292 Nr. 20 für die Behandlung der Gefangenen, auch wenn diese Einschränkung dort nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Die angefochtene Bestimmung ist mit der Verfassung jedoch nicht vereinbar, soweit sie nach Ablauf der ersten Haftwoche nur jeden dritten Tag einen halbstündigen Spaziergang vorsieht. Wegen der vorrangigen Bedeutung der körperlichen Betätigung für die physische und psychische Gesundheit ist aus dem ungeschriebenen Grundrecht der persönlichen Freiheit heute abzuleiten, dass den Gefangenen, die nicht im Freien arbeiten, nach mehr als einer Woche Haftdauer Gelegenheit gegeben werden muss, unter Aufsicht täglich eine halbe Stunde an der frischen Luft zu spazieren. Ob von diesem Grundsatz in Ausnahmefällen für eine Übergangszeit noch abgewichen werden darf, kann hier offenbleiben, da seiner Verwirklichung jedenfalls im hier zu beurteilenden Fall keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen. Falls sich der Zürcher Kasernenhof für einen täglichen Spaziergang der Häftlinge nicht eignet, so sind die Gefangenen nach Ablauf der ersten Haftwoche in das ca. 500 m entfernte Bezirksgefängnis zu überführen, sei es für den ganzen Rest der Haft, sei es für die tägliche Bewegung im Freien. Soweit zusätzliches Bewachungspersonal erforderlich ist, muss es rekrutiert werden. In den Mindestgrundsätzen für die Behandlung der Gefangenen wird gefordert, dass jeder Häftling, der nicht im Freien beschäftigt ist, das Recht auf "täglich mindestens eine Stunde Bewegung oder geeignete Leibesübungen im Freien" hat (Nr. 20 Abs. 1). Für junge Gefangene und andere Gefangene geeigneten Alters und entsprechender körperlicher Verfassung sind für die Zeit der Bewegung im Freien organisatorische Massnahmen für die Leibeserziehung und Erholung zu treffen. Zu diesem Zweck sind Plätze, Einrichtungen und Ausrüstungen zur Verfügung zu stellen (Nr. 20 Abs. 2). Mit Rücksicht auf die praktischen Verhältnisse kann aus der persönlichen Freiheit kein solcher Grundsatz abgeleitet werden. Es muss indessen Ziel der kantonalen Behörden und des Bundes sein, künftig den Gefangenen diejenigen Möglichkeiten zu verschaffen, die dem Mindestgrundsatz Nr. 20 in der Art und wöchentlich im Umfang entsprechen. BGE 102 Ia 279 S. 293 8. a) § 36 PVO lautet: "Die Kantonspolizei unterhält eine Gefängnisbibliothek, aus welcher den Gefangenen nach Wunsch Bücher ausgeliehen werden. Die Gefangenen haben die verabreichte Lektüre sorgfältig zu behandeln. Die Bücher können wöchentlich ausgetauscht werden. Lehrbücher unterliegen keiner Beschränkung. Sie sind vom Gefangenen auf eigene Kosten zu beschaffen. Zeitungen oder Zeitschriften dürfen den Gefangenen erst nach einer Haftzeit von einer Woche zugestellt werden. Die Zeitungen oder Zeitschriften sind dem Gefangenen vom Verlag oder einer Zeitungsagentur auf seine Kosten zuzusenden. Sie werden nach der Entlassung oder Versetzung von der Kantonspolizei nicht nachgeschickt. Bei Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungsgefangenen bedarf die Beschaffung von Lehrbüchern und das Abonnieren von Zeitungen und Zeitschriften der Zustimmung der für den Gefangenen zuständigen Stelle". Der Beschwerdeführer beanstandet, dass den Gefangenen gemäss § 30 Abs. 3 PVO Zeitungen und Zeitschriften erst nach einer Haftdauer von einer Woche zugestellt werden dürfen. Den Gefangenen müsse sodann auch erlaubt sein, eine Zeitung oder Zeitschrift zu erhalten, wenn dies nicht "auf seine Kosten" geschehe, sondern wenn ein Dritter das Abonnement bezahle. Sodann sei die in § 36 Abs. 4 enthaltene Beschränkung des Informationsrechts der Gefangenen unzulässig. b) § 36 PVO entspricht weitgehend - aber nicht vollständig - dem § 48 BezGV. § 48 BezGV bestimmt, dass die Gefangenen nach einer Woche Haftdauer das Recht haben, von der Gefängnisverwaltung abonnierte Zeitungen oder Zeitschriften zu beziehen oder eine Zeitung oder Zeitschrift auf eigene Kosten zu abonnieren. Für Untersuchungs- und Sicherheitsgefangene ist hiefür die Zustimmung des Untersuchungsbeamten erforderlich. Das Bundesgericht hat bei der Beurteilung dieser Bestimmung in BGE 99 Ia 282 E. V Ziff. 10a ausgeführt, dass das Verteilen der Zeitungen und Zeitschriften - auch der von der Gefängnisverwaltung abonnierten - gewisse Umtriebe mit sich bringe. Unter diesem Gesichtspunkt lasse sich die einwöchige Zeitungssperre "zur Not" rechtfertigen. Ob es mit der Verfassung vereinbar ist, dass die Häftlinge der Polizeigefängnisse - im Gegensatz zu den Gefangenen, BGE 102 Ia 279 S. 294 die in den Bezirksgefängnissen inhaftiert sind - keine von der Gefängnisverwaltung abonnierte Zeitung beziehen können, ist hier nicht zu prüfen, da eine entsprechende Rüge nicht erhoben worden ist. Zu beurteilen ist einzig, ob den Häftlingen in den Polizeigefängnissen verwehrt werden kann, in der ersten Haftwoche eine Zeitung oder Zeitschrift von einem Verlag oder einer Zeitungsagentur zu beziehen. Dies kann - wenn auch hier nicht ohne Bedenken bejaht werden. Selbst wenn nämlich der Auftrag, einem Gefangenen eine Zeitung oder Zeitschrift zuzustellen, bereits am ersten Hafttag aufgegeben wird, so können bis zur ersten Zustellung leicht einige Tage verstreichen, bis der Auftrag vom Verlag oder von der Zeitungsagentur ausgeführt wird. Auch wenn § 36 PVO demnach die beanstandete Beschränkung nicht enthielte, so verstriche wegen der praktischen Gegebenheiten gleichwohl ein Teil der ersten Haftwoche, bevor der Häftling in den Besitz der abonnierten Zeitung oder Zeitschrift gelangen würde. Die Beschränkung wirkt sich zudem für einen grossen Teil der Häftlinge überhaupt nicht aus, waren doch im Jahre 1975 von insgesamt 7035 Gefangenen 6021 nicht länger als drei Tage in den Polizeigefängnissen inhaftiert. Wenngleich die hier beanstandete Beschränkung für sich allein als nicht sehr einschneidend erscheinen mag, so ergeben sich Bedenken daraus, dass den Gefangenen in der ersten Haftwoche insgesamt Einschränkungen auferlegt werden, die an der Grenze des Zulässigen liegen. Die Gefangenen werden nicht nur von der Lektüre einer Zeitung oder Zeitschrift, sondern auch vom Spaziergang (§ 33 PVO) sowie vom Empfang von Besuchen (§ 38 PVO) ausgeschlossen. Auch besteht in den Polizeigefängnissen offenbar keine Gelegenheit, über anstaltseigene Anlagen Radio zu hören. Die Mitnahme eigener Radioapparate in die Zellen ist untersagt (§ 37 PVO, vgl. hinten E. 9). Bei dieser Sachlage droht die Verordnung in Widerspruch zum verfassungsmässigen Grundsatz zu geraten, dass die Haft nicht als psychisches Druckmittel verwendet werden darf ( BGE 99 Ia 282 ). c) Nach § 36 Abs. 1 PVO steht den Gefangenen eine Gefängnisbibliothek zur Verfügung. Es können einmal wöchentlich Bücher ausgeliehen werden. Von auswärts dürfen, wie sich aus § 36 Abs. 2 und 3 sowie aus § 41 Abs. 4 PVO ergibt, BGE 102 Ia 279 S. 295 keine Bücher bezogen werden. Eine Ausnahme gilt gemäss § 36 Abs. 2 für "Lehrbücher". Diese können von den Gefangenen auf eigene Kosten beschafft werden. Die Verordnung über die Bezirksgefängnisse enthält im wesentlichen die gleiche Regelung. Das Bundesgericht hat deren Verfassungsmässigkeit in einem Anwendungsfall verneint, weil sie den Lesestoff der Untersuchungsgefangenen mehr beschränkt, als der Untersuchungszweck und eine vernünftige Anstaltsordnung erfordern (Urteil i.S. Schlegel vom 3. Dezember 1975, veröffentlicht in EuGRZ 3/1976, S. 86 f.). Von Verfassungs wegen gelten für den Bücherbezug in der Untersuchungshaft folgende Grundsätze: Werden einem Untersuchungsgefangenen Bücher von einer Privatperson zugestellt, so kann die Aushändigung wegen der Möglichkeit unerlaubter Mitteilungen und des erheblichen Kontrollaufwandes in der Regel verweigert werden. Die Aushändigung eines Buches, das einem Untersuchungsgefangenen direkt von einer Buchhandlung zugestellt wird, darf dann unterbleiben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass unzulässige Verbindungen zwischen dem Gefangenen und der Aussenwelt aufgenommen werden sollen. Die Gefängnisverwaltung hat in diesem Fall dem Untersuchungsgefangenen jedoch auf dessen Begehren und auf dessen Kosten das gewünschte Buch - sei es ein Lehr-, ein Sachbuch oder ein Werk der Unterhaltungsliteratur - bei einer Buchhandlung ihrer Wahl zu besorgen, wenn der Untersuchungsbeamte der Anschaffung zustimmt. Der Bücherbezug von auswärts (direkt von einer Buchhandlung oder durch die Gefängnisverwaltung) kann - wie das Korrespondenzrecht des Untersuchungsgefangenen (vgl. BGE 99 Ia 286 f.) - beschränkt werden, wenn davon ein übermässiger Gebrauch gemacht wird. Die Zustimmung des Untersuchungsbeamten darf von dieser Beschränkung abgesehen nur verweigert werden, wenn der Besitz des Buches den Haftzweck gefährden würde. Da die in § 36 PVO für den Bücherbezug von auswärts getroffene Regelung den dargelegten Grundsätzen nicht entspricht, ist die Bestimmung aufzuheben. d) § 36 Abs. 4 PVO sieht vor, dass bei Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungsgefangenen für die Beschaffung von Lehrbüchern (künftig: Büchern) und das Abonnieren von BGE 102 Ia 279 S. 296 Zeitungen und Zeitschriften die Zustimmung der für den Gefangenen zuständigen Stelle erforderlich ist. Diese Zustimmung darf nach den soeben dargelegten Grundsätzen nur verweigert werden, wenn der Besitz des Buches oder der Zeitung den Haftzweck gefährden würde oder wenn ein Gefangener von diesem Recht einen übermässigen Gebrauch machen würde. Die Rüge, § 36 Abs. 4 PVO schränke die persönliche Freiheit der Gefangenen in unzulässiger Weise ein, ist daher unbegründet. Dass schliesslich einem Gefangenen der Bezug von Büchern und Zeitungen oder Zeitschriften auch dann erlaubt ist, wenn nicht er, sondern ein Dritter für die Kosten aufkommt, ist selbstverständlich und bedarf keiner besonderen Erwähnung in der Verordnung. 9. § 37 PVO verbietet die Mitnahme von Radioapparaten, Tonbandgeräten und Fernsehgeräten in die Zellen. Für besondere Verhältnisse kann der kantonale Polizeikommandant Ausnahmen gestatten. Der Beschwerdeführer macht geltend, den Gefangenen müsse gestattet sein, eigene Radio- und Fernsehgeräte und ähnliche Apparate in die Zelle mitzunehmen, sofern ein Fachgeschäft festgestellt habe, dass sich keine "geräte-fremden" Gegenstände in den Apparaten befänden und nachdem diese plombiert worden seien. Dies könne umso weniger verweigert werden, als in den Polizeigefängnissen keine anstaltseigenen Radioanlagen mit Höreinrichtungen in den Zellen vorhanden seien. In BGE 99 Ia 283 E. V Ziff. 11 wurde ausgeführt, das grundsätzliche Verbot, private Empfangs- und Wiedergabegeräte in die Zelle mitzunehmen, könne nicht als verfassungswidrig bezeichnet werden. Das Bundesgericht ging jedoch davon aus, dass den Gefangenen über eine anstaltseigene Radioanlage mit Zellenanschlüssen ein von der Gefängnisverwaltung ausgewähltes Radioprogramm übermittelt wird (§ 49 BezGV). Dies ist in den Polizeigefängnissen - wie der Beschwerdeführer unwidersprochen geltend macht - nicht der Fall. Wenn eine Anstalt lediglich dazu dient, Gefangene für eine sehr kurze Zeit aufzunehmen, ist das Fehlen anstaltseigener Radioanlagen und das Verbot, Radiogeräte in die Zellen mitzunehmen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Werden in einer solchen Anstalt Gefangene jedoch auch für längere BGE 102 Ia 279 S. 297 Zeit inhaftiert, so kann ihnen ohne Verletzung der Verfassung nicht verwehrt werden, eigene, kontrollierte und plombierte Apparate in den Zellen zu benutzen. § 37 Satz 2 PVO sieht vor, dass der kantonale Polizeikommandant für besondere Verhältnisse Ausnahmen vom Verbot, Ton- und Bildwiedergabegeräte in die Zellen mitzunehmen, gestatten kann. Diese Bestimmung ist einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich. Sofern - wie dies an sich wünschbar wäre - nicht auch in den Polizeigefängnissen die Möglichkeit geschaffen wird, über anstaltseigene Anlagen Radiosendungen zu empfangen, ist § 37 Abs. 2 PVO so auszulegen, dass den Gefangenen nach mehr als einer Woche Haftdauer der Gebrauch eines kontrollierten und plombierten Radioapparates gestattet wird. So ausgelegt steht § 37 PVO mit der Verfassung nicht in Widerspruch. 11. a) § 40 PVO lautet: "Die Gefangenen dürfen pro Woche zwei Briefe schreiben. Briefe an den Verteidiger und an Behörden werden auf die Zahl der zulässigen Briefe nicht angerechnet. Der Gefangenenwart kann ausnahmsweise weitere Briefe gestatten, wenn eine dringende persönliche oder geschäftliche Angelegenheit dies erfordert. Bei Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungsgefangenen kann die zuständige Stelle den Briefverkehr beschränken, wenn sein Umfang eine genügende Kontrolle verunmöglicht." Gemäss § 41 Abs. 1 PVO unterliegen die ein- und ausgehenden Briefe der Kontrolle. Die dafür zuständige Stelle kann verlangen, dass die Kosten für die Übersetzung fremdsprachiger Briefe vorgeschossen werden. Der Beschwerdeführer beanstandet. dass § 40 Abs. 1 PVO das Korrespondenzrecht für alle in den Polizeigefängnissen untergebrachten Häftlinge unterschiedslos auf zwei Briefe pro Woche beschränkt. Er rügt sodann, die Vorschusspflicht für die Übersetzungskosten widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Mindestgrundsatz Nr. 93. Gegen diesen verstosse auch, dass die Korrespondenz des Gefangenen mit seinem Anwalt kontrolliert werde. b) In der Verordnung über die Bezirksgefängnisse wird in § 52 Abs. 1 bestimmt, dass die Strafgefangenen pro Woche zwei Briefe schreiben dürfen. Im übrigen stimmt die dort getroffene Ordnung des Korrespondenzrechts mit § 40 PVO überein. Bei der Beurteilung von § 52 Abs. 1 BezGV war das BGE 102 Ia 279 S. 298 Bundesgericht in BGE 99 Ia 286 E. V Ziff. 13 zum Ergebnis gelangt, die Vorschrift bilde einen vernünftigen Kompromiss zwischen dem legitimen Anspruch der im Strafvollzug Befindlichen auf Korrespondenz und dem Interesse der Gefängnisverwaltung an einer Begrenzung des mit der Briefkontrolle verbundenen Aufwands. Das Bundesgericht hielt auch die in § 52 Abs. 2 BezGV geregelte Beschränkung des Korrespondenzrechts der Untersuchungs- und Sicherheitsgefangenen für verfassungsmässig. Eine Beschränkung, die lediglich dazu diene, die mit der Briefkontrolle betraute Behörde vor einer übermässigen Beanspruchung zu schützen, belasse den Gefangenen jene Korrespondenzmöglichkeit, welche das Grundrecht der persönlichen Freiheit gewährleistet. Die in § 52 Abs. 2 BezGV vorgesehene Regelung stehe mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit in Einklang. Der Regierungsrat macht in seiner Vernehmlassung geltend, die Beschränkung des Korrespondenzrechts der Gefangenen auf zwei Briefe pro Woche entspreche der für die Bezirksgefängnisse geltenden und vom Bundesgericht als verfassungsmässig bezeichneten Regelung. Diese Auffassung ist nach dem Gesagten nicht richtig, soweit die Beschränkung auch andere Gefangene als solche im Straf- oder Massnahmenvollzug betrifft. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, das Korrespondenzrecht der Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungsgefangenen anders zu regeln, wenn sie in den Polizeigefängnissen und nicht in den Bezirksgefängnissen inhaftiert sind. Da § 40 PVO der Regelung des § 52 BezGV entsprechend ausgelegt werden kann, muss die Bestimmung nicht aufgehoben werden. Indessen ist auch hier wünschenswert, dass ihr Sinn bei einer Revision im Verordnungstext selber klargestellt wird. c) Ein- und ausgehende Briefe, die in einer fremden, den Kontrollbehörden nicht ohne weiteres zugänglichen Sprache geschrieben sind, müssen übersetzt werden. Die Bestimmung, dass dafür ein Kostenvorschuss verlangt werden kann, ist nicht verfassungswidrig. Zwar sind Fälle denkbar, wo eine Pflicht zur Vorschussleistung mit der Verfassung nicht vereinbar wäre. Dies träfe dann zu, wenn wegen dieser Verpflichtung der Kontakt eines Gefangenen zu seinen nächsten Angehörigen verunmöglicht würde (vgl. BGE 101 Ia 153 E. 5). Die angefochtene Vorschrift leistet zu einer solchen Handhabung jedoch keinen Vorschub. Für ihre verfassungsmässige Anwendung BGE 102 Ia 279 S. 299 bietet ausreichende Gewähr, dass die Einforderung eines Vorschusses nicht einmal als Regelfall vorgesehen ist, sondern mit einer kann-Formel dem pflichtgemässen Ermessen der Behörde übertragen wird. Die angefochtene Bestimmung steht auch mit der Nr. 93 der Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen nicht in Widerspruch. Dort wird einzig festgehalten, dass dem Gefangenen die kostenlose Hilfe eines Dolmetschers für alle wichtigen Kontakte mit der Verwaltung und für seine Verteidigung zu gewährleisten ist. Sie verstösst auch nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (vgl. Les droits de l'homme dans les prisons, S. 25 f.). d) Gemäss § 41 Abs. 1 PVO unterliegen die ein- und ausgehenden Briefe und andere Sendungen der Kontrolle. Beschwerden gegen das Gefängnispersonal oder gegen die für den Gefangenen zuständige Stelle sind von der Kontrolle ausgenommen (§ 41 Abs. 2 PVO). Hingegen ist ihr die Korrespondenz zwischen dem Gefangenen und seinem Anwalt unterstellt. Diese zuletzt genannte Beschränkung hält, wie das Bundesgericht in BGE 99 Ia 287 ausgeführt hat, im Hinblick darauf vor der Verfassung stand, dass sich der Untersuchungsgefangene gemäss § 18 Abs. 2 StPO jedenfalls mündlich unbeaufsichtigt mit seinem Verteidiger beraten kann, sofern dem nicht besondere Gründe, insbesondere Kollusionsgefahr, entgegenstehen und sofern der Verhaft vierzehn Tage gedauert hat. Der Mindestgrundsatz Nr. 93 sieht vor, dass der Gefangene im Zusammenhang mit seiner Verteidigung Besuche von seinem Rechtsberater empfangen, vertrauliche Mitteilungen vorbereiten, ihm übergeben und von ihm entgegennehmen darf. Berücksichtigt man die Regelung von § 18 Abs. 2 StPO , so lässt sich die Auffassung vertreten, die Kontrolle des Briefverkehrs mit dem Anwalt widerspreche dem Mindestgrundsatz Nr. 93 nicht.
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Urteilskopf 90 I 86 15. Urteil vom 29. April 1964 i.S. Jaeger gegen Gemeinde Flims und Grosser Rat des Kantons Graubünden.
Regeste Kurtaxen. Doppelbesteuerung. Rechtsungleiche Behandlung. Willkür. Rechtsnatur der Kurtaxe; Steuer, Gebühr oder Vorzugslast? (Erw. 3). Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Doppelbesteuerungsverbotes auf Kurtaxen (Erw. 4). Verletzung der Rechtsgleichheit durch Erhebung der Kurtaxen - auch von den Eigentümern von Ferienhäusern? - nur von Personen ohne Wohnsitz am Kurort? - von den Dienstboten der Feriengäste? (Erw. 5). Willkürliche Bemessung der einem Ferienhauseigentümer auferlegten Pauschaltaxe? (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 87 BGE 90 I 86 S. 87 A.- Die Gemeinde Flims erliess am 17. Juli 1960 ein neues Kur- und Sporttaxengesetz (KSG), das am 1. Dezember 1960 in Kraft trat. Danach hat jeder in Flims weilende Gast pro Logiernacht eine Kurtaxe und in der Zeit vom 15. Dezember bis 15. März ausserdem eine Sporttaxe zu entrichten (Art. 1, 2). Als Gäste gelten Personen, die in Flims keinen Wohnsitz gemäss Art. 23 ff. ZGB haben und bei denen die Voraussetzungen für die Erhebung der ordentlichen Steuern fehlen, wobei jedoch Grundeigentum in Flims nicht von der Kurtaxe befreit (Art. 1). Die Ansätze für die Kur- und Sporttaxe werden in den vom Gemeinderat zu erlassenden Ausführungsbestimmungen festgesetzt (Art. 3). Ferienhausbesitzer und Dauermieter von Ferienwohnungen können auf ihr Begehren die Kur- und Sporttaxe für ihre Familien und unentgeltlich beherbergten Gäste in einer Jahrespauschale entrichten, die auf Grund der im Ferienhaus verfügbaren Betten durch den Vorstand des Kur- und Verkehrsvereins festgesetzt wird, wobei der Lage und dem Komfort des Hauses Rechnung zu tragen ist (Art. 4). Kinder unter 6 Jahren sind von der Taxpflicht befreit, während Kinder von 6-12 Jahren und Gäste-Dienstboten nur die halbe Taxe zahlen (Art. 6 und 7 je lit. a). Die Handhabung des KSG, der Einzug der Taxen und die Verwendung sind dem Kur- und Verkehrsverein übertragen BGE 90 I 86 S. 88 (Art. 8). Die Kurtaxengelder sind ausschliesslich zur Hebung und Förderung des Kur- und Sportortes Flims bestimmt; sie müssen im Interesse der Gäste und dürfen nicht zur Entlastung des ordentlichen Gemeindehaushaltes noch zur Propaganda für Flims verwendet werden (Art. 9). Die Sporttaxe ist ausschliesslich im Interesse der Gäste zu verwenden; sie dient insbesondere für die Schaffung und den Unterhalt von Sportanlagen und Skipisten sowie für die Förderung der Sportclubs von Flims und darf auch zur Deckung von Defiziten aus Sportanlässen herangezogen werden (Art. 10). Nach Art. 2 der Ausführungsbestimmungen vom 17. Juli 1960 beträgt die Kurtaxe für Hotelgäste je nach Lage und Minimalbettenpreis des Hotels 40-70 Rappen pro Logiernacht, für Chalets, Ferienwohnungen und Privatzimmer 40-60 Rappen und für Campings, Massenlager und Jugendherbergen 20-50 Rappen, während die Sporttaxe einheitlich 30 Rappen beträgt. Die Pauschaltaxe für Chalets, Ferienhäuser und auf die Dauer gemietete Ferienwohnungen beträgt Fr. 40-80 pro Bett je nach Lage und Komfort des Hauses. B.- Der Beschwerdeführer Dr. Peter Jaeger wohnt mit seiner Familie in Oberrieden (Kt. Zürich) und ist seit1961 Eigentümer eines Ferienhauses in Flims. Auf dem ihm im Frühjahr 1962 zugestellten Fragebogen für die Festsetzung der Pauschaltaxe gab er an, dass sein Ferienhaus 4 normale Betten und 1 Notbett (Couch) enthalte und dass er es zu zweit 6 bis höchstens 8 Wochen im Jahre bewohne und nicht vermiete. Mit Veranlagungsverfügung vom 10. September 1962 setzte der Gemeinderat die Jahrespauschale für Dr. Jaeger unter Annahme einer Zahl von 3 Betten zu Fr. 50. - auf insgesamt Fr. 150.-- fest. Gegen diese Verfügung rekurrierte Dr. Jaeger an den Kleinen Rat. Er beantragte die Aufhebung der Verfügung, da die Erhebung einer Kur- und Sporttaxe vom Eigentümer eines nicht vermieteten Ferienhauses gegen das Verbot der BGE 90 I 86 S. 89 Doppelbesteuerung und gegen die Rechtsgleichheit verstosse; eventuell sei die Jahrespauschale auf einen angemessenen Betrag, höchstens aber Fr. 50.- im Jahr herabzusetzen, da Fr. 150.-- gemessen an der effektiven Aufenthaltsdauer in Flims übersetzt seien. Der Kleine Rat wies den Rekurs mit Entscheid vom 3. Dezember 1962 ab. Hiegegen rekurrierte Dr. Jaeger an den Grossen Rat, welcher den Rekurs mit Entscheid vom 31. Mai 1963 abwies, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Die Erhebung der Kur- und Sporttaxe von Ferienhausbesitzern verstosse, wie der Grosse Rat schon zweimal entschieden habe, weder gegen Art. 46 Abs. 2 noch gegen Art. 4 BV . Die Ferienhausbesitzer, die ihr Steuerdomizil nicht in Flims haben, könnten im gleichen Umfange wie Hotelgäste die besondern Kurorteinrichtungen geniessen, leisteten aber durch ihre Steuern keinen nennenswerten Beitrag an die Kosten. Es wäre unbillig, sie von der Taxpflicht auszunehmen, da die Taxe eine Gegenleistung für die Möglichkeit des Genusses jener Einrichtungen darstelle und kein voraussetzungslos geschuldeter Beitrag an die allgemeinen Kosten der Gemeindeverwaltung sei. Für die Pauschalierung müsse auf Erfahrungstatsachen und könne unmöglich auf die subjektiven Verhältnisse jedes einzelnen Ferienhausbesitzers, d.h. auf die effektive Dauer der Benützung des Ferienhauses abgestellt werden. Selbst wenn der Rekurrent weniger lang als drei Monate Ferien machen könne, sei es möglich, dass das Haus ausserhalb seiner Ferien von Familienangehörigen, Verwandten und Freunden belegt werde, ganz abgesehen von Wochenendaufenthalten, die allein zwei Monate und mehr ausmachen könnten. Zudem habe der Rekurrent die Möglichheit, einer allenfalls übermässigen Pauschaltaxe durch Verzicht auf die Pauschalierung auszuweichen. Die Bemessung der Pauschale nach der Bettenzahl (hier: 3 der gemeldeten 4-5 Betten) und nicht nach der Grösse der Familie stelle nicht auf ein unbilliges Kriterium ab, da auch Personen ausserhalb der Familie, die als Gäste BGE 90 I 86 S. 90 dort logieren, in die Pauschalsumme einbezogen seien. Die Ausdehnung der Taxpflicht auf das Dienstpersonal der Gäste werde vom Rekurrenten zu Unrecht beanstandet, denn die Gäste-Dienstboten machten erfahrungsgemäss recht intensiven Gebrauch von den Einrichtungen des Kurortes. Die Rüge, dass der Ertrag der Kur- und Sporttaxen mehr ausmache als die Mehrbelastung der Gemeinde, die sich aus den besonderen Bedürfnissen des Kur- und Sportbetriebs ergebe, werde erstmals im Verfahren vor zweiter Instanz erhoben und sei daher gemäss Art. 55 Abs. 2 GGO unbeachtlich und überdies auch unbewiesen. C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Dr. Peter Jaeger den Antrag, der Entscheid des Grossen Rates vom 31. Mai 1963 sei aufzuheben. Er beruft sich auf Art. 46 Abs. 2 und Art. 4 BV sowie Art. 40 Abs. 5 bünd. KV und erhebt im wesentlichen folgende Rügen: a) Da die Kurtaxe beim Ferienhausbesitzer nicht mehr die entgeltliche Beherbergung, sondern das Verweilen am Kurort zum Objekt habe, werde sie ihm gegenüber zur Aufenthaltssteuer und verstosse damit gegen Art. 46 Abs. 2 BV . b) Die für die Ferienhausbesitzer neu geschaffenen Taxen seien auch, allgemein oder doch wegen der Beschränkung der Abgabepflicht auf Personen ohne Wohnsitz am Kurort, willkürlich, ungerecht und unbillig und daher mit Art. 4 BV und Art. 40 Abs. 5 KV unvereinbar. c) Die Bemessung der dem Beschwerdeführer auferlegten Taxen beruhe auf willkürlichen Annahmen und laufe auf eine rechtsungleiche Behandlung hinaus. d) Der Einwand, der Beschwerdeführer könne einer übermässigen Belastung durch Verzicht auf die Pauschalierung ausweichen, sei nicht stichhaltig, da die Entrichtung von Tagestaxen "mit beinahe unzumutbaren Umständen" verbunden sei. Abgesehen davon seien auch die Tagestaxen von 60 bzw. (im Winter) 90 Rappen für Ferienhausbesitzer ungerecht, unbillig und willkürlich. Die Begründung dieser Rügen ist, soweit notwendig, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich. BGE 90 I 86 S. 91 D.- Der Grosse Rat des Kantons Graubünden und die Gemeinde Flims beantragen Abweisung der Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer beanstandet auch die Höhe der ihm auferlegten Kur- und Sporttaxe und damit die Anwendung und Auslegung des KSG. In erster Linie ficht er jedoch die Verfassungsmässigkeit der Bestimmungen an, auf Grund deren er abgabepflichtig erklärt wurde. Er bestreitet zwar nicht, dass in der Steuerautonomie der bündnerischen Gemeinden (Art. 40 Abs. 5 KV) auch die Befugnis enthalten ist, eine Kur- und Sporttaxe einzuführen ( BGE 67 I 201 /2). Er betrachtet es auch als zulässig, diese Abgabe von den "Gästen im hergebrachten Sinne" mit Einschluss der Mieter von Ferienhäusern zu erheben. Als verfassungswidrig rügt er dagegen die Ausdehnung der Abgabepflicht auf nicht ortsansässige Eigentümer von Ferienhäusern. Diese gegen das KSG selbst gerichtete Rüge ist zulässig. Die Bestimmungen dieses Erlasses können zwar, da die Frist zu seiner Anfechtung abgelaufen ist, vom Bundesgericht nicht mehr aufgehoben werden. Dagegen kann der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit des KSG noch im Anschluss auf die gestützt darauf ergangene Veranlagungsverfügung vorfrageweise geltend machen ( BGE 86 I 274 mit Verweisungen). Doch ist er hiezu nur insoweit legitimiert, als die Bestimmungen des KSG auf ihn angewendet worden sind ( BGE 90 I 79 , Erw. 1). Das trifft auch zu, soweit bei der Festsetzung der vom Beschwerdeführer geschuldeten Pauschaltaxe ausser seiner Person Angehörige, Gäste und Dienstboten berücksichtigt worden sind. 2. Der Beschwerdeführer rügt neben der Verletzung von Art. 4 und 46 Abs. 2 BV auch eine solche von Art. 40 Abs. 5 KV, wonach Gemeindesteuern "nach billigen und gerechten Grundsätzen" zu erheben sind. Ob diese Bestimmung, die eine Anweisung an den kommunalen Gesetzgeber enthält und seine Autonomie beschränkt, ein verfassungsmässiges BGE 90 I 86 S. 92 Recht des Steuerpflichtigen begründet, dessen Verletzung mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend gemacht werden kann, ist zweifelhaft, kann aber dahingestellt bleiben. Sie lässt jedenfalls der Gemeinde einen weiten Spielraum des Ermessens bei der Aufstellung und Ausgestaltung von Steuertatbeständen. Solange der Gemeindegesetzgeber innerhalb der Grenzen dieses Ermessens bleibt, kann, auch wenn die getroffene Lösung Zweifel erweckt und nicht völlig befriedigt, von einer Verletzung von Art. 40 Abs. 5 KV nicht die Rede sein. Der Staatsgerichtshof könnte nur einschreiten, wenn eine Ordnung mit "billigen und gerechten Grundsätzen" schlechterdings unvereinbar wäre und damit gegen Art. 4 BV verstiesse. Die Rüge der Verletzung von Art. 40 Abs. 5 KV fällt daher mit derjenigen aus Art. 4 BV zusammen und hat keine selbständige Bedeutung (vgl. mit Bezug auf Art. 19 zürch. KV: BGE 48 I 83 Erw. 4 und REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Komm. zum Zürcher StG Bd. I S. 5). 3. Da das aus Art. 46 Abs. 2 BV abgeleitete Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung nach feststehender Rechtsprechung nur für eigentliche Steuern, nicht auch für Gebühren und Vorzugslasten gilt ( BGE 81 I 187 mit Verweisungen, BGE 86 I 99 Erw. 2), stellt sich zunächst die Frage nach der rechtlichen Natur der streitigen Kur- und Sporttaxe. Dabei ist ihr Zweck und ihre Ausgestaltung im KSG von ausschlaggebender Bedeutung. a) In der schweizerischen Literatur ist die rechtliche Natur der Kurtaxe umstritten. LARDELLI (Eine Abgabe im Hotelgewerbe zugunsten gesamtschweizerischer Verkehrswerbung Diss. 1946 S. 22 und SJZ 1946 S. 336), GIACOMETTI (Gutachten, teilweise wiedergegeben in der Diss. von Lardelli S. 27) sowie mit Bezug auf den eigentlichen Inhalt der Abgabe RUPPERT (ZBl 1946 S. 57 ff.) betrachten die Kurtaxe als Vorzugslast, während BACHMANN (Schweiz. Kurtaxenrecht, Diss. 1944 S. 37 ff. und 141 ff. sowie SJZ 1947 S. 88 ff.), GYGI (SJZ 1947 S. 85 ff.) und BLUMENSTEIN (Gutachten von 1939, erwähnt von Lardelli a.a.O.: weniger BGE 90 I 86 S. 93 bestimmt System des Steuerrechts 2. Aufl. S. 70 und 106) annehmen, es handle sich um eine Steuer. Das Bundesgericht hat die Kurtaxe, ohne ihre Natur näher zu erörtern, stets als Sondersteuer bezeichnet (nicht veröffentl. Urteile vom 10. November 1933 i.S. Arnet c. Gemeinde Spiez und vom 1. Mai 1936 i.S. Cavezzali c. Kurverein Wiesen; BGE 64 I 305 Erw. 2 und BGE 67 I 204 Erw. 2), jedoch im letztgenannten Urteil beigefügt, es sei nicht zu verkennen, dass sie auch Elemente enthalte, die auf die Gebühr und den Beitrag hinweisen. b) Dass die streitige Kur- und Sporttaxe von Flims keine reine Gebühr ist, liegt auf der Hand und ist denn auch unbestritten. Gebühren sind ein Entgelt für eine bestimmte, vom Pflichtigen veranlasste Amtshandlung oder für die Benützung einer öffentlichen Anstalt ( BGE 82 I 301 Erw. 3 a und dort angeführte frühere Urteile; BGE 84 I 165 Erw. 3). Die Kur- und Sporttaxe muss aber von den Abgabepflichtigen auch dann bezahlt werden, wenn diese die Kur- und Sporteinrichtungen, für deren Erstellung und Unterhalt die Abgabe erhoben wird, nicht benützen. Mit Bezug auf solche Gäste könnte die Kur- und Sporttaxe höchstens insofern Elemente einer Gebühr enthalten, als ihr Ertrag zur Deckung der Kosten der Gästekontrolle oder des Auskunftsdienstes oder anderer, im Interesse aller Gäste liegenden Einrichtungen dient (vgl. BGE 67 I 205 ff.), worüber indes dem KSG und den Akten nichts zu entnehmen ist. Nach Auffassung der Gemeinde Flims, des Kleinen und anscheinend auch des Grossen Rates stellt die Kur- und Sporttaxe eine Vorzugslast dar. Vorzugslasten sind Beiträge, die vom Pflichtigen für den ihm aus einer öffentlichen Einrichtung erwachsenden wirtschaftlichen Sondervorteil erhoben und einerseits nach den zu deckenden Kosten der Einrichtung, anderseits nach Massgabe des dem Pflichtigen erwachsenden Vorteils bemessen werden ( BGE 63 I 153 , BGE 67 I 309 /10, BGE 70 I 126 , BGE 74 I 224 /5, BGE 86 I 99 Erw. 2). Danach könnte die Kur- und Sporttaxe nur dann als Vorzugslast gelten, wenn die Kur- und Sporteinrichtungen, für welche BGE 90 I 86 S. 94 sie verwendet wird, den Abgabepflichtigen, d.h. den "Gästen" im Sinne von Art. 1 KSG , einen Vorteil brächten, der andern Personen nicht oder nicht im gleichen Masse zukommt. Das trifft jedoch nicht zu. Diese Einrichtungen stehen nicht nur oder in erster Linie jenen "Gästen" zur Verfügung, sondern auch Personen, die nicht abgabepflichtig sind, nämlich den Einwohnern von Flims, denjenigen die sich dort länger als 3 Monate ununterbrochen im eigenen Ferienhaus aufhalten oder bei einer nicht abgabepflichtigen Person unentgeltlich übernachten ( Art. 6 lit. d KSG ), ferner den Kurgästen aus Nachbargemeinden und andern, sich nur tagsüber in Flims aufhaltenden Personen. Anderseits trifft die Abgabepflicht auch Personen, welche aus den Kur- und Sporteinrichtungen keinen Vorteil ziehen können, wozu neben Geschäftsreisenden ( Art. 6 lit. b KSG ) vor allem diejenigen gehören, die sich zu Heilzwecken in Flims aufhalten und bettlägerig sind. Mit dem Wesen einer Vorzugslast ist es auch unvereinbar, dass die Kurtaxe nicht nach Massgabe des dem Abgabepflichtigen aus den Kur- und Sporteinrichtungen erwachsenden Vorteils bemessen wird, sondern nach Art und Lage der Logierstätte abgestuft ist. Ist die Kur- und Sporttaxe demnach eine öffentlichrechtliche Abgabe, die erhoben wird, ohne wesentlich an die Voraussetzung einer Gegenleistung oder eines besondern Vorteils geknüpft zu sein, so ist sie als Steuer aufzufassen, deren Merkmal eben die Voraussetzungslosigkeit ist ( BGE 52 I 51 , BGE 54 I 37 , 63 I 153; BLUMENSTEIN, System S. 3). Diese Voraussetzungslosigkeit wird von der Gemeinde zu Unrecht bestritten, da die Kur- und Sporttaxe vom Abgabepflichtigen geschuldet wird ohne Rücksicht darauf, ob er die mit ihr finanzierten Einrichtungen tatsächlich benützt oder wenigstens benützen könnte. Dass die Kur- und Sporttaxen gemäss Art. 9 und 10 KSG ausschliesslich im Interesse der Gäste zu verwenden sind und nicht der Entlastung des ordentlichen Gemeindehaushaltes dienen dürfen, stempelt sie nicht zur Vorzugslast, sondern zur Zwecksteuer, die BGE 90 I 86 S. 95 mit jener nicht zu verwechseln ist (vgl. BGE 73 I 58 , BGE 86 I 99 ). Wollte man noch annehmen, die Kur- und Sporttaxe enthalte insoweit, als die Abgabepflichtigen die aus ihrem Ertrag geschaffenen Einrichtungen tatsächlich benützen oder doch benützen könnten, auch eine Gebühr oder Vorzugslast ( BGE 67 I 204 Erw. 2) und stelle daher eine Gemengsteuer dar, so würden die Merkmale der Steuer derart überwiegen, dass sie als solche zu behandeln ist. 4. Das hat jedoch nicht ohne weiteres zur Folge, dass. Art. 46 Abs. 2 BV auf sie anwendbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts betrifft das Doppelbesteuerungsverbot vor allem die ordentlichen Steuern auf dem Vermögen und Einkommen, die Personalsteuern und Erbschaftssteuern sowie die diese Hauptsteuern ergänzenden und ersetzenden Abgaben. Für die übrigen Steuern lässt sich keine allgemeine Regel aufstellen, sondern muss in jedem einzelnen Falle geprüft werden, ob Art. 46 Abs 2 BV nach seinem Sinn und Geist auf sie anzuwenden ist ( BGE 47 I 301 /2, BGE 53 I 377 /8, BGE 64 I 305 , BGE 71 I 324 Erw. 2, nicht veröffentl. Urteil vom 31. März 1954 i.S. Défencycle SA S. 8). In den Urteilen BGE 64 I 305 und BGE 67 I 204 hat das Bundesgericht die Anwendung von Art. 46 Abs. 2 BV auf Kurtaxen abgelehnt, weil es sich bei den in Frage stehenden Taxen um eine für einen bestimmten Zweck erhobene, geringe Sondersteuer handelte. Ein Vorbehalt wurde lediglich für den Fall gemacht, dass eine als Kurtaxe bezeichnete Abgabe nach den Umständen den Charakter einer Aufenthaltssteuer habe, die anstelle der ordentlichen Steuern erhoben werde und daher mit diesen in Konkurrenz trete. Dies trifft nach Auffassung des Beschwerdeführers bei der Kur- und Sporttaxe von Flims deshalb zu, weil sie im Gegensatz zu den bisherigen Kurtaxen nicht mehr die entgeltliche Beherbergung, sondern den blossen Aufenthalt besteuere. Diese Ausdehnung der Kurtaxe auf die Ferienhauseigentümer, ihre Angehörigen und Gäste ändert jedoch BGE 90 I 86 S. 96 an der Natur der Abgabe nichts. Zu einer Aufenthaltssteuer wird sie erst, wenn ihr Ertrag verwendet wird zur Finanzierung allgemeiner Gemeindeaufgaben, deren Kosten üblicherweise aus dem Ertrag der ordentlichen Steuern bestritten werden (vgl. BGE 67 I 205 ). Gerade das trifft jedoch bei der Kur- und Sporttaxe von Flims nicht zu, denn die Art. 9 und 10 KSG bestimmen ausdrücklich, die Kur- und Sporttaxengelder müssten ausschliesslich im Interesse der Gäste und dürften nicht zur Entlastung des ordentlichen Gemeindehaushaltes oder zur Propaganda für Flims verwendet werden. Damit unterscheidet sich die streitige Abgabe wesentlich nicht nur von der im Jahre 1919 eingeführten "Hotelkontrollgebühr" der Stadt Zürich ( BGE 46 I 411 ), sondern auch von der im bündner Strassenfinanzierungsgesetz vom 7. Oktober 1962 vorgesehenen "Staatstaxe" ( BGE 90 I 77 ff). Während die ebenfalls nach Logiernächten bemessene "Staatstaxe" zusammen mit dem Ertrag der ordentlichen Steuern der Finanzierung einer im Interesse der gesamten Bevölkerung und Wirtschaft liegenden Aufgabe des Gemeinwesens dienen soll, ist die Kur- und Sporttaxe bestimmt zur Deckung von Aufwendungen für Einrichtungen, die vornehmlich wegen der Gäste geschaffen werden und an die, wie die Beschwerde (S. 16) selber ausführt, aus dem allgemeinen Gemeindehaushalt keine oder nur ganz unbedeutende Beiträge geleistet werden. Der Beschwerdeführer behauptet freilich, der Ertrag der Kur- und Sporttaxe werde zum Teil zur Erfüllung von Aufgaben verwendet, die der Gemeinde obliegen (Strassenreinigung, Schneeräumung, Propaganda). Dieser Einwand ist unbehelflich, da es für den Entscheid darüber, ob die Kur- und Staatstaxe mit Art. 46 Abs. 2 BV vereinbar sei, auf ihren gesetzlichen Zweck ankommt. Sollte der Kur- und Verkehrsverein, dem Art. 8 KSG die Verwendung der Taxeinnahmen überträgt, diese in einer gegen den klaren Wortlaut der Art. 9 und 10 KSG verstossenden Weise verwenden, so gibt dies den Abgabepflichtigen keinen Anspruch auf gänzliche oder teilweise Befreiung von der BGE 90 I 86 S. 97 Abgabepflicht, sondern lediglich das Recht, mit der Beschwerde gemäss Art. 14 KSG zu verlangen, dass die gesetzwidrige Verwendung eingestellt werde. Da die Kur- und Sporttaxengelder nach dem KSG nicht nur vorwiegend, sondern ausschliesslich im Interesse der Gäste zu verwenden sind, sind auch Umstände, die eher für die Anwendung von Art. 46 Abs. 2 BV sprechen würden, nicht geeignet, die Taxe als eine die ordentlichen Steuern ergänzende oder ersetzende Abgabe erscheinen zu lassen, nämlich die Befreiung der in Flims wohnhaften Steuerpflichtigen von der Abgabepflicht ( Art. 1 KSG ) und die Abstufung der Taxe nach Lage, Art und Komfort der Unterkunft, womit über den Aufwand mittelbar auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Pflichtigen abgestellt wird (vgl. dazu BGE 90 I 84 Erw. 4 Abs. 3 und 4). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich auch nicht sagen, die streitige Taxe werde wegen ihrer Höhe zu einer unzulässigen Aufenthaltssteuer. Die Ansätze pro Logiernacht sind angesichts der seitherigen Geldentwertung eher geringer als diejenigen des in BGE 67 I 204 beurteilten Kurtaxengesetzes der Gemeinde Arosa vom 4. Oktober 1938. Zudem wurde der Beschwerdeführer nicht auf Grund dieser Ansätze veranlagt, sondern es wurde auf seinen Wunsch eine Pauschaltaxe festgesetzt, so dass er nur diese zum Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde machen und ihre Höhe nur wegen Verletzung von Art. 4 BV anfechten kann (Erw. 1 hievor). In BGE 67 I 208 Erw. 5 wurde die Frage aufgeworfen, ob die Kurtaxe sich nicht gegenüber solchen Personen als Aufenthaltssteuer auswirke, die sich zu Heilzwecken am Kurort befinden und wegen körperlicher Gebrechen die mit der Kurtaxe finanzierten Einrichtungen und Veranstaltungen nicht geniessen können. Die Frage braucht hier nicht geprüft zu werden, da der Beschwerdeführer nicht geltend macht, dass er oder seine Familienangehörigen wegen körperlicher Gebrechen an der Benutzung der Kur- und Sporteinrichtungen verhindert seien. BGE 90 I 86 S. 98 Darin, dass der Beschwerdeführer sowohl die Vermögenssteuer für seine Liegenschaft als auch die Kur- und Sporttaxe bezahlen muss, läge selbst dann, wenn sich daraus eine erhebliche Belastung ergäbe, keine nach Art. 46 Abs. 2 BV unzulässige Doppelbesteuerung, da diese Bestimmung nur die interkantonale Doppelbesteuerung, nicht auch eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung innerhalb desselben Kantons verbietet ( BGE 78 I 327 und die bei LOCHER, Interkant. Doppelbesteuerungsrecht, § 2 III B angeführten Urteile). 5. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Erhebung der Kur- und Sporttaxe von Ferienhauseigentümern verstosse gegen Art. 4 BV . Gegen diese Bestimmung, die auch vom Gesetzgeber zu beachten ist, verstösst ein allgemein verbindlicher Erlass dann, wenn er sich nicht auf ernsthafte, sachliche Gründe stützen lässt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für welche ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist ( BGE 84 I 105 mit Verweisungen, BGE 86 I 279 Erw. 3, BGE 88 I 79 , BGE 89 I 74 ). Innerhalb dieses Rahmens steht dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Der Verfassungsrichter hat diese Befugnis zu achten. Er darf sein Ermessen nicht an Stelle desjenigen des Gesetzgebers treten lassen, sondern hat nur bei Ermessensmissbrauch oder -überschreitung einzugreifen (nicht veröffentl. Urteile vom 7. März 1962 i.S. Haus- und Grundeigentümerverband Luzern S. 5 und vom 11. Dezember 1963 i.S. Aschwanden S. 6/7). Das gilt insbesondere auch für die vom Gesetzgeber vorgenommene Umschreibung des Kreises der Abgabepflichtigen. Ausgangspunkt und gesetzgeberisches Motiv für die in der Schweiz seit Jahrzehnten übliche Kurtaxe ist der Gedanke, die Kurgäste zur Finanzierung derjenigen Einrichtungen und Veranstaltungen heranzuziehen, die von der Gemeinde speziell für sie geschaffen werden und ihnen vor allem zugute kommen. Diese Überlegung leuchtet ein und lässt es als sachlich gerechtfertigt erscheinen, den Kurgästen BGE 90 I 86 S. 99 einen Beitrag an jene Einrichtungen in der Form einer Spezialsteuer aufzuerlegen. Der Beschwerdeführer anerkennt denn auch ausdrücklich, dass die Kur- und Sporttaxe von den "Gästen im hergebrachten Sinne", d.h. von den Hotelgästen sowie von den Mietern von Ferienwohnungen, erhoben werden dürfe, bestreitet dies aber für die Eigentümer von Ferienhäusern. Es mag zutreffen, dass diese Kategorie von "Gästen" den betreffenden Ort weniger wegen der Kur- und Sporteinrichtungen als wegen des eigenen Ferienhauses immer wieder aufsucht. Das ist jedoch nicht entscheidend. Abgesehen davon, dass die für den Kur- und Sportbetrieb geschaffenen Einrichtungen in der Regel mit ein Grund für den Erwerb eines eigenen Ferienhauses am betreffenden Ort sind und dessen Mietwert erhöhen, so dass entgegen dem Beschwerdeführer nicht gesagt werden kann, die Ferienhausbesitzer seien am Ausbau des Kurortsbetriebs meistens gar nicht interessiert, haben der Eigentümer und seine Gäste in gleicher Weise wie "Gäste im hergebrachten Sinne" die Möglichkeit, die mit der Kur- und Sporttaxe finanzierten Einrichtungen zu benützen, weshalb in ihrer Heranziehung zur Entrichtung dieser Taxe kein willkürliches oder sonst unbilliges Vorgehen zu erblicken ist. Dem steht nicht entgegen, dass der Eigentümer eines Ferienhauses für seinen Grundbesitz gegenüber Gemeinde und Kanton vermögenssteuerpflichtig ist, während die "Gäste im hergebrachten Sinne" am Kurort keine ordentlichen Steuern zu entrichten haben. Die Vermögenssteuer ist ein am Ort der gelegenen Sache erhobener Beitrag an die allgemeinen Staats- und Gemeindeaufgaben, der ohne Rücksicht darauf geschuldet ist, wie der Eigentümer sein Grundstück benutzt. Die Kur- und Sporttaxe dagegen wird für die Finanzierung der Kur- und Sporteinrichtungen verwendet, die dem Ferienhausbesitzer im gleichen Masse wie den andern Gästen zur Verfügung stehen und an deren Kosten Staat und Gemeinde keine bzw. nur ganz geringe Beiträge leisten. Etwas zweifelhafter mag sein, ob es mit dem Grundsatz BGE 90 I 86 S. 100 der Rechtsgleichheit vereinbar ist, die Kur- und Sporttaxe ausschliesslich von den Personen ohne Wohnsitz in Flims zu erheben ( Art. 1 KSG ). Diese Beschränkung der Abgabepflicht lässt sich wohl kaum damit rechtfertigen, dass die Einwohner von Flims dort für ihr Erwerbseinkommen und bewegliches Vermögen steuerpflichtig sind, denn es ist nicht dargetan, dass aus dem Ertrag dieser Steuern wesentliche Beiträge an die Erstellung und den Unterhalt der Kur- und Sporteinrichtungen geleistet werden. Als erheblich erscheint dagegen, dass diese Einrichtungen in erster Linie für die Kurgäste geschaffen und von ihnen benützt werden. Zwar zieht auch die einheimische Bevölkerung daraus Vorteil, unmittelbar, indem sie die Kur- und Sporteinrichtungen ebenfalls benützen kann, und mittelbar, weil dadurch Feriengäste angezogen werden, die der einheimischen Bevölkerung Verdienst bringen. Indes können die Feriengäste diese Einrichtungen meistens ausgiebiger benützen als die einheimische Bevölkerung, für welche die Benützungsmöglichkeit zwar das ganze Jahr hindurch besteht, von der sie aber gerade zu den dafür besonders geeigneten Zeiten wegen ihrer beruflichen Inanspruchnahme in der Regel nicht oder doch nicht ebenso intensiv Gebrauch machen können wie die Kurgäste, die hier ihre Ferien- und Freizeit verbringen. Dazu kommt, dass die Kur- und Sporteinrichtungen wegen der einheimischen Bevölkerung allein nicht, jedenfalls aber nicht im gleichen Umfange geschaffen würden, wie es für die Feriengäste geschieht. Im Hinblick hierauf lässt es sich sachlich rechtfertigen, die Kurtaxen nur von den Feriengästen zu erheben. Zu diesen gehören aber nicht nur die "Gäste im hergebrachten Sinne", in Bezug auf welche der Beschwerdeführer die Erhebung der Taxe auch aus dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit nicht beanstandet, sondern auch die Ferienhausbesitzer. Hält aber die Ausdehnung der Abgabepflicht auf diese vor Art. 4 BV stand, so kommt nichts darauf an, wie hoch die Steuern und sonstigen Abgaben sind, die der Beschwerdeführer in Flims als Liegenschaftseigentümer zu bezahlen hat. BGE 90 I 86 S. 101 Als sehr fragwürdig erscheint die vom Beschwerdeführer weiter als rechtsungleiche Behandlung gerügte Unterscheidung, wonach die Kur- und Sporttaxe von den Dienstboten der Gäste, nicht aber von denjenigen der Einwohner zu entrichten ist ( Art. 7 lit. a KSG ). Indes braucht nicht entschieden zu werden, ob hierin ein Verstos gegen Art 4 BV liegt. Der Beschwerdeführer nimmt zwar, wie er in der Beschwerde ausführt, gelegentlich ein Dienst- und Kindermädchen mit in sein Ferienhaus. Die streitige Veranlagung hat indessen nicht die Kur- und Sporttaxe für ein Dienstmädchen zum Gegenstand, sondern eine Pauschaltaxe, und diese ist, wie sich aus den nachstehenden Erwägungen ergibt, auch haltbar, wenn vom Dienstmädchen abgesehen wird. 6. Der Beschwerdeführer bestreitet die in den Ausführungsbestimmungen zum KSG vorgesehenen Kur- und Sporttaxen auch der Höhe nach. Da er die Pauschalierung gewählt hat, ist indes lediglich zu prüfen, ob die gesetzlichen Bestimmungen über diese in dem Umfange, als sie auf ihn angewendet worden sind, an sich oder in ihrer konkreten Anwendung gegen Art. 4 BV verstossen (Erw. 1 hievor). Unbeachtlich sind daher die Ausführungen des Beschwerdeführers über die Auswirkungen der Pauschalierung bei einem grössern, komfortablern und besser gelegenen Ferienhaus als dem des Beschwerdeführers, sowie über die Belastung der Ferienhausbesitzer durch die Tagestaxe im Vergleich zu den eigentlichen Gästen. a) Nach Art. 4 KSG ist die Pauschaltaxe, die neben dem Ferienhausbesitzer auch für seine Familie und die unentgeltlich beherbergten Gäste gilt, "auf Grund der im Ferienhaus verfügbaren Betten" festzusetzen. Der Beschwerdeführer bezeichnet diese Ordnung als willkürlich und behauptet, der einzig brauchbare Massstab sei die Zahl der in Wirklichkeit das Haus bewohnenden Personen, der meist mit dem Kreis der Familie des Besitzers zusammenfalle. Wenn auf die Zahl der im Laufe eines Jahres im Haus übernachtenden Personen abzustellen wäre, würde dies eine Kontrolle durch An- und Abmeldung dieser Personen BGE 90 I 86 S. 102 bedingen. Gerade davon soll aber die Pauschalierung den Ferienhausbesitzer befreien ( Art. 12 Abs. 4 KSG ). Es muss eine auf Grund der Erfahrung vorgenommene Schätzung der durchschnittlichen Bettenbesetzung genügen, und dafür erscheint die Zahl der verfügbaren Betten als durchaus geeignete Grundlage. Art. 4 KSG verstösst daher nicht gegen Art. 4 BV . Ebensowenig tut es die in der angefochtenen Veranlagung liegende Anwendung dieser Bestimmung. Da das Ferienhaus des Beschwerdeführers vier normale Betten und ein Notbett (Couch) enthält, kann von Willkür nicht die Rede sein, wenn bei der Berechnung derPauschaltaxe von einer durchschnittlichen Besetzung von drei Betten ausgegangen wird, und zwar selbst dann nicht, wenn das gelegentlich mitgenommene Dienstmädchen ausser Betracht bleibt, denn der Beschwerdeführer erklärt wohl, dass er das Haus nicht unentgeltlich Freunden oder Bekannten überlasse, behauptet aber nicht und tut jedenfalls nicht dar, dass er dort nicht gelegentlich Verwandte und Freunde beherberge, wie es in derartigen Ferienhäusern erfahrungsgemäss häufig geschieht. b) Die in Art. 2 der Ausführungsbestimmungen zum KSG enthaltene Festsetzung der Pauschaltaxe auf Fr. 40. - bis 80.- pro Bett und Jahr je nach Lage und Komfort des Hauses beruht nach Angabe des Gemeinderates auf der Annahme eines durchschnittlichen jährlichen Aufenthaltes von 3-4 Monaten im Ferienhaus. Diese Ordnung ist aus dem Gesichtswinkel des Art. 4 BV nicht zu beanstanden, da eine Pauschaltaxe ihrem Wesen nach nicht auf die individuellen Verhältnisse abstellen kann, sondern von durchschnittlichen Verhältnissen ausgehen muss. Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer daher als Verweigerung des rechtlichen Gehörs, dass ohne Beweisabnahme über seine Behauptung hinweggegangen worden sei, dass er und seine Angehörigen jährlich höchstens 8 Wochen im Ferienhaus in Flims weilten. c) Wenn der Beschwerdeführer nicht auf Grund der Zahl der im Haus vorhandenen Betten und einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer veranlagt werden, sondern seine BGE 90 I 86 S. 103 individuellen Verhältnisse genau berücksichtigt haben wollte, so hätte er nicht die Pauschaltaxe, sondern die Berechnung pro Logiernacht wählen müssen. Davon, dass dies "beinahe unzumutbar" sei wegen des damit verbundenen "unschweizerischen Kontroll- und Überwachungsapparates", kann nicht die Rede sein. Wenn die Taxe pro Logiernacht berechnet wird, ist es klar und bedeutet es keine Verletzung verfassungsmässiger Freiheitsrechte, dass der Abgabepflichtige die für die Berechnung erforderlichen Angaben zu machen und eine gewisse Kontrolle darüber zu dulden hat. Es ist auch nicht richtig, dass er sich dann "bei jedem noch so kurzen Aufenthalt sofort persönlich beim Kur- und Verkehrsverein an- und abmelden und die fälligen Taxen entrichten" müsste; vielmehr hätte er, wie dem von ihm selber eingereichten Schreiben des Kur- und Verkehrsvereins vom 10. September 1962 zu entnehmen ist, lediglich einen ihm zur Verfügung gestellten Block auszufüllen und diesen am Ende der Saison einzureichen. d) Nach Art. 2 lit. A/AA der Ausführungsbestimmungen zum KSG beträgt die Pauschaltaxe je nach Lage und Komfort des Ferienhauses Fr. 40.- bis 80.- pro Bett und Jahr. Dass ein Ansatz von Fr. 50.- mit Rücksicht auf Lage und Komfort seines Ferienhauses unhaltbar sei, macht der Beschwerdeführer mit Recht nicht geltend. Sein Einwand, die Pauschaltaxe von insgesamt Fr. 150..- übersteige die bei Berechnung pro Logiernacht geschuldete Taxe um gut das Doppelte, ist schon deshalb unbehelflich, weil der Beschwerdeführer dem dadurch abhelfen könnte, dass er keine Pauschaltaxe wünscht. Es lässt sich auch nicht im Ernste sagen, dass eine jährliche Pauschaltaxe von Fr. 150.-- für ein Ferienhaus mit 4 Betten und einer Couch den Charakter einer Kur- und Sporttaxe verliere und zu einer verfassungswidrigen Aufenthaltssteuer werde. Unbegründet ist schliesslich auch der Einwand, dass es "willkürlich, rechtsungleich, ungerecht und unbillig" sei, die Ferienhausbesitzer mit einer gleich hohen Kurtaxe zu belasten BGE 90 I 86 S. 104 wie die "eigentlichen Gäste", die im Gegensatz zu jenen keine Steuern und festen Abgaben in Flims zu entrichten haben. Denn die Kur- und Sporttaxe einerseits und die mit dem Liegenschaftsbesitz zusammenhängenden Steuern und festen Abgaben (Wasserzins, Anschlussgebühr usw.) werden aus verschiedenen Gründen und für verschiedene Zwecke erhoben und können daher nicht miteinander verglichen werden. Davon abgesehen lässt sich ein genauer Vergleich der vom Beschwerdeführer gewählten Pauschaltaxe mit den von Hotelgästen usw. zu bezahlenden Tagestaxen ohnehin nicht anstellen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
public_law
nan
de
1,964
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
13705be1-ee1f-45c6-8c6f-adf3cc983fc0
Urteilskopf 118 Ib 468 57. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 27 août 1992 dans la cause Ch. contre L.T.G. SA (recours de droit public)
Regeste Art. 1 Abs. 1, 3, 11 und 17 Abs. 1 Ziff. 1 des Vertrages zwischen der Schweiz und Frankreich über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen vom 15. Juni 1869; Garantie des natürlichen Richters des Beklagten, Zuständigkeit des ausländischen Richters. 1. Die Garantie des natürlichen Richters gemäss Art. 1 Abs. 1 des französisch-schweizerischen Abkommens gilt nur, wenn eine Partei die schweizerische, die andere hingegen die französische Staatsbürgerschaft besitzt (E. 4). 2. Die Gerichtsstandsvereinbarung gemäss Art. 3 des französisch-schweizerischen Abkommens kann nicht nur auf Parteivereinbarung, sondern auch darauf beruhen, dass sich der Beklagte auf die Klage eingelassen hat, ohne die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben (E. 4a). 3. Mangels ausdrücklicher oder stillschweigender Gerichtsstandsvereinbarung hat der Richter gestützt auf Art. 11 des französisch-schweizerischen Abkommens seine Unzuständigkeit von Amtes wegen festzustellen; der Beklagte ist nicht verpflichtet, vor dem Richter die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben (E. 4b). 4. Selbst wenn der Beklagte das Urteil nicht angefochten hat, kann er die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Richters im Verfahren der Zwangsvollstreckung erheben (E. 4c).
Erwägungen ab Seite 469 BGE 118 Ib 468 S. 469 Extrait des considérants: 4. Aux termes de l'art. 1er al. 1 de la Convention franco-suisse (RS 0.276.193.491), dans les contestations en matière mobilière et personnelle, civile ou de commerce, qui s'élèvent, soit entre Suisses et Français, soit entre Français et Suisses, le demandeur est tenu de poursuivre son action devant les juges naturels du défendeur, à savoir les juges de son domicile ( ATF 40 I 489 consid. 1). Cette disposition n'est toutefois applicable, selon son texte clair, que lorsque l'une des parties est suisse et l'autre française ( ATF 102 Ia 410 consid. 2b et les arrêts cités, ATF 40 I 485 /486 consid. 2); elle ne l'est pas aux litiges entre Suisses ( ATF 63 I 242 , ATF 22 I 49 , 18 p. 774/775 consid. 1, 11 p. 342, 10 p. 85 consid. 4 in fine) ou entre Français ( ATF 62 I 246 , ATF 29 I 438 consid. 3, ATF 24 I 691 consid. 3, 18 p. 671 consid. 1 et 763 consid. 2, 4 p. 262 consid. 2), ou encore entre Suisses ou Français et ressortissants d'un Etat tiers ( ATF 80 III 156 /157 consid. 4a et 164, ATF 26 I 268 consid. 2). Elle exclut BGE 118 Ib 468 S. 470 donc, à l'égard des Suisses, l'application de l'art. 14 CCfra., en vertu duquel l'étranger, même non résidant en France, pourra être cité devant les tribunaux français, pour l'exécution des obligations par lui contractées en France avec un Français (PETITPIERRE, La reconnaissance et l'exécution des jugements civils étrangers en Suisse, Paris 1924, p. 79; RCDIP 1991 p. 837; cf. a contrario ATF 56 I 185 ). En l'espèce, ni la nationalité française de l'intimée ni la nationalité suisse du recourant ne sont contestées. Ce dernier peut ainsi invoquer en sa faveur les règles de compétence de la convention. a) L'art. 1er al. 1 de la convention vise à assurer la même garantie de for que celle prévue à l' art. 59 Cst. dans les relations intercantonales ( ATF 102 Ia 409 consid. 2a, ATF 94 II 62 ); les conditions requises par la jurisprudence pour admettre l'existence d'une prorogation de for et, partant, une dérogation au principe du for naturel du défendeur, sont toutefois plus rigoureuses dans le cadre de l' art. 59 Cst. que dans celui de la convention ( ATF 104 Ia 147 let. c). Mais le traité admet la possibilité d'une élection de domicile dans un lieu autre que celui du domicile du défendeur; les juges du lieu du domicile élu sont alors seuls compétents pour connaître des difficultés auxquelles l'exécution du contrat peut donner lieu (art. 3). Le terme d'"élection de domicile" comprend également la convention de prorogation de for ( ATF 96 II 430 /431 consid. 2). La question de la renonciation au for ordinaire doit être uniquement résolue sur la base de l'art. 3 de la convention ( ATF 104 Ia 146 let. a, ATF 94 II 62 ), lequel ne définit cependant pas la manière dont le for prorogé peut être convenu. A la suite du Conseil fédéral (FF 1869 II 505/506), la jurisprudence constante estime que la prorogation de for n'a pas besoin d'être formelle, mais peut être tacite ( ATF 104 Ia 146 let. a, ATF 94 II 62 /63, 49 I 552, ATF 48 I 93 ); il en est ainsi lorsque le défendeur a discuté au fond devant le juge saisi du litige sans soulever l'exception d'incompétence ( ATF 104 Ia 146 let. b, ATF 90 II 114 consid. 1, ATF 75 I 154 consid. 5, ATF 58 I 187 , ATF 49 I 204 et 552, ATF 30 I 735 /736 consid. 5, ATF 23 I 105 /106 consid. 1). Mais pour admettre une prorogation de for tacite, encore faut-il qu'elle résulte clairement des circonstances ( ATF 94 II 63 in fine, ATF 48 I 93 ); elle ne saurait être admise qu'avec retenue et en présence d'une intention claire des parties (arrêt L. c. dame B. du 17 octobre 1991, SJ 1992 p. 184 et les références, non publié in ATF ATF 117 Ib 347 ). b) Par assignation du 8 décembre 1983, Me Pierre Duc, huissier de justice près le Tribunal de Grande Instance de Bourg-en-Bresse, a cité à comparaître le recourant. Ce dernier n'a toutefois pas constitué BGE 118 Ib 468 S. 471 avocat dans le délai légal et ne s'est pas présenté à l'audience. Le tribunal a dès lors prononcé un jugement, "réputé contradictoire" (art. 473 al. 2 NCPC), c'est-à-dire non susceptible d'opposition (SOLUS/PERROT, Droit judiciaire privé, t. III, Procédure de première instance, Paris 1991, No 199). Par lettre du 23 janvier 1984, adressée à l'huissier, le recourant avait toutefois déclaré "que si pour quelque motif que ce soit vous vouliez me faire un procès, vous devriez l'intenter à Genève, et non en France". On ne saurait dès lors déduire de son attitude devant le tribunal et de sa manière de procéder ( ATF 30 I 736 ), qu'il aurait admis, fût-ce de manière tacite, la compétence des juges français. D'une part, l'attitude purement passive du recourant - qui ne s'est pas même présenté à l'audience et, partant, n'a pas discuté le fond - ne saurait être assimilée à une participation au procès ( ATF 75 I 154 consid. 5 et les arrêts cités); il n'y a donc pas d'"Einlassung" (cf. arrêt non publié G. c. A.-P. GmbH & CO. KG du 4 mars 1992, consid. 2d, ad art. 2 ch. 3 de la Convention entre la Suisse et l'Allemagne). Il est à cet égard sans importance que le jugement soit "réputé contradictoire" (art. 473 al. 2 NCPC). D'autre part, le recourant a clairement manifesté, dans sa lettre adressée à l'huissier, qu'il ne reconnaissait pas la compétence des autorités judiciaires françaises. Certes, l'exception d'incompétence n'a pas été invoquée devant le tribunal, encore qu'il ne semble pas douteux que ce dernier ait pris connaissance de la correspondance du recourant. Mais il n'importe. En effet, l'art. 11 de la convention impose au tribunal suisse ou français saisi d'une demande qui ne serait pas de sa compétence, de renvoyer les parties, d'office et même en l'absence du défendeur, devant le juge qui en doit connaître. Les rédacteurs du traité ont ainsi "voulu que leur oeuvre ne fût pas déjouée par la négligence ou l'ignorance des parties, ou la mauvaise volonté des juges" (LAGARDE, RCDIP 1983 p. 326 ch. 8). Or, si elle n'exclut pas la validité d'une prorogation de for découlant de l'accord tacite des parties, notamment lorsque le défendeur procède au fond sans soulever le déclinatoire ( ATF 104 Ia 146 let. b, 25 I 102/103 consid. 2), cette disposition impose au juge, qui "n'est pas en présence d'une déclaration de volonté (expresse ou tacite) fondant sa compétence", de se "dénantir d'office, sans même que le défendeur soit tenu de se présenter et de soulever le déclinatoire" ( ATF 25 I 103 consid. 2; cf. LAGARDE, ibid.). C'est ce qu'aurait dû faire le Tribunal de Grande Instance de Bourg-en-Bresse. c) Les arguments de l'intimée n'y changent rien. C'est en vain qu'elle soutient que le tribunal français était compétent en vertu de BGE 118 Ib 468 S. 472 l'art. 46 NCPC, selon lequel le demandeur peut, en matière contractuelle, saisir à son choix, outre la juridiction du lieu où demeure le défendeur, celle du lieu de la livraison effective de la chose ou du lieu de l'exécution de la prestation de service. Il s'agit en effet d'une règle de compétence interne qui ne saurait prévaloir sur la convention (RCDIP 1991 p. 837, 1988 p. 775, 1986 p. 767, 1984 p. 696). Elle prétend ensuite à tort que le recourant aurait implicitement admis la compétence du tribunal en ne faisant pas appel du jugement. Selon une jurisprudence - certes ancienne, mais qui n'a pas été démentie (cf. ATF 80 III 156 consid. 4) -, le défendeur qui n'a pas fait appel d'un jugement écartant l'exception d'incompétence ( ATF 21 II 733 ), ou qui, après avoir soulevé vainement cette exception, entre en matière et ne recourt pas contre la décision rendue sur le fond ( ATF 23 II 1578 /1579), ne reconnaît pas, de ce fait, la compétence du tribunal et ne perd pas le droit de la contester au stade de l'exécution forcée (art. 17 al. 1 ch. 1). Plus récemment, le Tribunal fédéral a jugé que le défendeur, qui ne s'est pas présenté à l'audience, ne renonce pas à invoquer l'irrégularité de la citation (art. 17 al. 1 ch. 2) en ne faisant pas appel du jugement: "cette abstention ne le prive nullement du droit de faire état de l'irrégularité dans la procédure d'exécution" ( ATF 75 I 154 consid. 5). Ce qui est au contraire décisif, on l'a vu, c'est l'attitude du défendeur devant le juge incompétent; or, en l'espèce, celle du recourant est sans équivoque. Enfin, l'affirmation selon laquelle, en lui proposant un arrangement pour régler le litige, le recourant aurait admis implicitement la compétence du tribunal français, est dénuée de pertinence. La proposition en cause date du 4 juillet 1986, à savoir plus de deux ans après le jugement; elle ne saurait rendre compétent, a posteriori, un tribunal qui ne l'était pas.
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1,992
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13710556-d0be-4631-9a8a-8f14fccff2fa
Urteilskopf 108 IV 21 6. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Januar 1982 i.S. W. und Z. gegen X. AG (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 173 ff. StGB . Einer gemischtwirtschaftlichen Unternehmung, die nach den Bestimmungen des Obligationenrechts strukturiert ist, steht der strafrechtliche Schutz der Ehre zu.
Erwägungen ab Seite 21 BGE 108 IV 21 S. 21 Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführer bestreiten die Aktivlegitimation der X. AG, indem sie geltend machen, es handle sich bei der Beschwerdegegnerin wohl in formeller Hinsicht um eine juristische Person, die aber in Wirklichkeit - vom Staat Y. beherrscht - eine öffentlichrechtliche Körperschaft darstelle und - wie sich aus BGE 69 IV 81 ergebe - der Beleidigungsfähigkeit entbehre. Zunächst ist klarzustellen, dass das Bundesgericht im zitierten Entscheid über den strafrechtlichen Ehrenschutz von Behörden (Stadtrat), und nicht über jenen öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher juristischer Körperschaften zu befinden hatte. Im zu beurteilenden Falle indessen führt die X. AG als eine Personengesamtheit mit eigener Rechtspersönlichkeit Ehrverletzungsklage. Nach den unbestrittenen und verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist die X. AG eine gemischtwirtschaftliche Unternehmung, die nach den Bestimmungen des Obligationenrechts strukturiert ist und nicht spezialrechtlicher (hoheitsrechtlicher) Normierung unterliegt, so dass sie trotz Verfolgung eines öffentlichen Zweckes und erheblicher Beteiligung öffentlichrechtlicher Körperschaften (Kantone, Gemeinden etc.) eine juristische Person des Privatrechts bleibt ( Art. 762 und 926 OR ; SCHÜRMANN, Das Recht der gemischtwirtschaftlichen und öffentlichen Unternehmung mit privatrechtlicher Organisation, ZSR 72/1953, S. 181a Ziff. 1; BGE 108 IV 21 S. 22 SCHWARZENBACH, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., 1980, S. 224/225). Juristische Personen des Privatrechts oder allenfalls des öffentlichen Rechts (unter Vorbehalt von Spezialgesetz und Hoheitsrecht) sind aller (privatrechtlichen) Rechte fähig und teilhaftig, die nicht natürliche Eigenschaften des Menschen zur notwendigen Voraussetzung haben ( Art. 52 Abs. 2, Art. 53, Art. 59 Abs. 2 ZGB ; EGGER, ZH-Komm., 1930, N. 11 zu Art. 53, N. 14 zu Art. 59; GUTZWILLER, Schweiz. Privatrecht, Bd. II, 1967, S. 475; BGE 96 IV 148 , BGE 95 II 488 E. 4, BGE 71 IV 36 /37). So steht ihnen nach geltender Lehre und Rechtsprechung zumindest für jene Fälle, in welchen die eingeklagte Äusserung gegenüber Dritten getan wurde, und so die äussere Geltung der Persönlichkeit tangiert wird, die strafrechtlich geschützte Ehre zu ( BGE 96 IV 149 ; BGE 71 IV 37 ; HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, besonderer Teil I, 1937, S. 185-187; STRATENWERTH, Strafrecht, besonderer Teil I, 1978, S. 112-114; REHBERG, Strafrecht III, 1980, S. 103-104; ROTH, Der strafrechtliche Schutz der Ehre von Personenmehrheiten, Diss. Bern 1974, S. 64, 70, 76, 97 ff.). Die Beschwerdeführer gelangten mit ihrem Inserat direkt an die Öffentlichkeit, weshalb im vorliegenden Fall die X. AG den Schutz von Art. 173 ff. StGB geniesst. Die Vorinstanz hat zurecht die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin bejaht. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
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1,982
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137112d0-d415-48f0-8a8f-01a9d4f57d2b
Urteilskopf 87 I 134 22. Arrêt du 17 mai 1961 dans la cause Ktir contre Ministère public fédéral.
Regeste Vertrag zwischen der Schweiz und Frankreich über gegenseitige Auslieferung von Verbrechern, vom 9. Juli 1869; BG betreffend die Auslieferung gegenüber dem Ausland, vom 22. Januar 1892 (AuslG.) 1. Anwendung des AuslG beim Bestehen eines Auslieferungsvertrages (Erw. 1). 2. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts in Auslieferungssachen (Erw. 2 Abs. 2). 3. Begriffe des sog. relativ-politischen Delikts und des reinen Militärvergehens (Erw. 2). 4. Auslieferung an Frankreich wegen eines Verbrechens, das nach französischem Recht mit dem Tode bestraft wird (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 135 BGE 87 I 134 S. 135 A.- Le 16 décembre 1960, Belkacem Ktir, ressortissant français d'Algérie, fut arrêté près de Genève, alors qu'il venait de franchir clandestinement la frontière francosuisse. Le lendemain, la police genevoise reçut un télégramme du Parquet du Tribunal de Grande instance d'Annecy, demandant que Ktir, inculpé par les autorités françaises d'avoir assassiné un Algérien du nom de Mezai, fût maintenu en état d'arrestation provisoire; le télégramme annonçait qu'une requête d'extradition régulière suivrait par voie diplomatique. Le même jour, Ktir fut entendu et déclara qu'agissant en sa qualité de membre du Front algérien de libération nationale (FLN), il avait participé, sur ordre de ses supérieurs, à l'homicide de Mezai, qui, précisa-t-il, s'était déroulé dans les circonstances suivantes: BGE 87 I 134 S. 136 Mezai, membre du FLN, avait été arrêté par les autorités françaises, puis relâché. Ses chefs l'avaient soupçonné de trahison et avaient décidé de le "supprimer". Ils en chargèrent Ktir et trois autres Algériens. Le soir du 14 novembre 1960, Ktir alla chercher Mezai chez lui, à Annecy, sous prétexte d'une rencontre avec des responsables du FLN. Il le fit monter dans une voiture où attendaient trois autres Algériens. Ktir s'assit à côté du chauffeur, Mezai derrière entre les deux autres passagers. A un moment donné, la voiture s'étant arrêtée hors de ville dans un endroit écarté, ces derniers passèrent une cordelette autour du cou de Mezai et l'étranglèrent. B.- Le 3 janvier 1961, l'Ambassade de France à Berne remit au Département fédéral de justice et police la demande d'extradition qui avait été annoncée dans le télégramme du 17 décembre 1961. Ktir fut réentendu et confirma ses déclarations. Il s'opposa à son extradition. Il fit valoir que, la France étant en guerre avec le FLN, il avait, en participant à l'homicide de Mezai, aidé à mettre à mort un ennemi dans le cadre d'une guerre; il ajouta que, s'il était extradé, il serait en fait livré à son ennemi. Pour le cas où l'extradition serait inévitable, il demanda qu'elle fût subordonnée à la condition qu'en vertu du principe de la loi la plus douce, la peine de mort ne fût pas applicable. C.- Le Département fédéral de justice et police a saisi le Tribunal fédéral de la cause. Le Ministère public fédéral propose d'écarter l'opposition de Ktir et d'accorder son extradition. Erwägungen Considérant en droit: 1. L'extradition des malfaiteurs entre la France et la Suisse est réglée par le traité que ces deux Etats ont conclu le 9 juillet 1869 (ci-après: le traité). Dès lors, conformément à la jurisprudence, la loi fédérale du 22 janvier 1892 sur l'extradition aux Etats étrangers (LE) n'est en principe pas applicable en l'espèce (RO 42 I 104 ; 27 I 62 ; BGE 87 I 134 S. 137 XIX, p. 129 consid. 4 et p. 137 consid. 2 in fine; XVIII, p. 193 bas et 498, fin consid. 2; SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Bâle 1953, p. 134). Il n'en irait autrement que dans certaines hypothèses, notamment si la LE pouvait être appliquée concurremment avec le traité ou pour en combler une lacune, à la condition toutefois qu'elle ne conduisît pas à une solution contraire à la convention (RO 27 I 60/61; SCHULTZ, op.cit., p. 135). 2. En vertu des art. 1er et 2 du traité, l'extradition est autorisée lorsque les actes en cause sont punissables d'après les droits français et suisse, qu'ils remplissent les conditions de l'une ou de l'autre des infractions énumérées dans le traité et qu'il ne s'agit pas de crimes ou de délits politiques. Sont notamment des infractions politiques celles qui, tout en constituant en elles-mêmes des actes relevant du droit commun, acquièrent cependant un caractère politique prédominant en raison des circonstances dans lesquelles elles ont été commises, en particulier de leurs mobiles et de leur but. Ces infractions, qui ressortissent aux délits politiques relatifs, supposent que l'acte, inspiré par la passion politique, a été commis dans le cadre d'un combat pour l'accès au pouvoir ou afin de se soustraire à un pouvoir excluant toute opposition et qu'il est en rapport direct et étroit avec le but politique visé. Il faut en outre que le dommage causé soit proportionné au résultat recherché, qu'en d'autres termes, les intérêts en cause soient suffisamment importants, sinon pour justifier, du moins pour excuser l'atteinte que l'acte a portée à certains biens juridiques privés. S'agissant plus spécialement de l'assassinat, ce rapport n'existe que lorsque l'homicide est le seul moyen de sauvegarder les intérêts supérieurs en jeu et d'atteindre le but politique recherché (sur ces principes, cf. RO 78 I 50 ss. ; 78 I 137 /138 ; 56 I 461 ss. ; 54 I 213 ss. ; 50 I 259 ; 34 I 546 ss. et 570 ss.). En appliquant les principes qui précèdent, le Tribunal fédéral n'a pas à se prononcer sur la culpabilité de l'opposant et il est lié par les faits énoncés dans l'acte de BGE 87 I 134 S. 138 poursuite qui est à la base de la demande d'extradition. En revanche, il examine librement si les conditions de l'extradition sont remplies, en particulier s'il s'agit d'infractions politiques. De même, il décide librement si, au regard du dossier, on peut considérer que les circonstances invoquées à l'appui de l'opposition sont prouvées (RO 79 I 36, 78 I 45). En l'espèce et selon le mandat d'arrêt lancé contre lui, Ktir est poursuivi en France pour assassinat. Cette infraction est punie tant en droit français ( art. 295 à 298 et 302 al. 1 CP) qu'en droit suisse (art. 111 et 112 CP). Elle figure sous chiffre 1 de l'énumération contenue à l'article premier du traité. Il reste dès lors à savoir d'une part s'il s'agit d'un délit politique, d'autre part quel rôle pourrait jouer le fait que l'acte reproché à Ktir aurait été, ainsi que l'allègue ce dernier, commis dans le cadre d'une guerre entre la France et le FLN. Sur ce second point, l'opposant entend probablement se fonder sur l'art. 11 LE, aux termes duquel "l'extradition ne sera pas accordée... pour les délits purement militaires". Cette disposition n'est cependant pas applicable, car le traité ne fait aucune réserve de ce genre (SCHULTZ, op.cit., p. 139). Le moyen de l'opposant est donc mal fondé. D'ailleurs, l'assassinat n'a jamais été considéré comme une infraction "purement militaire", car il porte atteinte à la vie humaine et ne vise pas l'organisation ou les devoirs militaires (RO 77 I 61). Quant au caractère politique de l'infraction, il convient de relever tout d'abord que le FLN lutte pour prendre le pouvoir en Algérie. Son action s'étend non seulement à ce pays, mais aussi à la France. Elle revêt un caractère manifestement politique. L'opposant affirme qu'il est membre du FLN et que c'est en cette qualité et sur ordre de ses supérieurs qu'il a participé à l'assassinat de Mezai. Ses déclarations sont vraisemblables. On peut en déduire qu'il a agi non pour des motifs personnels mais en raison de mobiles politiques. Il ne s'ensuit pas que son acte ait BGE 87 I 134 S. 139 un caractère politique prédominant. Pour que tel fût le cas, il faudrait que l'assassinat de Mezai eût été le seul moyen de sauvegarder les intérêts supérieurs du FLN et d'atteindre le but politique que vise cette organisation. Or cette condition n'est pas remplie. En effet, il n'est nullement démontré que les intérêts du FLN se soient trouvés si gravement compromis par la prétendue trahison de Mezai que la "suppression" de ce dernier était l'unique moyen de les sauvegarder efficacement. On ne voit pas non plus que l'assassinat, auquel Ktir a participé, ait en quoi que ce soit fait progresser la libération de l'Algérie. Cet assassinat se caractérise surtout comme un acte de vengeance et de terreur. Le lien qui le rattache au but politique du FLN est trop lâche pour le rendre excusable et lui conférer un caractère politique prédominant. Il ne s'agit donc pas d'un crime ou d'un délit politique au sens de l'art. 2 al. 1 du traité. Comme les autres conditions posées par ce traité sont remplies, l'extradition doit en principe être accordée. 3. D'après l'art. 302 al. 1 CP Fr., l'assassinat est puni de mort. L'opposant demande que, si l'extradition est accordée, elle soit subordonnée à la condition que cette peine ne soit pas prononcée. Il invoque le principe de la loi la plus douce. Toutefois, le traité ne fait pas dépendre l'extradition du genre de peine qui, dans l'Etat requérant, frappe l'acte en cause. A cet égard, l'Etat requérant applique son propre droit, sans devoir prendre en considération celui de l'Etat requis. Le traité n'autorise donc pas à soumettre l'extradition de Ktir à la condition que ce dernier ne soit pas mis à mort. L'art. 5 LE, à supposer que, comme l'admet SCHULTZ (op. cit., p. 136), il soit applicable à côté du traité, ne justifierait pas davantage une réserve de cette nature. Certes, il oblige les autorités suisses à subordonner l'extradition à la condition que la peine corporelle qui, dans l'Etat requérant, pourrait frapper l'infraction en cause, soit commuée BGE 87 I 134 S. 140 en prison ou en amende. Toutefois, les peines corporelles au sens de cette disposition ne comprennent pas la peine capitale. Le fondement de l'art. 5 LE se trouve en effet non dans le principe de la lex mitior, qu'il est sans pertinence d'invoquer ici, mais dans l'art. 65 al. 2 Cst. (message à l'appui de la LE, FF 1890 III 213). Or l'interdiction des peines corporelles statuée par l'art. 65 al. 2 Cst. ne s'applique pas à la peine de mort (BURCKHARDT, Commentaire, p. 600). D'ailleurs le message précité confirme que la peine capitale ne doit pas être comprise dans les peines corporelles dont par le l'art. 5 LE. 11 précise que, la peine de mort n'étant pas interdite par la constitution, "la Suisse serait mal venue à déclarer qu'elle ne tolère pas la peine de mort à l'étranger, alors qu'elle la tolère à l'intérieur" (FF 1890 III 213). Le fait que les peines corporelles ne comprennent pas la peine de mort résulte du reste clairement des dispositions de certains traités postérieurs à la LE (traité avec l'Autriche-Hongrie, art. V et protocole final, ch. 3; traité avec le Brésil, art. VI; traité avec la Pologne, protocole final, ch. 2 et 3; traité avec la Turquie, protocole final, litt. b et c). En outre, en ce qui concerne plus spécialement le traité francosuisse, le Tribunal fédéral a déjà jugé qu'une demande d'extradition présentée par la France devait être accordée même si, dans ce pays, l'infraction était passible de mort (cf. arrêt non publié du 19 juin 1900 dans la cause Billard). Il est vrai que, depuis lors, le code pénal suisse est entré en vigueur et qu'il ignore la peine capitale. Toutefois, cette modification du droit pénal applicable en Suisse est sans effets sur les règles fédérales concernant l'extradition. Le législateur l'a si bien compris que, le 1er avril 1938, soit quatre mois seulement après avoir adopté le code pénal suisse, il a approuvé un traité d'extradition conclu avec la Pologne et qui, s'il permet aux autorités suisses d'exprimer le désir que la peine de mort soit commuée en une peine privative de liberté, ne les autorise pas en revanche à subordonner l'extradition à pareille condition BGE 87 I 134 S. 141 et n'oblige pas non plus les autorités polonaises à donner suite au voeu formulé. C'est donc seulement quand un traité d'extradition exclut la peine capitale que les autorités suisses peuvent valablement subordonner l'extradition à la condition que cette peine ne soit pas prononcée (traités avec le Brésil, art. VI, avec le Portugal, art. III dern. al., avec l'Uruguay, art. 8). Le traité franco-suisse ne contenant aucune règle de ce genre, l'extradition de Ktir doit être autorisée sans exiger que la peine de mort ne soit pas prononcée. Il appartiendra au Conseil fédéral d'examiner s'il convient qu'un désir soit exprimé dans ce sens, comme cela est expressément prévu par certains traités (cf. traités avec la Pologne, protocole final, ch. 3, et avec la Turquie, protocole final, litt. c). 4. D'après l'art. 8 du traité, "l'individu qui aura été livré ne pourra être poursuivi ou jugé contradictoirement pour aucune infraction autre que celle ayant motivé l'extradition (et les actes connexes), à moins du consentement exprès et volontaire donné par l'inculpé et communiqué au gouvernement qui l'a livré, ou à moins que l'infraction ne soit comprise dans la convention et qu'on n'ait obtenu préalablement l'assentiment du gouvernement qui aura accordé l'extradition". Cette réserve s'applique aux délits politiques, qui ne peuvent donner lieu à extradition (art. 2 al. 2 du traité). En l'espèce, Ktir a déclaré qu'il avait agi pour le FLN non seulement en participant à l'assassinat de Mezai mais aussi en organisant les cadres et en récoltant des fonds. Ces deux dernières activités paraissent tomber sous le coup des art. 88 ss. CP Fr., qui répriment les "crimes contre la sûreté intérieure de l'Etat". Il s'agit donc d'infractions politiques. Il y a lieu dès lors de subordonner l'extradition de Ktir à la condition - prévue par l'art. 8 du traité - qu'il ne soit pas poursuivi ni jugé contradictoirement de ce chef. Il en irait de même si la LE était applicable, vu l'art. 7 al. 1 de cette loi. BGE 87 I 134 S. 142 Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral Rejette l'opposition de Belkacem Ktir et autorise son extradition à la France aux conditions prévues par l'art. 8 du traité franco-suisse d'extradition.
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Urteilskopf 121 III 191 40. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 31 mai 1995 dans la cause A. SA contre F. (recours en réforme)
Regeste Art. 303 Abs. 2 SchKG ; Obliegenheiten des Gläubigers, der dem Nachlassvertrag zugestimmt hat, bezüglich der Mitschuldner des Schuldners. Sinn und Zweck von Art. 303 Abs. 2 SchKG und Begriff des Mitschuldners (E. 2). Wenn ein erstes Gesuch um einen Nachlassvertrag zurückgezogen worden ist, so muss der Gläubiger, der dem zweiten Nachlassvertrag zustimmt, die Abtretung seiner Rechte dem Mitschuldner gegen Bezahlung offerieren, unbekümmert der Haltung, die der Gläubiger während des ersten Nachlassverfahrens eingenommen hat (E. 3). Der Gläubiger, der es unterlassen hat, entsprechend dem Art. 303 Abs. 2 SchKG vorzugehen, verliert alle seine Rechte gegenüber dem Mitschuldner; er behält seine Rechte auf die Nachlassdividende nur, wenn diese nicht vom Schuldner bezahlt worden ist (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 192 BGE 121 III 191 S. 192 A.- F. et S., tous deux architectes, se sont associés sous la forme d'une société simple pour construire six villas contiguës sur les parcelles dont ils sont propriétaires. Le 8 mars 1988, ils ont conclu, en qualité de maîtres de l'ouvrage, un contrat d'entreprise avec A. SA, portant sur la fourniture et la pose d'installations de chauffage dans lesdites villas; ce contrat prévoyait un prix forfaitaire global de 120'000 fr., à savoir 20'000 fr. par maison, payable "net à l'entrée en possession de l'acheteur". A. SA a exécuté les travaux convenus et adressé ses factures aux maîtres de l'ouvrage en 1988 et 1989. Le premier versement, correspondant à la vente de la première villa, est intervenu en juin 1988; pour les travaux relatifs aux cinq autres, elle n'a reçu qu'un acompte de 10'000 fr. en mai 1990. B.- a) Le 5 août 1992, S. a déposé une requête de sursis concordataire, qui lui a été accordé le 14 septembre suivant. Le 24 septembre 1992, A. SA a produit sa créance, que le commissaire au sursis a admise en plein à concurrence de 91'891 fr. 65. Le requérant a toutefois retiré sa demande de concordat en raison de l'opposition du principal créancier. S. a introduit une nouvelle procédure concordataire, qui a abouti. La créance annoncée précédemment par A. SA a été intégralement admise; cette dernière a signé sans réserve le bulletin d'adhésion au concordat et reçu, la somme de 14'978 fr. 35, correspondant à un dividende de 16,30%. b) Entre-temps, à savoir le 14 novembre 1992, A. SA a fait notifier à F. un commandement de payer les sommes de 10'000 fr. plus intérêts à 7% dès le 25 juillet 1990, 20'000 fr. plus intérêts à 7,5% dès le 1er juillet 1992 et 60'000 fr. avec intérêts à 7,5% dès le 5 août 1992, auquel le poursuivi a fait opposition totale. Le 11 janvier 1993, A. SA a ouvert action contre F. en paiement des montants précités. Dans un mémoire sur fait nouveau du 18 juin 1993, provoqué par l'adhésion de la demanderesse au concordat obtenu par S., le défendeur a soulevé le moyen tiré de l' art. 303 al. 2 LP . C.- Par jugement du 13 janvier 1994, le Tribunal de première instance de Genève a admis l'action, sous imputation du dividende concordataire. Statuant le 16 septembre 1994 sur appel du défendeur, la Cour de justice a débouté la demanderesse de ses conclusions. BGE 121 III 191 S. 193 D.- A. SA exerce un recours en réforme contre cet arrêt, en reprenant ses conclusions en paiement. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé l'arrêt entrepris. Erwägungen Extrait des considérants: 2. Aux termes de l' art. 303 al. 2 LP , le créancier qui, comme en l'espèce, adhère au concordat conserve tous ses droits contre les coobligés, cautions et garants du débiteur, pourvu qu'il les ait informés, au moins dix jours à l'avance, du jour et du lieu de l'assemblée des créanciers, en leur offrant de leur céder ses droits contre paiement. Cette disposition vise à protéger le coobligé. Le législateur a considéré qu'il serait injuste que le créancier n'adhère au concordat que parce qu'il peut s'en prendre au coobligé pour l'entier de la dette, alors que ce dernier, ne pouvant exercer son recours contre le débiteur qu'à concurrence du dividende concordataire, supporte le montant remis. Il serait ainsi facile pour le créancier d'accepter le concordat aux dépens du coobligé et de lui imposer un sacrifice qu'il n'aurait pas consenti lui-même. La réglementation légale - qui sur ce point n'est pas touchée par la révision (FF 1994 V 1046) - n'a dès lors rien d'inéquitable pour le créancier, dont on attend seulement qu'il offre, en temps voulu, la cession de ses droits à celui qui, en fin de compte, assume définitivement le découvert FRITZSCHE/ WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. II, 3e éd., § 75 no 14; KELLER, Der Nachlassvertrag ausser Concurs, thèse Zurich 1891, p. 109/110; SCHWYZER, Der gerichtlich bestätigte Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung ausser Konkurs, insbesondere nach schweizerischem Recht, thèse Bonn 1930, p. 83/84; contra: PASCHOUD, Le concordat préventif de la faillite, thèse Lausanne 1905, p. 160/161). Par coobligés, il faut entendre "tous les débiteurs qui, soit les uns à côté des autres, soit les uns après les autres, répondent entièrement de la même dette" (GILLIÉRON, SAS 1985 p. 84 ch. 3 et les références; cf. ad art. 217 LP : ATF 60 III 215 ). En font notamment partie les associés d'une société simple qui ont assumé un engagement à l'égard d'un tiers ( art. 544 al. 3 CO ; GILLIÉRON, Mélanges Engel, p. 90 n. 76 et les références; mais non les associés d'une société en nom collectif ou en commandite: ATF 109 III 128 consid. 1 p. 129, critiqué par GILLIÉRON, SAS 1985 p. 83 ss). C'est dès lors à juste titre que la Cour de justice a admis la qualité de BGE 121 III 191 S. 194 coobligé du défendeur; ce point n'est, du reste, pas contesté par les parties. 3. Comme l'a retenu implicitement la Cour de justice, les conditions auxquelles l' art. 303 al. 2 LP subordonne la sauvegarde des droits du créancier adhérant à l'égard du coobligé sont cumulatives (cf. MUNZ, Regressrechte insbesondere nach dem Bundesgesetz betr. Schuldbetreibung und Konkurs, thèse Zurich 1942, p. 170). En l'espèce, il est établi que la demanderesse n'a pas informé le défendeur, au moins dix jours à l'avance, du jour et du lieu de l'assemblée des créanciers. La cour cantonale a toutefois constaté ( art. 63 al. 2 OJ ) que le défendeur, "soit par ses démarches directes dans la réalisation du concordat de S., soit par le fait que lui et S. avaient mandaté des avocats de la même étude, avait été régulièrement informé de la procédure concordataire et de ses modalités"; elle en a conclu que la première condition de l' art. 303 al. 2 LP était remplie, ce qui est conforme à la jurisprudence et à la doctrine ( ATF 59 III 142 consid. 2 in fine p. 147; BECK, Das neue Bürgschaftsrecht, n. 27 in fine ad art. 502 CO ; JAEGER/DAENIKER, Schuldbetreibungs- und Konkurs-Praxis, n. 6 ad art. 303 LP ; MUNZ, op.cit., p. 171; cf. aussi ATF 31 II 96 consid. 5 p. 102 et les doutes émis par SCHWYZER, op.cit., p. 84 n. 70). Les juges d'appel ont, en revanche, considéré que l'envoi d'un commandement de payer, suivi d'une action au fond, ne saurait être assimilé à une offre de cession des droits contre paiement; à leur avis, le créancier ne conserve ses droits à l'égard du coobligé "que s'il lui a formellement et clairement offert de lui céder ceux-ci". a) L'argument tiré du caractère "impératif et formaliste" du droit des poursuites n'est pas pertinent. D'une part, il est admis que l' art. 303 al. 2 LP est de droit dispositif (BECK, OP.CIT., N. 28 AD ART. 502 CO ; SCHWYZER, op.cit., p. 84 in fine; BlSchK 1942 p. 27); le coobligé peut donc renoncer à l'avis et à l'offre de cession (JAEGER, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n. 6 ad art. 303 LP ), ou déclarer par avance au créancier que, nonobstant son adhésion, il continuera à répondre du solde non couvert par le dividende concordataire (BlSchK 1942 p. 26 ss). D'autre part, l'offre de cession n'a pas besoin d'être formelle; c'est ainsi que le Tribunal fédéral a jugé que la lettre par laquelle le créancier informe la caution qu'il lui réclamera la somme garantie, et l'invite par conséquent à intervenir pour ce montant dans la procédure concordataire, constitue une offre de cession selon l' art. 303 al. 2 LP ( ATF 59 III 142 consid. 2 p. 146; JAEGER/DAENIKER, op.cit., n. 6 ad art. 303 LP ). BGE 121 III 191 S. 195 b) La demanderesse se fonde sur un arrêt lucernois, d'après lequel une mise en demeure vaut comme offre de cession des droits au sens de l' art. 303 al. 2 LP , pour le motif que, par son paiement, le débiteur solidaire est subrogé de par la loi dans les droits du créancier contre le débiteur concordataire en vertu des art. 148 al. 2 et 149 al. 1 CO (ZBJV 1971 p. 234/235; approuvé par GANAHL, Entscheidungskriterien für die Wahl und die Bestätigung eines Nachlassvertrages gemäss SchKG, thèse Zurich 1978, p. 111 n. 105). Cette opinion paraît discutable, en tant qu'elle confond l'offre de cession, qui peut découler de l'invitation faite au coobligé de produire la créance dans le concordat pour y recevoir un dividende ( ATF 59 III 142 consid. 2 p. 146), et les effets d'un paiement du coobligé, lesquels ne sont que la conséquence de cette offre. En outre, comme le coobligé qui ne dispose d'aucun recours contre le débiteur concordataire ne peut pas se prévaloir de l' art. 303 al. 2 LP (BlZR 1926 no 96; JAEGER/DAENIKER, op.cit., n. 3 ad art. 303 LP ; MUNZ, op.cit., p. 171; SCHWYZER, op.cit., p. 84), il faudrait en conclure qu'une simple mise en demeure ne serait insuffisante qu'à l'égard d'un débiteur imparfaitement solidaire, qui ne bénéficie pas de la subrogation ( ATF 115 II 42 consid. 2a p. 48; VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, vol. II, 3e éd., § 90 IX 3); or, cette distinction ne trouve aucun appui dans le texte légal. Mais il n'y a pas lieu d'examiner cette question plus à fond; le recours doit être en effet rejeté pour un autre motif. c) Il ressort des faits constatés par le Tribunal de première instance, auxquels renvoie la Cour de justice, que la demanderesse a produit sa créance le 24 septembre 1992 dans la première procédure concordataire introduite par l'associé du défendeur, et fait notifier le 14 novembre 1992 un commandement de payer à ce dernier. Un second sursis concordataire a été accordé le 29 mars 1993; le commissaire au sursis a fait paraître dans la Feuille des avis officiels du 14 avril 1993 un appel aux créanciers, les invitant à une assemblée le 17 mai suivant. La demanderesse a accepté le concordat proposé en renvoyant le bulletin d'adhésion signé le 19 mai 1993, et reçu son dividende le 25 août 1993. Il résulte de ces faits que la notification du commandement de payer, à laquelle la demanderesse attribue les effets d'une offre de cession de ses droits, est intervenue au moment de la première procédure concordataire. Cette demande de concordat ayant été retirée par la suite, la question de l'application de l' art. 303 al. 2 LP ne se posait plus; dans cette hypothèse, le créancier conserve en effet tous ses droits à l'égard du BGE 121 III 191 S. 196 coobligé, même si, en adhérant au concordat, il n'avait pas procédé conformément à la disposition précitée (SJ 1941 p. 599 ss, confirmé le 11 septembre 1941 par la IIe Section civile du Tribunal fédéral, dans la cause Cottier c. Banque genevoise de commerce et de crédit SA; JAEGER/DAENIKER, op.cit., n. 4 ad art. 303 LP ). Aussi bien, voulût-on qualifier ladite notification d'offre de cession (implicite), qu'elle ne pouvait de toute manière pas y être assimilée dans le cadre de la seconde procédure concordataire de l'associé du défendeur; il appartenait au contraire à la demanderesse de réitérer son offre. Dès l'instant où une première demande de concordat est retirée, le comportement, quel qu'il soit, qu'avait adopté le créancier n'est plus déterminant pour la seconde procédure: le créancier qui a adhéré à un premier concordat, en négligeant d'agir selon l' art. 303 al. 2 LP , ne saurait ainsi se voir objecter cette omission à l'occasion d'un second concordat, auquel il peut refuser de souscrire sans perdre ses droits contre le coobligé; à l'inverse, le créancier qui a refusé une première proposition concordataire ne peut se prévaloir de son refus initial pour pallier à l'inobservation des incombances légales dans le nouveau concordat qu'il a accepté. Or, en l'espèce, aucune offre de cession des droits n'est intervenue dans le cadre du second concordat - qui a abouti - présenté par l'associé du défendeur; la demanderesse ne le soutient d'ailleurs pas. d) C'est à tort que la demanderesse fait valoir qu'une offre de cession de ses droits n'avait aucun sens à l'égard d'un coobligé qui contestait devoir le montant réclamé. Lorsque la loi impose des incombances au titulaire d'un droit, ce dernier est tenu de les respecter quelle que soit l'attitude du débiteur de la prestation. On ne saurait dès lors restreindre la nécessité d'offrir la cession des droits à la seule hypothèse où le coobligé reconnaît sa dette envers le créancier qui a adhéré au concordat; rien dans le texte légal ne corrobore cette distinction. Le moyen subsidiaire tiré de l'abus de droit ( art. 2 al. 2 CC ) est également mal fondé. La demanderesse était représentée par un avocat lors des procédures concordataires successives de l'associé du défendeur et pouvait ainsi sauvegarder efficacement ses droits à l'encontre de celui-ci; elle ne saurait donc suppléer à sa négligence par le recours à l'abus de droit. Le défendeur, quant à lui, a invoqué l'inobservation de l' art. 303 al. 2 LP , alors que l'action au fond avait déjà été introduite, dans une écriture sur fait nouveau du 18 juin 1993, à savoir dès qu'il a eu connaissance de l'adhésion de la demanderesse; il n'y a là aucune attitude contraire aux règles de la bonne foi. Enfin, peu importe que l'absence d'offre de cession n'ait causé BGE 121 III 191 S. 197 aucun dommage au coobligé (BECK, op.cit., n. 28 ad art. 502 CO ; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, p. 911/912 et n. 40; contra: JAEGER, op.cit., n. 5 ad art. 303 LP ; cf., à propos de l' art. 510 al. 3 CO , l'arrêt de la Ie Cour civile du Tribunal fédéral, dans la cause Crédit Français International c. Société de Banque Suisse, in SJ 1988 p. 641 ss, spéc. 645, qui a considéré, en accord avec la doctrine unanime, que la carence du créancier entraîne la péremption de ses droits contre la caution, même si le retard n'a entraîné aucun dommage pour cette dernière). 4. Le créancier qui a omis de procéder selon l' art. 303 al. 2 LP perd tous ses droits contre le coobligé; il ne subsiste pas même une obligation naturelle (JAEGER, op.cit., n. 6 ad art. 303 LP ). Se référant à un arrêt bernois (ZBJV 1935 p. 728 ss), plusieurs auteurs affirment que la déchéance ne frappe toutefois que la partie de la créance remise par le concordat, le créancier conservant en revanche ses droits sur le dividende concordataire (BECK, op.cit., n. 28 ad art. 502 CO ; JAEGER/DAENIKER, op.cit., n. 4 ad art. 303 LP ; MUNZ, op.cit., p. 172; GLARNER, Das Nachlassvertragsrecht nach schweizerischem SchKG, p. 23). Cette affirmation est imprécise. La décision susmentionnée - bien que cela ne ressorte pas clairement du texte - ne vise en réalité que l'hypothèse où le dividende promis n'a pas été payé par le débiteur. Mais lorsque, comme en l'espèce, ce dernier s'en est acquitté, le coobligé ne peut plus être recherché pour ce montant (JAEGER, op.cit., n. 2 ad art. 303 LP ; SCHWYZER, op.cit., p. 86; LERCH/TUASON, Die Bürgschaft im schweizerischen Recht, p. 118 let. g).
null
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CH_BGE_005
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Federation
1379b611-d71a-4b8c-aa1d-397662f62c0b
Urteilskopf 120 II 206 38. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Juni 1994 i.S. Urs H.K. und Charles O. gegen Christian G. (Berufung)
Regeste Begründung einer Mietzinserhöhung ( Art. 269d OR ; Art. 19 Abs. 1 lit. a VMWG ). Die Begründung einer Mietzinserhöhung ist im Formular selbst anzugeben; sie gehört zum notwendigen Bestandteil des Formulars und hat den Erfordernissen der qualifizierten Schriftlichkeit zu genügen (E. 3a). Eine im Formular fehlende Begründung der Mietzinserhöhung kann nicht mittels Anhang oder Begleitschreiben ersetzt werden (E. 3b).
Sachverhalt ab Seite 207 BGE 120 II 206 S. 207 Mit amtlichem Formular vom 19. März 1992 kündigten Urs H.K. und Charles O. ihrem Untermieter Christian G. eine Mietzinserhöhung auf den 1. April 1992 an, wobei sie zur Begründung der Erhöhung auf das in Kopie beigelegte Formular des Hauptvermieters verwiesen. In einem Begleitschreiben teilten sie dem Untermieter mit, er habe vorläufig den alten Mietzins zu bezahlen, da sie die ihnen angekündigte Mietzinserhöhung anfechten würden. In der Folge schlossen Urs H.K. und Charles O. mit ihrem Vermieter einen Vergleich hinsichtlich der Höhe des Mietzinses. Den Vergleich teilten sie Christian G. mit, der sich damit nicht einverstanden erklärte. Nachdem Urs H.K. und Charles O. (nachfolgend Kläger) dem Untermieter (nachfolgend Beklagter) erfolglos Frist zur Zahlung der seit dem 1. April 1992 bestehenden Mietzinsdifferenz gesetzt hatten, kündigten sie das Untermietverhältnis und verlangten im Anschluss daran die Ausweisung von Christian G. Der Untermieter focht die Kündigung an. Mit Verfügung vom 22. Juni 1993 lehnte der zuständige Einzelrichter das Kündigungsschutzbegehren ab und ordnete die sofortige Räumung des Mietobjektes an. Auf Rekurs des Beklagten hin hob das Obergericht den Entscheid des Einzelrichters auf und wies das Ausweisungsbegehren der Kläger ab. Die von den Klägern erhobene Berufung weist das Bundesgericht ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Im angefochtenen Beschluss hat das Obergericht die Mietzinserhöhung vom 19. März 1992 wegen fehlender Bestimmtheit als unwirksam bezeichnet und die Mitteilung des Vergleichs hinsichtlich der Mietzinserhöhung als nichtig erachtet, da diese nicht mit amtlichem Formular erfolgt sei. Ausgehend von einer nichtigen Mietzinserhöhung hat es die Voraussetzungen für eine ausserordentliche Kündigung gemäss Art. 257d OR verneint und das Ausweisungsbegehren abgewiesen. Diese Betrachtungsweise ist nach Auffassung der Kläger bundesrechtswidrig. Sie machen ausdrücklich eine Verletzung von Art. 269d OR in Verbindung mit Art. 19 VMWG (Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen, SR 221.213.11) sowie von Art. 270b OR geltend. BGE 120 II 206 S. 208 b) Der angefochtene Beschluss ist insofern unklar, als das Obergericht die am 19. März 1992 angekündigte Mietzinserhöhung als "unwirksam" bezeichnet, ohne auszuführen, ob damit Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit gemeint ist. Die Kläger ihrerseits bestreiten, dass ein Nichtigkeitsgrund im Sinne von Art. 269d Abs. 2 OR vorliegt, und weisen darauf hin, dass der Untermietvertrag auch die Weitergabe von Mietzinserhöhungen aus dem Hauptmietverhältnis umfasse, was vorliegend geschehen sei; der Beklagte habe die Mietzinserhöhung vom 19. März 1992 nicht angefochten. 3. a) Mietzinserhöhungen sind mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist auf einem vom Kanton genehmigten Formular mitzuteilen und zu begründen ( Art. 269d OR ). Gesetzlich vorgeschrieben ist eine qualifizierte Schriftform, da sie nicht nur die Art, sondern auch den Inhalt der Mitteilung umfasst ( BGE 118 II 130 E. 2b und c S. 132 f.; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 63 und 67 zu Art. 11 OR ; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 35 und 55 f. zu Art. 11 OR ). Das Mietrecht, ein durch Formstrenge gekennzeichnetes Rechtsgebiet, lässt Ausnahmen von einer zum Schutz des Mieters aufgestellten Regel grundsätzlich nicht zu ( BGE 117 II 415 E. 5d S. 420 f.). Art. 269d OR verlangt ausdrücklich die Begründung der Mietzinserhöhung im Formular selbst; sie gehört zum notwendigen Bestandteil des Formulars und hat auch den Erfordernissen der qualifizierten Schriftlichkeit zu genügen. Sinn und Zweck von Art. 269d OR ist es, dem Mieter ein klares Bild über Tragweite und Berechtigung der Mietzinserhöhung zu verschaffen (vgl. auch BGE 118 II 130 E. 2b S. 132, BGE 117 II 458 E. 2a S. 460). An der unter altem Mietrecht geltenden Praxis ist festzuhalten, wonach es dem Vermieter durchaus frei steht, die im Formular genannten Gründe für die Mietzinserhöhung in einem begleitenden Schreiben näher auszuführen und zu erläutern ( BGE 106 II 166 E. 4 S. 168, 356 E. 3c S. 360). Art. 19 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 VMWG steht nicht entgegen, ein solches Begleitschreiben bei der vertrauenstheoretischen Auslegung der Erklärung des Vermieters beizuziehen. b) Die Kläger haben die für den 1. April 1992 vorgesehene Mietzinserhöhung ihrem Untermieter mit dem amtlichen Formular vom 19. März 1992 angezeigt. Zur Begründung haben sie auf die in Kopie beigelegte Ankündigung der Mietzinserhöhung durch den Hauptvermieter verwiesen. Dieser blosse Verweis genügt der mietrechtlichen Formstrenge nicht. Das beigelegte Formular des Hauptvermieters kann lediglich als Anhang zur Ankündigung der Mietzinserhöhung angesehen werden. Unter diesen Umständen ist die BGE 120 II 206 S. 209 Mietzinserhöhung gemäss Art. 269d Abs. 2 lit. b OR nichtig. An dieser Schlussfolgerung ändert auch das Begleitschreiben vom 19. März 1994 nichts; dieses kann die im Formular fehlende Begründung nicht ersetzen, sondern bloss ergänzen. Das Schreiben ist, wie das Obergericht zu Recht ausführt, alles andere als klar und wäre bei einer Auslegung nach Treu und Glauben zuungunsten der Kläger zu würdigen. Gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 VMWG muss die Begründung der Mietzinserhöhung klar sein. Das Begleitschreiben enthält keine Angaben über den Betrag der vorgesehenen Mietzinserhöhung und über dessen Fälligkeit. Ebensowenig musste der Beklagte bei Erhalt dieses Schreibens davon ausgehen, er selbst habe die angekündigte Erhöhung ebenfalls anzufechten. Die gesetzlichen Anforderungen an die Begründungspflicht gemäss Art. 269d OR wären selbst dann nicht erfüllt, wenn man das Vorgehen der Kläger als solches, entgegen der klaren Rechtsprechung, genügen liesse. Erweist sich die Mietzinserhöhung vom 19. März 1992 als nichtig und steht fest, dass nachher keine formgültige Mietzinserhöhung erfolgt und der Beklagte seinen vertraglichen Zahlungspflichten nachgekommen ist, so fehlt es an dem für die ausserordentliche Kündigung gemäss Art. 257d OR vorausgesetzten Zahlungsrückstand. Mit der Abweisung des Ausweisungsbegehrens hat das Obergericht kein Bundesrecht verletzt.
public_law
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1,994
CH_BGE
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CH
Federation
137af7d4-4426-4c76-8285-1e5e20019731
Urteilskopf 139 IV 206 28. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public de la République et canton de Genève (recours en matière pénale) 6B_668/2012 du 11 avril 2013
Regeste Art. 78 Abs. 1 BGG ; Art. 429 Abs. 1 StPO ; Beschwerde in Strafsachen gegen Entscheide über Entschädigungen gestützt auf Art. 429 Abs. 1 StPO . Entscheide über die in Art. 429 Abs. 1 StPO vorgesehenen Ansprüche auf Entschädigungen nicht nur für Verteidigungskosten (lit. a), sondern auch für wirtschaftliche Einbussen (lit. b) und schwere Verletzungen der persönlichen Verhältnisse (lit. c) sind Entscheide in Strafsachen im Sinne von Art. 78 Abs. 1 BGG , gegen welche die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (E. 1).
Sachverhalt ab Seite 207 BGE 139 IV 206 S. 207 A. Par jugement du 18 janvier 2012, le Tribunal de police du canton de Genève a acquitté X. du chef de contrainte sexuelle, l'a reconnu coupable de désagréments causés par la confrontation à un acte d'ordre sexuel ( art. 198 al. 2 CP ) et l'a condamné à une amende de 500 francs. Par jugement complémentaire sur indemnisation du 11 mai 2012, le Tribunal de police a condamné l'Etat de Genève à payer à X. la somme de 2'700 fr. en réparation du tort moral. B. Statuant par arrêt du 1 er octobre 2012 sur l'appel de X., la Chambre pénale d'appel et de révision de la Cour de justice du canton de Genève l'a partiellement admis, a condamné l'Etat de Genève à payer à X. la somme de 700 fr. plus intérêt à 5 % l'an dès le 1 er décembre 2009 en réparation de la perte économique causée par la participation obligatoire à la procédure pénale et la somme de 2'700 fr. plus intérêt à 5 % l'an dès le 18 novembre 2009 à titre de réparation du tort moral. C. X. forme un recours en matière pénale au Tribunal fédéral contre cet arrêt, concluant, sous suite de dépens, à sa réforme en ce sens que lui sont allouées une indemnité de 1'433 fr. 45 plus intérêt à 5 % l'an dès le 1 er décembre 2009 pour sa participation obligatoire à la procédure pénale et une indemnité de 6'000 fr. plus intérêt à 5 % l'an dès le 18 novembre 2009 à titre de réparation du tort moral subi. Subsidiairement, il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué. Il sollicite par ailleurs l'assistance judiciaire. Des déterminations n'ont pas été requises. Erwägungen Extrait des considérants: 1. Contrairement au tribunal de police qui avait appliqué le CPP, la cour cantonale a considéré que les prétentions en réparation émises par le recourant étaient réglées par l'ancien droit cantonal, ce que celui-ci conteste. Il s'agit dès lors d'examiner, en prémices, si les prétentions invoquées sont régies par le droit fédéral ou par le droit cantonal, cet aspect constituant une question de droit fédéral (cf. arrêt 6B_618/2011 du 22 mars 2012 consid. 1.1). BGE 139 IV 206 S. 208 On déduit en particulier des art. 81 al. 4 let. b et 429 al. 2 CPP que l'autorité pénale doit traiter avec le jugement pénal l'ensemble des prétentions en indemnité du prévenu acquitté (cf. arrêt 6B_472/2012 du 13 novembre 2012 consid. 2.4). Les prétentions en indemnisation prévues à l' art. 429 al. 1 CPP , non seulement celles pour les frais de défense (let. a) mais aussi celles relatives au dommage économique (let. b) et au tort moral (let. c), font ainsi partie du jugement pénal. Tranchées par le juge pénal, dites prétentions entrent dans le cadre des décisions rendues en matière pénale au sens de l' art. 78 al. 1 LTF . Il en découle que le recours en matière pénale est ouvert à leur égard. Cette solution se distingue de celle qui prévalait avant l'entrée en vigueur du CPP où les prétentions en dommages-intérêts et tort moral du prévenu acquitté s'inscrivaient dans le cadre d'une action en responsabilité contre le canton reposant sur le droit public cantonal. Le recours en matière de droit public était alors ouvert au Tribunal fédéral pour autant que la valeur litigieuse atteigne 30'000 fr. (cf. ATF 135 IV 43 consid. 1.1.2 p. 46). A défaut d'une telle valeur litigieuse, seul le recours constitutionnel subsidiaire entrait en ligne de compte. Avec le CPP, les prétentions en indemnisation ne dépendent plus du droit public cantonal et sont désormais indissociables de la procédure pénale. C'est pourquoi elles relèvent du recours en matière pénale (question laissée ouverte dans l'arrêt 1B_484/2012 du 17 octobre 2012 consid. 1). Un tel recours est aussi ouvert lorsqu'il s'agit de déterminer, comme en l'espèce, si les prétentions litigieuses sont régies par le CPP ou l'ancien droit cantonal.
null
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CH_BGE_006
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Urteilskopf 140 IV 206 30. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit social dans la cause Service des prestations complémentaires contre A. (recours en matière de droit public) 9C_171/2014 du 17 septembre 2014
Regeste Art. 25 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 1 ATSG ; Art. 146 Abs. 1 StGB ; Art. 31 Abs. 1 lit. d ELG ; Verwirkung eines Anspruchs auf Rückforderung von Leistungen; längere Verjährungsfrist des Strafrechts. Eine Verletzung der Pflicht, wesentliche Änderungen in den für einen Leistungsanspruch massgebenden Verhältnissen zu melden, wird im Falle des Begehens durch Unterlassung nach den speziellen Strafbestimmungen in den Sozialversicherungsgesetzen geahndet (E. 6.3.2.2). Wird ein Informationsschreiben, welches an die Pflicht zur Mitteilung jeder Tatsachenänderung erinnert, nicht befolgt, so stellt dies keine Täuschung durch aktives Tun und demnach keinen Betrug im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB dar (E. 6.4).
Sachverhalt ab Seite 207 BGE 140 IV 206 S. 207 A. A.a A la suite d'un accident survenu en octobre 1996, A. est au bénéfice de rentes partielles de l'assurance-invalidité, de l'assurance-accidents ainsi que de la prévoyance professionnelle. Il s'est vu allouer des prestations complémentaires fédérales du 1 er septembre 2000 au 30 juin 2006 et cantonales à compter du 1 er avril 2005. Il a également été mis au bénéfice de subsides à l'assurance-maladie avec effet au 1 er septembre 2000 et de prestations cantonales d'assistance du 1 er septembre 2006 au 30 novembre 2007. A.b Dans le cadre de l'instruction d'une demande de prestations d'aide sociale déposée le 25 janvier 2012 auprès du Service des prestations complémentaires de la République et canton de Genève (SPC), A. a indiqué l'achat avec son épouse en 2006 d'un bien immobilier situé à B. en République de C. pour un montant de 82'000 euros financé par une partie de l'héritage perçu par son épouse et la soeur de celle-ci à la suite du décès de leur père. Après avoir recalculé le montant des prestations complémentaires dues en tenant compte dans les revenus déterminants de la fortune immobilière de l'assuré, le SPC lui a réclamé la restitution d'un montant de 40'873 fr. correspondant aux prestations complémentaires fédérales et cantonales indûment perçues pour la période courant du 1 er mai 2005 au 31 mars 2012 (décision du 26 avril 2012, modifiée sur opposition le 26 juillet 2012). B. Par jugement du 5 février 2014, la Cour de justice de la République et canton de Genève, Chambre des assurances sociales, a partiellement admis le recours formé par A., annulé la décision du 26 BGE 140 IV 206 S. 208 juillet 2012, dit que le SPC n'était en droit de réclamer la restitution des prestations indues qu'à compter du 1 er mai 2007 et renvoyé la cause au SPC pour nouvelle décision au sens des considérants. C. Le SPC interjette un recours en matière de droit public contre ce jugement. Il conclut à l'annulation partielle de celui-ci, en tant qu'il concerne le droit aux prestations complémentaires fondées sur le droit fédéral. A. conclut au rejet du recours, tandis que l'Office fédéral des assurances sociales a renoncé à se déterminer. Le Tribunal fédéral a partiellement admis le recours dans la mesure de sa recevabilité. Erwägungen Extrait des considérants: 6. 6.1 Aux termes de l' art. 25 al. 2 LPGA (RS 830.1), le droit de demander la restitution de prestations indûment touchées s'éteint un an après le moment où l'institution d'assurance a eu connaissance du motif de restitution, mais au plus tard cinq ans après le versement de la prestation. Si la créance naît d'un acte punissable pour lequel le droit pénal prévoit un délai plus long, celui-ci est déterminant. 6.2 Lorsqu'il statue sur la créance de l'institution d'assurance en restitution de prestations indûment versées, le juge doit examiner, à titre préjudiciel, si les circonstances correspondant à une infraction pénale sont réunies et, partant, si un délai de péremption plus long que les délais relatifs et absolus prévus par l' art. 25 al. 2 LPGA est applicable dans le cas particulier. Pour que le délai de péremption plus long prévu par le droit pénal s'applique, il n'est pas nécessaire que l'auteur de l'infraction ait été condamné ( ATF 118 V 193 consid. 4a p. 197; voir également arrêt 8C_592/2007 du 20 août 2008 consid. 5.3 et les références). 6.3 En matière de prestations complémentaires, ce sont principalement les infractions réprimées aux art. 146 CP (escroquerie) et 31 LPC (RS 831.30; manquement à l'obligation de communiquer) qui entrent en considération au titre d'infractions pouvant impliquer l'application d'un délai de péremption plus long. 6.3.1 6.3.1.1 Conformément à l' art. 146 al. 1 CP , est puni d'une peine privative de liberté de cinq ans au plus ou d'une peine pécuniaire celui qui, dans le dessein de se procurer ou de procurer à un tiers un BGE 140 IV 206 S. 209 enrichissement illégitime, aura astucieusement induit en erreur une personne par des affirmations fallacieuses ou par la dissimulation de faits vrais ou l'aura astucieusement confortée dans son erreur et aura de la sorte déterminé la victime à des actes préjudiciables à ses intérêts pécuniaires ou à ceux d'un tiers. 6.3.1.2 La tromperie peut être réalisée non seulement par l'affirmation d'un fait faux, mais également par la dissimulation d'un fait vrai. A cet égard, on distingue la dissimulation d'un fait vrai par commission de celle par omission (improprement dite), laquelle ne peut constituer une tromperie que si l'auteur se trouve dans une position de garant, à savoir s'il a, en vertu de la loi, d'un contrat ou d'un rapport de confiance spécial, une obligation qualifiée de renseigner ( ATF 140 IV 11 consid. 2.3.2 p. 14). 6.3.1.3 L'assuré qui, en vertu de l' art. 31 LPGA , a l'obligation de communiquer toute modification importante des circonstances déterminantes pour l'octroi d'une prestation, ne respecte pas cette obligation et continue à percevoir les prestations allouées initialement à juste titre, n'adopte pas un comportement actif de tromperie. Le fait de continuer à percevoir les prestations allouées ne saurait être interprété comme la manifestation positive - par acte concluant - du caractère inchangé de la situation. Il convient en revanche d'analyser la situation de façon différente lorsque la perception de prestations est accompagnée d'autres actions permettant objectivement d'interpréter le comportement de l'assuré comme étant l'expression du caractère inchangé de la situation. Tel sera le cas lorsque l'assuré ne répond pas ou pas de manière conforme à la vérité aux questions explicites de l'assureur destinées à établir l'existence de modification de la situation personnelle, médicale ou économique; il n'est en effet plus question alors d'une escroquerie par omission, mais d'une tromperie active ( ATF 140 IV 11 consid. 2.4.1 p. 15 et consid. 2.4.6 in fine p. 18; voir également arrêt 6B_791/2013 du 3 mars 2014 consid. 3.1.1; imprécis sur cette question, arrêt 9C_232/2013 du 13 décembre 2013 consid. 4.1.3). 6.3.1.4 Malgré l'importance que revêt l'établissement des faits dans le cadre de litiges assécurologiques et le rôle que joue dans ce contexte le devoir - légal ou contractuel - de communiquer toute modification importante des circonstances déterminantes (cf. art. 31 al. 1 LPGA ) en tant qu'aspect de l'obligation de collaborer, ce devoir ne confère pas un statut juridique particulier au bénéficiaire qui le contraindrait à protéger d'une atteinte ou d'une mise en danger le BGE 140 IV 206 S. 210 patrimoine de l'assureur (public ou privé). C'est à l'assureur qu'il appartient en premier lieu de veiller à la sauvegarde de son patrimoine; cette obligation n'est pas transférée au bénéficiaire du fait de l'existence d'un devoir d'annoncer. La seule responsabilité qui incombe au bénéficiaire est de veiller à ne pas porter lui-même préjudice à l'assureur, ce qui a pour corollaire le devoir d'annoncer toute modification des circonstances déterminantes pour le droit aux prestations; la loi ne lui impose pas d'obligation plus étendue. L'obligation d'annoncer toute modification des circonstances déterminantes est l'expression du principe de la bonne foi entre administration et administré; les devoirs résultant de l'application de ce principe constitutionnel ne suffisent pas à fonder une position de garant de l'assuré à l'égard de l'assureur ( ATF 140 IV 11 consid. 2.4.5 p. 17 et les références). 6.3.2 6.3.2.1 Conformément à l' art. 31 al. 1 let . d LPC, est puni, à moins qu'il ne s'agisse d'un crime ou d'un délit frappé d'une peine plus élevée par le code pénal, d'une peine pécuniaire n'excédant pas 180 jours-amende celui qui manque à son obligation de communiquer au sens de l' art. 31 al. 1 LPGA . 6.3.2.2 Par le biais des dispositions pénales figurant dans les diverses lois d'assurances sociales (voir également l' art. 87 al. 5 LAVS ainsi que les art. 70 LAI , 25 LAPG [RS 834.1] et 23 de la loi fédérale du 24 mars 2006 sur les allocations familiales [LAFam; RS 836. 2], qui tous trois renvoient à la LAVS), le législateur a entendu garantir, compte tenu des moyens financiers limités de la collectivité publique, de l'exigence d'un emploi ciblé et efficace des ressources ainsi que des principes généraux du droit administratif, que des prestations d'assurances sociales ne soient versées qu'aux personnes qui en remplissent les conditions légales. Le but poursuivi par ces normes est, d'une part, de permettre la mise en oeuvre conforme au droit et, si possible, efficiente et égalitaire de l'assurance sociale et, d'autre part, de garantir le respect du principe de la bonne foi qui doit régir les relations entre les autorités et les personnes qui sollicitent des prestations sociales. Il ressort de la systématique de la loi que l'existence de dispositions pénales spéciales exclut le fait que l'on puisse assimiler une simple violation du devoir d'annoncer au sens de l' art. 31 LPGA à une escroquerie au sens de l' art. 146 CP . Certes, les dispositions pénales précitées réservent l'existence d'un crime ou d'un délit frappé d'une peine plus élevée. De telles infractions ne peuvent toutefois entrer en ligne de compte que dans la mesure où BGE 140 IV 206 S. 211 interviennent des circonstances qui dépassent la simple violation du devoir d'annoncer, sans quoi les dispositions pénales spéciales s'avéreraient superflues si on pouvait qualifier d'escroquerie une simple violation du devoir d'annoncer ( ATF 140 IV 11 consid. 2.4.6 p. 17). 6.4 En l'espèce, la juridiction cantonale n'a mis en évidence aucun élément permettant d'admettre un comportement actif de tromperie de la part de l'intimé visant à cacher des informations pertinentes pour l'examen du droit aux prestations. A cet égard, le fait de ne pas donner suite à une lettre d'information standard rappelant, parmi d'autres renseignements, l'obligation de communiquer tout changement de circonstances ne saurait être interprété comme une tromperie par commission, dans la mesure où un tel document ne revêt pas le caractère d'une invitation explicite à faire état de sa situation patrimoniale. On soulignera d'ailleurs que lorsqu'il a été invité explicitement à préciser sa situation patrimoniale en 2012, l'intimé a spontanément fait état de l'acquisition d'un immeuble en République de C., ce qui plaide dans le sens de l'absence de tromperie ou d'astuce. Faute par ailleurs pour l'intimé d'avoir une position de garant à l'égard du service recourant, une omission punissable ne peut pas non plus lui être reprochée. Il suit de là que les faits reprochés à l'intimé consistant en la non déclaration de l'héritage perçu par son épouse et de l'acquisition commune d'un bien immobilier en République de C. n'étaient pas constitutifs d'une escroquerie au sens de l' art. 146 CP ; ils réalisaient en revanche les conditions objectives de l'infraction réprimée à l' art. 31 al. 1 let . d LPC. 6.5 En tant que la juridiction cantonale a considéré que les conditions subjectives de l'infraction réprimées à l' art. 31 al. 1 let . d LPC n'étaient pas réalisées, son raisonnement viole le droit. On ne saurait en particulier la suivre lorsqu'elle affirme que les circonstances pouvaient prêter à confusion, dans la mesure où les différents documents remis à l'intimé ne semblaient viser que sa propre situation et non celle de son épouse. Elle perd en effet de vue que la lettre de la loi est claire à ce sujet: en vertu de l' art. 9 al. 2 LPC , les dépenses reconnues (au sens de l' art. 10 LPC ) et les revenus déterminants (au sens de l' art. 11 LPC ) des conjoints doivent être additionnés pour calculer le montant des prestations complémentaires. Qui plus est, compte tenu des informations demandées dans le formulaire de demande de prestations, lesquelles concernaient aussi bien sa situation personnelle que celles de son épouse ou de ses enfants, l'intimé ne pouvait ignorer l'importance que revêtait la communication de toute information d'ordre économique le concernant lui ou un membre de BGE 140 IV 206 S. 212 sa famille. Dans ces conditions, force est d'admettre que l'intimé était conscient qu'il retenait des informations qu'il avait l'obligation de transmettre au service recourant, commettant ainsi un acte par dol éventuel. 6.6 Sur le vu de ce qui précède, il convient de constater que l'intimé réalise les conditions objectives et subjectives de l'infraction réprimée à l' art. 31 al. 1 let . d LPC; le délai de péremption de plus longue durée prévu par le droit pénal, soit en l'occurrence sept ans ( art. 97 CP ), est par conséquent applicable. Il s'avère ainsi que la demande en restitution, en tant qu'elle concerne les prestations complémentaires de droit fédéral, n'est pas périmée pour la période courant du 1 er mai 2005 au 30 juin 2006. Dans cette mesure, le recours en matière de droit public déposé par le service recourant est bien fondé.
null
nan
fr
2,014
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
137bfd6c-e4ff-4c6f-bce8-0100f27e3ec2
Urteilskopf 90 II 295 34. Estratto della sentenza 25 novembre 1964 della I Corte civile nella causa Müller e consorti contro Canevascini
Regeste Grundstückkauf, Art. 216 OR , Art. 2 ZGB . Unrichtige Angabe des Kaufpreises. In casu nach den Regeln von Treu und Glauben unschädlicher Formmangel (Erw. 4, 5). Ein Wechsel der Rechtsprechung ist auch auf vorher eingetretene Tatsachen anwendbar (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 295 BGE 90 II 295 S. 295 A.- L'11 settembre 1958 il signor Giacomo Müller vendette al dottor Elio Canevascini parte del mappale nr. 132 sito nel comune di Gentilino e precisamente mq 2044 di terreno, un portico, un pollaio e un rustico annessi. Contemporaneamente venne concesso al compratore un diritto di prelazione della durata di dieci anni sulla rimanente porzione del mappale nr. 132. Nel contratto di compravendita venne indicato il prezzo di fr. 23 463 BGE 90 II 295 S. 296 pagato in contanti dal compratore alla firma dell'atto. In realtà esso non rappresenta che il saldo del prezzo effettivo di fr. 52 000 incassato dal venditore mediante un ulteriore versamento operato anteriormente alla stipulazione del contratto notarile. Giacomo Müller morì il 3 agosto 1960 lasciando quali eredi le attrici qui ricorrenti. B.- Con petizione 30 gennaio 1961 queste ultime convennero in giudizio il dott. Canevascini, allo scopo di ottenere l'annullamento della vendita eseguita dal padre e la restituzione delle reciproche prestazioni. Esse fecero valere che le condizioni personali del venditore (sordità, arteriosclerosi, carattere instabile e capriccioso, scarsa conoscenza della lingua italiana) gli avrebbero impedito di intravvedere gli svantaggi di una vendita eseguita ad un prezzo notevolmente inferiore a quello reale e che aveva provocato, attraverso una parcellazione irrazionale, un pregiudizio alla rimanente proprietà. Il contratto era d'altronde già da annullare a motivo della falsa attestazione del prezzo di vendita. Con sentenza 22 gennaio 1964 il Pretore di Luganocampagna respinse l'azione, accogliendo l'eccezione dell'abuso di diritto sollevata dal convenuto. Il 22 aprile 1964 il Tribunale di appello confermò il giudizio di prima istanza. C.- Le attrici hanno impugnato la sentenza cantonale con un ricorso per riforma, riproponendo sostanzialmente le domande già fatte valere nelle sedi precedenti. Il convenuto chiede la reiezione del ricorso e la rifusione delle spese. Erwägungen Considerando in diritto: 4. Secondo la giurisprudenza di questa Corte l'atto pubblico deve menzionare tutti i punti essenziali della compravendita, segnatamente l'intero ammontare del prezzo pagato, e ciò anche se parte della prestazione del BGE 90 II 295 S. 297 venditore venne corrisposta prima della stipulazione dell'atto. Questa giurisprudenza, che ha preso avvio dalla sentenza 19 dicembre 1958 della Corte di cassazione penale (RU 84 IV 164), ha trovato successiva ripetuta conferma (RU 86 II 37, 38, 230 c. 5, 260; 87 II 30 ) ed è stata mantenuta anche di fronte a recenti critiche (RU 90 II 156). Il mancato rispetto della forma prevista dall'art. 216 cpv. 1 CO rende nulla la compravendita. Nel caso concreto, il prezzo di fr. 23 463 fatto figurare sul contratto dell'11 settembre 1958 non corrisponde alla reale volontà delle parti. Quello effettivamente voluto e pattuito di fr. 52 000 non venne costatato per atto pubblico. La mancanza di una siffatta costatazione, relativa ad un punto essenziale del negozio, ha come conseguenza la nullità del contratto 11 settembre 1958. L'esattezza della citata giurisprudenza - invocata dalle attrici - non è seriamente contestata dal convenuto. Quest'ultimo fonda per contro la propria resistenza sulla seguente doppia argomentazione: a) allorchè venne stipulato il contratto di compravendita, non esisteva ancora la giurisprudenza secondo cui l'atto è nullo allorchè esso si limita ad indicare il residuo prezzo. Fino alla giurisprudenza in questione, tale procedimento era sempre stato ritenuto valido. Un'applicazione della nuova prassi a situazioni verificatesi in precedenza urterebbe pertanto il principio della sicurezza giuridica e sarebbe fonte di iniquità, permettendo di dichiarare nullo un contratto che sarebbe stato riconosciuto valido qualora fosse stato impugnato prima dell'adozione della nuova giurisprudenza; b) l'azione promossa dalle eredi del venditore costituirebbe un manifesto abuso del proprio diritto. Fu il venditore a prendere l'iniziativa della vendita ed a volere l'inscrizione nel contratto di un prezzo inferiore a quello reale, nell'intento di ridurre gli oneri fiscali a proprio carico. Il contratto fu da lui regolarmente adempiuto nè egli agì, pur conoscendo la irregolarità del procedimento e pur avendo vissuto BGE 90 II 295 S. 298 l'aumento dei prezzi immobiliari, per far dichiarare la nullità della compravendita. 5. Secondo gli accertamenti vincolanti dell'istanza inferiore fu il venditore a volere che nell'istromento di compravendita figurasse un prezzo inferiore a quello realmente pattuito, allo scopo di risparmiare un importo di fr. 1500 sull'imposta del maggior valore immobiliare e di conseguire il vantaggio derivante dalla sottrazione all'imposizione fiscale di un capitale di quasi fr. 30 000. Le ricorrenti criticano tale accertamento, negando che esso sia confermato dalle risultanze dell'incarto. A torto, poichè la Corte cantonale ben poteva fondarsi su taluni indizi, come il passo della testimonianza Hengge citato dal convenuto ed il fatto stesso della simulazione del prezzo, calcolando, per il resto, l'ammontare dell'imposta sottratta sulla base della propria conoscenza del diritto cantonale. La critica è sostanzialmente diretta contro l'apprezzamento delle prove e, pertanto, irricevibile. Il venditore intendeva altresì evitare che un suo genero venisse a conoscenza del prezzo effettivamente ricavato dalla vendita. Inoltre, quantunque sia sopravvissuto circa due anni alla vendita, non risulta che abbia mai manifestato il proposito di impugnare il contratto. L'azione fu dovuta alla sola iniziativa delle eredi. La circostanza che, come in concreto, il contratto fu regolarmente ed integralmente adempiuto, che la mancata menzione dell'intero prezzo fu voluta dall'attore nel proprio interesse (anche se il compratore ne fu pure avvantaggiato, avendo ad esempio avuto minori spese di registro, cfr. RU 90 II 157 c. 2 c) e che la protezione dell'art. 216 cpv. 1 CO non è invocata per lo scopo principale per il quale essa fu introdotta, ossia ai fini di evitare che i contraenti abbiano ad impegnarsi affrettatamente ed alla leggera (è accertato che il venditore aveva una perfetta conoscenza del mercato immobiliare della zona, che il prezzo pattuito corrispondeva al reale valore del terreno a quell'epoca mentre quello figurante sull'istromento BGE 90 II 295 S. 299 fu suggerito dallo stesso venditore perchè corrispondente al valore pagato poco tempo prima dal comune di Gentilino in una procedura di espropriazione) furono dalla giurisprudenza sempre ritenute idonee e sufficienti a fondare, insieme, l'eccezione dell'abuso manifesto del diritto opposta all'azione di nullità dell'atto (RU 50 II 147/148, 53 II 166, 72 II 43, 78 II 227-229, 86 II 232, 90 II 157). I casi nei quali tale eccezione fu respinta presentavano una diversa fattispecie. Nelle sentenze RU 53 II 296 c. 4, 54 II 331 c. 5, 71 II 106 c. 4, 84 II 375 c. 2, 641 c. 2, 86 II 261 c. 3, 90 II 25 c. 2 il contratto, tra l'altro, non era ancora stato adempiuto oppure sussistevano contestazioni su gli obblighi reciproci delle parti. Nelle sentenze RU 86 II 402 ss. e 87 II 31 ss. non erano provate, accanto al fatto dell'avvenuto adempimento, altre circonstanze suscettibili di far ritenere manifestamente abusiva l'invocazione del vizio formale. Nella sentenza RU 87 II 31, specialmente citata dalle ricorrenti (a pag. 16 del ricorso erroneamente indicata come 78 II 31), il Tribunale federale aveva rifiutato, ad esempio, di prendere in considerazione la possibilità per l'attore di sottrarsi parzialmente all'imposta sul maggior valore, per il motivo che secondo il contratto tale imposta era dovuta dalle parti in ragione di metà ciascuna. Nel giudizio RU 88 II 24 ss., pure particolarmente segnalato, una parte si era resa colpevole di un vizio formale per una negligenza rilevabile dall'altra parte. Il caso in esame è diverso. Esso presenta difatti delle circostanze particolari che fanno ritenere giustificata la conclusione delle istanze cantonali secondo cui l'azione deve essere respinta per manifesto abuso del diritto. Il contratto venne liberamente e correttamente adempiuto (ciò che costituisce pur sempre un elemento di grande importanza ai fini del giudizio, anche qualora non si voglia considerarlo decisivo, come propone ad esempio MERZ, ZBJV 1961 pag. 410-413 e 1962 pag. 458-459; Kommentar art. 2 ZGB N. 461-510 segnatamente N. 466, 469, 475/476, 485/495), la mutazione a registro fondiario BGE 90 II 295 S. 300 fu regolarmente eseguita nè il venditore espresse, fintanto che rimase in vita e nonostante avesse altresì concesso un diritto di prelazione sulla parte residua del proprio fondo, un segno qualsiasi di dissenso. La dissimulazione di parte del prezzo fu da lui voluta e suggerita per scopi suoi personali, tra cui quello di ridurre i non indifferenti oneri fiscali, proponendo, a maggior verosimiglianza, l'iscrizione di un prezzo pagato poco prima in una procedura di espropriazione ed evitando (ciò che dimostra, come giustamente osserva il convenuto, la consapevolezza dell'irregolarità del procedimento seguito) la consegna di una ricevuta per l'acconto pagato prima della firma del contratto. Non è ammissibile, come venne già dichiarato nella sentenza RU 50 II 148, che una parte abbia a sfruttare a danno dell'altra un vizio di forma, deliberatamente voluto ed accettato, chiedendo (il venditore nel caso di aumento dei valori immobiliari, il compratore nel caso di flessione) la revocazione di una compravendita regolarmente e liberamente adempiuta, per il solo motivo che un mutamento nella congiuntura economica ha mostrato che il medesimo negozio attualmente (non all'epoca della stipulazione impugnata) potrebbe essere concluso a condizioni più favorevoli. Non occorre, come sembrano sostenere le ricorrenti, che il venditore abbia agito dolosamente, ossia abbia voluto la falsa attestazione nel preordinato intento di invocare più tardi la nullità dell'atto. Semmai ciò costituirebbe una ragione sicura e decisiva per ammettere l'abuso di diritto. È non importa che, non essendo ancora intervenuto a quell'epoca il mutamento di giurisprudenza, non potesse immaginare che l'indicazione sull'istromento del solo saldo del prezzo costituisse una causa di nullità dell'atto. Egli, secondo gli accertamenti cantonali, prese l'iniziativa per un procedimento che sapeva irregolare ma che gli procurava determinati vantaggi. Portò a termine l'operazione di compravendita a condizioni a quel tempo normali e BGE 90 II 295 S. 301 sulle quali non ebbe mai a ritornare. Ciò deve bastare per impedire agli eredi di invocare l'irregolarità da lui voluta, fosse la stessa a quell'epoca fonte di nullità o meno. 6. La tesi del convenuto, secondo cui i principi stabiliti dalla giurisprudenza non possono essere applicati retroattivamente, non potrebbe invece essere comunque condivisa. È esatto, ed il Tribunale federale ebbe già a rilevarlo (RU 56 I 442 in fondo), che l'abbandono di una prassi costante presenta delle analogie con una modifica legislativa. In quest'ultimo caso, agli inconvenienti che ne derivano è rimediato con l'applicazione del principio della non-retroattività della nuova norma. Nel cambiamento di giurisprudenza il principio della sicurezza giuridica entra sempre in conflitto con il superiore principio della ricerca della giustizia materiale. La giurisprudenza relativa all'art. 4 CF esige pertanto che tale cambiamento trovi giustificazione in un riesame approfondito della questione ed in motivi seri ed oggettivi (RU 49 I 301, 80 I 323, 86 I 326, 89 I 90, 296 in fondo, 303, 428, 458). L'adozione della tesi del convenuto condurrebbe praticamente a negare la possibilità di un qualsiasi cambiamento di giurisprudenza. Difatti, mentre una norma legislativa (e quindi anche una nuova norma) mantiene un carattere generale e non è riferita ad una concreta fattispecie, la sentenza del giudice è sempre decisione di un caso concreto e, per necessità logica, di un caso già verificatosi e compiuto nei suoi elementi di fatto prima dell'emanazione della sentenza. Il cambiamento di giurisprudenza riguarda necessariamente fattispecie adempiute prima di tale cambiamento, vale a dire in un'epoca in cui valeva la precedente giurisprudenza. Pretendere che un cambiamento giurisprudenziale limiti la propria efficacia ai fatti sorti posteriormente alla sua enunciazione, significa esigere che esso sia preannunciato alla stessa maniera di una norma legislativa ed all'infuori BGE 90 II 295 S. 302 della soluzione di una concreta controversia. Ciò sarebbe incompatibile con la struttura e la funzione dei tribunali. Nel caso in esame, il fatto che all'epoca della stipulazione del contratto fosse ancora valida la precedente giurisprudenza, può, al massimo, liberare le parti dal rimprovero di averlo firmato consapevoli della sua nullità (non però della sua irregolarità, poichè è irregolare dichiarare nell'istromento che il prezzo, ossia la prestazione del compratore, "viene fissato in fr. 23 463.--", quando esso ammontava invece a fr. 52 000).
public_law
nan
it
1,964
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
137cc689-23ff-41b0-924f-274615a5e670
Urteilskopf 122 I 39 7. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 11 janvier 1996 dans la cause X. et Y. contre Cour de droit public du Tribunal cantonal du canton du Valais et Conseil d'Etat du canton du Valais (recours de droit public)
Regeste Art. 87 OG : Beschwerde gegen die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfrage in einem Zwischenentscheid. Der Entscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen in einem Entscheid, mit welchem die Sache zu neuer Entscheidung an eine untere Instanz zurückgewiesen wird, stellt seinerseits einen Zwischenentscheid dar, der grundsätzlich keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Er kann vor Bundesgericht erst nach Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs angefochten werden, zusammen mit dem (neuen) Entscheid in der Sache selber oder für sich allein, wenn das rechtlich geschützte Interesse des Betroffenen in der Sache selber im Laufe des kantonalen Verfahrens dahinfallen sollte (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; E. 1).
Sachverhalt ab Seite 40 BGE 122 I 39 S. 40 Le 1er juillet 1994, X. et Y., enseignants dans un cycle d'orientation sans être au bénéfice d'une formation universitaire, ont notamment demandé au Conseil d'Etat du canton du Valais de constater dans une décision formelle susceptible de recours que la différence salariale existant entre les maîtres possédant un titre universitaire et ceux n'en possédant pas violait le principe de l'égalité de traitement. Par lettres des 23 novembre 1994 et 12 janvier 1995, le Conseil d'Etat a informé X. et Y. qu'il ne lui appartenait pas de prendre la décision demandée. La compétence de fixer le traitement salarial des maîtres du cycle d'orientation incombait en effet au législateur cantonal qui en avait fait usage en édictant un décret prévoyant expressément une distinction salariale selon que l'enseignant possédait ou non un titre universitaire. X. et Y. ont recouru à l'encontre des deux lettres précitées auprès de la Cour de droit public du Tribunal cantonal du canton du Valais. Ils ont principalement conclu à leur annulation et au renvoi de l'affaire au Conseil d'Etat pour décision sur le fond. Subsidiairement, ils ont demandé au Tribunal cantonal de constater que les différences salariales invoquées étaient contraires au principe de l'égalité de traitement et de leur allouer des arriérés de salaire dès le 1er juillet 1989 de même qu'un salaire égal à celui d'un maître bénéficiant d'un titre universitaire dès le 1er juillet 1994. Par arrêt du 10 avril 1995, le Tribunal cantonal a constaté que le litige avait trait au décret cantonal précité qui prévoyait que les difficultés résultant de son application devait être tranchées par le Département cantonal de l'instruction publique, sous réserve de recours auprès du Conseil d'Etat. Ce dernier aurait dès lors dû transmettre l'affaire à ce département comme objet de sa compétence. Les conclusions principales du recours demandant le renvoi de l'affaire au Conseil d'Etat devaient dès lors être rejetées et les conclusions subsidiaires, étrangères à l'objet du litige, devaient être considérées comme irrecevables. La cause était par ailleurs transmise au Département de l'instruction publique comme objet de sa compétence. Il n'était en outre pas perçu de frais judiciaires afin de tenir compte de l'omission du Conseil d'Etat et aucune indemnité à titre de dépens n'était allouée aux recourants. BGE 122 I 39 S. 41 Agissant par la voie du recours de droit public pour violation de l' art. 4 Cst. , X. et Y. demandent au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt rendu le 10 avril 1995 par le Tribunal cantonal. Invoquant la violation de l'interdiction du déni de justice formel et matériel, ils affirment que c'est à tort que l'autorité intimée a rejeté leur recours et refusé de leur allouer des dépens. Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable. Erwägungen Extrait des considérants: 1. Le Tribunal fédéral examine d'office et librement la recevabilité des recours qui lui sont soumis ( ATF 121 I 279 consid. 1 p. 281 et la jurisprudence citée). a) Le présent recours étant fondé exclusivement sur l' art. 4 Cst. , sa recevabilité doit notamment être examinée au regard de l' art. 87 OJ . Selon cette dernière disposition, le recours de droit public pour violation de l' art. 4 Cst. n'est recevable qu'à l'encontre des décisions finales prises en dernière instance; il n'est recevable contre des décisions incidentes prises en dernière instance que s'il en résulte un dommage irréparable pour l'intéressé. Cette limitation de la possibilité d'attaquer des décision incidentes prises en dernière instance n'a cependant pas une valeur absolue. Font exception les décisions relatives à des questions d'organisation judiciaire qui par nature doivent être définitivement réglées avant que le procès puisse se poursuivre. On y inclut notamment les décisions en matière de composition du tribunal ou celles en matière de compétence ratione loci ou ratione materiae ( ATF 117 Ia 396 consid. 2 p. 399 et les références citées). aa) Il faut considérer comme une décision finale au sens de l' art. 87 OJ toute décision qui clôt une procédure, sous réserve de recours à une autorité supérieure, que ce soit par un jugement au fond ou pour des motifs de procédure. Les décisions incidentes en revanche ne mettent pas fin à la procédure mais représentent seulement une étape sur la voie de la décision finale, peu importe qu'elles aient pour objet une question de procédure ou, à titre préalable, une question de droit matériel. A cet égard, le prononcé par lequel une autorité cantonale de recours renvoie une affaire, pour nouvelle décision, à une autorité qui a statué en première instance ou à une autre autorité est une décision incidente. Il s'agit en effet d'une simple étape avant la décision finale qui doit mettre un terme à la procédure ( ATF 117 Ia 396 consid. 1 p. 398 et les arrêts cités). Lorsque l'autorité de recours statue simultanément sur les dépens de la procédure BGE 122 I 39 S. 42 suivie devant elle, ce prononcé accessoire doit aussi être considéré comme une décision incidente, alors même qu'il porte sur des prétentions qui ne seront plus en cause par la suite (cf. ATF 117 Ia 251 consid. 1a p. 253 et les références citées). Du reste, on ne peut généralement pas vérifier la répartition des frais procéduraux sans examiner aussi, à titre préjudiciel, le bien-fondé de la décision de renvoi. Cet examen ne peut cependant intervenir que si cette dernière décision entraîne un préjudice irréparable; s'il en allait autrement, le Tribunal fédéral pourrait en effet être amené à vérifier indirectement, par le biais des recours dirigés contre la répartition des frais, la constitutionnalité de toutes les décisions incidentes. Cela ne correspondrait pas au but de l' art. 87 OJ qui veut que le Tribunal fédéral ne s'occupe en principe qu'une seule fois d'un procès et seulement lorsqu'il est certain que le recourant a subi un dommage définitif ( ATF 117 Ia 251 consid. 1b p. 254, ATF 106 Ia 229 consid. 3d p. 235). Dans le cas particulier, il est manifeste que l'arrêt attaqué est une décision incidente, tant dans son prononcé principal renvoyant la cause au Département de l'instruction publique, que dans celui accessoire portant sur les frais et dépens. Il faut dès lors examiner si cet arrêt cause un dommage irréparable aux recourants. bb) Un préjudice irréparable n'est réalisé que lorsque l'intéressé subit un dommage qu'une décision favorable sur le fond ne fait pas disparaître complètement; le dommage doit en outre être de nature juridique, un inconvénient seulement matériel, résultant par exemple de l'allongement de la procédure, est insuffisant ( ATF 117 Ia 251 consid. 1b p. 253-254 et les arrêts cités). En principe, la décision par laquelle une juridiction de recours annule un jugement et renvoie l'affaire à une autorité inférieure pour nouvelle décision constitue une décision incidente qui n'entraîne pour l'intéressé aucun dommage irréparable ( ATF 117 Ia 396 consid. 1 p. 398-399 et la jurisprudence citée). Il en va de même en ce qui concerne le prononcé sur les frais et dépens. En effet, si l'autorité à laquelle la cause est renvoyée prend une décision défavorable pour l'intéressé, la décision concernant les frais et dépens pourra être attaquée devant le Tribunal fédéral, après épuisement des instances cantonales, en même temps que la décision sur le fond. En outre, si les intéressés n'ont plus d'intérêt juridiquement protégé à recourir sur le fond car l'une des autorités cantonales a statué entièrement en leur faveur ou que la procédure cantonale a été rayée du rôle comme devenue sans objet ou par l'effet d'un retrait de recours, ils peuvent encore s'en prendre au prononcé sur les BGE 122 I 39 S. 43 frais et dépens, celui-là les touchant personnellement et directement dans leurs intérêts, par un recours de droit public auprès du Tribunal fédéral dirigé directement contre la décision de l'autorité cantonale inférieure ( ATF 117 Ia 251 consid. 1b p. 254-255 et les arrêts cités). Dans le cas particulier et compte tenu de cette jurisprudence, les recourants pourront attaquer le prononcé sur les dépens contenu dans l'arrêt entrepris en même temps que la décision au fond et former, au besoin, un recours de droit public auprès du Tribunal fédéral après l'épuisement des instances cantonales. Par ailleurs, si l'issue de la procédure cantonale devait les priver d'un intérêt à recourir sur le fond, ils pourraient encore former directement un recours de droit public auprès du Tribunal fédéral pour lui demander uniquement d'examiner le refus de l'autorité intimée de leur allouer des dépens. cc) Il n'y a aucun motif, et les recourants ne le prétendent d'ailleurs pas, de s'écarter de la jurisprudence précitée. Il n'y a en particulier pas lieu de traiter différemment, ainsi que le propose PETER LUDWIG (cf. Endentscheid, Zwischenentscheid und Letztinstanzlichkeit im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, RJB 110/1974 p. 161 ss, n. 4.3 p. 180-181), le cas dans lequel le grief d'arbitraire est dirigé contre le prononcé sur les dépens pour des motifs indépendants de la décision incidente de renvoi. Il serait du reste difficile de distinguer ce cas de celui où la question des frais et dépens ne peut être dissociée du fond. b) Au vu de ce qui précède, il faut constater que l'arrêt attaqué ne cause aux recourants aucun dommage irréparable au sens de l' art. 87 OJ , ni en renvoyant la cause au Département de l'instruction publique pour décision sur le fond, ni en refusant de leur allouer des dépens. Le présent recours doit par conséquent être déclaré irrecevable.
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Urteilskopf 91 IV 102 30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Mai 1965 i.S. Baur gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste Art. 1 Abs. 1 A O. Auch eine erst während der öffentlichen Veranstaltung bekannt gegebene Sondervergünstigung ist öffentlich angekündigt worden. Es genügt, dass der vorübergehend in Aussicht gestellte Rabatt bedeutend genug ist, um die Kauflust des Publikums zu steigern.
Sachverhalt ab Seite 102 BGE 91 IV 102 S. 102 A.- Baur liess in den Briefkästen der Stadt Luzern ein Flugblatt verteilen, worin die Erwachsenen auf den Abend des 23. September 1964, 20 Uhr, in den Saal des Hotels Union in Luzern zu einer "Grossen Werbeveranstaltung" für die "Sensation des Jahres" eingeladen wurden. Das Flugblatt versprach jedem Besucher die Gratisabgabe eines Photoapparates, den anwesenden Ehepaaren überdies ein Geschenk im Wert von Fr. 12.50. Es sicherte ferner jedem Anwesenden zu, dass er gratis an der Verlosung von Vorzugslosen teilnehme, mit denen ein Bauplatz im Tessin im Wert von Fr. 15'000.-- gewonnen werden könne. An der Veranstaltung selber, die Baur ohne behördliche Bewilligung durchführte, warb er für die Produkte der SI-TRO AG, Zürich, darunter insbesondere eine als "Wasch-Hexe" bezeichnete Waschkugel. Während der Demonstration dieses Apparates wurde allen Teilnehmern der Veranstaltung eine Bestellkarte ausgehändigt, die auch den Gratisverlosungsbon enthielt. Aus dem Text des Bestellscheins ergab sich, dass dem Käufer einer Wasch-Hexe ein Rabatt von Fr. 10.- auf dem normalen Verkaufspreis von Fr. 168.-- gewährt werde. BGE 91 IV 102 S. 103 B.- Das Obergericht des Kantons Luzern sprach Baur am 10. März 1965 der Widerhandlung gegen Art. 4 und 20 Abs. 1 lit. a der eidgenössischen Ausverkaufsverordnung sowie wegen irreführender Aufmachung des Flugblattes der Übertretung von § 1 Abs. 1 des luzernischen Handelspolizeigesetzes schuldig. Es verurteilte ihn zu fünf Tagen Haft und zu Fr. 500.-- Busse und ordnete die Veröffentlichung des Urteils im Kantonsblatt an. C.- Baur führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen, soweit er wegen Widerhandlung gegen die Ausverkaufsverordnung verurteilt wurde. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 20 Abs. 1 lit. a AO ist namentlich strafbar, wer eine unter die Verordnung fallende, nicht bewilligte Verkaufsveranstaltung öffentlich ankündigt oder durchführt. Als bewilligungspflichtige Verkaufsveranstaltung gelten nebst den Ausverkäufen ( Art. 2 Abs. 1 AO ) auch Ausnahmeverkäufe, z.B. Verkäufe unter Gewährung ausserordentlicher Rabatte ( Art. 2 Abs. 2 AO ), sofern es sich im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AO um eine Veranstaltung des Detailverkaufes handelt, bei der dem Käufer durch öffentliche Ankündigung in Aussicht gestellt wird, dass ihm vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigungen zukommen werden. 2. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer eine öffentliche Werbeveranstaltung durchgeführt hat und dass diese eine Veranstaltung des Detailverkaufes war, bei der Waren unter Gewährung eines Rabattes verkauft wurden. Der Beschwerdeführer bestreitet dagegen, dass die Veranstaltung bewilligungspflichtig gewesen sei, weil dem Publikum nicht durch öffentliche Ankündigung vorübergehend besondere Vergünstigungen in Aussicht gestellt worden seien. a) Richtig ist, dass Ausverkäufe und Ausnahmeverkäufe nur dann der amtlichen Bewilligung bedürfen, wenn die Veranstaltung öffentlich angekündigt worden ist. Das ergibt sich aus dem deutschen und italienischen Wortlaut des für den Erlass der Ausverkaufsverordnung grundlegenden Art. 17 Abs. 1 UWG , wo die Bewilligungspflicht von der "öffentlichen Ankündigung und Durchführung" abhängig gemacht wird, ferner aus Art. 1 Abs. 1 AO , der ausdrücklich bestimmt, dass die öffentliche Ankündigung vorübergehender besonderer Vergünstigungen BGE 91 IV 102 S. 104 den Ausverkäufen und ähnlichen Veranstaltungen begriffswesentlich ist. Art. 20 Abs. 1 lit. a AO , wo von öffentlicher Ankündigung oder Durchführung die Rede ist, widerspricht dem nicht. Diese Bestimmung umschreibt nicht die Voraussetzungen, unter denen eine Veranstaltung bewilligungspflichtig ist, sondern legt nur fest, dass sowohl strafbar ist, wer die nicht bewilligte Verkaufsveranstaltung bloss öffentlich ankündigt, als auch, wer sie nur durchführt ( BGE 85 II 445 f.). Es trifft zu, dass im Flugblatt nur die Durchführung einer Werbeveranstaltung angekündigt worden ist. Dass ein Verkauf von Waren stattfinde, bei dem den Käufern vorübergehend besondere Vergünstigungen zukämen, wurde darin nicht gesagt. Die im Flugblatt erwähnten Vorteile (Gratisabgabe eines Photoapparates, Gratisteilnahme an einer Vorverlosung) waren denn auch keine Vergünstigungen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AO . Sie wurden nicht nur den Käufern in Aussicht gestellt, sondern unabhängig von einem Kauf jedem Besucher der Veranstaltung zugesichert (vgl. BGE 90 IV 111 Erw. 2). Die Mitteilung, dass beim Kauf einer Wasch-Hexe dem Käufer ein Rabatt auf dem normalen Verkaufspreis gewährt werde, wurde erst während der Veranstaltung selber gemacht, als der Beschwerdeführer im Verlaufe der Demonstration der Waschkugel den anwesenden Besuchern eine Bestellkarte aushändigen liess, auf der die Preisermässigung vorgedruckt war. Mit dieser allgemeinen Bekanntmachung, die an einen grössern ausserhalb des Geschäftes stehenden Kreis von Personen gerichtet war, ist aber die Gewährung des Rabattes öffentlich angekündigt worden. Art. 1 Abs. 1 AO verlangt nicht, dass die öffentliche Ankündigung von Vergünstigungen der Verkaufsveranstaltung zeitlich vorausgehe, sondern nur, dass die Vergünstigung öffentlich bekannt gemacht werde. Die Gefahr, dass die Käufer durch den Hinweis auf ein vorübergehendes besonders günstiges Angebot getäuscht werden, ist denn auch, wenn er anlässlich einer öffentlichen Werbeveranstaltung erfolgt, nicht geringer als wenn die Vergünstigung in Zeitungen, Prospekten und dgl. zum voraus bekanntgemacht wird. Der Kassationshof hat deshalb bereits früher entschieden, dass das Merkmal der öffentlichen Ankündigung auch erfüllt sei, wenn die Vergünstigung erst an der öffentlichen Veranstaltung allgemein bekannt gegeben wird, und dass es gemäss Art. 1 Abs. 2 AO keine Rolle spiele, ob dabei die Mitteilung schriftlich oder mündlich geschieht BGE 91 IV 102 S. 105 (nicht veröffentlichtes Urteil vom 2. Dezember 1963 i.S. Egolf c. Luzern). b) Beim Publikum, das an der Veranstaltung teilnahm, wurde der Eindruck erweckt, der Rabatt werde nur den anwesenden Besuchern gewährt, bei einem spätern Kauf sei dagegen der Normalpreis von Fr. 168.-- zu bezahlen. Dieser Schluss drängte sich schon deswegen auf, weil die den Teilnehmern ausgehändigte Bestellkarte gleichzeitig den Gratisverlosungsbon enthielt, auf dem der Besucher, der sich an der Verlosung beteiligen wollte, Namen und Adresse einzutragen hatte. Da die Teilnahmeberechtigung an der Gratisverlosung auf Personen beschränkt war, welche die Veranstaltung jenes Abends besuchten, lag die Annahme nahe, dass der auf der gleichen Karte genannte Käufer-Rabatt ebenfalls nur auf Bestellungen gewährt würde, die während der Dauer der Veranstaltung aufgegeben werden. Dass bei den Besuchern tatsächlich diese Auffassung bestand, erhellt daraus, dass verschiedene die Frage stellten, ob die Bestellung nicht später aufgegeben werden könne. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer solche Anfragen ausdrücklich verneinte und erklärte, nachträgliche Bestellungen könnten nicht mehr berücksichtigt werden. Auf die Ausführungen, mit denen in der Beschwerde an diesen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und an der Beweiswürdigung, auf der sie beruhen, Kritik geübt wird, kann gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 273 bis Abs. 1 BStP nicht eingetreten werden. Die Vorinstanz hat sodann ihre Feststellungen nicht auf Grund gesetzlicher Beweisregeln getroffen, sondern die Beweise frei gewürdigt, somit auch Art. 249 BStP nicht verletzt; Willkür in der Beweiswürdigung aber kann nicht gestützt auf diese Bestimmung mit der Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden ( BGE 81 IV 130 ). Der angekündigte Rabatt stellt daher eine vorübergehend besondere, vom Verkäufer sonst nicht gewährte Vergünstigung im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AO dar. Diese Bestimmung setzt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch nicht voraus, dass die angekündigte Preisherabsetzung Waren betreffe, die früher teurer verkauft wurden. Der Käufer wird durch die Sondervergünstigung zum Kauf angelockt, weil er glaubt, die Ware später nicht mehr so günstig kaufen zu können wie im Zeitpunkt des Sonderangebotes. Unter den Begriff des Ausnahmeverkaufes kann deshalb auch eine Veranstaltung fallen, BGE 91 IV 102 S. 106 bei der Waren der angekündigten Art erstmals zum Verkauf gelangen ( BGE 81 IV 194 /5). Nicht nötig ist, dass die Vergünstigung im Verhältnis zum Wert der Ware ein ausserordentliches Ausmass erreiche; es genügt, dass sie bedeutend genug ist, um die Kauflust des Publikums zu steigern. Das trifft bei einem Rabatt von Fr. 10.- oder rund 6%, der aufeinem Verkaufspreis von Fr. 168,- gewährt wird, zu. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass sein Rabatt unter dem im Detailhandel zulässigen liege, wo bis auf 8% gegangen werden dürfe, ist unbehelflich, weil dieser Rabatt dauernd gewährt und daher vom Käufer weniger als Vorteil empfunden wird, als wenn ein Rabatt von 6% nur während einer zeitlich beschränkten Dauer gilt. Unerheblich ist auch, dass Bestellungen zum herabgesetzten Preis auch noch nach Beendigung der Veranstaltung entgegengenommen und ausgeführt wurden und dass der Rabatt auch heute noch gewährt wird; auch ein bloss zum Schein angekündigter Ausnahmeverkauf untersteht der Verordnung und bedarf der Bewilligung ( BGE 76 IV 184 Erw. 2, BGE 78 IV 126 ). Da der Beschwerdeführer diese nicht eingeholt hat, ist der Tatbestand des Art. 20 Abs. 1 lit. a AO objektiv erfüllt.
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Urteilskopf 108 II 416 80. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 1er décembre 1982 dans la cause Garage Cornavin S.A. contre CFF (recours en réforme)
Regeste Übereinstimmende Willensäusserung mit Bezug auf Vertragsbestimmungen, die der Vertragsurkunde beigelegt werden ( Art. 1 OR ). Wer ein Schriftstück unterzeichnet, das ausdrücklich auf Beilagen verweist, ist gebunden, wie wenn er diese noch gesondert unterzeichnet hätte. Ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme zu machen, wenn die in der Beilage enthaltenen Vertragsbestimmungen ungewöhnlich sind? (Frage offen gelassen.) Fall, in dem sich die beigelegten Bestimmungen nicht als ungewöhnlich erweisen.
Sachverhalt ab Seite 416 BGE 108 II 416 S. 416 Par contrat du 30 novembre 1964, les CFF ont remis à bail au Garage Cornavin S.A., à Genève, des locaux commerciaux de 730 m2. L'art. 4 du contrat stipule ce qui suit: "Le preneur déclare ici reconnaître que les "prescriptions concernant la location des locaux" de même que les "prescriptions concernant l'établissement, l'exploitation et l'entretien des tanks (citernes) sur le domaine du chemin de fer", ci-annexées, font, dans tout leur contenu, partie intégrante du présent bail dans la mesure où celui-ci n'abroge pas expressément l'une ou l'autre de leurs clauses. Il s'ensuit que ces prescriptions obligent les parties au même titre que les règles figurant BGE 108 II 416 S. 417 dans le corps du présent bail et ce quel que soit leur objet (usage, résiliation, assurances, etc.)." L'art. 41 des "prescriptions concernant la location de locaux" des CFF (en abrégé: prescriptions), du 1er août 1962, prévoit: "Si, au cours du bail, les CFF viennent à avoir besoin, pour leur propre usage, de tout ou partie des locaux loués ou encore si l'intérêt public ou la construction, l'entretien d'installations ferroviaires (y compris les voies de raccordement et de chargement) l'exigent, il leur est loisible de dénoncer en tout temps, en fixant un délai de trente jours et en remboursant au preneur le loyer payé d'avance pour le temps où il n'aura plus la jouissance des locaux. Les CFF peuvent agir de la même façon lorsque le preneur viole ses engagements en matière de transport ou de fidélité aux chemins de fer. En pareil cas, les CFF ne sont tenus à aucune indemnité." Par lettre du 21 octobre 1980, les CFF, se référant aux problèmes posés par l'extension de la gare de Cornavin en vue de la réalisation du raccordement ferroviaire de l'aéroport de Genève-Cointrin, ont annoncé au Garage Cornavin S.A. que la disparition du garage était inéluctable et ils ont de ce fait résilié le bail au 31 décembre 1981, en se fondant sur l'art. 41 des prescriptions susmentionnées. Le 11 septembre 1981, le Garage Cornavin S.A. a ouvert action devant le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève. Par jugement du 14 janvier 1982, celui-ci a prononcé que la résiliation du bail était nulle et de nul effet. Statuant sur appel des CFF, la Cour de justice du canton de Genève a, par arrêt du 7 juin 1982, réformé le jugement du Tribunal des baux et débouté la demanderesse de toutes ses conclusions. Elle a notamment considéré que l'art. 41 des prescriptions faisait partie intégrante du contrat de bail. La recourante a interjeté un recours en réforme contre l'arrêt de la cour cantonale précité, dont elle demande l'annulation. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. Erwägungen Extrait des motifs: 1. a) La recourante reproche à l'autorité cantonale d'avoir, en violation de l' art. 8 CC , admis l'existence d'un fait non prouvé, à savoir que l'attention de son propre administrateur avait été attirée sur l'existence de l'art. 41 des prescriptions lors d'une rencontre du 27 janvier 1977 avec le représentant des intimés. Elle BGE 108 II 416 S. 418 soutient que, puisque, au contraire, elle n'a pas eu conscience de l'art. 41 litigieux lors de la conclusion du bail ni ultérieurement et n'a pas contresigné les prescriptions en question, il n'y a pas eu accord à leur sujet ( art. 1er et 2 CO ). b) Celui qui signe un texte comportant une référence expresse à des annexes ou à des conditions générales est lié au même titre que celui qui appose sa signature sur le texte même des annexes ou des conditions générales (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Komm., n. 451, 452 ad art. 1 CO ; FORSTMOSER, Gesetzgebung und Gerichtspraxis zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ch. 4.1, pp. 34/35, in Schriftenreihe zum Konsumentenschutzrecht, vol. 5, Zurich 1982; PH. NORDMANN, Le contrat d'adhésion, thèse Lausanne 1974, p. 59). Peu importe donc, en principe, qu'il ait réellement lu le texte qu'il a signé ou auquel se référait le document signé de sa main (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, n. 486/487 ad art. 1er CO ; FORSTMOSER, op.cit., ch. 4.4, p. 38). L'application de ces règles de principe doit cependant être limitée lorsque le cocontractant a su - ou, selon l'expérience générale de la vie, aurait dû raisonnablement savoir - que le contenu de la déclaration n'était pas voulu ( ATF 76 I 350 , et arrêts cités). De cette restriction, fondée sur le principe de la confiance, une partie de la doctrine a tenté de dégager une règle dite de l'inhabituel, ou de l'insolite (Ungewöhnlichkeitsregel). En vertu de cette règle, seraient soustraites de l'adhésion censée donnée globalement à des conditions générales toutes les clauses inhabituelles, soit inhabituellement onéreuses, soit s'écartant du contenu auquel on pouvait raisonnablement s'attendre (MERZ, Massenvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen, in Festschrift Schönenberger, FR 1968, p. 148; et: Le contrôle judiciaire des conditions générales du contrat, in SJ 97 (1975) p. 198; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, n. 498/499, ad art. 1er CO ; cf. FORSTMOSER, op.cit., ch. 5.4, pp. 46/47; GIGER, Grundsätzliches zum Einbezug Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Einzelvertrag, in Schriftenreihe zum Konsumentenschutzrecht, vol. 5, Zurich 1982, pp. 66/67; critiques in PH. NORDMANN, op.cit., p. 63 ss). c) En l'espèce, la demanderesse est en principe valablement liée par les prescriptions annexées au contrat. En effet, le texte même du contrat de bail qu'elle a signé comporte à son art. 4 une référence expresse aux prescriptions, de surcroît mentionnées comme "annexes" au bas du contrat. En ce qui concerne plus particulièrement l'art. 41 litigieux, si le texte signé ne comporte pas une référence précise à son sujet, il n'en indique pas moins, toujours à BGE 108 II 416 S. 419 l'art. 4, que les prescriptions "qui obligent les parties au même titre que les règles figurant dans le corps du présent bail" portent sur des objets tels que l'usage, la résiliation ou les assurances. L'attention du preneur était donc attirée sur le fait que les prescriptions contenaient notamment des dispositions sur la résiliation du contrat. Dans une telle situation, l'application éventuelle de la règle de l'inhabituel à la clause de résiliation litigieuse ne pourrait se faire que de manière extrêmement restrictive. A supposer que l'on veuille appliquer la règle de l'inhabituel, on devrait considérer qu'elle ne peut pas toucher l'art. 41 des prescriptions, au vu des circonstances tenant à la qualité du bailleur; en effet, on est en présence ici d'une entreprise, les CFF, exploitant un service public d'intérêt général, qui s'est vu contrainte d'édicter des prescriptions spéciales en raison des particularités liées à son activité. Celui qui traite avec un tel bailleur doit s'attendre à être contractuellement soumis à des restrictions de tous ordres, et le moins que l'on puisse exiger de lui est qu'il prenne véritablement connaissance des prescriptions en cause. On ne se trouve donc pas, en l'espèce, dans une situation où l'on puisse admettre que le bailleur, d'après l'expérience générale de la vie, aurait dû raisonnablement savoir que l'une ou l'autre des prescriptions, et notamment celle de l'art. 41, n'était pas voulue par son cocontractant. d) Dès lors que, comme il résulte de ce qui précède, la recourante est liée par l'art. 41 des prescriptions même si son administrateur n'en a pas réellement pris connaissance, il importe peu de savoir si c'est ou non à tort que l'autorité cantonale a retenu, en l'absence de toute contestation de la part de la demanderesse, que son attention avait été attirée sur la disposition précitée lors d'une rencontre de janvier 1977 avec un représentant des défendeurs. Il est donc superflu d'examiner si la constatation de fait touchant cette absence de contestation a été faite en violation de l' art. 8 CC .
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Urteilskopf 117 II 519 95. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. September 1991 i.S. W. gegen W. (Berufung)
Regeste Rente der geschiedenen Ehefrau; Art. 151 Abs. 1 ZGB . Bei der Festsetzung einer Entschädigungs- und Unterhaltsersatzrente für die geschiedene Ehefrau ist nach neuem Recht auch zu berücksichtigen, dass die Frau dereinst eine AHV-Rente beziehen wird, soweit diese Zusatzeinkommen darstellt und nicht dazu bestimmt ist, wegfallendes Erwerbseinkommen zu ersetzen.
Erwägungen ab Seite 519 BGE 117 II 519 S. 519 Aus den Erwägungen: 4. Die wichtigste Frage, die im vorliegenden Fall zu beurteilen ist, besteht darin, ob und in welchem Masse die der geschiedenen Frau dereinst zustehende AHV-Rente bei Festsetzung der Entschädigungs- oder Bedürftigkeitsrente zu berücksichtigen sei. In der Rechtsprechung und in der Lehre finden sich zu dieser Frage keine abschliessenden Stellungnahmen. a) Das Bundesgericht hat sich mit dieser Frage bisher hauptsächlich in unveröffentlichten Urteilen befasst. So hat es in einem Entscheid vom 11. Februar 1966 i.S. P. c. P. der Herabsetzung einer Bedürftigkeitsrente auf Beginn der AHV-Rentenberechtigung BGE 117 II 519 S. 520 gegenüber ihrer zeitlichen Befristung den Vorzug gegeben mit der Begründung, diese sei den Bedarfsverhältnissen der Frau besser angemessen und trage auch der beschränkten Leistungsfähigkeit des Mannes Rechnung. In einem weiteren Urteil vom 2. Juli 1970 i.S. S. c. T. schloss das Bundesgericht eine zeitliche Beschränkung der Rente im Hinblick auf den Beginn der AHV-Rentenberechtigung mit der Bemerkung aus, die Leistungen der AHV kämen beiden Ehegatten in gleicher Weise zugut und verbesserten somit auch die Lage des Mannes; sie seien in diesem Zusammenhang auch deshalb nicht von Bedeutung, weil sie dazu bestimmt seien, das im Alter wegfallende oder sich vermindernde Erwerbseinkommen zu ersetzen. Nach den Erwägungen eines Entscheids vom 30. Oktober 1970 i.S. G. c. G., der in der Literatur gelegentlich angeführt wird, wäre die Kürzung einer Entschädigungsrente sachlich nur begründet, wenn damit ein dem Anspruchsberechtigten als Folge der Scheidung zufallender Vorteil auszugleichen oder einer mit Sicherheit eintretenden Verminderung der Leistungsfähigkeit des Rentenschuldners Rechnung zu tragen wäre. Beides treffe in bezug auf die Altersrente der AHV nicht zu, weshalb kein Anlass zu einer Vorteilsausgleichung bestehe. Diese Betrachtungsweise beruhte indessen nicht auf grundsätzlichen Überlegungen gegen einen solchen Vorteilsausgleich, wie das Bundesgericht in BGE 114 II 121 /22 festhielt; dieser wurde lediglich deshalb verworfen, weil die AHV-Rente im konkreten Fall dazu diente, das bis anhin für den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau erforderliche eigene Erwerbseinkommen wenigstens teilweise zu ersetzen. Schliesslich bezeichnete das Bundesgericht im Urteil vom 1. Dezember 1988 i.S. C. c. M. die Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages auf den Zeitpunkt der Ausrichtung einer AHV-Rente an die geschiedene Ehefrau als durchaus gerechtfertigt, weil dieser Beitrag ihr erlauben sollte, die Substanz ihres Vermögens einstweilen unangetastet zu lassen, es ihr aber nach Erreichen der AHV-Rentenberechtigung zumutbar sei, auch ihr Vermögen anzugreifen. Demgegenüber erklärte es das Bundesgericht in BGE 109 II 91 E. 3 grundsätzlich für richtig, dass der Beginn der AHV-Rentenberechtigung keinen Grund zur zeitlichen Beschränkung der Rente nach Art. 151 Abs. 1 ZGB darstelle. b) In der Literatur ist die hier zu beurteilende Frage auch schon zur Sprache gekommen. Nach BÜHLER/SPÜHLER, N 38 zu Art. 151 ZGB , kann bei der Bemessung einer Entschädigungsrente je nach den konkreten Umständen (Alter, Erwerbsfähigkeit, wirtschaftliche BGE 117 II 519 S. 521 und soziale Stellung) eine in Aussicht stehende AHV-Rente berücksichtigt werden. NEF (Der Einfluss des Sozialversicherungsrechts auf das Privatrecht, SJZ 77/1981, S. 17 ff.) betrachtet die Unterstützungspflicht des geschiedenen Ehegatten gegenüber seinem früheren Ehepartner im Verhältnis zum Sozialversicherungsrecht als subsidiär. Der Scheidungsrichter habe deshalb bei der Bemessung der Unterhaltsbeiträge laufende oder zu erwartende Sozialversicherungsleistungen mitzuberücksichtigen (S. 23). KOLLER (AHV und Eherecht - Standortbestimmung und Ausblick, ZBJV 121/1985, S. 305 ff.) weist darauf hin, dass das Verhältnis zwischen eherechtlichen Unterhaltsansprüchen und AHV-Renten äusserst komplex sei und einfache Problemlösungen nicht zu finden seien (S. 320). Die richtige Lösung kann nach diesem Autor nur darin liegen, dass die von einem Ehegatten - in den meisten Fällen der Ehefrau - bezogene AHV-Rente grundsätzlich auf den Unterhaltsanspruch nach Eherecht angerechnet werde (S. 318); ob dieser Grundsatz auch für die Bemessung der vom Scheidungsrichter zuerkannten Unterhaltsersatz- oder Bedürftigkeitsrente gelte, dazu äussert er sich nicht. GEISER (Die Auswirkungen der AHV und der beruflichen Vorsorge auf die Scheidung, de lege lata et ferenda, in "recht" 1991, S. 6) vertritt die Auffassung, dass für einen Anspruchsberechtigten, der nach der Scheidung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen werde, die Leistungen der Sozialversicherung zu einer Verminderung des Unterhaltsbedarfes führen. Es rechtfertige sich deshalb, auch die Scheidungsrente im entsprechenden Umfang zu kürzen. Wenn hingegen dem geschiedenen Ehegatten nur eine reduzierte Scheidungsrente zugesprochen worden sei, weil davon auszugehen war, dass er ein Erwerbseinkommen erzielen werde, so würden die Alters- und Invalidenleistungen der Sozialversicherung in erster Linie den Wegfall dieses Einkommens ausgleichen. Eine Reduktion der Scheidungsrente rechtfertige sich deshalb mit Eintritt des Rentenalters oder der Invalidität nicht. c) Art. 151 Abs. 1 ZGB hat den Zweck, grundsätzlich jenen Schaden zu decken, der bei der Scheidung dadurch entsteht, dass die Versorgung der Ehegatten nicht mehr durch deren einträchtiges Zusammenwirken im gemeinsamen Haushalt gesichert ist ( BGE 115 II 8 E. 3 mit Hinweis). Bei der Bemessung der Unterhaltsersatzrente ist deshalb beim ansprechenden Gatten in erster Linie auf die Bedürfnislage Rücksicht zu nehmen (HAUSHEER, Neuere Tendenzen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im BGE 117 II 519 S. 522 Bereiche der Ehescheidung, ZBJV 122/1986, S. 62; GROSSEN, Une révolution tranquille, in Festschrift zum Schweizerischen Juristentag 1987, S. 65; vgl. auch BGE 117 II 215 ff.). Soweit die geschiedene Ehefrau aber in den Genuss von Zusatzeinkommen gelangt, wodurch ihre eigene Leistungsfähigkeit gesteigert und ihr Bedarf verringert wird, muss dieses grundsätzlich in Betracht gezogen werden. Nach neuem Eherecht hätte der Richter schon während bestehender Ehe sämtliche Einkünfte der Ehefrau, also nicht mehr bloss einen Teil derselben, aufrechnen müssen, falls er den beidseitigen Unterhaltsbeitrag mangels Einigung der Gatten zu bestimmen hätte ( BGE 115 II 13 E. 5). Diese Verhältnisse während der Ehe wirken sich aber auch auf die wirtschaftliche Stellung der Ehegatten nach der Scheidung aus und bleiben daher für die Anwendung von Art. 151 Abs. 1 ZGB massgebend ( BGE 115 II 13 E. 5). Im vorliegenden Fall hat das Obergericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Beklagte Fr. 200.-- im Monat verdiene. Im Hinblick auf ihr Alter und ihren Gesundheitszustand sei nicht damit zu rechnen, dass sie nach der Scheidung ein höheres Erwerbseinkommen erzielen werde, so dass ihr dieser Betrag anzurechnen sei. Im weitern sei davon auszugehen, dass sie nach Vollendung des 62. Altersjahres, d.h. mit Eintritt der AHV-Rentenberechtigung, diesen Verdienst aufgeben werde. Der monatliche Notbedarf der Beklagten beläuft sich auf Fr. 2'400.-- und wird durch die zugesprochene Unterhaltsersatzrente von Fr. 2'400.-- gedeckt. Wie das Obergericht feststellt, entspricht dieser Betrag auch ungefähr dem Verlust an ehelichem Unterhalt, den die Beklagte durch die Scheidung erleidet. Die AHV-Rente stellt demnach Zusatzeinkommen der Beklagten dar, soweit sie nicht dazu bestimmt ist, wegfallendes Erwerbseinkommen zu ersetzen. Angesichts der konkreten Umstände hat das Obergericht daher nicht gegen Bundesrecht verstossen, wenn es die der Beklagten zustehende Unterhaltsersatzrente ab 1. Januar 1991 um den Betrag der um Fr. 200.-- pro Monat verminderten AHV-Rente herabgesetzt hat. Die Berufung erweist sich demnach als unbegründet, soweit auf sie eingetreten werden kann.
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Urteilskopf 115 Ia 329 51. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Dezember 1989 i.S. X. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Vermietung eines Einfamilienhauses zu einem Vorzugsmietzins an einen nahen Verwandten ( Art. 4 BV ; Willkürverbot). Für die Einkommensbesteuerung muss der erzielte Mietzins und nicht der Mietwert massgeblich sein, sofern nicht ein Steuerumgehungsgeschäft anzunehmen ist.
Sachverhalt ab Seite 329 BGE 115 Ia 329 S. 329 A.- Die Ehefrau des Steuerpflichtigen X. ist Eigentümerin der Liegenschaft Y. in Z./ZH. Diese Liegenschaft, ein angebautes BGE 115 Ia 329 S. 330 Einfamilienhaus, ist an den verheirateten Sohn der Ehegatten X. zu einem monatlichen Mietzins von Fr. 700.-- oder zu Fr. 8'400.-- pro Jahr vermietet. B.- In der Steuererklärung für die Veranlagung der kantonalen Steuern 1985 deklarierte X. aus der genannten Liegenschaft einen Netto-Ertrag von Fr. 6'720.-- (tatsächliche Mietzinseinnahmen von Fr. 8'400.-- abzüglich Fr. 1'680.-- pauschale Unterhaltskosten von 20%). Im Veranlagungsverfahren wurde dieser Netto-Ertrag amtlicherseits auf Fr. 10'856.-- festgesetzt; dies mit der Begründung, als Einkommen sei statt der effektiv vereinnahmten Mietzinsen der höhere Mietwert der Liegenschaft von Fr. 13'570.-- (abzüglich 20% pauschale Unterhaltskosten) einzustellen. Die Steuerkommission Z. hiess eine Einsprache von X. gut. Einen gegen diesen Entscheid vom Kantonalen Steueramt erhobenen Rekurs hiess die Steuer-Rekurskommission des Kantons Zürich gut; sie stellte damit die im Veranlagungsverfahren getroffene Taxation wieder her. C.- Mit Entscheid vom 6. Dezember 1988 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine Beschwerde von X. ab. Es bestätigte die Auffassung, dass die Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten Mietzins und dem höheren Mietwert als Schenkung an den Sohn zu qualifizieren sei; den entsprechenden Betrag habe X. als Einkommen zu versteuern. D.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt X. fristgerecht, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben. Das Reineinkommen sei auf Fr. ... festzusetzen, indem für das vermietete Einfamilienhaus nur der wirklich erzielte Mietzins von Fr. 8'400.-- pro Jahr und nicht ein höherer, als erzielbar erachteter Mietwert als Einkommen besteuert werden dürfe. Die Finanzdirektion des Kantons Zürich und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragen in ihren Vernehmlassungen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus Erwägungen folgenden Erwägungen: 2. a) Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich ist - in Anwendung von § 19 lit. c, § 20 Abs. 1 und § 24 lit. a des zürcherischen Steuergesetzes - davon ausgegangen, der Beschwerdeführer BGE 115 Ia 329 S. 331 (bzw. seine Ehefrau) habe dem Sohn jenen Betrag geschenkt, um den der unter Eltern und gemeinsamen Nachkommen als üblich anzunehmende jährliche Mietzins (Mietwert von Fr. 13'570.--) den vereinbarten Mietzins (Fr. 8'400.--) übersteige. Das Gericht kam zum Schluss, dass beim Beschwerdeführer im Umfange der Differenz (Fr. 5'170.--) ein für die Einkommenssteuer beachtlicher Wertzufluss gegeben sei. b) Der Beschwerdeführer rügt diese Betrachtungsweise als willkürlich, indem er sich insbesondere auf BGE 71 I 129 beruft. Im betreffenden Fall - zur Beurteilung stand die Vermietung eines Einfamilienhauses an einen Verwandten zu einem Vorzugspreis - hat das Bundesgericht, wenn auch im Blick auf Art. 21 Abs. 1 lit. b WStB (nunmehr BdBSt), als unzulässig erklärt, der Veranlagung anstelle des tatsächlich erzielten Mietzinses ein erzielbares oder durchschnittliches Einkommen (Mietwert) zugrunde zu legen. Dies müsse solange gelten, als bei der Mietzinsfestsetzung nicht Motive der Steuerumgehung entscheidend gewesen seien, ferner Indizien dafür fehlten, wonach die Überlassung zu den dem Sach- oder Wohnwert nicht entsprechenden Bedingungen das Entgelt für andere Gegenleistungen des Sachbenützers sei. Der geschätzte Wohnwert gebe zwar wohl die Grundlage für die Einkommensbesteuerung bei Eigengebrauch ab. Es sei jedoch nicht angängig, diese Regel auch im Falle der Vermietung oder Verpachtung anzuwenden. Bei der Vermietung an einen Familienangehörigen sei das Abstellen auf den Wohnwert höchstens dann möglich, wenn anzunehmen sei, es liege ein Eigengebrauch vor, indem die Wohnung der Benützung durch die eigene Familie erhalten werden solle. Bei der Vermietung an einen Bruder mit Familie könne dies nicht gesagt werden. c) Diese Rechtsprechung wurde in ASA 48 S. 478 ff. dahin ergänzt, dass, wer eine Wohnung einem nahen Verwandten unentgeltlich überlasse, das Objekt wohl nicht vermiete; er habe die Wohnung auch nicht in der Weise inne, dass er unmittelbarer Besitzer geblieben sei. Die Zusage an einen Verwandten, eine Wohnung unentgeltlich auf unbestimmte Zeit zu überlassen, qualifiziere sich als Gebrauchsleihe. Dabei wende der Eigentümer dem Beliehenen unentgeltlich den Mietwert der Wohnung zu. Für den Beliehenen entstehe dadurch kein Einkommen, weil der Mietwert für ihn den Charakter einer Schenkung habe. Der Mietwert falle primär dem Eigentümer zu, auch wenn er ihn dem Beliehenen sofort weitergebe. Wolle er sich dieser Besteuerung entziehen, BGE 115 Ia 329 S. 332 müsse er eine Nutzniessung bestellen, wodurch die Steuerpflicht auf den Nutzniesser übergehe. Bestehe dagegen eine blosse Gebrauchsleihe, müsse aus der leichten Auflösbarkeit dieses Vertragsverhältnisses der Schluss gezogen werden, dass der Eigentümer steuerrechtlich gesehen immer noch als "Inhaber" des Objektes zu betrachten sei, obwohl es während der Dauer der Leihe nicht mehr ihm unmittelbar zur Verfügung stehe. 3. a) Ein Entscheid verletzt das Willkürverbot und steht in Widerspruch zu Art. 4 der Bundesverfassung, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft ( BGE 114 Ia 27 E. 3b; mit Hinweisen). b) Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass kantonale Gerichte mit vertretbaren Gründen kantonale Vorschriften anders auslegen als die Bundesbehörden entsprechende Bestimmungen des Bundesrechts. In Anbetracht der vorliegend im Grundsatze mit den Bestimmungen der direkten Bundessteuer (Wehrsteuer) durchaus vergleichbaren Vorschriften des zürcherischen Steuergesetzes erscheint es jedoch als offensichtlich unhaltbar, bei Mietverhältnissen unter Verwandten ohne ausdrückliche Gesetzesgrundlage die Differenz zwischen dem tatsächlich vereinnahmten Mietzins und dem höheren Mietwert dem Vermieter steuerlich als Einkommen zuzurechnen und beim Mieter als Schenkung zu qualifizieren. Dafür, dass der in Frage stehende Mietzins im Blick auf eine Steuerumgehung oder in Verbindung mit andern, vom Sohn erbrachten oder noch zu erbringenden Gegenleistungen niedriger als der Gebrauchswert der Wohnung angesetzt worden wäre, fehlen im übrigen jegliche Anhaltspunkte. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich ist daher in Willkür verfallen, wenn es bei der gegebenen Sach- und Rechtslage den Mietwert der Liegenschaft - ohne Rücksicht auf den vereinbarten Mietzins - als steuerlich massgebend erachtet hat.
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Urteilskopf 133 IV 303 45. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft sowie Obergericht des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen) 6B_367/2007 vom 10. Oktober 2007
Regeste Verhältnis von Steuerbetrug und Urkundenfälschung. Ist nachgewiesen, dass der Täter mit einer Falschbeurkundung nicht nur einen steuerlichen Vorteil anstrebte, sondern auch eine - objektiv mögliche - Verwendung des Dokuments im nicht-fiskalischen Bereich beabsichtigte oder zumindest in Kauf nahm, liegt echte Konkurrenz zwischen Steuerdelikt und gemeinrechtlichem Urkundendelikt vor (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4.5). Wer eine inhaltlich unrichtige Handelsbilanz einer Aktiengesellschaft erstellt, nimmt in aller Regel in Kauf, dass diese nicht nur im Verhältnis zu den Steuerbehörden, sondern auch im nicht-fiskalischen Bereich Verwendung findet. Einer tatsächlichen Überlassung der Urkunden an Drittpersonen bedarf es nicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 4.6). Wird der Geschäftsgewinn fiktiv geschmälert, besteht für die Aktiengesellschaft insbesondere das Risiko, dass Nach- und Strafsteuern bezahlt werden müssen, wenn die Sache entdeckt wird. Diese Zahlungen mindern die Liquidität der Gesellschaft und können so Gläubigerinteressen tangieren. Wird in einer Handelsbilanz massgebender Lohn fälschlicherweise als Kapitalertrag deklariert, kann dies zu einer Schädigung der Sozialversicherung führen (E. 4.8).
Sachverhalt ab Seite 304 BGE 133 IV 303 S. 304 A. Mit Urteil vom 20. Juni 2006 sprach das Bezirksgericht Zürich X. und A. des mehrfachen Steuerbetrugs und der mehrfachen Urkundenfälschung schuldig und bestrafte sie je mit fünf Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. Gegen dieses Urteil reichte X. Berufung ans Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, ein und beantragte, auf die Anklage betreffend mehrfacher Urkundenfälschung sei nicht einzutreten. Eventualiter sei er vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freizusprechen. A. sah von einem Weiterzug des Urteils ab. B. Mit Urteil vom 15. März 2007 stellte das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, fest, dass das erstinstanzliche Urteil in Rechtskraft erwachsen ist, soweit X. des mehrfachen Steuerbetrugs für schuldig erklärt wurde. Des Weiteren befand es X. der mehrfachen Urkundenfälschung für schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von insgesamt 150 Tagessätzen zu Fr. 150.-, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. C. X. führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, auf die Anklage betreffend mehrfacher Urkundenfälschung sei nicht einzutreten. Eventualiter sei er vom Vorwurf der mehrfachen Urkundenfälschung freizusprechen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 133 IV 303 S. 305 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Den Verurteilungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer hat zusammen mit seinem Geschäftspartner A. 1991 eine Aktiengesellschaft (AG) gegründet, bei welcher A. als Präsident und der Beschwerdeführer als Vize-Präsident des Verwaltungsrats mit Einzelunterschrift amteten. Zwischen 1995 und 2001 veranlassten die beiden Geschäftspartner mit fiktiven Rechnungen Zahlungen der AG auf ein Bankkonto und verwendeten die einbezahlten Beträge zu privaten Zwecken. Diese Privatbezüge belasteten sie dem Aufwandkonto "Leistungen Dritter" der AG und reichten den Steuerbehörden zusammen mit der Steuererklärung Erfolgsrechnungen ein, welche einen fiktiv erhöhten Geschäftsaufwand auswiesen. Hierdurch wurden der steuerbare Geschäftsgewinn um insgesamt Fr. 622'790.- geschmälert und im Ergebnis rund Fr. 191'000.- an Steuern hinterzogen. (...) 4. (...) 4.5 Zu klären bleibt das Verhältnis zwischen den Tatbeständen des Steuerbetrugs und der Urkundenfälschung. Wer mit einem Urkundenfälschungsdelikt ausschliesslich Steuervorschriften umgehen will, ist einzig nach Steuerstrafrecht zu beurteilen. Ist hingegen nachgewiesen, dass der Täter mit seiner Fälschung oder Falschbeurkundung nicht nur einen steuerlichen Vorteil erstrebte, sondern auch eine - objektiv mögliche - Verwendung des Dokuments im nicht-fiskalischen Bereich beabsichtigte oder zumindest in Kauf nahm, so liegt echte Konkurrenz zwischen Steuerdelikt und gemeinrechtlichem Urkundendelikt vor (MARKUS BOOG, Basler Kommentar, StGB II, 2003, Art. 251 StGB N. 107; ANDREAS DONATSCH/WOLFGANG WOHLERS, Strafrecht IV, Delikte gegen die Allgemeinheit, 3. Aufl., Zürich 2004, S. 155; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 251 StGB N. 20; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Gemeininteressen, 5. Aufl., Bern 2000, § 36 N. 59; derselbe , Urkundendelikte unter dem Aspekt der Wirtschaftskriminalität, SJZ 76/1980 S. 10 f.; HANS SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1996, ZBJV 133/1997 S. 401; vgl. auch ANDREAS DONATSCH, Besprechung von BGE 122 IV 25 ff., SZW 1997 S. 262; GUIDO JENNY, Zur Frage BGE 133 IV 303 S. 306 der Konkurrenz zwischen Steuerstrafrecht und gemeinem Strafrecht im Bereich der Urkundendelikte, ZStrR 97/1980 S. 121 ff.; A. HAEFLIGER, Urkundendelikte des Strafgesetzbuches und kantonales Steuerstrafrecht, ZStrR 71/1956 S. 68 f.). 4.6 Während bei einfachen Gesellschaften - auf welche sich der vom Beschwerdeführer angeführte BGE 108 IV 27 bezieht - das Vermögen der Gesellschaft lediglich abstrakt ausgeschieden ist und die Gesellschafter unbeschränkt für Gesellschaftsschulden haften, kommt der Buchhaltung bei Aktiengesellschaften eine erhöhte Bedeutung zu, da diese dem Nachweis des Gesellschaftsvermögens dient. Die Handelsbilanz einer AG hat stets die Funktion, nicht nur im Verhältnis zu den Steuerbehörden, sondern auch und vor allem gegenüber Dritten als Ausweis über die finanzielle Situation der Gesellschaft zu dienen. Wer eine inhaltlich unrichtige Handelsbilanz erstellt, nimmt daher in aller Regel in Kauf, dass diese nicht nur im Verhältnis zu den Steuerbehörden, sondern auch im nicht-fiskalischen Bereich Verwendung findet. Das reicht grundsätzlich für die Anwendung von Art. 251 StGB aus, denn der Täter muss sich - wie die Vorinstanz zutreffend festhält - sein Wissen um die Relevanz der Dokumente im Rechtsverkehr anrechnen lassen. Einer tatsächlichen Überlassung der Urkunden an Drittpersonen bedarf es nicht (vgl. auch BOOG, a.a.O., Art. 251 StGB N. 107). Art. 251 StGB wäre einzig nicht anwendbar, wenn neben einer inhaltlich richtigen Handelsbilanz eine inhaltlich falsche, ausschliesslich für Steuerzwecke erstellte und als solche bezeichnete Steuerbilanz errichtet würde (vgl. zum Ganzen BGE 122 IV 25 E. 3c). Dies aber ist vorliegend nicht der Fall. (...) 4.8 Im Übrigen ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers bei Erfolgsrechnungen, welche das Ergebnis der Unternehmung negativer darstellen, als dies in Tat und Wahrheit der Fall ist, die Erlangung eines eigenen Vorteils oder einer Schädigung Dritter - wie namentlich von Gläubigern oder der AHV - nicht per se ausgeschlossen: Wird zum Zwecke der Steuerhinterziehung der Geschäftsgewinn fiktiv geschmälert, besteht für die Gesellschaft insbesondere das Risiko, dass Nach- und Strafsteuern bezahlt werden müssen, wenn die Sache entdeckt wird. Diese Zahlungen mindern die Liquidität der Gesellschaft und können so Gläubigerinteressen tangieren. BGE 133 IV 303 S. 307 Ebenso kann die Falschbeurkundung sozialversicherungsrechtlich bedeutsam sein. Gemäss Art. 7 lit. h der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV; SR 831.101) gehören Tantiemen, feste Entschädigungen und Sitzungsgelder an die Mitglieder der Verwaltung und der geschäftsführenden Organe zum massgeblichen beitragspflichtigen Lohn. Richtet eine AG Leistungen an Arbeitnehmer aus, die gleichzeitig Inhaber gesellschaftlicher Beteiligungsrechte sind oder Inhabern solcher Rechte nahestehen, erhebt sich bei der Festsetzung sowohl der direkten Bundessteuer als auch der Sozialversicherungsbeiträge die Frage, ob und inwieweit es sich dabei um Arbeitsentgelt (massgebenden Lohn) oder aber um eine verdeckte Gewinnausschüttung (Kapitalertrag) handelt. Letztere unterliegt der direkten Bundessteuer im Sinne von Art. 20 Abs. 1 lit. c des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) , da sie ihren Grund in der Aktionärseigenschaft des Empfängers hat. Die Sozialversicherung ist daran interessiert zu verhindern, dass massgebender Lohn fälschlicherweise als Kapitalertrag deklariert wird und dadurch der Beitragserhebung entgeht ( BGE 103 V 1 E. 2b; ROLAND MÜLLER, Der Verwaltungsrat als Arbeitnehmer, Zürich/Basel/Genf 2005, S. 377 ff.). Es ist dabei Sache der Ausgleichskassen, selbstständig zu beurteilen, ob ein Einkommensbestandteil als massgebender Lohn oder als Kapitalertrag zu qualifizieren ist. Allerdings halten sich die Ausgleichskassen bei ihrem Entscheid in der Regel an die bundessteuerrechtliche Betrachtungsweise (vgl. Art. 23 AHVV ). Die Falschbeurkundung des Beschwerdeführers kann mithin durchaus dazu führen, dass dieser seiner AHV-Beitragspflicht nicht (vollumfänglich) nachkommt und hierdurch einen unrechtmässigen Vorteil erwirkt, bzw. die Sozialversicherung schädigt (vgl. auch Art. 87 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVG; SR 831.10] ). 4.9 Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Beschwerdeführer durch seine Erstellung einer inhaltlich unrichtigen Handelsbilanz zum Zwecke der Steuerhinterziehung die Verwendung der Urkunden im nicht-fiskalischen Bereich und die Täuschung von Dritten zwangsläufig billigend in Kauf genommen hat, konnte er doch nicht von vornherein wissen, wofür die Erfolgsrechnung noch Verwendung findet. Es liegt folglich echte Konkurrenz zwischen den Tatbeständen des Steuerbetrugs und der Urkundenfälschung vor.
null
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2,007
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139f82d3-fbce-4684-98eb-f608fea938de
Urteilskopf 101 V 31 6. Urteil vom 19. Februar 1975 i.S. Ausgleichskasse Nidwalden gegen Bundesamt für Sozialversicherung und Eidgenössisches Departement des Innern
Regeste Kassenzugehörigkeit ( Art. 64 AHVG ) von unselbständigen Betriebszweigen.
Sachverhalt ab Seite 31 BGE 101 V 31 S. 31 A.- Gemäss Auszug aus dem Handelsregister des Kantons Nidwalden vom 28. Juni 1973 besteht unter der Bezeichnung "Gesellschaft für die Verwaltung der Stiftung der Gnadenkapelle Maria Rickenbach" ein Verein mit Sitz in Stans zum Zweck der "Verwaltung der Stiftung der Wallfahrtskapelle, der Pfründe, des Pilgerhauses, des Kurhaus Engel mit Umgelände, Wald und Drahtseilanlage in Maria Rickenbach". Unter der Drahtseilanlage ist die Luftseilbahn Dallenwil-Niederrickenbach gemeint. Diese besitzt, wie die übrigen Teilbetriebe, keine rechtliche Selbständigkeit, sondern ist Bestandteil der Stiftung, die ihrerseits durch den Verein repräsentiert wird. Die Stiftung ist auch unbestrittenermassen Konzessionsinhaberin. Nach aussen tritt die Luftseilbahn wie eine selbständige Unternehmung mit eigenen Organen auf. Weil die bisher der Ausgleichskasse des Kantons Nidwalden BGE 101 V 31 S. 32 angeschlossene Luftseilbahn Mitglied des Arbeitgeberverbandes schweizerischer Transportunternehmungen war, forderte die Ausgleichskasse der schweizerischen Transportunternehmungen am 29. September 1972 von der kantonalen Ausgleichskasse die Luftseilbahn auf den 1. Januar 1973 als Mitglied an. Die Verbandsausgleichskasse verzichtete dann aber auf diesen Anschluss, nachdem sie auf Grund des von der kantonalen Ausgleichskasse beim Bundesamt für Sozialversicherung erhobenen Widerspruchs erfahren hatte, dass die Luftseilbahn keine rechtlich selbständige Unternehmung sei, sondern der Stiftung der Gnadenkapelle gehöre. Als darauf, d.h. am 30. Oktober 1972, die Luftseilbahn dem Bundesamt gegenüber auf dem Übertritt zur Ausgleichskasse Transport beharrte, schrieb diese Kasse gestützt auf einen Vorstandsbeschluss ihres Gründerverbandes am 10. Januar 1973 dem Bundesamt, einem solchen Übertritt stehe nichts entgegen. Am 19. Juni 1973 verfügte das Bundesamt: "Die Stiftung der Gnadenkapelle Maria Rickenbach ist für die Luftseilbahn Dallenwil-Niederrickenbach ab 1. Januar 1973 der Ausgleichskasse schweizerischer Transportunternehmungen anzuschliessen." B.- Auf Beschwerde der kantonalen Ausgleichskasse hin bestätigte das Eidgenössische Departement des Innern mit Entscheid vom 19. Dezember 1973 diese Verfügung. Zur Begründung führte das Departement aus: Die Luftseilbahn sei mit eigenen Organen ausgestattet, woraus geschlossen werden dürfe, dass sie von der Stiftung ermächtigt sei, ihre Interessen nach aussen selbständig zu wahren. Ausserdem sei anzunehmen, die Luftseilbahn sei vom Arbeitgeberverband schweizerischer Transportunternehmungen als ein mit einer Konzessionsnehmerin verbundener Betrieb aufgenommen worden ... C.- Die kantonale Ausgleichskasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Eidgenössischen Departements des Innern sei aufzuheben, und es sei die Luftseilbahn Dallenwil-Niederrickenbach als nicht selbständiger Betrieb zusammen mit der Arbeitgeberin, der Stiftung der Kapellverwaltung Maria Rickenbach, der Ausgleichskasse des Kantons Nidwalden anzuschliessen ... Die Ausgleichskasse Transport beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde: Einzig die Luftseilbahn als Unternehmung mit eigener Rechnungsführung sei dem BGE 101 V 31 S. 33 Gründerverband der Ausgleichskasse Transport angeschlossen, nicht aber die Stiftung als solche. Das Bundesamt beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Rechtlich massgebend für die Kassenzugehörigkeit ist Art. 64 AHVG . Nach dessen Abs. 1 werden alle Arbeitgeber und Selbständigerwerbenden, die einem Gründerverband angehören, der entsprechenden Verbandsausgleichskasse angeschlossen. Arbeitgeber und Selbständigerwerbende, die sowohl einem Berufsverband als auch einem zwischenberuflichen Verband angehören, werden nach freier Wahl der Ausgleichskasse eines der beiden Verbände angeschlossen. Alle andern Arbeitgeber und Selbständigerwerbenden (mit Ausnahme der gemäss Art. 62 AHVG den Ausgleichskassen des Bundes zugehörigen) werden den kantonalen Ausgleichskassen angeschlossen (Art. 64 Abs. 2). Die Kassenzugehörigkeit eines Arbeitgebers erstreckt sich auf alle Arbeitnehmer, für die er den Arbeitgeberbeitrag zu leisten hat (Abs. 3). Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Vorschriften über die Kassenzugehörigkeit von Arbeitgebern und Selbständigerwerbenden, die mehr als einem Berufsverband angehören oder deren Tätigkeit sich auf mehr als einen Kanton erstreckt (Abs. 4). 2. Es ist unbestritten, dass die Luftseilbahn Dallenwil-Niederrickenbach keine rechtliche Selbständigkeit besitzt, sondern nur ein unselbständiger Betriebszweig der sogenannten Kapellenstiftung ist, allerdings mit einer verwaltungstechnisch besondern Organisation. Rechtssubjekt und Arbeitgeberin im Sinne der AHV ist also allein die Kapellenstiftung, welche auch die Bahnkonzession besitzt. Welches die wirkliche Rechtsnatur dieser Arbeitgeberin ist, kann, weil unter dem heute zu beurteilenden Gesichtspunkt der Kassenzugehörigkeit unerheblich, offen bleiben. Die Ausgleichskasse Transport bestätigt, dass die Stiftung dem Gründerverband als Mitglied weder angehört noch angehören kann. Sie anerkennt lediglich die Luftseilbahn als Mitglied. Ob eine solche Mitgliedschaft eines unselbständigen Betriebszweiges unter Ausschluss des eigentlichen Rechtssubjektes, dem der Betriebszweig angehört, rechtlich möglich ist, BGE 101 V 31 S. 34 braucht nicht näher geprüft zu werden. Sollte eine solche Mitgliedschaft möglich sein, so ändert dies nichts an der Tatsache, dass der rechtlich massgebende Arbeitgeber als solcher nicht Mitglied des Gründerverbandes ist. Bei Verneinung der rechtlichen Möglichkeit der Mitgliedschaft eines solchen unselbständigen Betriebszweiges würde es an sich naheliegen, den Verbandsbeitritt des Zweigbetriebes in einen solchen der Stiftung umzudeuten. Aber auch damit wäre im vorliegenden Fall nichts gewonnen, weil die Ausgleichskasse Transport die Mitgliedschaft der Stiftung als solcher nicht nur ausdrücklich verneint, sondern ausserdem als - offenbar gemäss Verbandsstatuten - gar nicht möglich bezeichnet. Demnach gehört die Stiftung gemäss Art. 64 Abs. 1 AHVG der kantonalen Ausgleichskasse an, und da sich die Kassenzugehörigkeit eines Arbeitgebers nach Art. 64 Abs. 3 AHVG auf alle seine Arbeitnehmer erstreckt, wird damit auch die Luftseilbahn erfasst. Entgegen der Auffassung des Eidgenössischen Departements des Innern kann ein bloss verwaltungstechnisch ausgeschiedener Zweigbetrieb eines Arbeitgebers keine eigene Mitgliedschaft bei einem Gründerverband und damit keine selbständige Kassenzugehörigkeit bei der betreffenden Verbandsausgleichskasse erwerben. Auch die Argumentation in der bundesamtlichen Verfügung vermag nicht zu überzeugen. Wohl mag es zutreffen, dass bei verwaltungstechnischer Verselbständigung einzelner Betriebszweige mit eigener Organisation und eigener Rechnungsführung der Anschluss an verschiedene Ausgleichskassen verwaltungsmässig durchführbar wäre. Dies macht es aber weder nötig noch auch nur wünschbar, die eindeutige Vorschrift von Art. 64 Abs. 3 AHVG zu umgehen. Die Auffassung des Bundesamtes würde die Aufsplitterung eines Arbeitgebers in beliebig viele Zweigbetriebe ermöglichen (insbesondere in Betrieben mit starker Diversifikation), Was letztlich zu unübersichtlichen und kaum kontrollierbaren Verhältnissen führen würde; denn die Verwaltungsorgane und die Kontrollinstanzen der AHV hätten es stets nur mit Teilbereichen der Arbeitgebertätigkeit zu tun, ohne eine richtige Übersicht über das Ganze zu haben. Auch das Argument der speziellen Berufszugehörigkeit besonderer Zweigbetriebe ist kein zwingendes Argument für die Zweckmässigkeit des Anschlusses an die entsprechenden BGE 101 V 31 S. 35 Verbandsausgleichskassen. Nach Art. 53 AHVG ist es ja keineswegs so, dass die Verbandsausgleichskassen je nur eine bestimmte Berufsgattung zu betreuen hätten. Nicht nur können sich gänzlich verschiedene Berufsverbände zu einem Gründerverband zusammenschliessen, sondern es sind auch zwischenberufliche Gründerverbände auf schweizerischer oder regionaler Basis möglich. Das Bundesamt will in seiner Verfügung seine Betrachtungsweise noch "mit Erwägungen begründen, die jenen ähnlich sind, die für die Sonderregelung bei Betrieben mit örtlich getrennten Zweigniederlassungen massgebend sind": Die Luftseilbahn und das - von der Stiftung als weiterer besonderer Betriebszweig geführte - Hotel könnten in gewissem Sinne als Zweigniederlassung der Stiftung gemäss Art. 117 Abs. 3 AHVV betrachtet werden; ferner bilde die Tatsache, dass die verschiedenen Tätigkeitsgebiete der Stiftung wirtschaftlich getrennt geführt würden, ein "besonderes Verhältnis" im Sinne der genannten Verordnungsbestimmung, das eine getrennte AHV-Abrechnung als vernünftig und geboten erscheinen lasse. Offenbar will das Bundesamt damit sagen, die funktionell-organisatorische Sonderstellung von bestimmten Betriebszweigen könne in Analogie zu den durch das Kriterium der örtlichen Trennung charakterisierten Zweigniederlassungen gesetzt werden. Diese Folgerung ist indessen allein schon deshalb unzutreffend, weil die Zweigniederlassung nebst der örtlichen Trennung in gewissem Masse ebenfalls eine organisatorische Trennung voraussetzt, weshalb die Zweigniederlassung gegenüber dem bloss besondern Betriebszweig eine qualifizierte Sonderstellung einnimmt. Aus diesem Grund und mangels einer wirklichen Notwendigkeit, den bloss funktionell-organisatorisch ausgeschiedenen Betriebsteilen eine besondere Kassenzugehörigkeit zu ermöglichen (was allenfalls gestützt auf Art. 64 Abs. 4 AHVG hätte vorgesehen werden können), darf keine von der Verwaltung bzw. vom Richter auszufüllende echte Lücke in der Verordnung angenommen werden. Anderseits deckt Art. 64 Abs. 4 AHVG die Bestimmung von Art. 117 Abs. 3 AHVV , wonach das Bundesamt bei Vorliegen besonderer Verhältnisse Ausnahmen von der Regel, dass Zweigniederlassungen der gleichen Ausgleichskasse wie der Hauptsitz angeschlossen werden, bewilligen kann, sicher mindestens insoweit, als es um ausserkantonale Zweigniederlassungen BGE 101 V 31 S. 36 geht. Ob diese Regelung auch bezüglich der innerkantonalen Zweigniederlassungen durch das AHVG gedeckt ist, braucht nicht näher untersucht zu werden, weil es im vorliegenden Fall nicht um eine Zweigniederlassung geht. Ebensowenig muss zur Frage Stellung genommen werden, wie es sich beim Hotel der Stiftung bezüglich der Kassenzugehörigkeit verhält, da diese Frage nicht Gegenstand der angefochtenen Verfügung ist. Aus dem gleichen Grund kann die weitere von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, nach welchem Modus die Verbandsausgleichskasse von den kantonalen Ausgleichskassen die Mitglieder anzufordern haben und inwieweit den kantonalen Ausgleichskassen diesbezüglich ein Kontrollrecht zusteht, offen bleiben. Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Beschwerdeführerin irrt, wenn sie meint, Institutionen, die in erster Linie kulturellen und religiösen Zwecken und nicht Erwerbszwecken dienen, fehle das wesentliche Interesse an der Mitgliedschaft bei einem Berufsverband, weshalb solche Institutionen grundsätzlich der kantonalen Ausgleichskasse angeschlossen werden sollten. Sobald eben eine solche Institution gemäss Verbandsstatuten einem Berufsverband oder aber einem zwischenberuflichen Verband beitreten kann, dürfte in der Regel ein rechtlich schützenswertes Interesse an einem solchen Beitritt mindestens möglich und damit gegebenenfalls die Voraussetzung zum Anschluss an eine Verbandsausgleichskasse erfüllt sein. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Eidgenössischen Departements des Innern vom 19. Dezember 1973 und die Verfügung des Bundesamtes für Sozialversicherung vom 19. Juni 1973 werden aufgehoben mit der Feststellung, dass die Stiftung der Gnadenkapelle Maria Rickenbach bezüglich der Seilbahn der Ausgleichskasse des Kantons Nidwalden angeschlossen bleibt.
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13a00738-2e7f-42e8-8098-4093f46e36cf
Urteilskopf 83 II 277 41. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. September 1957 i.S. Cadisch gegen Hänny.
Regeste 1. Art. 18 Abs. 1 OR . Auslegung einer Vereinbarung zwischen Unternehmer und Besteller, wonach die Versicherung zu Lasten des letztern gehe (Erw. 1). 2. Art. 112 OR . Kann ein verunfallter Arbeiter vom Besteller eines Werkes Schadenersatz fordern, wenn dieser sein demUnternehmer abgegebenes Versprechen, die Arbeiter gegen Unfall zu versichern, nicht erfüllt? (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 278 BGE 83 II 277 S. 278 A.- Am 23. Februar 1954 versprach Christoffel dem Landwirt Hänny, zu bestimmtem Preise Blockholz aufzurüsten. Die Parteien vereinbarten: "Die Versicherung geht zu Lasten des Arbeitgebers Hänny." Am folgenden Tage wandte Hänny sich an die Basler Lebensversicherungsgesellschaft, bei der er wegen seines landwirtschaftlichen Betriebes gegen Unfall und Haftpflicht versichert war. Er versuchte, diese Versicherung gegen Zahlung einer Zuschlagsprämie auf die beim Holzschlag entstehende Unfallgefahr ausdehnen zu lassen, verzichtete dann aber darauf, weil das Taggeld zu niedrig war. Christoffel führte die versprochene Arbeit unter anderem mit Hilfe des von ihm angestellten Taglöhners Jakob Cadisch aus. Dieser wurde am 26. Februar 1954 von einem rollenden Baumstamm getroffen und erlitt einen Beinbruch. Eine Unfallversicherung zu seinen Gunsten bestand nicht. Nach dem Unfall verhandelte Hänny mit der "Winterthur", um die Arbeiter des Holzschlages gegen Unfall versichern zu lassen. B.- Cadisch erhob gegen Christoffel und Hänny Klage mit den Begehren, sie seien jeder allein, eventuell solidarisch zu verurteilen, ihm Fr. 9100.80 Schadenersatz nebst Zins zu bezahlen. BGE 83 II 277 S. 279 Das Bezirksgericht Heinzenberg verurteilte Christoffel zur Bezahlung von 2/5 und Hänny zur Bezahlung von 3/5 des eingeklagten Betrages. Es nahm an, die Vereinbarung, wonach die Versicherung zu Lasten des Hänny gehe, sei ein Vertrag zu Gunsten Dritter; die Bemühungen Hännys vor und nach dem Unfall wiesen deutlich darauf hin, dass er die Versicherung aller Arbeiter des Holzschlages als seine Sache betrachtete; auch habe er gewusst, dass der Abschluss einer Versicherung vor Beginn der Arbeit als selbstverständlich angenommen werde, weil er ortsüblich sei. Auf Hauptappellation der Beklagten und Anschlussappellation des Klägers wies das Kantonsgericht von Graubünden am 16. Februar 1957 die Klage gegenüber Hänny ab, schützte sie dagegen gegenüber Christoffel im vollen Betrage von Fr. 9100.80 nebst Zins zu 5% von Fr. 2316.80 ab 30. September 1954, von Fr. 249.60 ab 31. Oktober 1954 und von Fr. 6534.40 ab 27. Dezember 1954. Es ist der Auffassung, durch die Vereinbarung, wonach die Versicherung zu Lasten Hännys gehe, sei den Arbeitern nicht die Stellung von Gläubigern eingeräumt worden. C.- Der Kläger hat gegen das oberinstanzliche Urteil die Berufung erklärt mit den Begehren, die Beklagten seien solidarisch zur Bezahlung von Fr. 9100.80 nebst Zins zu verurteilen, eventuell Christoffel zur Bezahlung von 2/5 und Hänny zur Bezahlung von 3/5 des eingeklagten Betrages. Christoffel hat Anschlussberufung erklärt und beantragt, die Klage sei ihm gegenüber abzuweisen. Hänny beantragt, die Berufung sei abzuweisen. D.- Durch Entscheid vom 17. Juni 1957 ist das Bundesgericht auf die Berufung des Klägers, soweit sie sich gegen Christoffel richtete, nicht eingetreten und hat festgestellt, dass damit die Anschlussberufung Christoffels dahinfalle und dieser aus dem Berufungsverfahren ausscheide. BGE 83 II 277 S. 280 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beklagte Hänny macht geltend, er habe sich nicht verpflichtet, zu Gunsten der Arbeiter einen Versicherungsvertrag abzuschliessen, sondern dem Kläger nur versprochen, ihm die Versicherungsprämien zu ersetzen. Er leitet dies aus dem Wortlaut der Vereinbarung ab. Der Wortlaut steht jedoch der gegenteiligen Auffassung des Klägers nicht im Wege. Wenn auch die Wendung, die Versicherung "gehe zu Lasten" des Bestellers, weniger deutlich für dessen Versicherungspflicht spricht, als es in einem andern vom Bundesgericht beurteilten Falle zutraf, wo der Besteller dem Unternehmer die Versicherung der Arbeiter zu "übernehmen" versprochen hatte (nicht veröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Dezember 1953 i.S. Perrig gegen Volken), so ist doch zu berücksichtigen, dass sie von Laien gebraucht worden ist, die sich nicht so ausgedrückt haben, wie Rechtskundige es täten. Dazu kommt, dass nach den tatsächlichen Feststellungen des Bezirksgerichts, die sich auf die eigenen Anbringen Hännys stützen und vom Kantonsgericht nicht in Frage gestellt werden, der Beklagte sich sowohl vor als auch nach dem Unfalle um den Abschluss einer Versicherung gekümmert hat. Das Bezirksgericht schliesst daraus, ohne Widerspruch des Kantonsgerichts, er sei sich bewusst gewesen, dass der Abschluss eines Versicherungsvertrages seine Sache sei. Damit steht verbindlich fest, dass beide Parteien die Vereinbarung vom 23. Februar 1954 in gleichem Sinne verstanden haben. Nach diesem übereinstimmenden Willen der Parteien, nicht nach den ungenauen Worten, die sie gebraucht haben, bestimmt sich die Verpflichtung des Beklagten ( Art. 18 Abs. 1 OR ). Dieser war gehalten, die Arbeiter Christoffels gegen die Unfallgefahr zu versichern, der sie beim Holzschlag ausgesetzt waren. BGE 83 II 277 S. 281 2. Eine andere Frage ist, ob der Kläger aus der Nichterfüllung dieser Verbindlichkeit Rechte gegen den Beklagten ableiten kann. Dieser bestreitet das mit der Begründung, das Versprechen sei nicht im Sinne des Art. 112 OR zu Gunsten der Arbeiter des Christoffel abgegeben worden. Er stützt sich darauf, dass nur eine sogenannte Erfüllungsübernahme vorliege, die im Zweifel nur als ein dem Schuldner selbst, nicht als ein auch zu Gunsten seines Gläubigers abgegebenes Versprechen auszulegen sei. Ferner macht er geltend, ein Vertrag zu Gunsten Dritter liege auch deshalb nicht vor, weil die vertragsmässige Leistung nicht den Arbeitern zu erbringen gewesen sei, sondern ihnen bestenfalls nur mittelbar habe zugute kommen sollen. Letztere Überlegung, die auch das Kantonsgericht macht, hält nicht stand. Die Vorinstanz erwähnt die Tatsache, dass die Prämien der Versicherung, die abzuschliessen Hänny übernommen habe, einer Versicherungsgesellschaft zu bezahlen gewesen und somit den Arbeitern nur mittelbar und nur nach Eintritt eines Unfalles zugute gekommen wären. Dies steht indessen der Annahme, dass Hänny sich zu Gunsten der Arbeiter verpflichtet habe, nicht entgegen. Art. 112 OR schränkt den Vertrag zu Gunsten Dritter nicht auf bestimmte Arten von Leistungen ein. Was der Gegenpartei versprochen werden kann und nicht der Natur der Sache nach durch Leistung an sie erfüllt werden muss, kann auch zu Gunsten eines Dritten versprochen werden. So wie Hänny sich gegenüber Christoffel verpflichten konnte, die Arbeiter gegen Unfall zu versichern, konnte er ihm das daher auch zu Gunsten der Arbeiter versprechen, mit der Wirkung, dass nicht nur Christoffel selber (gemäss Art. 112 Abs. 1), sondern auch jeder Arbeiter (gemäss Art. 112 Abs. 2) einen Erfüllungsanspruch erhielt und im Falle der Nichterfüllung Schadenersatz zu fordern berechtigt war. Aus der Natur der versprochenen Leistung, bestehend im Abschluss eines Vertrages mit einem Vierten, der Versicherungsgesellschaft, BGE 83 II 277 S. 282 folgt nichts anderes. An diesem Abschluss waren die Arbeiter interessiert. Aus der Äusserung bei VON TUHR/SIEGWART, Allgemeiner Teil des schweiz. OR § 82 III Ziff. 11, auf die das Kantonsgericht sich beruft, lässt sich nichts anderes ableiten. Es ist auch nach dieser Literaturstelle in erster Linie eine Frage der Würdigung der konkreten Verhältnisse, ob der Schuldner sich gegenüber dem Dritten habe verpflichten wollen. Eine natürliche Betrachtung führt im vorliegenden Falle zum Schluss, dass beide Vertragsparteien ein Forderungsrecht auch den Arbeitern einräumen wollten. Es ist nicht zu ersehen, was Christoffel hätte bewegen können, nicht auch seinen Arbeitern, die der Gefahr von Unfällen ausgesetzt waren und denen der Abschluss des Versicherungsvertrages zugute kommen sollte, einen selbständigen Erfüllungsanspruch gegen Hänny einzuräumen. Er hatte keinerlei Interesse, das gegen ein Forderungsrecht der Arbeiter gesprochen hätte. Ebensowenig ist ersichtlich, was Hänny hätte bestimmen können, ihnen ein solches zu verweigern, wenn Christoffel davon gesprochen hätte. Dass ein Fall von Erfüllungsübernahme vorliege, wie der Beklagte und das Kantonsgericht annehmen, ist nicht richtig. Hänny hat nicht die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Christoffel versprochen, sondern sich selbständig zum Abschluss der üblichen Versicherung verpflichtet. Deshalb geht das Kantonsgericht fehl, auf VON TUHR/SIEGWART § 82 III Ziff. 6 zu verweisen, wo gesagt wird, Erfüllungsübernahme sei im Zweifel nur zu Gunsten des Schuldners, nicht zu Gunsten seines Gläubigers gemeint. Wäre es aber noch anders, dann müsste wenigstens im Sinne einer auch von den erwähnten Autoren für möglich gehaltenen Ausnahme doch ein selbständiges Forderungsrecht der Arbeiter angenommen werden. Der Fall steht dem vom Beklagten angeführten Beispiel, wo ein Grossvater dem Enkel verspricht, dessen Schulden zu bezahlen, nicht gleich. Solche oder ähnliche Versprechen unter nahen Verwandten werden in der Regel von den Parteien als eine BGE 83 II 277 S. 283 nur sie persönlich betreffende Angelegenheit betrachtet, in die der Dritte nicht durch Erhebung einer Forderung gegen den Versprechenden soll hineinreden können, zumal dieser gewöhnlich kein Entgelt erhält. Die Versicherung von Waldarbeitern gegen Unfall ist dagegen ein Teil der Gegenleistung, die der Besteller dem Unternehmer für die Ausführung der Arbeit schuldet, und beiden Parteien kann es nur recht sein, dass die Arbeiter ein selbständiges Forderungsrecht gegen ersteren erlangen, weil beiden an ihrer Mitarbeit gelegen ist und beide aus ihr Nutzen ziehen. 3. Die Grösse des Schadens, das Mass der Ersatzpflicht und die Frage der Verzinsung sind nicht streitig. Die Klage gegen Hänny ist daher in vollem Umfange gutzuheissen. Obschon der Kläger somit für den gleichen Betrag unabhängig voneinander gegenüber zwei Schuldnern vollstreckbare Titel erlangt, versteht es sich aber, dass er den Betrag nur einmal fordern kann, genau gleich wie im Falle von Solidarität. Wie die Auseinandersetzung sich zwischen den beiden Schuldnern zu gestalten habe, ist im gegenwärtigen Verfahren nicht zu entscheiden. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung des Jakob Cadisch gegenüber Simon Hänny wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 16. Februar 1957 insoweit aufgehoben und der Berufungsbeklagte Hänny verurteilt, dem Berufungskläger Cadisch neben Niklaus Christoffel Fr. 9100.80 zu bezahlen, nebst Zins zu 5% von Fr. 2316.80 ab 30. September 1954, von Fr. 249.60 ab 31. Oktober 1954 und von Fr. 6534.40 ab 27. Dezember 1954.
public_law
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CH_BGE_004
CH
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Urteilskopf 104 Ia 17 6. Auszug aus dem Urteil vom 16. Februar 1978 i.S. B. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Regeste Art. 4 BV ; Art. 6 Ziff. 3 EMRK ; Strafuntersuchung. Eine Vorschrift, welche die Zulassung des Verteidigers zur Einvernahme des Angeschuldigten in das Ermessen des Untersuchungsbeamten stellt, ist verfassungsmässig (E. 4). Sie wird nicht willkürlich angewendet, wenn der Verteidiger von der ersten Befragung ohne Angabe besonderer Gründe ausgeschlossen wird (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 17 BGE 104 Ia 17 S. 17 Die Bezirksanwaltschaft Zürich führt gegen B. und weitere Beteiligte eine Strafuntersuchung. Als B. zu einer ersten Einvernahme vorgeladen wurde, ersuchte seine Verteidigerin um Verschiebung des Verhörs. Sie erklärte, dass sie daran teilnehmen möchte, am vorgesehenen Datum aber verhindert sei. Die Bezirksanwaltschaft lehnte das Gesuch mit der Begründung ab, die erste Befragung des Beschuldigten werde ohne Beisein eines Verteidigers durchgeführt. Gegen diese Verfügung rekurrierte B. erfolglos an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Das Bundesgericht weist die gegen den Rekursentscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Umfang der Rechte des Angeschuldigten auf Verteidigung bestimmt sich im schweizerischen Recht zunächst nach den kantonalen Verfahrensvorschriften. Wo dieser BGE 104 Ia 17 S. 18 kantonale Rechtsschutz sich als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden, also bundesrechtlichen Verfahrensregeln Platz, die dem Bürger in allen Streitsachen ein bestimmtes Mindestmass an Verteidigungsrechten gewährleisten. Die europäische Menschenrechtskonvention gewährt dem Angeschuldigten keinen darüber hinausgehenden Schutz. Insbesondere enthält Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK keine Vorschrift darüber, dass der Angeschuldigte einen Anspruch darauf hätte, schon bei der ersten Einvernahme durch einen Verteidiger verbeiständet zu sein. Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür; es prüft hingegen frei, ob das kantonale Verfahrensrecht den bundesrechtlichen, unmittelbar aus Art. 4 BV fliessenden Verteidigungsansprüchen genüge ( BGE 103 Ia 138 ; 101 Ia 170 ; 98 Ia 6 ). 3. Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss, die Annahme der kantonalen Instanzen, das zürcherische Verfahrensrecht erlaube es, die Verteidigerin des Beschwerdeführers ohne Angabe von besonderen Gründen von der ersten Einvernahme auszuschliessen, sei willkürlich. Diese Rüge ist nicht stichhaltig. Gemäss § 17 Abs. 2 StPO "kann" der Untersuchungsbeamte dem Verteidiger gestatten, den persönlichen Einvernahmen des Angeschuldigten beizuwohnen. Die Zulassung des Verteidigers ist somit in das Ermessen des Untersuchungsrichters gestellt. Dieses Ermessen ist nicht frei und ungebunden. Wie auch den Weisungen der Staatsanwaltschaft an die Bezirksanwaltschaften zu entnehmen ist, hat der Bezirksanwalt seinen Entscheid über die Zulassung des Verteidigers stets im Hinblick auf den Untersuchungszweck und dessen allfällige Gefährdung zu treffen. Die Staatsanwaltschaft weist darauf hin, dass in der Zürcher Praxis die Regel gelte, die Verteidiger zur ersten Einvernahme nicht zuzulassen, sofern die Vermutung bestehe, der Angeschuldigte werde sich in Anwesenheit des Verteidigers nicht frei und unbeeinflusst äussern. Die Abwesenheit des Verteidigers erleichtere es dem Untersuchungsbeamten, den Angeschuldigten unter Beachtung der prozessualen Regeln zu einer wahrheitsgemässen Aussage zu veranlassen. Es liegt im Rahmen des den Untersuchungsbehörden zustehenden Ermessens, wenn sie in der Regel die Verteidiger zur ersten Einvernahme nicht zulassen. BGE 104 Ia 17 S. 19 Da die Untersuchungsbehörden die einzelnen Angeschuldigten nicht im voraus kennen, dient es nämlich der Wahrung der Rechtsgleichheit, wenn sie grundsätzlich alle Angeschuldigten gleich behandeln. Unter diesen Umständen sind die Behörden nicht verpflichtet, für den Ausschluss des Verteidigers von der ersten Einvernahme noch besondere Gründe, die sich auf den konkreten Fall beziehen, anzugeben. Für die Nichtzulassung zu weiteren Einvernahmen wird man dagegen in der Regel eine konkrete Begründung verlangen können, weshalb der Zweck der Untersuchung durch die Teilnahme des Verteidigers gefährdet werde. Jedenfalls kann der Entscheid der kantonalen Instanz, es sei zulässig, die Verteidigerin des Beschwerdeführers von der ersten Einvernahme ohne Angabe von besonderen Gründen auszuschliessen, nicht als eine willkürliche Handhabung der Strafprozessordnung betrachtet werden. Willkür ist im Fall des Beschwerdeführers umso weniger gegeben, als seine Verteidigerin verhindert war, am fraglichen Termin an der Befragung teilzunehmen, und der Bezirksanwalt ein Verschiebungsgesuch abgelehnt hatte. § 17 StPO gibt dem Verteidiger, wie das Bundesgericht mit bezug auf den im wesentlichen gleichlautenden Art. 118 BStP entschieden hat, höchstens ein Recht, der Befragung zuzuhören; er darf sich nicht in das Verhör einmischen und kann deshalb keine Verschiebung der Einvernahme verlangen, wenn er aus irgend einem Grund daran nicht teilnehmen kann ( BGE 95 IV 47 ). Gerade bei stark beanspruchten Untersuchungsbehörden bedeutet jede Verschiebung eine Verlängerung der Untersuchungsdauer. Wo deshalb, wie im zürcherischen Recht, der Beizug des Verteidigers zur Einvernahme des Angeschuldigten ins Ermessen des Untersuchungsbeamten gestellt ist, verletzt der Bezirksanwalt die StPO nicht, wenn er bei Verhinderung eines Verteidigers die Einvernahme in dessen Abwesenheit durchführt. 4. Der Beschwerdeführer macht im weiteren mindestens dem Sinne nach geltend, die Regelung von § 17 StPO , wonach die Zulassung des Verteidigers zur Einvernahme seines Mandanten im Ermessen des Untersuchungsbeamten stehe, sei an sich verfassungswidrig; analog zur Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Court sei dem Angeschuldigten nach dem Prinzip der Waffengleichheit das Recht zuzugestehen, schon BGE 104 Ia 17 S. 20 das erste Mal in Anwesenheit seines Verteidigers einvernommen zu werden. Die Staatsanwaltschaft hält jedoch dafür, dieses Recht könne weder aus der Bundesverfassung noch aus der EMRK abgeleitet werden; zur Wahrung der Rechte des Angeklagten genüge die Möglichkeit, die Auskunft an der ersten Einvernahme zu verweigern. Im Rahmen des heutigen Verfahrens ist nicht zu prüfen, wann einem inhaftierten Beschuldigten ein erster Kontakt mit seinem Verteidiger gestattet werden muss. Es ist zu untersuchen, ob ein Angeschuldigter, der sich in Freiheit befindet und deshalb vor der Einvernahme mit seinem Verteidiger Fühlung nehmen und sich beraten lassen kann, unmittelbar aus Art. 4 BV einen Anspruch auf Teilnahme seines Verteidigers an der ersten Einvernahme ableiten kann. In der Literatur wird diese Forderung verschiedentlich erhoben (vgl. SCHULTZ in ZBJV 107/1971 S. 347; PONCET, La protection de l'accusé par la Convention européenne des droits de l'homme, Genève 1977, S. 166 ff.). Auch ist nicht zu verkennen, dass für viele Angeschuldigte die Anwesenheit eines Verteidigers schon bei der ersten Einvernahme eine psychologische Hilfe bedeutet; der Beschuldigte hofft darauf, der Verteidiger werde den Untersuchungsrichter schon gleich zu Beginn des Untersuchungsverfahrens veranlassen, zusätzliche Fragen zu stellen, deren Beantwortung sich zu seinen Gunsten auswirken könne. Zudem weiss der Untersuchungsbeamte, dass der Verteidiger die Art seiner Fragestellung laufend kontrolliert. Der Wegfall dieser Kontrollmöglichkeit beeinträchtigt die Verteidigungsrechte des Angeschuldigten jedoch nicht, da der Verteidiger auf jeden Fall in einem späteren Zeitpunkt, wenn ihm volle Akteneinsicht gewährt wird, eine zusätzliche Befragung des Angeschuldigten fordern kann. Andererseits kann in vielen Fällen eine erste Einvernahme ohne Anwesenheit des Verteidigers zur objektiven Wahrheitserforschung wesentlich beitragen. Sollte ein Untersuchungsbeamter bei der ersten Einvernahme Rechtsvorschriften verletzen und beispielsweise unzulässige Druckmittel anwenden, so kann dies im nachfolgenden Verfahren gerügt werden. Ein aus Art. 4 BV abgeleiteter Anspruch des Beschuldigten auf Teilnahme seines Verteidigers an der ersten Einvernahme entspricht in der Schweiz auch nicht einer allgemeinen Rechtsüberzeugung, welche mindestens in den neueren kantonalen Strafprozessordnungen und BGE 104 Ia 17 S. 21 im neusten Verfahrensrecht des Bundes ihren Niederschlag gefunden hätte. Die Kantone regeln die Möglichkeit des Beschuldigten, zu seiner Einvernahme einen Verteidiger beizuziehen, ganz unterschiedlich. Nur wenige Kantone gewähren dem Beklagten ein Recht auf Teilnahme des Verteidigers an Befragungen, beschränken aber diesen Anspruch, wenn dadurch der Untersuchungszweck gefährdet würde. (R. HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Basel 1978, S. 195; SCHUBARTH, Die Rechte des Beschuldigten im Untersuchungsverfahren, besonders bei Untersuchungshaft, Bern 1973, S. 232 f.; P. HUBER, Die Stellung des Beschuldigten - insbesondere seine Rechte - in der Strafuntersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1974, S. 153). Auf Bundesebene sieht Art. 39 Abs. 3 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 vor, der Beschuldigte könne, sofern es sich nicht um seine erste Vernehmung handle, verlangen, dass der Verteidiger zugegen sei. Auch diese strafprozessuale Norm des Bundes gestattet somit, den Verteidiger von der ersten Einvernahme auszuschliessen. Der Bundesgesetzgeber ist also auch in neuester Zeit bei der Überzeugung geblieben, es sei der Wahrheitsfindung förderlich und den Persönlichkeitsrechten des Angeschuldigten nicht abträglich, wenn die erste Einvernahme unter Ausschluss des Verteidigers erfolge. Unter diesen Umständen ist die Beschwerde auch unter dem Gesichtspunkt der bundesrechtlichen Mindestansprüche auf Verteidigung ( Art. 4 BV ) abzuweisen.
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Urteilskopf 98 Ib 289 42. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1972 i.S. Fontana und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Schwyz.
Regeste Nationalratswahlen, Vorverfahren; Tragweite des Abstimmungsgeheimnisses. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1). 2. Die kantonale Behörde hat die Namen der Unterzeichner eines Wahlvorschlages Stimmberechtigten auf Verlangen bekanntzugeben (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 289 BGE 98 Ib 289 S. 289 A.- Bei der Gesamterneuerung des Nationalrates Ende Oktober 1971 waren im Kanton Schwyz wie bisher drei Ratsmitglieder zu wählen. Die bis anhin im Rat vertretenen politischen Parteien des Kantons liessen im gegenseitigen Einvernehmen je einen Einervorschlag einreichen. Um die damit beabsichtigte "stille Wahl" zu verhindern, reichte ein Aktionskomitee "Wir wollen wählen" einen eigenen, diese Bezeichnung tragenden Dreiervorschlag - Liste Nr. 4 - ein. An erster Stelle unterzeichnete diesen Vorschlag Jean-Albert Fontana, Sprachlehrer in Ibach; weitere Unterzeichner waren Karl Kümin, Gerichtsschreiber des Bezirkes Höfe in Wollerau, Richard-André Schindler, Rechtsanwalt in Schwyz, und Dr. Xaver Schnüriger, Land- und Gerichtsschreiber des Bezirkes Schwyz in Schwyz. Parteipolitiker ersuchten die Staatskanzlei des Kantons Schwyz, ihnen die Unterzeichner der Liste Nr. 4 bekanntzugeben. BGE 98 Ib 289 S. 290 Der Regierungsrat, dem das Begehren vorgelegt wurde, beschloss am 27. September 1971, die Staatskanzlei zu beauftragen, "allfälligen Interessenten Einblick in die Wahlvorschläge und die Namen ihrer Unterzeichner zu gewähren". Zwei Kantonsräte nahmen darauf Einsicht in die Liste der Unterzeichner des Wahlvorschlags Nr. 4. Mit Eingabe vom 29. September 1971 beantragte Jean-Albert Fontana im Namen des genannten Komitees dem Regierungsrat, "alle geeigneten Massnahmen zu treffen, damit das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt, und jene Personen, die in die Liste 'Wir wollen wählen' Einsicht genommen haben, aufzufordern, von ihrer Kenntnis keinen Gebrauch zu machen". Der Regierungsrat lehnte das Begehren am 4. Oktober 1971 ab. B.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 26. Oktober 1971 beantragen die vier erwähnten Unterzeichner der Liste Nr. 4, die genannten Beschlüsse des Regierungsrates seien aufzuheben, und dieser sei anzuweisen, "die Listen mit den Namen der Unterzeichner von Wahlvorschlägen betreffend die Nationalratswahlen nicht öffentlich aufzulegen und Personen, die in die Liste Nr. 4 Einsicht genommen haben, aufzufordern, von ihrer Kenntnis keinen Gebrauch zu machen". Die Beschwerdeführer machen geltend, die angefochtenen Beschlüsse verletzten das im Gesetz gewährleistete Wahlgeheimnis. Das Gesuch der Beschwerdeführer, dem Regierungsrat sei durch vorsorgliche Verfügung eine Weisung im Sinne des Beschwerdebegehrens zu erteilen, ist vom Präsidenten der verwaltungsrechtlichen Kammer am 27. Oktober 1971 abgewiesen worden. C.- Der Regierungsrat des Kantons Schwyz und die Schweizerische Bundeskanzlei beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht folgt diesem Antrag. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die angefochtenen Beschlüsse des Regierungsrates betreffen das Vorverfahren im Sinne des Art. 12 des Bundesgesetzes vom 14. Februar 1919 über die Wahl des Nationalrates (NWG). Sie stellen Verfügungen gemäss Art. 5 VwG dar, und zwar solche einer letzten kantonalen Instanz, wie sich aus Art. 12 NWG ergibt. Daher ist hier nach Art. 97 und Art. 98 BGE 98 Ib 289 S. 291 lit. g OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig, wenn sie nicht durch eine Ausnahmebestimmung ausgeschlossen ist. Eine solche Vorschrift besteht jedoch nicht. Zwar hatte der Bundesrat in dem der Bundesversammlung mit Botschaft vom 24. September 1965 (BBl 1965 II 1265 ff.) unterbreiteten Entwurf für ein Bundesgesetz über die Änderung des OG vorgeschlagen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen "Verfügungen auf Grund von Bestimmungen über die eidgenössischen Wahlen, Volksbegehren und Abstimmungen" unzulässig zu erklären (Art. 99 lit. d Entw.); doch hat die Kommission des Nationalrates diese Ausnahme abgelehnt, und dabei ist es geblieben. Art. 12 NWG behält indessen die "Befugnisse des Nationalrates" vor. Dieser Vorbehalt ist durch die letzte Revision des OG nicht beseitigt worden. Er bezieht sich auf die Zuständigkeit des Nationalrates zur letztinstanzlichen Beurteilung von Anständen über die Gültigkeit einer "zu Ende geführten" Nationalratswahl (vgl. Art. 10, 11, 25 und 29 des Bundesgesetzes vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen [WAG]; Art. 4 des Geschäftsreglements des Nationalrates vom 2. Oktober 1962). Hier liegt aber nicht eine solche Streitigkeit vor. Vielmehr handelt es sich um einen Anstand, der nach der früheren Ordnung (Art. 125 Abs. 1 lit. b alt OG) an den Bundesrat als letzte Instanz hätte gezogen werden können. Nach dem neuen Recht tritt in einem solchen Fall das Bundesgericht als Beschwerdeinstanz an die Stelle des Bundesrates. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die angefochtenen Verfügungen des Regierungsrates des Kantons Schwyz wäre allerdings nicht unmittelbar zulässig, wenn nach dem Bundesrecht zunächst Beschwerde bei einer Vorinstanz im Sinne von Art. 98 lit. b-f OG hätte geführt werden können ( Art. 98 lit. g OG ; vgl. auch Art. 102 lit. d ebenda). Eine solche vorgängige Beschwerde ist jedoch im Bundesrecht für den hier gegebenen Fall nicht vorgesehen. Insbesondere konnten die Verfügungen der Schwyzer Regierung nicht an eine eidgenössische Mittelinstanz - in Betracht käme die Bundeskanzlei - weitergezogen werden. Die automatische Kompetenzdelegation an eine Mittelinstanz nach Art. 23 Abs. 2 und 4 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesverwaltung ist auf Materien beschränkt, in denen der Bundesrat bisher als erste BGE 98 Ib 289 S. 292 und einzige Instanz verfügte. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher zulässig, wie im Meinungsaustausch zwischen dem Bundesgericht und der Bundeskanzlei festgestellt worden ist. 2./3. - (Weitere prozessuale Fragen). 4. Bei den Wahlen für den Nationalrat ist nach der Gesetzgebung des Bundes das Abstimmungsgeheimnis zu beachten. Die grundlegende Vorschrift findet sich in Art. 8 Abs. 1 WAG , wonach diese Wahlen "mittels schriftlicher und geheimer Stimmabgabe" stattfinden. Das Geheimnis wird nochmals im NWG erwähnt, welches in Ausführung des in der Volksabstimmung vom 13. Oktober 1918 angenommenen Art. 73 BV das Verfahren der Nationalratswahl nach dem Grundsatz der Proportionalität ordnet. Art. 11 NWG enthält in Abs. 1 und 2 Vorschriften über die Ausgestaltung der Wahlzettel und deren Verteilung an die Stimmberechtigten und fügt in Abs. 3 bei: "Das Geheimnis der Abstimmung ist unter allen Umständen zu wahren." Es ist klar, dass nach Art. 8 Abs. 1 WAG und Art. 11 Abs. 3 NWG auf jeden Fall nicht bekanntgegeben werden darf, wem der einzelne Wähler in der Wahlverhandlung - dem eigentlichen Wahlakt - seine Stimme gibt. Streitig ist, ob nach der gesetzlichen Ordnung auch die Liste der Unterzeichner eines Wahlvorschlages geheimzuhalten sei. Die Beschwerdeführer bejahen dies mit der Begründung: Nur Stimmberechtigte seien befugt, einen Wahlvorschlag zu unterzeichnen. Einzig die von den Unterzeichnern nominierten Kandidaten könnten schliesslich vom Volk gewählt werden, und unter bestimmten Voraussetzungen würden sie sogar ohne weiteres als gewählt erklärt. "Weil die Unterzeichner in Ausübung ihres Stimmrechtes handeln, müssen sie auch den Schutz des Abstimmungsgeheimnisses geniessen." Ohne diesen Schutz müssten sie vielfach mit "Pressionen" oder "Vergeltungsschlägen" politischer Gegner rechnen. Sie seien in einer ähnlichen Lage wie die Unterzeichner von Initiativ- oder Referendumsbegehren, deren Namen denn auch geheimzuhalten seien. Die Beschwerdeführer meinen, ihre Auffassung entspreche dem "klaren Wortlaut" des Art. 11 Abs. 3 NWG und sei "nach herrschender Lehre unbestritten". a) In Art. 8 Abs. 1 WAG ist von der "Stimmabgabe" die Rede; im französischen Text steht dafür "scrutin", im italienischen BGE 98 Ib 289 S. 293 "voto". Diese Ausdrücke passen für die Willenskundgebung des Wählervolkes im eigentlichen Wahlakt, dagegen kaum auch für die Unterzeichnung und Einreichung eines Wahlvorschlages in dem erst durch das NWG eingeführten, der Verwirklichung des Grundsatzes der Proportionalität dienenden Vorverfahren. Das in Art. 11 Abs. 3 NWG verwendete Wort "Abstimmung" hat dem Anschein nach die gleiche Bedeutung wie der Ausdruck "Stimmabgabe"; werden doch in den romanischen Texten dieser Bestimmung wiederum die Ausdrücke "scrutin" und "voto" gebraucht. Die Ausdrucksweise der beiden Bestimmungen lässt eher darauf schliessen, dass nur die Wahlverhandlung - die Abstimmung durch das Volk - und nicht auch schon das Vorschlagsverfahren unter dem Schutze des Geheimnisses steht. Indessen ist noch zu prüfen, ob diese wörtliche Auslegung dem wahren Sinn der gesetzlichen Ordnung entspricht. b) Aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Beurteilung der streitigen Auslegungsfrage. Insbesondere spricht sich die Botschaft des Bundesrates zum NWG über die Tragweite des Art. 11 Abs. 3 Entw. (= Art. 11 Abs. 3 NWG) nicht näher aus (BBl 1918 V S. 132 Abs. 4). c) Die Beschwerdeführer berufen sich auf Ausführungen von FLEINER/GIACOMETTI (Schweiz. Bundesstaatsrecht S. 500), B. M. SCHNEWLIN (Das Verfahren zur Wahl des schweiz. Nationalrates, Berner Diss. 1946, S. 28 und 122 f.), K. LAELY (Die stille Wahl in der Demokratie, Berner Diss. 1951, S. 144) und M. USTERI (Ausübung des Stimm- und Wahlrechtes nach freiheitsstaatlichen Prinzipien, ZSR 1959 Bd. II S. 424 a, Ziff. 45). Diese Hinweise helfen jedoch den Beschwerdeführern nicht. FLEINER/GIACOMETTI bemerken a.a.O. (in § 50, "Der Nationalrat"): "Das ganze Wahlverfahren steht unter dem besonderen Schutz des schweizerischen Strafgesetzbuches." Darauf lässt sich der Standpunkt der Beschwerdeführer nicht stützen. Namentlich kann nichts zu ihren Gunsten daraus abgeleitet werden, dass nach Art. 283 StGB ("Verletzung des Abstimmungs- und Wahlgeheimnisses") bestraft wird, "wer sich durch unrechtmässiges Vorgehen Kenntnis davon verschafft, wie einzelne Berechtigte stimmen oder wählen". Gewiss wird durch diese Strafbestimmung auch das in Art. 8 Abs. 1 WAG und Art. 11 Abs. 3 NWG verankerte Geheimnis der Nationalratswahl geschützt. Ob sich dieses Geheimnis auch auf die Unterzeichnung BGE 98 Ib 289 S. 294 der Wahlvorschläge beziehe, ist aber gerade die hier zu entscheidende Frage. Die Lösung muss sich aus der Auslegung des WAG und des NWG ergeben. FLEINER/GIACOMETTI äussern sich zu der Frage, die zu beurteilen ist, gar nicht, auch nicht etwa auf S. 451, wo sie vom Geheimnis der Stimmabgabe gemäss Art. 8 Abs. 1 WAG sprechen. SCHNEWLIN sagt auf S. 28 lediglich, dass die Unterschriften zwar einen wesentlichen Bestandteil des Wahlvorschlages bilden, aber nicht zur bereinigten Liste gehören und deshalb nicht veröffentlicht werden. Damit erklärt er keineswegs, die Namen der Unterzeichner dürften überhaupt nicht, auch nicht auf Anfrage hin, bekanntgegeben werden. Im gleichen Sinne sind seine Ausführungen auf S. 123 zu verstehen. LAELY äussert sich ähnlich wie SCHNEWLIN; auch er nimmt zur Frage, ob die Namen der Unterzeichner auf Anfrage bekanntgegeben werden dürfen, nicht Stellung. USTERI erklärt a.a.O. nur, dass das Prinzip der geheimen Stimmabgabe auch für Initiativ- und Referendumsbegehren gelte, d.h. dass die Namen der Unterzeichner solcher Begehren nicht veröffentlicht werden dürften (dazu lit. h hiernach); vom Wahlvorschlagsrecht gemäss NWG ist dort nicht die Rede. Dagegen berührt A. RUDOLF (Das eidg. Proportionalwahlrecht, 1922) die hier streitige Frage. Er neigt aber offenbar der Auffassung zu, dass die Namen der Unterzeichner eines Wahlvorschlages anderen "Vorschlagsgruppen" auf Verlangen bekanntzugeben seien (S. 46, 62). d) Nach Art. 5 NWG muss jeder Wahlvorschlag von mindestens 15 im Wahlkreis wohnhaften Stimmberechtigten eigenhändig unterzeichnet sein (Abs. 1); ein Stimmberechtigter darf nicht mehr als einen Wahlvorschlag unterzeichnen (Abs. 2). Die Kantonsregierung oder die von ihr bezeichnete Amtsstelle hat die eingereichten Wahlvorschläge von Amtes wegen zu prüfen (Art. 9 NWG) und dabei auch zu untersuchen, ob diese Vorschriften eingehalten sind. Gegen Verfügungen unterer Instanzen hierüber kann nach Art. 12 NWG Beschwerde bei der Kantonsregierung geführt werden. Das NWG sagt nicht, wer zu dieser Beschwerde befugt ist. A. RUDOLF hält dafür, dass in der Regel jeder stimmberechtigte Bürger dazu legitimiert sei (a.a.O. S. 85 ff.). Das ist offenbar auch die Auffassung des Regierungsrates des Kantons Schwyz. Wie es scheint, nimmt er an, dass die Einsicht in die Liste der Unterzeichner eines BGE 98 Ib 289 S. 295 Wahlvorschlags den anderen Stimmberechtigten schon deshalb gestattet werden müsse, weil diese sonst nicht imstande wären, wegen Verletzung der genannten Bestimmungen des Art. 5 NWG Beschwerde bei der Kantonsregierung zu erheben. Wie es sich damit verhalte, kann indessen offen gelassen werden, weil die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf jeden Fall aus anderen Gründen - auch nach Ansicht der Vorinstanz und der Bundeskanzlei - nicht gutgeheissen werden kann. e) Nach Art. 8 NWG kann ein Vorgeschlagener bis am 30. Tage vor dem Wahltag die Erklärung abgeben, dass er eine Wahl ablehne. Für seinen Entschluss kann entscheidend sein, von wem er vorgeschlagen worden ist. Er muss daher verlangen können, dass ihm die Liste der Unterzeichner des Wahlvorschlages zugänglich gemacht wird, wenn ihm die Identität der Vorschlagenden nicht ohnedies schon bekannt ist. f) Im Proportionalwahlverfahren gemäss NWG ist den Unterzeichnern von Wahlvorschlägen eine wichtige Rolle zugewiesen. Die zur Teilnahme an der Wahlverhandlung aufgerufenen Wähler können in diesem Verfahren nur für Personen stimmen, die in einem Wahlvorschlag als Kandidaten nominiert worden sind, und dementsprechend auch nur für politische Parteien oder Gruppen, welche Urheber eines solchen Vorschlags sind. Der Ausgang der Wahl kann ferner dadurch beeinflusst werden, dass die Unterzeichner zweier oder mehrerer Vorschläge diese miteinander verbinden (Art. 7 NWG). Von besonderer Bedeutung ist sodann die Möglichkeit der "stillen Wahl": Ist nur eine einzige Liste vorhanden oder überschreitet die Gesamtzahl der Kandidaten aller Listen nicht die Zahl der zu wählenden Vertreter, so werden alle Kandidaten einfach von der Kantonsregierung als gewählt erklärt und findet nur für die allenfalls unbesetzt gebliebenen Sitze eine Wahlverhandlung statt (Art. 22 Abs. 1 und 2 NWG). Bemerkenswert ist auch, dass für Ergänzungswahlen zunächst ausschliesslich die Unterzeichner derjenigen Liste, zu welcher die ausgeschiedenen Mitglieder des Nationalrates gehörten, das Recht auf Einreichung eines Vorschlags haben (Art. 25 Abs. 2 NWG). Wie schon diese Hinweise zeigen, kann es der Allgemeinheit nicht gleichgültig sein, wer die Personen sind, welche vom Recht auf Einreichung von Wahlvorschlägen Gebrauch machen und die damit verbundenen weitreichenden Kompetenzen erhalten. Da die Funktionen, die das Gesetz den Unterzeichnern von BGE 98 Ib 289 S. 296 Wahlvorschlägen zuweist, die Rechte der gesamten Aktivbürgerschaft berühren, drängt sich die Annahme auf, dass nicht nur den zur Wahl Vorgeschlagenen, sondern jedem Stimmberechtigten auf Verlangen die Liste der Unterzeichner bekanntgegeben werden muss. g) Zu beachten ist insbesondere, wozu das Geheimnis der Stimmabgabe bestimmt ist. Es soll Gewähr dafür bieten, dass jeder stimmberechtigte Bürger frei und unabhängig stimmen oder wählen kann (FLEINER/GIACOMETTI a.a.O. S. 451; J. CASTELLA, L'exercice du droit de vote, ZSR 1959 Bd. II S. 572 a). Diesem Zweck der Geheimhaltungspflicht widerspräche es aber, wenn sie so weit ausgedehnt würde, dass die Freiheit der Stimmabgabe beeinträchtigt würde. Darauf ist bei der Auslegung des Art. 8 Abs. 1 WAG und des Art. 11 Abs. 3 NWG Bedacht zu nehmen. Wie gesagt, können im Proportionalwahlverfahren gemäss NWG die an der Wahlverhandlung teilnehmenden Bürger nur für Personen stimmen, die in einem Wahlvorschlag als Kandidaten nominiert worden sind, und auch nur für politische Parteien oder Gruppen, die hinter einem Wahlvorschlag stehen. Es kommt indessen vor, dass einem Wähler die politische Einstellung eines Kandidaten und der Gruppe, die diesen Kandidaten vorgeschlagen hat, zunächst nicht bekannt oder nicht klar ist. Die Bezeichnungen der Wahlvorschläge geben darüber nicht immer Aufschluss. Sie sind im allgemeinen kurz und oft recht unbestimmt. Sie können nach Belieben gefasst werden, vorausgesetzt, dass sie eine genügende Unterscheidung der Vorschläge erlauben (Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 NWG); Phantasiebezeichnungen sind nicht ausgeschlossen. Um das Stimmrecht in voller Freiheit und Unabhängigkeit ausüben zu können, muss aber jeder Wähler die Möglichkeit haben, sich Klarheit über die politischen Absichten der Vorgeschlagenen und der Vorschlagenden zu verschaffen. Ein dafür geeignetes Mittel ist die Einsicht in die Liste der Vorschlagenden. Wäre deren Identität geheimzuhalten, so wäre mancher Wähler unter Umständen ausserstande, sich über die politische Einstellung der einen oder anderen Gruppe von Unterzeichnern zu vergewissern, und wäre daher die Abstimmungsfreiheit beeinträchtigt. Das ist ein gewichtiger Grund für die Annahme, dass die Namen der Unterzeichner jedem Stimmberechtigten auf Verlangen bekanntzugeben sind. BGE 98 Ib 289 S. 297 h) Die Beschwerdeführer weisen darauf hin, dass die Namen der Unterzeichner von Initiativ- und Referendumsbegehren geheimzuhalten seien. Das scheint in der Tat ein in der Schweiz allgemein anerkannter Grundsatz zu sein (vgl. Art. 4 Abs. 5 BG vom 23. März 1962 über das Verfahren bei Volksbegehren auf Revision der Bundesverfassung; ZBl 60/1959 S. 58 und 140; M. USTERI a.a.O.). Es ist jedoch zu bedenken, dass der Geheimhaltung der Namen der Unterzeichner eines Initiativ- oder eines Referendumsbegehrens keine schutzwürdigen Interessen der Gesamtheit der Stimmberechtigten entgegenstehen. Insbesondere kann die Abstimmungsfreiheit dadurch, dass diese Namen nicht bekanntgegeben werden, unter keinen Umständen beeinträchtigt werden. Hinsichtlich der Unterzeichner der im NWG vorgesehenen Wahlvorschläge verhält es sich anders, wie oben ausgeführt ist. i) Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die Personen, welche einen Wahlvorschlag unterzeichnen und von den daraus sich ergebenden Befugnissen Gebrauch machen, damit ihr Stimmrecht ausüben, was sich namentlich im Fall der "stillen Wahl" zeige, und dass sie "Pressionen" zu gewärtigen hätten, wenn die Unterzeichnerliste nicht geheimgehalten werden müsste. Es trifft allerdings zu, dass die Funktionen der Unterzeichner in ihrem Stimmrecht begründet sind, und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Unterzeichner ab und zu gewissen Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein könnten, wenn ihre Namen auf Verlangen bekanntzugeben sind. Weit mehr Gewicht als das Interesse der Unterzeichner an der Geheimhaltung der Listen hat aber das Interesse der Allgemeinheit an deren Zugänglichkeit; insbesondere erfordert der Grundsatz der Abstimmungsfreiheit, dass die Listen allen Stimmberechtigten offenstehen. Wer einen Wahlvorschlag unterzeichnet und damit bedeutsame öffentlich-rechtliche Funktionen übernimmt, muss sich der Öffentlichkeit stellen, auch wenn ihm dies schwer fällt. Kommt es zu einer Wahlverhandlung - was die Regel ist -, so geniessen die Unterzeichner wie alle anderen Stimmberechtigten den Schutz des Geheimnisses, dem dieser Akt unterworfen ist. k) Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich das in Art. 8 Abs. 1 WAG und Art. 11 Abs. 3 NWG vorgeschriebene Geheimnis der Stimmabgabe (Abstimmung) nach dem Wortlaut und Sinne dieser Bestimmungen nicht auch auf die Listen der Unterzeichner von Wahlvorschlägen bezieht.
public_law
nan
de
1,972
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
13b64fd8-945b-446e-9c71-5950e9e2ece9
Urteilskopf 84 II 429 58. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. September 1958 i.S. Wittenauer & Cie. gegen Egger, Eisenhut & Co.
Regeste Sachbezeichnung, Freizeichen; MSchG Art. 3 Abs. 2. Begriff der Sachbezeichnung; massgebender Zeitpunkt für die Entscheidung über das Vorliegen einer solchen (Erw. 2, 3 a, b). Schutzfähigkeit der Marken "Farmerhösli" bzw. "Farmerli" für Kinder-Spielüberkleider bestimmter Machart (Erw. 3 c-e). Voraussetzungen der Umwandlung einer Marke in ein Freizeichen (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 429 BGE 84 II 429 S. 429 A.- Die Klägerin, die Firma Wittenauer & Co. in St.Gallen, stellt seit 1932 Kinderspielhosen her, die mit langen Hosenbeinen und einem von Trägern gehaltenen Brustlatz ausgestattet sind. Am 4. April 1935 liess sie für diese Überhosen eine zusammensetzte Wort-Bildmarke eintragen. Diese besteht aus der Wiedergabe eines mit den Überhosen bekleideten Kindes, sowie den Wörtern "Farmer" und darunter, in kleineren Buchstaben, "hösli". Diese Marke wurde am 15. März 1955 unter Nr. 155 198 erneuert. Am 27. Februar 1941 hinterlegte die Klägerin unter Nr. 99 323 eine weitere Marke, die aus der Darstellung BGE 84 II 429 S. 430 zweier spielender Kinder und dem darunter angebrachten Wort "Farmerli" gebildet wird. Die Beklagte, die Firma Egger, Eisenhut & Co. in Aarwangen, nahm 1942 die Herstellung gleichartiger Kinderspielhosen auf, für die sie in der Werbung und beim Verkauf an die Ladengeschäfte die Bezeichnungen "Farmerhosen", "Farmerhösli" oder "Farmerli" gebrauchte. Hiegegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 26. Februar 1946 Einspruch unter Hinweis darauf, dass die Verwendung dieser Bezeichnungen ihre Wortmarken "Farmer" und "Farmerli" verletze. Die Beklagte wandte mit Schreiben vom 5. März 1946 ein, es handle sich bei den Ausdrücken "Farmerhösli" und "Farmerli" um Sachbezeichnungen. Die Klägerin liess die Angelegenheit zunächst auf sich beruhen. Am 23. Juni 1952 forderte sie dann aber die Beklagte erneut auf, bei der Werbung für ihre Kinderüberhosen das Wort "Farmer" nicht zu verwenden. Die Beklagte beharrte jedoch auf ihrem früher eingenommenen Standpunkt. Nachdem die Klägerin weitere drei Jahre zugewartet hatte, wurde sie am 23. November 1955 erneut bei der Beklagten vorstellig, ohne damit Erfolg zu haben. B.- Am 16. März 1957 erhob die Klägerin gegen die Beklagte die vorliegende Unterlassungs-, Feststellungs- und Schadenersatzklage. Sie beantragte, der Beklagten sei die Verwendung des Wortes "Farmer" beim Anbieten und beim Verkauf von Kinderspielkleidern und Überkleidern im allgemeinen zu verbieten und es sei festzustellen, dass die Beklagte die Marken- und Wettbewerbsrechte der Klägerin durch die Verwendung der Bezeichnung "Farmer" verletzt habe. Ferner verlangte sie Fr. 30 000.-- Schadenersatz und Veröffentlichung des Urteilsdispositivs. Die Beklagte bestritt die Klage im vollen Umfang. C.- Das Handelsgericht Bern wies mit Urteil vom 6. März 1958 die Klage ab. Es kam zum Schluss, der Wortbestandteil "Farmerhösli" - und damit auch der darauf BGE 84 II 429 S. 431 bezügliche Diminutiv "Farmerli" - sei nicht schutzfähig, da es sich dabei von Anfang an um eine Sachbezeichnung gehandelt habe; selbst wenn aber ursprünglich ein schutzfähiges Zeichen vorgelegen hätte, so sei es nachträglich zum Freizeichen geworden. Zu der von der Beklagten ebenfalls erhobenen Einrede der Verwirkung des Klagerechts nahm das Handelsgericht nicht Stellung. D.- Mit der Berufung hält die Klägerin ihre Klagebegehren aufrecht und beantragt eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung. Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. ... 2. Gemäss Art. 3 Abs. 2 MSchG sind Zeichen, die dem Gemeingut angehören, markenrechtlich nicht schutzfähig. Unter den Begriff des Gemeingutes in diesem Sinne fallen nach allgemein anerkannter Auffassung neben primitiven Zeichen, die der markenmässigen Kennzeichnungskraft entbehren, auch Sachbezeichnungen und blosse Beschaffenheitsangaben, sowie die sogenannten Freizeichen, d.h. Zeichen, die an sich Marken eines Einzelnen sein könnten (oder es sogar einmal waren), die aben wegen ihrer allgemeinen Verbreitung im Verkehr nicht mehr als Sonderzeichen eines Einzelnen zu wirken vermögen. 3. a) Die Beklagte und die Vorinstanz sind der Auffassung, die in den streitigen Marken der Klägerin enthaltenen Wortbestandteile "Farmer/hösli" und "Farmerli" seien nicht schutzfähig, weil sie von Anfang an blosse Sachbezeichnungen, Beschaffenheitsangaben dargestellt hätten. b) Sachbezeichnungen sind, wie schon der Sinn des Wortes besagt, Ausdrücke, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der für die betreffende Ware in Betracht kommenden Verkehrskreise dazu dienen, eine bestimmte Sache zu benennen. Solche Bezeichnungen sind für den BGE 84 II 429 S. 432 Verkehr unentbehrlich und müssen darum jedem Gewerbetreibenden zur Verfügung stehen, damit er überhaupt in der Lage ist, für eine von ihm hergestellte oder vertriebene Ware zu werben. Es geht daher nicht an, dass ein Einzelner solche Sachnamen für sich allein in Anspruch nimmt. Die gleichen Überlegungen treffen auch auf blosse Beschaffenheitsangaben zu, d.h. auf Ausdrücke, welche die Eigenschaften einer Ware umschreiben oder auf die Art ihrer Herstellung oder ihren Verwendungszweck hinweisen. Nach ständiger Rechtsprechung gilt indessen nicht schon jede entfernte Anspielung dieser Art als Beschaffenheitsangabe im Rechtssinn. Lässt sich die sachliche Beziehung erst unter Zuhilfenahme der Phantasie. auf dem Wege der Ideenverbindung erkennen, so liegt keine schutzunfähige Beschaffenheitsangabe vor. Von einer solchen kann vielmehr erst gesprochen werden, wo die Bezeichnung in einem so engen Zusammenhang mit der Ware steht, dass die sachliche Beziehung unmittelbar, ohne besondere Gedankenarbeit, in die Augen springt ( BGE 83 II 218 und dort erwähnte Entscheide; ferner BGE 56 II 409 , 230, BGE 54 II 406 ). Auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist bei der Entscheidung der Frage, ob eine Marke als blosse Sachbezeichnung oder Beschaffenheitsangaben zu betrachten sei, ist in der oben erwähnten Rechtsprechung nie ausdrücklich festgestellt worden. Es versteht sich aber der Natur der Sache nach von selbst, dass es massgebend auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Eintragung der Marke ankommen muss. Denn nur wenn schon damals der oben umschriebene enge Zusammenhang zwischen der Ware und dem dafür hinterlegten Zeichen bestand, kann von einem Bedürfnis gesprochen werden, die Bezeichnung für den allgemeinen Gebrauch frei zu halten. Eine nach der Eintragung der Marke eingetretene Änderung der Verhältnisse ist erst für die später zu erörternde weitere Frage von Bedeutung, ob ein ursprünglich markenfähiges Zeichen im Laufe der Zeit zum Freizeichen entartet und aus diesem Grunde Gemeingut geworden sei. BGE 84 II 429 S. 433 c) Die Vorinstanz ist bei der Prüfung der älteren Marke der Klägerin, "Farmer/hösli" vom zutreffenden Begriff der Sachbezeichnung und Beschaffenheitsangabe ausgegangen; sie hat sodann wenigstens grundsätzlich auch nicht verkannt, dass es auf die Verhältnisse zur Zeit der Markeneintragung ankommt. Dagegen hat sie dann diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht richtig angewendet. Sie hat namentlich bei der Prüfung der Frage, welche Vorstellungen die streitige Marke um die Zeit ihrer Eintragung hervorzurufen geeignet war, die spätere Entwicklung in unzulässiger Weise mitberücksichtigt. Sie gibt zwar zu, es habe durch das Beweisverfahren nur abgeklärt werden können, was man zur Zeit, d.h. heute, unter dem Ausdruck "Farmerhösli" versteht. Sie verweist dann aber auf die Erklärung des Schöpfers der Marke, des Reklamefachmannes A. Huber, wonach der Ausdruck "Farmerhosen" gewählt worden sei, weil in den Jahren 1933/34 "bei den Kindern alles gezogen habe, was ein wenig nach Amerika roch". Hieran anschliessend bemerkt die Vorinstanz sodann, wenn die Bezeichnung "Farmer" in der damaligen Zeit sogar bei den Kindern die Vorstellung von Amerika wachgerufen habe, so dürften ohne weiteres bei der Käuferschaft "die nötigen Kenntnisse" vorausgesetzt werden. Unter den "nötigen Kenntnissen" versteht die Vorinstanz dabei, wie den vorangehenden Ausführungen des Urteils zu entnehmen ist, die Kenntnis, wie ein amerikanischer Bauer heisse und welche Überkleider in Amerika getragen werden. Selbst wenn man dies als tatsächliche Feststellung hinzunehmen hat, so ist damit gleichwohl noch nicht gesagt, dass die streitige Marke für sich allein betrachtet im Zeitpunkt ihrer Hinterlegung (1935) unmittelbar, ohne Zuhilfenahme der Phantasie, ohne besondere Ideenverbindung und ohne Gedankenarbeit auf die Sache selbst geführt hätte, d.h. auf die Vorstellung, dass es sich bei der so bezeichneten Ware um Kinderspielkleider von bestimmter Machart handle, nämlich um Überkleider mit langen Hosenbeinen, BGE 84 II 429 S. 434 Trägern und Brustlatz. Gewiss ist das im Wortbestandteil "Farmerhösli" enthaltene Wort "Hösli" als Sachbezeichnung schutzunfähig. Aber wie auf den ersten Blick erkennbar ist, liegt das Hauptgewicht nicht auf diesem Wort, das klein und untergeordnet gedruckt ist, sondern auf dem gross und fett geschriebenen, alles beherrschenden Wort "Farmer". Der untergeordnete Ausdruck "Hösli" bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Verkleinerung, also kleine oder auch kurze Hosen. Aber welcher Art diese kleinen oder kurzen Hosen wären, oder dass es sich dabei um ein über den ganzen Körper gezogenes Kleidungsstück handle, lässt der Ausdruck nicht vermuten, und noch weniger, dass diese Hosen von ganz besonderer Machart seien. "Hösli" kann verschiedenes bedeuten: Kurze Hosen, Turnhose, Badehose, Unterhose, insbesondere auch ein Unterkleid für Kinder. Dass Spielüberkleider für Kinder gemeint seien, konnte dagegen aus dem Wort "Farmerhösli" im Jahre 1935 nicht gefolgert werden, auf jeden Fall nicht auf einfachem Wege, sondern höchstens durch komplizierte Überlegungen, unter Zuhilfenahme etlicher Phantasie, durch keineswegs auf der Hand liegende Gedankenarbeit. Ebenso ist ausgeschlossen, dass der fettgedruckte Ausdruck "Farmer" die Besonderheit dieser Spielüberkleidung für Kinder hätte andeuten können, geschweige denn in jener einfachen und unmittelbaren Weise, wie dies nach der Rechtsprechung nötig wäre, damit man die Marke als Sachbezeichnung ansehen könnte. Sofern man in der Marke überhaupt eine Anspielung auf die Sache oder ihre Eigenschaften erblicken wollte, so wäre diese Anspielung auf jeden Fall im Jahre 1935 zu entfernt, zu weit abliegend gewesen, als dass sie als Sachhinweis im Sinne der Rechtsprechung hätte gelten können. d) Hinsichtlich der jüngeren Marke "Farmerli" vom Jahre 1941 hat die Vorinstanz auf Grund der Zeugeneinvernahmen erklärt, der Ausdruck "Farmerli" werde im Publikum allgemein als Diminutiv von "Farmerhösli" aufgefasst, und nicht etwa als Diminutiv des Wortes "Farmer". BGE 84 II 429 S. 435 Wie aus dem Zusammenhang eindeutig hervorgeht, betrifft diese Feststellung indessen nur die heute bestehende Lage; dagegen fehlt eine Feststellung der Vorinstanz darüber, ob dies schon von Anfang an, im Zeitpunkt der Hinterlegung der Marke "Farmerli" im Jahre 1941, der Fall war. Abgesehen hievon hat die Vorinstanz aber die massgebende Frage überhaupt nicht geprüft, ob diese jüngere Wort-Bildmarke für sich genommen im Zeitpunkt ihrer Hinterlegung für die in Betracht kommenden Abnehmerkreise einen Hinweis auf die Sache im oben dargelegten Sinn dargeboten habe. Selbst unter Einbezug des bildlichen Markenbestandteils, d.h. der beiden Kinderfiguren, kann man jedoch dem Wort "Farmerli" nichts entnehmen, was zur Zeit der Hinterlegung als solcher Hinweis hätte verstanden werden können. e) Waren somit die streitigen Marken im Zeitpunkt ihrer Hinterlegung keine Sachbezeichnungen bezw. Beschaffenheitsangaben im Sinne der Rechtsprechung, so waren sie ursprünglich als Marken schutzfähig. 4. Im weiteren ist zu prüfen, ob die beiden Markenbestandteile "Farmerhösli" und "Farmerli" sich im Laufe der Jahre zum Warennamen für Kinderspielkleider der in Frage stehenden Machart entwickelt haben, also Freizeichen im eingangs erwähnten Sinne geworden sind und daher ihren Charakter als Sonderzeichen eines bestimmten Herstellers, nämlich des Klägers, eingebüsst haben. a) Beweispflichtig für eine solche Umwandlung ist die Beklagte. An den Beweis sind gemäss Lehre und Rechtsprechung strrenge Anforderungen zu stellen, weil eine derartige Umwandlung einer eingetragenen Marke etwas Aussergewöhnliches bedeutet ( BGE 62 II 324 f. und dort erwähnte Entscheide). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Entwicklung zum Freizeichen erst vollzogen, wenn bei sämtlichen beteiligten Verkehrskreisen das Bewusstsein der Zugehörigkeit einer Marke zu einem bestimmten Produzenten oder Händler entschwunden ist ( BGE 83 II 219 ). BGE 84 II 429 S. 436 Unter den massgebenden beteiligten Verkehrskreisen sind dabei einerseits die Fabrikanten und Händler, anderseits das kaufende Publikum zu verstehen. Es genügt daher nicht, dass bloss das Publikum die Herkunftsbezeichnung für die Sachbezeichnung nimmt, was gerade bei erfolgreichen Marken etwa der Fall ist (vgl. BGE 57 II 607 ). Auch die Zwischenhändler und die allfälligen Hersteller gleicher Waren müssen sich der Eigenschaft eines Zeichens als Marke einer bestimmten Person oder Firma nicht mehr erinnern. Das setzt in der Regel voraus, dass der Inhaber der Marke deren Benützung als Warenzeichen für Erzeugnisse Dritter widerspruchslos geduldet hat ( BGE 57 II 607 ), dass also mit andern Worten ein "emploi paisible d'un signe par l'ensemble des producteurs" feststellbar ist ( BGE 83 II 219 ). Jedoch darf selbst bei verhältnismässig langer Untätigkeit des Berechtigten gegenüber Verletzungshandlungen nicht ohne weiteres auf Verzicht und daherigen Verfall des Zeichens an die Allgemeinheit geschlossen werden. Die Entwicklung muss vielmehr so weit gediehen sein, dass sich das Zeichen einer Rückwandlung zur Marke trotz darauf gerichteten Bemühungen als unzugänglich erweist ( BGE 62 II 325 und dort erwähnte Entscheide). Diese Richtlinien nimmt auch das angefochtene Urteil zum Ausgangspunkt. Ihrer Anwendung auf den vorliegenden Fall durch die Vorinstanz kann indessen nicht zugestimmt werden. b) Hinsichtlich der Verhältnisse beim kaufenden Publikum hat die Vorinstanz das Ergebnis der Zeugeneinvernahmen dahin zusammengefasst, dass von jenem der Begriff "Farmerhösli" allgemein nicht als Marke, sondern als Sachbezeichnung für eine bestimmte, von verschiedenen Fabrikanten hergestellte Art von Kinderüberkleidern aufgefasst werde. Das trifft gemäss den von der Vorinstanz gemachten Einzelfeststellungen zwar für die Mehrheit der Fälle zu, gilt aber doch nicht ausnahmslos. So erklärte der von der Vorinstanz als glaubhaft befundene Zeuge Leib, BGE 84 II 429 S. 437 Verkaufschef des Ladengeschäftes Rüfenacht & Heuberger in Bern, dass von 70% der Kunden die Marke "Farmerhösli" als Sachbezeichnung verwendet werde; die Bezeichnung werde immer mehr zu einem Allgemeinbegriff für die Gattung des Artikels. Hieraus, sowie aus den andern von der Vorinstanz erwähnten Aussagen von Käuferinnen oder aus Angaben des Verkaufspersonals über die Gepflogenheiten der Käuferschaft geht hervor, dass beim Publikum die Entwicklung der Marke "Farmerhösli" zur Sachbezeichnung schon sehr weit fortgeschritten, ja nahezu allgemein geworden ist, und dass eine allgemeine Neigung in dieser Richtung festzustellen ist. Mit dieser tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz ist indessen die Frage noch nicht entschieden. Denn sie betrifft nur einen der gemäss Lehre und Rechtsprechung massgebenden Verkehrskreise. c) In Bezug auf die Verhältnisse bei der Händlerschaft erklärt die Vorinstanz, auch bei den Einzelverkäufern (Detaillisten) sei das Ergebnis "im allgemeinen gleich". Nach den oben dargelegten Grundsätzen ist aber für die Umwandlung einer Marke in ein Freizeichen erforderlich, dass keinem der befragten Händler der Markencharakter des Zeichens mehr bewusst ist. Erst dann ist der rechtliche Schluss erlaubt, dass ein Zeichen allgemein (was nicht dasselbe ist wie die von der Vorinstanz gebrauchte unbestimmte Wendung "im allgemeinen") als Sachbezeichnung aufgefasst werde. Diese Voraussetzung ist aber nach den eigenen Feststellungen der Vorinstanz nicht erfüllt. Danach vertrat wohl das befragte Verkaufspersonal überall die Meinung, unter "Farmerhösli" sei eine bestimmte Art von Kinderüberkleidern zu verstehen, die von verschiedenen Fabrikanten und in verschiedenen Qualitäten hergestellt würden. Bei den Geschäftsinhabern und leitenden Persönlichkeiten grosser Verkaufsgeschäfte verhielt sich die Sache dagegen nach den von der Vorinstanz festgehaltenen Ergebnissen des Beweisverfahrens anders. Danach hat der Verkaufschef Leib von der Firma Rüfenacht BGE 84 II 429 S. 438 & Heuberger in Bern erklärt, seine Firma wolle der Klägerin im Kampf gegen die Verwässerung ihrer Marke helfen, und er selber weise das Verkaufspersonal an, nur die Ware der Klägerin als "Farmerli" zu bezeichnen. Die Zeugin Ruckli, Inhaberin eines Verkaufsgeschäftes in Basel, sagte ebenfalls aus, dass sie persönlich die "Farmerhösli" der Klägerin und die Overalls anderer Firmen unterscheide. Der Abteilungschef Hermann vom Kaufhaus Globus erwähnte, man nehme es in andern Geschäften mit der Marke der Klägerin zum Teil nicht so genau wie beim Globus, d.h. also mit andern Worten, dass man es beim Globus damit genau nehme. Frau Grollimund, Inhaberin des Kinderkleidergeschäftes Handar AG in Zürich, brauchte in ihrem Geschäft den Ausdruck "Farmerhösli" im Sinne einer Sachbezeichnung, aber nur bis zur Reklamation der Klägerin, und der Leiter der Kinderkleiderabteilung der Firma Oscar Weber in Zürich, Ribi, erklärte ebenfalls, man habe bis zur Intervention der Klägerin alle Kinderüberhosen als "Farmerli" oder "Farmerhosen" bezeichnet, aber seither werde diese Sachbezeichnung beim Inserieren und Ausstellen der Ware vermieden. Aus diesen Feststellungen der Vorinstanz geht somit hervor, dass es leitende Personen grösserer Kaufhäuser wie auch Inhaber kleinerer Geschäfte gibt, bei denen das Wissen um den Markencharakter der streitigen Zeichen auch heute noch eindeutig vorhanden ist. Ob dieses Bewusstsein ununterbrochen bestand oder erst durch das Einschreiten der Klägerin wieder wachgerufen wurde, ob einzelne dieser Personen lediglich aus geschäftlichen Gründen vom Gebrauch der Marke als Sachbezeichnung absahen usw., ist belanglos. Rechtlich entscheidend ist, dass nicht gesagt werden kann, das Wissen um die klägerische Marke sei gänzlich verschwunden. Das genügt, um die Umwandlung der Marke in ein Freizeichen zu verneinen. d) Was schliesslich die Verhältnisse bei den Herstellern solcher Überkleider für Kinder anbelangt, so erklärt die Vorinstanz, sie seien "ungefähr gleich" wie bei den Händlern. BGE 84 II 429 S. 439 Sie schliesst dies aus den Aussagen der Zeugen Frau Grollimund (Handar AG.) und Ribi (Abteilungschef bei Oscar Weber), wonach es bei den Fabrikanten üblich sei, Überhosen dieser Art als "Farmerhosen" oder Overalls zu offerieren; im mündlichen Verkehr werde von "Farmerhosen" gesprochen, im schriftlichen Verkehr seit der Intervention der Klägerin mehr von "Overalls". Gerade das zeigt aber, dass infolge des Einschreitens der Klägerin auch bei Fabrikanten das Wissen um die Markennatur des Zeichens wieder lebendig geworden ist. Zwar kamen gewisse Übergriffe vor, aber dabei handelte es sich offenbar nur um Versuche von Konkurrenten der Klägerin, aus deren bekannter Marke Nutzen zu ziehen. Dass diese Konkurrenten vom Bestehen der klägerischen Marken als Sonderzeichen wussten, erhellt sodann auch aus den zahlreichen von der Klägerin vorgelegten Schreiben von Konkurrenzfirmen und Zeitungsredaktionen aus den Jahren 1943-1957, worin sich diese auf die Vorstellungen der Klägerin hin bereit erklärten, auf die geltend gemachten Markenrechte Rücksicht zu nehmen. Das schliesst die Annahme einer Entwicklung der Marke zum Freizeichen aus. Die Vorinstanz meint freilich, eine Anerkennung der Rechte der Klägerin könne in diesem Verhalten der Konkurrenzfirmen nicht ohne weiteres erblickt werden; denn vermutlich hätten sich diese nur zu Zugeständnissen bequemt, weil sie sich durch die Androhung von Prozessen einschüchtern liessen oder weil ihnen der vorliegende Prozess oder derjenige gegen die Firma Sommer & Co. bekannt war und sie deren Ergebnis abwarten wollten. ohne sich ihrerseits in ein Verfahren verwickeln zu lassen. Es kommt indessen nichts darauf an, ob eine förmliche Anerkennung der Markenrechte der Klägerin durch Dritte vorliegt, und sodann wird mit dieser Erklärung der Vorinstanz die rechtlich entscheidende Tatsache nicht aus der Welt geschafft, dass infolge dieses Vorgehens de Klägerin die Konkurrenzfirmen jenes Wissen hatten, das BGE 84 II 429 S. 440 die Umwandlung einer Marke in ein Freizeichen ausschliesst. e) Die Vorinstanz begründet die Klageabweisung auch noch damit, dass die Entwicklung der Marke der Klägerin zur Sachbezeichnung durch die Intervention der Klägerin nicht wirksam aufgehalten werden konnte. Diese Bemerkung knüpft offenbar an die Ausführungen in BGE 62 II 325 an, wonach die Umwandlung erst anzunehmen ist, wenn das Zeichen einer Rückwandlung zur Marke trotz darauf gerichteten Bemühungen nicht zugänglich ist. Hievon könnte aber erst dann gesprochen werden, wenn die Entwicklung bereits dazu geführt hätte, dass die Erinnerung an die Zugehörigkeit der Marke zur Ware der Klägerin bei sämtlichen beteiligten Kreisen entschwunden wäre. Das trifft hier nach den oben gemachten Ausführungen mindestens für einen Teil der Verkäuferschaft und der Fabrikanten nicht zu. Die Frage nach dem Gelingen oder Misslingen einer Rückwandlung stellt sich daher überhaupt nicht. 5. Ist somit davon auszugehen, dass die beiden streitigen Marken der Klägerin gültig entstanden sind und grundsätzlich heute noch zu Recht bestehen, so fragt sich weiter, ob das Klagerecht der Klägerin gegenüber den der Beklagten vorgeworfenen Verletzungshandlungen verwirkt sei, wie die Beklagte schon im kantonalen Verfahren und auch in der Berufungsantwort wieder geltend gemacht hat. Da die Vorinstanz zu dieser Frage nicht Stellung genommen hat, ist die Sache an sie zurückzuweisen, damit sie dies nachhole. Ferner wird sie gegebenenfalls auch die einzelnen Klagebegehren materiell zu beurteilen haben. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Handelsgerichts Bern vom 6. März 1958 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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Urteilskopf 112 Ib 51 8. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Januar 1986 i.S. St. gegen Regierungsrat des Kantons Schaffhausen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GSchG . Ausnahmsweise Befreiung von der Anschlusspflicht aus wichtigen Gründen. Eine solche Ausnahmebewilligung kann nur erteilt werden, wenn das Beharren auf der Anschlusspflicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Härte führen würde oder offensichtlich unzweckmässig wäre. Dabei kommt dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 BV erhebliches Gewicht zu. Im vorliegenden Fall ist dieses durch die Verweigerung der Ausnahmebewilligung nicht verletzt worden.
Sachverhalt ab Seite 52 BGE 112 Ib 51 S. 52 St. beabsichtigt, den Ökonomieteil seines Wohnhauses teilweise abzubrechen und anschliessend die Wohnung im Erdgeschoss zu sanieren und eine Werkstatt einzubauen. Das Stallgebäude zu seinem Landwirtschaftsbetrieb befindet sich einige Meter westlich davon auf demselben Grundstück. Eine Kanalisationsleitung führt in ca. 30 Metern Entfernung am Umbauobjekt vorbei. St. beantragte am 25. August 1983 bei der Gemeinde O., er sei von der Pflicht, sein Wohnhaus an die Kanalisation anzuschliessen, zu befreien. Das Gesuch wurde abgelehnt, und die Bewilligung der Baudirektion des Kantons Schaffhausen vom 11. April 1984 bestätigte, dass sämtliche Abwässer, die aus dem umzubauenden Gebäude anfallen werden, in die öffentliche Kanalisation abzuleiten seien. Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen wies den Rekurs, den St. gegen diese Bewilligung erhoben hatte, mit Beschluss vom 29. Mai 1984 vollumfänglich ab. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, die Frage der Anschlusspflicht beurteile sich gemäss Art. 18 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972 (AGSchV) unter dem Gesichtswinkel der Zweckmässigkeit und Zumutbarkeit. Ein Anschluss an die bestehende Kanalisation rechtfertige sich in beiderlei Hinsicht. Näher zu prüfen bleibe lediglich, ob die Durchsetzung des zweckmässigen und zumutbaren Kanalisationsanschlusses der Liegenschaft von St. gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit verstosse, nachdem anzunehmen sei, die technische Realisierbarkeit eines Anschlusses sei auch im Fall der Nachbarliegenschaften "Wiesental" und "Freihof" gegeben. Dass diese beiden Liegenschaften bisher noch nicht an die Kanalisation hätten angeschlossen werden müssen, sei nicht auf eine schwankende Praxis der zuständigen Behörden zurückzuführen; der Grund liege vielmehr darin, dass die Frage des Kanalisationsanschlusses regelmässig erst im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen an einer Liegenschaft beurteilt und die entsprechende Auflage mit der Baubewilligung verbunden werde. Es liege demnach keine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes vor. Gegen diesen Entscheid erhob St. Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt, sein Wohnhaus sei von der Anschlusspflicht an die öffentliche Kanalisation zu befreien. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 112 Ib 51 S. 53 Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 4. ... (Der Anschluss an die örtliche Kläranlage ist zweckmässig, da diese noch über unausgeschöpfte Reserven verfügt. Er ist auch zumutbar.) 5. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die Anschlusspflicht grundsätzlich zu bejahen. Damit stellt sich die Frage, ob eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GSchG erteilt werden könnte. Wie im öffentlichen Baurecht stellt diese Ausnahmeregelung im Gewässerschutzrecht ein allgemeines Rechtsinstitut dar, das bezweckt, im Einzelfall Härten und offensichtliche Unzweckmässigkeiten zu beseitigen. Derartige Härtefälle können als Folge besonderer Umstände auftreten, mit denen die notwendigerweise generalisierenden und schematisierenden Normen nicht gerechnet haben. Die strikte Anwendung der Norm in diesen Fällen würde zu einem offensichtlich ungewollten Ergebnis führen. Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ist daher immer, dass solche besondere Umstände vorliegen. Ob dies im konkreten Fall zutrifft, ist sorgfältig zu prüfen, da eine leichtfertige Erteilung von Ausnahmebewilligungen die verfassungsrechtlichen Gebote der Gesetzmässigkeit der Verwaltung und der rechtsgleichen Behandlung der Bürger verletzen würde. Das Institut der Ausnahmebewilligung darf nicht so gehandhabt werden, dass damit im Ergebnis das Gesetz selbst geändert wird ( BGE 107 Ib 119 E. 2b; BGE 107 Ia 216 E. 5; je mit Hinweisen). Die Anwendung der in Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GSchG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe "wichtige Gründe" und "angezeigt" überprüft das Bundesgericht als Rechtsfrage frei. Dabei übt es aber Zurückhaltung, da der Verwaltung ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzuerkennen ist, soweit vorwiegend technische Fragen der Zweckmässigkeit zu lösen sind ( BGE 107 Ib 121 E. 4a; BGE 104 Ib 112 E. 3; je mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall kommt nur die zweite der beiden in Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GSchG festgehaltenen Ausnahmemöglichkeiten in Betracht: Es muss sich um Abwässer handeln, für welche die zentrale Reinigung "aus anderen wichtigen Gründen nicht angezeigt ist". Der Umstand, dass eine Baute im Zeitpunkt der Inbetriebnahme einer Kanalisationsleitung bereits besteht, gilt nach der Praxis nicht als Ausnahme-Sachverhalt im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GSchG ( BGE 107 Ib 120 E. 3a mit Hinweisen). Bei der Auslegung von Art. 18 Abs. 1 Satz 2 GSchG ist zu beachten, dass mit der Anschlusspflicht nicht nur der technische Zweck BGE 112 Ib 51 S. 54 der einwandfreien Reinigung der Abwässer verfolgt wird, sondern wie schon in anderem Zusammenhang ausgeführt auch eine ausgewogene, gemeinschaftliche und rechtsgleiche Finanzierung der für den Gewässerschutz erforderlichen Kanalisations- und Reinigungsanlagen ( BGE 107 Ib 118 E. 2a). Die Erteilung von Ausnahmebewilligungen an alle Landwirte, welche die in der "Wegleitung für den Gewässerschutz in der Landwirtschaft" (herausgegeben von den Bundesämtern für Landwirtschaft und Umweltschutz) genannten Voraussetzungen erfüllen, würde gerade in kleinen Bauerndörfern die Finanzierung der vom Gesetz verlangten Anlagen verunmöglichen oder doch stark beeinträchtigen. Die Ausnahme würde zur Regel; es entstünde ein Sonderrecht zugunsten eines Zweiges der Landwirtschaft, was der Gesetzgeber gerade nicht wollte. Eine Ausnahmebewilligung kann deshalb nur dann erteilt werden, wenn das Beharren auf der Anschlusspflicht zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Härte führen würde oder offensichtlich unzweckmässig wäre, d.h. wenn besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichen von der Regel verlangen ( BGE 107 Ib 122 E. 4b mit Hinweisen). Dass unter dem Gesichtspunkt der Zweckmässigkeit kein Härtefall vorliegt, ergibt sich aus den vorstehenden Erörterungen. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Frage einer Ausnahmebewilligung kommt sodann dem Gleichbehandlungsgebot von Art. 4 BV erhebliches Gewicht zu ( BGE 107 Ib 123 E. 4b, insbesondere im Vergleich zu den übrigen landwirtschaftlichen Betrieben in derselben Gemeinde. Am Augenschein wurde festgestellt, dass neben dem "Freihof" und dem Hof "Wiesental" nur noch zwei Betriebe in der Gemeinde O. ausserhalb der Bauzone und ausserhalb des GKP liegen. Der eine Betrieb ist an die Kanalisation angeschlossen und der andere liegt höhenmässig derart tief, dass er nur beim Einbau einer Pumpe angeschlossen werden könnte. Mit Bezug auf den Hof "Wiesental" und den "Freihof" hat die Vorinstanz keine rechtlichen Unterschiedungen getroffen, die nicht auf wichtige tatsächliche Verschiedenheit zurückzuführen sind ( BGE 107 Ia 228 E. 3, BGE 96 I 16 E. 3; je mit Hinweisen). Die Frage der Anschlusspflicht wird in der Gemeinde O. nämlich generell nur dann geprüft, wenn bei einem landwirtschaftlichen Betrieb ausserhalb von Bauzone und GKP bauliche Massnahmen vorgenommen werden. Dies ist bei den beiden genannten Höfen im Gegensatz zum Betrieb des Beschwerdeführers nicht der Fall. Ein nicht unwesentlicher Unterschied liegt sodann darin, dass in Folge der grösseren Entfernung der Betriebe "Freihof" und "Wiesental" vom Kanalisationsstrang ein Anschluss BGE 112 Ib 51 S. 55 zwei- bis dreimal mehr kosten würde als beim Wohnhaus des Beschwerdeführers, sodass allenfalls die Prüfung der Zumutbarkeit im Sinne von Art. 18 AGSchV zu einem anderen Ergebnis führen würde. Damit liegt auch keine Verletzung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit vor.
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Urteilskopf 103 V 126 30. Auszug aus dem Urteil vom 24. November 1977 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Peter und Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen
Regeste Art. 97 AHVG . Auch die Wiedererwägung einer formell rechtskräftigen Rentenverfügung setzt u.a. voraus, dass sie sich als zweifellos unrichtig erweist.
Sachverhalt ab Seite 126 BGE 103 V 126 S. 126 Aus dem Tatbestand: A.- Der am 27. Mai 1934 geborene und am 21. September 1968 verstorbene österreichische Staatsangehörige Günter Peter hielt sich vom 25. Mai 1954 bis 3. August 1956 zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz auf. Nach seinem Tode sprach die Schweizerische Ausgleichskasse seinen beiden Kindern mit Wirkung ab 1. Januar 1969 (Inkrafttreten des schweizerisch-österreichischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 15. November 1967) je eine einfache Waisenrente BGE 103 V 126 S. 127 (Verfügungen vom 20. Oktober 1969) und - auf Beschwerde hin - der geschiedenen Ehefrau Brigitte Peter eine Witwenrente zu (Verfügung vom 15. Mai 1970). Auf Grund eines durchschnittlichen Jahresbeitrages beider Ehegatten von Fr. 430.-- aus zwei Jahren und drei Monaten setzte die Kasse die Witwenrente auf Fr. 38.-- und die Waisenrenten auf je Fr. 20.-- im Monat fest; ab 1. Januar 1973 betrugen die Witwenrente Fr. 79.-- und die Waisenrenten je Fr. 40.-- monatlich. Mit Verfügung vom 21. Juni 1973 setzte die Ausgleichskasse die Renten unter Annahme einer Beitragsdauer von einem Jahr und acht Monaten neu auf Fr. 24.-- ab 1. Januar 1969 und Fr. 27.-- ab 1. Januar 1971 für die Witwe und je Fr. 12.-- bzw. Fr. 14.-- für die Waisen fest. Gleichzeitig eröffnete sie der Rentenbezügerin, bei der Ermittlung der massgebenden Rentenskala sei irrtümlicherweise auch die Beitragszeit berücksichtigt worden, welche der Versicherte vor dem auf die Vollendung des 20. Altersjahres folgenden Kalenderjahr zurückgelegt habe. B.- Beschwerdeweise ersuchte Brigitte Peter um Weitergewährung der Renten in der bisherigen Höhe. Mit Entscheid vom 9. Dezember 1976 hiess die Rekurskommission für die im Ausland wohnenden Personen die Beschwerde gut und verpflichtete die Ausgleichskasse, Brigitte Peter ab 1. August 1973 weiterhin eine Witwenrente von Fr. 79.-- und zwei Waisenrenten von je Fr. 40.-- im Monat auszurichten. Die Rekurskommission stellte fest, die Renten seien mit der angefochtenen Verfügung richtig berechnet worden, doch seien die Voraussetzungen zu einer Wiedererwägung der früheren Verfügungen mangels offensichtlicher Unrichtigkeit nicht erfüllt gewesen. C.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und die Rentenverfügung vom 21. Juni 1973 wiederherzustellen. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung gelangt das Bundesamt zum Schluss, angesichts der klaren Rechtslage bleibe auch im vorliegenden Fall kein Raum für eine andere Lösung als die Berichtigung der Renten gemäss Kassenverfügung vom 21. Juni 1973. Brigitte Peter hat sich zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht vernehmen lassen. BGE 103 V 126 S. 128 Erwägungen Aus den Erwägungen: Anlässlich der Rentenverfügungen vom 20. Oktober 1969 und 15. Mai 1970 ist die Ausgleichskasse von einer Beitragsdauer von zwei Jahren und drei Monaten ausgegangen. Der Ehemann der Beschwerdegegnerin hat seit dem 1. Januar des der Vollendung des 20. Altersjahres folgenden Jahres ( 1. Januar 1955) aber nur während eines Jahres und acht Monaten Beiträge geleistet. Dass die Kasse die Renten auf dieser Grundlage nachträglich zutreffend festgesetzt hat, kann als unbestritten gelten. Streitig ist dagegen, ob sie befugt war, auf die früheren Verfügungen zurückzukommen. a) Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand einer gerichtlichen Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist ( BGE 102 V 17 Erw. 3a mit Hinweisen). Bei der Beurteilung, ob eine Wiedererwägung wegen zweifelloser Unrichtigkeit zulässig sei, ist vom Rechtszustand auszugehen, wie er im Zeitpunkt des Verfügungserlasses bestanden hat, wozu auch die seinerzeitige Rechtspraxis gehört; eine Praxisänderung vermag aber kaum je die frühere Praxis als zweifellos unrichtig erscheinen zu lassen ( BGE 100 V 25 Erw. 4b). Die für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen massgebenden Voraussetzungen gelten auch mit Bezug auf die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Geldleistungen der AHV und IV ( Art. 47 Abs. 1 AHVG und Art. 49 IVG ). Eine gesetzwidrige Rentenberechnung hat indessen regelmässig als zweifellos unrichtig zu gelten, und es stellt sich in diesen Fällen lediglich die Frage, ob die Berichtigung der Verfügung von erheblicher Bedeutung ist. Diese Voraussetzung erfüllt in der Regel schon eine geringfügige Korrektur des monatlichen Rentenbetrages. b) Die Vorinstanz ist unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts der Auffassung, im vorliegenden Fall sei eine Wiedererwägung nicht zulässig, weil die früheren Verfügungen "angesichts des keineswegs eindeutigen Gesetzestextes nicht als offensichtlich unrichtig gelten" könnten. BGE 103 V 126 S. 129 In BGE 98 V 194 hat das Eidg. Versicherungsgericht festgestellt, dass der Rechtszustand, wonach die vor dem 1. Januar des der Volljährigkeit folgenden Kalenderjahres zurückgelegten Beitragszeiten bei der Ermittlung der für die Wahl der Rentenskala massgebenden Beitragsdauer nicht berücksichtigt werden könnten, unbefriedigend sei. Das Gericht hat auch Gründe genannt, die eine ersatzweise Anrechnung von früheren Beitragszeiten als berechtigt erscheinen liessen. Entscheidend ist jedoch, dass die eingehenden rechtlichen Erwägungen zum einzig möglichen Schluss geführt haben, dass das geltende Recht keine Ausfüllung von Lücken in der Beitragsdauer des Versicherten mit dessen Beitragszeiten als Minderjähriger zulässt. Dieser seit Einführung der AHV bestehende Rechtszustand ist auch für den Richter verbindlich und könnte lediglich vom Gesetzgeber selbst geändert werden. Eine solche Änderung schlägt der Bundesrat im Rahmen der 9. AHV-Revision vor (BBl 1976 III 54 f. und 96). Bei Entstehung des Rentenanspruchs konnte kein Zweifel über die Rechtslage hinsichtlich der hier streitigen Frage bestehen. Hieran vermag nichts zu ändern, dass die Verfügungen, auf welche die Kasse zurückgekommen ist, vor Veröffentlichung der genannten Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts ergangen sind. Entgegen dem in BGE 100 V 20 beurteilten Sachverhalt ergibt sich der massgebende Rechtszustand unmittelbar aus der gesetzlichen Ordnung und nicht aus einer diese ergänzenden Rechtspraxis (vgl. hiezu BGE 98 V 201 Erw. 5). Die Kassenverfügungen vom 20. Oktober 1969 und 15. Mai 1970, welche der gesetzlichen Regelung widersprechen, haben daher als zweifellos unrichtig zu gelten. Weil die Berichtigung offensichtlich von erheblicher Bedeutung ist (Kürzung der Rente um mehr als die Hälfte bei voraussichtlich langer Bezugsdauer), sind die Voraussetzungen zu einer Wiedererwägung erfüllt. Die Kassenverfügung vom 21. Juni 1973 ist folglich zu Recht ergangen.
null
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Urteilskopf 136 IV 133 20. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen) 6B_212/2010 vom 27. Mai 2010
Regeste Art. 21 Abs. 2 VRV ; Güterumschlag in der blauen Zone. Für den Güterumschlag im Sinne von Art. 21 Abs. 2 VRV hat der Fahrzeugführer wenn möglich vorhandene Parkfelder zu benützen. Er ist dabei, sofern unbedingt notwendig, nicht an die zulässige Parkzeit gebunden, soweit diese nicht deutlich überschritten wird (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 133 BGE 136 IV 133 S. 133 A. Das Stadtrichteramt der Stadt Zürich verurteilte X. am 14. Oktober 2008 wegen Überschreitens der zulässigen Parkzeit bis zu zwei Stunden (Art. 90 Ziff. 1 i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG sowie Art. 48 Abs. 8 SSV ) und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 40.-. Das Bezirksgericht Zürich stützte mit Urteil vom 29. April 2009 diesen Entscheid. B. X. erhob Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses bestätigte am 14. Januar 2010 Strafe und Schuldspruch ebenfalls. C. X. erhebt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei BGE 136 IV 133 S. 134 zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei er von Schuld und Strafe freizusprechen. Es sei ferner festzustellen, dass die Vorinstanz Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 29 Abs. 1 BV verletzt habe. Es seien keine Kosten zu erheben, und dem Beschwerdeführer sei eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen. D. Die Vorinstanz sowie die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer parkierte am 13. Juni 2008 um 14.30 Uhr bzw. 14.55 Uhr seinen Personenwagen an der Neugutstrasse in Zürich in der blauen Zone. Hierbei überschritt er die zulässige Parkzeit bis zu zwei Stunden. 2. 2.1 Der Beschwerdeführer anerkennt den Sachverhalt insoweit, als er sein Fahrzeug tatsächlich am genannten Ort abgestellt hat. Er wendet sich jedoch gegen die Auffassung der Vorinstanz, er habe die Parkzeit überschritten. Vielmehr habe er Güterumschlag getätigt, was rechtlich nicht als Parkieren zu qualifizieren sei. Das Umzugsgut habe aus zahlreichen Kisten bestanden, die aus dem Estrich der Wohnung seiner Ehefrau heruntergetragen und in sein Auto hätten verladen werden müssen. Eine Zwischenlagerung im Eingangsbereich des Hauses oder auf dem Trottoir sei aus verschiedenen Gründen nicht möglich gewesen (Diebstahlsgefahr, Platzgründe, feuerpolizeiliche Gründe). Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die für einen Güterumschlag benötigte Zeit nicht auch innerhalb eines Parkfelds zur Verfügung stehen sollte. Er hätte somit sein Fahrzeug zeitlich unbeschränkt ausserhalb eines Parkfeldes abstellen dürfen, nicht jedoch innerhalb, da diesfalls kein Güterumschlag vorliege. Diese Auffassung sei paradox und verletze Bundesrecht. Eine Parkzeitbeschränkung bestehe innerhalb eines Parkfeldes ebenso wenig wie ausserhalb eines solchen. Die Einholung einer Spezialbewilligung wäre zwar möglich, jedoch im konkreten Fall absolut unverhältnismässig BGE 136 IV 133 S. 135 gewesen. Einer Bewilligung bedürfe es nur, wenn keine Gemeinverträglichkeit des Güterumschlags mehr bestehe. 2.2 2.2.1 Die Vorinstanz führt aus, es könne offengelassen werden, ob der Beschwerdeführer, wie von ihm behauptet, Kisten vom Estrich in das vor dem Haus abgestellte Fahrzeug transportiert habe, da seine Vorgehensweise nicht mehr vom gesetzlichen Begriff des Güterumschlags gedeckt sei. Die Vorinstanz verweist hierzu auf die Erwägungen der ersten Instanz, die einen Güterumschlag verneint hat, weil der Transport der Kisten vom Estrich hinunter zum Fahrzeug sowie die Rückkehr in den Estrich lediglich der Vorbereitung des Ein- und Ausladens gedient habe. 2.2.2 Der Fahrzeuglenker werde im Weiteren beim Güterumschlag lediglich in Bezug auf die geltenden Halteverbote privilegiert, nicht jedoch bezüglich der zeitlichen und örtlichen Parkbeschränkungen. Diese Parkbeschränkungen seien nicht unbeachtlich, wenn der Lenker irgendwelche Gegenstände während des Parkierens irgendwo hinbringe oder abhole. Sinn und Zweck der Privilegierung des Güterumschlags bestehe darin, das Liefern und Abholen unhandlicher Güter auch dort zu ermöglichen, wo das Parkieren nicht erlaubt sei. Sei ein Parkplatz vorhanden, müssten die Bestimmungen für das entsprechende Parkfeld auch beim Ein- und Auslad eingehalten werden. Dies habe nicht nur für gebührenpflichtige Parkplätze, sondern auch für die blaue Zone zu gelten. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer die Parkzeit mit der Parkscheibe ordnungsgemäss eingestellt habe, jedoch von einer unbeschränkten Parkzeit für den Güterumschlag ausgehe. Der Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit gehabt, eine Spezialbewilligung bei der Polizei einzuholen oder sein Fahrzeug vor Ablauf der Parkzeit wieder in den Verkehr einzufügen und einen neuen Platz in der blauen Zone zu suchen. 2.3 2.3.1 Unter "Güterumschlag" im Sinne des Strassenverkehrsrechts ist das Verladen oder Ausladen von Sachen zu verstehen, die nach Grösse, Gewicht oder Menge die Beförderung durch ein Fahrzeug nötig machen ( BGE 122 IV 136 E. 3b mit Hinweis auf BGE 89 IV 213 ). Das Bundesgericht setzte sich in einem anderen älteren Urteil im Zusammenhang mit einem zivilrechtlichen Haftpflichtfall sehr ausführlich mit der Frage auseinander, wie der Begriff des BGE 136 IV 133 S. 136 Einladens zu verstehen sei. Es kam dabei zum Schluss, dass sowohl in der schweizerischen Umgangssprache, die hierin kaum von der vorherrschenden allgemeinen deutschen Volkssprache abweiche, sehr oft von "Einladen" (oder auch "Laden", "Verladen", "Aufladen") in einem weiten Sinne gesprochen werde. Diese Ausdrücke bezeichneten bei solcher Gebrauchsweise neben dem Absetzen des Gutes auf das Transportfahrzeug auch die Vor- und Nachstadien dieser Handlung. Wegleitend sei dabei der mit dem "Einladen" verfolgte Zweck, das Gut vom bisherigen Standort zum Fahrzeug zu bringen und, wenn es einmal darauf abgestellt sei, dann auch so zu platzieren und wenn nötig zu verkeilen oder zu befestigen, dass es in gehöriger Weise transportiert werden könne ( BGE 82 II 445 E. 3 mit Hinweisen). 2.3.2 Es ist nicht einsichtig, weshalb der Begriff des Verladens als Teil des Güterumschlags im strassenverkehrsrechtlichen Sinne anders als in BGE 82 II 445 verstanden werden sollte. Zum Güterumschlag gehören somit auch die Vor- und Nachstadien des Ein- und Ausladens. Wie Art. 21 Abs. 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) ausdrücklich festhält, ist beim Güterumschlag, der nicht ausserhalb der Strasse bzw. abseits vom Verkehr durchgeführt werden kann, die Ladetätigkeit ohne Verzug zu beenden. Mit anderen Worten darf der Güterumschlag nur so lange dauern, als dies im konkreten Fall notwendig ist. 2.3.3 Im zu beurteilenden Fall ist ein allfälliger Transport der Zügelkisten vom Estrich in das vor dem Haus abgestellte Auto als Güterumschlag zu charakterisieren. Wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht, wäre ein Zwischenlager, zumal im Hausgang bzw. auf offener Strasse, wenig praktikabel. 2.4 2.4.1 Sinn und Zweck der Privilegierung des Güterumschlags besteht darin, das Verladen oder Ausladen von Sachen zu erleichtern, die aufgrund ihrer Grösse, ihres Gewichts oder der Menge nur erschwert umgeschlagen werden können. Der Umschlag solcher Güter muss daher - ungeachtet fehlender regulärer Parkiermöglichkeiten - möglichst nahe am Umschlagpunkt durchgeführt werden. Dies findet sinngemäss allerdings dort seine Grenzen, wo der ungestörte Verkehrsfluss nicht mehr garantiert ist (HANS GIGER, SVG - Strassenverkehrsgesetz, 7. Aufl. 2008, N. 12 zu Art. 37 SVG ; vgl. auch RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen BGE 136 IV 133 S. 137 Strassenverkehrsrechts, Bd. 1, 2. Aufl. 2002, N. 800, wonach der Fahrzeugführer im Rahmen des Zumutbaren Bequemlichkeitsverluste in Kauf zu nehmen hat). Sind Parkiermöglichkeiten vorhanden, wie im vorliegenden Fall in Form von Parkfeldern der blauen Zone, so sind daher vorab diese zu benützen, um eine möglichst geringe Behinderung der übrigen Strassenbenützer zu verursachen ( Art. 21 Abs. 2 VRV ). 2.4.2 Die von der Vorinstanz vorgenommene Beschränkung der Privilegierung des Güterumschlags gegenüber den allgemeinen Parkiervorschriften auf Situationen, in denen Parkflächen nicht vorhanden oder frei sind (so auch SCHAFFHAUSER, a.a.O., N. 800 mit Hinweis auf einen diesbezüglichen Entscheid des Zürcher Obergerichts vom 7. März 1988), ist daher zu eng. 2.4.3 Das Bundesgericht hat eine Zahlungspflicht bei Benützung eines gebührenpflichtigen Parkfeldes auch im Rahmen des Güterumschlags bejaht ( BGE 114 IV 62 E. 3), was in der Literatur auf Zustimmung gestossen ist (vgl. etwa BUSSY/RUSCONI, Code Suisse de la circulation routière, 3. Aufl. 1996, N. 2 zu Art. 21 VRV ; SCHAFFHAUSER, a.a.O., N. 800 und 812). Wie der Beschwerdeführer ausführt, war ihm diese Rechtsprechung bekannt, weshalb er in der blauen Zone die Parkzeit mit der Parkscheibe ordnungsgemäss eingestellt habe. 2.4.4 Es stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die ordentliche Parkzeit abgelaufen, der Güterumschlag aber - wie vorliegend - noch nicht beendet ist. Eine Verlängerung der Parkzeit durch das Neueinstellen der Parkscheibe ist gemäss Art. 48 Abs. 4 der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21) , wonach die Einstellung der Parkscheibe bis zur Wegfahrt nicht verändert werden darf, verboten. Abs. 8 derselben Bestimmung weist den Automobilisten zudem an, den Motorwagen (unter Vorbehalt einer hier nicht einschlägigen Ausnahme) spätestens bei Ablauf der erlaubten Parkzeit wieder in den Verkehr einzufügen. Ein blosses Verschieben des Motorwagens auf ein anderes, in der Nähe liegendes Parkfeld ist unzulässig. Die von der Vorinstanz angeführten Verhaltensanweisungen an den Beschwerdeführer (Einholen einer Spezialbewilligung bei der Polizei oder Wiedereingliederung in den Verkehr und anschliessendes Suchen eines neuen Parkfeldes in der blauen Zone) erweisen sich in der Situation des Beschwerdeführers als wenig hilfreich. Die BGE 136 IV 133 S. 138 polizeiliche Spezialbewilligung hätte vorgängig eingeholt werden müssen und erscheint für einen Güterumschlag im vorliegenden, eher bescheidenen Umfang auch nicht sachgerecht. Die Wiedereingliederung in den Verkehr wäre zwar - wie der Beschwerdeführer einräumt - möglich gewesen, hätte jedoch zu einer Verlängerung des Güterumschlags geführt und den Beschwerdeführer der Gefahr ausgesetzt, kein freies Parkfeld in zumutbarer Nähe mehr zu finden. Der weitere Güterumschlag hätte diesfalls ausserhalb der zulässigen Parkfläche durchgeführt werden müssen. Dies wäre zwar zulässig gewesen, hätte aber kaum der Vorschrift einer möglichst geringen Behinderung der übrigen Strassenbenützer ( Art. 21 Abs. 2 VRV , vgl. oben E. 2.4.1) entsprochen. 2.4.5 Die Privilegierung des Güterumschlags gilt, wie in E. 2.4.1 erwähnt, nicht nur dort, wo das Parken überhaupt nicht erlaubt ist, sondern auch da, wo die Parkzeit - wie etwa in einer blauen Zone - zeitlich beschränkt ist. Der Fahrzeugführer hat deshalb - sofern vorhanden - freie Parkfelder zu benützen und die dort geltenden Bestimmungen einzuhalten. Dauert der Güterumschlag länger als die gestattete Parkzeit, darf der Fahrzeugführer den Güterumschlag so lange fortführen, als dieser unbedingt notwendig ist ( Art. 21 Abs. 2 VRV ). Die vorgängige Einholung einer polizeilichen Spezialbewilligung erweist sich lediglich als notwendig, wenn die Dauer des Güterumschlags die ordentliche Parkzeit deutlich übersteigen sollte. 2.4.6 Auf die übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers ist bei dieser Sachlage nicht einzugehen. Die Vorinstanz hat einerseits zu prüfen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Umzugskisten vom Estrich in das vor dem Haus stehende Fahrzeug transportiert hat. Andererseits hat sie zu ermitteln, wie viel Zeit der Beschwerdeführer dazu unbedingt benötigte.
null
nan
de
2,010
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
13be3da5-f337-4306-ac88-ee18e3e708f2
Urteilskopf 98 Ia 418 67. Urteil vom 28. Juni 1972 i.S. Danuser gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste 1. Art. 55 BV ; Meinungsäusserungsfreiheit; Art. 27 und 32 StGB ; Art. 3 und 5 zürch KV; zürch. Strafprozess. Recht des (Fernseh-) Journalisten, als Zeuge im Strafverfahren die Bekanntgabe semer Informationsquellen zu verweigern? (Erw. 1-3). 2. Persönliche Freiheit; Art. 7 zürch. KV; §134 zürch. StPO. Bei Verweigerung des Zeugnisses ohne Zeugnisverweigerungsrecht ist verfassungswidrig - wann die Androhung bzw. Anordnung der Beugehaft wegen Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit? (Erw. 4 a, b); - nicht die Androhung der Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB (Erw.4 c).
Sachverhalt ab Seite 419 BGE 98 Ia 418 S. 419 A.- a) Am 26. September 1971 entwichen während einer Aktion der sogenannten Heimkampagne aus der Arbeitserziehungsanstalt Uitikon 17 Zöglinge. Vier der Entwichenen konnten am 4. Oktober festgenommen werden; die übrigen wurden bis zum 9. Oktober 1971 von Mitgliedern und Sympathisanten der Heimkampagne beherbergt. Die Bezirksanwaltschaft Zürich eröffnete gegen die an der Flucht "beteiligten" Drittpersonen ein Strafverfahren wegen Gefangenenbefreiung und Begünstigung. b) Am 8. Oktober 1971 strahlte das Fernsehen der deutschen und rätoromanischen Schweiz über diese Angelegenheit einen sechsminütigen Film mit einem Interview aus, an dem sich einige der entflohenen Zöglinge beteiligten, deren Aufenthaltsort damals noch unbekannt war. Verantworlicher Leiter der Sendung war Dr. Hanspeter Danuser. Regierungsrat Dr. Bachmann hatte den Film vor der Sendung gesehen und sich für ein Interview zur Verfügung gestellt. Auch der Bezirksanwaltschaft war der Streifen gezeigt worden. c) Dr. Danuser wurde im Strafverfahren von Polizei und Bezirksanwaltschaft vernommen. Er erklärte, am 5. Oktober 1971 angefragt worden zu sein, ob das Fernsehen an Filmmaterial über die entwichenen Zöglinge interessiert sei, auf welches Angebot er unter bestimmten Bedingungen eingegangen sei. Er gab den Strafverfolgungsbehörden über die Angelegenheit Auskunft, weigerte sich aber zu sagen, wer die Verbindung zwischen ihm und den Zöglingen hergestellt und wer bei der Aufnahme des Films als Kameramann mitgewirkt hatte. B.- Am 3. Januar 1972 erliess die Bezirksanwaltschaft Zürich gegen Dr. Danuser die folgende Verfügung: "1. Dr. Hanspeter Danuser wird aufgefordert, bis spätestens 17. Januar 1972, 1400 Uhr, die Namen der zwei Personen bekanntzugeben, die mit ihm bezüglich der Sendung der "Antenne" vom 8. Oktober 1971, 1900 Uhr, über aus der Arbeitserziehungsanstalt Uitikon entwichene Zöglinge Kontakt hatten, bzw. an den betreffenden Aufnahmen beteiligt waren. 2. Kommt Dr. Danuser dieser Aufforderung nicht nach, so wird er - nach nochmaliger Einvernahme am 17. Januar 1972, 1400 Uhr - in Anwendung von § 134 StPO für maximal 24 Stunden in Beugehaft gesetzt. 3. Ist Dr. Danuser auch nach Ablauf dieser Haft nicht bereit, gemäss § 128 StPO als Zeuge auszusagen, so wird er anschliessend dem Strafrichter wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung im Sinne von Art. 292 StGB überwiesen." BGE 98 Ia 418 S. 420 Einen Rekurs der Generaldirektion der Schweiz. Radio- und Fernsehgesellschaft im Namen Dr. Danusers wies die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich am 15. Februar 1972 ab. C.- Dr. Danuser führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren um Aufhebung des Entscheids der Staatsanwaltschaft und der Verfügung. der Bezirksanwaltschaft. Gestützt auf Art. 55 BV , Art. 3, 5 und 7 der zürcherischen Kantonsverfassung macht er geltend, er sei in seiner Meinungsäusserungsfreiheit, der Betätigungsfreiheit als Journalist und in der persönlichen Freiheit beeinträchtigt worden. Zudem sei der Grundsatz der Proportionalität bei staatlichen Eingriffen verletzt und die Zürcher Strafprozessordnung willkürlich ausgelegt worden. Die Staatsanwaltschaft beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. a) § 128 zürch. StPO verpflichtet jedermann zum Zeugnis vor der Untersuchungsbehörde unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen. Die Ausnahmen sind in den §§ 129-131 umschrieben. Für Journalisten und Mitarbeiter von Fernsehen und Radio ist ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht vorgesehen. § 134 StPO bestimmt, dass ein Zeuge, der ohne gesetzlichen Grund das Zeugnis verweigert, nach fruchtloser Warnung bis zu vierundzwanzig Stunden in Verhaft gesetzt wird und bei weiterer Weigerung nach vorangegangener Androhung dem Strafrichter wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung zu überweisen ist. b) Der angefochtene Entscheid entspricht in allen Teilen diesen Vorschriften. Die Rüge ihrer willkürlichen Auslegung ist von vornherein unbegründet. Da der Beschwerdeführer sich weigerte als Zeuge auszusagen, ohne dass ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, kann nach den Bestimmungen der StPO BeugehaftundBestrafungwegenUngehorsamsangedrohtwerden. Dass die angeführten Bestimmungen der Zürcher StPO auf ihn nicht anwendbar sein sollen, möchte der Beschwerdeführer offenbar daraus ableiten, dass er durch das journalistische Berufsgeheimnis und auch durch die Richtlinien seiner Arbeitgeberin, der Schweiz. Radio- und Fernsehgesellschaft, verpflichtet sei, die Quelle vertraulicher Informationen nicht preiszugeben. Weder dienstvertragliche Pflichten noch der Ehrenkodex einer Berufsorganisation können die grundsätzliche Zeugenpflicht BGE 98 Ia 418 S. 421 einschränken oder gleichsam einen aussergesetzlichen Zeugnisverweigerungsgrund schaffen (vgl. BGE 83 IV 61 f., BGE 92 I 396 f.). Solche Bindungen mögen bei der nachträglichen Beurteilung einer unberechtigten Zeugnisverweigerung von Belang sein, ändern aber nichts an der Pflicht zur Aussage. Der gegenteilige Schluss lässt sich auch nicht aus Art. 32 StGB ziehen. Nach dieser Bestimmung ist eine Tat, die das Gesetz oder eine Amts- oder Berufspflicht gebietet, kein Verbrechen oder Vergehen. Art. 32 umschreibt einen Rechtfertigungsgrund und bezieht sich nicht auf die gesetzliche Pflicht zur Zeugenaussage; man hat denn auch richtigerweise aus dieser Vorschrift nie abgeleitet, eine berufliche Geheimhaltungspflicht berechtige von vornherein zur Zeugnisverweigerung. Sogar wenn die berufliche Geheimhaltungspflicht im StGB selber (vgl. Art. 321) oder in einem andern Bundesgesetz (z.B. Bankengesetz Art. 47 lit. b) aufgestellt ist, bricht die gesetzliche Zeugenpflicht in der Regel das Geheimhaltungsgebot (vgl. Ziff. 3 von Art. 321 StGB sowie zum Bankengesetz BGE 96 I 749 ); es ist Sache des Prozessrechts, den Umfang des Zeugnisverweigerungsrechts zu bestimmen. Die Schaffung eines Zeugnisverweigerungsrechts des Journalisten im Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (VwG Art. 16 Abs. 3) bezieht sich nur auf das Verwaltungsverfahren des Bundes und verpflichtet die kantonalen Instanzen nicht, ihre prozessualen Bestimmungen zu ändern oder auf dem Wege der Auslegung in analoger Weise die Aussageverweigerung zu gestatten. 2. Der Beschwerdeführer behauptet, die angefochtene Verfügung verstosse gegen Art. 55 BV und gegen die Meinungsäusserungsfreiheit. a) Art. 55 BV gewährleistet die Pressefreiheit. In der Rechtsprechung des Bundesgerichts wurde anerkannt, dass es sich dabei um einen Teilbereich einer umfassenden Meinungsäusserungsfreiheit handelt, die als ungeschriebenes Grundrecht der Bundesverfassung zu gelten hat ( BGE 96 I 592 , 224, BGE 91 I 485 ). Dieses Grundrecht der Meinungsäusserungsfreiheit gilt auch für Fernsehmitarbeiter, ohne dass hier allgemein die analoge Anwendbarkeit presserechtlicher Vorschriften auf Radio und Fernsehen untersucht zu werden braucht. Der vom Beschwerdeführer noch angerufene Art. 3 KV gewährleistet ebenfalls das Recht zur Meinungsäusserung. Da diese kantonale Verfassungsbestimmung keinen weitergehenden Schutz gewährt als das BGE 98 Ia 418 S. 422 ungeschriebene Grundrecht der Bundesverfassung, kann ihr beim heutigen Stand der Rechtsprechung keine selbständige Bedeutung mehr zukommen (vgl. BGE 93 I 137 E. 3). b) Das allgemeine Recht zur freien Meinungsäusserung besagt nichts darüber, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Journalist oder Fernsehmitarbeiter als Zeuge in einem Strafverfahren seine Informationsquelle zu verschweigen berechtigt ist. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Verschweigen der Informationsquelle lässt sich aus dem Anspruch auf freie Meinungsäusserung nicht herleiten. Das von den Organisationen der Journalisten seit einiger Zeit geforderte Recht auf Geheimhaltung ihrer Auskunftspersonen (zur Grundsatzfrage: Max NEF, GUT, CORDEY, alle in ZStR 1969, resp. S. 113 ff., 160 ff., 139 ff.) lässt sich nur unter Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen für bestimmte Verfahrensordnungen gesetzlich umschreiben, wie das im VwG geschehen ist. Auch in der Bundesrepublik Deutschland, wo der sogenannte Informantenschutz in zunehmendem Masse Anerkennung findet, wird er nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet, sondern bedarf der gesetzlichen Umschreibung (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 20 S. 216, 25 S. 305; Archiv für Presserecht, Sonderheft Rechtsprechung 1945-1956 S. 73, auch Übersicht über die Rechtsprechung 1970 S. 161/162). Aus der Pressefreiheit oder der Meinungsäusserungsfreiheit kann nicht ein allgemeines Zeugnisverweigerungsrecht abgeleitet werden; denn die gewährleisteten Grundrechte sind durch die Zeugenpflicht nicht direkt berührt. Ob die publizistische Auswertung geheimer Informationsquellen gegenüber der Abklärung bestimmter Sachverhalte höher einzustufen ist und ob deswegen die Geheimhaltung der Auskunftspersonen im Strafverfahren zulässig sein soll, ist eine Frage, deren Lösung nicht dem Verfassungsrecht entnommen werden kann, sondern vom zuständigen Gesetzgeber zu treffen ist. Dadurch, dass die Zürcher StPO - wie übrigens auch die Strafprozessordnung anderer Kantone und das Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege - dem Journalisten oder Fernsehmitarbeiter kein Zeugnisverweigerungsrecht zum Schutze des Informanten einräumt, wird weder Art. 55 BV noch das ungeschriebene Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt. c) Art. 27 StGB , der ein Problem bundesgesetzlich ordnet, über welches früher unmittelbar auf Grund von Art. 55 BV BGE 98 Ia 418 S. 423 entschieden wurde ( BGE 70 IV 24 ), vermag zur Begründung des geforderten Rechts auf Verschweigen der Informationsquelle nichts beizutragen. Nach dieser Bestimmung kann bei einem reinen Pressedelikt, d.h. wenn sich die strafbare Handlung in dem Presseerzeugnis erschöpft, der Name des Verfassers verschwiegen werden; der verantwortlich zeichnende Redaktor ist dann als Täter strafbar. Aus dieser Sonderordnung, die mit einer Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung verbunden ist, lässt sich keine Einschränkung der Zeugenpflicht des Journalisten bei einem gewöhnlichen, kein Pressedelikt betreffenden Strafverfahren ableiten (vgl. hiezu U. WEBER, Betrachtungen zur Stellung periodischer Druckschriften im Strafprozess, Diss. Bern 1971 S. 106 ff.). Der naheliegende Umkehrschluss führt vielmehr zum Ergebnis, dass ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 27 StGB die durch dessen Ziff. 3 Abs. 3 aufgehobene Aussagepflicht besteht, sofern nicht dass kantonale Recht eine weitergehende Befugnis zur Verweigerung von Aussagen einräumt (SCHULTZ, Das Problem einer Sonderstellung der Presse im Strafverfahren, in "Arbeiten zur Rechtsvergleichung", Heft 29, Frankfurt 1966, S. 25 ff.). 3. Art 5 KV, auf den sich der Beschwerdeführer noch beruft, enthält ausser dem Verbot der Todesstrafe und der Kettenstrafe den programmatischen Satz: "Das Strafrecht ist nach humanen Grundsätzen zu gestalten". Inwiefern diese Bestimmung durch die angefochtene Verfügung verletzt sein soll, wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Mangels einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entsprechenden Begründung ist auf den Vorwurf eines Vertosses gegen Art. 5 KV nicht einzutreten. 4. Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung der persönlichen Freiheit durch die angedrohte Beugehaft und die angedrohte Bestrafung wegen Ungehorsams. a) Art. 7 zürch. KV gewährleistet die persönliche Freiheit. Nach der neuern Praxis des Bundesgerichts gehört die Garantie der persönlichen Freiheit zum ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes ( BGE 97 I 45 mit Hinweisen). Entsprechende Garantien in den Kantonsverfassungen haben somit keine selbständige Bedeutung mehr, sofern sie nicht weiter gehen als die bundesrechtliche Gewährleistung. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass dies für Art. 7 KV zutreffe. Zu prüfen ist daher bloss, ob der angefochtene Entscheid vor dem ungeschriebenen BGE 98 Ia 418 S. 424 Grundrecht des Bundes standhält ( BGE 97 I 49 ). b) § 134 StPO schreibt vor, dass ein Zeuge, der ohne gesetzlichen Grund das Zeugnis verweigert, nach fruchtloser Warnung "vorläufig bis zu vierundzwanzig Stunden" in Haft gesetzt wird. Trotz der Wendung "vorläufig" ist eine Verlängerung oder Wiederholung der Massnahme nicht vorgesehen. Für die im angefochtenen Entscheid angedrohte Massnahme der Beugehaft bis höchstens 24 Stunden besteht also eine klare gesetzliche Grundlage. Zu untersuchen bleibt, ob der vorgesehene Eingriff in die persönliche Freiheit verhältnismässig ist. Diese Prüfung geschieht grundsätzlich frei ( BGE 97 I 52 und 844). aa) Vorweg ist zu klären, ob Beugehaft allgemein als Zwangsmittel gegen widerspenstige Zeugen dem Verhältnismässigkeitsprinzip entspricht. Obschon verschiedene kantonale Prozessordnungen darauf verzichten und sich mit der nachträglichen Bestrafung des nicht aussagenden Zeugen begnügen (so StPO Basel-Stadt § 43, Aargau § 96), erscheint doch die Beugehaft, die auch im Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934 in Art. 88 (bis 24 Stunden) vorgesehen ist, nicht von vornherein als unverhältnismässiger und daher verfassungswidriger Eingriff in die persönliche Freiheit. Je nach der Schwere der abzuklärenden Straftat und der mutmasslichen Bedeutung der verweigerten Aussagen lässt sich die Zwangshaft unter Umständen rechtfertigen. Das öffentliche Interesse an der Aussage muss jedoch so erheblich sein, dass ein zeitlich beschränkter Freiheitsentzug als Zwangsmittel vertretbar und nicht unverhältnismässig ist. Die Anordnung der Beugehaft in jedem Straffall und gegenüber jedem die Aussage verweigernden Zeugen - wie dies § 134 zürch. StPO nach dem Wortlaut nicht nur ermöglicht, sondern vorschreibt - ist in dieser allgemeinen Form vor dem Grundrecht der persönlichen Freiheit nicht haltbar. Beugehaft ist verfassungsrechtlich nur zulässig, soweit sie im konkreten Fall den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht verletzt. Nichts anderes gilt, wenn es sich bei dem Zeugen um einen Journalisten handelt. Der von NEF (ZStR 1969 S. 138) geforderte generelle Verzicht auf die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber die Aussagen verweigernden Journalisten lässt sich unter diesem Gesichtswinkel nicht rechtfertigen. Auch die Aussage eines Journalisten kann für ein bestimmtes Strafverfahren sehr wichtig sein, sodass dann die Anwendung der BGE 98 Ia 418 S. 425 Beugehaft im öffentlichen Interesse eine hinreichende Begründung findet. bb) Ist somit die Beugehaft nicht grundsätzlich verfassungswidrig, so muss untersucht werden, ob ihre Anwendung bzw. Androhung im konkreten Fall im Rahmen der Verhältnismässigkeit bleibt. Eine erste Schranke gegen eine so einschneidende Massnahme kann sich aus der Geringfügigkeit der zu untersuchenden Straftat ergeben. Wenn für den Täter keine Freiheitsstrafe in Frage kommt, wird die Anwendung der Beugehaft auf den Zeugen in der Regel ausser Betracht fallen. In der Untersuchung gegen die am Entweichen von Uitikoner Zöglingen beteiligten Personen geht es um die Abklärung von Handlungen, die gegebenenfalls nach Art. 305 (Begünstigung) oder Art. 310 StGB (Gefangenenbefreiung, vgl. BGE 96 IV 72 ) mit Gefängnisstrafen bis zu 3 Jahren zu ahnden sind. Die Art und Schwere der abzuklärenden Delikte schliesst somit Beugehaft nicht schon von vornherein aus. Vergleichsweise sei immerhin erwähnt, dass strafprozessuale Eingriffe in das Post-, Telephon- und Telegrammgeheimnis (gemäss Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968, AS 1969 1117) nur in Strafuntersuchungen wegen eines Verbrechens, d.h. eines mit Zuchthaus als Höchststrafe bedrohten Deliktes zulässig sind (abgesehen von den Delikten gegen den Staat, die Landesverteidigung und die Wehrkraft des Landes). Ob der Freiheitsentzug als Zwangsmittel gegen einen Zeugen in Verfahren soll eingesetzt werden dürfen, in denen das Post-, Telephon- und Telegrammgeheimnis von den Strafverfolgungsorganen zu respektieren ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, da die Beugehaft im konkreten Fall schon aus einem andern Grunde als unverhältnissmässig erscheint. Steht die Art des abzuklärenden Deliktes der Beugehaft nicht entgegen, so bleibt als zweite Schranke im Sinne der Verhältnismässigkeit das Erfordernis, dass das Zwangsmittel nur eingesetzt werden darf, wenn die einigermassen begründete Erwartung besteht, dass der sich weigernde Zeuge Angaben machen kann, die für die Strafverfolgung von erheblicher Bedeutung sind. Als möglicher Inhalt einer Aussage von erheblicher Bedeutung kommen insbesondere Angaben in Frage, die zur Entdeckung von Tätern führen oder eine für die Beurteilung wesentliche Abklärung der deliktischen Handlungen erlauben. Vom Beschwerdeführer wird verlangt, dass er jene (eine oder BGE 98 Ia 418 S. 426 zwei) Personen angebe, die mit dem Fernsehen Verbindung aufnahmen und den Film über die entwichenen Zöglinge lieferten. Weder die Anfrage beim Fernsehen noch die Herstellung und Lieferung des Films bilden eine strafbare Handlung. Aus den Akten der Strafuntersuchung ist ersichtlich, dass die Hersteller des Films vermummt zu dem Haus geführt wurden, in dem sie die Filmaufnahmen machten, und dass man sie auch verhüllt wieder wegbrachte. Die Organisatoren der Entweichung wollten also vermeiden, dass diese Personen den Fluchtort kannten. Es ist somit anzunehmen, dass die Personen, die an das Fernsehen herantraten und den Film lieferten, mit der Heimkampagne keine engere Beziehung haben, als Täter von Delikten nicht in Frage kommen dürften und auch über den Ablauf der ganzen Angelegenheit kaum wesentliche Angaben machen können. Die Erwartung, durch die Ermittlung der Verbindungsperson und des Kameramannes und durch deren Einvernahme liessen sich weitere aktive Beteiligte finden, ist zwar nicht abwegig, jedoch derart unbestimmt, dass sich die Anordnung der Beugehaft gegenüber dem Zeugen Dr. Danuser mit dieser vagen Hoffnung auf ein positives Ergebnis nicht begründen lässt. Überdies hat die bisherige Untersuchung ein recht umfassendes Bild der ganzen "Aktion" ergeben. Bei dieser Sachlage ist die Androhung und Anwendung der Beugehaft unverhältnismässig. Ziffer 2 der von der Staatsanwaltschaft bestätigten Verfügung der Bezirksanwaltschaft verstösst aus diesem Grunde gegen die Garantie der persönlichen Freiheit und ist aufzuheben. Die Verhältnismässigkeit fehlt schon, wenn das aus der Strafverfolgung sich ergebende, im konkreten Fall relativ geringe öffentliche Interesse dem Rechtsgut der persönlichen Freiheit gegenübergestellt wird. Die Frage, ob nicht wenigstens bei der Beurteilung der Proportionalität einer Zwangsmassnahme auf der Seite des betroffenen Journalisten zusätzlich der als Zeugnisverweigerungsgrund nicht anerkannte berufsethische Gesichtspunkt des Schutzes geheimer Informationsquellen zu berücksichtigen ist, kann daher offen bleiben. c) Nicht verfassungswidrig ist die Androhung der richterlichen Bestrafung wegen Ungehorsams gemäss Art. 292 StGB . Die Verweigerung des Zeugnisses ohne Zeugnisverweigerungsrecht ist nicht sanktionslos hinzunehmen. Wenn der sofortige, nach kantonalem Recht zur Erzwingung von Aussagen angeordnete Freiheitsentzug als unverhältnismässig erscheint, so hat dies BGE 98 Ia 418 S. 427 nicht zur Folge, dass auch die Androhung der Bestrafung unterbleiben muss. Die nachträgliche Bestrafung durch den Richter unter Würdigung der gesamten Umstände ist in der Regel eine wesentlich mildere Sanktion als die Beugehaft (die Strafdrohung des Art. 292 lautet auf Busse oder Haft); sie wird nur selten zum tatsächlichen Freiheitsentzug führen. Da die Bestrafung des Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung in einem Bundesgesetz vorgesehen ist, hat das Bundesgericht diese Ordnung nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit zu überprüfen ( Art. 113 Abs. 3 BV ). Eine unverhältnismässig harte Strafe könnte mit den Rechtsmitteln des Strafprozessrechts angefochten werden. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird teilweise dahin gutgeheissen, dass die Androhung der Beugehaft im Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 15. Februar 1972 aufgehoben wird; im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
public_law
nan
de
1,972
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
13c66ba3-7596-4a7c-b4ea-2348e28c62e5
Urteilskopf 101 V 1 1. Urteil vom 25. Februar 1975 i.S. Eschler gegen Ausgleichskasse des Grosshandels und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
Regeste Art. 5 Abs. 2 AHVG . Zu den von der Beitragspflicht ausgenommenen Zuwendungen im Sinne von Art. 8 lit. c AHVV gehören auch Vermächtnisse des Arbeitgebers zugunsten der Belegschaft, sofern die einzelne Zuwendung einen Monatslohn nicht übersteigt.
Sachverhalt ab Seite 1 BGE 101 V 1 S. 1 A.- Der am 12. Juli 1971 verstorbene Max Eschler war Inhaber der Einzelfirma Eschler-Urania, die sich unter anderem mit dem Handel und Verkauf von Automobil-Ersatzteilen und Zubehör sowie Garagen- und Tankstelleneinrichtungen befasst. Max Eschler verfügte testamentarisch, dass insgesamt Fr. X an alle Angestellten und Arbeiter, welche im Zeitpunkt seines Ablebens seit mindestens 3 Jahren im Geschäftsbetrieb tätig waren, nach Massgabe ihrer Dienstdauer auszurichten seien mit der Auflage, dass die betreffenden Arbeitnehmer noch während mindestens 2 Jahren beim Geschäftsnachfolger tätig seien. Die Firma Eschler-Urania erkundigte sich am 17. Oktober 1973 bei der Ausgleichskasse, ob die den bezugsberechtigten Arbeitnehmern auszurichtenden Beträge der paritätischen Beitragspflicht unterstellt seien. Mit Verfügung vom 12. November 1973 teilte die Ausgleichskasse der Firma mit, nach dem Wortlaut der letztwilligen Verfügung stünden die Zuwendungen in direktem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis BGE 101 V 1 S. 2 und seien Treueprämien gleichzustellen; diese gehörten zum massgebenden Lohn. Auf dem Vermächtnis von insgesamt Fr. X seien daher die gesetzlichen Beiträge an die AHV/IV/EO sowie an die kantonale Familienausgleichskasse zu entrichten. B.- Hiegegen beschwerte sich die Firma mit der Begründung, bei der fraglichen Zuwendung an die Arbeitnehmer handle es sich um eine letztwillige Verfügung, welche nicht die Betriebsrechnung der Firma, sondern allein den Sohn und einzigen Erben des Max Eschler belaste. Das Vermächtnis habe mit der Arbeitsleistung der Bedachten nichts zu tun, weshalb es sich nicht um eine Treueprämie handeln könne. Dies auch deshalb nicht, weil es um eine einmalige Zuwendung gehe und der Zeitpunkt der Auszahlung zufällig und ausschliesslich vom Hinschied des Vermächtnisgebers abhängig sei. Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid vom 25. April 1974 ab. Zum massgebenden Lohn gehörten auch Entgelte, die nicht auf Grund dienstvertraglicher Vereinbarung ausgerichtet würden, sofern die Leistung wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhänge. Dies treffe im vorliegenden Fall zu, wie sich aus den Bestimmungen der letztwilligen Verfügung klar ergebe. Zudem komme den Leistungen eindeutig der Charakter von Treueprämien zu; diese gehörten nach Art. 7 lit. c AHVV zum massgebenden Lohn. Im übrigen handle es sich nicht um "Zuwendungen anlässlich besonderer Ereignisse", welche nach Art. 8 lit. c AHVV unter bestimmten Voraussetzungen vom massgebenden Lohn ausgenommen seien. C.- Die Firma Eschler-Urania lässt diesen Entscheid an das Eidg. Versicherungsgericht weiterziehen mit dem Antrag, es sei "das Vermächtnis von Herrn Max Eschler senior an seine früheren Angestellten von insgesamt Fr. X nicht der Abrechnungspflicht der AHV/IV/EO und Familienausgleichskassen zu unterstellen". Die Rekurskommission lasse unberücksichtigt, dass es sich bei den Zuwendungen des früheren Arbeitgebers um ein Vermächtnis im Sinne des Erbrechtes und nicht um eine direkte Entschädigung für geleistete Arbeit handle. Die bestehenden Auflagen änderten hieran nichts. Vermächtnisse stellten ihrer Natur nach einmalige Leistungen dar, die nach der gesetzlichen Ordnung nicht als massgebender Lohn zu erfassen seien; es handle sich namentlich nicht BGE 101 V 1 S. 3 um Leistungen, die Treueprämien gleichgestellt werden könnten. Während die Ausgleichskasse auf eine Vernehmlassung verzichtet, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Das Eidg. Versicherungsgericht beurteilt letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 97 und 98 lit. b-h OG auf dem Gebiete der Sozialversicherung ( Art. 128 OG ). Als Verfügungen gelten gemäss Art. 5 Abs. 1 VwG Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich ihres Gegenstandes erfüllen. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt vom 12. November 1973 wird nicht unmittelbar über Rechte und Pflichten (i.c. die Beitragspflicht) der hievon Betroffenen entschieden. Es genügt jedoch, dass die massgebenden Rechtsverhältnisse auf Grund der getroffenen Feststellung zweifelsfrei bestimmbar sind (nicht publiziertes Urteil vom 11. Juni 1971 i.S. Hostettler, EVGE 1960 S. 219). Beim kantonalen Entscheid vom 25. April 1974 handelt es sich demnach um eine anfechtbare Verfügung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 Abs. 1 VwG. b) Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann jedoch nur soweit eingetreten werden, als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrecht streitig sind. Im vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der Beitragsschuld an die kantonale Familienausgleichskasse verhält. 2. a) Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt als massgebender Lohn jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Zum massgebenden Lohn gehören begrifflich sämtliche Bezüge des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis fortbesteht oder gelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Der Beitragspflicht unterliegen grundsätzlich auch freiwillige Sozialleistungen und Zuwendungen des Arbeitgebers anlässlich besonderer Ereignisse, BGE 101 V 1 S. 4 soweit diese nicht gemäss Art. 6 Abs. 2 oder Art. 8 AHVV hievon ausgenommen sind ( BGE 98 V 240 ; EVGE 1969 S. 33, 1965 S. 8, 1964 S. 220). b) In Art. 8 AHVV hat der Bundesrat von der ihm gemäss Art. 5 Abs. 4 AHVG zustehenden Befugnis Gebrauch gemacht und bestimmte Sozialleistungen sowie Zuwendungen des Arbeitgebers anlässlich besonderer Ereignisse vom Einbezug in den massgebenden Lohn ausgenommen. Gemäss lit. c der genannten Verordnungsbestimmung gehören nicht zum massgebenden Lohn: "Zuwendungen beim Tod Angehöriger von Arbeitnehmern, Zuwendungen an Hinterlassene von Arbeitnehmern, Umzugsentschädigungen, Jubiläumsgaben, Verlobungs-, Hochzeits- und Dienstaltersgeschenke sowie Zuwendungen für bestandene berufliche Prüfungen". Das Bundesamt für Sozialversicherung hat hiezu mit Rz. 89 ff. der Wegleitung über den massgebenden Lohn Verwaltungsweisungen erlassen und die Liste der nicht zum massgebenden Lohn gehörenden Arbeitgeberleistungen insofern ergänzt, als auch Naturalgeschenke anlässlich besonderer Ereignisse bis zu einem Wert von Fr. 300.-- (Rz. 93) sowie "Zuwendungen an den Arbeitnehmer, die gewährt werden zum Andenken an den verstorbenen Arbeitgeber, sofern sie einen Monatslohn nicht übersteigen" (Rz. 93b), von der Beitragspflicht ausgenommen werden. Wie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt ausgeführt hat, ist die vom Bundesrat gestützt auf Art. 5 Abs. 4 AHVG erlassene Liste der vom massgebenden Lohn ausgenommenen Arbeitgeberleistungen grundsätzlich abschliessend (EVGE 1954 S. 188, 263). Allgemein verbindliche Erlasse dürfen jedoch nicht zu rechtlichen Unterscheidungen führen, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist ( BGE 96 I 456 , BGE 95 I 134 ). Solche Gründe bestehen hinsichtlich der von der Verwaltung zusätzlich berücksichtigten Sachverhalte nicht, weshalb es einer willkürlichen Rechtsanwendung gleichkäme, sie beitragsrechtlich anders zu werten. Die genannten Verwaltungsweisungen bestehen folglich zu Recht. 3. a) Die Firma Eschler-Urania begründet die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Hauptsache damit, die fraglichen Zuwendungen stünden in keinem direkten Zusammenhang mit der Arbeitsleistung der Bedachten und könnten schon deshalb BGE 101 V 1 S. 5 nicht der Beitragspflicht unterstellt werden, weil es sich um eine einmalige Leistung in Form eines Vermächtnisses handle, welche überdies das Geschäftsvermögen nicht belaste. Nach der letztwilligen Verfügung des Max Eschler werden mit dem Vermächtnis sämtliche Angestellten und Arbeiter bedacht, die im Zeitpunkt des Todes des Geschäftsinhabers seit mindestens 3 Jahren im Betriebe tätig waren. Der Gesamtbetrag der Zuwendung wird in soviele Teile zerlegt, als die Berechtigten insgesamt Dienstjahre aufweisen; jeder erhält die seinen Dienstjahren entsprechende Anzahl Teile. Das Vermächtnis ist jedoch nur geschuldet, sofern der betreffende Arbeitnehmer während weiteren 2 Jahren beim Geschäftsnachfolger tätig ist. Die Zuwendung setzt demnach eine Mindestdauer der Anstellung voraus und macht den Anspruch von einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses abhängig. Bei dieser Sachlage ist der Zusammenhang zwischen den Zuwendungen und dem Arbeitsverhältnis offensichtlich. Unmassgeblich ist, dass die Leistungen auf Grund einer letztwilligen Verfügung zur Ausrichtung gelangen. Auf die rechtliche Form, in welcher eine Leistung erbracht wird, kommt es für die Frage der Beitragspflicht ebensowenig an wie darauf, ob es sich um eine arbeitsvertraglich geschuldete oder um eine freiwillige Leistung handelt. Auch einmalige Leistungen des Arbeitgebers gehören - vorbehältlich der gesetzlichen Ausnahmen - zum massgebenden Lohn, sofern sie ihren wirtschaftlichen Grund im Arbeitsverhältnis haben. b) Verwaltung und Vorinstanz nehmen an, die Zuwendungen seien Treueprämien gleichzustellen, welche gemäss Art. 7 lit. c AHVV ausdrücklich zum massgebenden Lohn gehören. Dem steht indessen entgegen, dass es sich im vorliegenden Fall um eine einmalige Zuwendung handelt, der eindeutig Ausnahmecharakter zukommt, wogegen Treueprämien periodisch wiederkehrende Leistungen sind, die als Zulagen zum Arbeitsentgelt ausgerichtet werden (EVGE 1969 S. 33). Entscheidende Bedeutung kommt dieser Frage jedoch nicht zu, da nach der gesetzlichen Ordnung sämtliche dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis zukommenden Leistungen zum massgebenden Lohn gehören, soweit sie nicht ausdrücklich hievon ausgenommen sind. c) Von den in Art. 8 AHVV erwähnten Ausnahmen vom massgebenden Lohn fallen im vorliegenden Fall einzig die in BGE 101 V 1 S. 6 lit. c der Bestimmung genannten Dienstaltersgeschenke in Betracht. Diese sind ihrer Natur nach Ausnahmeleistungen an Arbeitnehmer mit sehr langer Dienstzeit beim gleichen Arbeitgeber, die einmal oder höchstens zweimal im Laufe der Aktivitätsperiode ausgerichtet werden (EVGE 1969 S. 33, 1965 S. 5). Die im Streite stehenden Zuwendungen kommen einem Dienstaltersgeschenk zweifellos nahe, indem auch hier die Treue zum Arbeitgeber von wesentlicher Bedeutung für die Leistung ist. Sie haben ihren Grund jedoch nicht in einem bestimmten Dienstalter des Arbeitnehmers, sondern im Tode des Geschäftsinhabers. Sowohl der Kreis der Bedachten wie auch die Höhe der an den einzelnen Arbeitnehmer zur Ausrichtung gelangenden Zuwendung richtet sich nach dem Zeitpunkt des Todes des Vermächtnisgebers. Gemäss Rz. 93b der vom Bundesamt für Sozialversicherung herausgegebenen Wegleitung über den massgebenden Lohn gelten als beitragsfreie "Zuwendung anlässlich besonderer Ereignisse" im Sinne von Art. 8 lit. c AHVV auch "Zuwendungen an den Arbeitnehmer, die gewährt werden zum Andenken an den verstorbenen Arbeitgeber, sofern sie einen Monatslohn nicht übersteigen". Im vorliegenden Fall geht es zwar um Zuwendungen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des verstorbenen Arbeitgebers und nicht um Leistungen, welche von der Firma zum Andenken an den verstorbenen Arbeitgeber ausgerichtet werden. Die Leistungen unterscheiden sich jedoch lediglich hinsichtlich des zugrundeliegenden Rechtsgeschäftes, nicht dagegen in bezug auf den für die Beitragspflicht massgebenden wirtschaftlichen Tatbestand. Selbst wenn die Ausnahmen vom massgebenden Lohn gemäss Art. 8 AHVV nicht extensiv auszulegen sind, lässt sich daher eine unterschiedliche beitragsrechtliche Beurteilung nicht rechtfertigen. Es gelten hiefür die gleichen Gründe, wie sie bezüglich der Verwaltungsweisungen in Erwägung 2b hievor angeführt worden sind. 4. Nach dem Gesagten sind die streitigen Zuwendungen von der Beitragspflicht befreit, sofern sie einen Monatslohn nicht übersteigen. Die Begrenzung der Beitragsfreiheit auf einen Monatslohn, welche offenbar der Beitragsumgehung vorbeugen soll, hält sich im Rahmen rechtmässigen Ermessens der Verwaltung und ist nicht zu beanstanden (vgl. auch EVGE 1964 S. 218 Erw. 2). Die Verwaltung wird daher näher BGE 101 V 1 S. 7 zu prüfen haben, ob die dem einzelnen Arbeitnehmer zustehenden Vermächtnisse den jeweiligen Monatslohn übersteigen. Gestützt hierauf wird die Beitragspflicht des heutigen Geschäftsinhabers, welcher als einziger Erbe die fraglichen Leistungen schuldet und damit als Arbeitgeber im Sinne von Art. 12 Abs. 1 AHVG zu gelten hat, neu festzusetzen sein. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, gutgeheissen und die Sache zum Erlass einer Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Ausgleichskasse zurückgewiesen.
null
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de
1,975
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CH
Federation
13c676f7-2ad6-4c78-a2b9-37b5b2f68350
Urteilskopf 100 V 136 34. Extrait de l'arrêt du 21 novembre 1974 dans la cause Société suisse de secours mutuels Helvétia contre Crea et Cour de justice civile du canton de Genève
Regeste Art. 10 Abs. 1 KUVG . 8 Abs. 2 Vo III. Wann beginnt die Frist der Verwirkung des Anspruchs auf Freizügigkeit zu laufen?
Sachverhalt ab Seite 137 BGE 100 V 136 S. 137 Résumé des faits: Francesca Crea, née en 1941, a fait partie de la Caissemaladie l'Alliance, de Bagnes, qui l'a conservée dans ses rôles jusqu'à fin 1972. Cette caisse, qui avait appris en février 1973 que l'intéressée avait transféré son domicile à Genève, soit hors du rayon d'activité, lui délivra un certificat d'affiliation le 7 mars 1973. Marco Crea remplit 4 demandes d'admission à la Caissemaladie Helvétia pour lui, son épouse et ses 2 enfants. En date du 22 février 1974, la Cour de justice civile du canton de Genève admit que Francesca Crea pouvait se prévaloir du droit de libre passage dans les trois mois dès la sortie effective de la Caisse-maladie l'Alliance, le 31 décembre 1972. Erwägungen Extrait des considérants: La question est de savoir si l'intimée pouvait se prévaloir d'un droit de libre passage, en quel cas les conditions d'admission relatives à l'état de santé notamment n'auraient pas pu lui être opposées par la Caisse-maladie Helvétia (art. 9 al. 1 LAMA). a) Aux termes de l'art. 7 al. 1 lit. a LAMA, les assurés qui ont été affiliés à une ou plusieurs caisses pendant 6 mois au moins, sans une interruption de plus de 3 mois, ont le droit de passer dans une autre caisse lorsqu'ils doivent quitter celle à laquelle ils appartiennent parce qu'ils changent de résidence. Est généralement considéré comme changement de résidence le transfert du domicile civil hors du rayon d'activité de la caisse (art. 5 al. 1, première phrase, Ord. III). b) Les statuts de la Caisse-maladie l'Alliance prévoient un rayon d'activité limité à la commune de Bagnes (art. 4). La qualité de sociétaire se perd ipso facto par le transfert du lieu de résidence hors de la commune (art. 14 lit. b). Est considéré comme changement du lieu de résidence le transfert du domicile de droit civil hors du rayon d'activité de la caisse, mais non pas le séjour à l'étranger pendant moins d'un an (art. 15). Lorsque l'assuré transfère sa résidence hors du rayon d'activité, il doit en aviser l'administration dans les 10 jours. Si, par BGE 100 V 136 S. 138 sa faute, le membre n'a pas donné cet avis, l'administration peut, aussitôt qu'elle est instruite du fait, faire cesser l'assurance dès le jour où le transfert a eu lieu, quand bien même l'assuré perdrait ainsi son droit au libre passage (art. 16). c) Il est constant que Marco Crea a quitté Verbier le 18 mars 1971, puisqu'il s'est annoncé ce jour-là au Contrôle de l'habitant de Genève. Or rien ne permet de penser que son épouse ait résidé, elle, dans la commune de Bagnes après le 18 mars 1971. Le sociétariat aurait donc dû en principe prendre fin à la date susmentionnée, et le droit de libre passage se serait éteint 3 mois plus tard, soit le 18 juin 1971, sans que l'intimée en ait fait usage. Il est vrai que l'art. 8 al. 2 Ord. III, dont la teneur est reprise par l'art. 16 al. 2 des statuts de la caisse l'Alliance, n'exclut pas le maintien du sociétariat audelà du terme auquel il aurait normalement dû prendre fin lorsque, comme en l'espéce, l'assuré a failli à son obligation de renseigner l'administration. La Caisse-maladie l'Alliance n'étant pas partie au présent litige, il suffit de constater ici que l'usage fait de cette faculté ne pouvait en aucun cas conduire à vider de leur substance les dispositions claires de l'art. 10 al. 1 LAMA (v. RJAM 1970, p. 241, sur le maintien de l'affiliation contrairement aux statuts, lors de changement de résidence, et le droit de libre passage). On peut noter en passant que, même si l'ancienne caisse avait fautivement tardé à délivrer un certificat d'affiliation, dame Crea n'en aurait pas moins perdu son droit au libre passage; mais la caisse l'Alliance aurait alors dû prolonger le sociétariat jusqu'à ce qu'il cesse pour un autre motif statutaire (art. 10 al. 1 Ord. III). Quant à la situation de l'assuré qui, sans faute de sa part, n'aurait pas pu informer la caisse en temps utile d'un changement de résidence, il n'y a pas lieu de l'examiner en l'occurrence. Car rien ne permet de penser que la prénommée puisse excuser sa carence. Si l'on entendait protéger un tel assuré, la solution devrait probablement être recherchée dans le sens d'un maintien de l'affiliation jusqu'à réalisation d'un autre motif statutaire de sortie. La reconnaissance d'un droit de libre passage après l'écoulement du délai prévu à l'art. 10 al. 1 LAMA se heurterait en effet au texte non équivoque de cette règle légale. Vu les dispositions internes de la Caissemaladie l'Alliance enfin, peut également rester indécise aujourd'hui la question du point de départ du délai de BGE 100 V 136 S. 139 péremption du droit de libre passage dans le cas de statuts qui prévoiraient qu'un changement de résidence ne met pas immédiatement fin à l'affiliation (mais seulement le dernier jour du mois en cours, p.ex.). En conséquence, l'intimée ne pouvait se prévaloir du droit de libre passage à l'endroit de la Caisse-maladie Helvétia. L'opinion des premiers juges, que les normes sur le libre passage tendent à protéger les assurés et non les caissesmaladie, a le tort d'être absolue. Le but du délai de l'art. 10 al. 1 LAMA est de protéger les caisses d'accueil contre le transfert tardif, voire abusif, de mauvais risques. En effet, dans une caisse-maladie à rayon d'activité limité, il ne serait guère concevable de faire dépendre d'une décision des organes sociaux la sortie de l'assuré quittant ce rayon. Cela conduirait à des excès: une caisse pourrait conserver un assuré qui ne répondrait plus aux exigences territoriales statutaires aussi longtemps qu'il resterait en bonne santé, puis constater sa sortie et s'en débarrasser aux dépens d'une autre caisse dès qu'il tomberait malade. D'où la fixation du point de départ du délai d'extinction du droit de libre passage à la date de survenance du fait qui lui a donné naissance ("nach Eintritt des Freizügigkeitsgrundes"), la date de la délivrance du certificat d'affiliation étant sans incidence sur la naissance du droit.
null
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1,974
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
13c6d531-32de-4c5e-aa8a-b1c1a57cdbd2
Urteilskopf 86 I 289 40. Urteil vom 4. November 1960 i.S. Hänni gegen Kantonale Rekurskommission Bern.
Regeste Wehrsteuer: Vom Roheinkommen des buchführungspflichtigen Kaufmanns können Zuwendungen, die er einer religiösen Gemeinschaft nicht aus geschäftlichen Gründen, sondern um seines Glaubens willen erbringt, nicht abgezogen werden (Art. 22 Abs. 1 lit. f, Art. 23 WStB).
Sachverhalt ab Seite 290 BGE 86 I 289 S. 290 A.- Eduard Hänni ist Inhaber eines Unternehmens der Uhrensteinbranche, wofür er im Handelsregister eingetragen ist. Bei der Veranlagung für die Wehrsteuer der 9. Periode verlangte er, dass seine Vergabungen an die "Fédération des églises adventistes du 7e jour de la Suisse Romande" ("Fédération") nach Art. 22 Abs. 1 lit. f WStB vom Roheinkommen abgezogen werden. Die kantonalen Behörden verweigerten den Abzug. Die Rekurskommission nahm an, der Steuerpflichtige habe die "Fédération", welcher er angehöre, als Privatmann bedacht, nicht als buchführungspflichtiger Geschäftsmann, so dass Art. 22 Abs. 1 lit. f WStB nicht anwendbar sei. Man habe es mit einer Art Kirchensteuern zu tun. B.- Hänni erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde, in der er das Begehren um Abzug seiner Vergabungen an die "Fédération" erneuert. Es wird geltend gemacht, die Rekurskommission verstehe Art. 22 Abs. 1 lit. f WStB nicht richtig. Sie verkenne, dass die geschäftliche und die private Sphäre des Einzelkaufmanns sich überschneiden. Der Beschwerdeführer habe die streitigen Vergabungen machen können, weil er im Geschäft Gewinne erzielt habe. Diese Zuwendungen seien gleich wie solche an das Rote Kreuz oder andere charitative Institutionen zu behandeln. Es sei anerkannt, dass die "Fédération" ausschliesslich gemeinnützigen Charakter habe. Es handle sich keineswegs um Kirchensteuern. C.- Die kantonale Rekurskommission und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach der Ordnung der Wehrsteuer vom Einkommen natürlicher Personen, welche ein zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichtetes Unternehmen betreiben, ist zu unterscheiden zwischen Ausgaben, denen geschäftlicher Charakter zuerkannt werden kann, und solchen, die rein BGE 86 I 289 S. 291 persönlicher Art sind. Die geschäftlichen Unkosten dürfen, wie allgemein die mit der Einkommenserzielung verbundenen Lasten, vom rohen Einkommen abgezogen werden (Art. 22 WStB). Dagegen sind die Kosten des Unterhalts des Steuerpflichtigen und seiner Familie vom Abzug ausgeschlossen (Art. 23 WStB), soweit es sich nicht um Mehrkosten handelt, welche infolge der Berufsausübung notwendig werden (Art. 22 bis WStB). Im gleichen Sinne ist Art. 22 Abs. 1 lit. f WStB zu verstehen, wonach vom Roheinkommen Zuwendungen abgezogen werden, die von einem buchführungspflichtigen Unternehmen für Zwecke der Wohlfahrt des eigenen Personals oder für ausschliesslich gemeinnützige Zwecke gemacht werden, sofern sie für diese Zwecke derart sichergestellt sind, dass jede spätere zweckwidrige Verwendung ausgeschlossen ist. Gemeint sind Leistungen, von denen angenommen werden kann, dass sie aus geschäftlichen Gründen erbracht werden (vgl. Zwischenbericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 31. Oktober 1944, BBl 1944 S. 1214). Vergabungen, welche keinerlei geschäftlichen Charakter haben, sondern zu den persönlichen Ausgaben des Steuerpflichtigen für seinen und seiner Familie Unterhalt gerechnet werden müssen, können nach Art. 23 WStB nicht abgezogen werden. Zu den Kosten des Unterhalts des Steuerpflichtigen und seiner Familie sind auch Ausgaben zu zählen, die einzig und allein zur Befriedigung geistiger, moralischer oder religiöser Bedürfnisse dieser Personen bestimmt sind. So kann der buchführungspflichtige Kaufmann Beiträge, die er wohltätigen Institutionen zukommen lässt, vom Einkommen nicht abziehen, wenn er sie nicht aus irgendwelchen geschäftlichen Erwägungen leistet, sondern ausschliesslich in seiner Eigenschaft als Privatmann, um ein rein persönliches Bedürfnis zu befriedigen. Dasselbe gilt für Zuwendungen an eine Kirche oder eine andere religiöse Gemeinschaft, welcher er oder seine Familie angehört. Werden sie nicht aus geschäftlichen Gründen, sondern allein um das Glaubens dieser Personen willen erbracht, BGE 86 I 289 S. 292 so sind sie zu den Kosten ihres Unterhalts zu rechnen und daher nicht abziehbar, auch wenn sie nicht zu den kantonalen oder kommunalen Einkommens- und Vermögenssteuern (z.B. Kirchensteuern) gehören, welche Art. 23 WStB ausdrücklich vom Abzug ausnimmt. 2. Es wird zutreffen, dass die hier streitigen Zuwendungen von dem zur kaufmännischen Buchführung verpflichteten Unternehmen des Beschwerdeführers für ausschliesslich gemeinnützige Zwecke gemacht worden sind. Die "Fédération", die sie erhalten hat, ist nach Art. 16 Ziff. 3 WStB von der Wehrsteuer befreit, weil anerkannt ist, dass ihr Einkommen und Vermögen Kultus- und anderen ausschliesslich gemeinnützigen Zwecken dient. Indessen muss angenommen werden, dass der Beschwerdeführer die Leistungen nicht aus irgendwelchen geschäftlichen Gründen erbracht hat, sondern einzig deshalb, weil er persönlich, als gläubiger Adventist, der "Fédération" angehört und ihre Ziele daher nach Kräften unterstützen will. Seine Vergabungen an diese Organisation haben den gleichen Charakter wie die Zuwendungen, welche andere religiöse Gemeinschaften von ihren Anhängern erhalten, sei es in Form von Kirchensteuern, sei es in Form freiwilliger Beiträge, die im allgemeinen wie Steuern nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Mitgliedes bemessen werden. Der Beschwerdeführer hat nichts vorgebracht, was eine andere Auffassung rechtfertigen könnte. Die in Frage stehenden Leistungen sind daher zu den persönlichen Ausgaben zu rechnen, welche nach Art. 23 WStB vom Einkommen nicht abgezogen werden können. Wenn sie, wie der Beschwerdeführer geltend macht, aus geschäftlichen Gewinnen stammen, so ist dies unerheblich. Ebensowenig ist von Bedeutung, dass sie in der Geschäftsbuchhaltung aufgezeichnet worden sind. Art. 22 Abs. 1 lit. f WStB ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
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1,960
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
13c840ce-af96-4107-814f-6b94aa7a548e
Urteilskopf 121 IV 317 52. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 21 novembre 1995 dans la cause A. et consorts contre T., R. et Procureur général du canton de Genève (demande de révision)
Regeste Art. 136 ff. OG ; Revision eines Bundesgerichtsentscheides. Eintretensvoraussetzungen. Art. 137 lit. b OG ; neue Tatsachen. Voraussetzungen der Zulässigkeit einer auf diese Bestimmung gestützten Revision. Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG , Art. 270 Abs. 1 BStP , Art. 88 OG . Der angefochtene Strafentscheid kann sich nicht auf die Beurteilung einer Zivilforderung auswirken, wenn die Forderung zufolge Erfüllung der durch Vergleich eingegangenen Verpflichtungen nicht mehr besteht; das Opfer bzw. der Geschädigte ist daher nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG resp. Art. 270 Abs. 1 BStP legitimiert. In einem solchen Fall ist das Opfer bzw. der Geschädigte zur staatsrechtlichen Beschwerde gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG resp. Art. 88 OG nur insoweit legitimiert, als darin die einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommende Verletzung von Verfahrensrechten geltend gemacht wird (E. 3). Art. 31 Abs. 2 OG . Der Anwalt, der Tatsachen, welche für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation erheblich sind, verheimlicht, um für seine Mandanten günstige Entscheide zu erwirken, führt den Prozess im Sinne von Art. 31 Abs. 2 OG böswillig (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 318 BGE 121 IV 317 S. 318 A.- Alors qu'elle recevait des soins à l'hôpital cantonal de Genève le 21 juin 1988, l'enfant V., née le 7 décembre 1987, a subi des lésions neurologiques cérébrales très importantes et durables à la suite d'une injection d'Indéral ayant provoqué un arrêt cardiaque temporaire. Le 7 janvier 1991, les parents de l'enfant, T. et R., ont adressé au Procureur général du canton de Genève une dénonciation pour lésions corporelles graves intentionnelles par dol éventuel, subsidiairement par négligence, contre tous les médecins et infirmières qui avaient eu à s'occuper de l'enfant lors de son hospitalisation le 21 juin 1988. BGE 121 IV 317 S. 319 A l'issue de son enquête, le juge d'instruction a rendu, le 3 décembre 1993, une ordonnance aux termes de laquelle il communiquait la procédure au Procureur général sans procéder à aucune inculpation. Les parents de l'enfant ont recouru auprès de la Chambre d'accusation contre cette décision, concluant principalement à l'inculpation, pour lésions corporelles graves par négligence, des médecins A., B., D., F., C. et E.; subsidiairement, ils ont sollicité des investigations complémentaires. Après avoir recueilli les conclusions des recourants, des personnes mises en cause et du Ministère public, la Chambre d'accusation, par ordonnance du 19 juillet 1994, a rejeté le recours. Les parents de l'enfant ont interjeté contre cette ordonnance à la fois un pourvoi en nullité et un recours de droit public au Tribunal fédéral. Par arrêt du 31 mars 1995, la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral, considérant que les constatations de fait devaient être complétées sur certains points, a admis le pourvoi en application de l' art. 277 PPF et renvoyé la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision, déclarant par ailleurs que le recours de droit public était ainsi sans objet. B.- Ayant eu connaissance de cet arrêt par une convocation de la Chambre d'accusation cantonale du 6 juin 1995, les médecins A., B., C., D., E. et F. ont déposé dans un bureau de poste suisse, le 17 août 1995, une demande fondée sur l' art. 137 let. b OJ tendant à la révision de l'arrêt rendu le 31 mars 1995. N'ayant pas eu l'occasion de s'exprimer devant la Cour de cassation en raison de la procédure prévue par l' art. 277 PPF , ils font valoir que cette autorité a ignoré un fait pertinent pour statuer sur la recevabilité des recours dont elle était saisie. Ils établissent que T., R. et leurs enfants, représentés par leur avocat, ont signé, au mois de mai 1993, avec l'hôpital cantonal de Genève une convention transactionnelle, portant sur une indemnité totale de 850'000 fr., et prévoyant que, "moyennant la bonne et fidèle exécution de cet accord, les soussignés reconnaissent avoir été complètement indemnisés de toutes les conséquences du sinistre susmentionné et renoncent à toute réclamation ultérieure envers quiconque, en particulier l'hôpital cantonal de Genève, ses collaborateurs, soit notamment le Professeur A., les Drs B., C., E. et F. et la Winterthur Société suisse d'assurances". Ils allèguent, sans être contredits, que cette convention a été entièrement exécutée le 1er juin 1993. Ils observent que les parents de l'enfant ne pouvaient former un pourvoi en nullité et un BGE 121 IV 317 S. 320 recours de droit public, sur la base des art. 2 al. 2 let. b et 8 al. 1 let. c LAVI (RS 312.5), que dans la mesure où la sentence pénale attaquée touche leurs prétentions civiles ou peut avoir des effets sur le jugement de ces dernières. Comme les prétentions civiles à l'égard des personnes visées ont ainsi été entièrement liquidées par l'exécution de la convention transactionnelle, la décision pénale ne pouvait plus affecter leurs prétentions civiles, de sorte que les parents n'avaient pas qualité pour recourir et que le pourvoi en nullité et le recours de droit public auraient dus être déclarés irrecevables. Les requérants concluent, avec suite de frais et dépens, à l'annulation de l'arrêt attaqué et à ce que le pourvoi en nullité et le recours de droit public soient déclarés irrecevables. Ils sollicitent par ailleurs l'effet suspensif. Les intimés concluent à l'irrecevabilité et au rejet de la demande. Le Procureur général n'a pas présenté d'observations. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) La première question à résoudre est de savoir si les requérants, qui contestent la qualité pour recourir des parents de l'enfant, ont eux-mêmes qualité pour demander la révision. La révision d'un arrêt du Tribunal fédéral est régie par les art. 136 ss OJ , même lorsqu'il s'agit d'un arrêt de la Cour de cassation pénale rendu sur un pourvoi en nullité ( art. 278bis PPF ). Comme le droit suisse ne connaît en principe pas l'action populaire, il faut admettre, même si la loi ne le dit pas expressément, que la révision ne peut être demandée que par une partie à la procédure ayant conduit à l'arrêt mis en cause (POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire OJ, titre VII no 4 p. 11 et la référence citée). Il faut encore, comme pour l'exercice de toute voie de droit, que le requérant ait un intérêt digne de protection, en particulier que l'admission de la demande soit de nature à modifier la situation dans un sens qui lui est favorable ( ATF 114 II 189 consid. 2; POUDRET/SANDOZ-MONOD, op.cit., loc.cit.). Selon l' art. 23 CPP /GE, les parties au procès pénal sont le procureur général, la partie civile et l'inculpé. Les requérants n'ont aucune de ces qualités, puisque, précisément, aucune inculpation n'a été prononcée (cf. art. 134 CPP /GE). Toutefois, l' art. 191 al. 1 let . c CPP/GE assimile aux parties la personne qui fait l'objet de la dénonciation notamment dans le cas de l' art. 137 BGE 121 IV 317 S. 321 CPP /GE. Or, l' art. 137 CPP /GE vise l'hypothèse où le juge d'instruction, comme c'est le cas en l'espèce, refuse d'inculper une personne. Il résulte clairement de l'ordonnance de la Chambre d'accusation que les parents ont attaqué la décision du juge d'instruction qui refusait de prononcer une inculpation, en concluant expressément et nommément à l'inculpation de chacun des requérants. Etant ainsi visés, les requérants avaient les droits d'une partie devant la Chambre d'accusation, en application de l' art. 191 al. 1 let . c CPP/GE, et c'est bien pour cette raison qu'ils ont été admis à s'exprimer et à prendre des conclusions. Les requérants avaient donc les droits d'une partie dans la procédure cantonale. Il n'y a pas de raison de définir différemment les parties lorsqu'une cause pénale cantonale est portée devant le Tribunal fédéral. La question qui avait été soumise à la Cour de cassation portait sur l'inculpation des requérants. Le refus de les inculper avec décision de soit-communiqué ( art. 137 et 185 al. 1 CPP /GE) ayant été annulé, l'instruction préparatoire reprenait à leur encontre. Les requérants ont donc un intérêt digne de protection à montrer que les intimés se sont adressés au Tribunal fédéral sans avoir qualité pour le faire et qu'ils ont ainsi prolongé sans droit les inquiétudes découlant pour eux de la procédure pénale, ainsi que le risque d'être inculpés et poursuivis. L'admission de la demande est propre à modifier cette situation. En conséquence, les requérants ont qualité pour demander la révision. b) Fondée sur l' art. 137 let. b OJ , la demande répond aux exigences de forme de l' art. 140 OJ . La conclusion et l'exécution de la convention invoquée par les requérants ne ressortaient pas du dossier soumis au Tribunal fédéral dans le cadre de la procédure ayant abouti à l'arrêt dont la révision est demandée; l' art. 136 let . d OJ n'entre donc pas en ligne de compte, de sorte que l' art. 141 let. a OJ , qui prévoit un délai de 30 jours pour le dépôt de la demande, n'est pas applicable. Comme les requérants n'ont reçu l'arrêt que par une communication du 6 juin 1995 - ce qui n'est pas contesté -, il n'est pas douteux que la demande déposée le 17 août 1995 est intervenue dans le délai de 90 jours prévu par l' art. 141 al. 1 let. b OJ . La demande de révision est donc recevable. 2. Selon l' art. 137 let. b OJ , il y a lieu à révision notamment lorsque le requérant a connaissance subséquemment de faits nouveaux importants qu'il BGE 121 IV 317 S. 322 n'avait pas pu invoquer dans la procédure précédente. Il faut donc des faits nouveaux importants. Un fait doit être qualifié de nouveau au sens de cette disposition s'il existait déjà lorsque l'arrêt a été rendu, mais qu'il n'a pas été porté à la connaissance du Tribunal fédéral (POUDRET/SANDOZ-MONOD, op.cit., art. 137 no 2.2.3 p. 27; ATF 88 II 60 consid. 2b p. 64). En l'espèce, la conclusion de la convention transactionnelle et son exécution constituent des faits, qui s'étaient produits avant le 31 mars 1995, mais qui n'ont pas été portés à la connaissance du Tribunal fédéral (cf. supra, consid. 1b). Il s'agit donc de faits nouveaux. Un fait est important, au sens de l' art. 137 let. b OJ , s'il est propre à entraîner une modification de l'état de fait à la base du jugement et, ainsi, une modification de l'arrêt en faveur du requérant ( ATF 118 II 205 consid. 5; POUDRET/SANDOZ-MONOD, op.cit., art. 137 no 2.2 p. 27). Comme une victime (ou une personne qui y est assimilée) ne peut exercer les mêmes droits de recours qu'un accusé que dans la mesure où la sentence pénale attaquée touche ses prétentions civiles ou peut avoir des effets sur le jugement de ces dernières ( art. 8 al. 1 let . c LAVI), il était pertinent, pour statuer sur la recevabilité des recours, de savoir si le sort des prétentions civiles avait déjà été liquidé (cf. ATF 120 IV 44 consid. 4). Les faits nouveaux établis sont donc importants, puisqu'ils peuvent conduire à mettre fin à la procédure pénale. Saisie d'un pourvoi en nullité, la Cour de cassation est en principe liée par les constatations de fait cantonales ( art. 277bis al. 1 PPF ) et ne procède elle-même qu'exceptionnellement à la constatation des faits; cela n'exclut toutefois pas la révision lorsque, comme c'est le cas en l'espèce, les faits nouveaux importants qui sont invoqués concernent des faits que, par exception, la Cour de cassation devait élucider, en particulier les faits qui ne sont pertinents que devant elle et qui déterminent les conditions de recevabilité du pourvoi (POUDRET/SANDOZ-MONOD, op.cit., titre 7 no 2.1 p. 5 et art. 137 no 2.1 p. 25). Il en va de même dans le cas du recours de droit public ( ATF 118 Ia 366 consid. 2, ATF 118 II 477 consid. 1). Pour que la révision soit admise sur la base de l' art. 137 let. b OJ , il faut encore, selon le texte de cette disposition, que les requérants n'aient pas pu invoquer les faits dans la procédure précédente (cf. POUDRET/SANDOZ-MONOD, op.cit., art. 137 no 2.2.5 p. 29). Comme la Cour de cassation a appliqué la procédure prévue par l' art. 277 PPF , c'est-à-dire BGE 121 IV 317 S. 323 qu'elle a annulé la décision attaquée sans communiquer le mémoire aux intéressés, les requérants n'ont eu aucune possibilité de s'exprimer et de révéler à la Cour de cassation les faits qui lui étaient inconnus et ils n'avaient pas de raison de les invoquer dans la procédure cantonale, où ces faits étaient sans pertinence. En conséquence, on ne saurait reprocher aux requérants d'avoir tardé à invoquer les faits dont ils se prévalent. Le motif de révision prévu par l' art. 137 let. b OJ étant ainsi réalisé, l'arrêt attaqué doit être annulé et il convient de statuer à nouveau, y compris sur les frais et dépens ( art. 144 al. 1 OJ ). 3. a) Les père et mère de l'enfant qui a subi une atteinte directe à son intégrité corporelle sont assimilés à des victimes, pour ce qui est des droits dans la procédure, par l' art. 2 al. 2 let. b LAVI . Ils ne le sont cependant que "dans la mesure où ces personnes peuvent faire valoir des prétentions civiles contre l'auteur de l'infraction". De toute manière, une victime ne peut exercer les mêmes recours que l'accusé qu'à certaines conditions, notamment dans la mesure où la sentence attaquée "touche ses prétentions civiles ou peut avoir des effets sur le jugement de ces dernières" ( art. 8 al. 1 let . c LAVI). L' art. 270 al. 1 PPF n'ouvre d'ailleurs la voie du pourvoi en nullité au lésé que dans la mesure où la décision pénale attaquée peut avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles. La qualité pour se pourvoir en nullité d'une victime, d'une personne assimilée à la victime ou d'un lésé ne peut donc être admise que si la décision attaquée peut affecter le jugement de sa prétention civile. La décision attaquée ne peut évidemment avoir un effet négatif sur le jugement de l'action civile que pour autant que cette dernière existe ou existe encore; si la prétention civile a déjà été tranchée par un jugement entré en force ou si la créance invoquée est éteinte pour n'importe quel motif, il ne peut plus être question d'un effet sur le jugement des prétentions civiles (CORBOZ, Le pourvoi en nullité interjeté par le lésé, SJ 1995 p. 147). En l'espèce, il est maintenant établi que les parents, agissant tant en leur propre nom qu'au nom de leurs enfants, ont passé une transaction et reçu l'indemnité convenue pour solde de tous comptes. Ils ne prouvent nullement que cette convention serait nulle ou aurait été invalidée en temps utile pour un motif admissible en droit des obligations. Une transaction supposant d'ailleurs des concessions réciproques sur des incertitudes de fait ou de droit, une erreur ne pourrait normalement pas être invoquée (cf. ATF 114 Ib 74 consid. 2b p. 79, ATF 114 II 189 consid. 2 p. 191). Dans le cadre de cette transaction, dont il n'est pas contesté BGE 121 IV 317 S. 324 qu'elle ait été exécutée, l'hôpital cantonal a obtenu, par une forme de stipulation pour autrui, que les parents et leurs enfants renoncent (remise de dette) à toute prétention civile contre les médecins et le personnel soignant, ce dont les requérants peuvent se prévaloir. Dès lors, on ne voit pas comment les parents de l'enfant pourraient encore former une prétention civile contre les personnes dont ils demandent l'inculpation. En conséquence, l'ordonnance de la Chambre d'accusation ne peut pas avoir d'effet sur leurs prétentions civiles, de sorte qu'ils n'ont pas qualité pour se pourvoir en nullité. Contrairement à ce que suggèrent les intimés, la qualité pour recourir est régie par la loi et ne peut pas être étendue par une éventuelle réserve dans le cadre d'une transaction. b) Pour les mêmes motifs, les parents de l'enfant ne peuvent former un recours de droit public en fondant leur qualité pour recourir sur l' art. 8 al. 1 let . c LAVI (cf. ATF 120 Ia 101 ss). Comme le droit de punir n'appartient qu'à l'Etat, le lésé n'est pas atteint dans un droit qui lui soit propre - comme le requiert l' art. 88 OJ - par une décision pénale qu'il juge trop favorable à l'accusé; il n'a donc pas qualité pour se plaindre, sur la base de l' art. 88 OJ , de l'appréciation des preuves et des conséquences qui en ont été tirées ( ATF 120 Ia 101 ss et les arrêts cités; CORBOZ, op.cit., p. 152). Celui qui n'a pas qualité pour recourir sur le fond ne pourrait interjeter un recours de droit public qu'en invoquant une violation, équivalant à un déni de justice formel, d'un droit procédural qui lui est reconnu en tant que partie par le droit cantonal ou qui peut être déduit directement de l' art. 4 Cst. ( ATF 120 Ib 27 consid. 3a p. 33, ATF 120 Ia 101 consid. 3b p. 110, 157 consid. 2a/aa, 220 consid. 2a, 227 consid. 1). En l'espèce cependant, les recourants ne se plaignaient pas de la violation d'un droit procédural, mais seulement d'une appréciation arbitraire des preuves; comme le Tribunal fédéral, saisi d'un recours de droit public, n'examine que les griefs d'ordre constitutionnel invoqués devant lui ( ATF 118 Ia 64 consid. 1b, ATF 117 Ia 393 consid. 1c, 412 consid. 1c et les arrêts cités), il apparaît que les recourants ne soulevaient aucun grief qu'ils étaient légitimés à invoquer, de sorte que le recours de droit public doit également être déclaré irrecevable. 4. Les recourants succombent sur le pourvoi en nullité, le recours de droit public et la demande de révision, de sorte que l'ensemble des frais de procédure qu'ils ont provoqués doit être mis à leur charge ( art. 156 al. 1 OJ , art. 278 al. 1 PPF ). BGE 121 IV 317 S. 325 L'avocat des recourants, en se référant expressément à l' art. 8 LAVI dans le recours de droit public et aux art. 2 LAVI et 270 PPF dans le pourvoi en nullité, a dissimulé des faits pertinents pour juger de la qualité de ses mandants à recourir, usant ainsi de mauvaise foi pour obtenir des décisions favorables à ceux-ci, et cela alors que précédemment, après avoir reçu un avertissement, il avait déjà été sanctionné à deux reprises. Dès lors, après qu'occasion lui a été donnée de se déterminer à ce sujet, il sera condamné à une amende disciplinaire en application de l' art. 31 al. 2 OJ . Une indemnité sera allouée aux requérants, déterminée en tenant compte du fait qu'ils ne sont intervenus que dans la procédure de révision et qu'ils ont présenté une seule écriture commune ( art. 159 al. 1 OJ ). La cause étant ainsi tranchée, la requête d'effet suspensif est sans objet.
null
nan
fr
1,995
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CH
Federation
13ca2174-dd12-4288-934c-5b5a32a70769
Urteilskopf 106 Ib 26 6. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Januar 1980 i.S. Aktionskomitee N 14 und Mitbeteiligte gegen Kanton Luzern und Regierungsrat des Kantons Luzern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Projektierung von Nationalstrassen-Anschlüssen. Legitimation der Grundeigentümer, deren Grundstücke im Perimeter einer nationalstrassenbedingten Landumlegung liegen, zur Anfechtung des Einsprachenentscheides gemäss Art. 28 Abs. 2 NSG (E. 10). Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann gerügt werden, es sei zu Unrecht kantonales statt Bundesrecht angewendet worden (E. 11; Bestätigung der Rechtsprechung). Die Projektierung von Anschlüssen als Bestandteilen der Nationalstrassen ist ausschliesslich gestützt auf das Nationalstrassengesetz vorzunehmen (E. 12). Schwierigkeiten, die bei Anwendung kantonalen Rechtes beim Landerwerbsverfahren entstünden (E. 12d).
Sachverhalt ab Seite 27 BGE 106 Ib 26 S. 27 Im Dezember 1975 legte der Regierungsrat des Kantons Luzern dem Bundesrat ein abgeändertes generelles Projekt für die Teilstrecke Sedel-Gisikon der Nationalstrasse N 14 zur Genehmigung vor. Die Änderung gegenüber dem ersten Projekt vom Januar 1966 bestand im wesentlichen in einer neuen Linienführung; zudem waren im neuen Projekt bei Sedel und Buchrain zusätzliche Anschlüsse an die N 14 vorgesehen. Der Bundesrat genehmigte am 10. August 1977 das abgeänderte generelle Projekt, hielt jedoch in Ziffer 3 seines Beschlusses folgendes fest: "Die gegenüber dem genehmigten generellen Projekt vom 4. Januar 1966 neu in die Pläne aufgenommenen Ortsanschlüsse Sedel und Buchrain sind nicht Gegenstand dieser Genehmigung. Es bleibt jedoch dem Kanton Luzern unbenommen, nach kantonalem Recht planerische Massnahmen für einen eventuellen zukünftigen Bau dieser Anschlüsse zu treffen. Für die Ausführung der Anschlüsse und eine eventuelle Kostenbeteiligung des Bundes bleibt ein weiterer Beschluss des Bundesrates vorbehalten." Das nach der Genehmigung des generellen Projektes erarbeitete Ausführungsprojekt wurde entsprechend den Art. 26 und 27 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen (NSG) im März/April 1978 öffentlich aufgelegt. Gleichzeitig erfolgte eine Planauflage gemäss § 76 des kantonalen Strassengesetzes für ein gegenüber dem ursprünglichen Projekt reduziertes Anschlusswerk in Buchrain, nämlich für einen sog. Halbanschluss mit einer Zu- und einer Wegfahrtspur in bzw. aus Richtung Luzern. Mit Beschluss vom 14. August 1978 wies der Luzerner Regierungsrat die gegen das Ausführungsprojekt erhobenen Einsprachen grösstenteils ab. Gestützt auf das kantonale Strassengesetz entschied der Regierungsrat am gleichen Tage ebenfalls weitgehend negativ über die Einsprachen, die gegen den Bau des Anschlusses Buchrain eingereicht worden waren (Protokoll Nr. 2004). Das Aktionskomitee N 14, Buchrain, die Einwohnergemeinde Buchrain und 24 Grundeigentümer haben den BGE 106 Ib 26 S. 28 Einsprachenentscheid Prot. Nr. 2004 des Luzerner Regierungsrates mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten. Die Beschwerdeführer rügen im wesentlichen, der Regierungsratsbeschluss sei zu Unrecht gestützt auf kantonales Recht statt in Anwendung von Bundesrecht ergangen; sie stellen den Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Halbanschluss Buchrain fallen zu lassen, eventuell sei der Anschluss nach Nationalstrassengesetz zu projektieren und aufzulegen, nachdem ein verkehrstechnisches Gutachten über den in der Gemeinde Buchrain zu erwartenden Verkehr erstellt worden sei. Das Bundesgericht hebt den angefochtenen Entscheid auf. Erwägungen Aus den Erwägungen: 10. Zur Frage der Legitimation der Beschwerdeführer, den Regierungsratsbeschluss Nr. 2004 anzufechten, mit welchem die gegen den Halbanschluss Buchrain erhobenen Einsprachen beurteilt wurden, enthält die Beschwerde keine besonderen Ausführungen. Es wird einzig auf den Umstand hingewiesen, dass die Beschwerdeführer Eigentümer von in der Nähe der Autobahn liegenden Parzellen seien. Aus dem angefochtenen Entscheid geht indessen hervor, dass der für den Nationalstrassenbau benötigte Boden auf dem Wege der Landumlegung erworben werden soll und dass auch die Realersatzwünsche der Grundeigentümer, die Land für die Erstellung der nach kantonalem Recht projektierten Anschlüsse abzutreten haben, im Güterzusammenlegungsverfahren berücksichtigt werden sollen; das heisst, dass die für den Bau der Anschlüsse beanspruchten Parzellen faktisch in den Güterzusammenlegungs-Perimeter aufgenommen werden. Wie schon in E. 2 erwähnt, sind die Grundeigentümer, deren Grundstücke im Perimeter eines nationalstrassenbedingten Landumlegungsverfahrens liegen, zur Anfechtung des Einsprachenentscheides legitimiert, wobei unerheblich ist, ob mit der Beschwerde materielle oder Verfahrensfragen aufgeworfen werden ( BGE 97 I 579 E. 1b). Nun liegt zwar der Perimeterplan nicht bei den Akten und es ist nicht bekannt, ob ein solcher überhaupt schon bestehe. Aus der Landerwerbstabelle und den -plänen geht jedoch hervor, dass verschiedene Grundstücke der Beschwerdeführerin Papierfabrik Perlen AG auf dem Trasse der zukünftigen BGE 106 Ib 26 S. 29 Nationalstrasse liegen und somit notwendigerweise in das Landumlegungsverfahren einbezogen werden müssen. Ist daher zumindest die Papierfabrik Perlen AG legitimiert, so ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. Ob auch die übrigen Beschwerdeführer zur Beschwerde befugt seien, kann offenbleiben, da in der Beschwerdeschrift für alle die gleichen Einwendungen erhoben werden. 11. Die Beschwerdeführer rügen, dass das Ausführungsprojekt für das Anschlusswerk Buchrain nach den Vorschriften des Nationalstrassengesetzes und nicht nach kantonalem Recht hätte aufgelegt werden müssen. Die Anwendung von kantonalem statt von Bundesrecht sei eine Bundesrechtsverletzung. Diese Rüge ist zulässig und kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden ( BGE 96 I 689 f. E. 1a; BGE 105 Ib 107 E. 1a, BGE 100 Ib 120 , 448 E. 2b). 12. a) Nach Art. 6 NSG gehören zu den Nationalstrassen neben dem Strassenkörper alle Anlagen, die zur technisch richtigen Ausgestaltung der Strassen erforderlich sind, darunter insbesondere auch die Anschlüsse, d.h. die Bauwerke zur kreuzungsfreien Verbindung wichtiger Strassen mit den Nationalstrassen (vgl. Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Nationalstrassen vom 3. Juli 1959, BBl II 1959, S. 110). Art. 3 der Verordnung zum NSG präzisiert, dass "je nach Ausbauform" der Nationalstrassen auch Anschlüsse (lit. c) als deren Bestandteile gelten. Dies trifft jedenfalls für Nationalstrassen erster Klasse, die die höchste Ausbauform aufweisen, aber auch für Nationalstrassen zweiter Klasse zu, da diese gemäss Art. 3 NSG ebenfalls nur an besonderen Anschlussstellen zugänglich sind. Die Planung und Projektierung von Anschlüssen als Bestandteile der Nationalstrassen richtet sich nach den Vorschriften des Nationalstrassengesetzes. Die Frage, wo und welche Anschlusswerke vorzusehen seien, ist bereits im Rahmen der generellen Projektierung, die vom Eidgenössischen Amt für Strassen- und Flussbau in Zusammenarbeit mit den interessierten Bundesstellen und Kantonen durchgeführt wird, zu prüfen. Art. 12 NSG schreibt ausdrücklich vor, dass aus den Plänen des generellen Projektes insbesondere die Linienführung der Strasse, die Anschlussstellen und die Kreuzungsbauwerke ersichtlich sein müssen. Nach Art. 12 der Verordnung zum NSG soll das generelle Projekt womöglich so genau ausgearbeitet BGE 106 Ib 26 S. 30 und im Bereinigungsverfahren ( Art. 19 NSG ) derart festgelegt werden, dass keine wesentlichen Verschiebungen u.a. der Anschlussstellen mehr zu erwarten sind. Können sich die Planungsbehörden des Bundes und der Kantone über ein generelles Projekt oder einzelne Bestandteile nicht einigen, so entscheidet der Bundesrat über die streitigen Fragen (Art. 15 der Verordnung zum NSG). Die generellen Projekte bedürfen schliesslich der Genehmigung des Bundesrates, ohne die die nachfolgende Detailprojektierung nicht an die Hand genommen werden kann ( Art. 20, 21 NSG ). Das Bundesrecht enthält somit eine abschliessende Regelung über die Projektierung von Nationalstrassen-Anschlüssen und lässt für die Anwendung kantonalen Rechtes keinen Raum. Dies steht in Übereinstimmung mit dem in der Verfassung ( Art. 36bis BV ) vorgezeichneten und vom Bundesgesetzgeber befolgten Grundsatz der Kompetenzaufteilung, dass die Planung bzw. Gesamtprojektierung der Nationalstrassen Sache des Bundes, deren Bau und Unterhalt Sache der Kantone sei (vgl. Sten. Bull. N 1959, S. 665, Voten der Berichterstatter Brawand und Rosset). b) Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat im angefochtenen Entscheid eingeräumt, dass der umstrittene Halbanschluss Bestandteil der N 14 sei. Das Projekt für ein Anschlusswerk wurde denn auch im Zusammenhang mit der Abänderung des ersten generellen Projektes für die Teilstrecke Sedel-Buchrain der N 14 geschaffen und in dieses aufgenommen. Erst nachdem der Bundesrat den Anschluss Buchrain - aus Gründen, die aus den vorgelegten Akten nicht klar hervorgehen - von der Genehmigung des generellen Projektes ausgenommen hatte, erarbeiteten die kantonalen Behörden gestützt auf das kantonale Recht das Projekt für den fraglichen Halbanschluss. Nach Auffassung des Regierungsrates lässt sich dieses Vorgehen einerseits auf Grund von Ziffer 3 des bundesrätlichen Genehmigungsbeschlusses, andererseits im Hinblick auf Art. 44 NSG rechtfertigen. Ausserdem hält der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung fest, dass die Beschwerdeführer den Genehmigungsentscheid des Bundesrates wegen Bundesrechtsverletzung hätten anfechten müssen. - Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Das Nationalstrassengesetz enthält keine Bestimmung, die den Bundesrat ermächtigen würde, den Kantonen zu gestatten, BGE 106 Ib 26 S. 31 Projektierungs- und Auflageverfahren für Nationalstrassenteile nach kantonalem Recht durchzuführen. Die Möglichkeit, bei der Projektierung von Nationalstrassen alternativ neben dem Bundesrecht auch kantonale Vorschriften anzuwenden, müsste aber entweder im Gesetz ausdrücklich vorgesehen sein oder könnte allenfalls nur bei Vorliegen einer echten Gesetzeslücke geschaffen werden; beides trifft, wie dargelegt, nicht zu. Ob Ziffer 3 des Bundesratsbeschlusses überhaupt die Bedeutung zukam, die ihr der Luzerner Regierungsrat beigelegt hat, oder ob der Bundesrat den kantonalen Behörden nicht lediglich die vorsorgliche Freihaltung des Strassenraumes durch kantonalrechtliche Vorkehren (vgl. Art. 14 Abs. 2 NSG ) nahelegen wollte, ist übrigens fraglich. Art. 44 NSG regelt das Verfahren für künftige bauliche Massnahmen und fällt im vorliegenden Fall, wo ein Anschluss gleichzeitig mit dem Bau des Nationalstrassenkörpers erstellt werden soll, nicht in Betracht. Im übrigen gilt diese Bestimmung nur für bauliche Umgestaltungen im Bereiche der Nationalstrassen, während für bauliche Änderungen der Nationalstrassen selbst nach Art. 46 der Verordnung zum NSG sinngemäss die Bestimmungen über die Ausarbeitung und die Genehmigung der generellen Projekte und der Ausführungsprojekte anzuwenden sind. Auch das Argument, die Beschwerdeführer hätten den Genehmigungsbeschluss des Bundesrates wegen Bundesrechtsverletzung anfechten müssen, ist nicht stichhaltig, da das Nationalstrassengesetz kein Rechtsmittel vorsieht, das gegen ein generelles Projekt bzw. gegen dessen Genehmigung ergriffen werden könnte ( BGE 97 I 578 ; BGE 99 Ib 207 f.). c) Zu Recht weisen die Beschwerdeführer darauf hin, dass den betroffenen Grundeigentümern durch die Unterstellung des Anschlusses Buchrain unter das kantonale Recht das Rechtsmittel der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht entzogen werde. Könnten die Abklärungen, ob ein Bedürfnis für den Bau eines Anschlusses bestehe, die Abwägung der im Spiele stehenden Interessen und die Festsetzung von Art und Lage des Anschlusswerkes tatsächlich nach kantonalem Planungsrecht vorgenommen werden, so wäre ein entsprechender letztinstanzlicher kantonaler Entscheid nur mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar. Die Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht, die allein eine in BGE 106 Ib 26 S. 32 rechtlicher Hinsicht uneingeschränkte Überprüfung des Ausführungsprojektes ermöglicht, müsste jedenfalls in bezug auf die genannten Planungsbereiche ausgeschlossen werden. d) Schliesslich führt der Weg, den der Luzerner Regierungsrat eingeschlagen hat, zu erheblichen Schwierigkeiten beim Landerwerbsverfahren. Der Regierungsrat sieht nach den Erwägungen im angefochtenen Entscheid vor, für den Halbanschluss Buchrain ein Landerwerbsverfahren nach § 77 des kantonalen Strassengesetzes durchzuführen, den Realersatzbegehren jedoch im Rahmen der nationalstrassenbedingten Landumlegung Rechnung zu tragen. Kann aber das für den Nationalstrassenbau benötigte Land nicht auf gütlichem Wege erworben oder können im Rahmen einer nationalstrassenbedingten Landumlegung nicht alle Ersatzansprüche gedeckt werden, so ist ein bundesrechtliches Enteignungsverfahren durchzuführen ( Art. 30 und 39 NSG , Art. 23 der Verordnung zum NSG). Den Grundeigentümern, die Land für den Anschluss Buchrain als Teil der N 14 abzutreten haben, steht somit im Falle, dass eine Einigung nicht zustande kommt, ein Anspruch darauf zu, dass nicht die kantonale, sondern die eidgenössische Schätzungskommission tätig werde, deren Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht weitergezogen werden kann ( Art. 77 EntG ). Die Grundeigentümer könnten sich demnach wirksam gegen ein Landerwerbsverfahren nach § 77 des kantonalen Strassengesetzes zur Wehr setzen. Andererseits ist aber eine Anrufung der eidgenössischen Schätzungskommission im Anschluss an das gemäss kantonalem Recht durchgeführte Projektierungsverfahren auf Grund von Art. 39 Abs. 2 NSG ausgeschlossen, da der Präsident der Schätzungskommission das Enteignungsverfahren nur eröffnen kann, wenn er im Besitze der Pläne des nach Behandlung der Einsprachen genehmigten Ausführungsprojektes ( Art. 27 und 28 NSG ) ist. Und endlich können die Grundeigentümer auch nicht zur Durchführung einer Landumlegung gezwungen werden, da eine solche jedenfalls im Sinne von Art. 36 NSG nur in vom Bundesrecht beherrschten Verfahren verfügt werden kann. 13. Eine Heilung des festgestellten Verfahrensmangels ist, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, ausgeschlossen. Zwar könnte die Verkürzung der Rechte der Beschwerdeführer durch eine materielle Behandlung ihrer Rügen im BGE 106 Ib 26 S. 33 Verwaltungsgerichtsverfahren behoben werden. Doch würde dies nichts daran ändern, dass für das umstrittene Ausführungsprojekt eine Genehmigung des Bundesrates, die im Rahmen der generellen Projektierung notwendigerweise erteilt werden muss, nicht vorliegt. Das Verfahren zur Erstellung des Halbanschlusses Buchrain kann daher nicht ohne Korrektur des vorausgegangenen Verfahrens rechtmässig weitergeführt werden, weshalb der angefochtene Regierungsratsbeschluss aufzuheben ist. Unter diesen Umständen hat sich das Bundesgericht mit den materiellen Rügen, die die Beschwerdeführer erhoben haben, nicht mehr zu befassen. Ebensowenig braucht es auf die weiteren in der Beschwerde gestellten Anträge einzutreten. Es ist nicht Sache des Bundesgerichtes, sondern der zur Planung zuständigen kantonalen und Bundesbehörden, darüber zu entscheiden, ob der Halbanschluss Buchrain fallen zu lassen oder ob die Projektierung nach Bundesrecht zu wiederholen sei und welche vorgängigen Abklärungen in diesem Falle getroffen werden müssen.
public_law
nan
de
1,980
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
13cdda9a-a209-45fe-85e9-782cd127872a
Urteilskopf 115 IV 108 25. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 30 août 1989 dans la cause X. contre Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité)
Regeste Art. 138 StGB ; Entwendung. Die Tatsache, dass der Täter in Bereicherungsabsicht gehandelt hat, schliesst die Anwendung dieser Bestimmung nicht aus (E. 3) (Änderung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 108 BGE 115 IV 108 S. 108 A.- A deux occasions, au cours des mois d'avril et de mai 1987, X. a accompagné Y. au garage exploité par Z. où Y. a forcé un automate de distribution afin d'y prélever de l'essence. Dans les deux cas, X. a pris entre vingt et trente litres de carburant pour son usage personnel. Z. a déposé plainte le 27 avril 1987 et l'a retirée le 2 novembre 1987, après avoir été dédommagé pour le prix de l'essence soustraite ainsi que pour les frais de réparation de l'automate. BGE 115 IV 108 S. 109 B.- Par jugement du 16 décembre 1988, le Tribunal de police du district de Nyon a reconnu X. coupable de vol et l'a condamné à une amende de 300 francs, avec délai de radiation de 2 ans, ainsi qu'au paiement de sa part des frais de la cause, par 238 francs 75. X. a recouru contre ce jugement auprès de la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois qui, en date du 3 avril 1989, a rejeté le recours et confirmé le jugement de première instance. C.- X. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il conclut à l'annulation de l'arrêt du 3 avril 1989 et au renvoi de la cause aux autorités cantonales compétentes pour nouvelle instruction et décision dans le sens des considérants. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. Erwägungen Extrait des considérants: 2. Selon les constatations de l'autorité inférieure, qui lient le Tribunal fédéral en vertu de l' art. 277bis PPF , le recourant a soustrait au total une cinquantaine de litres d'essence. Ses deux infractions ne constituant pas un délit successif, les valeurs obtenues dans les deux cas ne doivent pas être additionnées ( ATF 98 IV 28 ). Il est dès lors manifeste que l'essence soustraite par le recourant représente dans chacun des cas une chose mobilière de peu de valeur au sens de l' art. 138 CP . L'autorité cantonale l'a au demeurant admis bien qu'elle ait retenu comme valeur soustraite la somme des fruits des deux infractions. 3. La question à trancher est celle de savoir si l'on doit admettre que le recourant, à l'instar de la majeure partie de ses coaccusés, a agi par légèreté, le seul des motifs prévus à l' art. 138 CP qui puisse entrer en considération en l'espèce. L'autorité cantonale l'a nié pour deux raisons: d'une part parce qu'il avait agi à deux reprises et, d'autre part, parce que la soustraction n'avait été possible qu'à la suite d'une manipulation de l'appareil distributeur. Le recourant tient cette argumentation pour erronée et relève que tous ses coaccusés ont soustrait de l'essence grâce à une manipulation de l'appareil et que, si tous n'ont agi qu'une fois sur le territoire vaudois, l'un d'eux avait déjà fait l'objet de poursuites pour des actes similaires qu'il a reconnu avoir commis dans le canton de Genève. La jurisprudence a défini la légèreté comme étant le fait de celui qui agit inconsidérément, de manière irréfléchie, ce qui peut être BGE 115 IV 108 S. 110 déduit de circonstances extérieures particulières aussi bien que du caractère ou de la mentalité de l'auteur ( ATF 92 IV 92 consid. 1). Le même arrêt précise que celui qui commet l'infraction exclusivement, ou du moins principalement, dans un dessein d'enrichissement illégitime n'agit pas par légèreté. Ce point de vue, qui est celui de LOGOZ (Partie spéciale I, p. 110), n'est toutefois pas partagé par la majorité de la doctrine qui estime que l'on confond ainsi le dessein de l'auteur, savoir l'enrichissement, avec les motifs qui le poussent à agir et à rechercher cet enrichissement illégitime, qui peuvent être ceux énumérés à l' art. 138 CP (NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, p. 144; REHBERG, Strafrecht III, 4e éd., p. 45; SCHUBARTH, Die Sytematik der Aneignungsdelikte, Bâle et Stuttgart 1968, p. 67; SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, 2e éd., p. 334 No 543; SCHWEIZER, Die Entwendung, Bâle 1979, p. 107 s.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, 3e éd., p. 211 note 133). La plupart de ces auteurs vont même plus loin puisque pour eux le dessein d'enrichissement est un des éléments constitutifs du larcin au sens de l' art. 138 CP . L'opinion contraire soutenue dans l'arrêt publié aux ATF 92 IV 92 ne peut être maintenue car elle aurait pour conséquence que dans certains cas la soustraction d'un objet de peu de valeur devrait être sanctionnée en vertu de l' art. 138 CP , dans la mesure où l'auteur aurait obéi à l'un des mobiles prévus par cette disposition, alors que les mêmes actes portant sur un bien mobilier d'une valeur plus importante ne pourraient pas être réprimés comme vol, faute d'avoir été commis dans un dessein d'enrichissement illégitime. Dès lors, le fait que, comme le relève l'autorité inférieure, le recourant ait agi dans le but de se procurer de l'essence à bon compte n'empêche pas qu'il ait agi avec légèreté, pas plus que la répétition des actes n'est suffisante pour exclure l'application de l' art. 138 CP ( ATF 68 IV 135 , consid. 3 et ATF 68 IV 100 , consid. 2). Ce qui est déterminant est de savoir si, dans chacun des cas, l'auteur a agi inconsidérément et de manière irréfléchie. C'est exclusivement dans le cadre de cet examen que la répétition des actes peut être prise en considération. En l'espèce, il appert que, dans les deux cas, le recourant s'est rendu en compagnie d'un de ses coaccusés, qu'il savait connaître un moyen d'obtenir de l'essence gratuitement, à une station choisie en raison de sa situation jugée propice. On doit donc admettre qu'il n'a pas agi dans un moment d'irréflexion mais, au contraire, en suivant une certaine planification, ce qui exclut la légèreté (RSJ BGE 115 IV 108 S. 111 53/1957 p. 276 No 124; SCHWANDER, Das schweizerische Strafgesetzbuch, 2e éd., p. 123). C'est donc a juste titre que l'autorité cantonale a qualifié de vol au sens de l' art. 137 CP les actes commis par le recourant.
null
nan
fr
1,989
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
13cf31da-4221-4371-ac2a-3bf7c8594a58
Urteilskopf 114 Ib 261 40. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 16 décembre 1988 en la cause H. et consorts c. Genève, Tribunal administratif et préposé au registre du commerce (recours de droit administratif)
Regeste Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. 1. Gemäss Art. 18 Abs. 1 und 2 BewG ("Lex Friedrich") darf der Handelsregisterführer die Eintragung einer Gesellschaft nur vornehmen, wenn die Bewilligungspflicht ohne weiteres ausgeschlossen ist (E. 2). In allen übrigen Fällen muss der Handelsregisterführer die Erwerber an die erstinstanzliche Bewilligungsbehörde verweisen, die allein für den Entscheid über die Bewilligungspflicht oder gegebenenfalls für die Bewilligung zuständig ist (E. 3). 2. Fehlt es an einem Ort des Grundstücks im Sinne von Art. 15 Abs. 2 BewG , so ist die zuständige Behörde diejenige des Ortes, wo die Gesellschaft ihren Sitz hat (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 262 BGE 114 Ib 261 S. 262 Par acte authentique du 8 avril 1986, Me H. et Me G., tous deux avocats à Genève, ainsi que Mme F., Allemande d'origine, domiciliée à Genève, ont constitué la société UF... S.A. Les fondateurs ont pris eux-mêmes les 50 actions au porteur de 1'000 francs chacune formant le capital social, soit Me H.: 12 actions, Me G.: 13 actions et Mme F.: 25 actions. L'art. 3 des statuts définit le but de la société de la façon suivante: "La société a pour but, tant pour son propre compte que pour le compte de tiers, seule ou en participations, de réaliser directement ou indirectement, tant en Suisse qu'à l'étranger, toutes opérations financières, immobilières, commerciales ou industrielles. Elle pourra notamment acheter, détenir, vendre, gérer et administrer tous immeubles, comptes, brevets, marques, actions, parts en participations dans d'autres sociétés quels qu'en soient le but et la nature. Elle pourra également apporter son assistance et ses conseils à des tiers pour la réalisation de telles opérations. Dans le cadre de son but social tel que ci-dessus défini, elle pourra tant utiliser ses propres ressources financières que recourir à tous emprunts, emprunts participatifs ou comptes de tiers et, plus généralement, toutes opérations se rattachant directement ou indirectement à son but social tel que ci-dessus défini." Les fondateurs, nommés administrateurs de la société, ont également signé deux déclarations: l'une concernant l'absence de reprise de biens et d'apports en nature et l'autre relative à l'absence de reprise de biens immobiliers en Suisse, précisant qu'il "n'y a pas lieu d'admettre, au vu de l'ensemble des circonstances, que la société acquerra des immeubles en Suisse dans un avenir prévisible". Le 23 juin 1986, le préposé au registre du commerce du canton de Genève a informé le notaire qu'il tenait en suspens la réquisition d'inscription de la société UF... S.A., jusqu'à production d'une décision du Département de l'économie publique sur l'assujettissement ou non de l'acte du 8 avril 1986 au régime de l'autorisation. Partant, il a imparti au notaire un délai de 30 jours pour entreprendre cette démarche, à défaut de quoi la réquisition serait écartée. Le 25 juillet 1986, le notaire a certifié au préposé avoir attiré l'attention des administrateurs, actionnaires et fondateurs de la société sur les dispositions de la "Lex Friedrich". Ceux-ci avaient alors spontanément déclaré que "tant le respect de l'ordre BGE 114 Ib 261 S. 263 juridique des pays concernés que leur éthique professionnelle les amèneraient en toute circonstance à agir en conformité des lois applicables dans les pays concernés". Par décision du 8 août 1986, le préposé au registre du commerce a écarté la réquisition d'inscription de la société, au motif qu'aucune demande d'autorisation n'avait été présentée au Département de l'économie publique dans le délai imparti. En application de l'art. 18 al. 3 de la loi fédérale sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger (LFAIE; RS 211.412.41), les fondateurs ont recouru contre cette décision auprès du Tribunal administratif du canton de Genève. Ils faisaient notamment valoir que tous les motifs d'autorisation, de refus ou de non-assujettissement ne pouvaient se référer qu'à des immeubles déterminés. Il était ainsi évident qu'au moment où la société voudrait acquérir un immeuble en Suisse, elle ferait soit constater son non-assujettissement au régime de l'autorisation, soit requerrait une telle autorisation. Par arrêt du 4 février 1987, le Tribunal administratif a rejeté le recours et confirmé la décision attaquée. Il a retenu en bref que l'un des buts réels et principaux de la société UF... S.A. portait bien sur des opérations immobilières; par ailleurs, Mme F. devait être considérée comme une personne à l'étranger qui s'est portée acquéreur d'un droit de propriété sur une part d'une personne morale dont le but réel est l'acquisition d'immeubles (art. 4 al. 1 lettre e LFAIE). Dans ces conditions, le préposé a suivi à juste titre la procédure prévue par l' art. 18 al. 1 LFAIE . Les administrateurs de la société ont formé un recours de droit administratif contre cette décision, tendant à ce que le Tribunal fédéral ordonne l'inscription au registre du commerce de la société UF... S.A. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. Erwägungen Extrait des considérants; 1. a) L'autorité cantonale de recours compétente pour se prononcer sur la décision d'écarter une réquisition prise par le préposé au registre du commerce ( art. 18 al. 3 LFAIE ) est, dans le canton de Genève, le Tribunal administratif (art. 10 de la loi genevoise du 20 juin 1986 d'application de la LFAIE, entrée en vigueur le 2 mars 1986; ancien art. 13 du règlement provisoire d'application de la LFAIE). Formé en temps utile contre la décision rendue par cette autorité et fondée sur des normes de droit BGE 114 Ib 261 S. 264 public fédéral ( art. 5 PA ), le présent recours est recevable au regard des dispositions générales des art. 97 ss OJ , comme aussi en vertu des dispositions particulières de l' art. 21 al. 1 lettre a et al. 2 LFAIE . 2. Les recourants prétendent qu'en leur qualité de fondateurs, ils avaient le droit d'obtenir l'inscription de la société au registre du commerce ( art. 640 et 641 CO ) et que l'application des art. 4 lettre e et 18 al. 2 LFAIE constituent, dans leur cas, une violation du droit fédéral. En principe, les recourants ont raison de dire que, dans le système du droit suisse des sociétés, le préposé au registre du commerce n'a qu'un pouvoir de contrôle limité et ne peut refuser l'inscription d'une société anonyme qu'en cas de violation manifeste d'une disposition impérative de la loi, soit, en l'occurrence, d'une disposition du code des obligations sur les sociétés anonymes et sur le registre du commerce. Ils oublient toutefois que, dans le domaine de l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger, le législateur a fixé de manière précise la procédure d'inscription des sociétés soumises au régime de l'autorisation. En effet, l'obligation de contrôle du préposé au registre du commerce lors des fondations et des augmentations de capital de sociétés immobilières a été introduite par l'arrêté fédéral sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger du 21 mars 1973, en complément des art. 936 ss CO et 21 de l'ordonnance sur le registre du commerce (voir Message du Conseil fédéral du 25 octobre 1972 ad art. 12 du projet; FF 1972 II p. 1260/1261). Le renvoi du requérant devant l'autorité de première instance était alors prévu lorsque le préposé ne pouvait exclure avec certitude l'assujettissement au régime de l'autorisation (art. 21 al. 3 aAFAIE: RO 1974 p. 90; art. 22 al. 2 aOAIE : RO 1974 p. 104). Cette obligation de contrôle a été reprise dans la nouvelle loi. à l' art. 18 LFAIE (voir Message du Conseil fédéral du 16 septembre 1981 ad art. 15 du projet; FF 1981 III p. 602). Lors de la procédure d'inscription d'une société immobilière au registre du commerce les règles prescrites à l' art. 18 LFAIE s'ajoutent ainsi aux obligations de contrôle auxquelles le préposé doit satisfaire en vertu de l' art. 940 CO . Partant, celui-ci ne peut procéder à l'inscription d'une société que si, d'emblée, l'assujettissement au régime de l'autorisation est exclu; en revanche, dès qu'il a un doute, le préposé a l'obligation de BGE 114 Ib 261 S. 265 suspendre la procédure d'inscription afin de permettre aux requérants de demander, dans le délai de 30 jours, à l'autorité de première instance - compétente en matière d'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger - soit la constatation du non-assujettissement, soit l'autorisation; lorsque cette demande n'est pas faite dans le délai, le préposé a alors l'obligation de refuser l'inscription. Dans le cas particulier, comme les requérants ne se sont pas adressés en temps utile au Département cantonal de l'économie publique, cela signifie que la question posée au Tribunal fédéral n'est pas de savoir si les conditions d'assujettissement sont ou non remplies, mais bien de savoir si, d'emblée, l'assujettissement est exclu. 3. a) En l'espèce, les recourants ne contestent pas qu'ils agissent à titre fiduciaire, ainsi que le prévoit l'acte authentique du 8 avril 1986. Ils ne démontrent pas davantage que Mme F., Allemande d'origine détenant la moitié des actions de la société, serait titulaire d'un permis d'établissement en Suisse et donc non assujettie au régime de l'autorisation ( art. 2 al. 1 OAIE ). Toute leur argumentation repose sur le fait que la société UF... S.A. ne saurait être considérée comme une société immobilière, dès l'instant où elle n'a pas l'intention d'acquérir des immeubles en Suisse dans un avenir prévisible. b) La nouvelle loi a introduit une réglementation plus stricte sur les sociétés immobilières (voir KRAUSKOPF et MAITRE, L'acquisition par des personnes à l'étranger, in Droit de la construction 1986/1, p. 4); elle distingue entre les personnes morales qui sont propriétaires d'immeubles, soit les sociétés immobilières au sens large dont les actifs comprennent pour plus d'un tiers des immeubles en Suisse (art. 4 al. 1 lettre d LFAIE), et les personnes morales dont le but réel est l'acquisition d'immeubles, soit les sociétés immobilières au sens étroit (art. 4 al. 1 lettre e LFAIE). Dans ce dernier cas, le but réel d'une société qui vient d'être fondée ne peut évidemment pas se déterminer à partir du bilan ou du compte d'exploitation. Il doit donc s'établir en premier lieu d'après les statuts de la société. Lorsqu'il paraît toutefois que le but statutaire peut masquer le but effectif, il importe de rechercher l'intention véritable des fondateurs et de procéder à toutes les investigations nécessaires à cette fin. Une société sera ainsi considérée comme immobilière lorsque les fondateurs ont la ferme BGE 114 Ib 261 S. 266 intention d'acquérir des biens-fonds quand bien même, au moment de la fondation, la réalisation des projets envisagés n'est pas encore certaine, mais qu'il faut admettre. au vu de toutes les circonstances, que la société acquerra des immeubles dans un avenir prévisible et qu'elle a été fondée dans ce but ( ATF 109 Ib 99 /100) consid. 4c). c) Il est vrai qu'en l'espèce, rien ne permet d'affirmer que les recourants vont acquérir des immeubles en Suisse dans un proche avenir, même si la déclaration qu'ils produisent à cet égard n'a aucune valeur probante ( art. 18 al. 3 OAIE ; ATF 113 Ib 294 consid. 4c). Dans cette situation, il fallait analyser concrètement tous les éléments qui sont à la base du projet de fondation de la société. Toutefois, dans la procédure adoptée par le législateur à l' art. 18 LFAIE , seules les autorités chargées de l'application de la loi sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger pouvaient procéder à cet examen. Le préposé au registre du commerce n'en avait pas le pouvoir, de sorte qu'il appartenait aux requérants d'adresser, dans le délai que le préposé leur avait imparti, une demande de non-assujettissement à l'autorité de première instance, c'est-à-dire au Département genevois de l'économie publique. En réalité, le préposé au registre du commerce ne pouvait que suivre la procédure prévue à l' art. 18 LFAIE : il devait tout simplement constater, dans le cas de la société UF... S.A., que la réalisation d'opérations immobilières n'était pas exclue dès lors qu'elle représente l'un des buts statutaires de la société qui, selon l'art. 3 de ses statuts, pourra "acheter, détenir, vendre, gérer et administrer tous immeubles, comptes, brevets, marques, actions, parts ou participations dans d'autres sociétés quels qu'en soient le but et la nature". Il apparaît ainsi clairement que le préposé au registre du commerce ne pouvait pas d'emblée exclure tout risque que la société UF... S.A. soit une société immobilière au sens de l'art. 4 al. 1 lettre e LFAIE. A cela s'ajoute que l'acte constitutif de la société prévoit clairement que les fondateurs agissent à titre fiduciaire et qu'au moment de l'inscription, le doute portait tant sur la participation de l'un des actionnaires fiduciaires, de nationalité allemande, détenant la moitié des actions, que sur la participation subséquente d'autres personnes à l'étranger. La position dominante de personnes à l'étranger, au sens de l'art. 5 al. 1 lettre c LFAIE, n'est donc nullement exclue. BGE 114 Ib 261 S. 267 d) Dans ces conditions, les recourants n'avaient aucun droit à ce que leur société soit inscrite d'emblée au registre du commerce. Comme ils ne se sont pas adressés en temps utile à l'autorité cantonale de première instance, seule compétente pour se prononcer, après enquête, sur l'assujettissement au régime de l'autorisation, ni le Tribunal administratif, ni le Tribunal fédéral n'ont à trancher la question - assez délicate - de savoir si les conditions (objectives et subjectives) de l'assujettissement sont ou non remplies. 4. Il est vrai que, se référant à l' art. 15 al. 2 LFAIE , les recourants soutiennent qu'à défaut d'immeuble à acquérir, aucune autorité de première instance n'était compétente ratione loci. Ce grief, qui n'a pas été examiné par le Tribunal administratif, n'est toutefois pas fondé. Selon l' art. 15 al. 2 LFAIE , l'autorité de première instance compétente est celle du lieu de situation de l'immeuble, lorsqu'il s'agit de l'acquisition d'un immeuble, ou celle du lieu où se trouve la part prépondérante des immeubles appartenant à une personne morale ou à une société sans personnalité juridique, lorsqu'il s'agit de l'acquisition de parts de cette personne morale ou de la participation à cette société sans personnalité juridique. Autrement dit, le législateur a clairement désigné le for compétent dans tous les cas où il s'agit de l'acquisition - directe ou indirecte - d'immeubles déterminés. En revanche, il n'a pas désigné le for compétent lorsque, comme en l'espèce, l'immeuble ou les immeubles que la société anonyme a pour but statutaire d'acquérir ne sont pas connus. Dans cette hypothèse, l' art. 15 al. 2 LFAIE ne peut évidemment pas trouver son application. Il ressort cependant clairement de l' art. 18 LFAIE que les fondateurs de la société, dont le but réel est l'acquisition d'immeubles, doivent pouvoir s'adresser à une autorité de première instance pour obtenir une décision de non-assujettissement. La loi contient donc une lacune qu'il appartient au juge de combler, conformément à l' art. 1 al. 2 CC ( ATF 112 Ib 46 consid. 4a, ATF 108 Ib 82 consid. 4b). Or, à défaut de lieu de situation de l'immeuble, le seul point de rattachement possible est celui du lieu ou la société a son siège social. Ainsi, le préposé au registre du commerce de Genève a invité à juste titre les recourants à agir, dans le délai de 30 jours, devant le Département genevois de l'économie publique, autorité de première instance compétente en raison du lieu où la société a son siège social.
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nan
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1,988
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CH
Federation
13d189d0-35f2-47ee-a0fa-d439ccbf6686
Urteilskopf 99 Ia 470 57. Extrait de l'arrêt du 11 juillet 1973 dans la cause Bulliard contre Conseil d'Etat du canton de Fribourg.
Regeste Rechtsungleiche Behandlung. Bauten, gesetzlicher Waldabstand, Ausnahme. Verweigerung einer Ausnahmebewilligung zum Bauen in einem gesetzwidrigen Abstand von einem Wald. Rüge der rechtsungleichen Behandlung; Abweisung.
Sachverhalt ab Seite 470 BGE 99 Ia 470 S. 470 Résumé des faits: A.- Le code forestier du canton de Fribourg, du 5 mai 1954, prévoit en son art. 50 qu'aucun bâtiment ne peut être établi à moins de 30 m des forêts, le Conseil d'Etat pouvant cependant autoriser des exceptions. L'arrêté d'exécution du code forestier, adopté par le Conseil d'Etat le 2 novembre 1954 et modifié le 1er octobre 1971, dispose à l'art. 43 al. 1 que "l'exception au droit de construire à proximité de la forêt ne peut être accordée - que sous le régime d'un aménagement local ou communal, ou d'un plan de quartier dûment approuvé par l'Etat; - qu'avec le consentement du propriétaire de la forêt; - que s'il n'en résulte ni danger d'incendie, ni inconvénient pour la forêt, ni risque de chute d'arbres pour le bâtiment." Le Conseil d'Etat a délégué au Département cantonal des forêts la compétence d'autoriser des exceptions lorsque la distance n'est pas inférieure à 15 m de la limite du bien-fonds forestier (art. 43 al. 2). B.- Sur un terrain acquis le 18 février 1972, André Bulliard a fait établir un plan de lotissement prévoyant sept parcelles, dont quatre sont situées à la lisière d'une forêt communale; il envisage de construire sur chacune d'elles une villa à 15 m de la forêt. La commune, en tant que propriétaire de la forêt, a donné son consentement à l'octroi d'une dérogation. BGE 99 Ia 470 S. 471 L'Inspection cantonale des forêts a refusé d'autoriser des constructions à 15 m de la forêt, justifiant ce refus par le danger de chute d'arbres sur les bâtiments et par le fait qu'aucune construction n'avait été autorisée dans ce secteur à moins de 20 m de la forêt. Bulliard a recouru contre cette décision auprès du Conseil d'Etat, qui l'a débouté. C.- Saisi d'un recours de droit public, le Tribunal fédéral l'a rejeté. Erwägungen Extrait des motifs: 3. Alors que l'art. 43 de l'arrêté d'exécution du Code forestier ne prévoyait, dans son texte primitif du 2 novembre 1954, que deux conditions pour l'octroi d'une dérogation de distance à la forêt, la modification apportée par l'arrêté du Conseil d'Etat du 1er octobre 1971 ajoute une troisième condition: l'exception ne peut être accordée que sous le régime d'un aménagement local ou communal, ou d'un plan de quartier dûment approuvé par l'Etat. Le recourant soutient que les autorités fribourgeoises compétentes accordent des dérogations à l'art. 50 du Code forestier sans aucune difficulté majeure et il renvoie la cour de céans au dossier de l'Inspection cantonale des constructions et à sa lettre à l'autorité cantonale d'instruction des recours, dans laquelle il donnait une liste de villas construites à moins de 30 m d'une forêt, bon nombre de ces villas ayant été bâties, selon lui, après l'entrée en vigueur de l'arrêté du Conseil d'Etat du 1er octobre 1971. Il estime dès lors qu'en lui refusant cette même dérogation, le Conseil d'Etat a violé le principe de l'égalité juridique. a) L'autorité n'est pas tenue d'accorder une dérogation à la loi, même si la compétence lui en est reconnue par une disposition expresse. Elle doit cependant éviter, en refusant une dérogation, de créer une inégalité de traitement qui ne serait pas justifiée par des circonstances différentes. En l'espèce, il faut noter que si l'Inspection cantonale des forêts a refusé d'autoriser des constructions à 15 m de la forêt, elle s'est en revanche déclarée prête à accorder des dérogations pour des constructions à 20 m de la forêt, sur les parcelles qui font l'objet du plan de lotissement. aa) Le recourant a soutenu devant le Conseil d'Etat qu'un autre propriétaire aurait été autorisé à construire une villa à BGE 99 Ia 470 S. 472 la distance de 12 m 70 de cette même forêt. L'Inspectlon cantonale des forêts a répondu, dans sa détermination du 15 novembre 1972 sur le recours au Conseil d'Etat, que la villa en question se trouvait à 23, respectivement 29 m de la forêt; la construction sise à 12 m 70 est un "réduit" pour outils, non habitable et dépourvu de moyen de chauffage. Le recourant n'a pas contesté ces distances dans ses contreobservations du 19 décembre 1972. Le cas cité par lui est ainsi bien différent de celui qui se présente en l'espèce et le recourant ne saurait en tirer la conclusion d'une inégalité de traitement dont il aurait été l'objet. bb) Le recourant avait également signalé, dans la procédure cantonale, le cas de villas sises aux environs de Fribourg (à Moncor et à Bourguillon) et construites à moins de 20 m de la limite d'une forêt: la plupart à 15-16 m, trois d'entre elles à 12 m, une à 10 m et deux à 8 m. Mais il ne donnait aucune précision quant à la date de construction, ni ne prouvait que les autorisations avaient été accordées après la modification apportée à l'art. 43 de l'arrêté d'exécution le 1er octobre 1971. Il allègue cependant, dans son recours de droit public, que bon nombre de villas bâties à distance illégale de la forêt l'ont été après l'entrée en vigueur de cet arrêté, mais sans essayer de prouver ni la période de construction, ni la date de l'octroi des autorisations. Il ne prétend pas non plus, ni ne tente de prouver, que les circonstances de lieu (topographie, nature des terrains, nature de la forêt, etc.) soient, dans ces différents cas, les mêmes que dans son propre cas. D'ailleurs, le Conseil d'Etat relève dans sa réponse que la plupart des villas citées par le recourant ont été construites sous l'empire de l'ancienne réglementation, que quelques-unes ont été bâties sans autorisation de l'Inspection cantonale des forêts, que d'autres enfin, peu nombreuses, ont obtenu des autorisations dérogatoires en raison des conditions de lieu, d'esthétique et de sécurité totalement différentes de celles du cas d'espèce. On ne saurait donc tirer, des cas cités par le recourant, la conclusion que des situations identiques ont été traitées de façon différente, de sorte que le grief d'inégalité de traitement se révèle, là aussi, mal fondé.
public_law
nan
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1,973
CH_BGE
CH_BGE_002
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13d92e9e-631f-46c3-a8e7-e1a0df4a4746
Urteilskopf 114 V 81 17. Auszug aus dem Urteil vom 6. Juni 1988 i.S. B. gegen Ausgleichskasse des Schweizer Hotelier-Vereins und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste Art. 82 Abs. 1 AHVV : Kenntnis des Schadens. Die in BGE 113 V 183 Erw. 3b für Konkursfälle entwickelten Grundsätze gelten auch bei Nachlassverträgen mit Vermögensabtretung (Präzisierung der Rechtsprechung).
Erwägungen ab Seite 81 BGE 114 V 81 S. 81 Aus den Erwägungen: 3. b) Nach der Rechtsprechung ist die Ausgleichskasse nicht befugt, mit der Geltendmachung ihrer Schadenersatzforderung zuzuwarten bis zu jenem Zeitpunkt, in welchem sie das absolut genaue Ausmass ihres Verlustes kennt. Vielmehr wird von ihr verlangt, dass sie von dem Zeitpunkt an, in dem sie alle tatsächlichen Umstände über die Existenz, die Beschaffenheit und die wesentlichen Merkmale des Schadens kennt, sich über die Einzelheiten eines allfälligen Schadenersatzanspruchs informiert BGE 114 V 81 S. 82 ( BGE 113 V 183 Erw. 3b mit Hinweisen). Kann dabei im Konkursfalle zur Zeit der Auflegung des Kollokationsplanes und des Inventars die Schadenshöhe infolge ungewisser Konkursdividende nicht bzw. auch nicht annähernd genau ermittelt werden, so ist die Schadenersatzverfügung derart auszugestalten, dass die Belangten zur Ersetzung des ganzen, der Ausgleichskasse entzogenen Betrages gegen Abtretung einer allfälligen Konkursdividende verpflichtet werden. Dieses in der Praxis auch auf den Gebieten des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts ( BGE 111 II 164 ; vgl. auch BGE 108 Ib 97 ) gewählte Vorgehen ist vom Eidg. Versicherungsgericht aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Rechtssicherheit sowie unter dem Gesichtspunkt der Zielsetzung des Schadenersatzrechts im Rahmen von Forderungen gemäss Art. 52 AHVG und Art. 82 Abs. 1 AHVV bei Konkursen für anwendbar erklärt worden ( BGE 113 V 184 Erw. 3b). Die genannte Rechtsprechung hat auch in Fällen von Nachlassverträgen mit Vermögensabtretung Anwendung zu finden, da sich die Sach- und Rechtslage dabei - jedenfalls nach rechtskräftiger Bestätigung der Nachlassverträge durch die Nachlassbehörden ( Art. 316d ff. SchKG ) - von Konkursen nicht wesentlich unterscheidet (vgl. BGE 110 III 105 , BGE 108 Ib 100 f., BGE 105 III 31 Erw. 3; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Aufl., 1988, S. 434 N. 16; DECOUR, La réparation du dommage causé par l'employeur au sens de l'article 52 LAVS, in: Aspects de la sécurité sociale, 1987/3, S. 18 ff., Ziff. 12 und 38). Demnach hat eine Ausgleichskasse, deren Verlust im Zeitpunkt der Auf legung des Kollokationsplanes und des Inventars zufolge ungewisser Konkurs- bzw. Nachlassdividende noch nicht resp. auch nicht annähernd genau bestimmt werden kann, ihre Schadenersatzverfügung derart auszugestalten, dass sie die Belangten zur Ersetzung des ganzen, der Schadenersatzforderung entsprechenden Betrages gegen Abtretung der Konkurs- bzw. Nachlassdividende verpflichtet. c) Im vorliegenden Fall bestätigte der Kreisgerichtsausschuss den Nachlassvertrag der B. AG mit Entscheid vom 23. April 1982. Nach Auf legung des Kollokationsplanes (vom 25. September bis 5. Oktober 1982) sowie nach Versteigerung und Abrechnung gab die Liquidatorin der Ausgleichskasse erst mit Spezialanzeige vom 15. August 1986 den ungedeckt gebliebenen Betrag ihrer Forderungen bekannt. Ob die Ausgleichskasse bereits im Zeitpunkt der Auflegung des Kollokationsplanes durch die Sachwalterin unter BGE 114 V 81 S. 83 Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit Kenntnis vom Schaden hätte nehmen können, erscheint unter den vorliegenden Gegebenheiten als unwahrscheinlich. Denn zu diesem Zeitpunkt durfte die Kasse noch davon ausgehen, dass den Nachlassforderungen von insgesamt ca. Fr. 5,8 Mio. Aktiven im Liquidationswert von total rund Fr. 6,5 Mio. gegenüberstanden und dass sie demnach mit ihren - in der 2. Klasse privilegierten - Forderungen von gesamthaft Fr. 95'476.90 vollständig gedeckt würde. Anderseits kann - entgegen dem, was die Ausgleichskasse anzunehmen scheint - nicht unbesehen auf die Ausstellung der Spezialanzeige (Verlustschein) vom 15. August 1986 abgestellt werden, weil es für die Kenntnis des Schadens im Sinne von Art. 82 Abs. 1 AHVV auf diesen Zeitpunkt praxisgemäss nicht ankommt ( BGE 113 V 182 Erw. 2 mit Hinweisen). Zu welchem Zeitpunkt die Ausgleichskasse vom grundsätzlich zu erwartenden Verlust ihrer Forderungen hätte Kenntnis nehmen können - sie mithin um die Existenz, die Natur und die wesentlichen Merkmale des Schadens hätte wissen müssen - und ab welchem Datum sie demzufolge den Betroffenen gegen Abtretung der Nachlassdividende zur Ersetzung des ganzen ihr entzogenen Betrages hätte verpflichten können (vgl. Erw. 3b hievor i. f.), lässt sich aufgrund der vorliegenden Akten nicht abschliessend beurteilen. Der Sachverhalt erweist sich daher von der Vorinstanz als unvollständig und damit für das Eidg. Versicherungsgericht in nicht verbindlicher Weise abgeklärt (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG ). Die Sache ist demnach zur Vornahme der notwendigen Erhebungen - insbesondere zu ergänzendem Beizug der Nachlassakten - und zu neuem Entscheid über die Verwirkungsfrage an die Vorinstanz zurückzuweisen.
null
nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
13de34ca-3876-4d66-b95d-5949de5698c0
Urteilskopf 126 I 240 31. Auszug aus dem Urteil der II. OerA vom 22. September 2000 i.S. A. und B. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Zugang zu Hochschulen; Studiengebühren; Art. 13 Abs. 2 UNO-Pakt I . Einführung von Studiengebühren für das - in eine neugebildete kantonale Fachhochschule integrierte - Technikum Winterthur. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. c UNO-Pakt I nicht direkt anwendbar sind (E. 2 u. 3).
Sachverhalt ab Seite 241 BGE 126 I 240 S. 241 A.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich erliess mit Beschluss vom 15. September 1999 eine Verordnung über die Studiengebühren an der Zürcher Fachhochschule, welche aus dem Zusammenschluss des Technikums Winterthur (Ingenieurschule; TWI) mit der Zürcher Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Winterthur (HWV) und der Dolmetscherschule Zürich (DOZ) entstanden ist. Danach werden an den staatlichen Hochschulen der Zürcher Fachhochschule ab Wintersemester 1999/2000 eine Immatrikulationsgebühr von Fr. 25.-, eine Semestergebühr von Fr. 500.- sowie eine Gebühr für die Schlussdiplomprüfung von Fr. 200.- erhoben (§§ 1 und 3 der Verordnung). B.- Die in Zürich wohnhafte A. und ihr 1987 geborener Sohn B. führen gegen diese Verordnung mit Eingabe vom 18. September 1999 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde. Sie rügen eine Verletzung von Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. c des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I; SR 0.103.1) sowie der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes ( Art. 2 ÜbBest.aBV ). Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 2. a) Nach dem Zürcher Gesetz vom 27. September 1998 über die Fachhochschulen und die Höheren Fachschulen (Fachhochschulgesetz, FHG) ist der Regierungsrat u.a. zuständig für den Erlass der Gebührenordnung ( § 18 Abs. 2 Ziff. 1 FHG ). Er legt für die staatlichen Fachhochschulen Einschreibe-, Semester- und Prüfungsgebühren fest ( § 41 Abs. 1 FHG ). Gemäss der unbestrittenen Darstellung der Beschwerdeführer bestand am Technikum Winterthur seit 1960 Schulgeldfreiheit. Beanstandet wird die nunmehrige (Wieder-)Einführung der Gebührenpflicht für den Besuch dieser (heute zur Zürcher Fachhochschule gehörenden) Bildungsanstalt. Die Beschwerdeführer stellen zwar nicht in Abrede, dass die angefochtene Gebührenverordnung über die erforderliche gesetzliche Grundlage verfügt. Sie erblicken in BGE 126 I 240 S. 242 dieser Regelung aber einen Verstoss gegen Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. c des UNO-Paktes I, der für die Schweiz am 18. S-eptember 1992 in Kraft getreten ist. Nach Art. 13 Abs. 1 des Paktes anerkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden auf Bildung. Die relevanten Passagen von Abs. 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt: "Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts a) ... b) die verschiedenen Formen des höheren Schulwesens einschliesslich des höheren Fach- und Berufsschulwesens auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, allgemein verfügbar und jedermann zugänglich gemacht werden müssen; c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermassen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss;..." b) Mit der staatsrechtlichen Beschwerde kann auch die Verletzung von Staatsverträgen gerügt werden, soweit es sich nicht um zivilrechtliche oder strafrechtliche Bestimmungen handelt ( Art. 84 Abs. 1 lit. c OG ). Der Beschwerdeführer kann sich dabei aber nur auf solche Normen berufen, welche unmittelbar anwendbar ("self-executing") sind; die Staatsvertragsbeschwerde dient lediglich der Durchsetzung jener Vertragsbestimmungen, welche die Rechtsstellung des Einzelnen direkt regeln (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 90 ff.). Dies setzt voraus, dass die angerufene staatsvertragliche Norm inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides bilden zu können. Die erforderliche Bestimmtheit geht vor allem blossen Programmartikeln ab. Sie fehlt auch Normen, die eine Materie nur in Umrissen regeln, dem Vertragsstaat einen beträchtlichen Ermessens- oder Entscheidungsspielraum lassen oder blosse Leitgedanken enthalten, sich also nicht an die Verwaltungs- und Justizbehörden, sondern an den Gesetzgeber richten ( BGE 125 III 277 E. 2d/aa S. 281; BGE 124 II 293 E. 4b S. 308; BGE 124 III 90 E. 3a S. 91; BGE 124 IV 23 E. 4a S. 31, je mit Hinweisen). c) Der UNO-Pakt I gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes, vorbehältlich gewisser Ausnahmen, nicht als direkt anwendbar. Er enthält, wie das Bundesgericht in seinem Grundsatzentscheid 120 Ia 1 E. 5c S. 11 f. ausführte, in Art. 6-15 einen Katalog wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, zu deren voller Verwirklichung sich jeder Vertragsstaat unter Ausschöpfung BGE 126 I 240 S. 243 aller seiner Möglichkeiten und mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Massnahmen sowie durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit, verpflichtet (vgl. Art. 2 Abs. 1). Die von der Schweiz mit diesem Pakt eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen haben insofern programmatischen Charakter; die Vorschriften des Paktes richten sich - anders als die direkt anwendbaren Garantien des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2), dem die Schweiz gleichzeitig ebenfalls beigetreten ist - nicht an den Einzelnen, sondern (primär) an die Gesetzgeber der Vertragsstaaten, welche sie als Richtlinien für ihre Tätigkeit zu beachten haben (so Botschaft des Bundesrates vom 30. Januar 1991 betreffend den Beitritt der Schweiz zu den beiden internationalen Menschenrechtspakten von 1966, BBl 1991 I 1193 und 1202). Bundesrat und Parlament gingen dementsprechend davon aus, die Vorschriften des UNO-Paktes I gewährten dem Einzelnen, von allfälligen wenigen Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich keine subjektiven und justiziablen Rechte, welche der Bürger vor schweizerischen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden anrufen könnte (BBl 1991 I 1202; AB 1991 N 1494, S 930). Diese in BGE 120 Ia 1 E. 5 begründete Rechtsprechung, wonach der UNO-Pakt I grundsätzlich keine direkt anwendbaren Individualgarantien enthält, wurde in einer Reihe späterer Entscheide bestätigt ( BGE 121 V 229 E. 3 S. 232 ff., 246 E. 2 S. 248 ff.; BGE 122 I 101 E. 2a S. 103; BGE 123 II 472 E. 4d S. 478). Die Möglichkeit, dass einzelne Bestimmungen des Paktes ausnahmsweise direkt anwendbar sein könnten, wurde aber - wie schon in BGE 120 Ia 1 E. 5c/d S. 12 f. - nicht ausgeschlossen, sondern, zum Teil unter beispielsweiser Nennung von Aspekten der in Art. 8 gewährleisteten Gewerkschaftsfreiheit, ausdrücklich vorbehalten (vgl. BGE 121 V 229 E. 3a S. 232, 246 E. 2c und 2e S. 249 f.; 123 II 472 E. 4d S. 478 sowie BGE 125 III 277 E. 2d S. 281 f.). In der Doktrin werden - entgegen der dem seinerzeitigen Beitrittsbeschluss der eidgenössischen Räte zugrunde liegenden Betrachtungsweise - eine ganze Reihe von (Teil-)Garantien des UNO-Paktes I als unmittelbar anwendbar eingestuft (PIUS GEBERT, Das Recht auf Bildung nach Art. 13 des UNO-Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Diss. Freiburg, St. Gallen 1996, S. 124 ff., mit Hinweisen; vgl. auch GIORGIO MALINVERNI, Les Pactes dans l'ordre juridique interne, in: Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Auflage, Basel 1997, S. 76 f.). BGE 126 I 240 S. 244 d) Was die vorliegend in Frage stehende Bestimmung von Art. 13 Abs. 2 lit. c des UNO-Paktes I betrifft, hat das Bundesgericht ihre direkte Anwendbarkeit klar verneint, soweit es um die Verpflichtung der Vertragsstaaten geht, den Hochschulunterricht "auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermassen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich zu machen". Das Bundesgericht hielt fest, aus dieser Vorschrift lasse sich kein individualrechtlicher Anspruch auf eine bestimmte Gestaltung der Zulassungsvoraussetzungen und auf eine bestimmte Begrenzung oder Reduktion allfälliger Gebühren ableiten; es sei dem nationalen Gesetzgeber anheimgestellt, wann, mit welchen Mitteln und in welchem Zeitraum er das in Art. 13 Abs. 2 lit. c gesetzte Ziel erreichen wolle, sofern er die betreffende Forderung nicht überhaupt schon als erfüllt betrachte ( BGE 120 Ia 1 E. 5d S. 12 f.). Von dieser Aussage abzuweichen, besteht kein Anlass. Sie wird an sich auch von den Beschwerdeführern nicht in Frage gestellt. Es kann einzig darum gehen, ob Art. 13 Abs. 2 lit. c (bzw. lit. b) des Paktes allenfalls insofern einen justiziablen, unmittelbar anwendbaren Gehalt hat, als er dem nationalen Gesetzgeber eine Erhöhung oder Wiedereinführung von Gebühren verbietet, weil dies in Bezug auf das anerkannte Vertragsziel einen Rückschritt bedeuten würde (vgl. dazu GEBERT, a.a.O., S. 457 f.; JÖRG KÜNZLI/WALTER KÄLIN, Die Bedeutung des UNO-Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte für das schweizerische Recht, in: Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Auflage, Basel 1997, S. 110 u. 147 f.). Dies wird insbesondere von GEBERT (a.a.O., S. 464) und KÜNZLI/KÄLIN (a.a.O., S. 148) bejaht, trotz der Tatsache, dass auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von Gebührenerhöhungen eine umfassende Betrachtung der bildungspolitischen Verhältnisse notwendig wäre (vgl. dazu auch die Broschüre "Das völkerrechtliche Verbot der Erhöhung von Studiengebühren oder der Wiedereinführung von Schulgeldern", herausgegeben vom Aktionskomitee gegen Mittelschulgelder, mit Beiträgen von FONS COOMANS ["Klärung der Elemente des 'harten Kerns' des Rechtes auf Bildung"], BRUNO SIMMA und LUDWIG A. MINELLI, Zürich 1996). Zu einem anderen Schluss kommt hingegen STEFAN TRECHSEL in seinem Gutachten vom 25. Januar 2000 zuhanden des Rechtsdienstes der Universität Zürich. e) In BGE 120 Ia 1 E. 5d S. 13, wo es um die Zulässigkeit der Erhöhung von Universitätsgebühren ging, erachtete das Bundesgericht BGE 126 I 240 S. 245 die Bestimmung von Art. 13 Abs. 2 lit. c des UNO-Paktes I aber selbst in dieser Richtung als zu wenig bestimmt. Das eigentliche Ziel der Vorschrift gehe dahin, dass der Hochschulunterricht jedermann entsprechend seinen Fähigkeiten, unabhängig von seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, zugänglich gemacht werden solle. Die Wahl der "geeigneten Mittel" sei dem Gesetzgeber anheimgestellt; der "insbesondere" postulierte allmähliche Verzicht auf Gebührenerhebung sei nur ein möglicher Weg. Da die in der Schweiz üblichen Universitätsgebühren bloss einen Bruchteil der gesamten Lebenshaltungskosten der Studierenden ausmachten, vermöchte eine blosse Gebührenreduktion oder selbst ein voller Gebührenverzicht den Zugang zum Studium für finanziell bedürftige Studenten nicht sicherzustellen; dieses Hindernis lasse sich nur durch die Gewährung von Stipendien beseitigen. Der zuständige Gesetzgeber besitze damit eine erhebliche Gestaltungsfreiheit, welche Mittel er zur Erreichung des durch Art. 13 Abs. 2 lit. c des UNO-Paktes I gesetzten Zieles wählen und wie er diese Mittel aufeinander abstimmen wolle. Der Einzelne könne sich auf diese Vorschrift schon deshalb nicht berufen, weil ihr die erforderliche Bestimmtheit abgehe. Sie richte sich zudem klarerweise allein an den Gesetzgeber, was ihre Geltendmachung mittels Staatsvertragsbeschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. c OG - unabhängig von ihrer Bestimmtheit - zum vornherein ausschliesse. f) Unter Hinweis auf Äusserungen von JÖRG KÜNZLI (Soziale Menschenrechte: blosse Gesetzgebungsaufträge oder individuelle Rechtsansprüche? Überlegungen zur direkten Anwendbarkeit des UNO-Sozialpaktes in der Schweiz, in: AJP 1996 S. 527 ff., insb. S. 534), KÜNZLI/KÄLIN (a.a.O., S. 147) und GEBERT (a.a.O., S. 464) halten die Beschwerdeführer dieser in BGE 120 Ia 1 E. 5 vertretenen Auffassung entgegen, mit dem Inkrafttreten des UNO-Paktes I sei der damals gegebene Zustand im Bereich der Zugangsförderung zu höherer und Hochschulbildung als Minimalstatus zementiert worden, hinter welchen nicht zurückgegangen werden dürfe. Ein Ermessensspielraum der Vertragsstaaten könne nur bestehen bei den zu wählenden Mitteln sowie bezüglich des Umfanges der vorzunehmenden Verbesserungen, keinesfalls aber die Befugnis zu einer Verschlechterung des bestehenden Zustandes umfassen. Sei die Schulgeldfreiheit einmal erreicht, dürfe sie nicht mehr aufgehoben werden. Die Beschwerdeführer berufen sich ausserdem auf ein Schreiben von Philip Alston, Vorsitzender des UNO-Komitees für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, vom 21. Februar 1997 BGE 126 I 240 S. 246 an den Schweizerischen Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf. Darin wird auf zugegangene "Informationen" Bezug genommen, wonach das Bundesgericht den UNO-Pakt I als Ganzes als bloss programmatisch und nicht "self-executing" bezeichnet habe, wobei selbst rückwärtsgerichtete Massnahmen nicht verboten seien. Das Komitee brachte gegenüber einer derartigen Auslegung des Paktes seine Besorgnis zum Ausdruck und bezeichnete die der Wiedereinführung von Schulgeldern im Kanton Zürich zugrunde liegenden bildungspolitischen Überlegungen als "auf den ersten Blick" nicht mit der Auffassung des Komitees übereinstimmend. g) Dazu ist vorab zu bemerken, dass das Bundesgericht in BGE 120 Ia 1 E. 5 sich über die Paktkonformität der damals angefochtenen Gebührenerhöhung gar nicht ausgesprochen, sondern lediglich - mangels Justiziabilität der angerufenen Paktbestimmung - die Zulässigkeit einer Staatsvertragsbeschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. c OG verneint hatte. Der UNO-Pakt I enthält keine Vorschriften darüber, wie er innerstaatlich durchgesetzt werden soll (KÜNZLI, a.a.O., S. 532). Es ist daher allein eine Frage des jeweiligen nationalen Rechts, wie die eingegangenen staatsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen sind und ob bzw. wieweit die Normen dieses Paktes innerstaatlich als "selfexecuting" vom Einzelnen im Rahmen eines Individualbeschwerdeverfahrens direkt angerufen werden können (vgl. YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Bd.I: Organisation, Zürich 1980, S. 42 f.; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage, Zürich 1998, N. 1038; JEANINE DE VRIES REILINGH, L'application des Pactes des Nations Unies relatifs aux droits de l'homme de 1966, Diss. Neuenburg, Basel u. Genf 1998, N. 104 ff.; MANFRED NOWAK, Inhalt, Bedeutung und Durchsetzungsmechanismen der beiden UNO-Menschenrechtspakte, in: Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Auflage, Basel 1997, S. 19; GEBERT, a.a.O., S. 122 f.; KÜNZLI, a.a.O., S. 532). Des Weitern gibt es für den UNO-Pakt I auf internationaler Ebene kein Vertragsorgan, welches die Kompetenz besässe, die aus diesem Pakt folgenden Verpflichtungen und allfälligen Individualansprüche im Einzelfall verbindlich zu konkretisieren. Der UNO-Pakt II über die bürgerlichen und politischen Rechte, sieht - neben dem obligatorischen Berichtssystem - sowohl ein fakultatives (für die Schweiz geltendes) Staatenbeschwerdeverfahren wie auch ein fakultatives (für die Schweiz nicht geltendes) Individualbeschwerdeverfahren vor. Im Gegensatz dazu kennt der UNO-Pakt I als BGE 126 I 240 S. 247 internationales Durchsetzungsinstrument lediglich das Berichtssystem, d.h. die Prüfung der von den Vertragsstaaten periodisch abzuliefernden Berichte, welche allenfalls seitens des Sozialausschusses zu Bemerkungen und Empfehlungen führen kann. Diese Stellungnahmen sind zwar für die Auslegung und Rechtsentwicklung von Bedeutung, können aber keine direkte Verbindlichkeit beanspruchen (vgl. die nähere Darstellung des Berichtssystems bei GEBERT [a.a.O., S. 43 ff.] und NOWAK [a.a.O., S. 21 ff.]). 3. Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. c des UNO-Paktes I enthalten, wie sich zeigen wird, auch für den vorliegenden Streitfall keine justiziable individualrechtliche Garantie, welche gestützt auf Art. 84 Abs. 1 lit. c OG mittels Staatsvertragsbeschwerde angerufen werden könnte. a) Die angefochtene Studiengebührenverordnung vom 15. September 1999 gilt gemäss Angaben des Kantons einerseits für die erwähnte neue Zürcher Hochschule Winterthur (ZHW) und andererseits für die Hochschule für Kunst und Gestaltung Zürich (HGKZ), die ebenfalls in den Verbund der Zürcher Fachhochschule aufgenommen wurde. Die Verordnung setzt für diese Schulen die Semestergebühr einheitlich auf Fr. 500.- und die Gebühren für die Immatrikulation und für die Schlussdiplomprüfung auf Fr. 25.- bzw. Fr. 200.- fest. Für die Schüler der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Winterthur, welche bisher eine Semestergebühr von Fr. 850.- sowie eine Immatrikulations- und Prüfungsgebühr von je Fr. 250.- zu entrichten hatten, bringt die neue Regelung eine deutliche finanzielle Verbesserung. Dasselbe gilt für die Schüler der Dolmetscherschule Zürich welche bisher - je nach Herkunftskanton - Semestergebühren zwischen Fr. 1'170.- und Fr. 4'395.- sowie (nebst weiteren Abgaben) Immatrikulationsgebühren von Fr. 100.- zu leisten hatten. Auch für die Schüler der Hochschule für Kunst und Gestaltung Zürich (bisher: Semestergebühr zwischen Fr. 600.- und Fr. 900.-; Immatrikulationsgebühr Fr. 100.-; keine Prüfungsgebühren) sind die neuen Gebühren gesamthaft gesehen wesentlich tiefer. Für die Schüler des ehemaligen Technikums Winterthur führt die angefochtene Verordnung dagegen zu einer Verschlechterung, indem sie künftig neu eine Semestergebühr von Fr. 500.- bezahlen müssen. Der Kanton Zürich ist sodann der Interkantonalen Fachhochschulvereinbarung vom 4. Juni 1998 für die Jahre 1999-2005 beigetreten. Aufgrund dieser übernimmt er das Schulgeld von BGE 126 I 240 S. 248 Studierenden aus dem Kanton Zürich auch für den Besuch solcher ausserkantonaler Hochschulen, deren Ausbildungsgänge bisher nicht finanziell unterstützt wurden. Umgekehrt öffnet das Abkommen Studierenden aus andern Kantonen den Zugang zur Zürcher Fachhochschule, denen dies wegen des Schulgeldes bisher nicht möglich war. Des Weitern ist nach Darstellung des Kantons mit der Überführung der genannten bisherigen Fachschulen in Hochschulen der Zürcher Fachhochschule auch eine Erweiterung des Leistungsauftrages verbunden, weshalb sich diese neuen Hochschulen mit den bisherigen Institutionen nicht mehr vergleichen liessen. b) Die von den Studierenden des ehemaligen Technikums Winterthur neu zu entrichtenden Schulgelder können nicht losgelöst von der übrigen Ordnung des Fachhochschulwesens, sondern nur im Zusammenhang mit den erwähnten weiteren Massnahmen sachgerecht gewürdigt werden. Im Bereich der Fachhochschulen ergibt sich nicht nur eine deutliche Verbesserung des Bildungsangebots, sondern - gesamthaft gesehen - auch eine Erleichterung der Gebührenlast für die Benützer. Die Bildung einer neuen kantonalen Fachhochschule erforderte auch eine neue Gebührenregelung, die sich auf sachgerechte und rechtsgleiche Kriterien stützen muss. Die Einführung einer Gebührenfreiheit für den gesamten Bereich der staatlichen Fachhochschule käme zwar der Forderung von Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. c des UNO-Paktes I entgegen, doch wäre ein solcher Schritt im Hinblick auf die in der Schweiz für andere vergleichbare Einrichtungen (Universitäten) bestehenden Gebührenregelungen sachlich kaum begründbar. Die Beibehaltung eines solchen Privilegs für bloss einen einzigen Zweig der Fachhochschule (ehemaliges Technikum Winterthur) wäre wiederum unter dem Gesichtswinkel der Rechtsgleichheit fragwürdig. Die aus der neuen einheitlichen Gebührenregelung für einen Teil der Schulbenützer resultierende Mehrbelastung lässt sich insoweit, auch wenn sie dem Postulat von Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. c des UNO-Paktes I (progressive Einführung der Unentgeltlichkeit des höheren Fachschul- und Hochschulunterrichts) zuwiderläuft, durchaus rechtfertigen. Im Übrigen hängt das mit den genannten Paktbestimmungen verfolgte Ziel, den Unterricht an höheren Fachschulen und Hochschulen jedermann gleichermassen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich zu machen, aufgrund der in der Schweiz bestehenden Verhältnisse nicht primär von der Höhe der Schulgelder ab, zumal diese in der Regel nur einen relativ geringen Teil der Lebenshaltungskosten der Studierenden ausmachen. Minderbemittelte können BGE 126 I 240 S. 249 zudem die Gewährung von Stipendien beantragen, und das Fachhochschulgesetz sieht in § 41 Abs. 4 "für besondere Fälle" auch die Möglichkeit vor, die Schulgebühren ganz oder teilweise zu erlassen. Wieweit diese Regelungen dazu beitragen, allfälligen finanziellen Zugangshindernissen wirksam zu begegnen, hängt von der (künftigen) Stipendien- und Gebührenerlasspraxis der zuständigen Behörden ab. Die Beschwerdeführer beanstanden, dass die Aufwendungen des Kantons Zürich für Stipendien in den letzten Jahren markant zurückgegangen seien, weisen aber selber auf die "gleichzeitige wesentliche Steigerung" der Zahl der Studierenden hin, was ihre These, dass sich die erhöhten Gebühren als Zugangsschranke auswirken, kaum stützt. Jedenfalls beruht die angefochtene Gebührenregelung auf komplexen bildungspolitischen Abwägungen und Zusammenhängen. Ob die Einführung von Schulgebühren für Studierende des Technikums Winterthur einen gegen Art. 13 Abs. 2 lit. c (bzw. lit. b) des UNO-Paktes I verstossenden Rückschritt in der Verwirklichung der Paktziele darstellt oder ob der für diese Benützergruppe entstandene gebührenmässige Nachteil - was nach der Praxis zum Pakt nicht ausgeschlossen ist (KÜNZLI/KÄLIN, a.a.O., S. 110) - durch andere bildungspolitische Verbesserungen kompensiert wird, kann allenfalls Thema eines Berichtsverfahrens gemäss Art. 16 ff. des UNO-Paktes I bilden. Die Frage entbehrt jedoch - wegen der Unbestimmtheit des Prüfungsmassstabes und weil die Gesamtheit der im Fachhochschulbereich getroffenen Massnahmen (einschliesslich der Prognosen über deren tatsächliche Auswirkungen) in eine sachgerechte Würdigung einbezogen werden müsste - der erforderlichen Justiziabilität (vgl. E. 2b), um Gegenstand einer individualrechtlichen Staatsvertragsbeschwerde gemäss Art. 84 Abs. 2 lit. c OG bilden zu können. Eine Auseinandersetzung mit den von den Beschwerdeführern nachträglich eingereichten Unterlagen über den Bericht der Schweiz zur Umsetzung von Art. 13 Abs. 2 lit. c des UNO-Paktes I und die diesbezüglichen Stellungnahmen der zuständigen UNO-Organe erübrigt sich daher. Aus dem zusätzlich angerufenen Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes ergibt sich kein weitergehender Rechtsschutz ( BGE 120 Ia 1 E. 5d S. 13). Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2,000
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13e8f9c0-21c2-42cd-a66d-d96f8280164d
Urteilskopf 107 Ia 186 37. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. September 1981 i.S. Gebr. Prina AG gegen Steuerrekurskommission des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Formerfordernisse an staatsrechtliche Beschwerde nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG .
Erwägungen ab Seite 186 BGE 107 Ia 186 S. 186 Erwägungen: b) Nach der Rechtsprechung zur Begründung von staatsrechtlichen Beschwerden muss der Beschwerdeführer dartun, worin die Verletzung der verfassungsmässigen Rechte besteht, die er anruft. Handelt es sich um eine Willkürbeschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV , genügt es nicht, wenn der Beschwerdeführer bloss den angefochtenen Entscheid rügt, wie er dies in einem appellatorischen Verfahren tun könnte, bei dem die Rechtsmittelinstanz die Rechtsanwendung frei überprüfen kann ( BGE 96 I 451 E. 3). Er muss deutlich dartun, welche Vorschriften oder allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze die kantonalen Behörden in einer gegen BGE 107 Ia 186 S. 187 Art. 4 BV verstossenden Weise verletzt haben sollen ( BGE 96 I 17 E. 4). Vorliegend begnügt sich der Vertreter der Beschwerdeführerin damit festzuhalten, dass die kantonale Rekurskommission "die Beweisführung offensichtlich und willkürlich verhindert" habe, indem sie der Beschwerdeführerin trotz des Gesundheitszustandes ihres Geschäftsführers keine neue Frist gewährt habe. Er nennt nicht einmal die Regeln des kantonalen Rechts oder die Rechtsgrundsätze, nach denen die Rekursinstanz einem Rekurrenten, der bereits nahezu 6 Monate zur Begründung seiner Beschwerde zur Verfügung gehabt hätte, eine neue zweimonatige Frist hätte gewähren müssen. Die Beschwerde erfüllt demnach die Voraussetzungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht, es kann auf sie nicht eingetreten werden.
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1,981
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Federation
13ef9571-1f06-4675-9b0e-dfe6f828f748
Urteilskopf 141 V 281 32. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Zug (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_492/2014 vom 3. Juni 2015
Regeste Art. 4 Abs. 1 IVG in Verbindung mit Art. 6-8 ATSG (insbesondere Art. 7 Abs. 2 ATSG ); psychosomatische Leiden und rentenbegründende Invalidität. Feststellung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung: Bedeutung der diagnostischen Voraussetzungen, auch für die Einschätzung der funktionellen Auswirkungen (E. 2.1). Tragweite der Ausschlussgründe nach BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 51 (E. 2.2). Beurteilung der Arbeits(un)fähigkeit (E. 3-5): Aufgabe der Überwindbarkeitsvermutung (Änderung der Rechtsprechung; E. 3.4 und 3.5). Das bisherige Regel/Ausnahme-Modell wird durch einen strukturierten normativen Prüfungsraster ersetzt (E. 3.6). Unveränderte Geltung der Grundsätze betreffend die Zumutbarkeit; Betonung der Konzepte der indirekten Beweisführung sowie der objektivierten Betrachtungsweise bei materieller Beweislast der rentenansprechenden Person (E. 3.7). Anpassung des Beurteilungsrasters, Rechtsnatur und Systematik des Indikatorenkatalogs; Erweiterung der Indikatoren im Hinblick auf die Erfassung von Ressourcen (E. 4.1). Anwendungsgebiet (E. 4.2). Auf den funktionellen Schweregrad bezogene Indikatoren (Änderung der Rechtsprechung betreffend die Elemente primärer Krankheitsgewinn und Komorbidität; E. 4.3). Auf die Konsistenz der funktionellen Beeinträchtigungen bezogene Indikatoren (E. 4.4). Zuständigkeiten von Recht und Medizin: rechtliches Anforderungsprofil auf medizinischer Grundlage; erforderliche Umsetzung in medizinische Leitlinien (E. 5.1). Zusammenwirken bei der konkreten Invaliditätsbemessung (E. 5.2). Zusammenfassung (E. 6). Kognition des Bundesgerichts (E. 7). Intertemporalrechtliches (E. 8).
Sachverhalt ab Seite 283 BGE 141 V 281 S. 283 NB: Des extraits de cet arrêt ont été traduits en français et font suite au texte intégral allemand (traduction non officielle) 9C_492/2014 A. Die 1958 geborene A., Mutter von sechs erwachsenen Kindern (geb. 1979-1991), war von 1995 bis Mitte März 2012 als Küchengehilfin teilerwerbstätig. Im Juni 2012 meldete sie sich zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Dabei erklärte sie, an verschiedenartigen gesundheitlichen Beschwerden zu leiden, welche sich rasch verschlimmerten (unter anderem Schmerzen an Rücken und Extremitäten, Schlafstörungen, Kraftlosigkeit und Niedergeschlagenheit). Die IV-Stelle des Kantons Zug (nachfolgend: IV-Stelle) klärte den Sachverhalt ab und holte unter anderem ein psychiatrisches Gutachten des Dr. B. vom 30. April 2013 ein. Hernach stellte sie fest, es bestehe keine anspruchsbegründende Invalidität (Verfügung vom 26. Juni 2013). B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 8. Mai 2014). BGE 141 V 281 S. 284 C. C.a A. führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, die IV-Stelle sei zu verpflichten, ihr eine ganze Invalidenrente auszurichten. Eventuell sei die Vorinstanz anzuweisen, ein interdisziplinäres Gerichtsgutachten "unter Wahrung der Mitwirkungsrechte und unter korrekter Fragestellung" einzuholen. Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. A. nimmt zur Eingabe der Verwaltung Stellung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Stellungnahme. C.b Die I. und die II. sozialrechtliche Abteilung haben zu folgenden Rechtsfragen ein Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 BGG durchgeführt: 1.- Sind bei der Diagnostik anhaltender somatoformer Schmerzstörungen und vergleichbarer psychosomatischer Störungen der Aspekt der funktionellen Auswirkungen sowie die Ausschlussgründe nach BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 51 zu berücksichtigen? 2.- Ist das bisherige Regel/Ausnahmemodell (Überwindbarkeitsvermutung; BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50) in Weiterführung der Rechtsprechung ( BGE 139 V 547 ) durch ein strukturiertes Beweisverfahren zu ersetzen und liegt demnach Erwerbsunfähigkeit im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Satz 2 ATSG nur vor, wenn mittels objektivierbarer Indikatoren nachgewiesen werden kann, dass der versicherten Person keine Arbeitsleistung mehr zuzumuten ist? 3.- Ist im strukturierten Beweisverfahren der Nachweis des funktionellen Schweregrades und der Konsistenz der Gesundheitsschädigung unter Verwendung der massgeblichen Indikatoren zu erbringen? Die beiden sozialrechtlichen Abteilungen haben diese Rechtsfragen mehrheitlich bejaht (Beschluss der Vereinigung der Abteilungen vom 13. Mai 2015). Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Das kantonale Gericht würdigte das medizinische Dossier und folgerte, die Beschwerdeführerin sei nicht in rentenbegründendem Ausmass invalid. Für die Beschwerden sei kein organisches Korrelat gefunden worden (E. 5). Die Verwaltung habe die Beschwerdeführerin daher zu Recht (nur) psychiatrisch begutachten lassen (E. 7). Die vom psychiatrischen Administrativgutachter gestellten Hauptdiagnosen (anhaltende somatoforme Schmerzstörung, BGE 141 V 281 S. 285 Somatisierungsstörung) seien unstrittig (E. 9.2). Im Rahmen einer selbständigen Überprüfung nach den Kriterien gemäss BGE 130 V 352 befasste sich die Vorinstanz sodann mit den gutachtlichen Schlussfolgerungen über die Arbeitsfähigkeit (E. 9.3). Die im kantonalen Beschwerdeverfahren nachgereichten ärztlichen Berichte (der Psychiatrischen Klinik C. vom 27./28. August 2013 über eine anderthalbmonatige stationäre Behandlung sowie des behandelnden Psychiaters Dr. D. vom 6. Dezember 2013) enthielten nicht wesentlich andere Diagnosen. Sie wiesen auch keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus. Soweit die behandelnden Ärzte überhaupt zur Frage der Arbeitsfähigkeit Stellung nähmen, seien deren Berichte nicht geeignet, die gutachterliche Einschätzung zu entkräften (E. 10.1). 1.2 Zu beurteilen ist die häufige Fallkonstellation eines Schmerzleidens, das mit gewissen weiterreichenden Symptomen (hier: grosse Erschöpfbarkeit) einhergeht und aus dem die IV-Stelle nach rechtlichen Massstäben keine anspruchserhebliche Arbeitsunfähigkeit ableitet, obwohl die versicherte Person über eine erhebliche Einschränkung ihres Leistungsvermögens klagt und auch verschiedene behandelnde Ärzte eine solche attestieren. Der Rechtsstreit bietet Anlass, die Rechtsprechung seit BGE 130 V 352 zu überdenken. Rechnung getragen werden soll dabei den Erfahrungen, die in den seit diesem Leiturteil vergangenen elf Jahren gesammelt werden konnten, sowie der Kritik der medizinischen und juristischen Lehre an der Rechtsprechung und ihrer Umsetzung. 2. 2.1 Ausgangspunkt der Anspruchsprüfung nach Art. 4 Abs. 1 IVG sowie Art. 6 ff. und insbesondere Art. 7 Abs. 2 ATSG (SR 830.1) ist die medizinische Befundlage . Eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit kann immer nur dann anspruchserheblich sein, wenn sie Folge einer Gesundheitsbeeinträchtigung ist, die fachärztlich einwandfrei diagnostiziert worden ist ( BGE 130 V 396 ). 2.1.1 Die Sachverständigen sollen die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 Ziff. F45.40) so begründen, dass die Rechtsanwender nachvollziehen können, ob die klassifikatorischen Vorgaben tatsächlich eingehalten sind. Bislang fokussiert die Anspruchsklärung im Zusammenhang mit der somatoformen Schmerzstörung vor allem auf die Anwendung des Kriterienkatalogs, somit auf die Beurteilung der funktionellen Auswirkungen des Leidens (dazu unten E. 3.2 und 4). Die Frage, ob die Schmerzstörung als Gesundheitsbeeinträchtigung überhaupt sachgerecht BGE 141 V 281 S. 286 festgestellt worden ist, wird in der Versicherungspraxis oft kaum beachtet. Dem diagnoseinhärenten Schweregrad der somatoformen Schmerzstörung ist vermehrt Rechnung zu tragen: Als "vorherrschende Beschwerde" verlangt wird "ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz" (Weltgesundheitsorganisation, Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V [F], Klinisch-diagnostische Leitlinien, Dilling/Mombour/Schmidt [Hrsg.], 9. Aufl.2014, Ziff. F45.4 S. 233). Im Gegensatz zu anderen psychosomatischen, beispielsweise dissoziativen, Störungen, die nicht schon an sich einen Bezug zum Schweregrad aufweisen, setzt die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung per definitionem Beeinträchtigungen der Alltagsfunktionen voraus (PETER HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen in der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit bei Probanden mit funktionellen Körperbeschwerdesyndromen, [nachfolgend: Probleme und offene Fragen], SZS 2014 S. 535, 539 [Gutachten des Prof. Dr. Peter Henningsen, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Technische Universität München, vom Mai 2014 zu Fragen der Schweizer Praxis zur Invaliditätsfeststellung bei somatoformen und verwandten Störungen]; HENNINGSEN/SCHICKEL, in: Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, Schneider und andere [Hrsg.],2012, S. 277); ICD-10 Ziff. F45.4 beschreibt als gewöhnliche Folge denn auch "eine beträchtliche persönliche oder medizinische Betreuung oder Zuwendung". Die schweizerische Versicherungspraxis beachtet diese grundlegenden Merkmale über weite Strecken nicht; die Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung findet meistens ohne ausreichenden Bezug auf die funktionserhebliche Befundlage Eingang in ärztliche Berichte und Gutachten (zum Erfordernis einer kriteriengeleiteten Diagnosestellung vgl. E. COLOMB UND ANDERE, Qualitätsleitlinien für psychiatrische Gutachten in der Eidgenössischen Invalidenversicherung, 2012 [vgl. unten E.5.1.2], Ziff. 6.2). Vermutlich wird deutlich zu häufig eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert (HANS GEORG KOPP, Die psychiatrische Begutachtung von Schmerzstörungen, Psychiatrie 4/2006 S. 11). 2.1.2 Die gutachtlichen Ausführungen zur Diagnose sind nicht nur im Hinblick auf eine gesicherte Feststellung des Krankheitswertes bedeutsam. Vielmehr werden die in der Klassifikation vorausgesetzten konkreten Beeinträchtigungen der Alltagsfunktionen bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit wieder aufgegriffen. Die gestellte BGE 141 V 281 S. 287 Diagnose ist "Referenz für allfällige Funktionseinschränkungen" (Qualitätsleitlinien, Ziff. 6.3). In den "konsistenten Nachweis einer gestörten Aktivität und Partizipation" (JÖRG JEGER, Die persönlichen Ressourcen und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Wiedereingliederungsfähigkeit - Eine kritische Auseinandersetzung mit der Überwindbarkeitspraxis [nachfolgend: Die persönlichen Ressourcen], in: Psyche und Sozialversicherung, Gabriela Riemer-Kafka [Hrsg.], 2014, S. 184, 186 und 191 f.) einzubeziehen sind nur funktionelle Ausfälle, die sich aus denjenigen Befunden ergeben, welche auch für die Diagnose der Gesundheitsbeeinträchtigung massgebend gewesen sind. Die Einschränkung in den Alltagsfunktionen, welche begrifflich zu einer lege artis gestellten Diagnose gehört, wird mit den Anforderungen des Arbeitslebens abgeglichen und anhand von Schweregrad- und Konsistenzkriterien in eine allfällige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit umgesetzt (RENATO MARELLI, Nicht können oder nicht wollen? Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bei somatoformen Störungen, typische Schwierigkeiten und ihre Überwindung, SZS 2007 S. 329 und 339). Auf diesem Weg können geltend gemachte Funktionseinschränkungen über eine sorgfältige Plausibilitätsprüfung bestätigt oder verworfen werden ( BGE 140 V 290 E. 3.3.1 S. 296 und E. 3.3.2 am Anfang S. 297). 2.2 Die auf die Begrifflichkeit des medizinischen Klassifikationssystems abstellende Diagnose der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung führt im Weiteren nur dann zur Feststellung einer invalidenversicherungsrechtlich erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung, wenn die Diagnose auch unter dem Gesichtspunkt der - in der Praxis zu wenig beachteten - Ausschlussgründe nach BGE 131 V 49 standhält. 2.2.1 Danach liegt regelmässig keine versicherte Gesundheitsschädigung vor, soweit die Leistungseinschränkung auf Aggravation oder einer ähnlichen Erscheinung beruht. Hinweise auf solche und andere Äusserungen eines sekundären Krankheitsgewinns (dazu BGE 140 V 193 E. 3.3 S. 197) ergeben sich namentlich, wenn: eine erhebliche Diskrepanz zwischen den geschilderten Schmerzen und dem gezeigten Verhalten oder der Anamnese besteht; intensive Schmerzen angegeben werden, deren Charakterisierung jedoch vage bleibt; keine medizinische Behandlung und Therapie in Anspruch genommen wird; demonstrativ vorgetragene Klagen auf den Sachverständigen unglaubwürdig wirken; schwere Einschränkungen im Alltag behauptet werden, das psychosoziale Umfeld jedoch weitgehend intakt ist BGE 141 V 281 S. 288 ( BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 51 mit Hinweis auf KOPP/WILLI/KLIPSTEIN, Im Graubereich zwischen Körper, Psyche und sozialen Schwierigkeiten, Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1997 S. 1434, die wiederum eine Untersuchung von WINCKLER und FOERSTER aufnehmen; ähnliche Aufstellungen bei: MOSIMANN/EBNER, "Objektiv nicht überwindbare" Erwerbsunfähigkeit: Überlegungen zu Art. 7 Abs. 2 ATSG aus juristischer und psychiatrischer Sicht, SZS 2008 S. 532; HENNINGSEN/SCHICKEL, a.a.O., S. 278 ff.; PETER HENNINGSEN, Wie werden psychosomatische Störungen begutachtet? Leitlinien für Grenzbereiche, in: Grenzwertige psychische Störungen, Vollmoeller [Hrsg.], 2004, S. 105 f.; THOMAS MERTEN, Lässt sich suboptimales Leistungsverhalten messen? Diagnostik bei Simulationsverdacht, in: Grenzwertige psychische Störungen, Vollmoeller [Hrsg.], 2004, S. 94; vgl. auch KOPP, a.a.O., S. 10 f.). Nicht per se auf Aggravation weist blosses verdeutlichendes Verhalten hin (HENNINGSEN, a.a.O., S. 104). 2.2.2 Besteht im Einzelfall Klarheit darüber, dass solche Ausschlussgründe die Annahme einer Gesundheitsbeeinträchtigung verbieten, so besteht von vornherein keine Grundlage für eine Invalidenrente, selbst wenn die klassifikatorischen Merkmale einer somatoformen Schmerzstörung gegeben sein sollten (vgl. Art. 7 Abs. 2 erster Satz ATSG). Soweit die betreffenden Anzeichen neben einer ausgewiesenen verselbständigten Gesundheitsschädigung ( BGE 127 V 294 E. 5a S. 299) auftreten, sind deren Auswirkungen derweil im Umfang der Aggravation zu bereinigen. 3. 3.1 Auf der zweiten Ebene der Anspruchsprüfung wird die Arbeits(un)fähigkeit beurteilt, das heisst, es werden die funktionellen Folgen der Gesundheitsschädigung qualitativ erfasst und quantitativ eingeschätzt. Hier stellt sich die Frage (nachfolgend E. 3.4-3.5), ob an der Vermutung festzuhalten ist, wonach eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung oder ein vergleichbarer ätiologisch unklarer syndromaler Zustand mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbar ist (statt vieler: BGE 137 V 64 E. 1.2 S. 66; zuletzt: BGE 140 V 8 E. 2.2.1.3 S. 13). Zu klären ist zudem, wie es sich mit der Rechtsfigur der Überwindbarkeit als solcher verhält; nach Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz ATSG liegt eine Erwerbsunfähigkeit nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist (E. 3.7). 3.2 Mit BGE 130 V 352 E. 2.2.2 S. 353 legte das Bundesgericht die Voraussetzungen fest, unter denen psychosomatische BGE 141 V 281 S. 289 Beschwerdebilder (vgl. BGE 137 V 64 E. 4.3 S. 69) einen Anspruch auf Invalidenrente auslösen können (zur Entstehungsgeschichte dieser Praxis BGE 135 V 201 E. 7.1.2 S. 212). In BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50 konsolidierte es die Kernerwägungen wie folgt: "Die Annahme eines psychischen Gesundheitsschadens, so auch einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, setzt zunächst eine fachärztlich (psychiatrisch) gestellte Diagnose nach einem wissenschaftlich anerkannten Klassifikationssystem voraus ( BGE 130 V 396 E. 5.3 und 6 S. 398 ff.). Wie jede andere psychische Beeinträchtigung begründet indes auch eine diagnostizierte anhaltende somatoforme Schmerzstörung als solche noch keine Invalidität. Vielmehr besteht eine Vermutung, dass die somatoforme Schmerzstörung oder ihre Folgen mit einer zumutbaren Willensanstrengung überwindbar sind. Bestimmte Umstände, welche die Schmerzbewältigung intensiv und konstant behindern, können den Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess unzumutbar machen, weil die versicherte Person alsdann nicht über die für den Umgang mit den Schmerzen notwendigen Ressourcen verfügt. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, entscheidet sich im Einzelfall anhand verschiedener Kriterien. Im Vordergrund steht die Feststellung einer psychischen Komorbidität von erheblicher Schwere, Ausprägung und Dauer. Massgebend sein können auch weitere Faktoren, so: chronische körperliche Begleiterkrankungen; ein mehrjähriger, chronifizierter Krankheitsverlauf mit unveränderter oder progredienter Symptomatik ohne längerdauernde Rückbildung; ein sozialer Rückzug in allen Belangen des Lebens; ein verfestigter, therapeutisch nicht mehr beeinflussbarer innerseelischer Verlauf einer an sich missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung (primärer Krankheitsgewinn; "Flucht in die Krankheit"); das Scheitern einer konsequent durchgeführten ambulanten oder stationären Behandlung (auch mit unterschiedlichem therapeutischem Ansatz) trotz kooperativer Haltung der versicherten Person ( BGE 130 V 352 ). Je mehr dieser Kriterien zutreffen und je ausgeprägter sich die entsprechenden Befunde darstellen, desto eher sind - ausnahmsweise - die Voraussetzungen für eine zumutbare Willensanstrengung zu verneinen (...)." 3.3 3.3.1 Seit BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50 geht die Rechtsprechung ausdrücklich von der Vermutung aus, der versicherten Person sei eine Willensanstrengung zuzumuten, mit welcher die Folgen einer somatoformen Schmerzstörung (oder eines gleichgestellten Krankheitsbildes) überwunden werden könnten. Im Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 457/02 vom 18. Mai 2004 E. 7.3, nicht publ. in: BGE 130 V 396 , hiess es dazu: "Die somatoforme Schmerzstörung ist nicht naturgesetzlich mit objektivierbaren funktionellen Einschränkungen verbunden (...). Daher ist es angezeigt, bei der Zumutbarkeitsprüfung zunächst von der Vermutung BGE 141 V 281 S. 290 auszugehen, dass die somatoforme Schmerzstörung grundsätzlich überwindbar ist, also die erwerbliche Leistungsfähigkeit nicht in invalidisierendem Ausmass beeinträchtigt (...). Im Einzelfall ist sodann aber zu prüfen, ob und inwieweit diese Vermutung durch Umstände entkräftet wird, welche annehmen lassen, dass die Umsetzung der (aus somatischer Sicht bestehenden) Leistungsfähigkeit unmöglich oder unzumutbar ist." Mit der Statuierung einer Vermutung sollte die in ATF 130 V 352 enthaltene Grundannahme verdeutlicht werden, wonach bei entsprechender Diagnose "in der Regel" keine andauernde, invalidisierende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestehe; Unzumutbarkeit sei nur "in Ausnahmefällen" anzunehmen (ATF 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354). Die Rechtsprechung begründet die Vermutung unter anderem mit Hinweis auf die medizinische Empirie (so statt vieler ATF 132 V 393 E. 3.2 a.E. S. 399 mit Hinweisen). Medizinische (und auch juristische) Autoren bestreiten, dass eine solche Regel wissenschaftlich fundiert ist (HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 522 ff., 526; JÖRG JEGER, Tatfrage oder Rechtsfrage? Abgrenzungsprobleme zwischen Medizin und Recht bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit in der Invalidenversicherung, SZS 2011 S. 601 f.; vgl. auch VIVIAN WINZENRIED, Die Überwindbarkeitspraxis, in: Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht 2012, Kieser/Lendfers [Hrsg.], 2012, S. 231 ff.; UELI KIESER, Entwicklungen im Sozialversicherungsrecht, in: Personen-Schaden-Forum 2011, Weber [Hrsg.], 2011, S. 268 f.; GÄCHTER/TREMP, Schmerzrechtsprechung am Wendepunkt?, Jusletter 16. Mai 2011 Rz. 13). Aus juristischer Warte wird insbesondere argumentiert, es wäre Sache des Gesetzgebers, eine derartige Vermutung zu statuieren (JÖRG PAUL MÜLLER, Verfahrensgerechtigkeit in der Sozialversicherung, Jusletter 27. Januar 2014 Rz. 17; BETTINA KAHIL-WOLFF, Atteintes non objectivables à la santé: l' ATF 136 V 279 et d'autres développements dans la jurisprudence du Tribunal fédéral, JdT 2011 I S. 24). 3.3.2 Die juristische Lehre ging zunächst von einer Tatsachenvermutung aus: Die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit werde zwar im Einzelfall, aber nach verallgemeinerten Regeln geprüft; die Rechtsprechung zur somatoformen Schmerzstörung führe insofern zu einer Beschränkung der Zumutbarkeitsprüfung, als sie vorschreibe, welche subjektiven und objektiven Gegebenheiten (Kriterien) dabei massgeblich seien (THOMAS GÄCHTER, Die Zumutbarkeit und der sozialversicherungsrechtliche Beweis, in: Freiburger Sozialrechtstage 2008, Murer [Hrsg.], 2008, S. 259; BRUNNER/BIRKHÄUSER, Somatoforme Schmerzstörung - Gedanken zur Rechtsprechung und BGE 141 V 281 S. 291 deren Folgen für die Praxis, insbesondere mit Blick auf die Rentenrevision, BJM 2007 S. 185). Dazu trat die Auffassung, es handle sich um eine qualifizierte natürliche Vermutung (URS MÜLLER, Die natürliche Vermutung in der Invalidenversicherung, in: Festschrift für Erwin Murer zum 65. Geburtstag, Riemer-Kafka/Rumo-Jungo [Hrsg.], 2010, S. 559; PHILIPP EGLI, Was soll das Verwaltungsverfahren? Gedanken zu einem rechtsstaatlichen IV-Abklärungsverfahren, dargestellt an der Gutachtens- und der Überwindbarkeitspraxis des Bundesgerichts, recht 31/2013 S. 73; GÄCHTER/TREMP, a.a.O., Rz. 6). Im Gegensatz zur einfachen natürlichen Vermutung, bei welcher das Gericht anhand der allgemeinen Lebenserfahrung aus konkreten Umständen auf einen bestimmten Sachverhalt schliesst, übernimmt eine (auch Normhypothese genannte) qualifizierte natürliche Vermutung die Funktion einer Norm, weil ein Erfahrungswert für gleich geartete Fälle allgemeingültig wirkt (U. MÜLLER, a.a.O., S. 551 f.). Sie betrifft demnach eine bundesgerichtlich frei überprüfbare Rechtsfrage (U. MÜLLER, a.a.O., S. 554 mit weiteren Hinweisen; Art. 95 BGG ). 3.3.3 Das Bundesgericht hat sich zur Rechtsnatur der Vermutung nie ausdrücklich geäussert. Der Frage muss auch an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden, wie sich aus dem Nachfolgenden ergibt. 3.4 Anhand der aktuellen medizinischen Erkenntnisse über psychosomatische Beschwerden ist zu prüfen, ob die Vermutung, das Leiden respektive seine Folgen seien überwindbar, weiterhin das richtige Instrument darstellt, um den beweismässigen Besonderheiten solcher gesundheitlicher Beeinträchtigungen gerecht zu werden. 3.4.1 3.4.1.1 In der Zeit vor BGE 130 V 352 akzeptierten die rechtsanwendenden Stellen bei Schmerzsyndromen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden häufig tel quel die Einschätzungen behandelnder Ärzte, welche sehr verbreitet von der Diagnose direkt auf Arbeitsunfähigkeit schlossen (vgl. ERWIN MURER, Invalidenversicherungsgesetz [ Art. 1-27 bis IVG ], Handkommentar, 2014, N. 22 zu Art. 8a IVG ; ders. , Die verfehlte rechtliche Behandlung der "Versicherungsfälle unklarer Kausalität" und ihre Auswirkungen auf die Rentenexplosion in der IV, in: Freiburger Sozialrechtstage 2004, S. 3 ff.). Die Folgen waren eine ubiquitäre Verbreitung solcher Krankheitsbilder und eine starke Zunahme der rentenbeziehenden BGE 141 V 281 S. 292 Personen um 27 Prozent allein in der Zeit von Dezember 2000 bis Dezember 2005 (Bundesamt für Sozialversicherungen, IV-Statistik 2013, 2014, S. 21 f.). Hiedurch war die Einhaltung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen offensichtlich nicht mehr gewährleistet. Die mit BGE 130 V 352 S. 354 begründete Regel/Ausnahme-Vorgabe sollte die gesetzmässige Praxis wiederherstellen. Die Bedeutung der Überwindbarkeitsvermutung beschränkte sich auf dieses Ziel. 3.4.1.2 Später griff das Bundesgericht Lehrmeinungen auf, welche die Vermutung der Überwindbarkeit vorab als Frage der Beweisbarkeit ansahen (insbesondere JÖRG JEGER, Die Beurteilung der medizinischen Zumutbarkeit, in: Freiburger Sozialrechtstage 2008, Murer [Hrsg.], 2008, S. 118 ff.). Es betonte, dass dieses Konzept nicht nur eine Verschärfung der Beweisanforderungen bedeutet, sondern auch eine gewährleistende Dimension zugunsten der Versicherten umfasst, welche die Folgen tragen müssen, wenn die den Anspruchsvoraussetzungen zugrunde liegenden Tatsachen unbewiesen bleiben ( BGE 139 V 547 E. 9.1.3 S. 566; BGE 140 V 290 E. 4.2 S. 298). Der Beweis über funktionelle Auswirkungen von unklaren Beschwerdebildern kann nicht anders als indirekt, im Sinne eines Ersatzbeweises, gestützt auf Indizien ("Hilfstatsachen" [HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 533 und 538]) geführt werden (dazu HANS-JAKOB MOSIMANN, Perspektiven der Überwindbarkeit, [nachfolgend: Perspektiven], SZS 2014 S. 212 f.; kritisch: EVALOTTA SAMUELSSON, Wieviel Evidenz für welche Objektivität?, Jusletter 27. Januar 2014, passim). Diese beweisrechtliche Betrachtungsweise änderte noch nichts an der Regel/Ausnahme-Gewichtung, wie sie der Rechtsfigur der Überwindbarkeitsvermutung zugrunde liegt (vgl. BGE 139 V 547 E. 9.1 S. 565). 3.4.2 Indessen steht die Überwindbarkeitsvermutung in zweifacher Hinsicht einer umfassenden Abklärung der für die Arbeitsunfähigkeit massgebenden Umstände entgegen. 3.4.2.1 Zunächst führt die darin angelegte Konzentration auf Indizien, welche die Vermutung allenfalls entkräften könnten, dazu, dass vor allem nach - den Ausnahmefall (Arbeitsunfähigkeit) begründenden - belastenden Elementen gesucht, die Ressourcen hingegen tendenziell vernachlässigt werden. Der rechtlich geforderte Zumutbarkeitsmassstab gibt indessen vor, dass den gesundheitsbedingten Belastungen alle Gesichtspunkte gegenübergestellt werden, welche sich schadenmindernd auswirken (vgl. MOSIMANN/EBNER, a.a.O., BGE 141 V 281 S. 293 S. 535 f.). Im Rahmen der Würdigung von Funktionseinschränkungen soll auch das positive Leistungsbild untersucht und nicht nur aufgezeigt werden, welche Defizite vorhanden sind, sondern das ganze Leistungsprofil mit sowohl negativen als auch positiven Anteilen beschrieben werden (RENATO MARELLI, Das psychiatrische Gutachten, Einflüsse und Grenzen, in: Psyche und Sozialversicherung, Riemer-Kafka [Hrsg.], 2014, S. 85). Arbeitsunfähigkeit leitet sich gleichsam aus dem Saldo aller wesentlichen Belastungenund Ressourcen ab (zu den Ressourcen JÖRG JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 131 ff., 147 f.; Versicherungsmedizinische Gutachten, Gabriela Riemer-Kafka [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, S. 121). Häufig wird kritisiert, die Rechtsprechung baue auf ein unsachgemäss eng gefasstes (bloss bio-psychisches) Krankheitsmodell (so HUSMANN/RIESEN, Unklare Beschwerdebilder aus der Geschädigtenperspektive, in: Personen-Schaden-Forum 2015, Weber [Hrsg.], 2015, S. 47; PHILIP STOLKIN, Von der Europäischen Menschenrechtskonvention, den adäquaten Kausalzusammenhängen, den Normhypothesen und dem Gleichheitssatz, oder: Warum die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Gesundheitsbegriff das Diskriminierungsverbot verletzt - ein Erklärungsversuch, HAVE 2011 S. 386 f.). Der im Hinblick auf Rentenleistungen der Invalidenversicherung geltende enge Krankheitsbegriff klammert soziale Faktoren jedoch nur so weit aus, als es darum geht, die für die Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit kausalen versicherten Faktoren zu umschreiben (vgl. Urteil 9C_776/2010 vom 20. Dezember 2011 E. 2.3.3, in: SVR 2012 IV Nr. 32 S. 127; JÖRG PAUL MÜLLER, Rechtsgutachten [mit MATTHIAS KRADOLFER], Stellungnahme aus der Sicht allgemein rechtsstaatlicher Grundsätze der Bundesverfassung und der EMRK, 2012, S. 32 f.; BRUNNER/BIRKHÄUSER, a.a.O., S. 185). Die funktionellen Folgen von Gesundheitsschädigungen werden durchaus auch mit Blick auf psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren abgeschätzt, welche den Wirkungsgrad der Folgen einer Gesundheitsschädigung beeinflussen (vgl. THOMAS LOCHER, Die invaliditätsfremden Faktoren in der rechtlichen Anerkennung von Arbeitsunfähigkeit und Invalidität, in: Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2003, S. 253; JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 177; ders. , Wer bemisst invaliditätsfremde [soziokulturelle und psychosoziale] Ursachen der Arbeitsunfähigkeit - der Arzt oder der Jurist?, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2008, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2009, S. 166 ff.). Konsequenterweise soll das BGE 141 V 281 S. 294 Prüfungsprogramm so ausgestaltet werden, dass auch Ressourcen, welche das Leistungsvermögen begünstigen, tatsächlich erfasst werden. 3.4.2.2 Der Untersuchungsgrundsatz ( Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG ) verpflichtet Verwaltung und Gericht, von Amtes wegen Gründe für und gegen das Vorliegen oder Fehlen eines Sachumstandes heranzuziehen. In der Doktrin wird zu Recht vorgebracht, diesem Grundsatz werde in der Praxis nur ungenügend nachgelebt (U. MÜLLER, a.a.O., S. 560; JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 178). Tatsächlich verleitet die Überwindbarkeitsvermutung mitunter dazu, die kriterienorientierte Auswahl der massgebenden Sachverhaltselemente so zu gestalten, dass der Regelfall verwirklicht wird; dies wohl auch zum Ausgleich dafür, dass die Ressourcen (bisher) nicht den ihrer tatsächlichen Bedeutung entsprechenden Platz im Prüfungsraster erhalten. Ein solcher Bias begünstigt zudem Schematismen, welche der freien Beweiswürdigung und der Rechtsanwendung von Amtes wegen zuwiderlaufen (EGLI, a.a.O., S. 71 ff.; KAHIL-WOLFF, a.a.O., S. 24; GÄCHTER/TREMP, a.a.O., Rz. 16; BRUNNER/BIRKHÄUSER, a.a.O., S. 188 f.). Die so gestaltete Beurteilung ist - freilich in einem den Gründen gemäss E. 3.4.2.1 entgegengesetzten Sinne - nicht mehr auf umfassende Erkenntnis über das tatsächliche Leistungsvermögen ausgerichtet. Überdies begünstigt die Vermutung die Auffassung, die Überwindbarkeit sei unteilbar, so dass im Ausnahmefall letztlich immer nur eine vollständige Arbeitsunfähigkeit in Frage komme (vgl. Urteile 9C_468/2013 vom 24. April 2014 E. 4.2 und 9C_710/2011 vom 20. März 2012 E. 4.4; dazu MOSIMANN, Perspektiven, a.a.O., S. 199; HUSMANN/RIESEN, a.a.O., S. 52; JEGER, Tatfrage oder Rechtsfrage, a.a.O., S. 599; THOMAS GÄCHTER, Grundsätzliche Einordnung von BGE 136 V 279 , HAVE 2011 S. 57). 3.5 Die angeführten Überlegungen betreffen ernsthafte sachliche Gründe, die einem allfälligen Interesse an der Weiterführung einer auch langjährigen Praxis vorgehen. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Rechtsprechung sind daher erfüllt (vgl. BGE 138 III 359 E. 6.1 S. 361; BGE 137 V 282 E. 4.2 S. 291; BGE 134 V 72 E. 3.3 S. 76). Die Überwindbarkeitsvermutung ist aufzugeben. 3.6 Daraus ergibt sich in methodischer Hinsicht Folgendes: Die Frage, ob die diagnostizierte Schmerzstörung zu einer ganzen oder teilweisen Arbeitsunfähigkeit führe, stellt sich nicht mehr im Hinblick auf die Widerlegung einer Ausgangsvermutung. Das bisherige Regel/ BGE 141 V 281 S. 295 Ausnahme-Modell wird durch einen strukturierten, normativen (unten E. 5.1) Prüfungsraster ersetzt. Anhand eines Kataloges von Indikatoren (vgl. E. 4) erfolgt eine ergebnisoffene symmetrische Beurteilung des - unter Berücksichtigung leistungshindernder äusserer Belastungsfaktoren einerseits und Kompensationspotentialen (Ressourcen) anderseits - tatsächlich erreichbaren Leistungsvermögens (vgl. PIERRE-ANDRÉ FAUCHÈRE, Somatoformer Schmerz, 2008, S. 279). 3.7 3.7.1 Zu betonen ist, dass die Aufgabe der Überwindbarkeitsvermutung an den Regeln betreffend die Zumutbarkeit nichts ändert, namentlich nicht am Erfordernis einer objektivierten Beurteilungsgrundlage. Nach Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz ATSG liegt eine Erwerbsunfähigkeit nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist. Damit ist eine langjährige Rechtsprechung Gesetz geworden. Demgemäss ist für die Frage, ob es der versicherten Person zuzumuten ist, eine Arbeitsleistung zu erbringen, insofern eine objektivierte Betrachtungsweise massgeblich, als es nicht auf ihr subjektives Empfinden ankommen kann (Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [5. Revision], BBl 2005 4459, 4530 f. Ziff.1.6.1.5.3; BGE 140 V 290 E. 3.3 S. 296; BGE 139 V 547 E. 5.7 S. 557; BGE 135 V 215 E. 7.2 S. 229; BGE 130 V 352 E. 2.2.4 S. 355; BGE 127 V 294 E. 4c S. 298; BGE 109 V 25 E. 3c S. 28; BGE 102 V 165 ; MOSIMANN/EBNER, a.a.O., S. 524 f.; BRUNNER/BIRKHÄUSER, a.a.O., S. 184 ff.). Medizinisch-psychiatrisch nicht begründbare Selbsteinschätzungen und -limitierungen, wie sie, gerichtsnotorisch, ärztlicherseits sehr oft unterstützt werden - wobei erst noch häufig gar keine konsequente Behandlung stattfindet -, sind auch künftig nicht als invalidisierende Gesundheitsbeeinträchtigung anzuerkennen. 3.7.2 Des Weitern bringt diese Änderung der Rechtsprechung keine Abkehr von der (zu lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen zur IV-Revision 6a ergangenen) Rechtsprechung gemäss BGE 139 V 547 . Im Gegenteil wird die dort in einlässlicher Auseinandersetzung mit der legislatorischen und judiziellen Entwicklung ( BGE 139 V 547 E. 5 und 6 S. 554 ff.) gewonnene Rechtserkenntnis, dass die Abschätzung der Folgen psychosomatischer Leiden auf die Arbeitsfähigkeit deutlicher, als es bisher die dort nachgezeichnete Rechtsprechung zum Ausdruck brachte, als Aufgabe - indirekter - Beweisführung zu positionieren ist ( BGE 139 V 547 E. 7 S. 560 ff., insbesondere E. 7.2 BGE 141 V 281 S. 296 S. 562), unter Berücksichtigung des verfügbaren medizinisch-psychiatrischen Wissens konsequent weitergeführt (in diesem Sinne schon BGE 140 V 193 und 290; oben E. 3.4.1.2). Unverändert ist sodann auch in Zukunft dem klaren Willen des Gesetzgebers gemäss Art. 7 Abs. 2 ATSG Rechnung zu tragen, wonach im Zuge der objektivierten Betrachtungsweise (oben E. 3.7.1) von der grundsätzlichen "Validität" ( BGE 139 V 547 E. 8.1 S. 563) der die materielle Beweislast tragenden versicherten Person auszugehen ist. 3.7.3 Arbeits- resp. Erwerbsunfähigkeit ist in allen Fällen das Resultat der - einem objektivierten Massstab folgenden - Beurteilung, ob die versicherte Person trotz des ärztlich diagnostizierten Leidens einer angepassten Arbeit zumutbarerweise ganz oder teilweise nachgehen kann. Es fehlt daher am Gegenstand für eine gesonderte, weitergehende Prüfung einer Überwindbarkeit (vgl. etwa BGE 136 V 279 E. 3.3 S. 284; BGE 132 V 65 E. 5.1 S. 73). Ebensowenig kann es unter diesen Vorzeichen eine unüberwindbare Arbeitsunfähigkeit ( BGE 136 V 279 E. 4.1 S. 285) geben. In dieser überschiessenden Form ist der Begriff Relikt der früheren Praxis zu den verschiedenen Spielarten der Versicherungsneurosen; diese ging davon aus, dass die neurotische Fixierung unter Umständen gelöst werden könne, wenn Versicherungsleistungen abgelehnt werden oder - wo gesetzlich vorgesehen - eine Abfindung ausgerichtet wird ("probatorische Leistungsverweigerung"; vgl. BGE 107 V 239 und BGE 102 V 165 ; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 504/82 vom 31. Oktober 1983, in: ZAK 1984 S. 341; ULRICH MEYER, Das Schleudertrauma, anders betrachtet, in: Ausgewählte Schriften, Gächter [Hrsg.], 2013, S. 302 f.; ders. , Krankheit als leistungsauslösender Begriff im Sozialversicherungsrecht, in: Rechtsfragen zum Krankheitsbegriff, Gächter/Schwendener [Hrsg.], 2009, S. 17 und 21). 4. Zu klären bleiben die Auswirkungen der Praxisänderung auf den Kriterienkatalog nach BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f. Dieser umfasst Standard-Faktoren, anhand welcher die funktionelle Tragweite der für die Diagnose massgeblichen Befunde (oben E. 2.1.2) auf dem Weg indirekter Beweisführung (E. 3.4.1.2 und 3.7.2) rechtlich erhärtet werden kann (unten E. 5.2). 4.1 4.1.1 Nach Aufgabe des Konzepts der Vermutung konzentriert sich die Beurteilung des funktionellen Leistungsvermögens, wie erwähnt, nicht mehr auf die Widerlegung einer Ausgangsannahme, die BGE 141 V 281 S. 297 Schmerzstörung sei nicht invalidisierend. Im Fokus stehen daher vermehrt auch Ressourcen, welche die schmerzbedingte Belastung kompensieren können und damit die Leistungsfähigkeit begünstigen (oben E. 3.4.2.1). Dieser neue Ansatz führt zu Anpassungen in der Formulierung der Indikatoren. Auch ist im Zuge der Preisgabe der Überwindbarkeitsvermutung eine gewisse sachliche Erweiterung der massgeblichen Prüfungsgesichtspunkte angezeigt. Dabei kann beim bisherigen Kriterienkatalog angeknüpft werden (vgl. dazu auch den Katalog in der [deutschen] AWMF-Leitlinie "Umgang mit Patienten mit nicht-spezifischen, funktionellen und somatoformen Körperbeschwerden" ["Empfehlung 143"]; HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 534; unten E. 5.1.2). Nach wie vor gilt, dass die Handhabung des Katalogs stets den Umständen des Einzelfalls gerecht werden muss. Es handelt sich nicht um eine "abhakbare Checkliste" (Urteil 8C_420/2011 vom 26. September 2011 E. 2.4.2 mit Hinweis auf VENZLAFF/FOERSTER, Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., München 2004, S. 650). Im Übrigen ist auch der Katalog als solcher nicht unverrückbar, sondern grundsätzlich offen gegenüber neu etablierten medizinischen Erkenntnissen; diese prägen als Rechtstatsachen die Ausgestaltung des Katalogs mit (vgl. unten E. 5.1). So drängt es sich nunmehr auf, die vorrangige Beachtlichkeit der psychischen Komorbidität aufzugeben und auf die Heranziehung des primären Krankheitsgewinns zu verzichten (E. 4.3.1.1 und 4.3.1.3). 4.1.2 Die bisherige Bezeichnung "Kriterien" legt nahe, es handle sich dabei um Merkmale, welche für eine Entscheidung in dem Sinne bedeutsam sind, dass von mehreren vorgegebenen Szenarien eines zutreffe. Nach Aufgabe der Vermutung, welche durch eine ergebnisoffene Beurteilung des funktionellen Leistungsvermögens als zentralem Beweisgegenstand abgelöst wird, scheint der Begriff des Kriteriums nicht mehr geeignet. Das Bundesgericht spricht fortan von Indikatoren , einem Begriff, der massgebliche Beweisthemen bezeichnet, anhand welcher ein bestimmter Sachverhalt ermittelt wird (vgl. dazu auch HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 533 und 541). 4.1.3 Die im Regelfall beachtlichen Standardindikatoren können nach gemeinsamen Eigenschaften systematisiert werden: Kategorie "funktioneller Schweregrad" (E. 4.3) Komplex "Gesundheitsschädigung" (E. 4.3.1) Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde (E. 4.3.1.1) BGE 141 V 281 S. 298 Behandlungs- und Eingliederungserfolg oder -resistenz (E. 4.3.1.2) Komorbiditäten (E. 4.3.1.3) Komplex "Persönlichkeit" (Persönlichkeitsdiagnostik, persönliche Ressourcen; E. 4.3.2) Komplex "Sozialer Kontext" (E. 4.3.3) Kategorie "Konsistenz" (Gesichtspunkte des Verhaltens; E. 4.4) gleichmässige Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen (E. 4.4.1) behandlungs- und eingliederungsanamnestisch ausgewiesener Leidensdruck (E. 4.4.2). Die Antworten, welche die medizinischen Sachverständigen anhand der (im Einzelfall relevanten) Indikatoren geben, verschaffen den Rechtsanwendern Indizien, wie sie erforderlich sind, um den Beweisnotstand im Zusammenhang mit der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit bei psychosomatischen Störungen zu überbrücken (vgl. oben E. 3.4.1.2 und 3.7.2). 4.2 Das Gesagte und noch Auszuführende gilt für die anhaltende somatoforme Schmerzstörung und für vergleichbare psychosomatische Leiden (vgl. BGE 140 V 8 E. 2.2.1.3 S. 13). 4.3 Auf den funktionellen Schweregrad bezogene Indikatoren bilden das Grundgerüst der Folgenabschätzung (KOPP/MARELLI, "Somatoforme Störungen, wie weiter?", SZS 2012 S. 255). Die daraus gezogenen Folgerungen müssen einer Konsistenzprüfung standhalten (dazu unten E. 4.4). 4.3.1 Zum Komplex Gesundheitsschädigung drängen sich folgende Bemerkungen auf. 4.3.1.1 Als erster Indikator zu nennen ist die Ausprägung der diagnoserelevanten Befunde und Symptome . Feststellungen über die konkreten Erscheinungsformen der diagnostizierten Gesundheitsschädigung helfen dabei, Funktionseinschränkungen, welche auf diese Gesundheitsschädigung zurückzuführen sind, von den (direkten) Folgen nicht versicherter Faktoren zu scheiden (oben E. 3.4.2.1 zweiter Abs.). Ausgangspunkt ist der diagnoseinhärente Mindestschweregrad (oben E. 2.1.1; vgl. HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 535 und 539). Spielen auf der andern Seite Ausschlusskriterien ( BGE 131 V 49 E. 1.2 a.E. S. 51) eine gewisse Rolle, ohne dass deswegen eine rechtserhebliche Gesundheitsschädigung a priori auszuschliessen wäre (vgl. oben E. 2.2.2), sind die auf Aggravation BGE 141 V 281 S. 299 usw. hinweisenden Umstände zu bewerten. Die Schwere des Krankheitsgeschehens ist auch anhand aller verfügbaren Elemente aus der diagnoserelevanten Ätiologie und Pathogenese zu plausibilisieren. Insbesondere die Beschreibung der somatoformen Schmerzstörung in ICD-10 Ziff. F45.4 hebt ätiologische Faktoren hervor: Merkmal der Störung ist, dass sie "in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Belastungen" auftritt, denen die Hauptrolle für Beginn, Schweregrad, Exazerbation oder Aufrechterhaltung der Schmerzen zukommt (dazu EGLE/NICKEL, Die somatoforme Schmerzstörung, Der medizinische Sachverständige [MedSach] 2007 S. 129). Hingegen sollen Rückschlüsse auf den Schweregrad nicht mehr über den Begriff des primären Krankheitsgewinns erfolgen. Dabei handelt es sich um ein psychoanalytisches Konzept, das viele Vertreter anderer psychiatrischer Schulen skeptisch betrachten oder ablehnen. Nach HENNINGSEN ist der primäre Krankheitsgewinn als "stark an eine bestimmte Schule der Psychotherapie gebundenes und untersucherabhängiges Konstrukt kaum reliabel zu erheben" (Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 540; vgl. auch JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 169 f.). 4.3.1.2 Behandlungserfolg oder -resistenz , also Verlauf und Ausgang von Therapien, sind wichtige Schweregradindikatoren. Das definitive Scheitern einer indizierten, lege artis und mit optimaler Kooperation des Versicherten durchgeführten Therapie weist auf eine negative Prognose hin (zu den Behandlungszielen bei der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung FAUCHÈRE, a.a.O., S. 219 f.; HANS MORSCHITZKY, Somatoforme Störungen, 2007, S. 271 ff.). Wenn dagegen die erfolglos gebliebene Behandlung nicht (mehr) dem aktuellen Stand der Medizin entspricht oder im Einzelfall als ungeeignet erscheint, so ist daraus für den Schweregrad der Störung nichts abzuleiten (vgl. Urteil 9C_662/2009 vom 17. August 2010 E. 3.2, in: SVR 2011 IV Nr. 26 S. 73). Psychische Störungen der hier interessierenden Art gelten nach der Rechtsprechung nur als invalidisierend, wenn sie schwer und therapeutisch nicht (mehr) angehbar sind, was sich e contrario aus der ständigen Rechtsprechung ergibt (statt vieler Urteil 9C_736/2011 vom 7. Februar 2012 E. 4.2.2.1 mit Hinweisen). Daran ist festzuhalten. Bei einem erst relativ kurze Zeit andauernden - somit noch kaum chronifizierten - Krankheitsgeschehen dürften regelmässig noch therapeutische Optionen bestehen, eine Behandlungsresistenz also ausgeschlossen sein. Dies zeigt, dass die Frage nach der Chronifizierung einer ("anhaltenden") BGE 141 V 281 S. 300 somatoformen Schmerzstörung bei der Beurteilung des Schweregrades meist nicht wesentlich weiter führt: Ohne langjährige, verfestigte Schmerzentwicklung ist eine invalidisierende Arbeitsunfähigkeit kaum vorstellbar; Entsprechendes gilt schon für die Diagnose (HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 536). Soweit im Übrigen aus der Inanspruchnahme von Therapien und der Kooperation auf Vorhandensein oder Ausmass des Leidensdrucks zu schliessen ist, geht es um die Konsistenz der Auswirkungen einer Gesundheitsschädigung (unten E. 4.4.2). Rückschlüsse auf den Schweregrad einer Gesundheitsschädigung ergeben sich nicht nur aus der medizinischen Behandlung, sondern auch aus der Eingliederung im Rechtssinne . Denn so wie die zumutbare ärztliche Behandlung (welche, unter Vorbehalt von Art. 12 IVG , nicht zulasten der Invalidenversicherung geht) die versicherte Person als eine Form von Selbsteingliederung in die Pflicht nimmt, hat sich jene in beruflicher Hinsicht primär selbst einzugliedern und, soweit angezeigt, hat sie an entsprechenden Eingliederungs- und Integrationsmassnahmen (Art. 8 f., Art. 14 ff. IVG ) teilzunehmen. Fallen solche Massnahmen nach ärztlicher Einschätzung in Betracht, bietet die Durchführungsstelle dazu Hand und nimmt die rentenansprechende Person dennoch nicht daran teil, gilt dies als starkes Indiz für eine nicht invalidisierende Beeinträchtigung. Umgekehrt kann eine trotz optimaler Kooperation misslungene Eingliederung im Rahmen einer gesamthaften, die jeweiligen Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Prüfung bedeutsam sein. 4.3.1.3 Die bisherige Rechtsprechung hat der psychiatrischen Komorbidität herausragende Bedeutung beigemessen (so noch BGE 139 V 547 E. 9.1.1 S. 565). Diese Präponderanz des Leitkriteriums lässt sich nicht länger aufrechterhalten, da sie empirisch nicht belegt ist (HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 539 f.; JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 166 f.; ders. , Die Entwicklung der Foerster-Kriterien und ihre Übernahme in die bundesgerichtliche Rechtsprechung [nachfolgend: Entwicklung] Jusletter 16. Mai 2011 Rz. 137). Die psychische Komorbidität ist nicht mehr generell vorrangig, sondern lediglich gemäss ihrer konkreten Bedeutung im Einzelfall beachtlich, so namentlich als Gradmesser dafür, ob sie der versicherten Person Ressourcen raubt (JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 167 f.; KOPP, a.a.O., S. 12). Der bisher verwendete Zusatz "von erheblicher Schwere, Ausprägung und Dauer" war Ausdruck der früheren Funktion als BGE 141 V 281 S. 301 Ausnahmekriterium sowie von dessen vorrangigem Stellenwert. Zufolge der in beiden Punkten geänderten Rechtsprechung verlieren die genannten Attribute insofern ihre Funktion. Die bisherigen Kriterien "psychiatrische Komorbidität" und "körperliche Begleiterkrankungen" sind zu einem einheitlichen Indikator zusammenzufassen. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung der Wechselwirkungen und sonstigen Bezüge der Schmerzstörung zu sämtlichen begleitenden krankheitswertigen Störungen. Eine Störung, welche nach der Rechtsprechung als solche nicht invalidisierend sein kann (vgl. E. 4.3.1.2; Urteil 9C_98/2010 vom 28. April 2010 E. 2.2.2, in: SVR 2011 IV Nr. 17 S. 44; dazu: Grenzwertige psychische Störungen, Wolfgang Vollmoeller[Hrsg.],2004, passim), ist nicht Komorbidität (vgl. Urteil 9C_1040/2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.4.2.1, in: SVR 2012 IV Nr. 1 S. 1), sondern allenfalls im Rahmen der Persönlichkeitsdiagnostik (unten E. 4.3.2) zu berücksichtigen. Das Erfordernis einer Gesamtbetrachtung gilt grundsätzlich unabhängig davon, wie es um den Zusammenhang zwischen dem Schmerzsyndrom und der Komorbidität bestellt ist. Daher verliert beispielsweise eine Depression nicht mehr allein wegen ihrer (allfälligen) medizinischen Konnexität zum Schmerzleiden jegliche Bedeutung als potentiell ressourcenhemmender Faktor (so noch beispielsweise die Urteile 9C_210/2012 vom 9. Juli 2012 E. 3.1; I 176/06 vom 26. Februar 2007 E. 5.2, in: SVR 2008 IV Nr. 1 S. 1; zum komplexen Verhältnis zwischen Schmerz und Depression: FAUCHÈRE, a.a.O., S. 74 ff.). Beschwerdebilder jedoch, die bloss als diagnostisch unterschiedlich erfasste Varianten derselben Entität mit identischen Symptomen erscheinen, sind von vornherein keine Komorbidität (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 767/03 vom 9. August 2004 E. 3.3.2). Andernfalls würde die auf mehrere Arten erfass- und beschreibbare Gesundheitsbeeinträchtigung doppelt veranschlagt (vgl. Urteil 9C_709/2009 vom 14. Dezember 2009 E. 4.1.4 a.E.). Fraglich ist, ob zwischen der Anzahl der nicht ausreichend organisch erklärten Körperbeschwerden (bzw. der Anzahl von somatoformen Syndromen in verschiedenen Erscheinungsformen) und dem Schweregrad der funktionellen Beeinträchtigung ein linearer Zusammenhang besteht (so HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 523 und 536). Ein solcher Zusammenhang wäre jedenfalls nicht in eine starre Vorgabe umzusetzen. Denn eine Handhabung im Sinne von "je grösser die Anzahl der Einzelbeschwerden, desto höher die funktionelle Einschränkung" ginge in Richtung BGE 141 V 281 S. 302 derjenigen Art von - schematischem - Prüfkriterium, die es nach dem Gesagten gerade zu vermeiden gilt (oben E. 4.1.1; siehe auch HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 533 und 541). Es bestünde die Gefahr, dass in derPraxis einzelne Symptome und Befunde bloss aneinandergereiht undrein quantitativ-mechanisch bewertet würden, was den Blick auf die Gesamtwirkung des Beschwerdebildes für den Funktionsstatus verstellte. 4.3.2 Mit dem schon mehrfach erwähnten stärkeren Einbezug der Ressourcenseite gewinnt der Komplex der Persönlichkeit (Persönlichkeitsentwicklung und -struktur, grundlegende psychische Funktionen) an Bedeutung (dazu KOPP/MARELLI, a.a.O., S. 257 f.; MARELLI, Nicht können oder nicht wollen?, a.a.O., S. 332 ff.). Das Bundesgericht hat in einem früheren Entscheid bereits auf "eine auffällige vorbestehende Persönlichkeitsstruktur" Bezug genommen (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 457/02 vom 18. Mai 2004 E. 7.4, nicht publ. in: BGE 130 V 396 , aber in: SVR 2005 IV Nr. 6 S. 21). Neben den herkömmlichen Formen der Persönlichkeitsdiagnostik, die auf die Erfassung von Persönlichkeitsstruktur und -störungen abzielt (vgl. FAUCHÈRE, a.a.O., S. 101 ff.), fällt auch das Konzept der sogenannten "komplexen Ich-Funktionen" in Betracht. Diese bezeichnen in der Persönlichkeit angelegte Fähigkeiten, welche Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen zulassen (u.a. Selbst- und Fremdwahrnehmung, Realitätsprüfung und Urteilsbildung, Affektsteuerung und Impulskontrolle sowie Intentionalität [Fähigkeit, sich auf einen Gegenstand zu beziehen] und Antrieb; KOPP/MARELLI, a.a.O., S. 258; MARELLI, Nicht können oder nicht wollen?, a.a.O., S. 335 ff.). Auf die Kontroverse hinsichtlich der komplexen Ich-Funktionen in der psychiatrischen Doktrin (vgl. die Beiträge von FELIX SCHWARZENBACH und RENATO MARELLI, SZS 2008 S. 555 ff.; MARELLI, Nicht können oder nicht wollen?, a.a.O., S. 339 f.) braucht nicht näher eingegangen zu werden. Entscheidend ist nicht die begriffliche Herkunft, sondern die Eignung dieser Kategorien, zur Klärung der funktionellen Folgen der Gesundheitsschädigung beizutragen. Wo dies nach den Umständen des Einzelfalles zutrifft, ist von diesem Ansatz Gebrauch zu machen. Da die Persönlichkeitsdiagnostik mehr als andere (z.B. symptom- und verhaltensbezogene) Indikatoren untersucherabhängig ist (vgl. HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 537), bestehen hier besonders hohe Begründungsanforderungen. Diesen Konturen zu verleihen, wird Aufgabe noch zu schaffender medizinischer Leitlinien sein (vgl. unten E. 5.1.2). BGE 141 V 281 S. 303 4.3.3 Neben den Komplexen "Gesundheitsschädigung" und "Persönlichkeit" bestimmt auch der soziale Kontext mit darüber, wie sich die (kausal allein massgeblichen) Auswirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigung konkret manifestieren. Dazu ist zweierlei festzuhalten: Soweit soziale Belastungen direkt negative funktionelle Folgen zeitigen, bleiben sie nach wie vor ausgeklammert (vgl. BGE 127 V 294 E. 5a S. 299; dazu oben E. 2.1.2 und 3.4.2.1 zweiter Abs.). Anderseits hält der Lebenskontext der versicherten Person auch (mobilisierbare) Ressourcen bereit, so die Unterstützung, die ihr im sozialen Netzwerk zuteil wird (vgl. Versicherungsmedizinische Gutachten, Riemer-Kafka [Hrsg.], 2012, S. 121). Immer ist sicherzustellen, dass gesundheitlich bedingte Erwerbsunfähigkeit zum einen ( Art. 4 Abs. 1 IVG ) und nicht versicherte Erwerbslosigkeit oder andere belastende Lebenslagen zum andern nicht ineinander aufgehen; alles andere widerspräche der klaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers. 4.4 Beweisrechtlich entscheidend ist der Aspekt der Konsistenz (KOPP/ MARELLI, a.a.O., S. 256). Darunter fallen verhaltensbezogene Kategorien. 4.4.1 Der Indikator einer gleichmässigen Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen zielt auf die Frage ab, ob die diskutierte Einschränkung in Beruf und Erwerb (bzw. bei Nichterwerbstätigen im Aufgabenbereich) einerseits und in den sonstigen Lebensbereichen (z.B. Freizeitgestaltung) anderseits gleich ausgeprägt ist (vgl. Versicherungsmedizinische Gutachten, Riemer-Kafka [Hrsg.],a.a.O., S. 121; MOSIMANN, Perspektiven, a.a.O., S. 214; SUSANNE BOLLINGER HAMMERLE, Invalidisierende Krankheitsbilder nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: Jahrbuch zum Sozialversicherungsrecht 2015, Kieser/Lendfers [Hrsg.],2015, S. 114; zur praktischen gutachtlichen Erfassung der einschlägigen Umstände: KOPP, a.a.O., S. 10). Aus den schon erwähnten Gründen ist das bisherige Kriterium des sozialen Rückzugs wiederum so zu fassen, dass neben Hinweisen auf Einschränkungen auch Ressourcen erschlossen werden; umgekehrt kann ein krankheitsbedingter Rückzug aber auch Ressourcen zusätzlich vermindern (vgl. JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 168 f.). Soweit erhebbar, empfiehlt sich auch ein Vergleich mit dem Niveau sozialer Aktivität vor Eintritt der Gesundheitsschädigung. Das Aktivitätsniveau der versicherten Person ist stets im Verhältnis zur geltend BGE 141 V 281 S. 304 gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sehen (Urteile 9C_148/2012 vom 17. September 2012 E. 2.2.4, in: SVR 2013 IV Nr. 6 S. 13; 9C_785/ 2013 vom 4. Dezember 2013 E. 3.2). 4.4.2 Die Inanspruchnahme von therapeutischen Optionen , das heisst das Ausmass, in welchem Behandlungen wahrgenommen oder eben vernachlässigt werden, weist (ergänzend zum Gesichtspunkt Behandlungs- und Eingliederungserfolg oder -resistenz; oben E. 4.3.1.2) auf den tatsächlichen Leidensdruck hin. Dies gilt allerdings nur, solange das betreffende Verhalten nicht durch das laufende Versicherungsverfahren beeinflusst ist (HENNINGSEN, Probleme und offene Fragen, a.a.O., S. 537). Nicht auf fehlenden Leidensdruck zu schliessen ist, wenn die Nichtinanspruchnahme einer empfohlenen und zugänglichen Therapie oder die schlechte Compliance klarerweise auf eine (unabwendbare) Unfähigkeit zur Krankheitseinsicht zurückzuführen ist (vgl. JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 171). In ähnlicher Weise zu berücksichtigen ist das Verhalten der versicherten Person im Rahmen der beruflichen (Selbst-)Eingliederung. Inkonsistentes Verhalten ist auch hier ein Indiz dafür, die geltend gemachte Einschränkung sei anders begründet als durch eine versicherte Gesundheitsbeeinträchtigung. 5. Der dargestellte Prüfungsraster ist rechtlicher Natur. Es fragt sich, wofür Recht und Medizin zuständig sind, das heisst, wie es sich im Einzelnen mit der Arbeitsteilung der beiden Disziplinen verhält (E. 5.1) und wie sie bei der Ermittlung der Arbeitsunfähigkeit im konkreten Einzelfall zusammenwirken (E. 5.2). 5.1 5.1.1 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat ursprünglich psychiatrische Prognosekriterien (vgl. BGE 135 V 201 E. 7.1.2 S. 212; KLAUS FOERSTER, Begutachtung der Erwerbsfähigkeit bei Patienten mit psychogenen Störungen, SZS 1996 S. 486 ff., 498) zu einem rechtlichen Anforderungsprofil verselbständigt (Urteil 9C_776/2010 vom 20. Dezember 2011 E. 2.4; vgl. auch Urteil 8C_420/2011 vom 26. September 2011 E. 2.4) und insoweit der medizinischen Diskussion entzogen (kritisch dazu JÖRG JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 163 ff.; ders ., Entwicklung, Rz. 133 ff. und 159; MATTHIAS KRADOLFER, Rechtsgutachten [mit JÖRG PAUL MÜLLER], Pathogenetisch-ätiologisch syndromal unklare Beschwerdebilder ohne nachweisbare organische Grundlage: Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit mit der EMRK, 2012, Rz. 164 ff.; BGE 141 V 281 S. 305 SCASASCIA KLEISER/SAMUELSSON, Wieviel Leid ist zumutbar? Über die höchstrichterliche Vermutung der Überwindbarkeit von Schmerzerkrankungen, Jusletter 17. Dezember 2012 Rz. 37). Auch die hier eingeführten Indikatoren sind nicht unmittelbar vom (herrschenden) medizinisch-empirischen Kenntnisstand abhängig. Im Unterschied zur Medizin hat das Recht eine einheitliche und rechtsgleiche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten ( BGE 135 V 201 E. 7.1.3 S. 213; MOSIMANN, Perspektiven, a.a.O., S. 212; BOLLINGER HAMMERLE, a.a.O., S. 111; ULRICH MEYER, Somatoforme Schmerzstörung - ein Blick zurück auf eine Dekade der Entwicklung [nachfolgend: Dekade], in: Sozialversicherungsrechtstagung 2010, Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], 2011, S. 19 und 31 f.). Dies verlangt nach einer objektivierten Zumutbarkeitsbeurteilung, welche durch Verwendung von - juristisch, jedoch unter Berücksichtigung der medizinischen Empirie, festgelegten - Standardkriterien zu harmonisieren ist. Da die Rechtsanwendung auf geänderte Rechtstatsachen (rascher) reagieren kann (vgl. oben E. 4.1.1), besteht kein Grund, um in dieser Hinsicht eine funktionelle Zuständigkeit des Gesetzgebers anzunehmen. 5.1.2 Der rechtliche Anforderungskatalog beschränkt sich auf einen Grundbestand von normativ massgeblichen Gesichtspunkten. Innerhalb dieses Rahmens muss die Begutachtungspraxis durch konkretisierende Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften angeleitet werden (vgl. JEGER, Tatfrage oder Rechtsfrage, a.a.O., S. 602 f.). In diesen soll der aktuelle medizinische Grundkonsens zum Ausdruck kommen. Bezüglich Leitlinien der (psychiatrischen) Begutachtung besteht dringender Handlungsbedarf. Bisher bestehende Leitlinien (E. COLOMB UND ANDERE, Qualitätsleitlinien für psychiatrische Gutachten in der Eidgenössischen Invalidenversicherung, Februar 2012[Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,(SGPP), und Schweizerische Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie, (SGVP)]; Leitlinien der SGVP für die Begutachtung psychosomatischer Störungen, SAeZ 2004 S. 1048 ff.) vereinheitlichten die methodischen, formalen und inhaltlichen Grundanforderungen (MARELLI, Das psychiatrische Gutachten, a.a.O., S. 76 f. und 83 ff.). Spezifische Leitlinien zur versicherungsmedizinischen Begutachtung somatoformer Störungen - im Sinne eines "materiellen Beurteilungskorridors" (MEYER, Dekade, a.a.O., S. 29) - stehen indessen noch aus. In Deutschland gibt es seit langem entsprechende Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF; vgl. genanntes Urteil 9C_776/2010 E. 2.4 a.E.; BGE 141 V 281 S. 306 SCHNEIDER UND ANDERE, Manual zum Leitfaden, in: Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, Schneider und andere [Hrsg.], 2012, S. 425 ff.; JEGER, Die persönlichen Ressourcen, a.a.O., S. 192; ders. , Tatfrage oder Rechtsfrage, a.a.O., S. 596, 602 f.). Die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (VOLKER DITTMANN UND ANDERE) haben zuhanden des BSV eine "Literaturstudie als Grundlage zur Entwicklung von evidenzbasierten Gütekriterien zur Beurteilung von psychischen Behinderungen" (2009) erarbeitet. Die Autoren stellen einen "immensen Forschungsbedarf bezüglich der Entwicklung und Validierung von Kriterien, Indikatoren und Merkmalen für die Beschreibung von Gesundheitsstörungen in der Versicherungsmedizin" fest und empfehlen, künftige Leitlinien unter anderem zu den somatoformen Störungen aufgrund einer stark zu erweiternden Datenbasis zu entwickeln. Zur Erhebung von deren Implementierungsgrad und zur Bestimmung der Effekte der Leitlinienanwendung sei eine begleitende Evaluation zwingend (S. 37 ff.). In künftige Leitlinien einzubeziehen sein werden auch Schlussfolgerungen aus der laufenden Nationalfonds-Studie des Universitätsspitals Basel "Reliable psychiatrische Begutachtung im Rentenverfahren" (RELY-Studie), welche die Verlässlichkeit einer funktionsorientierten psychiatrischen Begutachtung untersucht. 5.2 5.2.1 Über das Zusammenwirken von Recht und Medizin bei der konkreten Rechtsanwendung hat sich das Bundesgericht verschiedentlich, auch jüngst, geäussert. Danach ist es sowohl den begutachtenden Ärzten als auch den Organen der Rechtsanwendung aufgegeben, die Arbeitsfähigkeit im Einzelfall mit Blick auf die normativ vorgegebenen Kriterien zu beurteilen. Die medizinischen Fachpersonen und die Organe der Rechtsanwendung prüfen die Arbeitsfähigkeit je aus ihrer Sicht ( BGE 137 V 64 E. 5.1 S. 69). Bei der Abschätzung der Folgen aus den diagnostizierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nimmt zuerst der Arzt Stellung zur Arbeitsfähigkeit (MOSIMANN, Perspektiven, a.a.O., S. 206 und 210). Seine Einschätzung ist eine wichtige Grundlage für die anschliessende juristische Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistung der versicherten Person noch zugemutet werden kann ( BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 196; ULRICH MEYER, Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in der Sozialversicherung, namentlich für den Einkommensvergleich in der Invaliditätsbemessung, in: Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], 2003, S. 49). BGE 141 V 281 S. 307 5.2.2 In diesem Sinne lautet die normativ bestimmte Gutachterfrage, wie die sachverständige Person das Leistungsvermögen einschätzt, wenn sie dabei den einschlägigen Indikatoren folgt. Die Rechtsanwender überprüfen die betreffenden Angaben frei, insbesondere daraufhin, ob die Ärzte sich an die massgebenden normativen Rahmenbedingungen gehalten haben, das heisst, ob sie ausschliesslich funktionelle Ausfälle berücksichtigt haben, welche Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung sind (Art. 7 Abs. 2 erster Satz ATSG), sowie, ob die versicherungsmedizinische Zumutbarkeitsbeurteilung auf objektivierter Grundlage erfolgt ist (Art. 7 Abs. 2 zweiter Satz ATSG; vgl. BGE 137 V 64 E. 1.2 in fine S. 66). Dies sichert die einheitliche und rechtsgleiche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit ( BGE 140 V 290 E. 3.3.1 S. 296; BGE 135 V 201 E. 7.1.3 S. 213). 5.2.3 Jedenfalls in der Invalidenversicherung tragen Recht und Medizin, je nach ihren fachlichen und funktionellen Zuständigkeiten, zur Feststellung ein und derselben Arbeitsunfähigkeit bei. Das heisst, dass die medizinischen Gutachter nicht, wie häufig anzutreffen, eine quasi freihändige Beurteilung abgeben und daneben noch Grundlagen liefern sollen, anhand derer die Rechtsanwender eine von der subjektiven ärztlichen Einschätzung losgelöste Parallelüberprüfung vornehmen. Es gibt keine unterschiedlichen Regeln gehorchende, getrennte Prüfung einer medizinischen und einer rechtlichen Arbeitsfähigkeit. Daher existiert entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch keine "sozialpolitische Zurechenbarkeit im Sinne einer Sonderadäquanz", welche gesondert von der Arbeitsunfähigkeit - diese verstanden als "medizinische Tatfrage der fehlenden Möglichkeit, eine bestimmte Tätigkeit ausüben zu können" - zu betrachten wäre. 6. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Invaliditätsbemessung bei psychosomatischen Störungen stärker als bisher den Aspekt der funktionellen Auswirkungen zu berücksichtigen hat, was sich schon in den diagnostischen Anforderungen niederschlagen muss (E. 2). Auf der Ebene der Arbeitsunfähigkeit (E. 3) bezweckte die durch BGE 130 V 352 begründete Rechtsprechung die Sicherstellung eines gesetzmässigen Versicherungsvollzuges (E. 3.4.1.1) mittels der Regel/Ausnahme-Vorgabe bzw. (seit dem Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 457/02 vom 18. Mai 2004 E. 7.3, nicht publ. in: BGE 130 V 396 ; BGE 131 V 49 ) der Überwindbarkeitsvermutung (E. 3.1, 3.2 und 3.3.1). Deren Rechtsnatur kann offenbleiben (E. 3.3.2 f.). Denn an BGE 141 V 281 S. 308 dieser Rechtsprechung ist nicht festzuhalten (E. 3.4 und 3.5). Das bisherige Regel/Ausnahme-Modell wird durch ein strukturiertes Beweisverfahren ersetzt (E. 3.6). An der Rechtsprechung zu Art. 7 Abs. 2 ATSG - ausschliessliche Berücksichtigung der Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung und objektivierte Zumutbarkeitsprüfung bei materieller Beweislast der rentenansprechenden Person ( Art. 7 Abs. 2 ATSG ) - ändert sich dadurch nichts (E. 3.7). An die Stelle des bisherigen Kriterienkatalogs (bei anhaltender somatoformer Schmerzstörung und vergleichbaren psychosomatischen Leiden) treten im Regelfall beachtliche Standardindikatoren (E. 4). Diese lassen sich in die Kategorien Schweregrad (E. 4.3) und Konsistenz der funktionellen Auswirkungen einteilen (E. 4.4). Auf den Begriff des primären Krankheitsgewinnes (E. 4.3.1.1) und die Präponderanz der psychiatrischen Komorbidität (E. 4.3.1.3) ist zu verzichten . Der Prüfungsraster ist rechtlicher Natur (E. 5 Ingress). Recht und Medizin wirken sowohl bei der Formulierung der Standardindikatoren (E. 5.1) wie auch bei deren - rechtlich gebotener - Anwendung im Einzelfall zusammen (E. 5.2). Im Grunde konkretisieren die in E. 4 und 5 formulierten Beweisthemen und Vorgehensweisen für die Invaliditätsbemessung bei psychosomatischen Leiden (E. 4.2) die gesetzgeberischen Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 ATSG . Die Anerkennung eines rentenbegründenden Invaliditätsgrades ist nur zulässig, wenn die funktionellen Auswirkungen der medizinisch festgestellten gesundheitlichen Anspruchsgrundlage im Einzelfall anhand der Standardindikatoren schlüssig und widerspruchsfrei mit (zumindest) überwiegender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sind. Fehlt es daran, hat die Folgen der Beweislosigkeit nach wie vor die materiell beweisbelastete versicherte Person zu tragen. 7. Nach den dargelegten Anpassungen im Prüfungsprogramm stellt sich die Kognition des Bundesgerichts (Art. 95 lit. a, 97 Abs. 1 und 105 Abs. 1 und 2 BGG) wie folgt dar (vgl. BGE 137 V 64 E. 1.2 S. 66): Im Hinblick auf die Beurteilung, ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung - oder ein vergleichbares psychosomatisches Leiden - invalidisierend wirkt, zählen als Tatsachenfeststellungen , welche das Bundesgericht nur eingeschränkt überprüfen kann, alle Feststellungen der Vorinstanz, die auf der Würdigung von ärztlichen Angaben und Schlussfolgerungen betreffend Diagnose und Folgenabschätzung beruhen. Als Rechtsfrage frei überprüfbar ist hingegen, ob und in welchem Umfang die ärztlichen Feststellungen anhand der BGE 141 V 281 S. 309 rechtserheblichen Indikatoren auf Arbeitsunfähigkeit ( Art. 6 ATSG ) schliessen lassen. 8. In intertemporalrechtlicher Hinsicht ist sinngemäss wie in BGE 137 V 210 (betreffend die rechtsstaatlichen Anforderungen an die medizinische Begutachtung) vorzugehen. Nach diesem Entscheid verlieren gemäss altem Verfahrensstandard eingeholte Gutachten nicht per se ihren Beweiswert. Vielmehr ist im Rahmen einer gesamthaften Prüfung des Einzelfalls mit seinen spezifischen Gegebenheiten und den erhobenen Rügen entscheidend, ob ein abschliessendes Abstellen auf die vorhandenen Beweisgrundlagen vor Bundesrecht standhält ( BGE 137 V 210 E. 6 in initio S. 266). In sinngemässer Anwendung auf die nunmehr materiell-beweisrechtlich geänderten Anforderungen ist in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob die beigezogenen administrativen und/oder gerichtlichen Sachverständigengutachten - gegebenenfalls im Kontext mit weiteren fachärztlichen Berichten - eine schlüssige Beurteilung im Lichte der massgeblichen Indikatoren erlauben oder nicht. Je nach Abklärungstiefe und -dichte kann zudem unter Umständen eine punktuelle Ergänzung genügen. 9. Die Beschwerdeführerin beantragt, bei der Schweizerischen Gesellschaft für Versicherungspsychiatrie sei ein Grundsatzgutachten einzuholen über die Grundsätze, nach denen unklare Beschwerdebilder zu beurteilen seien; das Verfahren sei zu diesem Zweck zu sistieren. Dies erübrigt sich schon deswegen, weil sich der versicherungsmedizinisch definierte Gegenstand der Begutachtung im Einzelfall (Bestimmung der Arbeitsunfähigkeit) seinerseits nach rechtlichen Vorgaben richtet. Ein allenfalls veränderter medizinischer Konsens über die Umsetzung dieser Grundsätze kann umgekehrt in die Rechtspraxis einfliessen (oben E. 5.1.1). Die zuständigen medizinischen Fachgesellschaften werden den aktuellen Stand der Erkenntnisse zuhanden der gutachterlichen Praxis in Leitlinien fassen (vgl. BGE 140 V 260 E. 3.2.2 S. 262; E. 5.1.2). 10. Für den konkreten Fall ergibt sich: 10.1 10.1.1 Die Beschwerdeführerin rügt unter anderem, die vorinstanzliche Prüfung der Arbeitsfähigkeit erfolge weitgehend losgelöst von den Einschätzungen des Administrativgutachters, welcher freilich seinerseits keine Arbeitsunfähigkeit attestiert hatte. Der angefochtene Entscheid beruhe auf offensichtlich unrichtiger Feststellung des Sachverhalts. Dieser Vorwurf ist unbegründet. Die angesprochenen BGE 141 V 281 S. 310 Erwägungen betreffen eine Rechtsfrage, nicht eine Sachverhaltsfeststellung. Denn ein Gericht bedient sich zwar grundsätzlich der gleichen Indikatoren, an denen sich schon die gutachterliche Einschätzung orientiert hat; es prüft aber frei, ob die gutachtlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit einzig auf den gesetzlich vorgesehenen kausalen Faktoren (gesundheitliche Einschränkungen im engeren Sinne) beruht und ob die gutachtlichen Schlussfolgerungen den rechtlich vorausgesetzten Zumutbarkeitsvorgaben entsprechen (oben E. 5.2.2). Zudem wendet es die allgemeinen Beweiswertkriterien rechtlicher Natur an ( BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Die Rüge wäre also begründet, wenn die Vorinstanz vom Sachverständigen bereitgestellte Entscheidungsgrundlagen unbeachtet gelassen hätte, ohne dass dieses Vorgehen aufgrund der Würdigung des Gutachtens im Kontext mit den weiteren medizinischen Berichten gerechtfertigt wäre, wenn sie gutachtliche Erkenntnisse offensichtlich unrichtig erfasst hätte, wenn sie unzulässig in den Aufgabenbereich der Medizin eingegriffen hätte (vgl. oben E. 5.2) oder wenn die Umsetzung der gutachtlichen Schlussfolgerungen in die rechtliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mit dem spezifischen Erkenntnisziel der Indikatoren im Einzelnen oder in ihrer Gesamtheit (oben E. 4) zu vereinbaren wäre. Nichts davon trifft hier zu. 10.1.2 Die Vorinstanz hielt fest, die gutachterlich diagnostizierte leicht- bis höchstens mittelgradige depressive Episode entspreche einer reaktiven Symptomatik, somit einer unselbständigen Begleiterscheinung der Schmerzkrankheit. Das depressive Geschehen sei daher praxisgemäss nicht als psychische Komorbidität zu betrachten, zumal es auch nicht genügend schwer wiege (angefochtener Entscheid E. 9.3). Hierbei übersieht die Vorinstanz den Umstand, dass sich die Beschreibung einer erheblich reduzierten Belastbarkeit respektive einer andauernden, ausgeprägten Kraftlosigkeit und Müdigkeit - und damit einhergehenden Schmerzzunahme - wie ein roter Faden durch das Gutachten zieht. Behandelnde Ärzte haben gleichartige Beobachtungen zum Anlass genommen, eine mittelgradige depressive Störung zu diagnostizieren (vgl. etwa die Berichte der Psychiatrischen Klinik C. vom 27./28. August 2013 und des behandelnden Psychiaters Dr. D. vom 6. Dezember 2013). Angesichts der administrativgutachtlichen Feststellungen über eine stark herabgesetzte Belastbarkeit besteht keine unüberbrückbare Diskrepanz zu den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte. Wenn der BGE 141 V 281 S. 311 Gutachter die anhaltende Erschöpfung (anders als die behandelnden Ärzte) nicht einer depressiven Störung zuordnen wollte, drängt sich die Frage auf, ob dieser Befund insofern nicht zu einer anderen Einschätzung des Schweregrades der Schmerzstörung hätte führen müssen, zumal persönlichkeitsdiagnostische Auffälligkeiten (unter anderem "ängstliche Persönlichkeitsanteile") zu veranschlagen sind und die Anamnese Gründe für eine erhöhte Vulnerabilität der Beschwerdeführerin aufweist (kriegsbedingte Flucht, langandauernde Überlastung im Zusammenhang mit der prekären Existenz ihrer achtköpfigen Familie, dazu EGLE/NICKEL, a.a.O., S. 129; vgl. oben E. 3.4.2.1). 10.1.3 Unter diesen Umständen verbietet sich - nach dem in E. 8 Gesagten - ein abschliessendes Abstellen auf die verfügbaren medizinischen Grundlagen. Es fehlt insbesondere an einer umfassenden Beurteilung nach Massgabe der bei der Beschwerdeführerin - anamnestisch, aktuell und prognostisch - relevanten Indikatoren. Grundsätzlich wäre es denkbar, die offenen Punkte mit einer ergänzenden Stellungnahme des psychiatrischen Administrativgutachters zu bereinigen. Angesichts der in den E. 2-5 vorgenommenen Anpassungen ist indessen dem Eventualbegehren zu entsprechen und die Sache zur Einholung eines Gerichtsgutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen. 10.2 Es bleibt die Frage nach dem fachlichen Umfang der neuen Expertise. Die Beschwerdeführerin beantragt eine interdisziplinäre Begutachtung. Das kantonale Gericht habe den Untersuchungsgrundsatz verletzt ( Art. 61 lit. c ATSG ), indem es ein psychiatrisches Gutachten genügen liess. Da neben dem psychiatrisch zu erfassenden gesundheitlichen Geschehen auch eine "immer wieder attestierte" Fibromyalgie im Raum stehe, hätte die Vorinstanz nach Auffassung der Beschwerdeführerin auf eine rheumatologische Begutachtung nicht verzichten dürfen. In diesem Zusammenhang vertritt die Beschwerdeführerin die These, Fibromyalgie und somatoforme Schmerzstörung stellten "zwei ätiologisch unterschiedliche Krankheitsbilder" dar (dazu oben E. 4.3.1.3; vgl. BGE 132 V 65 ). Wohl mag das Schmerzleiden der Beschwerdeführerin alternativ mit der rheumatologischen Diagnose der Fibromyalgie erfassbar sein (vgl. A. BATRA, Fibromyalgie und somatoforme Schmerzstörung aus psychiatrischer Sicht, MedSach 2007 S. 124 ff.). Die betreffenden Befunde sind aber auch mit der psychiatrischen Kategorie der somatoformen Schmerzstörung abschliessend zu klassifizieren (vgl. FAUCHÈRE, a.a.O., BGE 141 V 281 S. 312 S. 49 f.; zur Fachkompetenz psychiatrischer und rheumatologischer Sachverständiger hinsichtlich von Schmerzzuständen mit massgeblicher psychogener Komponente: Urteil 9C_621/2010 vom 22. Dezember 2010 E. 2.2.2 und Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 704/03 vom 28. Dezember 2004 E. 4.1.1). Eine psychiatrische Expertise genügt, weil das Beschwerdebild keine weiteren Befunde einschliesst, die originär rheumatologischer Natur wären (vgl. den Bericht des Dr. I., Medizinische Klinik am Spital J., vom 26. April 2012). 10.3 Ein abschliessender materieller Entscheid anhand des gegebenen medizinischen Dossiers ist nicht möglich. Die Sache wird an das kantonale Gericht zurückgewiesen, damit es ein psychiatrisches Gerichtsgutachten (bei einem anderen Sachverständigen) einhole und gestützt darauf neu entscheide. Was das Begehren der Beschwerdeführerin angeht, die Vorinstanz sei zu verpflichten, ein Gerichtsgutachten "unter Wahrung der Mitwirkungsrechte und unter korrekter Fragestellung" einzuholen, so verstehen sich diese Anforderungen im Grundsatz von selbst. Im Einzelnen verfügt das kantonale Gericht aber auch über Spielräume der Verfahrensgestaltung, welche nicht vorab verengt werden dürfen. 11. 11.1 Die Rückweisung der Sache zu erneuter Abklärung gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG , unabhängig davon, ob sie beantragt und ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird ( BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271 mit Hinweisen).
null
nan
de
2,015
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
13f1814c-508f-4959-aa15-8333772d4803
Urteilskopf 97 II 230 33. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 21 septembre 1971 dans la cause Dumont contre Ecuvillon.
Regeste Wird eine Kollektivgesellschaft, bestehend aus zwei Gesellschaftern, aufgelöst und ihr Geschäft von einem der Teilhaber weitergeführt, so fallen die Rechtsbeziehungen aus dem Gesellschaftsvvertrag nicht dahin; sie bestehen mit verändertem Inhalt weiter, bis der ausgetretene Gesellschafter vollständig befriedigt ist. Anwendung dieses Grundsatzes auf den Anspruch des ausscheidenden Teilhabers, dass ihm sein Anteil nach Auflösung der Gesellschaft zu dem vertraglich vorgesehenen Satz verzinst werde.
Erwägungen ab Seite 231 BGE 97 II 230 S. 231 1. En cas de dissolution d'une société en nom collectif composée de deux associés et de continuation des affaires par l'un d'eux, soit en raison de la faillite de l'autre ou pour un juste motif se rapportant principalement à sa personne (art. 579 CO), soit par suite d'une convention des parties (RO 75 I 274 s.), l'ancienne fortune sociale se transforme en une fortune individuelle, celle de l'associé restant qui s'accroît de la part de l'associé sortant (RO 75 I 275); ce dernier doit être désintéressé à concurrence de ce qui lui revient dans l'actif social. Les rapports de droit fondés sur le contrat de société ne disparaissent pas au moment de la dissolution de la société. Ils subsistent, avec un contenu différent, jusqu'au désintéressement complet de l'associé sortant, de même qu'ils ne cessent qu'avec la fin de la liquidation et de la répartition entre les associés, en cas de dissolution aboutissant à la liquidation (art. 582 ss. CO; RO 81 II 362; WIELAND, Handelsrecht I p. 724). De même aussi, lorsque la société continue nonobstant la sortie d'un ou de plusieurs associés (art. 576 CO), les rapports fondés sur le contrat de société entre les associés sortants et les autres continuent avec un contenu différent, jusqu'à complet désintéressement des premiers (SIEGWART, ad art. 579 n. 3, avec renvoi à n. 4 ad art. 576 et n. 46 ad art. 545/547). C'est donc à tort que la Cour de justice considère que "la stipulation d'un intérêt de 4% ... a cessé ipso facto" au 31 décembre 1966, du fait que le contrat de société avait pris fin à cette date et qu'il ne prévoyait rien quant à l'obligation du défendeur de continuer à payer un intérêt au demandeur, si celui-ci sortait de la société de son vivant. Il n'était pas nécessaire que le contrat de société précisât que le droit du demandeur à l'intérêt stipulé par cette disposition subsistait après dissolution de la société et jusqu'au remboursement de sa part à l'actif social. Cela résulte de la nature de l'affaire et du principe de la bonne foi. Le demandeur ayant droit à l'intérêt alors que ses apports profitaient à la société, c'est-à-dire aux deux associés, BGE 97 II 230 S. 232 ce droit doit à plus forte raison lui être reconnu dès l'instant où sa part à l'actif social vient accroître la fortune du défendeur et que celui-ci lui en est redevable. Le délai de remboursement, dont le seul but est de laisser au débiteur le temps nécessaire pour se procurer les fonds, ne saurait justifier son exemption de l'obligation contractuelle de payer l'intérêt. Au surplus, les apports portaient intérêt pendant la durée de la société, quand bien même ils ne pouvaient alors pas être repris. Selon une opinion soutenue en doctrine également, les apports continuent à porter intérêt depuis la sortie de l'associé jusqu'à l'échéance de sa créance, attendu qu'il n'est pas usuel, en matière de commerce, de ne pas payer d'intérêt sur des fonds étrangers (U. MOSER, Fragen, die sich aus dem Verhältnis zwischen den die Kollektivgesellschaft fortsetzenden Gesellschaftern und dem ausgeschiedenen Teilhaber ergeben, thèse Zürich 1948 p. 22, 71). Cette opinion trouve appui à l'art. 313 al. 2 CO, qui prévoit qu'en matière de commerce, des intérêts sont dus même sans convention, et à l'art. 213 al. 2 CO, aux termes duquel le prix de vente porte intérêts, même sans interpellation, si l'acheteur peut retirer de la chose des fruits ou autres produits. Elle se trouve exprimée aussi par la doctrine allemande (FLECHTHEIM dans DÜRINGER/HACHENBURG, Das Handelsgesetzbuch (HGB), 3e éd. 1932, ad § 138 n. 14; WEIPERT, Kommentar zum HGB, 2e éd. 1950, ad § 138 n. 20 et 38; SCHLEGELBERGER/GESSLER, HGB, 4e éd. 1963, ad § 138 n. 25). Or ces auteurs, qui considèrent que la créance de l'associé sortant porte intérêt même si un délai a été prévu pour le remboursement, ne peuvent fonder leur point de vue directement sur le § 353 HGB; cette disposition ne met en effet les commerçants au bénéfice d'un intérêt sur les créances qui dérivent de leurs relations commerciales que dès le jour de l'échéance. Quant à l'opinion de WIELAND (Handelsrecht I 705), selon laquelle "Auszahlungen von Gewinn und Zinsen unterbleiben während der Liquidationsperiode", elle ne vise pas le cas de la sortie d'un associé, mais celui de la dissolution de la société avec liquidation de l'actif social. Tous les associés ont alors avantage à ce qu'il ne soit pas payé d'intérêts durant la liquidation; le produit de celle-ci à répartir entre eux s'en trouve accru d'autant. En cas de sortie d'un associé et de continuation des affaires par l'autre, en revanche, seul ce dernier serait BGE 97 II 230 S. 233 avantagé s'il n'avait pas à payer d'intérêt sur sa dette en remboursement, quand bien même il est seul propriétaire de l'actif social dès la dissolution de la société. On ne saurait dire au demeurant si WIELAND nie seulement l'obligation de payer des intérêts durant la liquidation, ou aussi celle de les porter en compte. MOSER (op. cit. p. 17) est d'avis que les apports continuent à porter intérêt pendant la durée de la liquidation. En l'espèce, le défendeur aurait de surcroît pu se fonder sur le texte du contrat de société pour exiger le paiement d'intérêts, depuis la dissolution de la société jusqu'au remboursement de son dû, si c'était lui qui avait quitté la société et le demandeur qui avait continué les affaires. Les termes "de rembourser en capital et intérêts la créance ... telle qu'elle résultera de la comptabilité" employés par l'art. 10 ch. I lettre b de ce contrat ne sont certes pas décisifs à eux seuls. On les retrouve aux ch. II lettre b et III lettre b du même article. Mais ici, les parties ont estimé nécessaire d'ajouter dans l'alinéa consacré au délai de paiement que le remboursement interviendrait "sans intérêts". Cette adjonction, qui ne figure pas dans l'alinéa correspondant du ch. I lettre b, permet de conclure que l'exonération des intérêts n'était prévue que pour le cas de dissolution consécutive à la mort d'un associé. L'omission des termes "sans intérêts" au ch. I lettre b n'est pas due à une inadvertance. Du vivant des deux associés, un traitement à peu près semblable leur était réservé. Le demandeur bénéficiait du droit de continuer les affaires, le défendeur de celui de toucher des intérêts jusqu'à ce qu'il fût effectivement dédommagé. En cas de mort d'un associé, en revanche, le survivant devait être avantagé par rapport aux héritiers du défunt, lesquels n'avaient en rien contribué à la prospérité de la société. Cet avantage consistait d'une part dans un délai de remboursement sensiblement plus long, d'autre part dans la dispense de payer des intérêts sur la créance du défunt. Tel est en tout cas le sens qui doit être donné au contrat selon le principe de la confiance (RO 95 II 328 consid. 3 et les arrêts cités, 97 II 73 s. consid. 3). Les deux parties devaient comprendre l'omission des termes "sans intérêts" à l'art. 10 ch. I lettre b, au contraire des ch. II lettre b et III lettre b, en ce sens que le défendeur avait droit à des intérêts jusqu'à l'extinction de sa créance contre la société, s'il quittait celle-ci de son vivant et que le demandeur continuait les affaires. Quant à l'hypothèse non prévue par le BGE 97 II 230 S. 234 contrat de la sortie du demandeur de la société, les affaires étant continuées par le défendeur, il va de soi qu'elle doit être traitée de la même façon: les apports du demandeur doivent porter intérêt non seulement jusqu'à la dissolution de la société, mais jusqu'au règlement des comptes entre associés.
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Federation
13f4a7a1-4589-483c-87b1-92d4a0f93be6
Urteilskopf 126 V 443 74. Urteil vom 6. November 2000 i. S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen B. und Ausgleichskasse SPIDA gegen B. und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
Regeste Art. 52 AHVG ; Art. 82 Abs. 1 AHVV ; Art. 171 und 219 Abs. 4 Dritte Klasse SchKG: Arbeitgeberhaftung; Zeitpunkt der Schadenskenntnis. Der Verlust des Konkursprivilegs für die Beitragsforderung ändert nichts an der bisherigen Rechtsprechung, wonach die Ausgleichskasse im Konkurs der Arbeitgeberin in der Regel erst im Zeitpunkt der Auflage des Kollokationsplans Kenntnis vom Schaden erlangt.
Sachverhalt ab Seite 443 BGE 126 V 443 S. 443 A.- B. war seit 1994 Verwaltungsratspräsident der X AG. Am 3. März 1997 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet und das summarische Konkursverfahren angeordnet. Mit Eingabe vom 17. April 1997 meldete die Ausgleichskasse SPIDA nicht bezahlte paritätische Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von Fr. 23'731.45 beim Konkursamt Y an. Der Kollokationsplan lag vom 8. bis 27. Dezember 1997 zur Einsicht auf. Mit Verfügung vom 3. Dezember 1998 verpflichtete die Ausgleichskasse B., ihr Schadenersatz für im Jahr 1996 entgangene bundesrechtliche Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von Fr. 23'731.45 zu bezahlen. Am 16. März 1999 erhielt sie für die ganze im Konkurs eingegebene Forderung einen Verlustschein. B.- Die auf Einspruch hin von der Ausgleichskasse SPIDA gegen B. eingereichte Klage wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 6. März 2000 wegen Verwirkung der Schadenersatzforderung ab. C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Sache an das kantonale Gericht zu neuem Entscheid zurückzuweisen. BGE 126 V 443 S. 444 B. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Die Ausgleichskasse SPIDA beantragt die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. D.- Die Ausgleichskasse SPIDA führt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei der Beschwerdegegner zur Bezahlung von Fr. 23'731.45 Schadenersatz zu verpflichten. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. B. lässt wiederum auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Verfahrensvereinigung; vgl. BGE 123 V 215 Erw. 1, BGE 120 V 466 Erw. 1 mit Hinweisen; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. 1, S. 343 unten f.) 2. (Eingeschränkte Kognition; vgl. BGE 125 V 34 Erw. 1) 3. Streitig ist, ob die Ausgleichskasse die Schadenersatzverfügung gegen den Beschwerdegegner rechtzeitig innerhalb der einjährigen Verwirkungsfrist des Art. 82 Abs. 1 AHVV erlassen hat. a) Gemäss Art. 82 Abs. 1 AHVV verjährt die Schadenersatzforderung, wenn sie nicht innert Jahresfrist seit Kenntnis des Schadens durch Erlass einer Schadenersatzverfügung geltend gemacht wird, auf jeden Fall aber mit Ablauf von fünf Jahren seit Eintritt des Schadens. Nach der Rechtsprechung erlangt die Ausgleichskasse in dem Zeitpunkt Kenntnis vom Schaden, in welchem sie unter Beachtung der ihr zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen muss, dass die tatsächlichen Gegebenheiten nicht mehr erlauben, die Beiträge einzufordern, wohl aber eine Schadenersatzpflicht begründen können ( BGE 121 III 388 Erw. 3b, BGE 119 V 92 Erw. 3, BGE 118 V 195 Erw. 3a, je mit Hinweisen). Bereits in diesem Zeitpunkt beginnt die einjährige Verwirkungsfrist zu laufen. Die fünfjährige Verwirkungsfrist hingegen beginnt mit dem Eintritt des Schadens zu laufen. Der Schaden gilt als eingetreten, sobald anzunehmen ist, dass die geschuldeten Beiträge aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr eingefordert werden können ( BGE 121 III 384 Erw. 3/bb, 388 Erw. 3a, BGE 113 V 257 f., je mit Hinweisen). Im Falle eines Konkurses besteht praxisgemäss in der Regel bereits dann ausreichend Kenntnis des Schadens, wenn die Kollokation der Forderungen eröffnet bzw. der Kollokationsplan (und das Inventar) zur Einsicht aufgelegt wird ( BGE 121 V 234 , BGE 119 V 92 Erw. 3, BGE 118 V 196 Erw. 3a, je mit Hinweisen). BGE 126 V 443 S. 445 b) Diese Grundsätze kommen auch bei Durchführung des summarischen Konkursverfahrens zur Anwendung, da dessen Anordnung noch keine Kenntnis des Schadens begründet ( BGE 116 V 77 unten mit Hinweisen; AHI 1995 S. 189 Erw. 3c; THOMAS NUSSBAUMER, Die Ausgleichskasse als Partei im Schadenersatzprozess nach Artikel 52 AHVG, in: ZAK 1991 S. 390; derselbe, Das Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG , in: Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht der AHV, St. Gallen 1998, S. 110). c) Wird der Konkurs weder im ordentlichen noch im summarischen Verfahren durchgeführt, fallen die zumutbare Kenntnis des Schadens und der Eintritt desselben in der Regel mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven zusammen, wobei der Publikationszeitpunkt der Konkurseinstellung im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) massgeblich ist (ZAK 1990 S. 289 Erw. 4b und S. 290 Erw. 4c/bb; NUSSBAUMER, a.a.O. in ZAK 1991 S. 390). Voraussetzung für eine ausreichende Kenntnis des Schadens ist aber, dass die Ausgleichskasse zu diesem Zeitpunkt bereits alle tatsächlichen Umstände über die Existenz, die Beschaffenheit und die wesentlichen Merkmale des Schadens ( BGE 116 II 160 Erw. 4a mit Hinweis, BGE 116 V 76 Erw. 3b; ZAK 1992 S. 251 unten) sowie die Person des Ersatzpflichtigen (NUSSBAUMER, a.a.O. in ZAK 1991 S. 390) kennt. Da die ausstehende Beitragsforderung Grundlage für die Höhe des Schadens bildet, kann daher eine Kenntnis bei der Publikation der Konkurseinstellung nur dann angenommen werden, wenn die Ausgleichskasse zu diesem Zeitpunkt bereits in der Lage ist, die Höhe der Beitragsforderung zu beziffern (nicht veröffentlichtes Urteil S. vom 7. Januar 2000). 4. a) Das kantonale Gericht ist mit Blick auf die am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Änderung und Straffung der Privilegienordnung des Art. 219 Abs. 4 SchKG , wonach die sozialversicherungsrechtlichen Beitragsforderungen nicht mehr privilegiert in der zweiten Klasse, sondern neu mit allen übrigen Forderungen in der dritten Klasse eingereiht sind, von der bisherigen Rechtsprechung abgewichen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, dass die nicht privilegierten Gläubiger infolge der Konkurseröffnung über den Schuldner davon ausgehen müssten, dass ihre Forderungen nicht voll gedeckt werden, ansonsten es in aller Regel nicht zur Konkurseröffnung gekommen wäre. Entsprechend müssten seit Inkrafttreten des neuen SchKG die Ausgleichskassen grundsätzlich bereits ab Publikation der Konkurseröffnung über den Beitragsschuldner - und nicht erst ab Auflegung des Kollokationsplanes - BGE 126 V 443 S. 446 hinreichend Kenntnis vom Umstand haben, dass ihre Forderung durch die Dividende, die sie im Konkurs erwarten dürften, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht voll gedeckt sein würde. Auf Grund einer Auskunft des Konkursamtes sei davon auszugehen, dass nur ausnahmsweise, in höchstens ein bis zwei Prozent der eröffneten Konkurse, ein Gläubiger in einem Konkurs voll befriedigt werde. Die Verwirkungsfrist gemäss Art. 82 Abs. 1 AHVV für Schadenersatzforderungen nach Art. 52 AHVG , die seit dem 1. Januar 1997 entstanden seien, beginne daher in der Regel bereits mit der Publikation der Konkurseröffnung im SHAB. Zu diesem Zeitpunkt habe die Ausgleichskasse Kenntnis über alle wesentlichen Umstände, die geeignet seien, ihre Klage zu begründen. Sie könne ohne weiteres die Höhe der maximalen Schadenersatzforderung (nicht entrichtete Beitragszahlungen, Mahn- und Verwaltungskosten, eventuell Verzugszins) und die Schadenersatzpflichtigen (zumindest die formellen Organe) eruieren. Gemäss Rechtsprechung ( BGE 121 V 240 ) löse ferner bereits die zumutbare Kenntnis eines Teilschadens die Verwirkungsfrist aus. Am Ergebnis ändere im Übrigen auch der Einwand der Ausgleichskasse nichts, dass anlässlich der 11. AHV-Revision bereits wieder Bestrebungen in Richtung Privilegierung der Forderungen der Alters- und Hinterlassenenversicherung im Gange seien (nunmehr Art. 219 Abs. 4 zweite Klasse lit. b SchKG in der Fassung gemäss Gesetzesänderung vom 24. März 2000, AS 2000 2531 f.; vgl. dazu auch die parlamentarische Initiative der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 26. März 1999, BBl 1999 9126 ff., und Amtl.Bull. 2000 S 110 und 229, N 368 und 464 sowie 1999 N 2430). b) Nach der dargelegten Rechtsprechung (Erw. 3 hievor), welche SchKG-rechtlich privilegierte Beitragsforderungen betraf, ist die Ausgleichskasse nicht befugt, mit der Geltendmachung ihrer Schadenersatzforderung bis zu jenem Zeitpunkt zuzuwarten, in welchem sie das - grundsätzlich erst bei Abschluss des Konkursverfahrens feststehende - absolut genaue Ausmass ihres Verlustes kennt. Vielmehr wird von ihr verlangt, dass sie von dem Zeitpunkt an, in dem sie alle tatsächlichen Umstände über die Existenz, die Beschaffenheit und die wesentlichen Merkmale des Schadens kennt, sich über die Einzelheiten eines allfälligen Schadenersatzanspruchs informiert ( BGE 116 V 76 Erw. 3b). In BGE 116 V 75 Erw. 3b hat das Eidg. Versicherungsgericht sodann unter Hinweis auf BGE 113 V 182 Erw. 2 und BGE 112 V 161 festgehalten, bei Konkursen sei Kenntnis des Schadens grundsätzlich bei Auflage des Kollokationsplanes (und des BGE 126 V 443 S. 447 Inventars) anzunehmen, da der Gläubiger zu diesem Zeitpunkt im Allgemeinen in der Lage sei oder wäre, den Stand der Aktiven, die Kollokation seiner Forderung und die voraussichtliche Dividende zu kennen. Die Rechtsprechung hat es abgelehnt, den fraglichen Zeitpunkt vorzuverlegen und beispielsweise die Schadenskenntnis der Ausgleichskasse bereits im Zeitpunkt der ersten Gläubigerversammlung, der Ausstellung eines provisorischen Verlustscheins oder der Anordnung des summarischen Konkursverfahrens anzunehmen (vgl. dazu die Übersicht der Fälle in BGE 116 V 77 Erw. 3c; in gleichem Sinne auch BGE 116 II 161 Erw. 4a sowie BGE 119 V 92 Erw. 3). In der Literatur wurde diese Rechtsprechung teilweise beanstandet (PAUL CADOTSCH, Wann hat die AHV-Ausgleichskasse Kenntnis des im Konkurs eines Arbeitgebers erlittenen Schadens, in: SZS 1988 S. 243 ff.) und im Ergebnis gefordert, grundsätzlich sei hinsichtlich der Schadenskenntnis auf den Schluss des Konkursverfahrens beziehungsweise auf den Zeitpunkt der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven abzustellen, wobei diese Kenntnis aber auch schon früher anzunehmen sei, falls sich der Verlust der Beitragsforderung etwa aus dem Erhalt eines Verlustscheins ergebe. Das Eidg. Versicherungsgericht hat sich mit dieser Kritik in BGE 116 V 78 Erw. 3c eingehend auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten sei. Unter Hinweis auf die Urteile B. vom 18. September 1992 (ZAK 1992 S. 479 Erw. 3b) und H. vom 1. Februar 1995 (AHI 1995 S. 164 Erw. 4d) befürwortete das Gericht im Urteil G. vom 27. April 1995 (AHI 1995 S. 189 Erw. 3c) sowie in BGE 121 V 240 Erw. 3c/aa eine ausnahmsweise Verlegung des Zeitpunktes der Schadenskenntnis vor die Auflage des Kollokationsplanes, wobei es in diesen Fällen die Schadenskenntnis im Zeitpunkt der ersten Gläubigerversammlung sowie eines nicht genehmigten Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung bejahte. Dabei wurde bereits die zumutbare Kenntnis eines Teilschadens für ausreichend befunden, indessen ausgeführt, im Hinblick auf die Interessen der geschädigten Gläubiger verbiete es sich, einen früheren Beginn der Frist leichthin anzunehmen ( BGE 121 V 241 f. Erw. 3c/bb mit Hinweisen). Im nicht veröffentlichten Urteil S. und K. vom 2. Dezember 1999 wurde eine Vorverschiebung des Zeitpunkts der Schadenskenntnis im Falle der Anordnung eines summarischen Konkursverfahrens sodann in Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine Vorverlegung nur in Ausnahmefällen zugelassen sei, abgelehnt. Schliesslich hat das Gericht entschieden, dass allein aus der Tatsache, dass die Aktiengesellschaft BGE 126 V 443 S. 448 in Anwendung von Art. 708 Abs. 4 OR in Verbindung mit Art. 86 Abs. 2 HRegV von Amtes wegen aufgelöst wurde, sich nicht ableiten lässt, die geschuldeten Beiträge könnten nicht mehr erhoben werden. Solange die Liquidation der Gesellschaft nicht durchgeführt sei, stehe noch nicht fest, ob der Ausgleichskasse ein Schaden entstehen werde (nicht veröffentlichtes Urteil M. vom 13. März 1998). c) Diese Überlegungen haben auch unter der Herrschaft der am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen und für sozialversicherungsrechtliche Beitragsforderungen auf den 1. Januar 2001 bereits wieder rückgängig gemachten (Erw. 4a am Ende hievor; AS 2000 2532) Änderung der Privilegienordnung des Art. 219 Abs. 4 SchKG Geltung. Wie das Bundesamt für Sozialversicherung zu Recht darauf hinweist, beruht die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts zum Regelzeitpunkt der Schadenskenntnis letztlich auf dem Gedanken der Harmonisierung der zivilrechtlichen mit den öffentlichrechtlichen Grundsätzen. Ausgehend von den inhaltlich gleich umschriebenen Begriffen "Kenntnis vom Schaden" und "Kenntnis des Schadens" (vgl. Art. 60 Abs. 1, Art. 67 Abs. 1 und Art. 760 OR mit Art. 82 Abs. 1 AHVV ) und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Gerichtspraxis ( BGE 112 II 123 Erw. 4, BGE 111 II 57 Erw. 3a und 167 Erw. 1a; vgl. nunmehr auch BGE 121 III 388 Erw. 3b, BGE 119 V 92 Erw. 3, BGE 118 V 195 Erw. 3a, BGE 116 II 160 Erw. 4a) erachtete das Eidg. Versicherungsgericht den Zeitpunkt der Schadenskenntnis im Konkursfalle in der Regel mit der Auflage des Kollokationsplanes als gegeben ( BGE 113 V 181 Erw. 2, BGE 112 V 161 f. Erw. 3b; bestätigt mit BGE 121 V 234 und 240, BGE 116 V 72 ). Es glich damit seine bisherige Praxis der im Zivilrecht ( BGE 111 II 167 Erw. 1a, bestätigt in BGE 122 III 195 und BGE 116 II 158 ) und im übrigen öffentlichen Recht ( BGE 108 Ib 100 betreffend Art. 20 VG ) geltenden Rechtsprechung an. Letztere erging - was entscheidend ist und womit sich das kantonale Gericht nicht auseinandersetzt - in Zusammenhang mit den übrigen Forderungen der früheren fünften Klasse von Art. 219 Abs. 4 SchKG . So hat das Bundesgericht im Rahmen einer aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsklage zum Fristbeginn nach Art. 760 OR ausgeführt, mit Rücksicht auf die Interessen der geschädigten Gläubiger verbiete es sich, einen früheren Verjährungsbeginn leichthin anzunehmen, "beispielsweise schon die aus der Konkurseröffnung sich ergebende Kenntnis der Gläubiger, dass sie in grösserem oder geringerem Mass zu Verlust kommen werden", als genügend zu betrachten ( BGE 116 II 162 ). Im Lichte dieser Rechtsprechung kommt dem Wegfall des Konkursprivilegs für die BGE 126 V 443 S. 449 Beitragsforderungen keine wesentliche Bedeutung für den Zeitpunkt der Schadenskenntnis zu, sodass sich der Standpunkt der Vorinstanz als nicht überzeugend erweist. Schon aus diesem Grund drängt sich für das Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG keine abweichende Regelung auf, ansonsten die erreichte Harmonisierung für einen Teilbereich der Schadenersatzklagen wieder aufgegeben würde. Abgesehen davon kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz im Zeitpunkt der Konkurseröffnung im Regelfall noch nicht die Kenntnis des Schadens angenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt dürfte meistens noch nicht einmal die genaue Höhe der Beitragsschuld feststehen. Für deren Ermittlung hat die Ausgleichskasse nach der Publikation der Konkurseröffnung zunächst die vorgeschriebene Arbeitgeberkontrolle gemäss Art. 162 Abs. 1 AHVV durchzuführen (vgl. dazu auch das Kreisschreiben an die Ausgleichskassen über die Kontrolle der Arbeitgeber vom 1. Januar 1994 und die Weisungen an die Revisionsstellen über die Durchführung der Arbeitgeberkontrollen vom 1. Januar 1994). Erst nach erfolgter Arbeitgeberkontrolle steht überhaupt fest, ob und in welcher Höhe der Ausgleichskasse bis zur Konkurseröffnung Beitragsforderungen zustehen. Im Regelfall käme aus diesem Grunde frühestens der Zeitpunkt der Arbeitgeberkontrolle nach Art. 162 Abs. 1 AHVV als massgebender Stichtag in Frage. Es besteht jedoch kein Anlass, den Regelzeitpunkt entgegen der bisherigen Rechtsprechung auf diesen Zeitpunkt vorzuverschieben. Zum einen ist die Schadenersatzforderung nicht identisch mit der Beitragsforderung ( BGE 123 V 171 Erw. 3a, BGE 119 V 95 Erw. 4b/bb; AHI 1996 S. 131 unten), weshalb für den Eintritt eines Schadens zuerst der vollständige oder teilweise Verlust der Beitragsforderung feststehen muss. Für die Schadenskenntnis bedarf es daher neben der Konkurseröffnung und der Arbeitgeberkontrolle zusätzlicher Erkenntnisse. Zum andern hat es das Eidg. Versicherungsgericht erst kürzlich abgelehnt, im Falle der Anordnung eines summarischen Konkursverfahrens nach Art. 231 SchKG (in der bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung), den Zeitpunkt der Schadenskenntnis vorzuverlegen (nicht veröffentlichte Urteile I. vom 27. Juni 2000 sowie S. und K. vom 2. Dezember 1999). Schliesslich nimmt das Eidg. Versicherungsgericht in Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 116 II 162 , BGE 111 II 57 Erw. 3a) angesichts der kurzen Frist von einem Jahr zur Geltendmachung der Schadenersatzforderung im Interesse des Gläubigers nicht leichthin einen früheren Zeitpunkt der Schadenskenntnis an ( BGE 121 V 242 ), zumal eine Ausgleichskasse BGE 126 V 443 S. 450 bei verfrühtem Vorgehen die Abweisung ihrer Klage riskiert (erwähntes Urteil M. vom 13. März 1998). An der bisherigen Rechtsprechung ist auch nach der Änderung der konkursrechtlichen Privilegienordnung weiterhin festzuhalten. d) Da auf Grund der Akten keine Gründe ersichtlich sind, die im Sinne der bisherigen Rechtsprechung für eine ausnahmsweise Vorverlegung des Zeitpunkts der Schadenskenntnis im vorliegenden Fall sprechen, erweist sich die Verfügung der Ausgleichskasse vom 3. Dezember 1998 angesichts der vom 8. bis 27. Dezember 1997 erfolgten Auflage des Kollokationsplanes (vgl. dazu Art. 250 Abs. 1 SchKG in der ab 1. Januar 1997 gültigen Fassung) als rechtzeitig ( BGE 121 V 234 , BGE 119 V 95 Erw. 4c; AHI 1996 S. 129 Erw. 2a). Die Sache geht daher an das kantonale Gericht zurück, damit dieses nach Prüfung der weiteren materiellen Haftungsvoraussetzungen über die Schadenersatzklage der Ausgleichskasse SPIDA neu entscheide. 5. (Gerichtskosten)
null
nan
de
2,000
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CH_BGE_007
CH
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Urteilskopf 121 I 22 3. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. Januar 1995 i.S. Anouk Hasler u. Mitb. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Gewaltentrennungsprinzip; Unzulässigkeit einer regierungsrätlichen Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium an der Universität Zürich (Zürcher Numerus clausus). Zusammenfassung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung betreffend Zulassungsbeschränkungen zu öffentlichen Bildungseinrichtungen (E. 2). Auch eine zeitlich begrenzte Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium an der Universität Zürich bedarf einer Grundlage im formellen Gesetz; sie kann von der Exekutive grundsätzlich weder gestützt auf Vollzugskompetenzen (E. 4a) noch gestützt auf Polizeinotrecht (E. 4b) angeordnet werden.
Sachverhalt ab Seite 23 BGE 121 I 22 S. 23 Der Regierungsrat des Kantons Zürich beschloss am 10. August 1994 folgende Zulassungsbeschränkung zum Medizinstudium an der Universität Zürich: "I. An der Universität Zürich werden auf das Wintersemester 1994/95 für das Studium der Human-, Zahn- und Veterinärmedizin von den definitiv angemeldeten Studienbewerbern höchstens 400 aufgenommen. II. Die Selektion erfolgt nach dem Alter der Studienbewerber. Die älteren Bewerber werden den jüngeren nach der Reihenfolge ihrer Geburtsdaten vorgezogen. Die Erziehungsdirektion bezeichnet die für die Durchführung der Auswahl verantwortliche Stelle. III. Abgewiesene Bewerber werden auf eine Warteliste eingeteilt und erhalten die Garantie, dass sie auf das Wintersemester 1995/96 zum Medizinstudium zugelassen werden. IV. In der Humanmedizin werden von den Studienanfängern 1994 (Kohorte 1994/95) höchstens 220 Studierende ins dritte Studienjahr (Klinikum) aufgenommen. Darin inbegriffen sind die zu übernehmenden Studierenden aus Freiburg und Neuenburg, die aus Kapazitätsgründen für das Grundstudium umgeleitet wurden, sowie allfällige Studierende aus früheren Kohorten. V. Veröffentlichung im Amtsblatt." Gegen die Ziffern I. bis III. dieses Beschlusses haben Anouk Hasler, Mélanie Kunz und Madlaina Meili am 16. September 1994 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie machen geltend, der regierungsrätliche Beschluss verletze den Grundsatz der Gewaltentrennung, verstosse gegen das Gebot der Rechtsgleichheit und beeinträchtige die Handels- und Gewerbefreiheit. Die Erziehungsdirektion beantragt für den Regierungsrat, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Mit Verfügung vom 20. Oktober 1994 legte der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung der Eingabe in dem Sinne aufschiebende Wirkung bei, dass alle Studienwilligen der Warteliste für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens ihr Medizinstudium auf eigenes Risiko aufnehmen konnten. Am 28. November 1994 lehnte er ein Gesuch ab, diese Verfügung insofern zu präzisieren, dass alle abgewiesenen Studienbewerber bis zum bundesgerichtlichen Urteil ihr Praktikum auch während des Semesters BGE 121 I 22 S. 24 zu absolvieren befugt seien und nicht bloss im Rahmen eines Blockkurses im Anschluss an das erste Semester. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Bundesgericht hat sich in seiner Praxis wiederholt mit der Problematik von Zulassungsbeschränkungen zu staatlichen Bildungseinrichtungen befasst. Die Frage, ob und wann solche Massnahmen den Anwendungsbereich des ungeschriebenen verfassungsmässigen Rechts der persönlichen Freiheit beziehungsweise dessen Kernbereich berühren, liess es dabei jeweils mit Blick auf eine Beurteilung im einzelnen Anwendungsfall offen (vgl. BGE 104 Ia 305 E. 2 S. 308, BGE 103 Ia 369 E. 7d/bb S. 389, 394 E. 2d S. 401; BGE 102 Ia 321 E. 3a S. 324). In einem jüngeren Entscheid schloss es in etwas anderem Zusammenhang nicht zum vornherein aus, dass ein staatlicher Eingriff auf dem Gebiet des Bildungswesens in den Schutzbereich der persönlichen Freiheit fallen könne ( BGE 117 Ia 27 E. 5b S. 30). Im Grundsatzentscheid "Wäffler" betreffend den Numerus clausus an der Universität Basel hielt es fest, dass in der Schweiz (über Art. 27 BV hinaus) kein verfassungsmässiges Recht auf Bildung bestehe und auch die Handels- und Gewerbefreiheit keine Teilhaberrechte verschaffe, die einen Zugang zu staatlichen Bildungseinrichtungen garantierten ( BGE 103 Ia 369 E. 4a 377 f.). Der Gesetzesvorbehalt und die strengen Anforderungen an eine Delegationsnorm seien indessen auch dort zu beachten, wo - wie im Bildungsbereich - erst eine staatliche Leistung die tatsächlichen Voraussetzungen für die Ausübung und Entfaltung verfassungsmässiger Rechte schaffe; dies gelte besonders dann, wenn dem Staat faktisch Monopolstellung zukomme ( BGE 103 Ia 369 E. 6e S. 383; vgl. auch BGE 117 Ib 387 E. 6d S. 395). In BGE 114 Ia 216 E. 5 S. 220 bestätigte das Bundesgericht, dass die persönliche Freiheit in der Regel keinen Anspruch auf staatliche Leistungen verschafft. Ein Recht auf Bildung, und damit auf freien Zugang zu den Universitäten, könne nicht auf dem Umweg der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Grundrecht der persönlichen Freiheit geschaffen werden. Die persönliche Freiheit bilde kein allgemeines Auffanggrundrecht; das Legalitätsprinzip und der daraus abgeleitete Grundsatz der Gesetzmässigkeit zusammen mit dem Willkürverbot und dem Gebot rechtsgleicher Behandlung böten hier hinreichenden Schutz (im gleichen Sinn auch die BGE 121 I 22 S. 25 unveröffentlichte Praxis: Urteile vom 13. September 1994 i.S. R.F.N., E. 3; vom 28. April 1994 i.S. C.E. u. Mitb., E. 3; vom 7. Oktober 1988 i.S. M.A., E. 2b; vom 26. Mai 1983 i.S. E., E. 3a, und vom 4. Dezember 1981 i.S. G., E. 2b). 3. Die Beschwerdeführerinnen machen in erster Linie geltend, der angefochtene Beschluss entbehre der gesetzlichen Grundlage und verstosse deshalb gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung. a) Das Legalitätsprinzip ist an sich kein selbständiges verfassungsmässiges Recht (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1994, S. 70; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, Zürich 1993, S. 69, Rz. 295; vgl. auch BGE 117 Ia 27 E. 7a S. 32). Das Bundesgericht prüft seine Einhaltung deshalb nur im Zusammenhang mit speziellen Grundrechten frei, ansonsten lediglich unter dem beschränkten Gesichtswinkel von Art. 4 BV , das heisst nach Massgabe der Rechtsgleichheit und des Willkürverbots ( BGE 117 Ia 27 E. 7a S. 32). Seit jeher hat das Bundesgericht aber das durch sämtliche Kantonsverfassungen gewährleistete Prinzip der Gewaltentrennung als Individualrecht der Bürger anerkannt ( BGE 118 Ia 305 E. 2a S. 309; für den Kanton Zürich: BGE 108 Ia 178 E. 2 S. 180). Sein Inhalt ergibt sich jeweils aus dem kantonalen Recht, wobei das Bundesgericht die Auslegung der einschlägigen Verfassungsbestimmungen frei, jene des Gesetzesrechts dagegen lediglich auf Willkür hin prüft (WALTER KÄLIN, a.a.O., S. 191); grundsätzlich mit freier Kognition beurteilt es die Frage der bundesverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen (vgl. BGE 118 Ia 245 E. 3b S. 248). b) Der Regierungsrat anerkennt, dass die Einführung eines allgemeinen Numerus clausus nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts einer formellen Grundlage im kantonalen Recht bedürfe; er habe dem Kantonsrat am 2. Juni 1993 und 10. August 1994 denn auch in diesem Sinn Antrag gestellt. Beim angefochtenen Beschluss habe er sich nicht auf das Unterrichtsgesetz gestützt, sondern auf Art. 37 der Verfassung vom 18. April 1869 des eidgenössischen Standes Zürich (KV, SR 131.211), wonach er die oberste kantonale Vollzugs- und Verwaltungsbehörde sei. Er könne aus dieser Bestimmung zwar keine allgemeine Rechtsetzungskompetenz ableiten, doch ergebe sich für ihn daraus das Recht und die Pflicht zu handeln, wenn ein Eingreifen zwingend geboten erscheine. Nach dem Voranmeldungstermin für das Medizinstudium vom 1. Juni 1994 sei bekannt geworden, dass die Zahl der Studienbewerber in Medizin noch einmal erheblich zunehmen und die obersten BGE 121 I 22 S. 26 Kapazitätsgrenzen der Universität mit grösster Wahrscheinlichkeit überschreiten werde. Die im Hinblick auf die Einführung des Numerus clausus für die Gesetzesänderung notwendige Volksabstimmung habe frühestens anfangs 1995 erwartet werden können, das heisst zu einem Zeitpunkt, an dem das Wintersemester 1994/95 schon fast vorbei gewesen wäre. In dieser Situation sei er gezwungen gewesen, geeignete Massnahmen zu treffen, ansonsten an der Universität eine unhaltbare Situation entstanden wäre. c) Gesetzgebende Gewalt im Kanton Zürich ist gemäss Art. 28 KV das Volk unter Mitwirkung des Kantonsrats. Weder Erlasse, die vom Kantonsrat in eigener Kompetenz verabschiedet werden, noch Verordnungen der Exekutive oder der Justiz sind Gesetze im formellen Sinn (TOBIAS JAAG, Der Gesetzesbegriff im zürcherischen Recht, in: ANDREAS AUER/WALTER KÄLIN, Das Gesetz im Staatsrecht der Kantone, Chur/Zürich 1991, S. 364). Ein selbständiges verfassungsmässiges Verordnungsrecht steht dem Regierungsrat nur zum Erlass von Vollzugsverordnungen und Polizeinotrecht zu. Aus Art. 28 KV ergibt sich insbesondere, dass der Regierung kein allgemeines, unmittelbar auf die Verfassung gestütztes Recht zum Erlass gesetzesvertretender Verordnungen zukommt; ein solches lässt sich weder aus der allgemeinen Polizeibefugnis noch aus einer ausdrücklichen Bestimmung der Kantonsverfassung oder aus dem Gewohnheitsrecht ableiten (TOBIAS JAAG, a.a.O., S. 369 f.; Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts vom 12. September 1963, in: ZBl 65/1964 S. 232 ff.). Das Zürcher Verwaltungsgericht hat bereits 1963 ausdrücklich festgehalten, dass sich weder aus Art. 37 noch aus Art. 40 KV eine selbständige Rechtsetzungskompetenz des Regierungsrats ergebe, die eine von der Verfassung selbst vorgesehene Durchbrechung des Grundsatzes der Gewaltentrennung darstellen würde (ZBl 65/1964 S. 235). Der angefochtene Beschluss des Regierungsrats hält demnach vor dem Prinzip der Gewaltentrennung nur stand, wenn es sich dabei um eine Vollzugsbestimmung (vgl. E. 4a) oder eine Polizeinotregelung (vgl. E. 4b) handelt. 4. a) Die Einführung einer Zulassungsbeschränkung, auch wenn diese fachlich und zeitlich limitiert ist, geht über die Wahrnehmung einer blossen Vollzugskompetenz hinaus: Das Gesetz vom 23. Dezember 1859 über das gesamte Unterrichtswesen (LS 410.1) sieht einen Numerus clausus ebensowenig vor (vgl. §§ 140 ff.) wie die einschlägigen Bestimmungen des Reglements vom 17. Januar 1967 für die Studierenden und Auditoren der Universität Zürich (LS 415.31). Zwar handelt es sich bei der Universität um eine BGE 121 I 22 S. 27 öffentlichrechtliche Anstalt, in deren Rahmen der Benützer in ein besonderes Rechtsverhältnis zum Gemeinwesen tritt, doch gilt das Legalitätsprinzip für wichtige Fragen auch hier. Zur Anstaltsordnung, zu deren Normierung die Anstaltsleitung oder die Exekutive allenfalls auch ohne ausdrückliche formellgesetzliche Grundlage befugt ist, soweit sich dies zur Wahrung des Anstaltszwecks als nötig erweist, gehören etwa die Regelung der Disziplin und die Organisation der Kurse beziehungsweise der Examina. Eine Kompetenz der Exekutivorgane, nicht nur die Modalitäten, sondern auch die Zulassung als solche zu regeln, lässt sich aus dem Anstaltszweck dagegen regelmässig nicht ableiten. Die Einführung eines Numerus clausus stellt einen gewichtigen Einbruch in die bisherige Zulassungspraxis nicht nur an der Universität Zürich, sondern an den schweizerischen Universitäten schlechthin dar (vgl. Art. 1 Abs. 3 lit. a des Bundesgesetzes vom 22. März 1991 über die Hochschulförderung, HFG; SR 414.20) und greift derart in die Rechtsstellung der künftigen Anstaltsbenützer ein, dass der Entscheid, ob und in welcher Ausgestaltung zu dieser Massnahme gegriffen werden soll, nicht dem Regierungsrat überlassen bleiben kann. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, zumindest die Grundzüge einer entsprechenden Regelung festzulegen (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 27. Februar 1987 i.S. P.H., E. 3c, in: ZBl 88/1987 S. 459 ff.). Das Zürcher Unterrichtsgesetz enthält aber weder eine Delegationsnorm an den Regierungsrat, die Zulassung zur Universität mit Blick auf quantitative Vorgaben zu regeln, noch die hierbei zu beachtenden Richtlinien. Diese ergeben sich auch nicht aus dem einschlägigen Bundesrecht: Die Verordnung des Bundesrats vom 19. November 1980 über die Prüfungen für Ärzte (SR 811.112.2) erstreckt und beschränkt sich wie die Allgemeine Medizinalprüfungsverordnung vom gleichen Datum (AMV; SR 811.112.1) auf das Prüfungswesen. Sie erfasst die Zulassung zu den kantonalen Hochschulen nicht; diese richtet sich ausschliesslich nach dem (kompetenzkonform erlassenen) kantonalen Recht und den allenfalls gestützt hierauf im Rahmen von Art. 13 HFG ergehenden Koordinationsmassnahmen der Schweizerischen Hochschulkonferenz (vgl. unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 7. Oktober 1988 i.S. M.A., E. 1a). b) aa) Dem Regierungsrat steht zwar ein selbständiges Notverordnungs- bzw. -verfügungsrecht zu. Die Kompetenz zum Erlass von Polizeinotrecht setzt jedoch eine schwere und unmittelbar drohende Gefahr für die öffentliche Ordnung voraus, der nicht mit anderen gesetzlichen Mitteln beizukommen ist; BGE 121 I 22 S. 28 erforderlich ist, dass ohne sofortiges Handeln der Behörden fundamentale Rechtsgüter in unmittelbarer, direkter und schwerwiegender Weise gefährdet würden (vgl. BGE 111 Ia 246 E. 3a S. 248). Der Anwendungsbereich der polizeilichen Generalklausel ist auf echte und unvorhersehbare Notfälle beschränkt; ihre Anrufung ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn typische und erkennbare Gefährdungslagen trotz Kenntnis der Problematik nicht normiert wurden (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, in: Kommentar BV, Einleitung zu den Grundrechten, Rz. 122). bb) Die dauernde Überbelegung einer Studienrichtung führt unbestrittenermassen zu Beeinträchtigungen des Unterrichts. Von einer eigentlichen Notsituation, die durch keine anderen legalen Mittel zu beseitigen wäre, kann vorliegend indessen nicht die Rede sein. Der Numerus clausus bildet nur eine Möglichkeit, eine Überbelegung von Ausbildungsgängen im Interesse des Anstaltszwecks zu verhindern. Hat es der (formelle) Gesetzgeber unterlassen, diese Möglichkeit in der einschlägigen Gesetzgebung vorzusehen, muss die Exekutive in erster Linie auf organisatorischem Weg, allenfalls auch mit einer vorübergehenden Erhöhung der sachlichen und personellen Mittel, Abhilfe schaffen. Das Bundesgericht verneint zwar ein unbedingtes subjektives Recht auf Zulassung zu staatlichen Bildungsanstalten, verlangt jedoch, dass über einen allfälligen Numerus clausus im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren entschieden wird. Bei dieser Sicht der Dinge darf verfassungsrechtlich nur mit äusserster Zurückhaltung hingenommen werden, dass ein Exekutivakt diesen Fragenbereich der demokratischen Diskussion entzieht; bis zum Vorliegen einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage kann deshalb eine momentane Ausweitung des staatlichen Leistungsangebots geboten sein (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER, Elemente einer schweizerischen Grundrechtstheorie, Bern 1982, S. 63). Es geht nicht an, im Hinblick auf die Beschränktheit staatlicher Ressourcen unter Umgehung der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung zu Notkompetenzen zu greifen; Legislative und Exekutive haben ihre jeweiligen Verantwortungen wahrzunehmen und - im Rahmen ihrer Zuständigkeiten - nach verfassungsmässigen Lösungen zu suchen. Die Überlastung der medizinischen Studieneinrichtungen ist seit Jahren bekannt und hat immer wieder zu Diskussionen um Zugangsbeschränkungen geführt. Die Erziehungsdirektion weist in ihrer Vernehmlassung selber darauf hin, dass die Zahl von 335 neu in das Grundstudium eintretenden Studenten bereits 1974 "in hohem Masse alarmierend" gewesen sei, was die Schweizerische Hochschulkonferenz schon damals veranlasst habe, sich konkrete Gedanken zur Frage von BGE 121 I 22 S. 29 Zulassungsbeschränkungen zu machen. Zwar beruhigte sich die Entwicklung in der Folge etwas, doch lagen seit 1990 wieder deutliche Anzeichen für eine fortlaufende Zunahme der Studienwilligen in den in bezug auf die Ausbildungskapazitäten besonders heiklen medizinischen Bereichen vor. Verzichtete der Regierungsrat, dem nach Art. 40 Abs. 1 KV das "Vorschlagsrecht für Gesetze und Beschlüsse vor dem Kantonsrate" zusteht, darauf, für die Bewältigung des erkennbaren Problems rechtzeitig die nötigen gesetzlichen Grundlagen zu beantragen, oder wurden ihm diese verweigert, geht es nicht an, wenn er den Fragenbereich heute - wenn auch zeitlich beschränkt bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden formellgesetzlichen Grundlage - polizeinotrechtlich zu regeln versucht; dies wäre höchstens in einer Extremsituation denkbar. Für das medizinische Grundstudium an der Universität Zürich waren für das Wintersemester 1994/95 478 Kandidatinnen und Kandidaten vorangemeldet; im Vorjahr hatten 429 Studienwillige dieses Studium aufgenommen. Trotz der vorauszusehenden Ausfälle hätten somit zwar wohl mehr Kandidatinnen und Kandidaten ihr Studium begonnen als im Vorjahr, doch hätte es sich dabei nicht um eine aussergewöhnliche Zuwachsrate gehandelt, welche die Funktionsfähigkeit der Anstalt geradezu in Frage gestellt hätte; der Regierungsrat ging in der Begründung des angefochtenen Beschlusses selber davon aus, dass aufgrund der von der Schweizerischen Hochschulkonferenz berechneten Zahlen die Universität Zürich "1994 nach Abzug der Umleitungen an andere Universitäten rund 425 Studienbewerber aufnehmen" müsste, wobei die oberste Kapazitätsgrenze um rund 25 überschritten würde. Im Anschluss an die bundesgerichtliche Präsidialverfügung vom 20. Oktober 1994 haben sich insgesamt 439 Personen für das erste Studienjahr immatrikuliert; in dieser Zahl sind allfällige nachträgliche Rückzüge (z.B. wegen frühzeitiger Aufgabe des Studiums) nicht berücksichtigt. Ein Vergleich dieser Zahl mit jener des Vorjahres zeigt, dass von einer Verunmöglichung einer sinnvollen Studienorganisation im ersten Studienjahr kaum mehr die Rede sein kann. c) Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der Beschluss des Regierungsrats vom 10. August 1994 in den Punkten I., II. und III. wegen Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips aufzuheben ist; eine Behandlung der weiteren Rügen erübrigt sich unter diesen Umständen. Punkt IV. des Beschlusses ist nicht angefochten, weshalb das Bundesgericht dazu keine weiteren Ausführungen zu machen hat.
public_law
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
13f9dc2d-6d95-4f05-ac37-0013fa5bad9c
Urteilskopf 96 I 387 60. Arrêts du 13 mai 1970 dans la cause Nowak contre dame Siccardi et Cour de justice du canton de Genève.
Regeste Vollstreckung ausländischer Urteile. Öffentliche Ordnung der Schweiz. Zuständigkeit des ausländischen Richters. Art. 84 Abs. 1 lit. c OG , 59 BV, 24 Abs. 2 ZGB, 17 Abs. 1 des schweiz.-franz. Gerichtsstandsvertrages vom 15. Juni 1869. 1. Die Verletzung eines Staatsvertrages kann nur mit staatsrechtlicher Beschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. c OG gerügt werden, sofern es sich nicht um zivilrechtliche oder strafrechtliche Bestimmungen handelt (Erw. 1). 2. Vorbehalt der öffentlichen Ordnung der Schweiz. Zuteilung der Kinder bei der Ehescheidung (Erw. 3). 3. Prüfung der Zuständigkeit des ausländischen Richters nach dem ausländischen Recht (Erw. 4 b) und nach den schweizerischen Regeln des internationalen Prozessrechts (Erw. 4 c). Im Falle der Konkurrenz von Gerichtsständen neigt die gegenwärtige Lehre und Rechtsprechung dazu, die Zuständigkeit des ausländischen Richters nur dann nicht zu anerkennen, wenn der Gerichtsstand des Vollstreckungsstaates ein zwingender und ausschliesslicher ist.
Sachverhalt ab Seite 388 BGE 96 I 387 S. 388 A.- François Nowak, d'origine polonaise mais apatride, a vécu en France dès l'âge de deux ans, au bénéfice d'un statut de réfugié. En 1950, il a épousé à Marseille la ressortissante française Louise Siccardi. Deux enfants sont nés de cette union: Jean-François le 30 mars 1956 et Serge le 30 octobre 1958. Le 23 mars 1962, le Tribunal de grande instance de Marseille a prononcé le divorce des époux Nowak-Siccardi aux torts de la femme et a confié les deux enfants à la garde du père. Sur appel de dame Siccardi, la Cour d'appel d'Aix-en-Provence a confirmé ce jugement le 30 avril 1963, avec cette différence qu'elle a prononcé le divorce aux torts réciproques des conjoints. Ces décisions ont accordé à la mère un droit de visite s'exerçant quatre fois par mois et durant tout le mois de juillet, ainsi que durant la moitié des vacances de Noël et de Pâques. B.- François Nowak se remaria le 21 juillet 1964 avec Madeleine Morin. Le droit de visite de dame Siccardi sur les deux enfants donna lieu à des difficultés croissantes et François Nowak en entrava l'exercice dès avant le divorce. Puis il refusa de permettre l'exercice du droit de visite et il fut condamné de ce chef (nonreprésentation d'enfant) à plusieurs reprises, notamment en 1965 à trois mois d'emprisonnement avec sursis, peine portée en appel à six mois d'emprisonnement ferme et 500 fr. d'amende le 18 mars 1966, enfin à un an d'emprisonnement par jugement du Tribunal de grande instance de Grasse, rendu le 3 octobre 1966. Afin d'échapper aux poursuites pénales, Nowak quitta la France le 2 décembre 1965 pour se rendre en Suisse, avec ses deux enfants et sa seconde femme. Il habite depuis lors dans le canton de Genève. Louise Siccardi introduisit le 6 décembre 1965 une action en BGE 96 I 387 S. 389 modification du jugement de divorce qui aboutit, le 7 juin 1966, à un jugement du Tribunal de grande instance de Grasse lui confiant la garde des deux enfants, le droit de visite du père étant réservé et devant être réglé après la remise des enfants à dame Siccardi. Ce jugement fut confirmé le 16 février 1967 par la Cour d'appel d'Aix-en-Provence. C.- Le jugement du 7 juin 1966 contient les motifs suivants: "Attendu que la dame Siccardi justifie par une enquête sociale du 18 janvier 1965, que dès cette époque ses conditions de vie étaient convenables, son comportement normal et que les enfants lorsqu'ils avaient pu aller en vacances chez leur mère l'année précédente, étaient soignés et paraissaient heureux, que par contre par l'hostilité systématique dont il fait montre à l'égard de la mère de ses enfants et le mépris qu'il témoigne devant eux pour les lois du pays qui est le leur, Nowak démontre son incapacité à assurer sainement leur éducation." L'arrêt de la Cour d'appel, du 16 février 1967, relève notamment: "Attendu que cette enquête fait déjà apparaître que Nowak est un exalté, agressif, tandis que sa femme est douce et résignée; que le caractère exalté de Nowak est confirmé par des lettres versées aux débats par dame Siccardi; que tout ceci explique le comportement postérieur de Nowak, quand sa femme a voulu exercer son droit de visite, ce qui lui a valu de nombreuses condamnations correctionnelles; Attendu que tout ceci apparaît à nouveau dans les renseignements fournis par la nouvelle enquête sociale diligentée à l'occasion de la poursuite de la mère par le père en déchéance de puissance paternelle; qui fait apparaître dame Nowak comme ayant des conditions de vie normales, un comportement normal et comme étant très attachée à ses enfants, et au contraire Nowak comme un exalté; Attendu qu'il apparaît difficile de concevoir qu'en raison de son caractère exalté Nowak puisse être un éducateur convenable; que par contre leur mère offre des garanties certaines et suffisantes." D.- Par exploit du 22 juillet 1966, Louise Siccardi introduisit à Genève une action tendant à faire déclarer exécutoire le jugement du 7 juin 1966 lui attribuant la garde des deux enfants. D'entente entre parties, la cause fut suspendue en octobre 1966, Nowak ayant recouru en appel contre le jugement du 7 juin. Elle fut reprise le 22 septembre 1967 à l'instance de Louise Siccardi. Après avoir fait procéder à une expertise par le Dr Feldmann, expertise d'ailleurs favorable au défendeur et à sa seconde femme, sur les conditions dans lesquelles les enfants BGE 96 I 387 S. 390 étaient élevés, le Tribunal de première instance ordonna l'exequatur requis. Ce jugement fut confirmé par la Cour de justice de Genève le 30 septembre 1969. E.- Contre l'arrêt de la Cour de justice genevoise, François Nowak a déposé auprès du Tribunal fédéral, dans les vingt jours, un recours en réforme que la seconde Cour civile a déclaré irrecevable par arrêt du 8 décembre 1969, arrêt dont elle a ordonné la communication à la Chambre de droit public pour qu'elle examine si l'acte de recours est recevable comme recours de droit public et, dans l'affirmative, pour qu'elle statue sur le mérite d'un tel recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. Le justiciable qui allègue la violation, par une autorité cantonale, des dispositions d'un traité international autres que ses dispositions de droit civil ou de droit pénal, doit agir exclusivement par la voie du recours de droit public fondé sur l'art. 84 al. 1 lettre c OJ. S'il saisit par erreur le Tribunal fédéral d'un recours en réforme, l'acte de recours peut être traité comme un recours de droit public s'il en remplit les exigences de forme (RO 93 I 164 ss. ; 90 I 12 consid. 2). Ces exigences sont satisfaites en l'espèce: le délai de 30 jours de l'art. 89 OJ a été respecté: l'acte de recours contient les conclusions du recourant; il relate les faits essentiels et indique en quoi les dispositions de la Convention franco-suisse sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements en matière civile, du 15 juin 1869 (en abrégé: la Convention) auraient été violées (art. 90 OJ). Sur ce dernier point, le Tribunal fédéral revoit librement les questions de fait et de droit (RO 93 I 164 ss.), de sorte que l'énoncé des moyens n'est pas soumis à des exigences particulières. Le recours est donc recevable. 2. Le recourant reprend le moyen consistant à soutenir que la demande d'exequatur a été présentée alors que le jugement à exécuter n'était pas encore définitif, ce qui invaliderait l'instance. Or il appartient au droit cantonal de procédure de dire si une action ouverte prématurément est invalidée définitivement ou si elle peut être validée lorsque le droit déduit en justice devient exécutoire. Cette question échappe au contrôle du Tribunal fédéral, qui - sous réserve du grief d'arbitraire qui n'est pas invoqué en l'espèce - n'a pas à revoir la manière dont le droit cantonal a été appliqué. Il lui suffit ici de constater BGE 96 I 387 S. 391 qu'au moment où l'exequatur a été accordé, le jugement à exécuter était devenu définitif, ce que personne ne conteste. Le moyen doit dès lors être rejeté. 3. En vertu de l'art. 17 al. 1 ch. 3 de la Convention, l'autorité saisie d'une demande d'exequatur peut refuser l'exécution si les règles du droit public ou les intérêts de l'ordre public du pays où l'exécution est demandée s'opposent à ce que la décision de la juridiction étrangère y reçoive son exécution. Le recourant prétend que les conditions d'un tel refus sont réalisées en l'espèce; il soutient que la décision dont l'exécution est requise va à l'encontre de l'intérêt des enfants; il reproche à cette décision d'avoir enlevé à un père innocent dans la procédure de divorce la garde des enfants, à lui confiée en première et deuxième instance, pour l'attribuer à la mère, qui se serait "laissée aller à des gestes, des propos, des exemples que notre ordre public réprouve". Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, la notion d'incompatibilité avec l'ordre public suisse doit recevoir, en matière d'exécution de jugements étrangers, une interprétation plus étroite que lorsqu'il s'agit de l'application directe de la loi étrangère par le juge suisse. L'ordre public suisse s'oppose à l'exécution d'un jugement étranger lorsque ce jugement va, d'une manière intolérable, à l'encontre du sentiment du droit, tel qu'il existe généralement en Suisse, et viole les règles fondamentales de l'ordre juridique suisse (RO 87 I 193 s. et les arrêts cités). Le droit suisse ne s'oppose pas à ce que la garde des enfants, d'abord attribuée à l'un des parents, soit ensuite transférée à l'autre; au contraire, l'art. 157 CC prévoit expressément qu'à la requête de l'autorité tutélaire ou de l'un des parents, le juge prend les mesures commandées par les faits nouveaux. Quant à l'attribution des enfants à tel ou tel des anciens conjoints, c'est un principe du droit suisse que cette décision soit prise en fonction du bien des enfants; on peut même affirmer que ce principe constitue "une de ces règles fondamentales de l'ordre juridique suisse à l'encontre de laquelle il serait impossible d'aller sans heurter le sentiment du droit en Suisse" (RO 87 I 194). Mais le même principe prévaut en France et les autorités judiciaires françaises l'ont expressément appliqué en statuant, en présence de rapports et d'expertises contradictoires, sur l'attribution des enfants. Que la solution BGE 96 I 387 S. 392 choisie soit peut-être discutable, cela ne suffit en tout cas pas à la taxer d'incompatible avec l'ordre public suisse. Et le juge de l'exequatur ne peut réexaminer le fond de l'affaire - ce que lui interdit d'ailleurs expressément l'art. 17 al. 1 de la convention -, sans quoi les conventions internationales sur la reconnaissance et l'exécution des jugements étrangers n'auraient plus de raison d'être. Le grief d'incompatibilité avec l'ordre public suisse doit donc être rejeté. 4. Le moyen tiré de l'incompétence des tribunaux français mérite un examen plus approfondi. a) En vertu de l'art. 24 al. 2 CC, Nowak pouvait être considéré comme domicilié en Suisse dès le 2 décembre 1965. Il avait en effet quitté son domicile français avec sa famille. La fiction de domicile en Suisse découlant de l'art. 24 al. 2 entraînait la constitution d'un for suisse pour l'action en modification de l'attribution des enfants (art. 157 CC); c'est en effet au domicile du défendeur que la jurisprudence a fixé le for d'une telle action, à défaut de disposition expresse de la loi (RO 89 II 14, 81 II 315). On peut donc admettre que l'action en modification de l'attribution des enfants, ouverte par dame Siccardi, aurait pu l'être devant le juge suisse. Cela ne suffit cependant pas pour conclure à l'incompétence des tribunaux français et, partant, à la violation de la convention, dont l'art. 17 al. 1 ch. 1 permet de refuser l'exécution d'un jugement étranger lorsqu'il émane d'une juridiction incompétente. Il s'agit d'examiner si les tribunaux français étaient compétents ou non, d'abord au regard du droit français, ensuite au regard des règles de solution des conflits du droit suisse. b) En France, le for de l'action en modification d'une décision relative au droit de garde n'est, pas plus qu'en Suisse, déterminé par la loi. Mais selon la jurisprudence, le droit de statuer appartient au tribunal qui a prononcé le divorce, même si les parents sont domiciliés dans un autre ressort. Cette règle de compétence ne fait cependant pas obstacle à ce qu'on ouvre devant le tribunal du domicile du défendeur une action tendant à faire ordonner une mesure particulière justifiée par les circonstances (cf. Petit code Dalloz, édition 1968/69, note 8 ad art. 303 CC; RIPERT et BOULANGER, Traité de droit civil, vol. I, 1956, p. 842 no 2281; DALLOZ, Répertoire de droit civil, Mise à BGE 96 I 387 S. 393 jour 1968 p. 194). Il n'est pas contesté que le dernier domicile français de Nowak se trouvait à Cannet-Rocheville (Alpes maritimes), soit dans le ressort du Tribunal de grande instance de Grasse; au regard du droit français (cf. RIPERT et BOULANGER, op.cit. no 920 ss.), il avait conservé son domicile à cet endroit malgré son absence. Le Tribunal de grande instance de Grasse pouvait considérer Nowak comme domicilié dans son ressort, tant que la preuve d'un changement de domicile n'était pas apportée. Cette preuve résulte, selon l'art. 104 CC fr., d'une déclaration expresse faite tant à la municipalité du lieu que l'on quitte qu'à celle du lieu où l'on transfère son domicile; à défaut d'une telle déclaration expresse, la preuve de l'intention de changer de domicile dépend des circonstances. Or Nowak n'a pas prétendu avoir fait les déclarations précitées, ni allégué que son intention de changer de domicile découlait des circonstances de fait. Il n'a d'ailleurs pas soulevé, devant le Tribunal de Grasse, d'exception d'incompétence tirée du fait qu'il aurait été domicilié en Suisse au moment de l'ouverture de l'action par dame Siccardi. Or la compétence juridictionnelle française en matière de divorce est relative: le tribunal saisi n'a pas à décliner d'office sa compétence, il ne le fait que sur requête du défendeur, laquelle n'est du reste recevable que si elle est soulevée d'entrée de cause (RO 35 I 464/5; cf. RIPERT et BOULANGER, op.cit. no 1469). Nowak avait bien soulevé devant le Tribunal de Grasse une exception de litispendance et de connexité, en raison de l'action en suspension du droit de visite qu'il avait lui-même ouverte le 26 avril 1966 devant le Tribunal de grande instance de Marseille, qui avait prononcé le divorce en 1962. Mais après le rejet de cette exception par le Tribunal de Grasse, il s'est désisté de son action pendante devant le Tribunal de Marseille et a pris devant celui de Grasse une conclusion reconventionnelle en suppression du droit de visite. Il a donc expressément admis la compétence du Tribunal de grande instance de Grasse. Dès lors ce tribunal devait être considéré comme compétent au regard du droit français. Au surplus, la décision du Tribunal de Grasse, du 7 juin 1966, a été confirmée par la Cour d'appel d'Aix-en-Provence, celle-là même qui avait prononcé le divorce aux torts réciproques des époux et confirmé l'attribution de la garde des enfants au père. BGE 96 I 387 S. 394 c) Selon la tendance actuelle de la doctrine et de la jurisprudence, il ne suffit pas, pour que l'exequatur soit accordé, que le tribunal qui a rendu le jugement soit compétent selon son propre droit national, il faut encore qu'il le soit selon le droit du pays où l'exequatur est requis, plus exactement selon les règles - en vigueur dans ce pays - pour la solution des conflits de lois (cf. RO 64 II 72 et les références de doctrine). Il s'agit donc d'examiner si les tribunaux français étaient aussi compétents en vertu des règles de solution de conflits de lois en vigueur en Suisse. Examiner cette question revient à se demander si, en dépit d'un for en Suisse, le défendeur pouvait aussi être valablement actionné en France. En présence d'une telle situation, la tendance actuelle de la doctrine et de la jurisprudence est de ne contester la compétence du tribunal étranger que si le for du pays requis est un for impératif et exclusif. Or tel n'est pas le cas du for de l'action en modification d'une décision relative à l'attribution des enfants. D'une part un tel for au domicile de l'intimé n'est pas institué par la loi, mais par la jurisprudence, qui aurait pu tout aussi bien attribuer au juge de la partie demanderesse la compétence pour juger une telle affaire; sa solution requiert - pour le bien de l'enfant qui en est l'élément déterminant - la connaissance des conditions dans lesquelles vivrait l'enfant aussi bien auprès de l'une que de l'autre des parties. D'autre part, la jurisprudence elle-même ne considère pas comme impératif un tel for, puisqu'elle y renonce dans la situation inverse de celle de la présente espèce: elle admet en effet que lorsque la partie défenderesse a quitté la Suisse après un jugement de divorce prononcé en Suisse, l'action en modification de l'attribution des enfants soit ouverte au domicile suisse de la partie demanderesse (RO 61 II 226 consid. 2). Le recourant Nowak prétend également qu'il ne pouvait être actionné qu'à son domicile en Suisse en raison de l'art. 59 Cst. Or la garantie constitutionnelle du for du domicile du défendeur ne s'applique pas en matière de droit de famille. Le recourant ne peut donc invoquer une telle disposition pour conclure à l'existence d'un for impératif en Suisse. Ces considérations suffisent pour permettre de reconnaître la compétence des tribunaux français qui ont rendu le jugement BGE 96 I 387 S. 395 dont l'exequatur est demandé et pour exclure l'hypothèse visée par l'art. 17 al. 1 ch. 1 de la convention. d) Une autre considération corrobore encore la solution admise par les tribunaux français. Les deux fors concurrents sont tous deux le for du domicile du défendeur. Or le domicile d'une personne se détermine en principe selon les mêmes critères en droit suisse et en droit français, qui connaissent tous deux et le principe de l'unité de domicile, et le principe du maintien de l'ancien domicile tant que l'intéressé ne s'en est pas constitué un nouveau (art. 23 al. 2 et 24 al. 1 CC; art. 102 ss. CC fr., cf. Dalloz périodique, années 1913 I 400 et 1893 I 29). S'il y a néanmoins concurrence de fors en l'espèce, c'est en raison de l'art. 24 al. 2 CC, qui établit une exception à ces principes en permettant de considérer comme le domicile d'une personne le lieu où elle réside, lorsqu'elle a quitté son domicile à l'étranger et n'en a pas acquis un nouveau en Suisse. Cette disposition ne crée cependant pas un nouveau domicile réel, mais simplement un nouveau domicile fictif, permettant notamment d'actionner une telle personne en Suisse. Elle n'a en somme qu'un caractère complémentaire. Elle n'empêche pas, selon la jurisprudence, l'existence d'un domicile à l'étranger (RO 68 II 181); il suffit, pour qu'on puisse l'appliquer, que la personne ait quitté son domicile; il n'est pas nécessaire qu'elle y ait mis fin (cf. EGGER, Kommentar, n. 5 ad art. 24). Dans la situation inverse de celle qui se présente en l'espèce, le juge suisse aurait considéré comme encore domicilié en Suisse un père qui aurait quitté la Suisse depuis quelques jours seulement, sans se créer encore un domicile ailleurs. En tant que règle exceptionnelle et complémentaire, connue du droit suisse seulement et non du droit français, la disposition de l'art. 24 al. 2 doit céder le pas devant la règle générale de l'art. 24 al. 1, commune aux deux droits. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours.
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Urteilskopf 118 Ib 153 19. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 13. Juli 1992 i.S. S. gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn (Verwaltungsgerichtsbeschwerde).
Regeste Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG , Art. 4 und Art. 17 Abs. 2 ANAG sowie Art. 8 EMRK ; Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an das ausländische Kind einer Schweizerin. 1. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung an das ausländische Kind einer Schweizerin; es findet sich sowohl auf bundesgesetzlicher Stufe (Analogie zu Art. 17 Abs. 2 ANAG ) als auch in einem Staatsvertrag ( Art. 8 EMRK ) eine anspruchsbegründende Norm für den Nachzug des Kindes (E. 1). 2. Vor dem Entscheid über einen allfälligen Rechtsmissbrauch ist in der Regel zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur Verwirklichung des Nachzugsrechts im konkreten Fall auch erfüllt sind (Präzisierung von BGE 115 Ib 97 ; E. 2a). 3. Bei getrennten oder geschiedenen Eltern setzt ein Nachzugsrecht voraus, dass das Kind zum in der Schweiz lebenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält (E. 2b). 4. Verneinung eines Nachzugsrechts im vorliegenden Fall (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 154 BGE 118 Ib 153 S. 154 Die damals jugoslawische Staatsangehörige S. heiratete im Jahre 1966 in Zagreb den jugoslawischen Staatsbürger T. Am 20. März 1973 wurde den Ehegatten der Sohn E. geboren. Von 1984 bis 1988 hielt sich S. in Luxemburg auf. Im Januar 1988 reiste sie in die Schweiz, wo sie den Schweizer Bürger A. kennenlernte. Mit Urteil des Gemeindegerichts Zagreb vom 17. April 1989 wurde die Ehe mit T. auf Klage der Ehefrau hin geschieden. Der Vater erhielt dabei die elterliche Gewalt über den Sohn E. Am 24. Oktober 1989 heirateten S. und A. S. erwarb dadurch das Schweizer Bürgerrecht. Ihr Sohn E. blieb dagegen jugoslawischer Staatsangehöriger. Am 8. Oktober 1990 stellte S. das Gesuch um Familiennachzug für ihren Sohn E. Mit Verfügung vom 5. Februar 1991 trat das Amt für Ausländerfragen des Kantons Solothurn darauf nicht ein. Dagegen erhob S. am 14. Februar 1991 Beschwerde beim Polizei-Departement des Kantons Solothurn. Dieses wies die Beschwerde am 5. September 1991 ab. Mit Beschwerde vom 20. September 1991 gelangte S. daraufhin an den Regierungsrat des Kantons Solothurn. Am 25. November 1991 wies der Regierungsrat die Beschwerde ab. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, S. vermöge nicht darzutun, dass die BGE 118 Ib 153 S. 155 familiäre Beziehung zwischen ihr und ihrem Sohn gelebt werde und intakt sei; die gesamten Umstände wiesen vielmehr darauf hin, dass der Sohn in die Schweiz geholt werden solle, um hier einer Arbeit nachzugehen. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 27. Dezember 1991 stellt S. den Antrag, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben und es sei ihrem Sohn der dauernde Aufenthalt in der Schweiz zu bewilligen. In seiner Vernehmlassung vom 11. Februar 1992 beantragt der Regierungsrat, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Ausländerfragen schliesst in seiner Stellungnahme vom 21. Februar 1992 auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. a) Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus gegen die Erteilung oder Verweigerung von fremdenpolizeilichen Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Der Ausländer beziehungsweise seine allfällig in der Schweiz lebenden Angehörigen haben damit grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wird. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher ausgeschlossen, soweit nicht eine Norm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags dem Ausländer oder seinen Angehörigen einen Anspruch auf eine fremdenpolizeiliche Bewilligung einräumt ( BGE 116 Ib 355 E. 1a). Die Beschwerdeführerin beruft sich auf eine Analogie zur Regelung von Art. 17 Abs. 2 ANAG sowie auf Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK; SR 0.101). b) Bis heute findet sich keine Gesetzesbestimmung im schweizerischen Recht, die dem schweizerischen Elternteil ausdrücklich einen Anspruch darauf einräumt, seine Kinder ausländischer Staatsangehörigkeit in die Schweiz nachzuziehen. BGE 118 Ib 153 S. 156 Hingegen regelt Art. 17 Abs. 2 ANAG einen vergleichbaren Fall. Gemäss dem Wortlaut der früheren Fassung vom 26. März 1931 (BS 1 126/7), welche sowohl bei Einreichung des ursprünglichen Gesuches der Beschwerdeführerin als auch im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheides noch in Kraft war, hatten die Ehefrau und die noch nicht 18jährigen Kinder eines niedergelassenen Ausländers Anspruch darauf, in dessen Bewilligung einbezogen zu werden, "sofern sie mit ihm in gemeinsamem Haushalte leben werden". Das Bundesgericht hat in BGE 115 Ib 99 E. b, in dem ähnliche familiäre Verhältnisse zu beurteilen waren wie im vorliegenden Fall, entschieden, dass diese Bestimmung auch auf die niedergelassene Ausländerin und deren Kinder anwendbar ist. Seit dem Inkrafttreten der Gesetzesnovelle vom 23. März 1990 am 1. Januar 1992 gilt der neue Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 ANAG , wonach ledige Kinder unter 18 Jahren Anspruch auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung haben, "wenn sie mit ihren Eltern zusammen wohnen" (AS 1991 1043). Der Gesetzgeber scheint die Notwendigkeit eines Nachzugsrechts für ausländische Kinder von Schweizer Bürgern übersehen zu haben. Der - oben zitierte - dritte Satz von Art. 17 Abs. 2 ANAG , welcher den Nachzug der Kinder regelt, ist zwar hinsichtlich der Staatsangehörigkeit der Eltern offen formuliert; im Kontext mit den vorangehenden Sätzen desselben Absatzes sowie mit Art. 17 Abs. 1 ANAG muss aber davon ausgegangen werden, dass es sich nicht nur beim nachzuziehenden Kind, sondern auch bei den nachzugsberechtigten Eltern um Ausländer handelt. Ernsthafte, sachliche Gründe, weshalb die ausländischen Kinder von Schweizer Bürgern schlechter gestellt sein sollten als diejenigen niedergelassener Ausländer, sind nicht nur nicht ersichtlich, sondern eine solche Folgerung erschiene im Gegenteil als unsinnig. Die Beschwerdeführerin macht daher zu Recht geltend, aus Rechtsgleichheitsgründen müsse die Regelung von Art. 17 Abs. 2 ANAG analog auch auf die ausländischen Kinder von Schweizer Bürgern angewendet werden (vgl. DANIEL THÜRER, Familientrennung durch Staatsgrenzen?, in: Festschrift für Cyril Hegnauer zum 65. Geburtstag, Bern 1986, S. 582). Daraus geht hervor, dass ein gesetzliches Nachzugsrecht zumindest so lange besteht, als das ausländische Kind eines Schweizer Bürgers weniger als 18 Jahre alt ist. Zwar hat der Sohn der Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit das 19. Lebensjahr überschritten. Im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um Familiennachzug - und BGE 118 Ib 153 S. 157 darauf kommt es im vorliegenden Zusammenhang an - war er indessen erst rund 17 1/2 Jahre alt. Die Beschwerdeführerin hat daher gestützt auf eine Analogie zu Art. 17 Abs. 2 ANAG grundsätzlich einen Anspruch auf Nachzug ihres Sohnes. c) Ferner garantiert Art. 8 Ziff. 1 EMRK den Schutz des Familienlebens. Darauf kann sich der Ausländer berufen, der nahe Verwandte mit Anwesenheitsrecht (Schweizer Bürgerrecht oder Niederlassungsbewilligung) in der Schweiz hat; wird ihm selber die Anwesenheit in der Schweiz untersagt, kann dies Art. 8 EMRK verletzen. Soweit deshalb eine familiäre Beziehung im beschriebenen Sinn tatsächlich gelebt wird und intakt ist, ist das der zuständigen Behörde durch Art. 4 ANAG grundsätzlich eingeräumte freie Ermessen eingeschränkt. In solchen Fällen ist daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des um die fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländers zulässig. Das gleiche gilt, wenn dieses Rechtsmittel vom betroffenen Familienglied mit Anwesenheitsrecht in der Schweiz eingereicht wird. Nichts kommt darauf an, ob eine Erneuerung oder (wie hier) die erstmalige Erteilung der Anwesenheitsbewilligung in Frage steht ( BGE 116 Ib 355 E. b; BGE 115 Ib 99 f. E. e; BGE 109 Ib 185 ff. E. 2). Das Bundesgericht hat in BGE 115 Ib 100 unter dem Eindruck der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entschieden, dass eine Berufung auf Art. 8 EMRK auch dann möglich ist, wenn das ausländische Kind familienrechtlich nicht unter der elterlichen Gewalt oder Obhut des betroffenen Familiengliedes mit Anwesenheitsrecht in der Schweiz steht. Voraussetzung bleibt jedoch, dass die familiäre Beziehung tatsächlich gelebt wird und intakt ist. Im Verhältnis zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern ist somit ein eigentliches Zusammenleben nicht unentbehrliches Element für das Bestehen eines Familienlebens im Sinne von Art. 8 EMRK ; es können dafür auch Gesichtspunkte wie regelmässiger Kontakt oder die Verpflichtung zu Unterhaltszahlungen genügen (vgl. ACHIM BRÖTEL, Der Anspruch auf Achtung des Familienlebens, Baden-Baden 1991, S. 47 ff., insbesondere S. 57 f. und S. 65; MARTINA PALM-RISSE, Der völkerrechtliche Schutz von Ehe und Familie, Berlin 1990, S. 201 f. und S. 276 ff.). Die Vorinstanz macht zwar geltend, das Mutter-Sohn-Verhältnis werde nicht gelebt; jedenfalls lege die Beschwerdeführerin dafür keine Beweise vor. Indessen ist in genügender Weise belegt, dass sie zu ihrem Sohn regelmässigen schriftlichen und telefonischen Kontakt hatte, ihn besuchsweise hin und wieder gesehen hat und ferner BGE 118 Ib 153 S. 158 im Scheidungsurteil aus dem Jahre 1989 zu Unterhaltszahlungen verpflichtet worden ist. Dies genügt für eine Berufung auf Art. 8 EMRK . Im übrigen hätte die Vorinstanz zumindest die ihr offerierten Beweise abnehmen, das heisst namentlich das von der Beschwerdeführerin beantragte Parteiverhör beziehungsweise die entsprechenden Zeugenbefragungen vornehmen müssen, wenn sie sich auf den Standpunkt stellte, die Beschwerdeführerin habe die notwendigen Beweise nicht erbracht. e) Findet sich somit sowohl auf bundesgesetzlicher Stufe als auch in einem Staatsvertrag eine anspruchsbegründende Norm für den Nachzug des Sohnes der Beschwerdeführerin, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten. 2. a) Auch wenn beim Entscheid über das Eintreten auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Möglichkeit eines Anspruches grundsätzlich bejaht wird, bleibt in materiellrechtlicher Hinsicht zu prüfen, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen zur Verwirklichung des Anspruches auch erfüllt sind (vgl. BGE 115 Ib 99 E. 2b und f). Diese Prüfung erübrigt sich unter Umständen dann, wenn die Berufung auf das Nachzugsrecht geradezu rechtsmissbräuchlich ist. So hat sich das Bundesgericht in BGE 115 Ib 101 /2 E. 3 - allerdings ohne dies näher zu begründen - gar nicht mit der Frage befasst, ob das Nachzugsrecht konkret auch gegeben war, sondern es hat unmittelbar festgehalten, dass es in rechtsmissbräuchlicher Weise geltend gemacht werde. Da sich die Frage des Rechtsmissbrauchs an sich erst stellt, wenn das angerufene Recht auch besteht, lag im gewählten Vorgehen eine gewisse Verkürzung; dies rechtfertigte sich aber, weil es in jenem Fall klare Hinweise für einen Rechtsmissbrauch gab. Namentlich hatte die damalige Beschwerdeführerin den Fremdenpolizeibehörden gegenüber bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung an sie selbst das Vorhandensein eines minderjährigen Sohnes verschwiegen. Das Bundesgericht musste daher nicht zwingend darüber befinden, ob bei der gegebenen familiären Situation ein Nachzugsrecht materiell überhaupt bestand; selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte ihm wegen des Rechtsmissbrauchs nicht Folge geleistet werden können. Im vorliegenden Fall ist die Sachlage insofern anders, als ein Rechtsmissbrauch, auf den sich die Vorinstanzen berufen, zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht eindeutig ist. Es drängt sich daher auf, sich zunächst mit der materiellrechtlichen Frage auseinanderzusetzen, BGE 118 Ib 153 S. 159 ob die Voraussetzungen eines Nachzugs überhaupt erfüllt sind. b) Zweck des Familiennachzuges ist es, das familiäre Zusammenleben zu ermöglichen ( BGE 115 Ib 101 E. 3a). Es fragt sich, was darunter im Hinblick auf das Kind zu verstehen ist, wenn die beiden Eltern getrennt oder gar geschieden sind und der eine Elternteil in der Schweiz, der andere aber im Ausland lebt. Eine rein grammatikalische Auslegung des alten Textes von Art. 17 Abs. 2 ANAG lässt zwar den Schluss auf einen bedingungslosen Anspruch auf Einbezug des Kindes in die Niederlassungsbewilligung des Elternteiles in der Schweiz zu, sofern ein gemeinsamer Haushalt mit dem Kind vorgesehen ist (PETER KOTTUSCH, Zur rechtlichen Regelung des Familiennachzugs von Ausländern, in: ZBl 90/1989, S. 346). Der neue Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 ANAG verdeutlicht aber die - schon früher geltende (vgl. KOTTUSCH, a.a.O., S. 346 f.) - Ausrichtung des Gesetzes auf die rechtliche Absicherung des Zusammenlebens der Gesamtfamilie; das Gesetz verlangt nun ausdrücklich, dass die Kinder mit ihren Eltern (Plural) zusammen wohnen werden. Nach der Systematik - vgl. die beiden ersten Sätze der Bestimmung - geht Art. 17 Abs. 2 ANAG vom Zusammenleben von Vater und Mutter aus, wobei dies natürlich unter dem Vorbehalt steht, dass beide Eltern überhaupt noch leben. Die Nachzugsregelung ist daher zugeschnitten auf den Fall, dass die eheliche Beziehung der gemeinsamen Eltern intakt ist (vgl. BBl 1987 III 322). Sind die Eltern jedoch voneinander getrennt oder gar geschieden, und hält sich der eine Elternteil in der Schweiz, der andere aber im Ausland auf, kann es gar nicht um eine Zusammenführung der Gesamtfamilie gehen. In solchen Fällen entspricht es dem Gesetzeszweck nicht, einen bedingungslosen Anspruch auf Nachzug der Kinder anzunehmen. Ein Nachzugsrecht setzt vielmehr voraus, dass das Kind zum in der Schweiz lebenden Elternteil die vorrangige familiäre Beziehung unterhält. Dabei kommt es nicht nur auf die bisherigen Verhältnisse an, sondern es können auch nachträglich eingetretene oder gar künftige Umstände wesentlich werden. Namentlich kann nicht entscheidend sein, in welchem Land das Kind bisher seinen Lebensmittelpunkt hatte, bliebe doch sonst ein Nachzugsrecht praktisch immer wirkungslos. Zu berücksichtigen ist aber, bei welchem Elternteil das Kind bisher gelebt hat, beziehungsweise wem in der Scheidung das Sorgerecht zugesprochen worden ist; sollte sich das Kindesinteresse in der Zwischenzeit geändert haben, so wäre für eine Anpassung BGE 118 Ib 153 S. 160 der familiären Verhältnisse in der Regel zunächst der privatrechtliche Weg zu beschreiten. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen klare Anhaltspunkte für neue familiäre Abhängigkeiten - zum Beispiel beim Tod des sorgeberechtigten Elternteils oder bei neu sich abzeichnenden Pflegebedürfnissen - oder für eine wesentliche Verlagerung der Beziehungsintensitäten bestehen. c) Diese Auslegung von Art. 17 Abs. 2 ANAG steht nicht im Widerspruch zu Art. 8 EMRK . Der Familienschutz, wie er darin gewährleistet wird, kann zwar unter Umständen einer Entfernungsmassnahme wie einer Ausweisung - und damit einer zwangsweisen Trennung von Angehörigen - entgegenstehen, wenn dadurch die Fortführung des Familienlebens verunmöglicht oder stark beeinträchtigt wird (vgl. Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 26. März 1992 in Sachen Beldjoudi, zur Veröffentlichung bestimmt in Publications de la Cour Européenne des Droits de l'Homme, Série A Vol. 234-A, und vom 18. Februar 1991 in Sachen Moustaquim, Publications de la Cour Européenne des Droits de l'Homme, Série A Vol. 193, auch publiziert in: RUDH 1991, S. 90 ff., je mit weiteren Verweisen auf die Rechtsprechung). Die Bestimmung vermittelt jedoch nicht ein absolutes Recht auf Einreise und Aufenthaltsbewilligung von Familienmitgliedern, wenn ein Ausländer selbst die Entscheidung getroffen hat, von seiner Familie getrennt in einem anderen Land zu leben (FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl/Strassburg/Arlington 1985, Rz. 25 zu Art. 8; vgl. auch PALM-RISSE, a.a.O., S. 282 ff.). Auch wenn Art. 8 EMRK unter anderem die familiäre Beziehung geschiedener Eltern zu ihren Kindern schützt, räumt die Bestimmung grundsätzlich nicht demjenigen Elternteil ein Recht auf Nachzug eines Kindes ein, der freiwillig ins Ausland verreist ist, ein weniger enges Verhältnis zum Kinde hat als der andere Elternteil und seine Beziehungen zum Kinde weiterhin pflegen kann. Ein gegenteiliges Verständnis der Menschenrechtskonvention hätte zur Folge, dass mit der Berufung auf Art. 8 EMRK eine gerichtliche Kindeszuteilung in einem Scheidungsurteil, das an sich den Kindesinteressen im Rahmen der gesamten familiären Verhältnisse umfassend Rechnung trägt, umgangen werden könnte; ausserdem müsste dem nachgezogenen Kind unter Umständen wieder ein Recht auf Nachzug des andern Elternteils, zu dem es ja die vorrangige Beziehung unterhält, eingeräumt werden, ohne dass eine Vereinigung der Gesamtfamilie angestrebt würde. Solche Auswirkungen bezweckt die Familienschutzregelung der Menschenrechtskonvention nicht. BGE 118 Ib 153 S. 161 d) Selbst wenn die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung an ein Familienmitglied an sich einen Eingriff in das Recht auf Familienleben gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK darstellte, verstiesse sie im übrigen in einem Fall wie dem vorliegenden nicht gegen die Menschenrechtskonvention. Nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK ist ein Eingriff in das von Ziff. 1 geschützte Rechtsgut unter gewissen Voraussetzungen statthaft; namentlich sind Massnahmen zulässig, die sich als für das wirtschaftliche Wohl und die öffentliche Ordnung eines Landes notwendig erweisen. Im vorliegenden Zusammenhang ist eine Zulassungsbeschränkung zu beurteilen, die insbesondere den Schutz des inländischen Arbeitsmarktes sowie des Landes vor Überfremdung bezweckt. Stehen der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung somit gewichtige öffentliche Interessen gegenüber, lässt sich die Verweigerung einer Bewilligung jedenfalls dann nicht beanstanden, wenn die Familientrennung von den Betroffenen selbst freiwillig herbeigeführt worden ist und die Fortführung und Pflege der familiären Beziehungen nicht behördlich verhindert wird (vgl. BGE 116 Ib 357 E. 3a und c sowie FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Rz. 11-13 und 23-25, und PALM-RISSE, a.a.O., S. 350 ff.). Die Sachlage im vorliegenden Fall unterscheidet sich denn auch in wesentlichem Masse von derjenigen, welche der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Berrehab (Urteil vom 21. Juni 1988, Publications de la Cour Européenne des Droits de l'Homme, Série A Vol. 138) zu beurteilen hatte. In jenem Fall lebte das Kind zusammen mit der Mutter in dem Land, in welchem sich auch der ausländische Vater mit seiner Familie zusammen aufgehalten hatte und in dem er unter Berufung auf die Beziehung zu seinem Kinde weiterhin bleiben wollte. Dabei ging es weder um den Nachzug eines Familiengliedes, noch stand in Frage, das Kind aus der engeren familiären Beziehung zum einen Elternteil (damals zur Mutter) zu lösen; vielmehr ging es einzig darum, dem andern Elternteil (damals dem Vater) dadurch, dass er nicht aus dem Land ausreisen musste, zu ermöglichen, seine eigene, weniger enge Beziehung zum Kind weiterhin auch leben zu können. Diese Beziehung erschien als gefährdet, wenn der Vater - namentlich in sein Heimatland - hätte ausreisen müssen. Der Fall ist mit dem hier zu beurteilenden in mehrfacher Hinsicht nicht vergleichbar. 3. a) Im vorliegenden Fall hielt sich der Sohn E. seit seiner Geburt in Zagreb/Kroatien auf. Er erhielt dort auch seine schulische Ausbildung. Gegenwärtig besucht er noch eine Wirtschaftsschule. Seit 1984, als die Beschwerdeführerin einem Arbeitserwerb im Ausland BGE 118 Ib 153 S. 162 nachging, lebte er allein bei seinem Vater. Durch die Scheidung im Jahre 1989 erhielt der Vater das ausschliessliche Sorgerecht, währenddem die Beschwerdeführerin zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen verpflichtet wurde. In der Zwischenzeit scheint der Vater erkrankt zu sein, und es bestehen gewisse Zweifel, ob er seiner Sorgepflicht vollumfänglich nachkommen kann. In einer von einem lokalen Anwalt beglaubigten Erklärung vom 28. Dezember 1990 erteilte er seine Zustimmung dazu, dass sein Sohn bei der Mutter in der Schweiz leben kann, wobei ausdrücklich auf seine weiter geltende Verantwortung hingewiesen wird. Ob damit die Kinderzuteilung des Scheidungsurteils geändert werden kann, ist zweifelhaft, kann aber offenbleiben. E. war bei Gesuchseinreichung sowohl in persönlicher als auch in materieller Hinsicht jedenfalls nicht mehr vollumfänglich von der Betreuung durch die Eltern - weder durch den Vater noch durch die Mutter - abhängig. Auch stand er kurz vor Erreichung der zivilrechtlichen Mündigkeit. b) Der Sohn der Beschwerdeführerin lebte somit seit annähernd acht Jahren allein beim Vater in Kroatien; diesem war bei der Scheidung auch das elterliche Sorgerecht verbunden mit der entsprechenden Pflicht übertragen worden. Die Beziehung des Sohnes zum Vater ist daher klarerweise enger als diejenige zur Mutter. Weder ergibt sich, dass seine weitere persönliche Entwicklung vom Zusammenleben mit der Mutter abhängt, noch sind überzeugende Gründe dafür ersichtlich, dass sich die Beziehungsintensitäten in absehbarer Zeit massgeblich verändern werden. Die Fortführung des gegenseitigen Kontakts und die Pflege der Beziehung zwischen Mutter und Kind bleibt auch dann möglich, wenn der Sohn weiterhin in Kroatien lebt. Für Besuche in der Schweiz steht gleichermassen wie bis anhin der bewilligungsfreie Aufenthalt zur Verfügung. Die Beschwerdeführerin macht auch gar nicht geltend, dass diesbezüglich unüberwindbare Hindernisse bestünden. c) Die Voraussetzungen für einen Nachzug des Sohnes der Beschwerdeführerin in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 2 ANAG sind somit nicht erfüllt. Die Verweigerung einer Anwesenheitsbewilligung verstösst auch nicht gegen Art. 8 EMRK .
public_law
nan
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1,992
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
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140deb58-d053-4dac-b768-adb232e0d16f
Urteilskopf 97 I 492 68. Extrait de l'arrêt du 7 juillet 1971 dans la cause Pittet contre Commission centrale des améliorations foncières du canton de Vaud.
Regeste Güterzusammenlegung und Innenkolonisation. Grundsatz von Treu und Glauben. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts bei staatsrechtlichen Beschwerden wegen Verletzung des Art. 4 BV auf dem Gebiete der Güterzusammenlegung (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 1 b). Besondere Verhältnisse, die sich aus der Verbindung der Güterzusammenlegung mit einer Aussiedelung ergeben können (Erw. 2). Wann verstösst die von den Organen der Güterzusammenlegung vorgenommene Änderung an der im Aussiedelungsprojekt vorgesehenen Zuteilung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben? Verletzung dieses Grundsatzes in casu bejaht (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 493 BGE 97 I 492 S. 493 A.- En mai 1960 s'est constitué dans la commune vaudoise de Villars-le-Terroir un syndicat d'améliorations foncières ayant pour but de réaliser un remaniement parcellaire. Clément Pittet est propriétaire, dans le périmètre du remaniement, de 22 parcelles très dispersées, d'une surface totale d'environ 8 hectares. Le bâtiment principal de son exploitation, avec logement et locaux ruraux, sis au centre du village, ayant été détruit par un incendie le 20 mai 1963, il accepta de transférer son exploitation en limite du territoire communal, en relation avec le remaniement parcellaire. Selon le projet de colonisation, approuvé par le Service cantonal et par l'Office fédéral des améliorations foncières, il devait recevoir en propriété une surface trapézoïdale d'un seul tenant, d'environ 8 hectares, située aux confins sud-est du territoire communal, en bordure de la voie ferrée Lausanne-Echallens-Bercher et en deçà, soit à l'ouest, de celle-ci. La commune de Villars-le-Terroir, qui recevait pour sa part une parcelle rectangulaire d'environ 6 hectares, juste en face de celle de Pittet et à l'est de BGE 97 I 492 S. 494 la voie ferrée, s'engageait à la donner à ferme à celui-ci pour une durée minimum de vingt ans, afin de compléter la surface de 14 hectares jugée nécessaire à l'opération de colonisation. Les bâtiments d'exploitation et d'habitation furent construits durant les années 1964 et 1965, à l'emplacement prévu par le projet de colonisation. Le canton de Vaud et la Confédération allouèrent des subsides de 172 000 fr. au total. Pittet conclut avec la commune de Villars-le-Terroir un bail à ferme à long terme portant sur un terrain d'une surface de 58 656 m2 situé à l'est de la voie ferrée et englobé dans le remaniement. Selon le projet de remaniement mis à l'enquête publique du 12 juillet au 8 août 1966, Clément Pittet se voyait attribuer deux parcelles de 32 786 et 50 705 m2. La plus petite des deux (no 122) comprenait les bâtiments neufs. La plus grande (no 135) était située au-delà de la voie ferrée, à peu près à l'endroit où était primitivement prévue la parcelle de la commune. Celle-ci recevait, pour la donner à bail à Pittet, une longue parcelle triangulaire de 5,9 hectares environ, s'étendant le long de la voie ferrée au nord-est de la parcelle 135 de Pittet. Par lettre du 27 juillet 1966, Clément Pittet demanda à la Commission de classification de modifier les limites de la parcelle 122, en l'étendant de 50 m en direction du village de Villars-le-Terroir (nord-ouest) pour dégager la ferme, et de 40 m en direction d'Echallens (sud-ouest) pour que la vanne de sa conduite d'eau se trouve sur sa propriété, la parcelle 135 étant diminuée d'autant. La Commission de classification refusa de donner suite à cette demande; à son avis, il était contraire aux principes de la colonisation de diminuer la surface de la parcelle 135 et d'attribuer une partie de cette surface à un propriétaire du village ou à la commune. Clément Pittet recourut contre cette décision à la Commission centrale des améliorations foncières (ci-après: la Commission centrale), par un mémoire du Ier février 1967, dans lequel il relevait que les propositions faites lors du projet de colonisation n'avaient pas été respectées. La Commission centrale se prononça, le 23 avril 1968, sur l'attribution des nouvelles parcelles. Considérant qu'en matière de colonisation intérieure, on devait s'efforcer de créer un domaine répondant aux exigences de l'agriculture moderne et que dans cette optique les parcelles du recourant étaient trop courtes, tandis que la parcelle louée était trop irrégulière, elle annula le nouvel état dans toute une partie BGE 97 I 492 S. 495 du périmètre et chargea la Commission de classification d'établir un nouveau parcellement. La Commission de classification rendit sa nouvelle décision le 6 août 1968. Elle ne modifiait en rien le plan de parcellement. Saisie d'un nouveau recours de Pittet, la Commission centrale l'admit sur un point secondaire et le rejeta pour le surplus, maintenant la décision de la Commission de classification pour ce qui concerne l'attribution des nouvelles parcelles, moyennant l'aménagement d'un passage à niveau adéquat sur la voie ferrée. Le prononcé du 1er septembre 1969 est motivé, en substance, comme il suit: Les possibilités de revoir la répartition sont très réduites, car il est exclu de modifier le réseau des chemins. Il n'est pas légalement nécessaire que le domaine du colon réponde parfaitement aux exigences de l'agriculture moderne. Il ne faut pas exagérer les inconvénients de la voie ferrée. En définitive, les parcelles attribuées au recourant sont admissibles. Si le projet de colonisation était plus favorable à Pittet, il ne lie pas le syndicat, qui devait du reste attribuer à Pittet le terrain audelà de la voie ferrée, en vertu même des prescriptions fédérales sur la colonisation. B.- Agissant par la voie du recours de droit public, Pittet requiert l'annulation du prononcé de la Commission centrale. Le Tribunal fédéral, après avoir mis en oeuvre un expert, a admis le recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) ... b) L'autorité cantonale jouit, en matière de remaniement parcellaire, d'une grande liberté d'appréciation et le Tribunal fédéral, saisi d'un recours fondé sur l'art. 4 Cst., ne joue en aucune façon le rôle d'un tribunal administratif supérieur. Son pouvoir d'examen est plus restreint. Il intervient avec d'autant plus de retenue que d'une part les autorités cantonales fondent leur décision au premier chef sur les conditions locales, qu'elles peuvent apprécier mieux qu'il ne saurait le faire luimême, et que d'autre part l'admission du recours d'un seul propriétaire peut remettre en cause toute la répartition et entraîner ainsi des retards et des frais importants. A moins que les autorités cantonales n'aient commis une erreur manifeste, BGE 97 I 492 S. 496 il se borne à examiner le domaine dans son ensemble et à rechercher si, entre l'ancien et le nouvel état, ce domaine a subi quant à sa composition, sa superficie et sa valeur des modifications telles que les règles les plus élémentaires du remaniement parcellaire sont violées et que le propriétaire se trouve placé sans conteste dans une situation contraire à la loi et dépourvue de toute justification raisonnable (RO 96 I 41/42, 95 I 523, 90 I 289/290, 85 I 90). 2. a) En droit vaudois, le remaniement parcellaire s'applique aux terrains agricoles, viticoles, forestiers ou à bâtir, selon les principes propres à chacun d'eux (art. 2 de la loi du 29 novembre 1961 sur les améliorations foncières). Il s'ensuit que les immeubles bâtis en sont exclus (cf., a contrario, l'art. 89 de la même loi). Leur abandon ne peut pas être imposé au propriétaire contre son gré, expropriation formelle réservée. Le propriétaire qui, comme l'a fait Pittet, accepte de quitter le village pour se fixer sur un domaine de colonisation fait ainsi un sacrifice supplémentaire, qui n'est pas seulement d'ordre patrimonial. En même temps, il facilite les opérations de remaniement, en dispensant le syndicat de lui attribuer des terres à proximité du village. Ces deux éléments devraient être pris en considération au moment de comparer entre eux les différents domaines issus du remaniement. Or, il est très difficile, sinon impossible, d'en apprécier objectivement l'importance. On ne saurait en aucune façon considérer que les subsides du canton et de la Confédération pour la construction des bâtiments suffisent à compenser les inconvénients résultant de l'éloignement du village. Tel n'est du reste pas le but de l'aide accordée au colon par les pouvoirs publics. En définitive, il appartient au propriétaire et à lui seul de peser les avantages et les inconvénients de l'opération, avant de donner son accord. Dans les limites fixées par les principes généraux du droit, notamment celui de la bonne foi, il peut ensuite exiger le respect des conditions auxquelles il a subordonné son assentiment. A cet égard, sa situation diffère de celle des autres propriétaires du syndicat. b) Il est sans doute fort difficile de garantir à un propriétaire, dès le début des opérations de remaniement, l'attribution d'un domaine déterminé. Aussi bien les organes du syndicat n'ont-ils pas à le faire d'ordinaire. Parfois cependant, l'attribution de certaines parcelles à un propriétaire déterminé s'impose d'emblée; il en est ainsi notamment des remaniements liés à de grands BGE 97 I 492 S. 497 travaux d'intérêt public. Il serait donc concevable, du point de vue pratique, qu'un syndicat accepte une charge analogue en garantissant à un colon l'attribution d'un domaine d'ores et déjà délimité. Du point de vue juridique, l'inégalité de traitement ainsi créée trouverait sa justification objective dans le sacrifice supplémentaire du colon et les avantages qui résultent de la colonisation pour l'ensemble de l'opération; partant, elle ne violerait pas l'art. 4 Cst. A plus forte raison est-il admissible, du point de vue des principes du remaniement, de garantir au colon que le domaine qui lui sera attribué aura au moins certaines qualités. c) Enfin, même si l'on voulait exclure la possibilité, pour les organes du remaniement, de donner des assurances quelconques au colon, celui-ci devrait être protégé dans sa bonne foi, dans la mesure où il a effectivement reçu de telles assurances d'une autorité compétente ou censée telle, qu'il était fondé à se fier à ces assurances et qu'il a pris sur la foi de celles-ci des dispositions irrévocables; le Tribunal fédéral examine librement si ces conditions sont remplies (RO 94 I 521 s. ; 96 I 15 ). 3. a) La situation de Pittet est considérablement améliorée par rapport à l'ancien état. Sa propriété auparavant très dispersée est regroupée, à proximité immédiate de ses nouveaux bâtiments d'exploitation, en deux parcelles de dimensions et de forme acceptables, sinon favorables. L'autorité cantonale expose qu'il pourra affecter les terrains en deçà de la voie ferrée à la culture et ceux qui sont au-delà de cette voie aux besoins de son nombreux bétail; elle tient compte ainsi des caractères propres à l'exploitation. On peut il est vrai se demander à ce propos si elle n'a pas sous-estimé les inconvénients particuliers que présente, pour Pittet, la voie ferrée. Il paraît évident - l'expert le confirme - qu'il est plus gênant de faire franchir une voie ferrée à un troupeau nombreux qu'à des machines de travail ou même des charrois agricoles. Le passage de la voie ferrée eût présenté moins d'inconvénients pour d'autres propriétaires, qui n'auraient de toute façon pas affecté au pacage du bétail ces terres trop éloignées de l'étable. Toutefois, en l'absence de tout élément de comparaison et si l'on fait abstraction des particularités de la colonisation, on ne saurait dire que Pittet tire du remaniement des avantages inférieurs à ceux qui reviennent à d'autres propriétaires. En tout cas, il n'apparaît pas arbitrairement désavantagé. Il ne le prétend pas du reste. BGE 97 I 492 S. 498 Sur le seul terrain du remaniement, Pittet ne saurait se plaindre que la parcelle de la commune, dont il est fermier, soit de moindre qualité que celle que prévoyait le projet de colonisation. b) Le Service cantonal des améliorations foncières a soumis le projet de colonisation accepté par Pittet et, notamment, le plan du domaine aux organes du syndicat. Il n'est pas établi que ceux-ci se soient expressément engagés à le respecter dans la future répartition des nouvelles parcelles. On pourrait certes se demander si les circonstances n'exigeaient pas qu'ils réagissent en cas de désaccord et si leur silence - incontesté - n'impliquait pas l'engagement tacite d'attribuer au recourant un domaine correspondant, au moins dans ses grandes lignes, à celui qui était prévu, ou en tout cas un domaine présentant les mêmes caractères généraux. Un tel engagement ne serait pas exclu par les règles du remaniement parcellaire (cf. consid. 2 b ci-dessus). Cette question peut cependant rester réservée, le recours devant être admis même en l'absence d'un tel engagement. c) Même si le Service cantonal des améliorations foncières, initiateur du projet de colonisation et autorité de surveillance des opérations de remaniement, n'a pas exigé des organes du syndicat le respect de son projet, il ne pouvait échapper à ces derniers que les subsides considérables alloués par les pouvoirs publics perdent toute justification s'ils ne permettent pas de constituer un domaine viable. De même, le recourant pouvait admettre, sur la seule foi du projet du service, et sans avoir à se préoccuper d'un éventuel défaut de coordination entre les différentes autorités auxquelles il avait affaire pour une seule et même opération, que le domaine qui lui serait finalement attribué aurait à tout le moins un rendement équivalant à celui du domaine qu'on lui proposait. Dès lors, s'il n'appartient pas à la Chambre de céans de revoir comme telle l'application des art. 34 et 35 de l'ordonnance fédérale du 29 décembre 1954, dont le seul objet est de fixer les conditions d'octroi des subsides fédéraux, il lui incombe d'examiner, librement, si cette dernière condition est remplie. S'il n'en est pas ainsi, le recourant, qui a lui-même investi dans ses nouveaux bâtiments des montants très élevés, ne pourra pas bénéficier du rendement qu'il attendait et sera lésé, contrairement au principe de la bonne foi, qui domine les relations entre la puissance publique et les administrés. A cet égard, il faut tenir compte aussi de la parcelle attribuée BGE 97 I 492 S. 499 à la commune de Villars-le-Terroir et prise à bail par le recourant: son rendement entre en effet dans le calcul de la rentabilité du domaine dans son ensemble. (Le Tribunal fédéral constate que le rendement du domaine issu du remaniement sera inférieur, dans une mesure non négligeable, à celui du domaine prévu par le projet de colonisation, et que la rentabilité des investissements du recourant est compromise). Pittet n'obtient pas le minimum sur lequel il était fondé à compter de bonne foi lorsqu'il a accepté le principe de la colonisation. La décision attaquée doit ainsi être annulée, sans qu'il y ait lieu de rechercher si, en raison des promesses qui lui auraient été faites expressément, ou en raison de circonstances qui n'ont pas été élucidées, Pittet pourrait exiger davantage.
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Urteilskopf 102 Ib 64 13. Auszug aus dem Urteil vom 30. Januar 1976 i.S. Borri und Konsorten gegen Staatsrat des Kantons Wallis
Regeste Gewässerschutz: BG vom 8. Oktober 1971 (GSchG); Allgemeine Gewässerschutzverordnung des Bundesrates vom 19. Juni 1972 (AGSchV). - GSchG als Rechtsgrundlage für eine kantonale Abbruchverfügung. - Bewilligung für den Bau von Hütten, die der Alpwirtschaft dienen: Auslegung des revidierten Art. 27 AGSchV ; sachliches Bedürfnis und Notwendigkeit des Bauens ausserhalb der Bauzone; Zweckentfremdungsverbot.
Sachverhalt ab Seite 65 BGE 102 Ib 64 S. 65 In der Gemeinde Blatten im Lötschental befindet sich auf ungefähr 2000 m Höhe die Alpe Gugginen. Sie liegt oberhalb der Fafleralp und gehört der Geteilschaft der Alpe Gugginen, einer kantonalrechtlichen Korporation. Der Zweck der Geteilschaft besteht in der Regelung der Wald- und Weidennutzung. Die Geteilen können auf der Alp Bauten errichten. Im Raume des Guggistafels, d.h. des bewohnten Teils der Guggialp, stehen mehrere, zum Teil verfallene Alphütten. Das Gebiet der Guggialp ist in eine provisorische Schutzzone nach den Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 17. März 1972 über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung (BMR) eingewiesen. Nicht eingewiesen ist der bewohnte Teil der Alp, der Guggistafel. Dieser gehört zu den "nicht ausgeschiedenen Zonen" gemäss Art. 2 Ziff. 2 der kantonalen Vollziehungsverordnung zum BMR. Nach Art. 7 dieser Verordnung bedürfen Baubewilligungen in solchen nicht ausgeschiedenen Zonen der Zustimmung des Staatsrates. Verschiedene Geteilen erstellten in den Jahren 1972/73 Alphütten auf dem Guggistafel, ohne ordnungsgemäss ein Bewilligungsverfahren nach den Bestimmungen des kantonalen und kommunalen Baurechts einzuhalten. Als die kantonalen Baupolizeibehörden hievon erfuhren, verfügten sie die sofortige Baueinstellung und den Abbruch der widerrechtlich erstellten Bauten. Die Betroffenen wandten sich dagegen an den Staatsrat des Kantons Wallis. Dieser wies sämtliche Beschwerden BGE 102 Ib 64 S. 66 gestützt auf die eidgenössische Gewässerschutzgesetzgebung ab und bestätigte die Abbruchverfügung. Gegen seine Entscheide richten sich die beim Bundesgericht eingereichten Beschwerden. Das Bundesgericht heisst die Beschwerden, soweit auf diese einzutreten war, gut und hebt die angefochtenen Entscheide des Staatsrates im Sinne der Erwägungen auf. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Die vier angefochtenen Entscheide des Staatsrates ordnen den Abbruch von Alphütten an, für die eine Baubewilligung nicht erteilt worden war. Der Abbruchbefehl wird zur Hauptsache damit begründet, dass eine vorgängige Baubewilligung fehlt und eine nachträgliche aufgrund von Art. 20 GSchG nicht erteilt werden kann. Kantonalrechtliche Gründe, die der Bewilligung entgegenstehen, werden nicht angerufen. Daraus folgt, dass die angefochtenen Entscheide materiell gestützt auf Bundesrecht, d.h. die eidgenössische Gewässerschutzgesetzgebung ergangen sind. Das GSchG enthält keine ausdrückliche Bestimmung darüber, was mit Bauten zu geschehen hat, die ohne Bewilligung errichtet worden sind und deren Bestand der eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung widerspricht, wohl aber das kantonale Baurecht in Art. 19 der Verordnung vom 13. Januar 1967 über die Organisation und die Befugnisse der kantonalen Baukommission, die sich auf das kantonale Baugesetz vom 19. Mai 1924 stützt. Indessen obliegt nach Art. 5 GSchG der Vollzug der Gewässerschutzgesetzgebung den Kantonen. Sie haben die zur Erreichung der in Art. 2 GSchG genannten Ziele erforderlichen Massnahmen zu treffen und können gemäss Art. 7 GSchG die angeordneten Massnahmen erzwingen, nötigenfalls auf Kosten der Pflichtigen selber durchführen. Art. 20 GSchG setzt voraus, dass Bauten ausserhalb des Baugebiets nur mit Bewilligung errichtet werden können. Die Kantone sind daher, selbst wenn im kantonalen Recht hiefür keine gesetzliche Grundlage vorhanden wäre, verpflichtet, ein Baubewilligungsverfahren für jede Baute durchzuführen, gleichgültig, wo sich diese befindet. Ist für eine Baute keine Bewilligung erteilt bzw. eingeholt worden und kann eine solche auch nachträglich nicht zugestanden werden, weil dem BGE 102 Ib 64 S. 67 Bauvorhaben Bestimmungen der eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung entgegenstehen, so muss die Entfernung der Baute schon gestützt auf das GSchG, also aus Gründen, die im Bundesrecht liegen, verfügt werden (vgl. Urteil Schulthess und Wullschleger vom 11. Oktober 1974 E. 5), wobei die allgemeinen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Prinzipien des Bundesrechts, zu denen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und des Schutzes des guten Glaubens gehören, zu berücksichtigen sind (vgl. BGE 101 Ib 316 E. 3). Gegen derartige Abbruchverfügungen ist somit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Massgabe der Art. 97 ff. OG zulässig, soweit mit dem Rechtsmittel gerügt wird, die angefochtene Verfügung verletze Verwaltungs- oder anderes öffentliches Recht des Bundes, bzw. stütze sich, soweit die Anwendung von Bundesrecht in Frage steht, auf eine unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts. In diesem Zusammenhang kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, wie beispielsweise des Verbots der Willkür, des Anspruchs auf rechtliches Gehör, der Eigentumsgarantie und anderer, gerügt werden. Denn insoweit übernimmt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Aufgaben der staatsrechtlichen Beschwerde ( BGE 99 V 57 E. 3 und 60 E. a). Soweit die Verletzung solcher verfassungsmässiger Rechte behauptet wird, ist eine staatsrechtliche Beschwerde nicht zulässig. Im vorliegenden Streit um den Abbruchbefehl für die Alphütten auf Guggialp sind die Beschwerdeführer nach Art. 103 lit. a OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt. Hinsichtlich Bregy ist anzunehmen, dass er nicht für sich persönlich, sondern für die Erbengemeinschaft handelt. Er ist überdies im Urteilszeitpunkt mündig, so dass der Einwand, es hätte auch der Vormund im Beschwerdeverfahren angegeben werden sollen, hinfällig wird. Die Beschwerdeführer Bregy und Borri haben neben der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch eine staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, mit der sie die Verletzung von Art. 4 BV sowie teilweise von Art. 22ter BV rügen. Diese Rügen stehen aber in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anwendung des GSchG. Sie hätten demzufolge im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht werden können. Auf diese staatsrechtlichen Beschwerden ist somit nicht einzutreten. BGE 102 Ib 64 S. 68 b) Willy und Kilian Hildbrand haben gegen den sie betreffenden Staatsratsbeschluss bloss staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Diese stützt sich sachlich auf das GSchG. In ihrer staatsrechtlichen Beschwerde tragen die Beschwerdeführer keine Gründe vor, die sie nicht mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde hätten geltend machen können. Ihre staatsrechtliche Beschwerde ist somit unzulässig. Indes kann das Rechtsmittel nach der Rechtsprechung als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegengenommen werden ( BGE 98 Ib 87 E. 1a mit Hinweis); im Grunde behaupten nämlich die Beschwerdeführer, der Staatsrat habe das GSchG unrichtig auf ihr Bauvorhaben angewendet. Die formellen Voraussetzungen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wurden mit der Eingabe der Beschwerdeführer erfüllt. Nach dem Ergebnis der Parteibefragung steht fest, dass die erstellte Baute nicht Vater und Sohn Hildbrand gehört und auch nicht von diesen erstellt worden ist. Sie haben darüber keine Verfügungsgewalt; diese liegt bei Hans Käslin. Der materielle Gehalt des Abbruchbefehls trifft ihn und er hat ein schutzwürdiges Interesse, die Bundesrechtsmässigkeit dieser Verfügung durch das Bundesgericht überprüfen zu lassen ( Art. 103 lit. a OG ). Ein gegen Willi und Kilian Hildbrand gerichteter Abbruchbefehl wäre denn auch gar nicht durchsetzbar; Adressat der Verfügung musste vielmehr Hans Käslin sein. Dieser ist in Anwendung von Art. 40 OG in Verbindung mit Art. 17 BZP in die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als Partei eingetreten (F. GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Aufl., S. 93). Hans Käslin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme durch eine Eingabe geboten. Die von ihm daraufhin als Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereichte Rechtsschrift ist als solche Eingabe zu behandeln. Willy und Kilian Hildbrand scheiden als Parteien aus dem Verfahren aus. 4. Nach Art. 20 GSchG dürfen Bewilligungen für Bauten ausserhalb der Bauzonen oder des durch ein Generelles Kanalisationsprojekt (GKP) abgegrenzten Gebietes nur erteilt werden, wenn dafür ein sachlich begründetes Bedürfnis gegeben ist. Was als sachlich begründetes Bedürfnis zu werten ist, wird in Art. 27 AGSchV näher ausgeführt. Diese Bestimmung gilt seit dem 1. Januar 1975 in einer gegenüber der ursprünglichen Umschreibung geänderten Fassung. BGE 102 Ib 64 S. 69 Das revidierte GSchG vom 8. Oktober 1971 ist seit dem Inkrafttreten am 1. Juli 1972 auf alle damals noch hängigen Verfahren anwendbar ( BGE 101 Ib 298 E. 2; BGE 99 Ib 152 E. 1; BGE 99 Ia 124 E. 9). In den hier zu beurteilenden Fällen handelt es sich jedoch nicht um ein eigentliches Bewilligungsverfahren; streitig ist der von den kantonalen Behörden angeordnete Abbruch von Bauten, für die eine Bewilligung nicht eingeholt bzw. verweigert worden ist. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hat der Abbruch von Bauten trotz fehlender Baubewilligung zu unterbleiben, wenn die Baute materiell nicht baurechtswidrig ist und nachträglich bewilligt werden kann. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Baute bei rechtzeitiger Einholung des Baugesuches hätte bewilligt werden können, ist grundsätzlich auf den Rechtszustand abzustellen, der im Zeitpunkt der Errichtung der Baute galt (Urteil Ganz vom 26. März 1975 E. 5). Eine Ausnahme rechtfertigt sich, wenn bei der Beurteilung einer Abbruchverfügung ein milderes Recht gilt, nach dem die Baute zulässig wäre. Es wäre nämlich sinnwidrig, eine ohne Bewilligung erstellte Baute abbrechen zu lassen, obgleich sie anschliessend in gleicher Weise wieder aufgebaut werden dürfte. Für den vorliegenden Fall hat das zur Folge, dass die Beschwerdefälle - entgegen der vom Staatsrat vertretenen Ansicht - nach den Bestimmungen der revidierten AGSchV zu beurteilen sind, sofern sich deren Vorschriften im Verhältnis zu jenen, die im Zeitpunkt der vorschriftswidrigen Errichtung der Bauten in Kraft standen, als weniger streng erweisen. Da der revidierte Art. 27 AGSchV darauf verzichtet, eine Ausnahmebewilligung nur zu gestatten, wenn der Gesuchsteller auf das geplante Werk dringend angewiesen ist, kann die neue Ordnung in dieser Hinsicht als milder betrachtet werden. Die Begründung, welche vor allem dem Beschwerdeführer Steiner entgegengehalten wurde, er sei nicht dringend auf die Baute angewiesen, erweist sich darum als hinfällig. Das neue Recht ist auch insofern milder, als es nicht mehr verlangt, das öffentliche Interesse müsse für den abgelegenen Standort sprechen; es ist nur noch nötig, dass dem Bau in abgelegener Gegend keine öffentlichen Interessen entgegenstehen. 5. a) Es steht ausser Zweifel, dass die vier umstrittenen Alphütten ausserhalb der Bauzone von Blatten liegen und BGE 102 Ib 64 S. 70 auch nicht in ein GKP einbezogen worden sind. Den Akten ist zu entnehmen, dass man in Blatten im Jahre 1973 erwogen hat, auf dem Guggistafel eine Ferienhauszone zu bilden. Zurzeit ist davon nicht mehr die Rede. b) Nach Art. 27 Abs. 1 der AGSchV in der Fassung vom 6. November 1974 gilt das Bedürfnis für einen Neu- oder Umbau ausserhalb der Bauzonen bzw. des durch das GKP abgegrenzten Gebietes dann als sachlich begründet, wenn dessen Zweckbestimmung den beanspruchten Standort ausserhalb der Bauzonen bzw. des GKP bedingt und dem Bauvorhaben keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Hinsichtlich von Alphütten, die tatsächlich durch den Alpbetrieb notwendig werden, ist das sachliche Bedürfnis für einen Neu- oder Umbau zu bejahen und selbstverständlich auch die Notwendigkeit des Bauens ausserhalb der Bauzone, sofern das Wirtschaftsgebiet ausserhalb derselben liegt. Art. 27 Abs. 2 AGSchV erwähnt Landwirtschaftsbetriebe als Anlagen, für die ein sachlich begründetes Bedürfnis bejaht werden kann. Es stehen in der Regel einem solchen Neu- oder Ausbau auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegen, obwohl in einzelnen Fällen gewichtige Gründe des Natur- und Heimatschutzes oder andere Umstände einen Bau als unerwünscht erscheinen lassen. Auf dem Guggistafel gibt es Gründe der letztern Art nicht; jedenfalls beruft sich der Staatsrat nicht auf solche. Das EDI macht überzeugend geltend, dass das öffentliche Interesse sogar dafür spricht, dass die Bewirtschaftung abgelegener Alpweiden fortgesetzt wird. Ist für die Weiterbewirtschaftung der Bau von Alphütten nötig, kann für sie das sachlich begründete Bedürfnis bejaht werden. Dabei erscheint es unerlässlich, die nötigen Wohnräumlichkeiten einzubauen, wenn für die ordnungsgemässe Bewirtschaftung ein längeres Verweilen der Bewirtschafter auf der Alp erforderlich ist und diese von den Wohngebieten fern abliegt, was auf die in Frage stehende Alp zutrifft. Es muss dann in Kauf genommen werden, dass die Hütte auch in einem gewissen Umfang als Wochenend- oder Ferienhaus für die Familie gebraucht wird. In den Berggebieten fallen häufig die Sommer-Schulferien weitgehend mit der Bewirtschaftungsperiode hochgelegener Alpweiden zusammen. Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist nicht zweifelhaft, BGE 102 Ib 64 S. 71 dass mindestens die für Steiner, die Familie Bregy und Borri bestimmten Alphütten vorwiegend der landwirtschaftlichen Nutzung der Alp dienen. Für die Baute Käslin ist das nicht derart augenfällig, so dass über ihren Weiterbestand gesondert zu befinden ist. Bei der Beurteilung der beabsichtigten Nutzung ist von den in der betreffenden Region herkömmlichen Bewirtschaftungsformen auszugehen. Die in den wenig ergiebigen Berggebieten ansässige Bevölkerung lebt auch heute noch häufig in sehr einfachen Verhältnissen und ist auf die Ausnützung bescheidener Bewirtschaftungsmöglichkeiten angewiesen, sei es auch nur neben einer sonstigen Haupttätigkeit, d.h. im Nebenberuf ( BGE 100 Ib 92 E. 5). Das gilt teilweise auch für die Bewohner der Rhoneebene, die nebenbei Landwirtschaft betreiben. Sie sind darauf angewiesen, im Sommer ihren kleinen Viehbestand auf Alpweiden halten zu können. Die von den Beschwerdeführern Steiner, Bregy und Borri beabsichtigte Nutzung entspricht den in jener Gegend althergebrachten Wirtschaftsformen. Die zwei bestehenden Bauten sowie die angefangene, aber noch nicht fertig erstellte, sind auf Sömmerung eines kleinen Viehbestandes während kurzer Zeit ausgerichtet. Die Wohnungseinrichtungen der beiden fertig gebauten Alphütten sind von grösster Einfachheit, ebenso ihre Innenausstattung. Die Baukosten für die beiden Häuser bewegen sich nach den glaubwürdigen Angaben der Erbauer, deren Eigenleistung nicht eingerechnet, zwischen Fr. 10'000.-- und Fr. 25'000.--. Fliessendes Wasser und elektrischer Strom fehlen und Anschlussmöglichkeiten an irgendwelche Abwasserbeseitigungsanlagen sind nicht gegeben. Die hygienischen Einrichtungen halten sich deshalb in einem äusserst einfachen Rahmen. WC-Anlagen sind zurzeit nicht vorhanden. Die Wohnungen sind selbst für Leute mit sehr geringen Komfortansprüchen kaum zur Verwendung als Ferienwohnungen geeignet. Da eine für alle Alpbenützer zur Verfügung stehende genossenschaftliche Unterkunftsmöglichkeit fehlt, ist der Bau von betriebseigenen Unterkunftsmöglichkeiten unerlässlich, wenn das Vieh dort gesömmert werden soll. Ein täglicher Auf- und Abstieg auf die Fafleralp, nach Blatten oder gar ins Rhonetal wäre unzumutbar. Die Bauten können daher als standortgebunden im Sinne von Art. 27 Abs. 1 AGSchV betrachtet werden. Öffentliche Interessen, die ihrem Bestand entgegenstehen, sind nicht ersichtlich; es ist im BGE 102 Ib 64 S. 72 Gegenteil ein gewisses öffentliches Interesse am Bestand der Alphütten in dieser Gegend gegeben. Damit wird - wie bereits erwähnt - die bestimmungsgemässe Weiternutzung der Alp in der herkömmlichen Art erleichtert. Dem steht die Zwecksetzung der eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung nicht entgegen. Es hiesse nämlich deren Sinn und Zweck verkennen, wenn, gestützt auf Art. 20 GSchG und Art. 27 AGSchV , herkömmliche Bewirtschaftungsformen von der hier zur Diskussion stehenden Art erschwert, geändert oder verhindert würden. Das eben Ausgeführte trifft auch für den weiteren Aufbau des Hauses Borri zu. Borri besitzt zurzeit 13 Schafe und eine Kuh; im Sommer will er nach glaubwürdiger Versicherung das Vieh auf der Alp sömmern. Aufgrund des geltenden Rechts steht daher der Erteilung einer Ausnahmebewilligung vom gewässerschutzpolizeilichen Standpunkt her nichts im Wege. Es braucht deshalb auch nicht weiter untersucht zu werden, ob die Bauten schon bewilligt werden müssten, weil sie noch vor dem Inkrafttreten des revidierten GSchG begonnen wurden oder weil die Beschwerdeführer sich im guten Glauben darauf verlassen durften, es bedürfe, wie dies offenbar bisheriger Übung entsprach, in sehr abgelegenen Gegenden wie dem Guggistafel keiner formellen Baubewilligung für die Errichtung einer Baute. Sämtliche weiter beantragten Beweismassnahmen erweisen sich bei dieser Sachlage als überflüssig, nachdem der Augenschein für die hier zu entscheidenden Rechtsfragen hinreichenden Aufschluss gegeben hat. c) Unzulässig wären die Bauten allerdings dann, wenn die vorgesehene Bewirtschaftung bloss vorgeschoben, in Wirklichkeit aber die Erstellung von Wohn- oder Ferienhäusern beabsichtigt wäre. Bei der Schaffung von Art. 20 GSchG wurde bewusst ein Ziel der Raumplanung verfolgt. Es sollte verhindert werden, dass ausserhalb des Baugebietes weit verstreut zahlreiche Wohnhäuser (insbesondere Wochenend- und Ferienhäuser), die nicht an einen solchen abgelegenen Standort gebunden sind, errichtet werden. Es besteht die Gefahr, dass diese Zwecksetzung umgangen wird, wenn finanzkräftige Leute sich durch Kauf und entsprechende Umgestaltung landwirtschaftlicher Kleinheimwesen eine Wohnung ausserhalb des Baugebietes zu verschaffen suchen, ohne dass sie die BGE 102 Ib 64 S. 73 Landwirtschaft weiterzuführen gedenken. Das ist zu verhindern ( BGE 100 Ib 91 E. 4). Eine derart verbotene Zweckentfremdung ist bei den drei Häusern jedoch nicht ernstlich zu befürchten. Die Guggialp kann nur in den Hochsommermonaten bewohnt werden. Sie ist völlig unerschlossen und wird es auf absehbare Zeit bleiben, weil die erwachsenden Erschliessungskosten enorm wären. Zur Fafleralp besteht keine Strassenverbindung, nicht einmal ein durchgehender, einigermassen leicht begehbarer Fussweg. Der Aufstieg zu Fuss nimmt ungefähr eine halbe Stunde in Anspruch. Einkaufsmöglichkeiten sind nicht vorhanden. Zuleitung von Wasser und Elektrizität wäre ohne unverhältnismässig grossen Aufwand nur bei einer Gesamtplanung möglich. Im Winter ist die Alp wegen der grossen, sie selbst und die Zugänge bedeckenden Schneemassen unzugänglich. Dazu ist sie im Winter lawinengefährdet, so dass ein Wohnen dort selbst bei einer Gesamtplanung nur beschränkt möglich wäre. Bei den zurzeit gegebenen Verhältnissen ist eine Zweckentfremdung praktisch ausgeschlossen. Um allfällige Missbrauchsmöglichkeiten weiter einzuschränken, sind aber die zu erteilenden nachträglichen Baubewilligungen mit der Auflage zu versehen, dass die Alphütten nur in Verbindung mit der alpwirtschaftlichen Nutzung bewohnt werden dürfen. Die Beschwerdeführer sind mit einer solchen Auflage einverstanden. Darüber hinaus verlangt die Gewässerschutzgesetzgebung, dass auch für jeden späteren allfälligen Umbau der Alphütten eine Bewilligung eingeholt wird ( Art. 20 GSchG in Verbindung mit Art. 25 AGSchV ). d) Hinsichtlich der Baute Käslin sind die tatsächlichen Umstände anders geartet als bei den Bauten der drei übrigen Beschwerdeführer. Im Gegensatz zu ihnen hat Käslin noch vor Baubeginn, aber nach dem Inkrafttreten des revidierten GSchG um eine Baubewilligung nachgesucht bzw. durch Kilian Hildbrand nachsuchen lassen. Er hat sodann den Eingang der kantonalen Bewilligung nicht abgewartet, bevor er mit dem Bau begann, und hat diesen zu Ende geführt, obwohl ihm die kantonale Bewilligung verweigert wurde. Ob er deswegen Art. 40 GSchG übertreten oder wegen Übertretung kantonalen Verwaltungsrechtes straffällig geworden ist, hat das Bundesgericht nicht zu prüfen, da, auch soweit es um die BGE 102 Ib 64 S. 74 Verletzung eidgenössischen Rechts geht, die Strafverfolgung den Kantonen obliegt ( Art. 43 GSchG ). Auf den Eventualantrag des Staatsrates, Käslin sei zu bestrafen, ist daher in jedem Fall nicht einzutreten. Es erscheint immerhin nicht unglaubwürdig, dass Käslin mit den Vorbereitungen für den Bau ebenfalls noch vor dem Inkrafttreten des revidierten GSchG begonnen hat und dass eine Verzögerung in der Erstellung dann eingetreten ist, weil ihm angeraten wurde, er solle das Baugesuch durch Hildbrand stellen lassen, damit sein Vorhaben bei der Geteilschaft keinen Widerstand auslöse. Hinsichtlich der angefochtenen Abbruchverfügung ist jedoch einzig zu beurteilen, ob die Baute unter dem heutigen Rechtszustand bewilligt werden kann oder nicht. Der Augenschein hat ergeben, dass das Haus Käslin komfortabler ausgebaut ist als die Alphütten Steiner und Bregy. Das ist darauf zurückzuführen, dass Käslin als Bauunternehmer sich in gehobeneren wirtschaftlichen Verhältnissen befindet als die drei andern Beschwerdeführer. Sein Haus enthält auch nicht nur eine, sondern zwei Wohnungen, so dass die Vermutung nahe liegt, die zweite Wohnung sei zur Ausmietung an Fremde bestimmt. Die Baukosten belaufen sich nach den Angaben Käslins ohne Einbezug der Eigenleistungen auf etwa Fr. 60'000.--. Beim Augenschein ist aber glaubwürdig dargetan worden, dass die zweite Wohnung für den Bruder, Ernst Käslin, Versicherungskaufmann in Bern, bestimmt ist, der ebenfalls in der Gegend aufgewachsen ist und seine Jugendzeit im Sommer grossenteils auf der Alp verbracht hat. Die beiden Brüder werden offensichtlich nur einen kleinen Teil ihrer Zeit für die Landwirtschaft auf der Guggialp zur Verfügung stellen können. Hans Käslin will aber die Alp während des Sommers durch einen Hirten bewirtschaften lassen, der dann darauf angewiesen ist, eine der Wohnungen wenigstens während der Woche benutzen zu können. Beim Augenschein war ersichtlich, dass die für landwirtschaftliche Benutzung des Hauses erforderlichen Räumlichkeiten vorhanden sind und das Gebäude objektiv sich für die Benutzung als landwirtschaftliche Wohnstätte in dem auf der Alp möglichen beschränkten Umfang eignet. Der Augenschein hat ferner ergeben, dass es auf der Alp auch andere Alphütten mit zwei Wohnungen gibt, so dass das Gebäude nichts Besonderes darstellt. Es ist auch zu berücksichtigen, dass Käslin kein Ortsfremder, sondern in Gampel aufgewachsen BGE 102 Ib 64 S. 75 ist und schon seine Mutter, die am Augenschein teilnahm, Geteile war. Zusammenfassend ist zu erwägen, dass auch die von Käslin erstellte Baute landwirtschaftlichen Zwecken dient und insofern standortgebunden ist. Sie darf deshalb nach dem geltenden Recht ebenfalls erstellt werden, so dass der Abbruch unterbleiben kann. Auch hinsichtlich der nachträglich zu erteilenden gewässerschutzpolizeilichen Bauerlaubnis ist die Auflage anzubringen, dass das Gebäude nur im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Nutzung bewohnt werden darf. Ebenfalls besteht für einen allfälligen späteren Um- beziehungsweise Ausbau dieses Gebäudes die Bewilligungspflicht nach Art. 20 GSchG in Verbindung mit Art. 25 AGSchV . 6. Nach Art. 20 GSchG ist die Baubewilligung nur zu erteilen, wenn die Ableitung und Reinigung oder eine andere zweckmässige Beseitigung der Abwässer gesichert ist und die Zustimmung der kantonalen Fachstelle für Gewässerschutz vorliegt. Nach den Ergebnissen des Augenscheines drängen sich keine besondern Massnahmen auf. Die Sammlung der geringen häuslichen Abwässer in einer abflusslosen Grube genügt, sofern die Erstellung einer solchen überhaupt nötig ist. Der Abwasseranfall wird vorderhand sehr gering sein, weil fliessendes Wasser zur Versorgung der Bauten nicht zur Verfügung steht und die Benutzungsdauer sich zurzeit über wenig mehr als zwei Monate erstrecken wird. Ein fliessendes Gewässer ist nur im Talboden vorhanden. Wird das Abwasser auf der Alpweide ausgebracht, so wird es, selbst wenn es versickert, dieses Gewässer nur im gereinigten Zustand erreichen. Das ist auch die Meinung des Vertreters des EDI. Die kantonale Gewässerschutzstelle wird diesen Aspekt der Abwasserbeseitigung noch abzuklären haben. Sollten in der Folge weitere Alphütten in grösserer Zahl erstellt werden, sind die Verhältnisse neu zu überprüfen; allenfalls müssten dann Gruppen- oder Einzelreinigungsanlagen vorgeschrieben werden. Für jeden weitern Bau ist selbstverständlich das Bewilligungsverfahren einzuhalten. Auch sollten im Interesse des Landschaftsschutzes über Lage, Gestaltung und Grösse solcher Alphütten durch Geteilschaft, Gemeinde oder Kanton Vorschriften erlassen werden. 7. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerden des Peter Steiner, des Elias Bregy, des BGE 102 Ib 64 S. 76 Camill Borri sowie die als Verwaltungsgerichtsbeschwerde behandelte staatsrechtliche Beschwerde des Willy und des Kilian Hildbrand beziehungsweise des Hans Käslin gutzuheissen und die angefochtenen Entscheide im Sinne der angestellten Erwägungen aufzuheben sind, weil der in den vier Fällen verfügte Abbruch sich nach der eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung nicht rechtfertigt. Im Blick auf die kommunale und kantonale Gesetzgebung werden sich die Beschwerdeführer nunmehr um eine nachträgliche Bewilligung der Bauten bemühen müssen. Von gewässerschutzpolizeilicher Seite wird die Bewilligung bei Auferlegung des erwähnten Zweckentfremdungsverbots gewährt werden können. Ob allenfalls andere Hindernisse aus dem kantonalen oder kommunalen Recht der nachträglichen Bewilligung der Alphütten entgegenstehen, ist hier nicht von Amtes wegen abzuklären. Die kantonalen Behörden selber haben solche Hindernisse weder in den angefochtenen Entscheiden noch im Beschwerdeverfahren erwähnt. Ununtersucht bleiben kann bei diesem Ausgang des Verfahrens, ob der Staatsrat - wie mehrfach behauptet worden ist - das Gebot rechtsgleicher Behandlung verletzt hat, weil er unter anderem einem gewissen Otto Seiler aus Steg den Fortbestand einer nicht bewilligten Alphütte auf dem Guggistafel gestattet hat.
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141cb3f4-fe79-4125-a7c0-8bd51efe91e4
Urteilskopf 106 V 93 23. Urteil vom 2. Mai 1980 i.S. Schweizerische Schwerhörigen-Schule Landenhof gegen Bundesamt für Sozialversicherung
Regeste Art. 203 AHVV und 89 IVV. Gegen eine Verfügung des Bundesamtes für Sozialversicherung bezüglich Betriebsbeiträge im Sinne von Art. 73 Abs. 2 IVG ist unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Erw. 1b). Art. 107 Abs. 3 OG und Art. 38 VwVG . Eine mit mangelhafter Rechtsmittelbelehrung versehene Verfügung ist nicht zum vorneherein nichtig; sie kann nur innert eines vernünftigen Zeitraums an den Richter weitergezogen werden (Erw. 2). Art. 72-75 IVG . - Beiträge an Institutionen gemäss diesen Bestimmungen sind keine Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 OG (Erw. 3). - Trotz der Formulierung ("kann") in Art. 73 Abs. 2 IVG besteht gemäss Art. 105 IVV grundsätzlich ein Anspruch auf Betriebsbeiträge (Erw. 1 a). - Höhe der Betriebsbeiträge an eine Sonderschule, die invalide und nichtinvalide Schüler unterrichtet (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 94 BGE 106 V 93 S. 94 A.- Die Schweizerische Schwerhörigen-Schule Landenhof (nachfolgend Schule genannt) führte 1970 definitiv eine Bezirksschulstufe ein, in welcher sie gutbegabten hörgeschädigten Kindern eine progymnasiale Ausbildung bietet. Mit Zustimmung BGE 106 V 93 S. 95 des Erziehungsdepartements des Kantons Aargau nahm sie erstmals im Schuljahr 1974/75 versuchsweise vier guthörende Schüler in diese Bezirksschulstufe auf. Da die Erfahrungen positiv verliefen, wurde in der Folge die Anzahl solcher Schüler erhöht. Im Maximum kamen 19 guthörende auf 16 schwerhörige Schüler (Schuljahr 1977/78). Das Bundesamt für Sozialversicherung eröffnete der Schule mit Verfügung vom 14. Juli 1977, die Voraussetzungen für die Zusprechung eines Betriebsbeitrages für das Rechnungsjahr 1976 seien erfüllt und der Beitrag werde auf Fr. 1'091'214.-- festgesetzt. Mit einer weiteren Verfügung vom 19. September 1978 gewährte das Bundesamt sodann für das Rechnungsjahr 1977 einen solchen Beitrag in der Höhe von Fr. 1'141'122.--. Keine der beiden Verfügungen war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Bei der Berechnung dieser Beiträge trug das Bundesamt dem Umstand Rechnung, dass die guthörenden Schüler die Schule nur als Externe besuchten, und schied daher die Kosten der Schule, unter Ausschluss der Kosten des Internates, anteilsmässig aus. Die für die guthörenden Schüler in Abzug gebrachten Aufwendungen betrugen 1976 Fr. 115'908.-- und 1977 Fr. 157'192.--. Diese Kürzungen hatten zur Folge, dass das Erziehungsdepartement des Kantons Aargau die kantonalen Betriebsbeiträge pro 1976 um Fr. 57'530.-- und pro 1977 um Fr. 50'028.-- reduzierte. Mit einem Wiedererwägungsgesuch vom 15. Dezember 1978 ersuchte die Schule das Bundesamt, die Betriebsbeiträge um die vom Kanton für 1976 und 1977 in Abzug gebrachten Beträge von zusammen Fr. 107'558.-- zu erhöhen. Mit Schreiben vom 22. Januar 1979 lehnte das Bundesamt die verlangten Nachzahlungen ab. B.- Am 22. Februar 1979 reichte die Schule beim Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) Beschwerde ein und beantragte, die Verfügung vom 19. September 1978 sei aufzuheben, soweit sie eine Kürzung des Betriebsbeitrages von Fr. 107'558.-- enthalte. Nachdem sich das EDI anfänglich als zuständig erachtet hatte, überwies es die Beschwerde samt Akten mit Schreiben vom 10. April 1979 an das Eidg. Versicherungsgericht zur Behandlung. Das Bundesamt für Sozialversicherung hält das Eidg. Versicherungsgericht zur Behandlung der Beschwerde ebenfalls als zuständig und vertritt in seiner Stellungnahme vom 18. Juni 1979 die Auffassung, die Beschwerde sei mangels Rechtsmittelbelehrung BGE 106 V 93 S. 96 als rechtzeitig zu betrachten. Im übrigen beantragt es die Abweisung der Beschwerde. Im zweiten Schriftenwechsel berichtigt die Schule ihren Antrag dahin, dass die geforderte Summe auch die Verfügung vom 14. Juli 1977 betreffe. Hinsichtlich der Zuständigkeitsfrage schliesst sie sich der Auffassung des Bundesamtes an. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Vorab stellt sich die Frage der Zuständigkeit des Eidg. Versicherungsgerichts zur Behandlung der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde. a) Nach Art. 128 OG beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne der Art. 97 und 98 lit. b-h OG auf dem Gebiete der Sozialversicherung. Unzulässig ist eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 129 Abs. 1 lit. c OG gegen die Bewilligung oder Verweigerung vermögensrechtlicher Zuwendungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Laut Art. 73 Abs. 2 lit. a IVG "kann" die Invalidenversicherung Beiträge gewähren an den Betrieb von öffentlichen und gemeinnützigen privaten Anstalten und Werkstätten, die in wesentlichem Umfang Eingliederungsmassnahmen durchführen. Gestützt auf Art. 75 IVG hat der Bundesrat die Höhe der Beiträge festzusetzen und kann die Gewährung von weiteren Voraussetzungen abhängig machen oder mit Auflagen verbinden. Solche Vorschriften erliess er in den Art. 105-107 IVV . Daraus ist insbesondere zu entnehmen, dass die Betriebsbeiträge an Eingliederungsstätten und Anstalten für jeden Aufenthalts-, Schul- oder Ausbildungstag eines Versicherten gewährt werden ( Art. 105 Abs. 2 IVV ). Folglich besteht trotz der Formulierung in Art. 73 Abs. 2 lit. a IVG ("kann") grundsätzlich ein Anspruch der Eingliederungsstätten auf Betriebsbeiträge. Daher ist auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausgeschlossen ( BGE 99 Ib 421 , BGE 97 I 878 ). b) Gegen eine Verfügung des Bundesamtes für Sozialversicherung ist gemäss Art. 203 AHVV in Verbindung mit Art. 89 IVV unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig. Das EDI hat demnach die Sache zu Recht dem Eidg. Versicherungsgericht zur Beurteilung überwiesen. BGE 106 V 93 S. 97 2. a) Gemäss Art. 106 Abs. 1 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde binnen 30 Tagen seit Eröffnung des vorinstanzlichen Entscheides einzureichen. Die Bundesverwaltungsbehörden zu denen das Bundesamt für Sozialversicherung gehört ( Art. 1 Abs. 2 lit. a VwVG ), haben ihre Verfügungen mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen, in welcher das zulässige ordentliche Rechtsmittel, die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist zu nennen sind ( Art. 35 VwVG ). Aus mangelhafter Eröffnung einer Verfügung darf den Parteien nach Art. 107 Abs. 3 OG und Art. 38 VwVG kein Nachteil erwachsen. Daraus hat das Eidg. Versicherungsgericht geschlossen, dass nicht jede mangelhafte Eröffnung, insbesondere auch nicht die Eröffnung ohne Rechtsmittelbelehrung, schlechthin nichtig ist mit der Konsequenz, dass die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen beginnen könnte. Aus dem Grundsatz, dass den Parteien aus mangelhafter Eröffnung keine Nachteile erwachsen dürfen, folgt vielmehr, dass dem beabsichtigten Rechtsschutz schon dann Genüge getan wird, wenn eine objektiv mangelhafte Eröffnung trotz ihres Mangels ihren Zweck erreicht. Das bedeutet nichts anderes, als dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu prüfen ist, ob die betroffene Partei durch den gerügten Eröffnungsmangel tatsächlich irregeführt und dadurch benachteiligt worden ist. Richtschnur für die Beurteilung dieser Frage ist der auch in diesem prozessualen Bereich geltende Grundsatz von Treu und Glauben, an welchem die Berufung auf Formmängel in jedem Fall ihre Grenze findet ( BGE 98 V 278 ). So lässt sich mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht vereinbaren, dass ein Verwaltungsakt wegen mangelhafter Rechtsmittelbelehrung jederzeit an den Richter weitergezogen werden kann; vielmehr muss ein solcher Verwaltungsakt innerhalb einer vernünftigen Frist in Frage gestellt werden ( BGE 104 V 166 Erw. 3). b) Es ist davon auszugehen, dass als Anfechtungsobjekt sowohl die Verfügung vom 14. Juli 1977 als auch jene vom 19. September 1978 zu betrachten sind. Keine der beiden Verfügungen wies eine Rechtsmittelbelehrung auf. Die Beschwerdeführerin stellte aber erst am 15. Dezember 1978 ein Wiedererwägungsgesuch beim Bundesamt. Nach Abweisung desselben am 22. Januar 1979 reichte sie am 22. Februar 1979 die Beschwerde beim EDI ein. Aus diesem Verfahrensablauf darf BGE 106 V 93 S. 98 geschlossen werden, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung vom 19. September 1978 nach Treu und Glauben als rechtzeitig zu erachten ist. Fraglich ist hingegen, ob die Frist zur Einreichung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung vom 14. Juli 1977 als gewahrt gelten kann. Die Beschwerdeführerin bemerkt dazu, dass sie erst nach Erhalt der Schreiben des Erziehungsdepartements vom 14. November und 5. Dezember 1978 durch die angefochtenen Verfügungen beschwert gewesen sei, habe sie doch vorher davon ausgehen können, dass der Kanton Aargau ungeachtet der vom Bund vorgenommenen Kürzungen das Restdefizit übernehmen werde. Dieser Argumentation könnte entgegengehalten werden, dass die Beschwerdeführerin die möglichen Konsequenzen von Verfügungen schon bei deren Erhalt zu bedenken hat und die Beschwerde nicht erst zu ergreifen ist, wenn die andern Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Im Hinblick auf den Prozessausgang betreffs der Verfügung vom 19. September 1978 kann die Frage der rechtzeitigen Beschwerdeerhebung gegen die Verfügung vom 14. Juli 1977 indes offengelassen werden. 3. Streitig sind keine Versicherungsleistungen. Unter solchen sind nach BGE 98 V 131 Leistungen der Sozialversicherung zu verstehen, über deren Rechtmässigkeit bei Eintritt des Versicherungsfalles befunden wird. Vorliegend geht es jedoch nicht um den Anspruch eines Versicherten, der bei Eintritt eines Versicherungsfalles ausgelöst wird, sondern um Leistungen, die erbracht werden, wenn die Anstalt oder Eingliederungsstätte bestimmte Bedingungen erfüllt. Das Eidg. Versicherungsgericht hat daher zu prüfen, ob Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, verletzt wurde oder ob der Sachverhalt unrichtig oder unvollständig festgestellt worden ist ( Art. 104 lit. a und b OG ). An die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhaltes ist es nicht gebunden, weil nicht eine Rekurskommission oder ein kantonales Gericht im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG entschieden hat. 4. a) Nach Art. 105 Abs. 1 IVV werden die Betriebsbeiträge den Anstalten und Werkstätten, welche die Voraussetzungen von Art. 99 IVV erfüllen, gewährt, sofern die auf Eingliederungsmassnahmen der Versicherung entfallenden Betriebskosten nicht durch Vergütungen gemäss den Art. 12-20 IVG und bei Massnahmen für die Sonderschulung und Betreuung BGE 106 V 93 S. 99 Minderjähriger nicht durch die von der Versicherung vorausgesetzte Kostenbeteiligung der Kantone, Gemeinden und Eltern gedeckt werden. An die ungedeckten Kosten werden Beiträge bis zu 10 Franken für jeden Aufenthalts-, Schul- oder Ausbildungstag eines Versicherten gewährt. Bleiben dennoch ungedeckte Kosten bestehen, so gewährt die Versicherung einen zusätzlichen Beitrag bis zu deren Hälfte, höchstens aber von 15 Franken für jeden Tag. Bei Sonderschulen kann die Zahl der tatsächlichen Aufenthalts- oder Schultage durch einen Zuschlag erhöht werden, insbesondere wenn aus pädagogischen Gründen die Klassenbestände herabgesetzt werden müssen oder wenn ein Heim als Wocheninternat geführt wird ( Art. 105 Abs. 2 IVV ). Die näheren Vorschriften über die Voraussetzungen der Beitragsgewährung und über die Beitragsbemessung hat das Bundesamt in dem ab 1. Januar 1976 gültigen Kreisschreiben über die Betriebsbeiträge an Eingliederungsstätten für Invalide aufgestellt. Aus diesem geht klar hervor, dass die Unterstützung der Invalidenversicherung in Hinsicht auf die nach Tagen ermittelten Leistungen der Schule an die Versicherten gewährt wird. Für die Ermittlung des Betriebsdefizites, das Voraussetzung des Invalidenversicherungs-Beitrages bildet, werden nur "die auf die Durchführung von Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung entfallenden anrechenbaren Aufwendungen" berücksichtigt (Rz 13), die Beitragsfestsetzung erfolgt aufgrund der Zahl der Aufenthalts-, Schul- und Ausbildungstage des Versicherten (Rz 61 ff.), wobei die Eingliederungsstätten für Invalidenversicherungs- wie für Nicht-Invalidenversicherungs-Fälle laufend eine Präsenzkontrolle zu führen haben (Rz 9). b) Die Beschwerdeführerin macht in materieller Hinsicht geltend, dass ihre Schule durch die vom Bundesamt für Sozialversicherung für die guthörenden Schüler abgezogenen Aufwendungen bestraft werde, obwohl mit der Aufnahme derselben keine Mehrkosten entstanden seien. Sie empfindet es als unbillig, dass sie wegen der Aufnahme von guthörenden Schülern, die auch im Interesse der schwerhörigen Schüler erfolgt sei, einen wesentlich kleineren Invalidenversicherungs-Beitrag erhält, als wenn sie die Schule nur mit den schwerhörigen Schülern geführt hätte. Mit Recht weist indes das Bundesamt darauf hin, dass sich der Umfang der Invalidenversicherungs-Leistungen pro Schüler BGE 106 V 93 S. 100 und pro Tag berechnet. Wenn nichtinvalide mit invaliden Schülern zusammen die gleiche Schule besuchen, müssen die Kosten anteilsmässig ausgeschieden werden. Würde der Argumentation der Beschwerdeführerin gefolgt, führte dies zum unbilligen Ergebnis, dass die nichtinvaliden Schüler so lange kostenlos den Schulunterricht besuchen könnten, als ihretwegen die Schulorganisation nicht geändert werden müsste, d.h. ihretwegen keine Mehrkosten entstünden. In der Tat kann es nicht der Wille des Gesetzgebers sein, nichtinvalide Bezirksschüler zu Lasten der Invalidenversicherung unterrichten zu lassen. Ausserdem hat das Bundesamt auch Grund zu bezweifeln, ob durch die Teilnahme der guthörenden Schüler tatsächlich keine Mehrkosten entstanden sind; wenn im Schuljahr 1977/78 auf 16 schwerhörige 19 guthörende Schüler entfielen, hätte sich allenfalls ohne Einbezug der guthörenden Schüler die Frage einer anderen Klasseneinteilung gestellt. Bezüglich der Berechnung erhebt die Beschwerdeführerin keine Einwendungen. Da aus den Akten nicht deren Unrichtigkeit hervorgeht, bleibt es bei der Beurteilung des Bundesamtes. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, abgewiesen.
null
nan
de
1,980
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
1422fb3e-4440-48e5-8fda-89aefa84e279
Urteilskopf 108 Ib 28 5. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 2 avril 1982 dans la cause X. contre Administration fédérale des contributions (recours de droit administratif)
Regeste Abgabe auf "promissory notes" nach amerikanischem Recht. Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 lit. a und b, Abs. 3 lit. c ; 17 Abs. 1 StG . 1. Kognition des Bundesgerichts im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (E. 1). 2. Begriff des schweizerischen Effektenhändlers im Sinne von Art. 13 Abs. 3 lit. c StG (E. 3). 3. Die "promissory notes" erfüllen den gleichen wirtschaftlichen Zweck wie Ordrepapiere oder Zahlungsversprechen an ordre; sie sind grundsätzlich steuerbare Urkunden gemäss Art. 13 Abs. 2 lit. a und b StG , so auch wenn mit deren Ausgabe bezweckt wird, die interne Kontrolle über rechtlich unabhängige, jedoch derselben Firmengruppe angehörende Gesellschaften zu gewährleisten sowie steuerliche und buchhalterische Angaben zu vermitteln. Grundsatz von Treu und Glauben im Steuerrecht (E. 4). 4. Begriff der entgeltlichen Übertragung von Eigentum im Sinne von Art. 13 Abs. 1 StG (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 29 BGE 108 Ib 28 S. 29 Inscrite depuis le 13 juin 1962 au registre du commerce de Genève où elle a son siège social, la société X. S.A. fait partie d'un groupe à la tête duquel se trouve la société américaine Y. Company, à Findlay (Ohio, USA). Filiale à 100% de la société X. International, la société X. S.A. détient elle-même la quasi-totalité des actions d'une société espagnole ainsi qu'une faible participation dans une société allemande. Selon ses statuts, la société X. S.A. accomplit diverses fonctions dans le domaine commercial et financier. En fait, depuis juillet 1968, date à laquelle elle a transféré une partie de ses bureaux de Genève à Londres et à Findlay (Ohio, USA), la société X. S.A. n'est plus qu'une société financière, à travers laquelle les sociétés du groupe peuvent réaliser entre elles certaines opérations financières. Se fondant sur l'art. 13 al. 3 lettre c, 1er tiret, de la loi du 27 juin 1973 sur les droits de timbre (LT; voir RS 641.10), l'Administration fédérale des contributions a reconnu, par décision du 10 janvier 1974, à la société X. S.A. la qualité de commerçant suisse de titres. En septembre 1976, l'Administration fédérale des contributions a procédé à un contrôle au siège de la société X. S.A. à Genève. Il fut alors constaté que cette société avait conclu plusieurs contrats de prêt - soit comme débitrice, soit comme créancière - avec deux sociétés du groupe, X. F. Co. et X. International. Pour chacune de ces opérations, les parties contractantes avaient établi, à l'ordre de la société créancière, un document - appelé "promissory notes" - précisant les conditions du prêt accordé par une société à l'autre. Depuis l'entrée en vigueur - le 1er juillet 1974 - de la nouvelle loi sur les droits de timbre, la société X. S.A. a réalisé un certain nombre d'opérations financières avec les sociétés X. F. Co. et X. International, empruntant à l'une de ces deux sociétés du groupe des sommes qu'elle prêtait à l'autre. Le 23 décembre 1976, un inspecteur de l'Administration fédérale des contributions a établi le décompte des droits de timbre que la société X. S.A. était invitée à payer jusqu'au 15 janvier 1977. Il s'agissait, notamment, des droits de négociation sur les BGE 108 Ib 28 S. 30 "promissory notes" établies, soit par la société recourante soit à son ordre, entre le 19 juillet 1974 et le 28 juillet 1976. La société X. S.A. a contesté devoir payer les droits de négociation (selon la nouvelle loi) sur les "promissory notes" établies après le 1er juillet 1974. Par décision motivée, notifiée le 6 février 1978, l'Administration fédérale des contributions a prononcé une première décision de taxation qui a fait l'objet d'une réclamation de la part de la société X. S.A. Après avoir réexaminé le dossier, l'Administration fédérale des contributions a admis une partie de la réclamation et rejeté celle-ci pour le reste, en déclarant que "le droit de négociation échu sur les promissory notes émises ou acquises par X. S.A. depuis l'entrée en vigueur de la nouvelle LT, est dû ainsi que l'intérêt moratoire mentionné au chiffre 10 des considérants". L'Administrateur unique de la société X. S.A. a déposé un recours de droit administratif dans lequel il demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision de l'Administration fédérale des contributions du 22 mai 1980 et de dire que la société recourante "ne doit pas les montants réclamés pour le droit de négociation (nouvelle LT)"; il demande aussi au Tribunal fédéral de statuer sur les frais de l'instance fédérale et de lui allouer une indemnité judiciaire à titre de dépens. Dans sa réponse, l'Administration fédérale des contributions propose au Tribunal fédéral de rejeter le recours et de mettre les frais de la procédure à la charge de la recourante. Erwägungen Considérant en droit: 1. Selon l' art. 104 OJ , le recours de droit administratif peut être formé pour violation du droit public fédéral, excès ou abus du pouvoir d'appréciation (lettre a) comme aussi, sous réserve de l' art. 105 al. 2 OJ (inapplicable en l'espèce), pour constatation inexacte ou incomplète des faits (lettre b). En ce qui concerne les faits, le Tribunal fédéral peut donc revoir - même d'office - les constatations de l'autorité intimée ( art. 105 al. 1 OJ ) et, sur le plan juridique, il n'est pas lié par les moyens que les parties ont - ou n'ont pas - fait valoir (art. 114 al. 1 in fine OJ); autrement dit, le recours pourrait être admis pour d'autres motifs que ceux invoqués dans le mémoire de recours et, à l'inverse, la décision attaquée pourrait être confirmée pour d'autres raisons que celles retenues par l'autorité intimée ( ATF 107 Ib 91 consid. 1). BGE 108 Ib 28 S. 31 En outre, lorsque - comme en l'espèce - l'autorité intimée a statué en première instance - même sur opposition ou réclamation - pour fixer le montant d'une contribution publique, le Tribunal fédéral revoit l'opportunité de la décision attaquée (art. 104 lettre c ch. 1 OJ). Il est vrai que ce terme d'opportunité est équivoque, mais sa signification peut être déduite du texte allemand, qui emploie l'expression plus exacte d'"Angemessenheit". Ainsi, dans les cas exceptionnels visés à l'art. 104 lettre c OJ, une décision peut, selon la doctrine, être annulée si elle est "entachée d'une erreur d'appréciation" (voir ANDRÉ GRISEL, Droit administratif suisse, p. 480). Le Tribunal fédéral peut donc revoir librement l'appréciation faite par l'autorité intimée, mais il s'astreint tout de même à une certaine retenue, notamment quand il s'agit de résoudre des problèmes techniques ou d'estimer la valeur d'un bien ou d'une prestation (Archives de droit fiscal vol. 48, p. 345 consid. 2). 2. L' art. 13 al. 1 LT soumet au droit de timbre dit de négociation le transfert à titre onéreux de la propriété de certains documents, mentionnés à l'al. 2, lorsque l'un des contractants ou l'un des intermédiaires est, selon l'al. 3, un commerçant suisse de titres. C'est à ce dernier qu'incombe l'obligation fiscale ( art. 17 al. 1 LT ). a) A l'origine et jusqu'à l'entrée en vigueur - le 1er avril 1978 - de la loi du 7 octobre 1977 qui a augmenté les taux d'impôt (voir RO 1978 p. 201), le droit de négociation s'élevait à 1%o ou à 2%o de la contre-valeur, selon que le transfert de propriété concernait des titres émis par une personne ayant son domicile ou son siège social en Suisse ou, au contraire, à l'étranger (art. 16 al. 1 lettres a et b LT en sa teneur du 27 juin 1973; voir RO 1974 p. 11 ss). Dans le cas particulier, l'Administration fédérale des contributions entend soumettre au droit de négociation non seulement les "promissory notes" établies par la société X. S.A. au profit et à l'ordre des deux autres sociétés du groupe, X. F. Co. et X. International, mais aussi les "promissory notes" établies par l'une ou l'autre de ces deux sociétés du groupe au profit et à l'ordre de la recourante. Or, si cette dernière a son siège social en Suisse, les deux autres sociétés ont leur siège à l'étranger. Comme toutes les opérations litigieuses ont été réalisées après le 1er juillet 1974 mais avant le 1er avril 1978, ce sont bien les anciens taux (de 1%o ou de 2%o) qui doivent être appliqués (en vertu de l' art. 15 al. 1 LT ) dans la mesure où le droit de négociation est dû pour l'une ou l'autre des deux séries de documents. BGE 108 Ib 28 S. 32 b) Selon l' art. 17 LT , lorsque l'opération de transfert est conclue en Suisse et s'il est lui-même partie à ce contrat de transfert, le commerçant suisse de titres doit payer une moitié du droit de négociation pour lui-même et l'autre moitié pour le cocontractant qui ne justifie pas de sa qualité de commerçant de titres enregistré (al. 2 lettre b). Si le commerçant suisse de titres est un intermédiaire (au sens de l'al. 3), il doit payer une moitié du droit de négociation pour chaque contractant qui ne justifie pas de sa qualité de commerçant de titres enregistré (al. 2 lettre a). Il en va d'ailleurs de même lorsque l'opération de transfert n'est pas conclue en Suisse, mais à l'étranger. Le commerçant suisse de titres qui a conclu avec un étranger doit une moitié du droit de négociation pour lui-même et l'autre moitié pour l'autre partie qui, dans son pays, n'est pas reconnue comme banque ou agent de change. En outre, s'il a servi d'intermédiaire entre deux contractants étrangers (on parle alors d'opération "étranger-étranger"), le commerçant suisse de titres doit payer en entier le droit de négociation, sauf si l'un ou les deux contractants étrangers sont des banques; dans ce cas, au moins une moitié du droit est due ( art. 19 al. 1 LT ; au sujet des opérations "étranger-étranger", voir Archives de droit fiscal vol. 47, p. 259 ss). En l'espèce, dès lors que ni l'une ni l'autre des deux sociétés, X. F. Co. ou X. International, n'est une banque ou un agent de change, il importe peu que la recourante ait agi comme partie contractante ou comme intermédiaire, ni même que les opérations litigieuses soient considérées comme conclues à l'étranger (notamment selon l' art. 19 al. 2 LT ) ou en Suisse ( art. 17 LT ). Dans tous ces cas, le droit de négociation est dû en entier (soit au taux de 1%o ou de 2%o) pour les opérations soumises à l'impôt, à la condition que la société X. S.A. soit une commerçante suisse de titres au sens de l' art. 13 al. 3 LT . c) A l'appui de son recours, la société X. S.A. fait valoir plusieurs moyens tant en fait qu'en droit. Elle conteste qu'il y ait eu transfert à titre onéreux de la propriété de documents (au sens de l' art. 13 al. 1 LT ) et soutient qu'en réalité les "promissory notes" n'auraient pas valablement été émises, de sorte qu'elles ne sauraient être considérées comme des titres soumis au droit de négociation selon l'art. 13 al. 2 lettres a et b LT. 3. A vrai dire, on devrait déjà se demander si l'Administration fédérale des contributions pouvait reconnaître à la recourante la qualité de commerçante suisse de titres. Même en l'absence de BGE 108 Ib 28 S. 33 contestation entre les parties, c'est là une question que le Tribunal fédéral examine d'office, dès lors que la réalisation de cette première condition de l'assujettissement à l'impôt n'est pas évidente. a) La société recourante ne s'occupe pas professionnellement, pour son propre compte ou pour le compte d'autrui - soit, notamment, pour le compte d'autres société du groupe - de l'achat et de la vente de titres; de plus, elle n'est ni la direction, ni la banque dépositaire d'un fonds de placement. Il ne saurait donc être question de lui reconnaître la qualité de commerçante de titres en vertu des lettres a ou b de l' art. 13 al. 3 LT . Ainsi, seules les dispositions de la lettre c pourraient être applicables à la recourante. b) Dans la décision attaquée, l'Administration fédérale des contributions considère que l'on se trouve dans la première hypothèse envisagée par l'art. 13 al. 3 lettre c LT. Certes, selon l'art. 3 lettre a de ses statuts, la société X. S.A. a pour but, "notamment en liaison avec X. International et ses sociétés affiliées ... a) l'administration de toutes participations dans des entreprises établies, en règle générale, hors de Suisse qui lui sont directement ou indirectement affiliées ainsi que toutes opérations commerciales et financières avec ces entreprises", mais il est pour le moins douteux que l'on puisse considérer cette participation à d'autres entreprises comme le but statutaire principal, dès lors que l'art. 3 des statuts mentionne d'autres buts statutaires tout aussi importants. Au demeurant, il convient de relever qu'en fait les participations dans des sociétés affiliées ont toujours figuré à l'actif des bilans annuels de la société recourante pour une valeur, certes supérieure à 500'000 fr., mais pratiquement insignifiante par rapport à la valeur totale des actifs sociaux. c) En revanche, dans son mémoire, tout en déclarant n'avoir jamais contesté sa qualité de commerçante suisse de titres, la recourante soutient que cette qualité "résulte uniquement du second tiret de la lettre c de l' art. 13 al. 3 LT ". Implicitement, la société X. S.A. admet ainsi que, d'après ses bilans, son actif se compose pour plus de la moitié de "créances, participations et sous-participations du genre indiqué..." à l' art. 13 al. 2 LT et que la valeur de ces créances et participations atteint au moins un million de francs. Pratiquement, cela signifie que les créances figurant à l'actif sous la rubrique "Débiteurs" sont en fait incorporées - ou, à tout le moins, documentées - dans des titres BGE 108 Ib 28 S. 34 du genre de ceux qui sont soumis au droit de négociation selon l' art. 13 al. 2 LT ; d'ailleurs, il ne faut pas oublier que, dans ses bilans des années 1971 à 1975, la recourante elle-même faisait figurer ces créances sous la rubrique "Effets à recevoir". d) Dans ces conditions, le Tribunal fédéral n'a pas de raison de remettre en question la reconnaissance - admise par les deux parties - de la qualité de commerçante suisse de titres en vertu de l'art. 13 al. 3 lettre c LT. La première condition de l'assujettissement au droit de négociation est ainsi réalisée (art.13 al. 3 et 17 al. 1 LT). En revanche, il ne peut pas considérer que la recourante aurait implicitement admis la réalisation de la seconde condition, dès lors qu'elle conteste expressément la possibilité d'assimiler les "promissory notes" à des titres soumis au droit de négociation selon l'art. 13 al. 2 lettres a ou b LT. 4. En fait, pour chacune des opérations - d'emprunt et de prêt - que la société X. S.A. a réalisées avec deux autres sociétés du groupe, un document - intitulé "promissory note" - a été établi, non pas à Genève mais à Findlay (Ohio, USA), en faveur et à l'ordre de la société qui accordait le prêt, attestant que la société emprunteuse promettait de rembourser le prêt (en capital et intérêts) à une échéance déterminée ou auparavant. Sans le dire clairement dans son mémoire, la recourante soutient, en substance, que ces "promissory notes" ne peuvent pas être considérées comme des titres imposables, non seulement parce qu'en droit américain, ces documents ne seraient pas reconnus comme des effets de change valablement émis, mais aussi parce qu'ils n'avaient pas la fonction économique d'un effet de change ou d'une promesse de paiement à ordre. a) Dans un arrêt C. du 4 février 1977 (Archives de droit fiscal vol. 46, p. 529 ss), le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion de constater que les "promissory notes", qui en droit anglo-saxon correspondent aux billets à ordre, sont certainement sinon des effets de change, tout au moins des promesses de paiement à ordre. Cela suffit pour que ces documents soient considérés comme soumis, en principe, au droit de négociation selon l' art. 13 al. 2 lettre a LT . Il est vrai qu'en vertu de cette disposition légale, ce sont les titres émis en Suisse qui se trouvent ainsi imposés, mais la lettre b (de l' art. 13 al. 2 LT ) déclare également imposables les titres, émis par une personne à l'étranger, qui remplissent les mêmes fonctions économiques que les titres du genre indiqué sous lettre a. Il faut, en effet, tenir compte du fait que des titres BGE 108 Ib 28 S. 35 remplissant les mêmes fonctions économiques peuvent, suivant les lois en vigueur dans les divers pays où ils sont émis, revêtir des formes et avoir des qualifications juridiques sensiblement différentes. C'est donc la fonction économique du titre et non pas son apparence formelle ou sa qualification juridique qui est décisive en droit fiscal et, de ce point de vue, il importe peu que le titre soit émis par une personne domiciliée en Suisse ou à l'étranger. Comme, normalement, elles remplissent les mêmes fonctions économiques que les billets à ordre ou les promesses de paiement à ordre, les "promissory notes" sont, en principe, des titres imposables selon l'art. 13 al. 2 lettres a et b LT (Archives de droit fiscal vol. 46, p. 532/533 consid. 3). Contrairement à ce que la recourante semble vouloir soutenir, il n'est pas nécessaire de vérifier, dans chaque cas concret, si la "promissory note" établie par une personne à l'étranger remplit effectivement la même fonction économique que les titres du genre indiqué sous lettre a (de l' art. 13 al. 2 LT ). Il suffit que, d'une manière générale, de par sa nature et sa forme, le document en question soit reconnu normalement comme un titre soumis au droit de négociation. b) Lors d'un entretien qui eut lieu à Berne le 11 octobre 1979, un des représentants du groupe X. a déclaré que les "promissory notes" destinées à la recourante "n'étaient de toute façon pas valables vu que la personne qui les a signées n'avait pas la compétence de le faire". Cela n'est pas exact. En fait, cet allégué n'est confirmé par aucun document figurant au dossier. Au contraire, il est contredit non seulement par le fait que les deux "promissory notes" des 3 décembre 1975 et 15 juillet 1976 (les seuls documents établis à son ordre que la recourante a produits) étaient munies de la signature du trésorier de la société débitrice, mais encore par la déclaration faite sous la foi du serment par l'un des directeurs, responsable des finances du groupe X. Au demeurant, la recourante n'a pas dit pourquoi ces "promissory notes" ne pourraient pas être reconnues comme valablement émises en droit américain. Force est donc d'admettre que ces documents, établis entre le 19 juillet 1974 et le 28 juillet 1976, répondent aux exigences - de forme et de fond - du droit américain en matière de "promissory notes" et, qu'en principe, ils sont assimilables à des promesses de paiement à ordre que l'art. 13 al. 2 lettres a et b LT soumet normalement au droit de négociation. La recourante n'a pas démontré le contraire. BGE 108 Ib 28 S. 36 c) Dans son mémoire, la société X. S.A. semble vouloir aussi insister sur le fait qu'elle n'existerait pas comme société indépendante du groupe: "La recourante a d'ailleurs toujours défendu la thèse selon laquelle les avances en compte courant étaient des opérations purement internes qui n'auraient pas pu avoir lieu en dehors du groupe"; la recourante tient aussi pour "évident qu'il ne s'est pas créé, ni dans les faits, ni dans la volonté des parties, de véritable créancier ou ayant droit des "promissory notes" et les parties ne voulaient pas et n'avaient pas besoin qu'il existe un créancier capable de se prévaloir des "promissory notes" et des droits y attachés." En conclusion, au dire de la recourante, on se trouverait en présence de documents nuls parce que simulés. Ce moyen de recours n'est pas fondé. En effet, il est pour le moins douteux qu'un contribuable puisse se prévaloir de la prétendue nullité d'un acte qui serait simulé. De plus, la simulation n'est pas établie dans le cas particulier, car il ne résulte d'aucune pièce figurant au dossier - et notamment pas des déclarations faites sous la foi du serment par les dirigeants du groupe X. - que la création des "promissory notes" n'était pas réellement voulue. En fait, ces documents ont bel et bien été établis sous la forme de billets à ordre ou, à tout le moins, de promesses de paiement à ordre. A ce sujet, il convient de rappeler que l'un des responsables des services financiers du groupe a déclaré, sous la foi du serment, que ces "promissory notes", si elles n'étaient pas traitées en tant qu'instruments de transfert ou d'échange, étaient tout de même employées comme "mécanisme de contrôle interne et comme source d'information fiscale et comptable". D'autre part, on ne saurait considérer comme simulées les opérations - d'emprunt et de prêt - que la société X. S.A. a réalisées avec deux autres sociétés du groupe et qu'elle a fait figurer dans ses comptes. Or, en droit fiscal suisse - spécialement en matière d'impôt anticipé et de droit de timbre - les contribuables sont liés par leurs propres écritures comptables. Selon le principe de la bonne foi - que les administrés doivent aussi respecter - le contribuable doit accepter que sa comptabilité n'est pas seulement un moyen de preuve, mais qu'elle crée en faveur du fisc une présomption qui ne pourrait être renversée que si ces écritures comptables étaient contraires au droit ou manifestement erronées ( ATF 85 I 252 ; voir ANDRÉ GRISEL, op. cit., p. 188). Au demeurant, il ne faut pas oublier que la recourante n'est pas un simple établissement, ni même la succursale en Suisse d'une BGE 108 Ib 28 S. 37 entreprise étrangère. Elle a été créée en tant que société anonyme soumise au droit suisse et juridiquement indépendante de la société étrangère dont elle est la filiale, car le droit positif suisse ignore la notion de groupe (voir notamment ANNE PETITPIERRE, Droit des sociétés et groupe de sociétés, Genève 1972, p. 19 ss). La société X. S.A. a ses propres organes et notamment un administrateur suisse dont la fonction est de gérer les affaires sociales dans l'intérêt de la société elle-même et non pas dans celui du groupe; en particulier, cet administrateur a le devoir de veiller à ce que la société suisse non seulement paie ses dettes, mais aussi et surtout obtienne le remboursement des prêts qu'elle a accordés. Autrement dit, les emprunts et les prêts que les "promissory notes" constatent ne sont pas de simples opérations financières accomplies à l'intérieur du groupe; ils concernent une société qui, par son inscription au registre du commerce, a acquis la personnalité juridique, distincte de celle que les autres sociétés du groupe ont pu acquérir. d) Enfin, c'est à tort que la recourante fait valoir que l'émission - ou l'établissement - des "promissory notes" ne répondait pas à une réelle nécessité, mais qu'elles avaient seulement une "destination historique et pour archives", servant simplement "à prouver - notamment vis-à-vis de la Commission américaine des opérations de bourse (Securities and Exchange Commission) - une relation de dette pour éviter que les fonds reçus par le bénéficiaire puissent être assimilés au capital-actions de la société bénéficiaire". Comme dans l'arrêt C. que le Tribunal fédéral a rendu le 4 février 1977 (Archives de droit fiscal vol. 46, p. 529 ss), le fait demeure que des documents ont été établis sous la forme de "promissory notes" qui confèrent à tout porteur légitimé par endossement le droit d'exiger, dans le délai convenu, le paiement des créances incorporées à ces titres. e) Le premier motif de recours n'apparaît donc pas fondé. La recourante doit supporter les conséquences, en droit fiscal suisse, de la création de "promissory notes" qui, selon la jurisprudence, sont assimilables à des billets à ordre ou à des promesses de paiement à ordre que l'art. 13 al. 2 lettres a et b LT soumet expressément au droit de négociation. 5. Il reste alors à examiner si, dans le cas particulier, les "promissory notes" ont fait l'objet de transferts de propriété à titre onéreux comme l'exige l' art. 13 al. 1 LT . a) Dans son arrêt C. du 4 février 1977, le Tribunal fédéral a déjà dit que, de toute évidence, il ne saurait être question de soumettre BGE 108 Ib 28 S. 38 dès leur création les effets de change au droit de timbre de négociation. Aussi longtemps que le tireur ou le souscripteur conserve en son portefeuille la lettre de change ou le billet à ordre qu'il a établi, il n'y a pas transfert de possession du titre; il n'y a donc pas non plus transfert de propriété au sens de l' art. 13 al. 1 LT . Dans deux décisions qu'elle a prises sous l'empire de la nouvelle loi, l'Administration fédérale des contributions a dit elle-même que le fait d'établir un effet de change (par exemple en remplissant une formule de lettre de change ou de billet à ordre) ou de présenter une lettre de change au tiré pour acceptation ne donne pas encore lieu au prélèvement du droit de timbre de négociation (décisions non publiées des 16/18 septembre 1974 et 30 janvier 1975, citées par PFUND, Die Praxis der Bundessteuern, II. Teil, Stempelabgaben, vol. 1, Nos 1 et 3 ad art. 13 al. 1 et 2, Wechsel u. dgl.). Par ailleurs, sous l'empire de l'ancienne loi, les effets de change étaient soumis au droit de timbre dès leur émission ( art. 37a LT du 4 octobre 1917); dès le 1er juillet 1974, ce droit d'émission a été supprimé et remplacé par un droit de négociation. Il est donc inutile de dire quand un effet de change doit être considéré comme "émis" ou de trancher la question, controversée en doctrine, de savoir si la créance cambiaire existe déjà par la seule création du titre ou si elle naît seulement au moment où l'effet de change est remis au premier porteur, c'est-à-dire au preneur, dans la mesure où ce preneur n'est pas en même temps le tireur ou le souscripteur (voir ARMINJON ET CARRY, La lettre de change et le billet à ordre, p. 25 ss, notamment Nos 24 et 30; GOLDSCHMIDT, Die Rechte des Wechselnehmers auf die Deckungsforderung im neuen schweizerischen und italienischen Wechselrecht, p. 27/28). En réalité, il ne s'agit pas de savoir si les "promissory notes" ont été émises, mais bien plutôt si la remise de ces titres vaut transfert de propriété au sens de l' art. 13 al. 1 LT (Archives de droit fiscal vol. 46, p. 533/534 consid. 4a). b) Dans le cas particulier, on peut se dispenser de trancher définitivement la question du transfert, car la recourante elle-même a déclaré que les "promissory notes" n'ont pas simplement été remises à la société créancière - soit, selon les cas, à la société X. International, à la société X. F. Co. ou à la société X. S.A. - mais à la société mère, Y. à Findlay, c'est-à-dire à une tierce personne qui, par simple endossement, pourrait faire valoir les créances incorporées dans ces titres à ordre (billets à ordre ou BGE 108 Ib 28 S. 39 promesses de paiement à ordre). On ne peut donc pas dire que ces titres ont simplement été "émis"; ayant été remis à une tierce personne, ils ont été mis en circulation de sorte que, dans ce cas particulier, on peut admettre qu'il y a eu transfert de la propriété des titres du créancier à un tiers. Par ailleurs, contrairement à l'opinion exprimée par la recourante, on ne saurait contester le caractère onéreux des opérations litigieuses. En effet, selon la jurisprudence, il suffit qu'il existe un lien étroit entre le transfert de la propriété du titre et la prestation de l'acquéreur (Archives de droit fiscal vol. 46, p. 536/537 consid. 5a). Tel est le cas en l'espèce, puisque la remise des "promissory notes" a été la conséquence de l'octroi de prêts de sommes d'argent. d) Le second moyen invoqué par la recourante n'est pas fondé. En frappant les "promissory notes" du droit de négociation, l'Administration fédérale des contributions n'a donc pas violé les dispositions de l' art. 13 LT . Il y a donc lieu de rejeter le recours.
public_law
nan
fr
1,982
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
14252355-19c5-4938-8fce-e64e9438d93d
Urteilskopf 88 II 492 69. Arrêt de la IIe Cour civile du 27 décembre 1962 dans la cause St. et G. contre X.
Regeste Art. 314 Abs.2ZGB. Erhebliche Zweifel über die Vaterschaft des Beklagten. Beweiswert der Bestimmung des Blutfaktors Duffya für den Ausschluss der Vaterschaft.
Sachverhalt ab Seite 492 BGE 88 II 492 S. 492 A.- Demoiselle G., née en 1941 - actuellement mariée St. -, a donné naissance le 16 octobre 1958 à une fille qu'elle appela M. Par mémoire du 21 septembre 1959, la mère et la fille ouvrirent devant le Tribunal civil du district de Porrentruy une action en paternité, sans effets d'état civil, contre X. Le Tribunal a chargé le Dr Hässig, directeur du service de transfusion sanguine de la Croix-Rouge suisse à Berne, de procéder à l'expertise du sang de la mère, de la fille et du père présumé. Dans un rapport du 28 avril 1960, l'expert a déclaré que "sur la base de la détermination des groupes sanguins classiques, des sous-groupes de A: Al et A2, des facteurs sanguins M, N et S, des facteurs rhésus Cw, C, c, D, E, e, des facteurs P et K, ainsi que sur la base de la détermination des groupes d'haptoglobine Hp1 et Hp2, le défendeur X. ne peut être exclu comme père de l'enfant M. G. Par contre, une exclusion est possible sur la base de la détermination du facteur sanguin Duffya (Fya)". Il ajoute: "Sa paternité serait en contradiction BGE 88 II 492 S. 493 avec les lois de l'hérédité du système du facteur sanguin Duffya". A la demande du Tribunal, l'expert a déposé, le 29 juin 1960 en allemand et le 10 septembre suivant en traduction française, un rapport complémentaire exposant la valeur médico-légale, qui doit être attribuée au facteur Duffya, pour exclure la paternité en l'état actuel de la science. B.- Par jugement du 30 janvier 1962, le Tribunal du district de Porrentruy a débouté les parties demanderesses de leurs conclusions. Il a admis que X. avait eu des rapports sexuels avec demoiselle G. pendant la période légale de la conception et a écarté l'exception d'inconduite soulevée par le défendeur. Mais, se ralliant aux conclusions de l'expert Dr Hässig, il a considéré que la présomption légale de l'art. 314 al. 1 CC était détruite, parce que le résultat de l'expertise permettait d'élever des doutes sérieux sur la paternité du défendeur, conformément à l'art. 314 al. 2 CC. Saisie d'un appel des demanderesses, la Cour d'appel du canton de Berne confirma, par arrêt du 11 juillet 1962, le jugement de première instance en adoptant les mêmes motifs. C.- Les demanderesses ont recouru en réforme au Tribunal fédéral en concluant à l'annulation de l'arrêt et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision avec suites de frais. Elles attaquent l'arrêt entrepris, parce qu'il a admis l'existence d'un doute sérieux concernant la paternité de X. au seul vu de la détermination du facteur sanguin Duffya. A leur avis, la thèse des juges cantonaux est contraire à la jurisprudence du Tribunal fédéral en la matière et, partant, elle viole l'art. 314 al. 2 CC. D.- Le défendeur-intimé conclut au rejet du recours. Il ne remet pas en cause l'arrêt cantonal en tant que celui-ci a admis les rapports sexuels avec demoiselle G. pendant la période légale de la conception, mais demande BGE 88 II 492 S. 494 la confirmation de l'arrêt en application de l'art. 314 al. 2 CC, compte tenu de la détermination du facteur sanguin Duffya. Erwägungen Considérant en droit: 1. Selon les constatations de fait de la juridiction cantonale, qui lient le Tribunal fédéral, X. a eu des rapports sexuels avec la mère durant la période légale de la conception et il n'a pas prouvé que celle-ci ait vécu dans l'inconduite. Il y a donc présomption de paternité selon l'art. 314 al. 1 CC, à moins que des faits établis ne permettent d'élever des doutes sérieux sur la paternité du défendeur (Art. 314 al. 2 CC). Comme la preuve d'une cohabitation avec un autre homme pendant la période critique n'a pas été apportée, la seule question qui se pose est de savoir si le défendeur peut se fonder sur la détermination des groupes et facteurs sanguins, pour élever des doutes sérieux sur sa paternité. 2. En jurisprudence constante, le Tribunal fédéral admet que l'examen des groupes sanguins permet d'élever des doutes sérieux sur la paternité du défendeur seulement s'il exclut cette paternité avec certitude ou avec une vraisemblance confinant à la certitude (RO 86 II 133 et les arrêts cités). La question de savoir si ce degré de vraisemblance est atteint relève des sciences naturelles; ce sont, dès lors, les experts qui la résoudront, mais le juge du fait appréciera leurs déductions, dans la mesure où il le pourra. Lorsque le juge cantonal, se fondant sur l'expertise, a admis que le degré de vraisemblance requis était atteint, le Tribunal fédéral peut examiner si cette opinion est défendable au vu des bases sur lesquelles elle repose, ou si elle méconnaît la notion de certitude exigée par la loi ou de vraisemblance confinant à la certitude (RO 86 II 320 et les arrêts cités). C'est ainsi que, dans le domaine de l'exclusion de la paternité sur la base de la détermination des groupes et facteurs sanguins, le Tribunal fédéral a admis successivement que le degré de "vraisemblance confinant à la certitude" existait lorsque la paternité était exclue BGE 88 II 492 S. 495 sur la base des groupes sanguins ABO (en 1935 RO 61 II 72), des facteurs MN (en 1939 RO 65 II 127), des facteurs Rhésus (en 1953, 1954 et 1961 RO 79 II 17, 80 II 13 et 87 II 12), du facteur Kell (en 1960 RO 86 II 129) et du facteur sanguin S (en 1962 RO 87 II 281). En revanche, le Tribunal fédéral s'est refusé jusqu'ici à considérer que l'on pouvait élever des doutes sérieux sur la paternité du défendeur en se fondant sur la détermination du facteur sanguin Duffya. Dans un arrêt de 1957 (RO 83 II 102) - qui rappelle la jurisprudence antérieure - le Tribunal fédéral, à la suite d'un rapport du Dr HÄSSIG, n'a pas admis le doute sérieux de l'art. 314 al. 2 CC, alors que le facteur Duffya, constaté chez l'enfant, ne se trouvait ni chez la mère ni chez le père présumé. L'expert avait, en effet, déclaré que cette constatation permettait de considérer avec une grande vraisemblance que le défendeur n'était pas le père de l'enfant (sei der Beklagte "mit erheblicher Wahrscheinlichkeit" als Vater des Kindes auszuschliessen). Le Tribunal fédéral relevait, en outre, que, dans une étude publiée à fin 1956 dans la "Medizinische Wochenschrift", WUILLERET, ROSIN et HÄSSIG estimaient que le caractère toujours héréditaire du facteur Duffya ne pouvait encore être affirmé avec une certitude absolue, au vu du nombre assez restreint des analyses faites; les auteurs se bornaient à dire qu'on ne pouvait plus guère douter de ce caractère héréditaire ("an der Richtigkeit des dominanten Erbganges dieses Merkmals sei "kaum" mehr zu zweifeln"). Tenant compte, en outre, d'une enquête faite par la clinique infantile de Bâle en 1956, qui avait indiqué que la valeur du facteur Duffya pour prononcer une exclusion de paternité était encore discutée à l'étranger, le Tribunal fédéral estima que l'exclusion de la paternité sur la base de ce facteur ne pouvait être affirmée "avec une vraisemblance confinant à la certitude". Dans un second arrêt, porté en 1960 (RO 86 II 316 ss.), le Tribunal fédéral s'en est encore tenu à la même attitude sur la question. L'expert Dr HOLLAENDER, qui connaissait bien l'expression de la jurisprudence concernant la "vraisemblance BGE 88 II 492 S. 496 confinant à la certitude", n'avait pas cru devoir l'employer, mais avait jugé que la paternité du défendeur pouvait être exclue "avec une très grande vraisemblance" (mit sehr erheblicher Wahrscheinlichkeit). Le Dr HÄSSIG, interrogé également à ce sujet, avait employé la même expression en ajoutant que le matériel de biologie héréditaire et les expériences de la technique de détermination sérologique du système Duffya n'atteignaient pas encore tout à fait le niveau des expériences complètes faites dans les systèmes ABO, MN et Rhésus. Bien que ces réserves des hommes de science fussent très ténues, le Tribunal fédéral les a trouvées suffisantes pour refuser d'admettre que la vraisemblance confinait à la certitude. 3. En la présente espèce, le Dr HÄSSIG a constaté que le facteur Duffya était positif chez l'enfant M. et négatif chez la mère; l'enfant ne peut donc avoir hérité son facteur positif que de son père. Or le facteur Duffya étant également négatif chez X., la paternité de celui-ci peut être exclue. "Sa paternité, ajoute l'expert, serait en contradiction avec les lois de l'hérédité du système du facteur sanguin Duffya". Examinant, dans son rapport des 29 juin/10 septembre 1960, le caractère héréditaire du facteur Duffya, l'expert Dr HÄSSIG conclut que ce facteur "est transmis par dominance des parents aux enfants, suivant les lois mendéliennes de l'hérédité, et cela avec une vraisemblance touchant à la certitude". Toutefois, si le caractère héréditaire du facteur Duffya ne fait plus aucun doute pour l'expert, celui-ci admet cependant que l'"objection demeure qu'il pourrait y avoir de très rares cas où le facteur Duffya serait incomplètement développé, suivant un mécanisme biologique d'inhibition, chez l'un ou l'autre des parents, au point qu'il serait impossible d'en faire la détermination sur les globules rouges de la personne en question, malgré sa disposition héréditaire". Mais selon l'expert, de tels mécanismes d'inhibition - qui ont été révélés pour les systèmes ABO et Rhésus - sont si rares qu'ils ne présentent "pas de BGE 88 II 492 S. 497 signification digne d'être mentionnée en médecine légale". Pour conclure, le Dr HÄSSIG déclare qu'une exclusion de la paternité par le facteur Duffya, déterminé lege artis, atteint aujourd'hui un degré de sécurité de l'ordre de 999 ‰ équivalant à celui du facteur Rhésus dans les années 1950-52. C'est ce degré de sécurité qui avait été donné par l'expert dans différents autres cas où le Tribunal fédéral avait admis les doutes sérieux de l'art. 314 al. 2 CC, notamment dans l'arrêt RO 86 II 138. L'opinion émise par le Dr HÄSSIG confirme l'avis exprimé déjà précédemment par un autre spécialiste en la matière, le Dr HOLLAENDER, directeur du centre de transfusion sanguine de la Croix-Rouge suisse à Bâle, qui déclarait dans un article de la Schweiz. Medizinische Wochenschrift (88, 1958 p. 19) que "précisément les groupes sanguins, s'ils sont déterminés lege artis - et du point de vue de la théorie de l'hérédité, il peut s'agir aussi bien du système ABO que du système Duffy - offrent au juge pour fonder ses décisions un degré de sécurité tel qu'il ne saurait en rencontrer que rarement". Ces avis d'experts qui paraissent représenter l'opinion actuelle des milieux scientifiques, font tomber les objections que le Tribunal fédéral avait encore dans ses précédents arrêts au sujet de la valeur probante de la détermination du facteur Duffya, pour exclure la paternité. Il faut, en conséquence, admettre, avec les juges cantonaux, que le fait que ledit facteur est positif chez l'enfant, alors qu'il est négatif chez la mère et chez le défendeur, permet d'élever des doutes sérieux sur la paternité de celui-ci, conformément à l'art. 314 al. 2 CC. Cela étant, la présomption de l'art. 314 al. 1 CC cesse et l'action doit être rejetée puisque les demanderesses n'ont invoqué aucun fait de nature à établir la preuve qui leur incombait, une fois cette présomption détruite. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral, Rejette le recours et confirme l'arrêt attaqué.
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CH_BGE
CH_BGE_004
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Federation
142cb0eb-d209-4071-8248-d93f6ef337a2
Urteilskopf 108 V 1 1. Auszug aus dem Urteil vom 29. Januar 1982 i.S. Jina gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
Regeste Art. 22ter, 25 Abs. 2 und 26 Abs. 2 AHVG. - Die in BGE 106 V 198 begründete Rechtsprechung, wonach der Anspruch auf die Waisenrente mit der Heirat der Waisen nicht erlischt, gilt auch für das in Ausbildung stehende Kind, das sich verheiratet (E. 1). - Vom 1. Januar 1981 an besteht dieser Anspruch für verheiratete Waisen und Kinder grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen wie für ledige. Für die Zeit vor dem 1. Januar 1981 besteht - im Rahmen der Art. 46 Abs. 1 AHVG bzw. Art. 48 Abs. 2 IVG - ein Leistungsanspruch in den vor diesem Zeitpunkt eingetretenen, bei einer Beschwerdeinstanz anhängigen und noch nicht rechtskräftig beurteilten Rentenfällen (E. 2a).
Erwägungen ab Seite 2 BGE 108 V 1 S. 2 Aus den Erwägungen: 1. Versicherte, denen eine Altersrente zusteht, haben gemäss Art. 22ter Abs. 1 AHVG für jedes Kind, das im Fall ihres Todes eine Waisenrente beanspruchen könnte, Anspruch auf eine Kinderrente. Dieser Anspruch besteht - in sinngemässer Anwendung des Art. 25 Abs. 2 AHVG - für Kinder, die in Ausbildung begriffen sind, auch nach Vollendung des 18. Altersjahres, und zwar bis zum Abschluss ihrer Ausbildung, längstens jedoch bis zum vollendeten 25. Altersjahr. Nach der früheren Rechtsprechung hörte der Anspruch auf Kinder- oder Waisenrente mit Ablauf des Monats auf, in welchem das Kind bzw. die Waise sich verheiratete, selbst wenn die Ausbildung nach der Verheiratung fortgesetzt wurde (EVGE 1965 S. 22, ZAK 1975 S. 523). Dieser zunächst auf den Waisenrentenanspruch einer in Ausbildung stehenden Tochter angewandte Grundsatz wurde in BGE 97 V 178 auch auf männliche Bezüger einer Waisenrente anwendbar erklärt. Im Urteil Pella vom 23. Dezember 1980 ( BGE 106 V 198 ) hat das Eidg. Versicherungsgericht diese Praxis in dem Sinne geändert, dass im Hinblick auf den Anspruch auf Waisenrente die Verheiratung keinen Erlöschensgrund mehr darstellt. Das Gericht ging dabei von der Feststellung aus, dass heute Eheschliessungen unter Studenten, insbesondere auch von Studierenden aus wenig bemittelten Kreisen, keine Seltenheit mehr sind. Für diese Personen kann die Führung eines gemeinsamen Haushaltes eine beachtliche Einsparung bedeuten. Dieser Entwicklung hat der Gesetzgeber in dem seit 1. Januar 1978 geltenden Art. 277 Abs. 2 ZGB Rechnung getragen, indem er die Eltern verpflichtete, für den Unterhalt des Kindes auch nach der Erreichung der Mündigkeit aufzukommen, wenn das Kind sich noch in Ausbildung befindet. Da der eigentliche Grund des Anspruchs auf Leistungen für Kinder in der elterlichen Unterhaltspflicht besteht, wäre es schwer verständlich, weshalb die Waisen- und Kinderrenten bei der Verehelichung der Kinder dahinfallen sollten. Dazu kommt, dass die bisherige Rechtsprechung jene Waisen begünstigte, die auf eine Eheschliessung verzichteten und in freier Gemeinschaft mit einem Partner zusammenlebten. Weil nach der gesetzlichen Ordnung der Anspruch auf Kinderrente gleich geregelt ist wie der Anspruch des Kindes auf Waisenrente (vgl. Art. 22ter Abs. 1 AHVG ), ist die für in Ausbildung begriffene, verheiratete Waisen geänderte Praxis BGE 108 V 1 S. 3 auch anzuwenden auf Kinderrenten. Demnach besteht für verheiratete oder geschiedene Waisen und Kinder grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen wie für ledige Anspruch auf Waisen- oder Kinderrenten. 2. ... a) Aufgrund der Änderung der Rechtsprechung in BGE 106 V 198 hat das Bundesamt für Sozialversicherung am 19. Februar 1981 das Kreisschreiben betreffend "Anspruch auf Waisen- bzw. Kinderrenten für verheiratete Waisen und Kinder" erlassen. In den Übergangsbestimmungen dieses Kreisschreibens wird u.a. festgelegt, dass die Waisen- und Kinderrenten vom 1. Januar 1981 an ausgerichtet werden können, wenn die Renten "vor dem 1. Januar 1981 infolge Heirat erloschen" sind "bzw. nicht entstehen konnten, weil zwar alle übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren, die Waise oder das Kind jedoch im massgebenden Zeitpunkt verheiratet war". Es stellt sich indessen die Frage, ob die Renten nicht auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1981 auszurichten sind, wenn ein Leistungsbegehren - wie im vorliegenden Fall - zur Zeit der Praxisänderung bei einer Beschwerdeinstanz hängig und noch nicht rechtskräftig erledigt ist. Wie das Bundesamt in seiner ergänzenden Stellungnahme mit Recht darlegt, ist das Kreisschreiben vom 19. Februar 1981 in diesen Fällen nicht anwendbar. Das Gesamtgericht hat beschlossen, dass die neue Rechtsprechung auch für die bereits vor dem Zeitpunkt der Praxisänderung eingetretenen, noch nicht rechtskräftig beurteilten Rentenfälle gilt. In diesen Fällen steht es der zuständigen Beschwerdeinstanz frei, die Renten nicht erst ab 1. Januar 1981, sondern - im Rahmen der Art. 46 Abs. 1 AHVG bzw. Art. 48 Abs. 2 IVG - auch rückwirkend über den 1. Januar 1981 hinaus zu gewähren. Dies steht mit der bisherigen Rechtsprechung in Einklang, wonach eine neue Praxis grundsätzlich auf die im Zeitpunkt der Änderung noch nicht erledigten sowie auf künftige Fälle anwendbar ist ( BGE 100 V 25 , EVGE 1969 S. 92 mit Hinweisen; vgl. auch IMBODEN/RHINOW, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 1976, S. 274 und 479).
null
nan
de
1,982
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
1430e0ad-8222-4f8f-a5ca-8dd7ac7b1821
Urteilskopf 103 Ib 1 1. Auszug aus dem Urteil vom 4. Februar 1977 i.S. X. gegen Schweizerische Eidgenossenschaft
Regeste Art. 13 und Art. 42 der EVK-Statuten; Übertritt von der Einlegerkasse zur Versicherungskasse; Berechnung der Einkaufssumme. Die Einkaufssumme ist aufgrund des beim Eintritt in die Einlegerkasse versicherbaren Jahresverdienstes und nicht aufgrund des beim Übertritt in die Versicherung versicherbaren Gehalts zu berechnen.
Sachverhalt ab Seite 1 BGE 103 Ib 1 S. 1 Der am 23. August 1924 geborene Fürsprech X. trat am 11. Oktober 1971 als nichtständiger Angestellter in den Bundesdienst ein. Auf den 1. Februar 1972 wurde er gemäss Art. 38 der Statuten der Eidgenössischen Versicherungskasse vom 29. September 1950 (SR 172.222.1; EVK) in die Einlegerkasse aufgenommen. Im Dezember 1974 wählte ihn das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) mit Amtsantritt auf den 1. Januar 1975 zum wissenschaftlichen Adjunkten des Bundesamtes für Zivilschutz mit einer jährlichen Grundbesoldung im Rahmen der 3. Besoldungsklasse von Fr. 44'960.--. Gestützt auf Art. 12 EVK wurde er ohne Vorbehalt als Mitglied der Versicherungskasse aufgenommen, wofür er gemäss BGE 103 Ib 1 S. 2 Art. 13 EVK eine Einkaufssumme zu entrichten hatte. Der Übertritt von der Einlegerkasse zur Versicherungskasse erfolgte auf den 1. Januar 1975. Der Beginn der Versicherungszeit wurde auf den 1. September 1954 (vollendetes 30. Altersjahr) festgelegt, derjenige der Beitragszeit auf den Zeitpunkt seines Eintritts in die Einlegerkasse (1. Februar 1972). Die einzukaufenden Jahre wurden vom vollendeten 30. Altersjahr bis zum Eintritt in die Einlegerkasse gezählt, was 17 5/12 einzukaufende Jahre ergab. Nach der in Art. 13 Abs. 2 EVK vorgesehenen Berechnung betrug hierfür die Einkaufssumme 149% des versicherten Jahresverdienstes. Diesen bestimmte die Versicherungskasse aufgrund der seit dem 1. Januar 1975 bezogenen neuen Besoldung und legte der Berechnung der Einkaufssumme entsprechend einen versicherten Jahresverdienst von Fr. 42'850.-- zugrunde. Die Einkaufssumme belief sich danach auf Fr. 63'846.50.--. X. beanstandete die Höhe dieser Einkaufssumme in bezug auf den der Berechnung zugrunde gelegten versicherten Jahresverdienst. Er stellte sich auf den Standpunkt, dieser sei aufgrund seiner Besoldung beim Eintritt in die Einlegerkasse zu bestimmen und nicht aufgrund der neuen Besoldung, die er seit dem 1. Januar 1975 beziehe. Die Versicherungskasse konnte sich dieser Auffassung nicht anschliessen. Sie teilte dies X. mit Schreiben vom 6. Februar 1976 mit und wies ihn darauf hin, dass dieses Schreiben "als die der Beschwerde unterliegende Verfügung im Sinne des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren" gelte, falls er an seinem Standpunkt festhalte. Mit verwaltungsrechtlicher Klage bzw. Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt X., die Einkaufssumme sei - richterliches Ermessen vorbehalten - auf Fr. 51'134.-- festzusetzen, evtl. sei die Streitsache an die Versicherungskasse zur materiellen Prüfung zurückzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (Das Bundesgericht behandelt die Eingabe des X. als verwaltungsrechtliche Klage.) 2. Streitig ist, welcher Verdienst dem für die Berechnung der Einkaufssumme massgeblichen "versicherten Verdienst" im Sinne von Art. 42 EVK zugrunde zu legen ist. Die Versicherungskasse BGE 103 Ib 1 S. 3 ist der Auffassung, die Einkaufssumme müsse vom neuen, beim Übertritt zur Kategorie der Versicherten bestehenden versicherbaren Jahresverdienst berechnet werden, obwohl sie nur von den Jahren bis zum Eintritt in die Einlegerkasse zu entrichten sei und nicht auch für die Einlegerzeit selber. Der Kläger verlangt, dass die Einkaufssumme aufgrund des beim Eintritt in die Einlegerkasse versicherbaren Gehalts berechnet werde - allenfalls mit einer Verzinsung bis zum Übertritt. Art. 42 EVK bestimmt folgendes: "Übertritt zur Versicherung Tritt der Einleger zu den Versicherten über, so wird die Kassenleistung nach Artikel 41 der Versicherungskasse überwiesen. Die Einlegerzeit gilt als Beitrags- und Versicherungszeit. Für den allfälligen Einkauf auf das 30. Altersjahr zurück ist die Einkaufssumme nach Artikel 13 Absatz 2 aufgrund des zu versichernden Verdienstes zu entrichten." a) Die Versicherungskasse vertritt die Auffassung, der letzte Satz dieser Vorschrift weise eindeutig darauf hin, dass der zu versichernde Verdienst nach der Besoldung im Zeitpunkt des Übertritts zu berechnen sei. Die sprachliche Formulierung des Art. 42 EVK ist indessen in dieser Hinsicht nicht schlüssig. Dem Text und insbesondere der Formulierung "aufgrund des zu versichernden Verdienstes" lässt sich nicht entnehmen, von welchem Jahresverdienst bei einem Übertritt für die Berechnung der Einkaufssumme auszugehen ist. Der letzte Satz der Bestimmung beschränkt sich darauf, auf die Berechnungsregel von Art. 13 Abs. 2 EVK zu verweisen. Daraus, dass in Art. 42 von einem zu versichernden Verdienst, in den Art. 13, 14 und 15 aber von einem versicherten Verdienst die Rede ist, lässt sich ebenfalls nichts ableiten. Vielmehr wird mit dem Adjektiv "versichert" lediglich der gemäss Art. 14 versicherbare Teil vom nicht versicherbaren Teil der Besoldung unterschieden. Es lässt sich demnach nicht sagen, der Wortlaut des Art. 42 EVK schliesse jede andere als die von der Versicherungskasse vertretene Interpretation aus. Es ist daher jene Lösung zu wählen, die dem Grundgedanken der Vorschrift am besten gerecht wird. b) Art. 42 EVK stellt unverkennbar das Prinzip auf, dass bei einem Übertritt die Einlegerzeit als bisher vollversicherte Zeit gelten soll. Gemäss Art. 39 Abs. 1 EVK leisten die BGE 103 Ib 1 S. 4 Einleger die gleichen Beiträge wie die Versicherten; im besonderen entrichten sie auch den einmaligen Beitrag bei Verdiensterhöhungen gemäss Art. 15 Abs. 2 EVK. Diese Gleichstellung in bezug auf die Beitragspflicht erfolgte durch die Änderung der EVK vom 7. Februar 1968 (AS 1968, 826). Sie wurde bewusst herbeigeführt, um den Einlegern den Übertritt zur Versicherung zu erleichtern (vgl. Botschaft BBl 1968 I 311). Dass eine gewissermassen rückwirkende Aufnahme des Einlegers der gesetzgeberischen Absicht zugrunde lag, zeigt auch die Äusserung des Bundesrates, eine Einkaufssumme solle nach dieser Regelung nur noch dann entrichtet werden müssen, wenn der Übertretende beim Eintritt in die Einlegerkasse über 30 Jahre alt war (a.a.O.). Eine Gleichstellung zwischen Einlegern und Versicherten in bezug auf den für die Einkaufssumme massgeblichen versicherten Verdienst ist auch sachlich zu rechtfertigen, da der Übertretende in der Einlegerzeit bereits im Bundesdienst gestanden ist und Beiträge geleistet hat wie ein Versicherter. c) Gegen die von der Versicherungskasse vertretene Auslegung des Art. 42 EVK spricht vor allem, dass sie für den Übertretenden systemwidrige, sachlich nicht gerechtfertigte Nachteile zur Folge hat. Während der Versicherte Erhöhungen des versicherten Jahresverdienstes durch die Zahlung eines einmaligen Beitrages von 50% voll einkauft, muss der Einleger, der diesen einmaligen Beitrag für Erhöhungen während der Einlegerzeit ebenfalls zahlte, beim Übertritt in die Versicherungskasse die gesamten während der Einlegerzeit "eingekauften" Erhöhungen mit der ordentlichen Einkaufssumme "nochmals einkaufen". Er wird also eindeutig ungünstiger behandelt, als wenn er von Anfang an versichert gewesen wäre, obschon die Versicherungskasse mit dem Übertritt von der Einlegerkasse genau das erhält, was ihr ein Versicherter mit gleicher Salärentwicklung in der Einlegerzeit an Beiträgen bezahlt hätte. Aber auch zwischen übertretenden Einlegern schafft die von der Versicherungskasse vertretene Interpretation sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichheiten: Wer als Einleger Lohnerhöhungen erhalten und dafür den einmaligen Beitrag von 50% bezahlt hat, wird benachteiligt gegenüber demjenigen, der als Einleger keine Lohnerhöhungen bekam, aber schliesslich als Beamter mit gleichem Verdienst versichert BGE 103 Ib 1 S. 5 wird. Beide bezahlen die gleiche Einkaufssumme, obschon der eine die als Einleger erhaltenen Erhöhungen mit einmaligen Beiträgen von 50% bereits "eingekauft" hat. Eine weitere Unstimmigkeit besteht ferner gegenüber jenen Einlegern, die beim Übertritt keine Einkaufssumme zu entrichten haben. Diese bezahlen selbstverständlich für Lohnerhöhungen in der Einlegerzeit nur den einmaligen Beitrag gemäss Art. 15 Abs. 2 EVK. d) Die von der Versicherungskasse vertretene Auslegung des Art. 42 EVK kann daher nicht als eine angemessene und systemkonforme Lösung bezeichnet werden. Vielmehr ist auch in bezug auf den nach dieser Bestimmung für die Berechnung der Einkaufssumme massgeblichen versicherten Jahresverdienst von der Fiktion auszugehen, der Übertretende werde rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Eintritts in die Einlegerkasse als Versicherter aufgenommen. Die Einkaufssumme ist demnach nicht von dem beim Übertritt in die Versicherung versicherbaren Gehalt, sondern von dem beim Eintritt in die Einlegerkasse versicherbaren Jahresverdienst zu berechnen. e) Es fragt sich freilich, ob bei dieser Lösung nicht folgerichtig von der auf den Eintritt in die Einlegerkasse berechneten Einkaufssumme noch der Zins bis zum Übertritt verlangt werden muss, wie dies der Kläger - richterliches Ermessen vorbehalten - selber vorschlägt. Von einer solchen Verzinsung ist in Art. 42 EVK indessen nicht die Rede. Ein schlichter Verzicht auf die Verzinsung ist aber durchaus zu begründen. Die Versicherungskasse hatte während der Einlegerzeit die versicherten Risiken (Tod, Invalidität) nicht zu tragen. Die pauschale Regel, dass der Jahreszins etwa der Risikoprämie entspreche, ist in der Personalversicherung weit verbreitet. f) Die Klage ist daher gutzuheissen und die Versicherungskasse anzuweisen, die vom Kläger geschuldete Einkaufssumme aufgrund des von diesem beim Eintritt in die Einlegerkasse (1. Februar 1972) versicherbaren Jahresverdienstes neu festzusetzen.
public_law
nan
de
1,977
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
1445242f-2eec-4ce6-98bf-224a45ae384b
Urteilskopf 119 II 32 9. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 11 février 1993 dans la cause dame B. et consorts contre société X. S.A. (recours en réforme)
Regeste Art. 13 Abs. 4 VMWG ; Überwälzung früherer Hypothekarzinsänderungen. Nach Art. 13 Abs. 4 VMWG ist der Richter bei der Anwendung der Missbrauchsgesetzgebung nicht ermächtigt, die teilweise Rückerstattung früherer Mietzinse, die der Mieter bezahlt und nicht bestritten hat, durch Verrechnung oder Barzahlung anzuordnen.
Sachverhalt ab Seite 32 BGE 119 II 32 S. 32 Dans le cadre d'un litige les opposant à leur bailleresse, des locataires ont fait valoir, devant le Tribunal fédéral, que la cour cantonale avait violé l' art. 13 al. 4 OBLF (RS 221.213.11) en refusant de tenir compte d'une baisse temporaire du taux hypothécaire de référence. Ils n'ont pas été suivis sur ce point par la juridiction de réforme. BGE 119 II 32 S. 33 Erwägungen Extrait des considérants: 3. c) A l'instar du Tribunal des baux, la Chambre des recours n'a pas tenu compte de la baisse temporaire (9 mois) du taux hypothécaire de référence, qui a été ramené de 5,25% à 5% le 1er août 1988 avant d'être fixé à 5,5% le 1er mai 1989. Elle s'en est expliquée en faisant valoir que, du moment que les loyers n'avaient pas été modifiés durant ce laps de temps et que seules les modifications effectives de loyer devaient être examinées, les locataires n'auraient pu bénéficier d'une baisse de loyer de ce chef qu'en la réclamant, ce qu'ils n'ont pas fait. Dame B. et les autres locataires rétorquent que les clauses de leurs contrats respectifs ne leur permettaient pas de solliciter une réduction de loyer en temps utile, que la bailleresse a donc bénéficié pendant neuf mois d'un gain de 3,38% sur les loyers et qu'il s'impose, en conséquence, de reporter dans le temps la hausse litigieuse. aa) Les défendeurs sont dans le vrai lorsqu'ils soutiennent que, s'ils avaient sollicité une baisse de loyer dès que la diminution du taux hypothécaire était intervenue, soit le 1er août 1988, la baisse de loyer ne serait entrée en vigueur que le 1er octobre 1989. En effet, selon la jurisprudence, la baisse de loyer n'entre en vigueur qu'au prochain terme pour lequel la résiliation pouvait être donnée, moyennant respect du délai de préavis ( ATF 111 II 204 consid. 2b et les arrêts cités). Comme ce délai était de quatre mois pour tous les locataires, la demande de réduction du loyer aurait dû être présentée à la bailleresse avant le 1er juin 1988 pour que la baisse de loyer puisse prendre effet le 1er octobre de la même année. Mais à ce moment-là, le taux hypothécaire n'avait pas encore baissé, si bien que la diminution du loyer ne fût pas devenue effective avant le prochain terme de résiliation, soit le 1er octobre 1989. Or, étant donné qu'à cette dernière date, le taux hypothécaire de référence, porté à 5,5% le 1er mai 1989 et à 5,75% le 1er septembre 1989, avait retrouvé et même dépassé le niveau auquel il se situait avant le 1er août 1988, une réduction du loyer ne se justifiait plus. Toutefois, pour les motifs indiqués ci-après, cet état de choses n'implique pas l'admissibilité de la solution proposée par les défendeurs. bb) En concluant à ce que l'entrée en vigueur de la majoration de loyer litigieuse soit retardée d'une période équivalant à celle durant laquelle la diminution antérieure du taux hypothécaire de référence n'a pas été répercutée sur leurs loyers, les défendeurs requièrent l'application de la méthode utilisée par les tribunaux bâlois (cf. l'arrêt publié in mp 1991 p. 92 ss). Cette méthode du report de la hausse BGE 119 II 32 S. 34 dans le temps, de même que celle qui consiste à déduire de la majoration de loyer litigieuse la part de la baisse du taux hypothécaire de référence non répercutée sur le loyer, aboutissent toutes deux à une restitution partielle au locataire, par voie de compensation, des loyers qu'il a payés et n'a pas contestés, le résultat ainsi obtenu étant le même que si, au lieu de procéder à une telle compensation, la somme correspondant à la part de baisse non répercutée était remboursée au locataire. La jurisprudence vaudoise et la doctrine dominante n'appliquent pas lesdites méthodes (voir le jugement vaudois du 27 septembre 1990 reproduit dans la fiche no 170 de la Chambre vaudoise immobilière (p. 6 en haut) et traduit in mp 1991 p. 96 ss, p. 101 let. d in fine, ainsi que le jugement du 2 octobre 1991 publié dans les Cahiers du bail, 1/92, p. 17 ss, p. 21, ch. V; TRÜMPY, Bedeutung des revidierten Art. 9 Abs. 2bis VMM, in mp 1989, p. 151/152, n. 7; M.-CL. JEANPRÊTRE, La protection contre les loyers abusifs ou d'autres prétentions abusives du bailleur, in Repertorio di giurisprudenza patria, 123/1990, p. 11 in medio e p. 12/13, n. 6; apparemment d'un autre avis: HABERMACHER-DROZ, Pratique récente en matière de loyers, 7e Séminaire sur le droit du bail, Neuchâtel 1992, p. 9, n. 5 = mp 1992, p. 164/165, n. 5, avec une référence à l' ATF 117 II 458 qui ne traite pourtant pas la question présentement examinée). Elles s'en abstiennent à juste titre. La méthode de la compensation, quelle que soit la variante retenue (report dans le temps de la hausse litigieuse ou imputation sur cette hausse du montant correspondant à la réduction de loyer que la baisse antérieure du taux hypothécaire de référence non répercutée eût commandée), et celle de la restitution en espèces des sommes non accordées au locataire à l'époque de la baisse du taux hypothécaire de référence contredisent, tout d'abord, le principe, pourtant incontesté, selon lequel le juge chargé d'appliquer les dispositions légales sanctionnant les abus dans le secteur locatif ne peut intervenir que sur les loyers futurs - à savoir les loyers couvrant la période postérieure à la date d'entrée en vigueur de la majoration contestée - et n'est donc pas autorisé à exiger la restitution partielle des loyers antérieurs que le locataire n'a pas remis en cause et dont il s'est acquitté. L' art. 13 al. 4 OBLF ne déroge pas à ce principe; il se borne à étendre le champ d'application temporel de la méthode relative en exigeant, à des conditions et dans des limites que la jurisprudence devra encore fixer, la vérification, au-delà de la dernière fixation du loyer, de la répercussion effective et suffisante sur le loyer des variations antérieures du taux hypothécaire. Cette disposition ne saurait BGE 119 II 32 S. 35 dès lors constituer le fondement juridique d'une action du locataire en répétition d'une partie des loyers qu'il n'a pas contestés en temps utile. Comme le relève avec pertinence M.-CL. JEANPRÊTRE, il faut y voir simplement un instrument de mesure permettant de déterminer à quel niveau de taux hypothécaire se trouve le loyer par rapport au taux hypothécaire de référence. "Si la base de calcul réelle est plus élevée que le taux de référence (...), le locataire n'aura pas droit à une diminution de loyer, mais à la suspension de toute hausse pour ce motif tant et aussi longtemps que le taux de référence est inférieur au taux réel" (op.cit., p. 13). En outre, et surtout, les méthodes incriminées, si elles étaient adoptées, conduiraient à une adaptation automatique du loyer à la baisse du taux hypothécaire de référence. Elles impliquent, en effet, une répercussion immédiate sur le loyer de la variation du taux hypothécaire, sans égard à la date d'échéance du bail, puisque toute la part de baisse non répercutée dans le passé est portée au crédit du locataire par le biais soit de l'ajournement de l'entrée en vigueur de la hausse litigieuse, soit de l'imputation de la somme correspondante sur le ou les premiers loyers majorés, soit d'un remboursement en espèces. Ces méthodes vont donc à l'encontre de la volonté du législateur fédéral, lequel a codifié ( art. 270a al. 1 CO ) le principe jurisprudentiel voulant qu'une baisse de loyer ne puisse être réclamée en cours de bail que pour le prochain terme de résiliation ( ATF 111 II 204 consid. 2b et les arrêts cités). Les admettre reviendrait à accorder plus tard au locataire davantage que ce qu'il aurait pu demander tout de suite (M.-CL. JEANPRÊTRE, op.cit., p. 12, n. 6), voire, s'agissant, comme en l'espèce, d'une baisse temporaire du taux hypothécaire de référence qui n'aurait pas pu être répercutée sur le loyer (cf. let. aa ci-dessus), à le faire bénéficier ultérieurement d'une réduction de loyer qu'il n'aurait jamais pu obtenir en cas d'opposition du bailleur. Cela étant, il y a lieu de confirmer, par substitution de motifs, le refus de la cour cantonale de tenir compte de la baisse du taux hypothécaire de référence entre le 1er août 1988 et le 1er mai 1989.
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1,993
CH_BGE
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144c1a1a-6587-4bd5-ab6b-9608a5c4f8e6
Urteilskopf 120 Ia 349 49. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. Dezember 1994 i.S. M. gegen Kantone Basel-Stadt und Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Doppelbesteuerungsverbot: Art. 46 Abs. 2 BV . Interkantonale Doppelbesteuerung: Grundsätze der Schulden- und Schuldzinsenverlegung (E. 2 u. 3). Anwendung der Grundsätze (E. 4), insbesondere Abgrenzung von Privat- und Geschäftsvermögen bei einer Beteiligung an einer einfachen Gesellschaft, die eine Geschäftsliegenschaft innehat (E. 4c). Proportionale Verteilung der Schuldzinsen: Verlegung nach Lage der Aktiven, primär auf die Vermögenserträge: Beim Eigenmietwert der Liegenschaften ist auf die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung festgesetzten Eigenmietwerte abzustellen. Bei Geschäftsvermögen wird der Vermögensertrag nicht genau berechnet, sondern pauschal, aufgrund einer angemessenen Verzinsung des Eigenkapitals (5%) (E. 5 u. 6).
Sachverhalt ab Seite 350 BGE 120 Ia 349 S. 350 A.- M. hat sein Hauptsteuerdomizil in der solothurnischen Gemeinde A. Hier bewohnt er zusammen mit seiner Ehefrau, die bei der Firma Y. in Basel arbeitet, ein eigenes Haus. Der Steuerpflichtige betreibt als selbständigerwerbender Kaufmann in der Liegenschaft B. in Basel, die ihm zur Hälfte gehört, die Einzelfirma "X.". B.- Bei der Verlegung der Schulden und Schuldzinsen für die Steuerausscheidung 1991 (Kanton Solothurn) und 1990 (Einkommenssteuer) bzw. 1991/92 (Vermögenssteuer Kanton Basel-Stadt) wurden nicht sämtliche vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Schulden und Schuldzinsen zum Abzug zugelassen. Während die Differenz bei den Schulden gering ist und nur 0,19% der Schulden (Fr. 1'528'095.--) von den Kantonen nicht übernommen wurden, gelangten von den insgesamt geltend gemachten Schuldzinsen von Fr. 83'822.-- nur Fr. 33'083.-- zum Abzug. C.- Mit Eingabe vom 11. Juni 1992 erhebt M. gegen die Kantone Basel-Stadt und Solothurn staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 46 Abs. 2 BV . Er stellt folgende Rechtsbegehren: "1. Es sei festzustellen, dass der Kanton Basel-Stadt den auf ihn entfallenen Anteil der gesamten Schuldzinsen aus dem Bemessungsjahr 1990 zu übernehmen habe. Daraus abgeleitet sei die Einkommenssteuer 1990 neu festzusetzen. 2. Es sei festzustellen, dass der Kanton Solothurn den auf ihn entfallenden Anteil der gesamten Schuldzinsen aus dem Bemessungsjahr 1990 zu übernehmen habe. Daraus abgeleitet sei die Einkommenssteuer 1991 neu festzusetzen. 3. Im weiteren sei festzustellen, dass bezüglich der Bemessung des zu repartierenden Vermögens auf die Steuerausscheidung des Kantons Basel-Stadt vom 7. Oktober 1991 abzustellen ist, da in der Steuerausscheidung des Kantons Solothurn teilweise unrichtige Vermögensfaktoren enthalten sind, was ein zusätzlicher Grund für die Doppelbesteuerung ist: BGE 120 Ia 349 S. 351 a) Der Landanteil von Fr. 50'010.-- ist zweimal in der Steuerausscheidung des Kantons Solothurn enthalten (1x in den Aktiven der Einzelfirma und 1x im Repartitionswert der einfachen Gesellschaft). b) Der Anteil am übrigen Vermögen der einfachen Gesellschaft von Fr. 6'709.-- ist zweimal in der Steuerausscheidung des Kantons Solothurn enthalten (1x in der Position Wertschriften/Guthaben und 1x im Repartitionswert der einfachen Gesellschaft). c) Der Personenwagen mit einem Betrag von Fr. 8'000.-- ist erst nach Ermittlung der massgebenden Aktivenanteile dem Kanton Solothurn zuzuordnen, da der Kanton Basel-Stadt die Vermögenssteuer auf privaten Motorfahrzeugen nicht kennt und nur so sichergestellt werden kann, dass die auf die beiden Kantone entfallenden Prozentsätze zusammen 100% ergeben. 4. Alle unter o.e.-Kostenfolgen für die unterliegenden Beschwerdebeklagten." D.- Der Kanton Solothurn beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Kanton Solothurn richtet und darauf einzutreten sei. Namens des Kantons Basel-Stadt schliesst die Steuerverwaltung des Kantons auf teilweise Gutheissung der Beschwerde. Das in Basel-Stadt steuerbare Einkommen sei auf Fr. 71'117.--, das für den Steuersatz massgebende Einkommen auf Fr. 102'043.-- festzusetzen. Im übrigen sei die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Kanton Basel-Stadt richtet, abzuweisen. Beide Kantone haben ihre Anträge ausführlich begründet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 2. a) Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger, der zwei Kantonen mit Reinvermögenssteuer und Reineinkommenssteuer angehört, verlangen, dass beide Kantone zusammen sämtliche Schulden und Schuldzinsen abziehen. Schulden und Schuldzinsen werden als eine besondere Belastung des Vermögens und des daraus fliessenden Ertrags betrachtet; sie sind daher bei Privatpersonen quotenmässig, im Verhältnis der in den einzelnen Kantonen gelegenen Aktiven, zu verlegen ( BGE 119 Ia 46 E. 4a S. 49, mit Hinweisen). b) Es steht im vorliegenden Fall fest, dass sich das Hauptsteuerdomizil des Beschwerdeführers im Kanton Solothurn befindet. In der solothurnischen Gemeinde A. besitzt er ein Einfamilienhaus, das er zusammen mit seiner Ehefrau bewohnt. BGE 120 Ia 349 S. 352 Im Kanton Basel-Stadt führt der Beschwerdeführer eine Einzelfirma. Daneben ist er Teilhaber an einer einfachen Gesellschaft und als solcher zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft B. in der Stadt Basel. Der Kanton Basel-Stadt ist somit Geschäfts- und Liegenschaftenort zugleich. c) Zu entscheiden ist, wie die Schulden und Schuldzinsen auf die beteiligten Kantone zu verlegen sind, wobei es über den Grundsatz der Verlegung zwischen den Parteien keine Meinungsverschiedenheiten gibt. Der Beschwerdeführer und die beteiligten Kantone beantragen - der festen bundesgerichtlichen Rechtsprechung entsprechend - eine Verlegung nach Lage der Aktiven. Meinungsverschiedenheiten bestehen indessen hinsichtlich der zu verlegenden Aktiven und deren Bewertung. Bei der Aufteilung der Schuldzinsen, die in erster Linie auf die Vermögenserträge zu verlegen sind, bestehen Differenzen über die Ermittlung des Vermögensertrags. Es geht in diesem Zusammenhang einerseits um die Schätzung des Eigenmietwertes des Einfamilienhauses in A., anderseits um die Verzinsung des am Geschäftsort investierten Eigenkapitals, wobei insbesondere zu entscheiden ist, ob die Beteiligung an der einfachen Gesellschaft B. als Privat- oder als Geschäftsvermögen zu gelten hat. 3. a) Gegenstand der Besteuerung ist nach den Steuergesetzen der Kantone Solothurn und Basel-Stadt das Reinvermögen (§ 60 des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Solothurn vom 1. Dezember 1985, StG SO; § 65 Abs. 1 des Gesetzes über die direkten Steuern des Kantons Basel-Stadt vom 22. Dezember 1949, StG BS). Schulden sind dementsprechend voll abzugsfähig. Bei geteilter Steuerhoheit werden die Schulden grundsätzlich proportional nach Massgabe der Lage der Aktiven verteilt, und zwar sowohl die privaten als auch die geschäftlichen Schulden ( BGE 119 Ia 46 E. 4a S. 49; K. LOCHER, Das interkantonale Doppelbesteuerungsrecht. Die Praxis der Bundessteuern; III. Teil, § 9 und die dort zitierten Entscheide; ERNST HÖHN, Interkantonales Steuerrecht, 3. Aufl. 1993, N. 10 f. zu § 19 S. 254). b) Für die Ausscheidung des Vermögens verzichtet das Bundesgericht auf einen einheitlichen Bewertungsmassstab. Es gestattet, dass für die Schuldenverlegung jeder Kanton die Aktiven nach Massgabe seiner eigenen Gesetzgebung bewertet und fordert lediglich die gleichmässige Anwendung dieses Bewertungsgrundsatzes sowohl auf die dem Kanton zur Besteuerung zustehenden eigenen als auch auf die der Steuerhoheit des andern Kantons BGE 120 Ia 349 S. 353 unterworfenen Objekte (LOCHER, a.a.O., § 9 I A 2 Nr. 15, mit Hinweisen; HÖHN, a.a.O., N. 18 zu § 19 S. 258; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, N. 19 zu § 6 StG , mit Hinweisen; ZUPPINGER, Probleme der Steuerausscheidung für Liegenschaften des Privatvermögens im interkantonalen Verhältnis bei den direkten Steuern vom Einkommen und Vermögen, in: Festschrift für Ulrich Häfelin zum 65. Geburtstag, S. 416). Bewerten die Kantone beispielsweise die eigenen Liegenschaften zu Steuerwerten, Wertschriften zu den Verkehrswerten (Börsenkursen) und Geschäftsvermögen zu den Buchwerten, so müssen sie ausserkantonale Aktiven nach den gleichen Grundsätzen bewerten. Indessen ist auch damit ein vollständiger Schuldenabzug nicht immer gewährleistet; denn der oder die an der Ausscheidung beteiligten Kantone können auch bei Anwendung grundsätzlich gleicher Bewertungsgrundsätze unterschiedliche Bewertungen vornehmen. So werden insbesondere die Verkehrswerte von Liegenschaften in den Kantonen häufig verschieden ermittelt (HÖHN, a.a.O., N. 18 zu § 19 S. 258 unter Hinweis auf ASA 27, 423; ROBERT SENN, Die Liegenschaften des Privatvermögens im interkantonalen und internationalen Steuerrecht [aus schweizerischer Sicht], S. 60, insbesondere N. 33; ZUPPINGER, a.a.O., S. 417). c) Die Gesamtaktiven sind von der Steuerverwaltung des Kantons Solothurn mit Fr. 1'890'570.--, von Basel-Stadt mit Fr. 1'825'714.-- ermittelt worden. Nach der korrigierten Berechnung des Kantons Solothurn gemäss der Vernehmlassung vom 19. August 1992 stimmen Bewertung und Verteilung der Aktiven in den beiden Kantonen weitgehend überein. Die verbleibende Differenz von Fr. 7'688.-- rührt davon her, dass zum einen der Kanton Basel-Stadt den Personenwagen nicht in seine Berechnungen einbezogen hat, obschon gemäss § 61 StG BS das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen besteuert wird; zum andern hat der Kanton Solothurn den Buchwert der Liegenschaft B. in Rechnung gestellt, während der Kanton Basel-Stadt den Repartitionswert angerechnet hat. Da kein Kanton eine Vermögenssteuer erhoben hat und der Beschwerdeführer aufgrund der getroffenen Ausscheidung nicht belastet wurde, braucht das Bundesgericht die von den Kantonen getroffene Vermögensausscheidung nicht zu ändern. Insoweit ist die Beschwerde abzuweisen. 4. Die Schuldzinsen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Anwendungsbereich der allgemeinen Reineinkommenssteuer wie die Schulden BGE 120 Ia 349 S. 354 proportional nach Massgabe der Lage der Aktiven zu verteilen ( BGE 119 Ia 46 E. 4a S. 49, mit Hinweisen). Sowohl der Kanton Solothurn als auch der Kanton Basel-Stadt kennen das System der allgemeinen Reineinkommensbesteuerung, und beide Kantone sehen demnach in ihren Steuergesetzen den vollen Abzug der Schuldzinsen vor ( § 41 Abs. 1 lit. a StG SO, § 43 Abs. 1 lit. c StG BS). Zunächst sind die jedem Kanton zuzuweisenden Aktiven zu bestimmen. a) Bei der Schuldzinsenverlegung genügt es nicht, wenn bei der Bewertung der Aktiven jeder Kanton seine eigenen Bewertungsregeln sowohl auf die innerkantonalen als auch auf die ausserkantonalen Vermögensobjekte anwendet. Dieses Verfahren hätte zur Folge, dass unter Umständen nicht die gesamten Schuldzinsen übernommen würden. Deshalb müssen sämtliche Aktiven von den beteiligten Kantonen nach übereinstimmenden Regeln bewertet werden ( BGE 87 I 121 E. 1 S. 123 f.; ASA 35, 443 E. 4; vgl. LOCHER, a.a.O., § 9 II Nrn. 14 und 16; HÖHN, a.a.O., N. 21 zu § 19 S. 261; ZUPPINGER, a.a.O., S. 417). b) Im vorliegenden Fall gehen beide Kantone davon aus, dass das Einfamilienhaus in der Wohnsitzgemeinde A. zum Repartitionswert von Fr. 482'270.-- dem Kanton Solothurn und die Aktiven der vom Beschwerdeführer betriebenen Einzelfirma im Betrage von Fr. 499'873.-- dem Kanton Basel-Stadt zuzuordnen sind. Der Beschwerdeführer vertritt die gleiche Auffassung. Es liegen keine Gründe vor, die zu einer abweichenden Beurteilung führen. c) Meinungsverschiedenheiten bestehen hinsichtlich der Zuordnung der Beteiligung an der einfachen Gesellschaft B. Der Kanton Solothurn qualifiziert die Beteiligung als Privatvermögen, weil die einfache Gesellschaft einzig die Verwaltung der Liegenschaft B. bezwecke. Von einem Geschäftsbetrieb könne keine Rede sein, denn die Einnahmen würden nur aus den Mietzinseinnahmen und dem Aufwand für Zins- und Verwaltungskosten bestehen. Der Kanton Basel-Stadt und auch der Beschwerdeführer betrachten hingegen die Beteiligung als Geschäftsvermögen. Der Beschwerdeführer ist zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft und mietet sie zugleich zu einem Viertel. Er erwarb sie nach der nicht bestrittenen Darstellung der Steuerverwaltung Basel-Stadt zu geschäftlichen Zwecken und betreibt darin die Einzelfirma "X.". aa) Die Zugehörigkeit eines Vermögensobjektes zum Geschäftsvermögen oder zum Privatvermögen kann sich unter Umständen - im Bereich des notwendigen Geschäfts- oder notwendigen Privatvermögens - aufgrund seiner äusseren BGE 120 Ia 349 S. 355 Beschaffenheit ergeben. Schwierigkeiten bereitet mitunter aber die Zuteilung von Objekten, die sowohl mit einem vom Steuerpflichtigen betriebenen Geschäft im Zusammenhang stehen als auch ausschliesslich für die private Verwendung geeignet sein können. Für die Bestimmung, ob solche Gegenstände zum Geschäfts- oder Privatvermögen zu zählen sind, ist massgebend auf die technisch-wirtschaftliche Funktion eines Vermögenswertes abzustellen, d.h. ob dieser tatsächlich dem Geschäft dient (vgl. ASA 62, 409 E. 3a S. 412; 57, 271 E. 3a S. 274; 49, 72 E. 1 S. 74; MARKUS REICH, Die Abgrenzung von Geschäfts- und Privatvermögen im Einkommenssteuerrecht, SJZ 80/1984, S. 224, 227). Die Funktion eines Gegenstandes ist von Fall zu Fall aufgrund einer Würdigung aller in Betracht kommenden Verhältnisse zu ermitteln (vgl. ASA 62, 409 E. 3a S. 412, mit Hinweis). bb) Wie der Kanton Solothurn ausgeführt hat, trifft es an sich zu, dass die Liegenschaft B., die das Hauptaktivum der Beteiligung des Beschwerdeführers an der einfachen Gesellschaft ausmacht, von ihr lediglich - wie Privatvermögen - verwaltet wird; insofern liegt ein Geschäftsbetrieb nicht vor. Darauf kommt es indessen nicht allein an. Ausschlaggebend ist vielmehr die Rolle, welche die Beteiligung im Vermögen des Eigentümers spielt. Es ist sehr wohl möglich, dass eine im Eigentum mehrerer Personen stehende Beteiligung bei einem Beteiligten Privatvermögen darstellt, beim anderen aber geschäftlichen Charakter aufweist. Bei Würdigung der gesamten Verhältnisse kann die Beteiligung des Beschwerdeführers an der einfachen Gesellschaft B. nicht als private Kapitalanlage bezeichnet werden. Der Beschwerdeführer betreibt in der Liegenschaft B., die er zusammen mit weiteren Personen erworben hat, seine Einzelfirma "X.". Die Beteiligung "B." dient demnach seinem Geschäft und stellt daher für ihn Geschäftsvermögen dar. Dementsprechend sind bei der Lokalisierung der Aktiven auch die beweglichen Aktiven der einfachen Gesellschaft zur Hälfte dem Kanton Basel-Stadt zuzuweisen. Das ergibt insgesamt Fr. 821'358.-- (Buchwert Liegenschaft Fr. 814'675.-- + bewegliche Aktiven Fr. 6'683.--). cc) Ungeachtet der im Kanton Basel-Stadt geltenden Praxis, private Motorfahrzeuge bei der Vermögenssteuer nicht zu erfassen, ist der Personenwagen ausscheidungsrechtlich zu berücksichtigen. Er ist dabei dem Kanton Solothurn zuzuteilen und mit Fr. 8'000.-- zu bewerten. BGE 120 Ia 349 S. 356 d) Demnach ergibt sich für die Schuldzinsenverlegung folgende Verteilung der Aktiven: Aktiven Kanton Solothurn Kanton Basel-Stadt Fr. Fr. Liegenschaft A. 482'270.-- Einzelfirma "X." 499'873.-- Personenwagen 8'000.-- Hälftiger Anteil an einfacher Gesellschaft B. 821'358.-- Privates Wertschriften- vermögen 22'187.-- _ _ Gesamtvermögen von Fr. 1'833'688.-- 512'457.-- 1'321'231.-- _ _ _ 100% 27,95% 72,05% 5. Bei der proportionalen Verteilung der Schuldzinsen auf die Kantone im Verhältnis der Aktiven sind die Schulden in erster Linie auf die Vermögenserträge zu verlegen. Soweit der (nach Lage der Aktiven zu übernehmende) Schuldzinsenanteil den (nach Abzug der Gewinnungskosten verbleibenden) Vermögensertrag in einem Kanton übersteigt, ist dieser von den übrigen Kantonen zu tragen, die noch über einen Nettoertrag aus Vermögen verfügen. Erst wenn die Passivzinsen "im ganzen" den Vermögensertrag übersteigen, ist der Überschuss auf das übrige Einkommen zu verlegen (Urteil vom 30. September 1992, in StE 1994 A 24.42.5 Nr. 2 E. 4; BGE 97 I 36 E. 2 S. 40 f.; s. auch BGE 104 Ia 256 E. 4b S. 261; LOCHER, a.a.O., § 9 II Nrn. 5, 7, 16, 27; HÖHN, a.a.O., N. 20 zu § 19 S. 260; ZUPPINGER, a.a.O., S. 417; SENN, a.a.O., S. 69/70, insbesondere auch Anm. 69 mit Hinweis auf BGE 63 I 71 ). Im folgenden sind die den beiden Kantonen für die Schuldzinsenverlegung zur Verfügung stehenden Vermögenserträge zu ermitteln. a) Der Beschwerdeführer besitzt im Kanton Solothurn ein Einfamilienhaus, das von ihm und seiner Ehefrau bewohnt wird. Der Mietwert einer selbstbewohnten Liegenschaft gehört nach schweizerischem Steuerrecht zum steuerbaren Einkommen (ASA 63, 155 E. 2a S. 157, mit Hinweisen; ERNST HÖHN, Steuerrecht, 7. Auflage 1993, N. 7 zu § 16 S. 266 f.; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, a.a.O., N. 11 zu § 20 StG ; BAUR/KLÖTI-WEBER/KOCH/MEIER/URSPRUNG, Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, N. 292 d BGE 120 Ia 349 S. 357 zu § 22 S. 240; MASSHARDT, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Auflage 1985, N. 57 zu Art. 21 Abs. 1 Buchst. b BdBSt S. 120; KÄNZIG, Direkte Bundessteuer, 2. Auflage 1982, N. 92-97 zu Art. 21 Abs. 1 lit. b BdBSt ). Er ist ein in Form einer Naturalleistung zugeflossener Vermögensertrag aus unbeweglichem Vermögen, der voll dem Belegenheitskanton zur Besteuerung zugewiesen wird (HÖHN, Interkantonales Steuerrecht, a.a.O., N. 6 zu § 21 S. 283, mit Hinweis). Dementsprechend gilt auch der Ertrag aus einem selbstbewohnten Haus als Vermögensertrag, auf den die Schuldzinsen primär zu verlegen sind. aa) Über die Schätzung des Eigenmietwertes des Einfamilienhauses in A. gehen die Meinungen der Parteien auseinander: Der Beschwerdeführer und der Kanton Solothurn gehen von einem Eigenmietwert von Fr. 11'973.-- aus. Nach Abzug der Unterhaltskosten (ohne Abzug der Schuldzinsen) verbleibt ein Nettoertrag von Fr. 8'980.--. Dieser Wert entspricht auch der für die direkte Bundessteuer massgeblichen Bewertung. Demgegenüber wird vom Kanton Basel-Stadt ein erheblich höherer Eigenmietwert vertreten. Der Nettoeigenmietwert (vor Schuldzinsenabzug) beträgt nach den vom Kantonalen Steueramt Basel-Stadt angestellten Berechnungen Fr. 18'085.--. bb) Bei der Verteilung der Schuldzinsen auf die beteiligten Kantone sind nicht nur die zur Verfügung stehenden Aktiven in beiden Kantonen nach den gleichen Regeln zu bewerten (vgl. vorne E. 4a). Auch bei der Ermittlung der für die Schuldzinsenverteilung vorhandenen Vermögenserträge muss gleich vorgegangen werden. Der Eigenmietwert muss also von beiden Kantonen nach den gleichen Bewertungsregeln festgesetzt werden. Dabei ist auf die von der Eidgenössischen Steuerverwaltung im Hinblick auf eine gleichmässige Veranlagung (vgl. Art. 93 Abs. 2 BdBSt ) für die direkte Bundessteuer festgesetzten Eigenmietwerte abzustellen. Dies stellt eine praktikable und den Zwecken der Steuerausscheidung angemessene Lösung dar. Die Kantone sind ja ohnehin frei, bei ihrer Veranlagung kantonale Werte zu übernehmen. Der Schuldzinsenverlegung ist demnach der für die direkte Bundessteuer massgebende Nettomietwert von Fr. 8'980.-- (Bruttomietwert von Fr. 11'973.-- abzüglich der Unterhaltspauschale von 25%) als Vermögensertrag aus unbeweglichem Vermögen zugrunde zu legen. b) Dem Kanton Solothurn sind zudem an Erträgen aus dem beweglichen Privatvermögen Vermögenserträgnisse in der Höhe von Fr. 893.80 (vgl. BGE 120 Ia 349 S. 358 Wertschriftenverzeichnis Staats- und Gemeindesteuern Solothurn 1991) zuzurechnen, womit im Kanton Solothurn Vermögenserträge von Fr. 9'873.80 zur Verfügung stehen. c) Zum Kapitaleinkommen, von dem die Schuldzinsen primär abzurechnen sind, gehört auch der Ertrag der vom Beschwerdeführer in der Stadt Basel betriebenen Einzelfirma "X.", soweit es sich um Eigenkapital handelt ( BGE 97 I 36 E. 3 S. 41 ff.; LOCHER, a.a.O., § 9 II Nr. 27; HÖHN, a.a.O., N. 20 zu § 19 S. 260). Das in der Einzelfirma investierte Eigenkapital beträgt nach Abzug des mit Fr. 50'010.-- bilanzierten Landes B. per Ende 1990 Fr. 190'271.--. Die Parteien sind sich einig, dass das Eigenkapital mit 5% zu verzinsen ist. Dieser Regelung kann beigetreten werden. Der dem Kanton Basel-Stadt zuzuweisende Vermögensertrag beträgt somit Fr. 9'513.--. d) Der Anteil des Beschwerdeführers an der einfachen Gesellschaft B. ist - wie das der Einzelfirma "X." dienende Vermögen - Geschäftsvermögen (vgl. vorne E. 4c). Nach der vom Bundesgericht sanktionierten Ausscheidungspraxis werden bei Privatvermögen die zur Verrechnung mit Schuldzinsen zur Verfügung stehenden Vermögenserträge genau berechnet. Bei Geschäftsvermögen hingegen werden sie pauschal, aufgrund einer angemessenen Verzinsung des Eigenkapitals, ermittelt ( BGE 97 I 36 E. 3 S. 43 f.). Der Zinssatz beträgt in der Ausscheidungspraxis 5%. Das vom Beschwerdeführer in die einfache Gesellschaft B. investierte Kapital beträgt gemäss Bilanz per 31. Dezember 1990 Fr. 273'884.05 und setzt sich zusammen aus dem eigentlichen Eigenkapital (Fr. 244'000.--) und dem Privatkonto (Fr. 29'884.05). Verzinst mit 5% ergibt dies einen dem Kanton Basel-Stadt zuzuweisenden Kapitalertrag von Fr. 13'694.20. e) Damit stehen den Kantonen Solothurn und Basel-Stadt für die Schuldzinsenverlegung folgende Vermögenserträge zur Verfügung: Vermögenserträge Solothurn Basel-Stadt Total Fr. Fr. Fr. Eigenmietwert: 8'980.-- Bewegliches Privat- vermögen: 893.80 Eigenkapital Ein- zelfirma: 9'513.-- Eigenkapital ein- fache Gesellschaft: 13'694.20 _ _ Total: 9'873.80 23'207.20 33'081.-- BGE 120 Ia 349 S. 359 6. a) Die Gesamtschuldzinsen, die von den Kantonen Solothurn und Basel-Stadt zu übernehmen sind, betragen Fr. 83'822.--. Bei einer Verteilung dieses Betrags auf die Kantone nach Lage der Aktiven ergäbe sich folgende Verlegung: Solothurn Basel-Stadt Total 27,95% = 72,05% = 100% = 23'428.-- 60'394.-- 83'822.-- Diese Beträge übersteigen den auf den Vermögensertrag zu verlegenden Schuldzinsenanteil bei beiden Kantonen. Bei der ersten Verteilung, die nach der Lage der Aktiven, jedoch bis zum Maximalbetrag des jedem Kanton zugewiesenen Vermögensertrags vorzunehmen ist (vgl. vorne E. 5), werden demnach folgende Beträge verlegt: Solothurn Basel-Stadt Total 9'873.80 23'207.20 33'081.-- b) Im vorliegenden Fall ist bei keinem Kanton mehr Vermögensertrag vorhanden, auf den im Rahmen der ersten Verteilung noch keine Schuldzinsen verlegt worden sind, so dass kein Kanton gehalten ist, zusätzliche Schuldzinsen zu Lasten seines Vermögensertrags zu übernehmen. Die Zuweisung zusätzlicher Schuldzinsen auf noch freie Vermögenserträge im Rahmen der zweiten Verteilung kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. c) Die noch nicht verlegten Schuldzinsen sind daher von den beteiligten Kantonen im Rahmen einer weiteren Verteilung zu übernehmen, wobei jeder Kanton in erster Linie jene Schuldzinsen zu Lasten des übrigen Einkommens zu übernehmen hat, die ihm aufgrund der ersten proportionalen Verteilung (nach Lage der Aktiven) zugewiesen worden und die noch nicht mit Vermögensertrag verrechnet sind (vgl. HÖHN, a.a.O., N. 17 zu § 22 S. 308). d) Demnach ergibt sich folgende Schuldzinsenverlegung zu Lasten der Kantone Solothurn und Basel-Stadt: Solothurn Basel-Stadt Total Lage der Aktiven: 27,95% 72,05% 100% Fr. Fr. Fr. Bei Verteilung nach Lage der Aktiven 23'428.-- 60'394.-- 83'822.- BGE 120 Ia 349 S. 360 1. Verteilung: Schuldzinsen (Fr. 83'822.--) verlegt nach Lage der Aktiven bis zu den in den Kantonen vor- handenen Vermö- genserträgen 9'873.80 23'207.20 33'081.-- _ _ _ Unterdeckung ./. 13'554.20 ./. 37'186.80 ./. 50'741.-- 2. Verteilung: Restliche Schuld- zinsen verlegt auf den übrigen Vermögensertrag -.-- -.-- -.-- 3. Verteilung: Restliche Schuldzinsen (Fr. 50'741.--) verlegt nach Lage der Aktiven und soweit noch nicht mit Vermögens- 23'428.-- 60'394.-- 83'822.-- ertrag ver- ./. 9'873.80 ./. 23'207.20 ./. 33'081.-- _ _ _ rechnet 13'554.20 37'186.80 50'741.-- Total der von beiden Kantonen zu überneh- menden Schuld- zinsen 23'428.-- 60'394.-- 83'822.-- (27,95%) (72,05%) (100%)
public_law
nan
de
1,994
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
1452501b-d2ac-4917-9a8d-8bfa2090bb1a
Urteilskopf 136 III 423 61. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. und Y. gegen Z. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_198/2010 vom 23. August 2010
Regeste Art. 264 ZGB ; Adoption Unmündiger. Voraussetzungen zur Adoption eines Kindes durch seine Grosseltern (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 423 BGE 136 III 423 S. 423 A. A.a A. wurde am 24. Januar 2000 als eheliches Kind von Z. und B. geboren. Die Eltern trennten sich ein halbes Jahr nach der Geburt und wurden mit Urteil des Gerichtskreises II Biel-Nidau vom 19. September 2006 geschieden. Dabei wurde die elterliche Sorge der Mutter (geboren 1982) zugesprochen; der Vater verzichtete gemäss Scheidungskonvention auf ein Besuchsrecht, währenddem die Mutter keine Unterhaltsansprüche stellte. Seit der Trennung seiner Eltern wuchs A. bei den Grosseltern mütterlicherseits, X. und Y. (geboren 1939 bzw. 1948), auf, die vollumfänglich für seine Pflege und Erziehung sorgen. Das seit mehreren Jahren dauernde Pflegeverhältnis hat nie zu Beanstandungen Anlass gegeben. Die Mutter von A. wechselte nach der Trennung mehrmals den Wohnort. Im Jahre 2006 unternahm sie einen Selbstmordversuch; in der Folge konnte sie mit Hilfe ihrer Eltern in deren Nähe ziehen und eine Lehre im elterlichen Unternehmen machen. A.b Am 4. Mai 2007 stellten X. und Y. bei der Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern (nachfolgend: JGK) das Gesuch um Adoption ihres Enkels A. Zur Begründung trugen sie vor, dass A. seit der Trennung seiner Eltern bei ihnen aufgewachsen sei und sie für ihn seither wie ein eigenes Kind gesorgt hätten. Die BGE 136 III 423 S. 424 Eltern von A. erteilten die Zustimmung zur Adoption. In der Folge (gestützt auf ein Rechtsmittelverfahren) wurde A. durch eine Fachperson angehört und eine Stellungnahme der weiteren leiblichen Kinder der Gesuchsteller eingeholt. Mit Entscheid vom 16. November 2009 wies die JGK das Adoptionsgesuch ab. B. Gegen den Entscheid der JGK appellierten X. und Y. Mit Entscheid vom 8. Februar 2010 wies das Obergericht des Kantons Bern (Appellationshof, 2. Zivilkammer) die Appellation und das Adoptionsgesuch ab. C. X. und Y. führen mit Eingabe vom 17. März 2010 Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführer 1 und 2 beantragen dem Bundesgericht, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und die Adoption ihres Enkels A. zu bewilligen. Eventuell sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur Beschwerde gibt die Verweigerung der Adoption des Kindes A. durch seine Grosseltern bzw. die Beschwerdeführer. Nach Art. 264 ZGB darf ein Kind adoptiert werden, wenn ihm die künftigen Adoptiveltern während wenigstens eines Jahres Pflege und Erziehung erwiesen haben und nach den gesamten Umständen zu erwarten ist, die Begründung eines Kindesverhältnisses diene seinem Wohl, ohne andere Kinder der Adoptiveltern in unbilliger Weise zurückzusetzen. Vorliegend steht fest, dass die Beschwerdeführer dem Kind bereits während mehrerer Jahre klaglose Pflege und Erziehung erwiesen haben, die anderen leiblichen Kinder der Beschwerdeführer (d.h. nebst der Mutter des Kindes eine weitere Tochter und zwei Söhne) das Adoptionsgesuch unterstützen und die leiblichen Eltern des Kindes mit der Adoption einverstanden sind. Die beschwerdeführenden Grosseltern werfen der Vorinstanz im Wesentlichen vor, die Adoption zu Unrecht mit dem Argument verweigert zu haben, dass der Altersunterschied zu A. zu gross sei und die leibliche Mutter eine sozial-psychische Bindung zum Kind habe. 3.1 Zu Recht haben die kantonalen Instanzen angenommen, dass die Adoption eines Kindes durch seine Grosseltern erlaubt ist. Bei der Adoption eines verwandten Kindes liegen allerdings BGE 136 III 423 S. 425 ausserordentliche Umstände vor. Für deren Würdigung ist ausschliesslich das Kindeswohl massgebend ( BGE 135 III 80 E. 3.3 S. 84), und ein entsprechendes Adoptionsgesuch ist mit besonderer Aufmerksamkeit zu prüfen ( BGE 119 II 1 E. 3b S. 3; MEIER/STETTLER, Droit de la filiation, 4. Aufl. 2009, Rz. 273 S. 135). Es ist anerkannt, dass eine derartige Adoption mit besonderen Risiken behaftet ist (vgl. LAMMERANT, L'adoption et les droits de l'homme en droit comparé, Brüssel 2001, S. 238 Rz. 195). Das Bundesgericht schreitet mit Bezug auf die Würdigung des Kindeswohls (vgl. Art. 4 ZGB ) durch die kantonalen Instanzen nur dann ein, wenn grundlos von den in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abgegangen wird, wenn Tatsachen berücksichtigt werden, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn umgekehrt Umstände ausser Betracht geblieben sind, die hätten beachtet werden müssen (Urteil 5A_619/2008 vom 16. Dezember 2008 E. 5.1, in: FamPra.ch 2009 S. 499; vgl. BGE 126 III 223 E. 4a S. 227/228). 3.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, die Vorinstanz habe unrichtig bzw. unzureichend berücksichtigt, dass die Kindsmutter von ihren Eltern (den Beschwerdeführern) abhängig und nach wie vor nicht in der Lage sei, für das Kind "zu sorgen" oder die "Erziehung zu übernehmen"; sie verfüge nicht über die "charakterlichen Voraussetzungen zur Erziehung", sondern lebe in einer unstabilen Lebenssituation, welche unter anderem im Jahre 2006 zu einem Selbstmordversuch geführt habe. Sodann sei "erstaunlich", dass sich das Gemeinwesen der Adoption widersetzen könne, obwohl alle Beteiligten - gerade auch die Mutter - mit der Adoption einverstanden seien. Diese Vorbringen sind unbehelflich. Vorliegend geht es nicht um die Erziehungsfähigkeiten der Mutter. Sie wird in der Ausübung ihrer elterlichen Sorge seit langem durch die Beschwerdeführer als Pflegeeltern vertreten (vgl. Art. 300 ZGB ). Es ist auch nicht über die Entziehung der elterlichen Sorge von der Mutter von A. (vgl. Art. 311 und Art. 312 ZGB ) und die Übertragung auf die Grosseltern (vgl. zum Vorrecht der Verwandten Art. 380 ZGB ) zu entscheiden. Diese Massnahmen bleiben bis zur Mündigkeit von A. möglich. Wenn die Beschwerdeführer geltend machen, A. müsste "im Heim aufwachsen", wenn sie als Grosseltern nicht für ihn sorgen würden, so blenden sie aus, dass mit der Adoption die rechtliche Beziehung zu seiner leiblichen Mutter gerade endgültig aufgehoben wird. Ebenso wenig kann der grosse Einsatz der Grosseltern - wie sie ausführen - eine "Legitimierung" für die Adoption darstellen. Dieser liegt BGE 136 III 423 S. 426 zwar im Interesse des Kindes und kann (wie beschrieben) zu familienrechtlichen Massnahmen führen. Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang aber allein, ob es im Interesse des Kindes liegt, das rechtliche Band zu den leiblichen Eltern zu durchtrennen und durch ein solches zu den Grosseltern zu ersetzen (vgl. HEGNAUER, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1964, N. 15 zu Art. 264 ZGB ). 3.3 Einem Adoptionsgesuch der Grosseltern ist in der Regel nicht zu entsprechen, wenn die leibliche Mutter bzw. der leibliche Vater im Haushalt der Grosseltern oder in deren Nähe wohnt und sie oft besucht ( BGE 119 II 1 E. 4b S. 4). Der Abbruch persönlicher Beziehungen ist zwar keine förmliche Adoptionsvoraussetzung (BIDERBOST, in: Handkommentar zum Schweizerischen Privatrecht, 2007, N. 17 zu Art. 264 ZGB ), aber eine Familiengemeinschaft, in der die leiblichen Eltern auch nach der Adoption ihres Kindes tatsächlich dessen Entwicklung mitverfolgen können, ist in hohem Masse konfliktgefährdet (FRANK, Grenzen der Adoption, Rechtsvergleichende Untersuchung zur Schutzbedürftigkeit faktischer Eltern-Kind-Verhältnisse, 1978, S. 136; MEULDERS-KLEIN, Le printemps des grands-parents et le droit, in: Mélanges Grossen, 1992, S. 178). Das Bundesgericht hat - gestützt auf die in BGE 119 II 1 ff. festgelegten Grundsätze - in einem Urteil aus dem Jahre 1998 betreffend eine Enkeladoption betont, dass die Qualifikation der bestehenden Beziehung (partnerschaftlich, autoritär, etc.) zwischen dem zu Adoptierenden und seiner Mutter nicht ausschlaggebend sei (Urteil 5C.146/1998 vom 27. Juli 1998 E. 4). Ebenso wurden die Adoption eines Bruders (Urteil 5A_619/2008 vom 16. Dezember 2008 E. 5.3, in: FamPra.ch 2009 S. 500) oder die Bewilligung des Adoptionspflegeverhältnisses für einen Neffen verweigert (Urteil 5A.35/2004 vom 4. Februar 2005 E. 4.2, in: FamPra.ch 2005 S. 949), weil ein Bestehen bzw. Fortdauern wesentlicher Beziehungen zu den leiblichen Eltern bzw. zu einem Elternteil feststanden. 3.3.1 Im angefochtenen Urteil wird nichts über das Bestehen einer Beziehung von A. zu seinem leiblichen Vater erwähnt. Nach den Ausführungen der Beschwerdeführer sollen keine entsprechenden persönlichen Beziehungen bestehen und gehe aus den Akten hervor, dass die leibliche Mutter keine Mutter-Kind-Beziehung aufgebaut habe. Was die Beziehung zwischen A. und seiner Mutter anbelangt, so hat das Obergericht - für das Bundesgericht verbindlich - festgestellt, dass die beiden sich regelmässig sehen, die Mutter in der Nähe wohnt und diese immer wieder, wenn auch vielleicht nur BGE 136 III 423 S. 427 zum Essen, Kontakt mit A. hat. Anlässlich der Anhörung hat A. zu verstehen gegeben, dass er mit seiner leiblichen Mutter ("Mama") gut auskomme. Wenn das Obergericht gestützt auf diese tatsächlichen Umstände auf das Bestehen einer gelebten sozial-psychischen Beziehung zwischen A. und seiner Mutter geschlossen und gefolgert hat, diese Beziehung spreche gegen die Annahme, dass die Adoption durch die Grosseltern im Interesse des Kindes liegt, kann insoweit nicht von einer Rechtsverletzung gesprochen werden. 3.3.2 Nach Lehre und Rechtsprechung kann sich eine Adoption als im Interesse des Kindes erweisen, wenn die leibliche Mutter bzw. der leibliche Vater angesichts des jugendlichen Alters oder des geistigen Zustandes überhaupt nicht fähig ist, eine normale soziale und psychische Beziehung zum Kind aufzubauen ( BGE 119 II 1 E. 4b S. 4; HEGNAUER, a.a.O., N. 17 zu Art. 264 ZGB ). Darauf berufen sich die Beschwerdeführer und machen geltend, die Mutter von A. sei bei der Geburt äusserst jung (knapp 18 Jahre alt) gewesen, sei dies auch heute noch und in erster Linie mit sich selbst beschäftigt. Die Vorinstanz hat indessen festgestellt, dass keine Anhaltspunkte für eine gravierende psychische Abnormität der Mutter vorlägen. Sie habe ein Handelsdiplom erworben, mache eine Weiterbildung und arbeite im Betrieb der Eltern; sie könne sich (mit 28 Jahren) im Berufsalltag behaupten und normale soziale Kontakte pflegen. Unter diesen Umständen geht der Vorwurf, das Obergericht habe eine grundsätzliche Beziehungs un fähigkeit der Mutter zu ihrem Kind übergangen, fehl. Insoweit besteht kein Anlass, in das Ermessen des kantonalen Gerichts einzugreifen, wenn dieses erwogen hat, die bestehende Beziehung zwischen A. und seiner leiblichen Mutter spreche gegen die Adoption. 3.4 Die Beschwerdeführer bezeichnen die Überlegung der Vorinstanz, die leibliche Mutter verspüre vielleicht eines Tages doch das Bedürfnis, sich intensiver um ihren Sohn zu kümmern, als reine Spekulation. 3.4.1 Im Falle einer Verwandtenadoption zu Lebzeiten der leiblichen Eltern ist eine Prognose über die Entwicklung des persönlichen Kontaktes zwischen Mutter und Kind in der Tat kaum möglich (vgl. FRANK, a.a.O., S. 137, 173). Zu Recht haben daher die kantonalen Behörden untersucht, welche äusseren Umstände die Adoption von A. durch seine Grosseltern wirklich notwendig machen, denn je mehr die Freigabe eines Kindes von äusseren Umständen BGE 136 III 423 S. 428 erzwungen war, umso eher kann sie vom - grösser werdenden - Kind verstanden werden und desto weniger beeinträchtigt sie das Selbstwertgefühl des Adoptierten (DETTENBORN/WALTER, Familienrechtspsychologie, 2002, S. 275). Auf diese entscheidende Überlegung des Obergerichts gehen die Beschwerdeführer nicht ein. Ihr Hinweis, die Beziehung der leiblichen Mutter zu A. sei "äusserst locker", währenddem die Beziehung zu ihnen als Grosseltern "viel enger" sei, ist unbehelflich. Damit ist nicht dargetan, dass das Obergericht mit Blick auf mögliche zukünftige Entwicklungen das Interesse von A. das Kindesverhältnis zu seiner Mutter aufzuheben und durch ein solches zu den Grosseltern zu ersetzen bzw. seine Mutter rechtlich zur Schwester werden zu lassen, missachtet habe. 3.4.2 Die Beschwerdeführer kritisieren in diesem Zusammenhang, dass die Vorinstanz den Äusserungen der Mutter nicht allzu grosses Gewicht beigemessen habe. Das Obergericht habe nicht beachtet, dass die Mutter die Verantwortung für ein Kind gar nicht suche und (im Schreiben vom 17. Dezember 2009 an die JKG) darauf hingewiesen habe, dass "die Eltern an ihre Stelle" getreten seien. Die Beschwerdeführer übergehen allerdings, dass die Benennung der eigentlichen Motive zur Freigabe des Kindes schwierig zu ergründen sind, wie oft in Fällen psychischer Überforderung, oder wenn das Elternhaus der Mutter die erzieherischen Kompetenzen abspricht (DETTENBORN/WALTER, a.a.O., S. 269). Darauf hat die Erstinstanz für den konkreten Fall hingewiesen. Auch die Vorinstanz durfte dies berücksichtigen, zumal der Beschwerdeführer 1 in der Appellationsschrift erklärt, bereits seine Mutter habe sich nicht um ihn (Beschwerdeführer 1) gekümmert und seine Tochter, die Mutter von A. habe den "gleichen Charakter", insbesondere was die Beziehungsprobleme mit Männern betreffe, obwohl sie in einer intakten Familie aufgewachsen sei. Sodann wird im angefochtenen Entscheid eine gewisse Abhängigkeit der Mutter von A. von ihren Eltern, den Beschwerdeführern festgestellt und hat die Mutter (jedenfalls mit dem Selbstmordversuch im Jahre 2006) psychische Probleme zum Ausdruck gebracht. Ferner schliesst die Mutter (im erwähnten Schreiben vom 17. Dezember 2009) nicht aus, "für A. da zu sein, wenn meinen Eltern etwas zustossen würde". Wenn das Obergericht demnach eine vorsichtige Würdigung der Äusserungen der leiblichen Mutter vorgenommen und miterwogen hat, dass sie sich später vielleicht wieder vermehrt um A. kümmern will, hält sich dies im Rahmen des Ermessens, über welches die Vorinstanz verfügt. BGE 136 III 423 S. 429 3.5 Sodann hat das Obergericht - entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer - die Bewilligung zur Adoption nicht allein wegen des Altersunterschiedes verweigert. Es hat zum Altersunterschied von 61 bzw. 52 Jahren jedoch seine Bedenken zum Ausdruck gebracht ("es drängt sich die Frage auf ...") . Dies ist nicht zu beanstanden. HEGNAUER hat bei einer Enkeladoption den Altersunterschied von 53 und 49 Jahren als gross, aber gerechtfertigt bezeichnet, weil das Kind im betreffenden Fall rechtlich vaterlos und die Mutter früh gestorben war und sich in einer ungesicherten Situation befand (ZVW 1994 S. 123). Wenn hier das Obergericht den Altersunterschied für die Adoption als eher problematisch erachtet hat, ist dieses Kriterium - gerade vor dem Hintergrund der bestehenden Beziehung zwischen der Mutter und dem Kind - nicht in sachwidriger Weise gewürdigt worden. Die Beschwerdeführer bringen weiter vergeblich vor, die Vorinstanz habe die durch die Adoption bessere finanzielle Absicherung von A. nicht berücksichtigt. Aus den Erwägungen der JGK - auf welche das Obergericht verwiesen hat - geht hervor, dass finanzielle bzw. erbrechtliche Wirkungen der Adoption des Kindes nur sekundäre Bedeutung haben (vgl. HEGNAUER, a.a.O., N. 60 zu Art. 264 ZGB ). Sodann sei die Befürchtung, dass die leiblichen Eltern sich bei frühem Versterben der Grosseltern "Zugang zu den (dem Grosskind vererbten) Vermögenswerten verschaffen", unbegründet, zumal entsprechende Massnahmen zum Schutz des Kindesvermögen (Art. 324 f. ZGB) angeordnet werden könnten. Dies lassen die Beschwerdeführer beiseite; sie legen nicht dar, inwiefern das Obergericht hier für das Kindeswohl wesentliche Gesichtspunkte übergangen habe. 3.6 Schliesslich werfen die Beschwerdeführer dem Obergericht eine Verletzung des Willkürverbotes und Gehörsanspruches (Art. 9 bzw. Art. 29 Abs. 2 BV ) vor, u.a. weil es den Antrag auf ihre persönliche Anhörung, eine persönliche Anhörung der leiblichen Mutter und eine zweite Anhörung von A. abgewiesen habe. 3.6.1 Die Beschwerdeführer machen geltend, ihre persönliche Anhörung könne aufzeigen, dass sie in der Lage seien, A. zu erziehen, und die zweite Anhörung des Kindes könne belegen, dass die Beziehung während der Dauer des Verfahrens zwischen ihnen und A. noch tiefer geworden sei und wie sich das Kind entwickelt habe. Die Vorbringen gehen fehl. Die Vorinstanz hat die Beweisanträge mit der Begründung abgewiesen, dass die Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführer nicht in Frage stehe und unbestritten sei, dass sie BGE 136 III 423 S. 430 vollumfänglich in der Lage seien, für das Kind zu sorgen, und dass A. eine enge und gute Bindung zu ihnen habe. Die Beschwerdeführer übergehen, dass der Sachverhalt insoweit als abgeklärt betrachtet wurde, und legen nicht dar, inwiefern es für die Nichtabnahme weiterer Beweismittel durch das Obergericht an einer sachlichen Begründung fehle (vgl. BGE 114 II 291 E. 2a S. 291). 3.6.2 Sodann hat bereits die JGK festgehalten, dass Gegenstand des Berichts ("Abklärungsbericht Familienpflegeplätze") des Regionalen Sozialdienstes Büren vom 12. Februar 2008 die Eignung der Beschwerdeführer als Pflegeeltern gewesen sei, und nichts enthalte, was den Schluss zulasse, A. ginge es mit einer Adoption besser als ohne. Inwiefern die Würdigung dieses Berichts, welche das Obergericht zu seiner eigenen gemacht hat, in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich unhaltbar bzw. willkürlich sei (vgl. BGE 128 I 81 E. 2 S. 86), legen die Beschwerdeführer nicht dar. Entgegen ihrer Darstellung hat das Obergericht den Wunsch der Mutter, A. zur Adoption freizugeben, berücksichtigt. Es hat festgehalten, dass beide Eltern die Zustimmung zur Adoption gegeben haben, so dass von willkürlicher Sachverhaltsfeststellung nicht gesprochen werden kann. 3.7 Zusammenfassend ergibt sich, dass dem Obergericht keine schematische Entscheidfindung vorgeworfen werden kann. Seine Würdigung der konkreten Verhältnisse (vgl. Art. 268a ZGB ) mit Blick auf das Kindeswohl hält vor den bundesrechtlichen Voraussetzungen zur Adoption ( Art. 264 ZGB ) stand. Das kantonale Gericht hat sein Ermessen nicht verletzt, wenn es keine hinreichenden Umstände erblickt hat, welche das Interesse von A. am Erlöschen des Kindesverhältnisses zur leiblichen Mutter an der Begründung eines neuen Kindesverhältnisses zu den Grosseltern überwiegen lassen. Andere Rechtsverletzungen werden nicht hinreichend begründet, im Übrigen auch nicht, inwiefern die EMRK den Beschwerdeführern ein Recht auf Adoption eines Kindes garantiere und dieses Recht verletzt worden sei.
null
nan
de
2,010
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
1452927c-ab64-4a14-842a-9c40654d1d36
Urteilskopf 122 V 281 42. Urteil vom 17. September 1996 i.S. Kanton Luzern gegen Ausgleichskasse Luzern und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Regeste Art. 5 Abs. 2 und 9 Abs. 1 AHVG. Die Honorare der Chefärzte, Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte für die stationäre Behandlung von Patienten der Privatabteilung in den Heilanstalten des Kantons Luzern stellen Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit dar.
Sachverhalt ab Seite 281 BGE 122 V 281 S. 281 A.- Am 1. Januar 1990 trat das im Rahmen des Personalgesetzes vom 13. September 1988 teilrevidierte luzernische Gesundheitsgesetz (GesG) in Kraft. Danach regelt der Regierungsrat die Rechte und Pflichten der Ärzte an den kantonalen Heilanstalten (§ 63a Abs. 1 GesG). Er kann laut Abs. 2 derselben Bestimmung den Chefärzten und Leitenden Ärzten bewilligen, in angemessenem Umfang privatärztlich tätig zu sein. Gestützt auf § 63a GesG erliess der Regierungsrat am 25. Januar 1991 die Verordnung über die Rechte und Pflichten der Chefärzte, Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte des Kantons (Chefarztverordnung; ChVo), welche am 1. Februar 1991 in Kraft trat. § 47 dieser Verordnung hält unter der Überschrift "Sozialabgaben" fest: "Die Honorare des Bewilligungsinhabers aus privatärztlicher Tätigkeit gelten als Einkommen aus selbständiger BGE 122 V 281 S. 282 Erwerbstätigkeit." Bewilligungsinhaber sind gemäss § 34 ChVo die Chefärzte, Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte. Dementsprechend bezahlte der Kanton Luzern ab 1. Juli 1991, auf welchen Zeitpunkt die bestehenden Dienstverhältnisse mit den Chefärzten, Co-Chefärzten und Leitenden Ärzten an die neue Regelung angepasst wurden (§ 56 ChVo), keine paritätischen Sozialversicherungsbeiträge auf deren Einkommen mehr, soweit diese aus privatärztlicher Tätigkeit stammten. Mit Verfügung vom 28. Februar 1992 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Luzern im Anschluss an eine Arbeitgeberkontrolle bei den kantonalen Heilanstalten den Kanton zur Entrichtung paritätischer und FAK-Beiträge in der Höhe von Fr. 587'648.95 auf nicht abgerechneten Arbeitsentgelten für das zweite Halbjahr 1991 von Fr. 4'856'141.-- (Honorare von stationären Privat- und Halbprivatpatienten [§ 36 Abs. 1 lit. a ChVo] sowie Beteiligungen an Pooleinnahmen [§ 42 Abs. 1 ChVo]). Die von dieser Anordnung betroffenen Ärzte erhielten unter dem gleichen Datum je eine Verfügung mit den sie persönlich betreffenden und beim Kanton Luzern als Arbeitgeber nacherfassten Honoraren mit dem Hinweis auf die Beschwerdemöglichkeit. B.- Hiegegen erhob der Kanton Luzern, vertreten durch den Regierungsrat und dieser wiederum durch das Gesundheitsdepartement, Beschwerde beim kantonalen Verwaltungsgericht und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Nachzahlungsverfügung. Am 4. Oktober 1993 sistierte das Gericht das Verfahren bis zum Abschluss des staatsrechtlichen Beschwerdeverfahrens betreffend die steuerrechtliche Qualifikation der Honorareinnahmen eines Chefarztes des Kantonsspitals aus der Behandlung stationärer Privatpatienten. Nach Vorliegen des Urteils des Bundesgerichts in dieser Sache wurde die Sistierung am 24. Mai 1995 aufgehoben. Mit Entscheid vom 7. Dezember 1995 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Kantons ab. C.- Der Kanton Luzern führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben, soweit er sich auf Bundesrecht stützt. Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 11 der 17 betroffenen Ärzte haben als Mitinteressierte eine auf Abweisung des Rechtsmittels lautende Vernehmlassung einreichen lassen. D.- Eine beim Bundesgericht eingereichte staatsrechtliche Beschwerde des Kantons Luzern betreffend die Beiträge an die kantonale BGE 122 V 281 S. 283 Familienausgleichskasse ist vom Präsidenten der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung bis zum Vorliegen des Urteils des Eidg. Versicherungsgerichts sistiert worden. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Kognition) 2. a) Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht Erwerbstätiger richtet sich unter anderem danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Erwerbseinkommen als solches aus selbständiger oder aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist ( Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff. AHVV ). Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt als massgebender Lohn jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit; als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gilt nach Art. 9 Abs. 1 AHVG jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt. Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht aufgrund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien. Entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein. Als unselbständig erwerbstätig ist im allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt. Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die beitragsrechtliche Stellung eines Erwerbstätigen jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zutage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen ( BGE 119 V 162 Erw. 2 mit Hinweisen). b) Charakteristische Merkmale einer selbständigen Erwerbstätigkeit sind die Tätigung erheblicher Investitionen, die Benützung eigener Geschäftsräumlichkeiten sowie die Beschäftigung von eigenem Personal ( BGE 119 V 163 Erw. 3b). Das spezifische Unternehmerrisiko BGE 122 V 281 S. 284 besteht dabei darin, dass unabhängig vom Arbeitserfolg Kosten anfallen, die der Versicherte selber zu tragen hat (ZAK 1986 S. 333 Erw. 2d, 121 Erw. 2b). Von unselbständiger Erwerbstätigkeit ist auszugehen, wenn die für den Arbeitsvertrag typischen Merkmale vorliegen, d.h. wenn der Versicherte Dienst auf Zeit zu leisten hat, wirtschaftlich vom "Arbeitgeber" abhängig ist und während der Arbeitszeit auch in dessen Betrieb eingeordnet ist, praktisch also keine andere Erwerbstätigkeit ausüben kann (REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 12. Aufl., S. 34 ff.; VISCHER, Der Arbeitsvertrag, SPR VII/1, S. 306). Indizien dafür sind das Vorliegen eines bestimmten Arbeitsplans, die Notwendigkeit, über den Stand der Arbeiten Bericht zu erstatten, sowie das Angewiesensein auf die Infrastruktur am Arbeitsort (ZAK 1982 S. 185). Das wirtschaftliche Risiko des Versicherten erschöpft sich diesfalls in der (alleinigen) Abhängigkeit vom persönlichen Arbeitserfolg (ZAK 1986 S. 121 Erw. 2b, S. 333 Erw. 2d) oder, bei einer regelmässig ausgeübten Tätigkeit, darin, dass bei Dahinfallen des Erwerbsverhältnisses eine ähnliche Situation eintritt, wie dies beim Stellenverlust eines Arbeitnehmers der Fall ist ( BGE 119 V 163 Erw. 3b; vgl. zum ganzen BGE 122 V 169 ). 3. Die beitragsrechtliche Qualifikation des Erwerbseinkommens aus spitalärztlicher Tätigkeit bestimmt sich nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten, unter welchen der Arzt ein Entgelt erzielt. Die Frage des Beitragsstatuts beurteilt sich nicht aufgrund eines einzelnen Kriteriums. Vielmehr ist auf der Basis des privat- oder öffentlichrechtlichen Anstellungsvertrages, dem Hinweiswert zukommt (KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, Bern 1989, Rz. 4.36), sowie unter Würdigung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse abzuklären, welche Abgrenzungskriterien überwiegen und damit den Ausschlag geben (SCHAEPPI, Die AHV-rechtliche Qualifikation der Einkommen von Spitalärzten und die Rückwirkung auf die Abrechnung der AHV-Beiträge ab 1. Januar 1984, in: Schweizerische Ärztezeitung Bd. 64 [1983] S. 1958; EICHENBERGER, Die Rechtsstellung des Arztes am öffentlichen Spital, Diss. Bern 1995, S. 155 ff.). Nach der Rechtsprechung gehören zum massgebenden Lohn sämtliche Vergütungen, die der Arzt in abhängiger Stellung erzielt, zum Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit dagegen die Einkünfte aus der eigenen Praxis. Entgelte, die ein Arzt in seiner Stellung als Chefarzt vom Spital bezieht, stellen in der Regel massgebenden Lohn dar, auch soweit es sich um Anteile an BGE 122 V 281 S. 285 Operations- und Röntgentaxen oder um Zuschläge für Privatpatienten handelt. Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit bilden dagegen die Honoraransprüche des Chefarztes aus der ambulanten Behandlung in der privaten Praxis im Spital, die ihm unmittelbar gegenüber den Patienten zustehen und für welche er das wirtschaftliche Risiko (Uneinbringlichkeit der Honorare [Delkredererisiko]) trägt ( BGE 101 V 254 Erw. 1b; EVGE 1967 S. 80; ZAK 1988 S. 291, 1983 S. 195, 1979 S. 143; unveröffentlichtes Urteil F. vom 5. März 1982; HONSELL, Handbuch des Arztrechts, S. 295). 4. Die Chefärzte, Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte der Luzerner Spitäler stehen in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis (§ 2 ChVo). Ihre Besoldung stellt fraglos massgebenden Lohn dar. Umstritten ist, ob die Honorare der Chefärzte, Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte aus der stationären Behandlung von Privatpatienten der I. und II. Klasse der Privatabteilungen der kantonalen Heilanstalten (§ 36 Abs. 1 lit. a ChVo) und ihre Beteiligung an den Pooleinnahmen (§ 42 Abs. 1 ChVo) beitragsrechtlich als Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren sind. 5. a) Das Eidg. Versicherungsgericht hat in dem in ZAK 1983 S. 195 veröffentlichten Urteil V. vom 18. November 1982 die Honorare des damaligen Chefarztes der chirurgischen Klinik des Kantonsspitals Luzern für die Behandlung von stationären Patienten der Privatabteilungen des Spitals als massgebenden Lohn qualifiziert. Es hat dazu im wesentlichen erwogen, der Chefarzt betreue die stationären Privatpatienten nicht in der Art und Eigenschaft eines freierwerbenden Arztes, sondern als Patienten des Spitals im Rahmen der kantonalrechtlichen Auflagen und der vom Spital diesen gegenüber übernommenen Verpflichtungen. Er könne nicht frei darüber bestimmen, ob er einen Patienten in eine der Privatabteilungen aufnehmen wolle oder nicht. Die Privatabteilungen seien nicht einfach eine dem Chefarzt innerhalb des Spitals zur Verfügung gestellte Privatpraxis oder Privatklinik, sondern Abteilungen der Chirurgischen Klinik und somit des Spitals, an deren Bestehen der Kanton ein gewichtiges Interesse habe. Seine dienstliche Funktion erstrecke sich auf die Privatabteilungen in gleichem Masse wie auf die allgemeine Abteilung der Chirurgischen Klinik. Dies spreche gegen die Qualifikation der stationären Behandlung von Privatpatienten als selbständige Erwerbstätigkeit. Hinzu komme, dass der Chefarzt mit Bezug auf die Privatabteilung in gleicher Weise wie für die allgemeine Abteilung der Verwaltungsdirektion und dem BGE 122 V 281 S. 286 Sanitätsdepartement sowie der ärztlichen Aufsichtskommission unterstehe, mithin grundsätzlich weisungsgebunden sei. Sodann sei er bei der Führung der Privatabteilungen insofern nicht frei, als er das Personal nicht selber wählen und entlassen könne und auch für die Anschaffung von Einrichtungen lediglich ein Antragsrecht habe. Weiter sei er verpflichtet, die ärztliche Tätigkeit in den Räumlichkeiten und mit Hilfe der Einrichtungen des Spitals auszuüben. Schliesslich trage er keinerlei Risiko für finanzielle Fehldispositionen; er habe in den Privatabteilungen kein Kapital zu investieren. Aus der Qualifikation der Tätigkeit des Beschwerdeführers als dienstliche Pflicht sowie den übrigen Umständen (betriebsorganisatorische Unterordnung, fachliche Aufsicht, weitgehend fehlendes Unternehmerrisiko usw.) ergebe sich, dass bezüglich der Behandlung der stationären Privatpatienten die Elemente unselbständiger Erwerbstätigkeit überwögen, während die Merkmale für selbständige Erwerbstätigkeit, insbesondere das Risiko eines Einkommensverlustes bei Uneinbringlichkeit von Honoraren deutlich in den Hintergrund träten. b) aa) Die vorstehenden Erwägungen gelten weitgehend auch für die Zeit der hier streitigen Nacherfassung (1. Juli bis 31. Dezember 1991). Die auf den 1. Januar 1990 bzw. 1. Februar 1991 in Kraft getretene Teilrevision des ärztlichen Personalrechts hat sich weder auf die Stellung noch die Tätigkeit der Chefärzte, Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte in den kantonalen Heilanstalten wesentlich ausgewirkt. Namentlich hat die in der Chefarztverordnung (ChVo) getroffene Unterscheidung zwischen dienstlichen Aufgaben einerseits und privatärztlicher Tätigkeit anderseits (vgl. §§ 1 f., 36 und 38 ChVo) nichts daran geändert, dass die Verantwortung für die fachgerechte ärztliche Untersuchung, Behandlung und Betreuung der Patienten seiner Klinik oder Abteilung, seines Instituts oder Dienstes, beim Chefarzt liegt und zwar ungeachtet der Pflegeklasse (§ 5 ChVo). Es besteht somit grundsätzlich auch für die eigene privatärztliche Tätigkeit im Sinne der stationären Behandlung von Patienten der I. und II. Klasse der Privatabteilung (§ 36 Abs. 1 lit. a ChVo) eine fachliche Verantwortung gegenüber dem Spital, was ein gewichtiges Indiz für unselbständige Erwerbstätigkeit darstellt. Daran ändert nichts, dass eine hierarchische Unterstellung mit ständiger Kontrollmöglichkeit durch die verantwortlichen Spitalorgane bzw. durch die Wahlbehörde während der Arbeitsleistung des Chefarztes schon wegen der hohen qualitativen Ansprüche an dessen eigenverantwortliche Berufsausübung praktisch nicht möglich ist (vgl. EVGE 1967 BGE 122 V 281 S. 287 S. 82 Erw. 4c). Freie Berufsausübung setzt nicht selbständige Tätigkeit voraus (EICHENBERGER, a.a.O., S. 155). bb) Im weitern trifft zwar zu, dass seit der Änderung des Gesundheitsgesetzes und der entsprechend angepassten Verordnungen die Chefärzte, Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte die (bewilligte) privatärztliche Tätigkeit nicht mehr im Rahmen des öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen Spital und Patient, sondern auf privatrechtlicher Grundlage (vgl. § 65 Abs. 1 GesG), insbesondere in eigenem Namen und auf eigene Rechnung (§ 35 Abs. 1 ChVo) ausüben. Ein sogenanntes gespaltenes Rechtsverhältnis (vgl. HONSELL, a.a.O., S. 292 sowie ZAK 1983 S. 197 Erw. 2) ist jedoch entgegen der Auffassung des beschwerdeführenden Kantons aus beitragsrechtlicher Sicht nicht von entscheidender Bedeutung. Wie in Erw. 2a hievor dargelegt, kommt es nicht auf die Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen Arzt und Patient an; massgebend ist allein die tatsächliche Ausgestaltung ihrer gegenseitigen Rechtsbeziehungen ( BGE 119 V 164 Erw. 3c). Ein Auftragsverhältnis schliesst nicht per se die Qualifikation des Beauftragten als Unselbständigerwerbender aus ( BGE 122 V 175 Erw. 6a/aa). Soweit aus ZAK 1983 S. 195 gefolgert werden könnte, ein gespaltenes Rechtsverhältnis stelle ein wesentliches Element für selbständige Erwerbstätigkeit dar, kann dem nicht beigepflichtet werden. Sodann ist davon auszugehen, dass das Risiko der Uneinbringlichkeit von Honoraren aus der privatärztlichen Tätigkeit schon vor der Revision des ärztlichen Personalrechts bei den betreffenden Ärzten lag; die Spitalverwaltung übernahm, wie nun ausdrücklich in § 45 ChVo festgehalten wird, lediglich die Rechnungstellung und das Inkasso. Schliesslich gilt zu beachten, dass gemäss § 65 Abs. 2 GesG unabhängig von der Art des Rechtsverhältnisses, insbesondere somit auch im Bereich der privatärztlichen Tätigkeit, bei rechtswidriger Schädigung des Patienten das kantonale Haftungsrecht, inbegriffen das Rückgriffsrecht, angewendet wird, wobei Forderungen für Schadenersatz und Rückgriff innert 5 Jahren geltend zu machen sind. Diese für öffentlichrechtliche Dienstverhältnisse charakteristische Haftungsregelung (HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Rz. 1739 und 1798), welcher im zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis die Hilfspersonen- und Geschäftsherrenhaftung des Arbeitgebers entspricht ( Art. 101 und 55 OR ; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II, 6. Aufl., Rz. 2852 und 2886; vgl. BGE 113 II 424 ), ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass bei der stationären Behandlung und BGE 122 V 281 S. 288 Betreuung von Patienten der allgemeinen und der Privatabteilung unselbständige Erwerbstätigkeit vorliegt. cc) Für eine einheitliche beitragsrechtliche Qualifikation der gesamten spitalärztlichen Tätigkeit der Chefärzte, Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte spricht schliesslich der Umstand, dass sie die privatärztliche Tätigkeit in den Räumen, mit den Einrichtungen und dem Personal ihrer Klinik oder Abteilung, ihres Instituts oder Dienstes auszuüben haben (§ 39 ChVo). Dabei besteht kein Anspruch auf Zuteilung einer bestimmten Anzahl Betten in der I. Klasse der Privatabteilung, und in der II. Klasse stehen den betreffenden Ärzten Betten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten zur Verfügung (§ 49 ChVo). Zu dieser betriebswirtschaftlichen Abhängigkeit kommt eine arbeitsorganisatorische, indem sich die Ausübung der privatärztlichen Tätigkeit nach den Bedürfnissen des Spitals zu richten hat; insbesondere dürfen dadurch die dienstlichen Aufgaben nicht beeinträchtigt werden (vgl. § 38 ChVo). Die im Zusammenhang mit der auch im angefochtenen Entscheid bejahten arbeitsorganisatorischen Abhängigkeit (Behandlungspflicht und Weisungsgebundenheit) erhobene Rüge der unvollständigen Sachverhaltsabklärung durch die Vorinstanz (u.a. keine Edition der Wahlakte der Chefärzte) ist unbegründet. Die vor dem Eidg. Versicherungsgericht aufgelegten Muster der Wahlakte Chefarzt und Co-Chefarzt bzw. Leitender Arzt enthalten hinsichtlich der hier zu entscheidenden Rechtsfrage keine Hinweise. Im weitern wird nicht näher begründet und ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Stellenbeschreibungen und Organisationsschemata der betreffenden Ärzte (vgl. §§ 4 und 24 ChVo) Merkmale für selbständige Erwerbstätigkeit enthalten. Von einer Aktenergänzung, insbesondere der Einholung eines Amtsberichtes der Verwaltungsdirektionen ist daher abzusehen. c) Entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung lässt die kantonalrechtliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen den kantonalen Heilanstalten und ihren Chefärzten, Co-Chefärzten und Leitenden Ärzten keine entscheidrelevanten Schlüsse auf die beitragsrechtliche Qualifikation der privatärztlichen Tätigkeit, soweit sie die stationäre Behandlung von Privatpatienten betrifft, zu. Massgebend sind einzig die einschlägigen bundesrechtlichen Vorschriften des AHV-Rechts und die von der Rechtsprechung dazu entwickelten Grundsätze (vgl. Erw. 2a hievor). Kantonale Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen vermögen Bundesrecht ebensowenig zu derogieren wie Vereinbarungen BGE 122 V 281 S. 289 aus dem kantonalen öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis (nicht veröffentlichtes Urteil Kanton Bern vom 5. August 1991). Es kann folglich auch nicht darauf ankommen, dass gemäss § 47 ChVo die Honorare aus privatärztlicher Tätigkeit als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gelten und - daher - die berufliche Vorsorge für diese Einnahmen Sache der betreffenden Ärzte ist (§ 20 Abs. 3 und § 33 ChVo). d) Nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag der Beschwerdeführer schliesslich aus dem Umstand, dass die Abgaberechtliche Abteilung der Vorinstanz mit Entscheid vom 23. April 1993 (bestätigt vom Bundesgericht mit Urteil vom 28. März 1995) die Honorareinnahmen des ehemaligen Chefarztes der chirurgischen Klinik des Kantonsspitals (Prof. Dr. med. V.) aus der stationären Behandlung von Privatpatienten für die Steuerjahre 1985 bis 1990 als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit qualifizierte. Wie die Vorinstanz zutreffend festhält, erscheint es an sich zwar als erstrebenswert, die Abgrenzung zwischen dem Einkommen aus unselbständiger und jenem aus selbständiger Erwerbstätigkeit im AHV-Beitragsrecht und im Steuerrecht nach Möglichkeit jedenfalls dort in analoger Weise vorzunehmen, wo eine unterschiedliche Qualifikation als sachlich nicht begründet erscheint. Dies gilt namentlich dort, wo die Beitragsverfügung auf der steueramtlichen Ermittlung und Meldung von Erwerbseinkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit beruht ( Art. 23 Abs. 4 AHVV ). Die steuerrechtliche Qualifikation von Einkommen bindet jedoch die Organe der AHV und den Sozialversicherungsrichter nicht ( BGE 114 V 75 Erw. 2, BGE 110 V 371 Erw. 2a; AHI 1993 S. 233 Erw. 3b); sie stellt lediglich ein, wenn auch gewichtiges Indiz im Rahmen der Würdigung der gesamten wirtschaftlichen Gegebenheiten dar (ZAK 1990 S. 40 Erw. 5). Im vorliegenden Fall kommt der steuerlichen Erfassung der Honorare eines Chefarztes für die stationäre Behandlung von Privatpatienten als selbständiges Erwerbseinkommen kein entscheidendes Gewicht zu. Aus den erwähnten Steuerentscheiden ergeben sich im übrigen keine neuen, in diesem Verfahren nicht berücksichtigte Gesichtspunkte. e) Nach dem Gesagten überwiegen bei der privatärztlichen Tätigkeit der Chefärzte in den kantonalen Heilanstalten, soweit sie sich auf die stationäre Behandlung von Patienten der I. und II. Klasse der Privatabteilung bezieht, die Elemente für eine unselbständige Erwerbstätigkeit. Die entsprechenden Honorare stellen daher beitragsrechtlich massgebenden Lohn dar. Gleiches gilt für das BGE 122 V 281 S. 290 Einkommen der Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte aus der betreffenden Tätigkeit. 6. Mit der vom kantonalen Gericht bestätigten Beitragsverfügung sind auch die Beteiligung der Chefärzte, Co-Chefärzte und Leitenden Ärzte an den sogenannten Pooleinnahmen im 2. Halbjahr 1991 als Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit erfasst worden. § 42 ChVo bestimmt dazu: Lassen sich die privatärztlichen Leistungen des Bewilligungsinhabers [Chefarzt, Co-Chefarzt oder Leitender Arzt] nicht oder nur mit Schwierigkeiten von den ärztlichen Leistungen der Ober- und Assistenzärzte unterscheiden, kann im Wahlakt ausnahmsweise bestimmt werden, dass die Einnahmen der Klinik oder Abteilung, des Instituts oder Dienstes für ärztliche Leistungen an Patienten der I. und II. Klasse der Privatabteilung und an ambulanten Patienten in einen Pool fliessen. Der Bewilligungsinhaber wird daran prozentual beteiligt (Abs. 1). Arbeiten in einer Klinik oder Abteilung, in einem Institut oder Dienst die Bewilligungsinhaber eng zusammen, kann im Wahlakt ausnahmsweise bestimmt werden, dass die eingegangenen Honorare aus privatärztlicher Tätigkeit in einen Pool fliessen. Der Bewilligungsinhaber wird daran prozentual beteiligt (Abs. 2). Nach den zutreffenden und insoweit nicht bestrittenen Ausführungen der Vorinstanz ist die Beteiligung an den Pooleinnahmen beitragsrechtlich nicht anders zu behandeln als das Honorar für die stationäre Behandlung von Privatpatienten. Diese Entgelte rühren aus unselbständiger Erwerbstätigkeit. Daran ändert nichts, dass die Einnahmen zunächst in einen Pool fliessen und anschliessend verteilt werden, wie auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtig erkannt wird. 7. Zusammenfassend ist das Ergebnis der Vorinstanz, wonach bei der stationären Behandlung von Patienten der I. und II. Klasse der Privatabteilung die Aspekte der unselbständigen Erwerbstätigkeit überwiegen, von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden. Der kantonale Entscheid steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung, welche vom Beschwerdeführer in grundsätzlicher Hinsicht nicht bestritten wird. Die Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts beruht auf einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher in Betracht fallender Beurteilungsmerkmale und wird durch die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebrachten zahlreichen Einwendungen, von denen einzelne - isoliert betrachtet - durchaus berechtigt sind, gesamthaft nicht in Frage gestellt. Aufgrund der nach der BGE 122 V 281 S. 291 Rechtsprechung relevanten Kriterien liegt im vorliegenden Fall unselbständige Erwerbstätigkeit vor. Namentlich bestehen in den tatsächlichen Verhältnissen keine beitragsrechtlich erheblichen Unterschiede zu dem in ZAK 1983 S. 195 beurteilten, den gleichen Kanton betreffenden Sachverhalt. 8. (Kosten und Parteientschädigung)
null
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
1454c2b1-4302-4a36-a40b-c13da052cb31
Urteilskopf 119 II 89 20. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Januar 1993 i.S. Ortsgemeinde S. gegen G. (Berufung)
Regeste Materielle Rechtskraft von Summarentscheiden. Die Frage, ob kantonalen Summarentscheiden materielle Rechtskraft zukommt, ist eine solche kantonalen Prozessrechts, unter Vorbehalt allfälliger bundesrechtlicher Vorschriften.
Sachverhalt ab Seite 89 BGE 119 II 89 S. 89 In einem Amtsbefehlsverfahren wurde dem Pächter G. (Kläger) auf Begehren der Ortsgemeinde S. (Beklagte) die weitere Nutzung des Pachtlandes verboten. Darauf klagte er im ordentlichen Verfahren auf Feststellung der Ungültigkeit der Kündigung und Bezahlung von Schadenersatz. Überdies verlangte er, das bisherige Pachtland sei ihm zur weiteren Nutzung zu überlassen. Das Verfahren wurde vorerst auf die Vorfrage beschränkt, ob dem ergangenen Amtsbefehl materielle Rechtskraft zukomme. Das Bezirksgericht Werdenberg verneinte dies mit Entscheid vom 3. Dezember 1990, während das Kantonsgericht St. Gallen mit Urteil vom 29. November 1991 dem Amtsbefehl materielle Rechtskraft zuerkannte und auf die Klage nicht eintrat. Das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen hiess am 30. Juni 1992 eine Nichtigkeitsbeschwerde des Klägers gut und hob das kantonsgerichtliche Urteil auf. Eine dagegen gerichtete Berufung der Beklagten weist das Bundesgericht ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beklagte macht sinngemäss geltend, das Kassationsgericht missachte, dass die materielle Rechtskraft ein Institut des Bundesrechts sei. Wenn das Bundesrecht darüber bestimme, ob eine abgeurteilte Sache vorliege, richte sich die Frage, welchen Entscheiden in welchem Verfahren materielle Rechtskraft zukomme, BGE 119 II 89 S. 90 ebenfalls nach Bundesrecht. Dem im Befehlsverfahren ergangenen Entscheid komme daher materielle Rechtskraft zu. a) Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die materielle Rechtskraft, das heisst die Verbindlichkeit eines Urteils für spätere Prozesse, eine Frage des Bundesrechts, sofern der zu beurteilende Anspruch auf Bundesrecht beruht ( BGE 115 II 190 , BGE 112 II 272 E. a, BGE 101 II 377 E. 1, BGE 98 II 158 E. 3, BGE 95 II 642 E. 4a). Eine abgeurteilte Sache ist anzunehmen, wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten identisch ist. Dies trifft zu, wenn der Anspruch dem Richter aus demselben Rechtsgrund und gestützt auf den gleichen Sachverhalt erneut zur Beurteilung unterbreitet wird ( BGE 116 II 473 E. 2a, 112 II 272 E. b). Streitig sind im vorliegenden Verfahren jedoch nicht diese Voraussetzungen. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist vielmehr die Frage, ob dem im Amtsbefehlsverfahren ergangenen Entscheid materielle Rechtskraft zukommt. b) Das Bundesgericht hatte sich mehrfach im Rahmen von Art. 48 Abs. 1 OG zur materiellen Rechtskraft von Entscheiden, die im kantonalen Befehlsverfahren ergangen sind, geäussert. Dabei ging es jeweils um die Frage, ob solche Urteile Endentscheide im Sinne von Art. 48 Abs. 1 OG darstellen, gegen die eidgenössische Berufung zulässig ist. Da der Begriff des Endentscheids nach Art. 48 Abs. 1 OG ein solcher des Bundesrechts ist, stellte sich das Problem der Rechtskraft des angefochtenen Entscheids jeweils als mitbestimmende Vorfrage. Das Bundesgericht hat daher das kantonale Recht hinsichtlich der Rechtskraft solcher im Befehlsverfahren ergangener Entscheide zu prüfen. Die Beurteilung dieser Frage hängt dabei von der Regelung ab, die der kantonale Gesetzgeber in der Zivilprozessordnung vorgesehen hat (dazu etwa BGE 116 II 382 E. 2, BGE 104 II 217 E. 2, BGE 103 II 251 E. b; POUDRET, COJ II, N. 1.1.5 zu Art. 48 OG ). c) Gemäss Art. 64 Abs. 3 BV ist das Prozessrecht grundsätzlich den Kantonen vorbehalten. Dieses darf aber die Durchsetzung des Bundeszivilrechts weder unterlaufen noch erschweren oder gar verunmöglichen ( BGE 117 Ia 339 E. a, 116 II 218 E. 3, BGE 101 II 364 E. b). Soll Bundesprivatrecht angewendet werden, hat sich die Auslegung des kantonalen Zivilprozessrechts diesem anzupassen und seine Durchsetzung zu gewährleisten. Demgegenüber schreibt das Bundesrecht mit seinem Verwirklichungsgebot den Kantonen zwingend vor, das Institut der materiellen Rechtskraft von Sachentscheiden und diesen gleichgestellten Surrogaten zu beachten. Ungeklärt scheint, ob damit auch das BGE 119 II 89 S. 91 Bundesrecht abschliessend bestimmt, welchen kantonalen Hoheitsakten solche Rechtskraft zukommt (vgl. BGE 117 II 413 E. 3 und 4). Die Frage ist zu verneinen. Im Bereich der Summarentscheide kommt den Kantonen in bestimmter Hinsicht eine Regelungsfreiheit auch in bezug auf die materielle Rechtskraftwirkung zu. Diese Freiheit besteht einzig dort nicht, wo das kantonale Recht einen bundesrechtlichen Anspruch ausschliesslich einem Summarverfahren unterstellt, soweit dies bundesrechtlich zulässig ist ( BGE 94 II 108 E. b), oder das Bundesrecht eine Kompetenzattraktion vorschreibt und diese ein kantonales Summarverfahren erfasst. Hier entfaltet der Summarentscheid kraft Bundesrechts materielle Rechtskraft. Das Bundesrecht untersagt den Kantonen zumindest nicht, einen bundesrechtlichen Anspruch vorerst im Summarverfahren vorläufig zu beurteilen und die endgültige Bereinigung einem ordentlichen Verfahren vorzubehalten. Daraus folgt, dass allein das kantonale Prozessrecht - unter Vorbehalt von allfälligen bundesrechtlichen Vorschriften (MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, S. 114 N. 83 und Anm. 17; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl. 1990, N. 54) - bestimmt, ob einem Entscheid im Befehlsverfahren beschränkte oder definitive Rechtskraft zukommt (vgl. auch ELISABETH ROTH-GROSSER, Das Wesen der materiellen Rechtskraft und ihre subjektiven Grenzen, Diss. Zürich 1981, S. 26 f.). Anderer Ansicht ist GULDENER (Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 590); es widerspreche dem materiellen Bundesrecht, wenn das kantonale Prozessrecht einem Anspruch, der in das summarische Verfahren verwiesen werde, die materielle Rechtskraft verweigere. Dieser Ansicht ist nicht beizupflichten, will doch der Autor nicht nur das Institut der materiellen Rechtskraft als solches, sondern auch dessen Ausgestaltung und Regelung dem materiellen Recht unterstellen. Er trägt der Kompetenzausscheidung hinsichtlich der Legiferierung im Zivil- und Zivilprozessrecht zwischen Bund und Kantonen nicht hinreichend Rechnung. Dem Einwand ist auch entgegenzuhalten, dass die Möglichkeit des Berechtigten, über seinen bundesrechtlichen Anspruch einen definitiven Entscheid zu erlangen, durch die unterschiedliche Ausgestaltung in den kantonalen Zivilprozessordnungen keineswegs beeinträchtigt wird, da ihm offensteht, das ordentliche Verfahren einzuleiten (ISAAK MEIER, Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes, S. 128). Nach dem Gesagten steht den Kantonen die Hoheit zu, über Verfahren und Gerichtsorganisation zu legiferieren. Ebenfalls obliegt BGE 119 II 89 S. 92 ihnen, das kantonale Recht anzuwenden und über dessen richtige Anwendung zu wachen. Das Bundesgericht kann im Berufungsverfahren die Anwendung kantonalen Prozessrechts nicht überprüfen und darüber befinden, ob die kantonale Vorinstanz die Bestimmungen über die materielle Rechtskraft, soweit sie nicht bundesrechtlicher Natur sind, richtig auslegt. Würde es dies tun, griffe es in unzulässiger Weise in die kantonale Prozessrechtshoheit ein. Mit ihrer Rüge macht die Beklagte somit nicht eine Bundesrechtsverletzung, sondern vielmehr eine Verletzung kantonalen Rechts geltend ( Art. 43 Abs. 1 OG ; BGE 117 II 288 E. c, BGE 116 II 135 E. 5, BGE 114 II 336 E. 3a). Das Bundesgericht aber kann im Berufungsverfahren die Anwendung kantonalen Rechts selbst dann nicht überprüfen, wenn daran bundesrechtliche Folgen zu knüpfen sind ( BGE 117 II 288 E. c mit Hinweisen). Kantonalrechtliche Entscheidungen werden auch dadurch nicht zu bundesrechtlichen, dass sie sich auf allgemeine Grundsätze des materiellen Rechts, insbesondere über Treu und Glauben ( Art. 2 ZGB ), Ermessen und Billigkeit ( Art. 4 ZGB ) oder die Vertragsauslegung stützen ( BGE 111 II 66 E. 3). Überdies behauptet die Beklagte zu Recht nicht, eine solche Regelung, wie sie das kantonale Recht vorsehe, verunmögliche oder erschwere die Verwirklichung des Bundeszivilrechts (dazu BGE 116 II 218 E. 3, BGE 110 II 48 E. c). Die Rüge ist daher als unbegründet abzuweisen. Offenbleiben kann die Frage, ob ein im st. gallischen Befehlsverfahren ergangener Entscheid als Endentscheid nach Art. 48 Abs. 1 OG zu betrachten ist.
public_law
nan
de
1,993
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
1455e14b-2e08-47b3-9c5d-f242d2de4d2e
Urteilskopf 139 II 7 2. Estratto della sentenza della I Corte di diritto sociale nella causa Consorzio protezione civile Z. contro X. (ricorso in materia di diritto pubblico) 8C_448/2012 del 17 gennaio 2013
Regeste Art. 6 ArG ; Art. 26 ArGV 3 ; Art. 29 Abs. 1 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK ; Einsatz eines Überwachungsprogrammes zur Kontrolle der Informatikaktivitäten eines Arbeitnehmers; Verwertbarkeit unrechtmässig erlangter Beweismittel und Interessenabwägung; Entlassung. Der verdeckte Einsatz eines Überwachungsprogrammes zwecks Bestätigung des Verdachts, ein Arbeitnehmer missbrauche die ihm im Informatikbereich zur Verfügung gestellten Mittel für dienstfremde Zwecke, ist unzulässig ( Art. 26 Abs. 1 ArGV 3 ) oder zumindest unverhältnismässig ( Art. 26 Abs. 2 ArGV 3 ; E. 5.5-5.5.4). Abwägung zwischen öffentlichem Interesse an der Wahrheitsfindung und privatem Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seiner Persönlichkeit (E. 6). Mit der Verneinung der Verwertbarkeit eines auf diese Weise widerrechtlich erlangten Beweismittels fällt die Grundlage für eine Entlassung dahin (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 8 BGE 139 II 7 S. 8 A. X. è entrato alle dipendenze del Consorzio protezione civile Z. nel 1985. Nel corso degli anni ha fatto carriera fino ad assumere la funzione di capo istruttore e di sostituto comandante. Il 23 settembre 2009, il patrocinatore di X. si è rivolto alla delegazione consortile - l'organo esecutivo del consorzio - per lamentarsi del fatto che il personal computer del suo assistito era stato preso in consegna da terze persone per non meglio precisate verifiche. Nel contempo preannunciava che non avrebbe riconosciuto le risultanze del controllo. Durante un incontro del 23 novembre seguente, la delegazione consortile ha informato X. di avere riscontrato delle irregolarità nell'adempimento dei suoi doveri professionali e più precisamente di avere accertato un uso improprio nell'impiego - per fini privati o comunque estranei alla sua funzione - dei mezzi informatici messigli a disposizione. Il consorzio aveva fatto installare di nascosto un rilevatore automatico di dati (Spector Pro) nel personal computer dell'interessato dal 15 giugno al 22 settembre 2009. Da tale verifica era emerso che il funzionario, su un totale di 8'297 minuti, aveva dedicato 5'863 minuti (pari al 70,6 % del tempo passato al computer, rispettivamente al 22,76 % del tempo totale di lavoro che, oltre alle attività in ufficio, non solo al computer, comprendeva anche interventi all'esterno) ad attività private o comunque estranee alla sua funzione, quali lettura di quotidiani online, consultazione di social networks, visione di programmi televisivi e altri filmati online BGE 139 II 7 S. 9 (in parte anche a carattere pornografico), esecuzione di giochi e di operazioni di e-banking, prenotazione di viaggi, invio di messaggi personali di posta elettronica e allestimento di documenti privati per le sue attività politiche e ricreative (cfr. conclusioni della perizia A. del 29 ottobre 2009). Il 1° dicembre 2009 la delegazione consortile ha aperto nei confronti di X. un'inchiesta amministrativa per violazione intenzionale e ripetuta dei propri doveri professionali e per ripetuta infrazione alla direttiva interna del 5 marzo 2009 concernente l'uso degli strumenti informatici e di telecomunicazione. Confrontato con queste accuse, l'interessato ha contestato le modalità di assunzione della prova peritale e ha contrapposto un proprio conteggio del tempo di utilizzo del personal computer. Chiusa l'inchiesta amministrativa, la delegazione consortile ha licenziato con effetto immediato X. privandolo del diritto allo stipendio (decisione del 22 febbraio 2010). Adito su ricorso dell'interessato, il Consiglio di Stato del Cantone Ticino ha confermato il provvedimento (decisione del 5 ottobre 2010). L'esecutivo cantonale ha ritenuto che la perizia informatica poteva essere presa in considerazione anche qualora fosse stata assunta in violazione delle norme sulla protezione dei dati e della personalità siccome l'interesse all'accertamento della verità materiale doveva prevalere su quello dell'interessato alla tutela della sua sfera privata. Ha inoltre concluso che per la gravità delle infrazioni rimproverategli come pure per il ruolo ricoperto dall'interessato, il quale già nel 2003 era stato oggetto di un ammonimento (per altre mancanze minori: mancato intervento nei confronti di alcuni addetti alla sicurezza del carnevale che portavano abusivamente l'uniforme della protezione civile, dispensa inopportuna di un milite della protezione civile da un corso di ripetizione e uso del cellulare di servizio durante le assenze per malattia o per vacanze), la fiducia riposta dal datore di lavoro nel proprio funzionario era irrimediabilmente venuta a mancare. B. X. si è aggravato al Tribunale cantonale amministrativo, il quale per pronuncia del 23 aprile 2012 ne ha accolto il ricorso annullando la decisione 5 ottobre 2010 del Consiglio di Stato e il provvedimento di licenziamento 22 febbraio 2010 della delegazione consortile del Consorzio protezione civile Z. In sintesi, i giudici di prime cure hanno in primo luogo ritenuto che l'accertamento effettuato dal datore di lavoro mediante l'inserimento di un dispositivo di registrazione (spyware) nel personal computer del proprio dipendente fosse illecito. Essi hanno in seguito stabilito che il mezzo di prova BGE 139 II 7 S. 10 acquisito illecitamente non poteva nemmeno essere utilizzato ai fini processuali poiché - contrariamente a quanto sostenuto dal Consiglio di Stato - l'interesse all'accertamento della verità materiale non prevaleva su quello del dipendente X. alla tutela della sua personalità. Esclusa la possibilità di fare uso delle registrazioni illecite, per il Tribunale cantonale amministrativo veniva logicamente a cadere il fondamento stesso del licenziamento disciplinare. In ogni caso, anche volendo ritenerla dimostrata, la violazione dei doveri di servizio addebitata all'interessato non poteva costituire un motivo di gravità tale da giustificare un licenziamento immediato perché, per fondare una destituzione, X. avrebbe dovuto agire in spregio di espliciti richiami all'ordine - non avvenuti - del datore di lavoro. Non essendo intervenuto per avvertire e correggere il proprio dipendente, il datore di lavoro avrebbe inoltre agito contrariamente al principio della buona fede. Infine, anche il precedente ammonimento del 2003, per violazioni di tutt'altra natura, non giustificava per i giudici cantonali la sanzione, ritenuta sproporzionata, del licenziamento immediato poiché nei 24 anni di anzianità di servizio non risultavano altri momenti di demerito. C. Il Consorzio protezione civile Z. ha interposto ricorso in materia di diritto pubblico con il quale, previa concessione dell'effetto sospensivo, chiede al Tribunale federale di annullare il giudizio cantonale e di confermare il licenziamento disciplinare. Dei motivi si dirà, per quanto occorra, nei considerandi. X. propone la reiezione del gravame, mentre il Tribunale cantonale amministrativo si riconferma nelle conclusioni del suo giudizio. D. Con decreto del 27 settembre 2012 il Presidente della I Corte di diritto sociale ha accolto la richiesta d'effetto sospensivo contenuta nel gravame. Il ricorso è stato respinto. Erwägungen Dai considerandi: 3. 3.1 Il Tribunale cantonale amministrativo ha anzitutto accertato che l'installazione, nel personal computer dell'opponente, del programma spia atto a rilevare in modo continuo tutte le operazioni svolte tra il 15 giugno e il 22 settembre 2009 era stata motivata dal sospetto che quest'ultimo abusasse degli strumenti informatici messigli a disposizione dal datore di lavoro e svolgesse attività estranee alla sua BGE 139 II 7 S. 11 funzione. A indurre il consorzio ad effettuare una sorveglianza nominativa del traffico informatico sul personal computer di X. non sarebbero stati particolari ritardi nell'esecuzione del lavoro assegnatogli, bensì i ripetuti intasamenti del server aziendale provocati dal consistente volume di e-mail da questi inviate e ricevute. Secondo i giudici di prime cure, la sorveglianza mirata e continua del traffico informatico era manifestamente illecita poiché lesiva dell'art. 26 dell'ordinanza 3 del 18 agosto 1993 concernente la legge sul lavoro (Igiene, OLL 3; RS 822.113) e non era giustificata da alcun interesse preponderante, pubblico o particolare del datore di lavoro. Essa costituiva inoltre una misura sproporzionata perché per verificare il fondamento del sospetto nutrito dal datore di lavoro sarebbe bastato procedere a una analisi sommaria dei logfiles disponibili, prospettando al dipendente le risultanze per richiamarlo semmai all'ordine. La sorveglianza era infine pure lesiva del principio della buona fede poiché i dipendenti del consorzio ricorrente potevano attendersi che in caso di sospetto impiego abusivo dei mezzi informatici il datore di lavoro non adottasse quale prima misura l'installazione di un programma spia di controllo, ma li richiamasse anzitutto all'ordine. 3.2 Il consorzio ricorrente contesta questa valutazione e lamenta in primo luogo una violazione dell' art. 26 OLL 3 , oltre che dell' art. 29 cpv. 2 Cost. , per avere i primi giudici ritenuto illecito il mezzo di prova conseguito con la perizia A. Rimprovera inoltre alla Corte cantonale di avere effettuato un accertamento dei fatti e un apprezzamento delle prove (segnatamente della perizia A.) arbitrari come pure di avere arbitrariamente applicato il diritto cantonale, segnatamente in relazione all'ordinamento in materia di protezione dei dati. Censura infine una violazione degli art. 5 e 9 Cost. per avere i giudici cantonali ritenuto sproporzionata la misura di sorveglianza e di licenziamento dell'opponente. 4. 4.1 Il ricorrente rileva che il divieto di sorveglianza del dipendente sul posto di lavoro non è assoluto. Ricorda che l' art. 26 cpv. 2 OLL 3 permette detti sistemi di sorveglianza se sono necessari in particolare per motivi di sicurezza, di prevenzione degli incidenti, di organizzazione o di pianificazione del lavoro. Orbene, l'inserimento di un dispositivo di registrazione dei dati nel personal computer aziendale di X. sarebbe stato unicamente dettato dall'interesse istruttorio, autentico e genuino, di confermare o di eliminare il sospetto di abusi alimentato dalla tenuta sospetta dei suoi programmi di lavoro BGE 139 II 7 S. 12 e dei rendiconti personali settimanali, dalla frequente paralisi del flusso dei dati aziendali sul suo indirizzo di posta elettronica privato che l'opponente avrebbe continuato a mantenere in dispregio della direttiva del 5 marzo 2009 concernente l'uso degli strumenti informatici e di telecomunicazione, da lui firmata per accettazione, e dal reperimento di materiale privato nella stampante e nella fotocopiatrice aziendali. In virtù di questi elementi, si doveva necessariamente procedere a una verifica personale (e dunque non anonimizzata o coperta da pseudonimi) del traffico informatico. Inoltre, la sorveglianza è durata tre mesi e qualche giorno, il tempo necessario per una verifica ineccepibile. A ciò si aggiunge che l'opponente, in qualità di capo istruttore, era impegnato sia in ufficio sia all'esterno più o meno nella stessa percentuale di tempo e che in ufficio il lavoro al suo personal computer era saltuario. Per questa ragione, sarebbe arbitrario sostenere che la sorveglianza sarebbe avvenuta in maniera continuata e permanente, atteso che essa era invece lecita e necessaria sotto il profilo sia dell' art. 26 cpv. 2 OLL 3 sia dell'art. 6 cpv. 4 lett. b della legge del 9 marzo 1987 del Canton Ticino sulla protezione dei dati personali (LPDP; RL 1.6.1.1). 4.2 Preliminarmente si ricorda che non spetta al Tribunale federale, tenuto conto del potere di esame limitato di cui dispone (cfr. art. 105 LTF ), procedere nuovamente all'apprezzamento delle prove assunte, bensì alla parte ricorrente dimostrare in quale misura quello operato dall'autorità cantonale sarebbe manifestamente inesatto o sarebbe stato effettuato in violazione di regole processuali essenziali. Ora, il ricorso perlopiù non contiene una vera dimostrazione del carattere arbitrario dell'accertamento dello stato di fatto del giudizio impugnato ma tende piuttosto a sostituire (inammissibilmente) il proprio apprezzamento a quello dell'autorità precedente. Inoltre non si possono prendere in considerazione i fatti nuovi allegati nel ricorso (segnatamente: gli accenni al reperimento di materiale privato nella stampante e nella fotocopiatrice aziendale e alla tenuta sospetta dei programmi di lavoro e dei rendiconti personali settimanali) che non sono stati accertati dalla pronuncia impugnata (BERNARD CORBOZ, Commentaire de la LTF, 2009, n. 13 e 15 ad art. 99 LTF ), anche perché l'insorgente non spiega in quale misura la decisione del Tribunale cantonale amministrativo avrebbe dato adito a queste nuove allegazioni ( art. 99 cpv. 1 LTF ). 4.3 Nella misura in cui contesta la mancata assunzione della perizia A., l'insorgente lamenta tuttavia pure un accertamento dei fatti BGE 139 II 7 S. 13 contrario al diritto ( art. 95 LTF ), e più precisamente una violazione del diritto alla prova ( art. 29 cpv. 2 Cost. ; sentenza 9C_785/2010 del 10 giugno 2011 consid. 4.1, in SVR 2012 IV n. 2 pag. 4). Al diritto di partecipazione delle parti dedotto dall' art. 29 cpv. 2 Cost. si contrappone in effetti l'obbligo delle autorità di esaminare gli argomenti e le domande processuali come pure di assumere le prove proposte tempestivamente e nelle giuste forme (cfr. DTF 127 I 54 consid. 2b pag. 56; DTF 126 I 97 consid. 2b pag. 102 con rinvii). Occorre dunque dapprima esaminare se - come ha ritenuto la Corte cantonale - la sorveglianza informatica e di riflesso anche la perizia A. sono state realizzate illecitamente e, in un secondo tempo, se le loro risultanze possano tutt'al più, anche se illecite, essere utilizzate. 5. 5.1 Secondo l'art. 6 cpv. 1 della legge federale del 13 marzo 1964 sul lavoro nell'industria, nell'artigianato e nel commercio (legge sul lavoro, LL; RS 822.11), a tutela della salute dei lavoratori, il datore di lavoro deve prendere tutti i provvedimenti che l'esperienza ha dimostrato necessari, realizzabili secondo lo stato della tecnica e adeguati alle condizioni d'esercizio. Deve inoltre prendere i provvedimenti necessari per la tutela dell'integrità personale dei lavoratori. Giusta l' art. 6 cpv. 4 LL , i provvedimenti sulla protezione della salute nel lavoro necessari nelle aziende sono definiti mediante ordinanza. Sulla base di questa delega di competenze come pure dell' art. 40 LL , il Consiglio federale ha emanato la OLL 3. Il suo art. 26 - che in virtù della precisazione dell' art. 3a LL risulta applicabile anche alle amministrazioni federali, cantonali e comunali - dispone che: 1 Non è ammessa l'applicazione di sistemi di sorveglianza e di controllo del comportamento dei lavoratori sul posto di lavoro. 2 I sistemi di sorveglianza o di controllo, se sono necessari per altre ragioni, devono essere concepiti e disposti in modo da non pregiudicare la salute e la libertà di movimento dei lavoratori. 5.2 Il Tribunale federale si è confrontato in dettaglio con questa norma in DTF 130 II 425 . Dopo averne rilevato la conformità alla legge (consid. 3), ha aggiunto che, secondo il suo tenore e lo scopo perseguito, essa non intende vietare in maniera generale l'impiego di sistemi di sorveglianza. Vietati sono solo i sistemi destinati a sorvegliare il comportamento dei lavoratori sul loro luogo di lavoro, ma non anche quelli necessari per altri scopi (consid. 4.1). È così nella natura stessa di un rapporto di lavoro che il datore di lavoro possa esercitare un certo controllo sul comportamento e sull'attività del suo BGE 139 II 7 S. 14 personale. Non solo per motivi di sicurezza o di organizzazione e pianificazione del lavoro ma anche - previa informazione dei lavoratori - per controllare il lavoro stesso, soprattutto la sua qualità (consid. 4.2). In sintesi, l' art. 26 OLL 3 vieta i sistemi di sorveglianza che mirano unicamente o essenzialmente a sorvegliare il comportamento in quanto tale dei lavoratori. Nondimeno, anche laddove il suo impiego non è vietato, sebbene determini oggettivamente un tale effetto, il sistema di sorveglianza scelto deve, in considerazione di tutte le circostanze del caso, costituire un mezzo proporzionato allo scopo perseguito e i lavoratori devono essere informati preventivamente sul suo impiego (consid. 4.4). Nella fattispecie ivi esaminata il Tribunale federale ha ritenuto di massima lecito l'impiego di un sistema di localizzazione satellitare GPS sui veicoli aziendali per controllare se i collaboratori del servizio esterno effettuano le visite alla clientela. Il datore di lavoro deve avere la possibilità di evitare eventuali abusi (consid. 5.5). La sorveglianza può in particolare considerarsi una misura proporzionata se avviene solo a posteriori e in maniera indiretta e non è permanente (consid. 6.5). 5.3 Nella sentenza 6B_536/2009 del 12 novembre 2009, in SJ 2010 I pag. 394, si trattava invece di valutare il caso di un datore di lavoro che aveva denunciato per furto una sua dipendente fondandosi sulle registrazioni di una videocamera installata nel locale di cassa all'insaputa dei collaboratori. Per quanto qui di interesse, la Corte di diritto penale del Tribunale federale ha proceduto in quella vertenza a interpretare in maniera restrittiva l' art. 26 cpv. 1 OLL 3 vietando unicamente quei sistemi di sorveglianza atti a danneggiare la sa lute o il benessere dei lavoratori (consid. 3.6.1). Una sorveglianza non è per contro stata ritenuta danneggiare sempre e automaticamente la salute dei lavoratori (consid. 3.6.2). La videosorveglianza del locale di cassa non determinava nella fattispecie esaminata la sorveglianza per un lungo periodo del comportamento dei lavoratori sul luogo di lavoro, bensì focalizzava essenzialmente l'attenzione sulla cassa nelle cui vicinanze i lavoratori venivano a trovarsi solo sporadicamente e per breve tempo. Una simile sorveglianza non era atta a danneggiare la salute o il benessere dei lavoratori (consid. 3.6.3). Inoltre la videosorveglianza serviva a prevenire la commissione di reati penali sicché il datore di lavoro vantava un interesse notevole a una simile misura. In tali condizioni i diritti della personalità dei lavoratori non sono stati illecitamente lesi (consid. 3.7). La videosorveglianza non violava pertanto l' art. 26 OLL 3 e poteva essere utilizzata quale mezzo di prova (consid. 3.8). BGE 139 II 7 S. 15 5.4 La II Corte di diritto sociale ha recentemente ribadito questa prassi nell'ambito di un ricorso intentato da un istituto di previdenza contro la decisione in materia di AI con cui l'autorità cantonale di Basilea Campagna, seguendo la valutazione dell'autorità penale, aveva dichiarato inammissibile l'utilizzo ai fini processuali di un filmato realizzato dal datore di lavoro all'insaputa dei collaboratori. Apparentemente questo filmato ritraeva l'assicurato indagato (licenziato e poi divenuto incapace al lavoro) solo per breve tempo e per il resto si limitava a mostrare le mani e il registratore di cassa (sentenza citata 9C_785/2010 consid. 6.5). Il Tribunale federale ha osservato che in tali circostanze (che andavano però ancora appurate) le riprese video non erano assimilabili a una sorveglianza del comportamento dei lavoratori ai sensi dell' art. 26 cpv. 1 OLL 3 , bensì ricadevano sotto il cpv. 2 della norma poiché si focalizzavano sulla cassa e avevano per scopo la prevenzione dei furti e delle appropriazioni indebite (consid. 6.5). Tenuto conto delle cautele apparentemente messe in atto, la II Corte di diritto sociale ha concluso che una simile videosorveglianza non era sproporzionata e che le riprese incriminate potevano essere lecitamente assunte quale mezzo di prova (consid. 6.7 e 6.8). 5.5 Nella presente fattispecie si tratta di esaminare (per la prima volta) la liceità e la conformità all' art. 26 OLL 3 (ma non solo) di una sorveglianza informatica messa in atto da un datore di lavoro sull'elaboratore dati aziendale del proprio dipendente mediante l'impiego di un programma spia. Questo sistema di controllo ha permesso nella fattispecie al ricorrente di rilevare tutte le attività svolte (e riprodotte in una relazione tecnica di 700 pagine) dall'opponente sul suo personal computer consortile tra il 15 giugno e il 22 settembre 2009 e di ricavare tra l'altro (dal 12 agosto 2009) degli screenshots, ovvero delle riprese fotografiche dello schermo con tutto il loro contenuto. 5.5.1 Pur non essendo apparentemente (ancora) stata recepita a livello cantonale nella LPDP, mentre lo è, dal 1° aprile 2012, a livello federale (cfr. gli art. 57i-q della legge del 21 marzo 1997 sull'organizzazione del Governo e dell'Amministrazione [LOGA; RS 172.010]), la Guida per le amministrazioni pubbliche e l'economia privata dell'Incaricato federale della protezione dei dati e della trasparenza (IFPDT) concernente la Sorveglianza dell'utilizzazione di Internet e della posta elettronica sul posto di lavoro (edizione dicembre 2007; in seguito: Guida IFPDT, consultabile al sito BGE 139 II 7 S. 16 http://www.edoeb.admin.ch/dokumentation/00445/00472/00532/index.html?lang=it ) costituisce, insieme alle indicazioni della Segreteria di Stato dell'economia (SECO) relative alla OLL 3 (consultabili al sito http://www.seco.admin.ch/themen/00385/02747/02752/02790/index.html?lang= it ) un importante aiuto interpretativo della norma in esame e si propone di assicurare uno standard minimo per la sorveglianza informatica (cfr. GIORDANO COSTA, Internet und E-Mail-Überwachung am Arbeitsplatz, Entwicklungen in der Lehre, Rechtsprechung und Gesetzgebung, Jusletter del 9 gennaio 2012, pag. 2 seg.). L'IFPDT osserva che l'impiego di programmi spia permette di registrare, all'insaputa delle persone interessate, tutte le attività sul computer di un utente rendendo così possibile una sorveglianza permanente e dettagliata del lavoratore sul suo posto di lavoro elettronico. Questi programmi permettono in particolare di leggere i messaggi elettronici mentre vengono registrati e trasmessi a terzi. Anche la "ripresa fotografica" e la "copiatura" dello schermo a intervalli regolari (recurrent screenshots) con tutto il suo contenuto (ad es., pagine Internet) è una delle funzioni dei programmi spia, che sono inoltre in grado di rilevare tutti i tasti battuti (ad es., mediante l'impiego di un hardware keylogger), di ottenere password, di vedere tutte le applicazioni attive, di intervenire sul disco rigido del PC e di ascoltare i file audio. I programmi di sorveglianza permettono anche la memorizzazione dei rilevamenti e delle informazioni ottenute. È possibile anche l'elaborazione ulteriore di questi dati, ad esempio sotto forma di comunicazione di dati a terzi (Guida, pag. 11 seg.). Per questa ragione, l'IFPDT considera l'impiego di programmi spia una inammissibile ingerenza nell'attività del lavoratore poiché essi sono un sistema performante per la sorveglianza occulta del comportamento del lavoratore sul posto di lavoro. Il loro impiego costituisce sia una violazione del divieto di sorveglianza del comportamento sia una violazione delle regole della buona fede. Le molteplici funzioni e possibilità di programmazione dei programmi di sorveglianza permettono un'interferenza nella personalità dell'impiegato molto più incisiva di quella risultante dall'impiego di una telecamera (Guida, pag. 16). Da parte sua, la SECO nelle sue direttive rileva (a pag. 1) la difficoltà se non addirittura l'impossibilità di tracciare una precisa linea di demarcazione tra la sorveglianza (di per sé permessa) delle prestazioni o della sicurezza e la sorveglianza (non permessa) del comportamento. Si ha sorveglianza delle prestazioni quando, ad BGE 139 II 7 S. 17 esempio, si procede alla registrazione del numero di pezzi prodotti o del numero di battute giornaliere nell'elaborazione testi. Per contro, il rilevamento dettagliato della ripartizione nel corso della giornata permetterebbe di risalire al comportamento e deve pertanto considerarsi inammissibile. Anche nel controllo delle prestazioni occorre comunque procedere con una certa cautela (principio di proporzionalità). Delimitando il campo di applicazione del cpv. 1 da quello del cpv. 2 dell' art. 26 OLL 3 , la SECO fa ricadere sotto il primo qualsiasi sorveglianza che permette di verificare in dettaglio, più o meno costantemente, alcune attività dei lavoratori (ad es. telecamere che riprendono l'attività dei lavoratori e il modo in cui la eseguono; microfoni che registrano le conversazioni dei lavoratori; sistemi di ascolto telefonico; programmi informatici che consentono di sorvegliare le attività dei lavoratori al computer). L'esperienza ha dimostrato che gli impianti di sorveglianza risvegliano sentimenti negativi nei lavoratori e peggiorano il clima generale di lavoro. Questi impianti disturbano il senso di benessere, la salute psichica e, di conseguenza, le capacità lavorative del personale. È perciò nell'interesse di tutti rinunciare all'impiego di sistemi di sorveglianza o, almeno, impiegarli nella maniera più restrittiva possibile (direttive, pag. 2). 5.5.2 Questa interpretazione riguardo all'inammissibilità di principio dell'impiego di programmi spia si ritrova sostanzialmente in maniera pressoché unanime, sebbene con qualche sfumatura, in dottrina. Fra i tanti, BRUNO BAERISWYL (10 Jahre Datenschutz im Arbeitsrecht: geklärte und ungeklärte Fragen, in Aktuelle Probleme des Arbeitsrechts, 2005, pag. 51 segg.) osserva che l'impiego di programmi spyware viola senz'altro le disposizioni di diritto del lavoro e della protezione dei dati (pag. 66). Allo stesso modo, MAURER-LAMBROU/STEINER (in Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, 2 a ed. 2006, n. 30 ad art. 4 LPD ) e MARTIN WINTERBERGER-YANG (ibidem, n. 29 ad art. 328b/362 CO) precisano che l'impiego di simili programmi è contrario al divieto di sorveglianza del comportamento dell' art. 26 cpv. 1 OLL 3 e al principio della buona fede poiché consente di sorvegliare in maniera occulta e permanente il posto di lavoro elettronico. Similmente si esprime DAVID ROSENTHAL (in Handkommentar zum Datenschutzgesetz, Rosenthal/Jöhri [ed.], 2008, n. 102 ad art. 328b CO ), per il quale l'impiego di tali tecniche può però eccezionalmente giustificarsi (in rari casi) se ad esempio si indaga sull'accusa di un grave delitto, se esiste un forte sospetto nei confronti della persona interessata, se un altro modo di procedere, meno incisivo, non è BGE 139 II 7 S. 18 ragionevolmente possibile e se sono state prese misure speciali a tutela della persona interessata. COSTA (op. cit., pag. 3) sottolinea ugualmente che lo spionaggio dei lavoratori (con o senza preventivo accertamento di abuso o di concreto sospetto di abuso) è vietato (nello stesso senso, con rinvio a quest'ultimo autore, anche KURT PÄRLI, Evaluieren, kontrollieren, überwachen: Datenschutz in Arbeitsverhältnissen, in Datenschutz im Arbeits-, Versicherungs- und Sozialbereich: Aktuelle Herausforderungen, Kieser/Pärli [ed.], 2012, pag. 47).Anche per SIMON WOLFER (Die elektronische Überwachung des Arbeitnehmers im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis, 2008, pag. 187) l'utilizzo di spyware costituisce una sorveglianza vietata del comportamento e ricade sotto il campo applicativo dell' art. 26 cpv. 1 OLL 3 purché il lavoratore interessato lavori durante determinati periodi prevalentemente con il computer. In caso contrario non sarebbe possibile trarre conclusioni attendibili sul suo comportamento. Da parte sua CHRISTOPH HOLENSTEIN (Die Benutzung von elektronischen Kommunikationsmitteln [Internet und Intranet] imArbeitsverhältnis, 2002, pag. 119) rileva che lo scopo precipuo dei programmi spia, grazie alla loro possibilità di registrare minuziosamente tutte le attività informatiche, è di tenere a disposizione i dati memorizzati delle pagine web e delle e-mail per permettere il controllo e la sorveglianza dei lavoratori. A suo giudizio l'installazione di simile "Compliance Software" è illecita, anche perché permette di creare un profilo della personalità dell'utente (nello stesso senso, in relazione all' art. 328b CO che offre una protezione equivalente a quella dell' art. 26 OLL 3 e che fornisce pertanto validi elementi interpretativi pure per la comprensione di questo secondo disposto, anche WOLFGANG PORTMANN, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 a ed. 2011, n. 50 ad art. 328b CO ; meno restrittiva invece REBEKKA RIESSELMANN-SAXER, Datenschutz im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis, 2002, pag. 115 seg., per la quale, tuttavia, dal momento che lo scopo di una sorveglianza occulta può essere ottenuto anche con mezzi meno incisivi, la misura non sarebbe comunque proporzionata). Dal canto suo, GENEVIÈVE ORDOLLI (Les systèmes de surveillance des travailleurs: aspects de droit individuel et collectif, in Droit décloisonné, interférences et interdépendances entre droit privé et droit public, Dunand/Mahon [ed.], 2009, pag. 199 segg.) sostiene che già la sorveglianza dettagliata dei fatti e dei gesti dei lavoratori costituisce una sorveglianza illecita del comportamento ai sensi dell' art. 26 cpv. 1 OLL 3 , indipendentemente dal fatto che essa sia o meno permanente. BGE 139 II 7 S. 19 L'autrice aggiunge che i programmi spia hanno per scopo il controllo del comportamento dei lavoratori e sono pertanto illeciti (pagg. 211 e 218). Infine, THOMAS GEISER (Interne Untersuchungen in einem Unternehmen und Datenschutz, in Von der Lochkarte zum Mobile Computing, 20 Jahre Datenschutz in der Schweiz, 2012, pag. 19 segg.) evidenzia più in generale che il controllo totale è escluso e che il lavoratore deve potere conservare uno spazio privato non sorvegliato anche sul posto di lavoro, pena il pregiudizio della sua salute psichica e della sua libertà di movimento (pag. 23). L'autore rileva inoltre che il trattamento dei dati deve avvenire secondo il principio della buona fede il quale esclude di massima - se non la impone segnatamente la necessità di indagine in relazione alla commissione (o al suo sospetto) di un reato penale in azienda, il cui successo verrebbe vanificato se fosse garantita la trasparenza - la liceità di una sorveglianza occulta. La sfera privata giuridicamente protetta comprende infatti anche il diritto all'autodeterminazione informativa che include il diritto di stabilire chi può raccogliere, ricevere e utilizzare determinate informazioni riguardo a una determinata persona. Da ciò deriva anche che la sorveglianza della navigazione in Internet deve essere preannunciata. Il datore di lavoro non possiede per contro un interesse degno di protezione per controllare quali siti web vengono consultati sul posto di lavoro per motivi privati (pag. 35). 5.5.3 Le modalità d'impiego del programma spia depongono nel caso di specie - alla luce anche delle considerazioni che precedono - piuttosto per una loro qualifica ai sensi del cpv. 1. Sebbene abbia interessato solo una parte limitata (quella appunto passata al personal computer) del tempo di lavoro totale dell'opponente, la sorveglianza segreta si è protratta per un periodo considerevole di oltre tre mesi interessando tutta l'attività informatica del dipendente. Ciò ha tra l'altro permesso di prendere (almeno dal 12 agosto 2009) conoscenza anche dei contenuti del traffico informatico (pagine web consultate, messaggi di posta elettronica), ricavandone (grazie agli screenshots allegati alla perizia) informazioni in parte strettamente riservate (peraltro in parte così anche espressamente indicate nell'oggetto di posta elettronica [v. ad es. pag. 570 dellaperizia A.]), di carattere familiare (mail della moglie per questioni delicate, strettamente private [pag. 570]; curriculum vitae del figlio [pagg. 233 e 236]), finanziario (operazioni bancarie con indicazione dei numeri di conto, dei relativi saldi e in parte anche dei beneficiari dei pagamenti [pagg. 291, 302, 406, 409, 415]) e istituzionale BGE 139 II 7 S. 20 (comunicazioni connesse alla sua funzione di Y. [pagg. 359, 362 365, 385]), oltreche informazioni di natura meno riservata ma comunque pur sempre personale (quali la partecipazione ad attività associative), le quali hanno permesso di creare un vero e proprio profilo della personalità dell'opponente. Nulla impedisce quindi di concludere che siffatto sistema di sorveglianza - continua e dettagliata - mirasse essenzialmente a sorvegliare il comportamento del dipendente X. e fosse per il resto pure atto a danneggiare la salute o il benessere non solo suoi ma in definitiva anche di tutto il personale impiegato dal consorzio ricorrente, indirettamente toccato da questi metodi di controllo. Del resto, sebbene il tema non sia ancora definitivamente risolto (cfr. DTF 130 II 425 consid. 3.3 pag. 433 con riferimento a Workers' privacy, Part II: Monitoring and surveillance in the workplace, in Conditions of work digest, edito dall'Organizzazione internazionale del lavoro [OIL], 1993, pag. 22), vi sono studi che mostrano come la sorveglianza elettronica costante provochi effetti negativi sulla salute e sul benessere dei lavoratori causando loro situazioni di stress. Il dipendente (a conoscenza del fatto che il datore di lavoro adotta simili sistemi di sorveglianza) si sente spiato e a disagio. Ha l'impressione che il datore di lavoro interferisca nella sua sfera privata. La dimensione affettiva e sociale della sua personalità ne risentono, dando luogo a sentimenti di impotenza e paura di perdere il posto con ripercussioni negative anche sulla qualità del lavoro (cfr. ORDOLLI, op. cit., con riferimento al citato rapporto dell'OIL; nello stesso senso inoltre anche le summenzionate [consid. 5.5.1] direttive della SECO e WOLFER, op. cit., pag. 182). 5.5.4 Comunque sia, anche volendo per ipotesi qualificare la fattispecie alla luce dell' art. 26 cpv. 2 OLL 3 , il risultato non cambierebbe. Infatti, anche se si considerasse - come pretende sostanzialmente il consorzio ricorrente che di fatto si richiama a motivi di sicurezza e in particolare alla natura paramilitare dell'attività svolta, oltre che all'interesse (di per sé legittimo) di controllare le prestazioni del proprio dipendente e di impedire situazioni di abuso - che la sorveglianza del comportamento costituiva unicamente uno scopo secondario o fosse solo un effetto dell'impiego del programma spia, l'illiceità della misura risulterebbe dall'esame della sua (mancata) proporzionalità. Questi programmi spia consentono certamente di raggiungere lo scopo (di per sé, giova sottolinearlo, legittimo) di lotta agli abusi e di controllo del rendimento lavorativo e rispondono pertanto al principio di idoneità. Non è invece chiaro - né il BGE 139 II 7 S. 21 ricorrente lo spiega minimamente - in quale misura il controllo della navigazione privata in Internet possa essere dettato da non meglio precisati motivi di sicurezza legati al carattere paramilitare del datore di lavoro. Del resto, non passa inosservato il carattere contraddittorio della tesi del consorzio il quale, da un lato, si richiama a interessi di sicurezza paramilitare ma, dall'altro, non ha esitato ad affidare l'analisi del disco fisso del personal computer aziendale dell'opponente e la redazione della perizia tecnica a una ditta estera. Ad ogni modo, l'impiego dello spyware non si concilierebbe manifestamente con il requisito di necessità. Quest'ultimo impone che tra i vari mezzi idonei a disposizione la scelta ricada su quello meno incisivo e meno pregiudizievole per gli interessi in causa (v. DTF 130 II 425 consid. 5.2 pag. 438). Ora, di tutta evidenza la lotta agli abusi e il legittimo interesse del datore di lavoro al controllo che le sue istruzioni - espresse nella direttiva del 5 marzo 2009, firmata per accettazione dall'opponente il 1° aprile 2009 - concernenti l'uso degli strumenti informatici e di telecomunicazione fossero rispettate non imponevano di certo una sorveglianza invasiva e continua come quella messa in atto con l'installazione clandestina dell'applicazione Spector Pro. Questi obiettivi potevano essere conseguiti con provvedimenti meno invasivi, quali il blocco preventivo mediante firewalls di determinati siti Internet indesiderati (come prescrive del resto la stessa direttiva del 5 marzo 2009 al suo punto 4: "[...] il Consorzio adotta in primo luogo misure di tipo tecnico [applicazione di filtri e simili] che impediscono guasti e abusi ") e, laddove non sufficiente, l'analisi delle registrazioni a giornale degli accessi a Internet e del traffico e-mail. Come osserva l'IFPDT, il datore di lavoro deve in effetti in primo luogo concentrare i propri sforzi sulla prevenzione tecnica. Invece di sorvegliare i dipendenti dovrebbe predisporre misure tecniche di protezione che limitino la navigazione vietata e salvaguardino l'azienda da danni tecnici. Solo se in questo modo non riesce ad evitare un abuso, il datore di lavoro potrà, previo avvertimento nel regolamento relativo alla sorveglianza, procedere ad analisi nominative delle registrazioni a giornale (logfile; Guida, pag. 4; più in dettaglio sulla procedura [personalizzata o impersonale, in forma anonima o con pseudonimi] da seguire, a seconda che vi si sia o meno un [sospetto di] abuso cfr. Guida pag. 20 segg.). Ciò che non impone invece - contrariamente a quanto pretende il ricorrente - l'installazione di uno spyware. Va pertanto pienamente condivisa la valutazione dei giudici di prime cure secondo cui per verificare il fondamento del sospetto nutrito dal consorzio BGE 139 II 7 S. 22 sul conto del proprio funzionario sarebbe bastato procedere a un'analisi dei logfiles disponibili - relativi di regola ai soli dati marginali ("chi [indirizzo-IP oppure, per le e-mail professionali, indirizzo del mittente e del destinatario], cosa [indirizzo completo del sito Internet visionato, Uniform Ressource Locator, URL, rispettivamente oggetto del messaggio di posta elettronica], quando [data e ora della consultazione, rispettivamente della comunicazione]") ma non anche ai contenuti del traffico informatico (v. HOLENSTEIN, op. cit., pag. 94 seg.; Guida IFPDT, pagg. 11, 24 e 34) - e confrontarlo in seguito con le risultanze per richiamarlo all'ordine (in questo senso, fra i tanti BEAT RUDIN, Was darf die Chefin, was die Angestellte?, Arbeits- und datenschutzrechtliche Schranken der technischen Überwachung der internet-Nutzung am Arbeitsplatz, digma 1/2001 pag. 4 segg.; HOLENSTEIN, op. cit., pag. 110 segg.; WOLFER, op. cit., pagg. 178, 189 e 192; ORDOLLI, op. cit., pag. 218 seg.; MAURER-LAMBROU/STEINER, op. cit., n. 29 ad art. 4 LPD ; COSTA, op. cit., pag. 3 segg.; PÄRLI, op. cit., pag. 47; PORTMANN, op. cit., n. 50 ad art. 328b CO ). 5.5.5 Con la sottoscrizione della direttiva del 5 marzo 2009 l'opponente è stato, sì, preventivamente informato della possibilità di controlli da parte del datore di lavoro, ma certamente non delle modalità invasive e sproporzionate operate dal ricorrente. Per cui anche l'esistenza di una sufficiente base legale per la sorveglianza intrapresa appare quantomeno dubbia, anche se non propriamente litigiosa. Inoltre se è vero, come ha del resto accertato senza il minimo arbitrio anche la Corte cantonale, che la direttiva prescriveva di limitare al minimo l'impiego privato, soprattutto durante gli orari di lavoro, dei mezzi informatici (punto 2) e avvisava che per motivi di sicurezza o per eseguire dei controlli a livello di prestazione potevano essere poste delle limitazioni riguardo alla riservatezza, con la possibilità per il datore di lavoro di disporre e, in caso di sospetto di abuso, anche analizzare i dati sul traffico e i dati log (ad es. protocolli degli accessi a Internet e traffico e-mail) attraverso i quali risalire all'ora in cui erano stabilite determinate comunicazioni (punto 3), ciò non toglie che i controlli dovevano comunque avvenire, per precisazione della direttiva stessa, nel rispetto del principio della proporzionalità. A ciò si aggiunge, di transenna, che comunque anche una eventuale, in concreto però denegata, accettazione preventiva di una sorveglianza mediante spyware difficilmente avrebbe potuto esplicare validi effetti giuridici e reggere di fronte al carattere imperativo dell' art. 26 OLL 3 (v. WOLFER, op. cit., pag. 93 seg.). BGE 139 II 7 S. 23 Lo stesso dicasi in relazione allo scritto 23 settembre 2009 dell'avvocato di controparte dal quale il ricorrente non può comunque seriamente dedurre un consenso dell'opponente in relazione alle verifiche nel frattempo, a sua insaputa, già compiute, dato che in quel momento X. non era a conoscenza delle concrete modalità di controllo utilizzate. 5.5.6 Il ricorrente si richiama inoltre alla succitata sentenza 9C_785/2010 per sostenere che, a garanzia dell'autenticità e della genuinità della prova per evitare ogni possibile inquinamento, non si poteva pretendere che esso rendesse preventivamente edotto l'opponente dell'inserimento nel suo personal computer di lavoro di un dispositivo di registrazione. Il richiamo è però inconferente già solo per il fatto che, a differenza di quanto valutato in quella vertenza (videosorveglianza del solo locale cassa), la misura di sorveglianza qui in esame era in sé vietata o comunque sproporzionata e non era altrimenti necessaria ad assicurare la prova nella lotta contro un (fondato sospetto di) grave reato penale (v. sul tema ROSENTHAL, op. cit., n. 102 ad art. 328b CO ; GEISER, op. cit., pag. 25). 5.5.7 In tali condizioni, essendo già contraria alle norme a tutela dei lavoratori ( art. 26 OLL 3 ), non occorre verificare oltre la conformità della misura in parola alla legislazione (cantonale) in materia di protezione dei dati. Infatti, per essere lecita, una sorveglianza deve in questo ambito cumulativamente rispettare le condizioni sia dell'uno sia dell'altro ordinamento (cfr. HOLENSTEIN, op. cit., pag. 114; PORTMANN, op. cit., n. 48 ad art. 328b CO ). Può dunque rimanere indeciso il quesito, risolto affermativamente dai giudici cantonali, di sapere se l'elaborazione dei dati operata dal ricorrente fosse (anche) contraria al principio della buona fede prescritto dall'art. 6 (cpv. 3) LPDP per il fatto che l'opponente, non informato nella direttiva del 5 marzo 2009 della eventualità di un simile (per genere ed estensione) provvedimento, non doveva attendersi una misura di sorveglianza clandestina tanto invasiva (più in generale sul tema cfr. WOLFER, op. cit., pagg. 55 segg. e 79 seg.). Così come non mette più nemmeno conto di esaminare la legalità della sorveglianza intrapresa dal ricorrente dal profilo penale, soprattutto dopo che la Camera dei ricorsi penali del Tribunale d'appello ticinese ha confermato con pronuncia, cresciuta in giudicato, del 21 settembre 2010 la tardività della querela penale presentata dall'opponente contro alcuni membri del consorzio ricorrente per titolo di sottrazione di dati personali (art. 179 novies CP). BGE 139 II 7 S. 24 6. 6.1 Accertata l'illiceità dell'acquisizione della perizia A., si tratta di verificare se essa potesse comunque essere utilizzata per il motivo - negato dai giudici di prime cure - che l'interesse del datore di lavoro all'accertamento della verità materiale prevaleva sull'interesse del lavoratore alla tutela della sua personalità, violata dall'inserimento clandestino di un dispositivo spyware nel suo personal computer. 6.2 Ricordato come la procedura amministrativa ticinese non regoli l'uso di mezzi di prova acquisiti illecitamente ma dichiari, all'art. 19 cpv. 2 della legge del 19 aprile 1966 di procedura per le cause amministrative (LPamm; RL 3.3.1.1), applicabili per analogia le norme della procedura civile, il Tribunale cantonale amministrativo ha fatto capo ai principi sviluppati in quell'ambito, ritenuti espressione del diritto a un processo equo garantito dall' art. 29 cpv. 1 Cost. e dall' art. 6 CEDU . Esso ha quindi contrapposto l'interesse del dipendente, leso nella sua sfera personale in maniera non trascurabile perché il datore di lavoro, oltre a controllarlo in modo continuo sul suo personal computer, aveva anche preso conoscenza delle e-mail ricevute e inviate, a quello del ricorrente, consistente nella verifica se il tempo trascorso dall'opponente al personal computer, in assenza comunque di particolari sue inadempienze nello svolgimento dei compiti, fosse impiegato per attività estranee alla funzione assegnatagli. Ritenendo che il datore di lavoro non cercasse di verificare soltanto il sospetto di abuso degli strumenti informatici - abuso che avrebbe potuto facilmente stroncare richiamando all'ordine il dipendente - ma cercasse addirittura di procurarsi il pretesto e la prova per porre fine al rapporto di impiego, la Corte cantonale ha concluso che l'interesse del consorzio all'accertamento della verità materiale non prevaleva su quello opposto alla tutela della personalità e della sfera privata dei suoi dipendenti. 6.3 Il consorzio ricorrente contesta di essere andato a "caccia della notizia del reato disciplinare" e per il resto osserva che, vigendo nella procedura amministrativa il principio indagatorio, l'interesse alla ricerca della verità materiale dev'essere ritenuto prevalente. 6.4 Oltre a essere difficilmente ricevibile, la tesi ricorsuale si dimostra anche infondata poiché non spiega in quale misura l'accertamento dello stato di fatto in merito agli scopi perseguiti con la sorveglianza sarebbe arbitrario o contrario al diritto, ma si limita a BGE 139 II 7 S. 25 sostituire (inammissibilmente) il proprio apprezzamento a quello dell'autorità precedente. 6.4.1 Quale aspetto parziale del diritto a un processo equo ai sensi degli art. 29 cpv. 1 Cost. e 6 n. 1 CEDU il Tribunale federale afferma di principio il divieto di utilizzare mezzi di prova acquisiti illecitamente ( DTF 136 V 117 consid. 4.2.2 pag. 125 con riferimenti). Non esclude in assoluto l'utilizzo di simili mezzi di prova, bensì solo (ma pur sempre) in linea di massima. Il giudice deve operare una ponderazione tra gli opposti interessi ( DTF 131 I 272 consid. 4 pag. 278 segg.), in concreto tra l'interesse del ricorrente all'accertamento della verità materiale e quello dell'opponente alla tutela della propria personalità. Nella procedura civile, alla quale rinvia la LPamm, l' art. 152 cpv. 2 CPC (RS 272) stabilisce che il giudice prende in considerazione mezzi di prova ottenuti illecitamente soltanto se l'interesse all'accertamento della verità prevale (sull'analoga situazione valida a livello giurisprudenziale, in assenza di una norma specifica, prima del 1° gennaio 2011, sotto l'imperio del codice di procedura civile ticinese, cfr. COCCHI/TREZZINI, Codice di procedura civile ticinese massimato e commentato, 2000, n. 50 ad art. 90-91 CPC /TI). Ciò si verifica maggiormente nei procedimenti retti dal principio inquisitorio e/o dalla massima dell'ufficialità che in quelli disciplinati dal principio attitatorio. Nondimeno, l'utilizzo di mezzi di prova acquisiti in seguito a una ingerenza illecita nella sfera privata dev'essere ammesso solo con grande riserbo (cfr. HASENBÖHLER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [ed.], 2010, n. 41 ad art. 152 CPC ; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2008, pag. 261 n. 24; CHRISTIAN LEU, in Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [ed.], 2011, n. 56 ad art. 152 CPC ). 6.4.2 Ora, pur essendo la procedura in esame ovviamente retta dal principio inquisitorio, ciò non toglie che l'ingerenza nella sfera privata, realizzata mediante l'inserimento clandestino di un programma spia che ha permesso di controllare in maniera continuativa tutto il traffico informatico sul personal computer di lavoro dell'opponente per un periodo di tempo superiore a tre mesi e di prendere in particolare conoscenza anche del contenuto di messaggi di posta elettronica strettamente privati e riservati, fosse di indubbia intensità e gravità. A questo aspetto si contrappone l'indiscusso interesse del ricorrente il quale però non indagava su fatti di rilevanza penale né soprattutto - per quanto esposto anche al consid. 5.5.4 - si trovava altrimenti nella necessità di dovere per forza ricorrere a simile BGE 139 II 7 S. 26 mezzo di sorveglianza invasiva per accertare se l'opponente abusasse realmente degli strumenti informatici dedicandosi ad attività estranee alla funzione assegnatagli. Per accertare e stroncare l'eventuale abuso bastava infatti, come hanno constatato senza il minimo arbitrio i giudici cantonali, che l'insorgente procedesse all'analisi (totalmente legale) dei logfiles disponibili e richiamasse all'ordine il suo dipendente. Non avendolo fatto, esso non può pretendere che il suo interesse all'accertamento della verità materiale prevalesse su quello dell'opponente a tutela della propria personalità. Nel ritenere dunque inutilizzabile il mezzo di prova offerto dalla ricorrente, il Tribunale cantonale amministrativo non ha commesso una violazione del diritto alla prova ( art. 29 cpv. 2 Cost. ). Né, in assenza di specifica allegazione ricorsuale in tal senso, mette conto di esaminare in questa sede se il divieto di utilizzare prove illecite potesse nondimeno, se del caso, preservare eventuali ammissioni rese dall'opponente in sede amministrativa sulla base della contestata sorveglianza (sul tema dell'effetto indiretto dei mezzi di prova acquisiti in modo illecito cfr. DTF 138 IV 169 consid. 3.3.1-3.3.3 pag. 172 seg.; DTF 137 I 218 consid. 2.4 pag. 225 seg.). 7. 7.1 Posta l'inutilizzabilità della perizia A. e delle sue risultanze, viene a cadere, come ha pertinentemente rilevato la Corte cantonale, il fondamento stesso del licenziamento disciplinare perché la violazione dei doveri di servizio contestata non è stata provata. Il ricorrente, che per giunta si limita in parte a rinviare genericamente ai " doc. agli atti, in part. (d)a quelli richiamati " per sostenere in maniera inammissibile - anche perché non spetta al Tribunale federale sopperire all'obbligo di diligenza delle parti e cercare nel voluminoso fascicolo i passaggi e le dichiarazioni a sostegno della tesi ricorsuale (cfr. ad es. sentenza 9C_369/2011 del 3 febbraio 2012 consid. 3.5) - una diversa versione dei fatti, non spiega infatti in quale misura l'accertamento dei primi giudici in merito alla mancanza - in 24 anni di servizio e fatta astrazione dall'ammonimento pronunciato nel 2003 per tutt'altra questione - di altri particolari momenti di demerito e alla tardiva, poiché successiva alla decisione di destituzione, oltre che generica contestazione di un non meglio specificato disinteresse per il lavoro sarebbe insostenibile o contrario al diritto. Non occorre perciò esaminare oltre se l'impiego degli strumenti informatici per attività private sul posto di lavoro nella misura rilevata dalla perizia A. potesse effettivamente giustificare un licenziamento BGE 139 II 7 S. 27 con effetto immediato (sul tema cfr. però, per il contratto di lavoro di diritto privato, la sentenza 4C.349/2002 del 25 giugno 2003 consid. 5). 7.2 Giova nondimeno rilevare, insieme alla Corte cantonale, che anziché attendere che la situazione si trascini e si aggravi inutilmente, il datore di lavoro, prima di adottare direttamente un siffatto drastico provvedimento, dovrebbe, una volta accertato (con mezzi legali) l'abuso - di per sé, in un caso normale, assimilato a una mancanza di minore importanza (cfr. HOLENSTEIN, op. cit., pag. 160) - nell'utilizzo degli strumenti informatici, intervenire tempestivamente presso il dipendente e ammonirlo per dargli la possibilità di correggere questo suo comportamento, essendogli per il resto riservata la possibilità di bloccare l'accesso a Internet di quest'ultimo e di chiedergli il risarcimento per l'eventuale danno subito (cfr. in questo senso anche HOLENSTEIN, op. cit., pag. 160 seg. e Guida IFPDT, pagg. 28 e 39, secondo i quali un licenziamento immediato può invece giustificarsi unicamente se, nonostante l'ammonimento e la comminatoria di licenziamento in caso di recidiva, il dipendente persiste nel suo comportamento abusivo o se altrimenti commette un reato penale; v. pure TOBLER/FAVRE/MUNOZ/EHM, Arbeitsrecht, 2006, n. 1.26 ad art. 337 CO ). Sennonché, come ha accertato senza il benché minimo arbitrio la Corte cantonale, il consorzio ricorrente non ha mai in precedenza ammonito l'opponente in relazione all'uso improprio ora contestatogli del personal computer aziendale (più in generale, sull'opportunità, anche nel diritto della funzione pubblica, in analogia a quanto stabilito nel diritto privato, di fare precedere, quantomeno in caso di mancanze di lieve o media gravità, un licenziamento immediato da uno o più avvertimenti cfr. sentenza 8C_596/2009 del 4 novembre 2009 consid. 5.3 con riferimenti). 7.3 Contrariamente a quanto pretende il ricorrente, con l'annullamento della decisione di destituzione il Tribunale cantonale amministrativo non si è illecitamente sostituito al potere di apprezzamento dell'autorità amministrativa. Se è pur vero che quest'ultima dispone di un largo margine di apprezzamento per stabilire la sanzione disciplinare maggiormente appropriata, ciò non toglie che tale potere dev'essere esercitato entro i limiti tracciati dal principio di proporzionalità (cfr. ad es. sentenza 8C_203/2010 del 1° marzo 2011 consid. 3.5). Orbene, nel qualificare, alla luce della situazione probatoria esistente, eccessiva la misura della destituzione, i giudici cantonali si sono limitati ad applicare il principio della proporzionalità e a BGE 139 II 7 S. 28 riesaminare (liberamente) il diritto. Non si può dunque rimproverare loro di avere abusato del potere di apprezzamento e di avere proceduto a un esame (vietato) di opportunità (cfr. sul tema anche sentenze 8C_165/2010 del 18 ottobre 2010 consid. 6.2-6.2.5 e 2P.363/1996 del 31 gennaio 1997 consid. 3a). Né per il resto e per gli argomenti sopra sviluppati la Corte cantonale, nel correggere la valutazione delle autorità precedenti, ha altrimenti arbitrariamente applicato il principio di proporzionalità (cfr. DTF 134 I 153 consid. 4.3 pag. 158, secondo cui se esamina il diritto cantonale separatamente dall'ingerenza in un diritto fondamentale, il Tribunale federale non riesamina liberamente l'osservanza del principio della proporzionalità, ma solo sotto il profilo dell'arbitrio). D'altronde, chiamato a pronunciarsi su una misura di destituzione - che arreca grave pregiudizio ai diritti del funzionario - il giudice non può limitarsi a prendere atto dell'opinione dell'autorità secondo cui il rapporto di fiducia tra l'ente pubblico e il funzionario sarebbe irrimediabilmente compromesso perché questa conclusione in realtà consegue dalla ponderazione stessa degli interessi secondo il principio di proporzionalità (sentenza citata 2P.363/1996 consid. 3a).
public_law
nan
it
2,013
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
14576815-6b6a-450e-8d61-e67479d86482
Urteilskopf 118 V 177 22. Urteil vom 9. Juni 1992 i.S. G. gegen "Schweizer Union", Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft, und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste Art. 3 Abs. 1 UVG . Auslegung des Begriffs "Antritt der Arbeit" als Voraussetzung für die Versicherungsdeckung.
Sachverhalt ab Seite 177 BGE 118 V 177 S. 177 A.- Margrit G. (geb. 1945) ist seit der Wintersaison 1961/62 regelmässig für die Schweizer Skischule L. (SSSL) als Skilehrerin tätig und seit Erwerb des Skilehrerpatentes im Jahre 1968 Genossenschafterin der Skischule. Als deren Arbeitnehmerin ist sie bei der "Schweizer Union", Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend Schweizer Union), nach Massgabe des UVG obligatorisch versichert. Anfangs Dezember 1988 schloss sie - wie alljährlich - einen Arbeitsvertrag ab, wonach sie sich verpflichtete, der SSSL während der kommenden Saison gegen eine feste Tagespauschale als Skilehrerin für Klassen- oder Privatunterricht zur Verfügung zu stehen. Zudem übernahm sie u.a. ausdrücklich die Verpflichtung, den obligatorischen Einführungs- oder den kantonalen Fortbildungskurs, die Trainingsstunden, die Rapporte, Theorie und Diskussionen sowie die Skischulabende und Fackelabfahrten zu besuchen. Zum Beginn der Tätigkeit äusserte sich der Vertrag nicht. Am Wochenende des 17./18. Dezember 1988, unmittelbar vor ihrem ersten effektiven Einsatz für Skischulunterricht (19. Dezember 1988), absolvierte Margrit G. den vom zuständigen kantonalen Amt für patentierte Skilehrer alle zwei Jahre vorgeschriebenen BGE 118 V 177 S. 178 obligatorischen Fortbildungskurs. Dabei verunfallte sie am ersten Tag und zog sich nebst einem Wadenbeinbruch links Verletzungen des Schultergelenks und des Daumens sowie eine Gehirnerschütterung zu. Die SSSL meldete den Unfall der Schweizer Union, welche in der Folge über längere Zeit die gesetzlichen Leistungen in Form von Heilungskosten und Taggeldern in der Höhe von insgesamt Fr. 29'093.40 erbrachte. Nachdem die Versicherungsgesellschaft im Februar 1990 davon Kenntnis erhalten hatte, dass die "tatsächliche" Anstellung als Skilehrerin auf den 19. Dezember 1988 erfolgte, kam sie auf ihren Entscheid zurück und verfügte am 9. November 1990 die Ablehnung ihrer Leistungspflicht für das Schadenereignis vom 17. Dezember 1988. Zur Begründung führte sie aus, der vor der tatsächlichen Anstellung besuchte Fortbildungskurs sei nicht gedeckt, weil laut Gesetz die obligatorische Unfallversicherung erst an dem Tag beginne, an dem der Arbeitnehmer die Arbeit antrete oder hätte antreten sollen. Auf Einsprache hin bestätigte die Versicherung ihre Ablehnungsverfügung (Entscheid vom 22. Januar 1991). B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, die Schweizer Union sei zur Ausrichtung der vertraglichen und gesetzlichen Leistungen in vollem Umfange zu verpflichten, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit Entscheid vom 7. Juni 1991 ab. C.- Margrit G. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das vorinstanzliche Rechtsbegehren erneuern; eventuell sei die Sache zur nochmaligen Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit Eingaben vom 19. September und 9. Dezember 1991 werden verschiedene Unterlagen nachgereicht. Die Schweizer Union und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Nach Art. 3 Abs. 1 UVG beginnt die Versicherung an dem Tag, an dem der Arbeitnehmer aufgrund der Anstellung die Arbeit antritt oder hätte antreten sollen, in jedem Falle aber im Zeitpunkt, da er sich auf den Weg zur Arbeit begibt. Diese Regelung stimmt, von kleineren redaktionellen Änderungen abgesehen, mit Art. 62 Abs. 1 KUVG überein, so dass die hiezu ergangene Judikatur und Literatur auch für das neue Recht gültig sind. Was unter dem Anknüpfungspunkt "Antritt zur Arbeit" zu verstehen ist, hat das Eidg. Versicherungsgericht BGE 118 V 177 S. 179 bereits in einem älteren Urteil aus dem Jahre 1950 erläutert: Diese Formulierung wolle nichts anderes heissen, als dass die Versicherung erst mit dem "Arbeitsbeginn" einsetze, also mit der tatsächlichen Aufnahme der Arbeit. Arbeitsantritt und Arbeitsbeginn seien synonyme Begriffe, wie der französische und italienische Gesetzestext klar dartue ("dès que l'ouvrier a commencé le travail" [neu: dès le jour, où le travailleur commence ... le travail]; "col cominciare del lavoro" [neu: il giorno, in cui il lavoratore comincia ... l'attività]). Das Wort "Antritt" in der deutschen Fassung sei nur gewählt worden, um eine sprachliche Wiederholung zu vermeiden (EVGE 1950 S. 8 Erw. 1). In EVGE 1963 S. 236 Erw. 4 wurde weiter argumentiert, für den Beginn der Versicherung sei im Regelfall ein tatsächliches Ereignis (der "Arbeitsantritt") massgebend, nicht dagegen ein rein rechtliches Verhältnis ("Anstellungsvertrag"). Laut BGE 97 V 208 Erw. 2 ist die Regelung über den Beginn der Versicherung restriktiv zu interpretieren, wobei sich diese Einschränkung allerdings auf den mit der Gesetzesnovelle vom 19. Juni 1959 eingefügten Zusatz zu Art. 62 Abs. 1 KUVG ("oder hätte angetreten werden sollen, in jedem Falle aber mit Antritt des Weges zur Arbeit") bezieht, der im Verhältnis zur Grundregel des Arbeitsantritts die Ausnahme bildet (vgl. EVGE 1963 S. 236 Erw. 4). Nach neuerer Lehre und Rechtsprechung ist eine solche Ausnahmebestimmung weder extensiv noch restriktiv auszulegen, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der allgemeinen Regelung ( BGE 114 V 302 Erw. 3e mit Hinweisen), insbesondere unter gehöriger Beachtung der Schutzrichtung der sozialen Unfallversicherung. b) Nach der Lehre (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 140) tritt der Arbeitnehmer die Arbeit an, wenn er mit der eigentlichen Arbeit, um derentwillen er angestellt wurde, beginnt. "Antritt der Arbeit" sei aber auch dann anzunehmen, wenn er jene Vorbereitungshandlungen konkret vornehme, die für die Arbeit erforderlich seien, so z.B. wenn er auf der Baustelle Werkzeug und Material fasse, Maschinen bereitstelle oder auf der Arbeitsstätte sich die Arbeitskleider anziehe (vgl. dazu auch GHÉLEW/RAMELET/RITTER, Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents, S. 30). Die Auslegung, was "Arbeit antreten" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 UVG bedeutet, hat sich mitunter am Inhalt der "Anstellung" und damit am Arbeitsvertrag zu orientieren. 2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin für den am 17. Dezember 1988 erlittenen Unfall Versicherungsschutz BGE 118 V 177 S. 180 geniesst. Dass sie als Arbeitnehmerin bei der SSSL beschäftigt und mithin im Sinne von Art. 1 Abs. 1 UVG obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert wäre (vgl. dazu BGE 115 V 55 , BGE 113 V 333 Erw. 4b), steht unbestrittenermassen fest. Ob sie Versicherungsleistungen beanspruchen kann, hängt davon ab, wann sie die Arbeit angetreten hat. a) Versicherung und Vorinstanz stellen sich auf den Standpunkt, der Besuch des vom Kanton durchgeführten obligatorischen Fortbildungskurses sei nicht als arbeitsvertragliche Verpflichtung der Arbeitnehmerin zu betrachten, sondern als Voraussetzung zur Anstellung unter den vereinbarten Bedingungen. Die Beschwerdeführerin sei im Unfallzeitpunkt weder in einem Subordinationsverhältnis zur Arbeitgeberin gestanden, noch habe sie für die Kurstage eine Entschädigung erhalten. Weil die Teilnahme der Skilehrer am obligatorischen Fortbildungskurs nicht Inhalt des Arbeitsvertrages bilde, habe die Versicherungsdeckung nicht bereits mit dem Kursbesuch beginnen können, sondern frühestens mit der effektiven Arbeitsaufnahme, d.h. mit der Erteilung von Skilektionen und der Betreuung von Gästen. b) Dem kann nicht beigepflichtet werden. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der im Arbeitsvertrag ausdrücklich vorgeschriebene Besuch des obligatorischen Fortbildungskurses als arbeitsvertragliche Obliegenheit zu betrachten. Es trifft zwar zu, dass die Beschwerdeführerin mit der Absolvierung dieses Kurses nicht die eigentliche Arbeit geleistet hat, wofür sie angestellt wurde. Dies ändert aber nichts daran, dass die Teilnahme am obligatorischen Fortbildungskurs Bestandteil der arbeitsvertraglichen Verpflichtung war, am ehesten vergleichbar mit den Trainingsstunden, die ebensowenig zur typischen Tätigkeit einer Skilehrerin gehören. Insofern als der Kurs unmittelbar vor dem geplanten eigentlichen Einsatz im Rahmen der Skischule stattfand, hat er zwar nicht arbeitsbegleitenden, aber doch konkret arbeitsvorbereitenden Charakter. Im Lichte der in Erw. 1b erörterten Grundsätze hat daher die Beschwerdeführerin mit dem aufgrund der Anstellungsbedingungen besuchten Fortbildungskurs ihre Arbeit angetreten. Zwischen dem Besuch des Fortbildungskurses und der Ausübung der Instruktionstätigkeit als Skilehrerin besteht ein so enger Konnex, dass der Kurs nicht vom Arbeitsantritt abgekoppelt werden kann. Eine andere Betrachtungsweise hätte unter dem Blickwinkel der Praktikabilität insoweit etwas Stossendes an sich, als sich die Skilehrer für zwei Tage separat versichern müssten, wenn sie den Fortbildungskurs vor Aufnahme ihrer BGE 118 V 177 S. 181 eigentlichen Tätigkeit absolvieren. Die Versicherungsdeckung kann aber nicht von der Zufälligkeit abhängen, ob der Kurs unmittelbar vor dem Beginn des Skiunterrichts bestanden wird oder erst nachher, wobei in letzterem Falle der Versicherungsschutz unbestrittenermassen gewährleistet wäre. Der Annahme der Versicherungsdeckung mit dem Besuch des Fortbildungskurses steht der Umstand, dass die Beschwerdeführerin dafür nicht speziell entlöhnt war, nicht entgegen. Rechtsprechungsgemäss kann nämlich der Lohnanspruch in irgendeiner Form geregelt sein ( BGE 115 V 59 Erw. 2d). Bei der vereinbarten Tagesbesoldung ist vorliegend anzunehmen, dass sie sämtliche vertraglichen Entschädigungen, insbesondere auch jene für die Absolvierung des vorgeschriebenen Fortbildungskurses, abdeckt. Nicht zu überzeugen vermag sodann, vorab unter dem Blickwinkel des Art. 12 Abs. 1 lit. c UVV , der Einwand, es fehle an einem Subordinationsverhältnis. Danach gelten Unfälle, die dem Versicherten beim Besuch von Schulen und Kursen zustossen, welche nach Gesetz und Vertrag vorgesehen oder vom Arbeitgeber gestattet sind, als Berufsunfälle im Sinne von Art. 7 Abs. 1 UVG . Auch bei diesem Tatbestand können sich vorübergehend andere, besondere (mehrschichtige) Unterstellungsverhältnisse ergeben, die an der arbeitsvertraglichen Subordination grundsätzlich nichts ändern. Unerheblich ist schliesslich, dass das zuständige Departement bei der Ausschreibung der kantonalen Fortbildungskurse jeweils darauf hinweist, die Versicherung gegen Unfall sei Sache der Teilnehmer. Dies hat auf die Frage, wann im Einzelfall aufgrund der konkreten Anstellungsbedingungen die Arbeit angetreten wurde, keinen Einfluss. c) Nach dem Gesagten hat die Beschwerdeführerin den Skiunfall, der sich am ersten Kurstag ereignete, nach Antritt ihrer Arbeit erlitten. Somit hat sie Anspruch auf die gesetzlichen Versicherungsleistungen.
null
nan
de
1,992
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
1459d63c-1f6f-4173-a9fa-1b5944f43b93
Urteilskopf 113 V 154 24. Urteil vom 30. Juni 1987 i.S. Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern, gegen N. und Versicherungsgericht des Kantons Bern
Regeste Art. 30 Abs. 3 AVIG : Einstellung in der Anspruchsberechtigung. Für die Bemessung der Einstellungsdauer spielt einzig der Grad des Verschuldens eine Rolle, nicht aber die tatsächliche Dauer der Arbeitslosigkeit.
Sachverhalt ab Seite 154 BGE 113 V 154 S. 154 A.- N. arbeitete seit 1981 als Hilfskontrolleur in einer Maschinenfabrik mit einem Monatslohn von Fr. 2'750.--. Am 31. Januar 1986 kündigte er das Arbeitsverhältnis per Ende März 1986, weil die ihm auf Anfang dieses Jahres gewährte Lohnerhöhung nach seiner Auffassung zu gering ausgefallen sei. Da er keine neue Stelle fand, besuchte er ab 1. April 1986 beim Städtischen Arbeitsamt Burgdorf die Stempelkontrolle und erhob ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Er stempelte regelmässig bis zum 25. April 1986, und am 28. April 1986 konnte er eine neue Stelle bei einer Druckerei antreten. BGE 113 V 154 S. 155 Mit Verfügung vom 22. April 1986 stellte ihn die Arbeitslosenkasse des Kantons Bern (Zweigstelle Burgdorf-Emmental) wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab 1. April 1986 für 25 Tage in der Anspruchsberechtigung ein, weil er das Arbeitsverhältnis mit der Maschinenfabrik ohne die Zusicherung einer anderen Stelle gekündigt habe. B.- Beschwerdeweise beantragte der Versicherte, die Einstellung in der Anspruchsberechtigung sei aufzuheben; eventuell sei sie zu reduzieren. Das Versicherungsgericht des Kantons Bern hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 20. August 1986 insofern gut, als es die Einstellungsdauer von 25 auf 19 Tage herabsetzte mit der Begründung, die Einstellungsdauer könne nicht länger sein als die Dauer der Arbeitslosigkeit; im übrigen wies es die Beschwerde ab. C.- Das kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die angefochtene Verfügung zu bestätigen; eventuell sei die Einstellungsdauer von 19 auf 22 Tage zu erhöhen. Die Vorinstanz beantragt Abweisung des Hauptantrages und Gutheissung des Eventualantrages. Während sich der Versicherte zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht hat vernehmen lassen, schliesst das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit auf deren Gutheissung. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG ist der Versicherte in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn er durch eigenes Verschulden arbeitslos ist. Die Arbeitslosigkeit gilt insbesondere dann als selbstverschuldet, wenn der Versicherte das Arbeitsverhältnis von sich aus aufgelöst hat, ohne dass ihm eine andere Stelle zugesichert war, es sei denn, dass ihm das Verbleiben an der Arbeitsstelle nicht zugemutet werden konnte ( Art. 44 lit. b AVIV ). Die Dauer der Einstellung bemisst sich nach dem Grad des Verschuldens ( Art. 30 Abs. 3 AVIG ) und beträgt 1 bis 10 Tage bei leichtem, 11 bis 20 Tage bei mittelschwerem und 21 bis 40 Tage bei schwerem Verschulden ( Art. 45 Abs. 2 AVIV ). Die Einstellung fällt binnen sechs Monaten nach Beginn der Einstellungsfrist dahin (Art. 30 Abs. 3 letzter Satz AVIG). BGE 113 V 154 S. 156 2. Die Vorinstanz ging davon aus, dass der Versicherte einen Anspruch auf 19 (recte: 22) Taggelder erworben habe. Es bestehe keine sachliche Rechtfertigung, für die selbstverschuldete Arbeitslosigkeit eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu verfügen, die über dem Schaden liege, welcher der Versicherung durch sein Verhalten erwachsen sei. Dies würde zur unbilligen Konsequenz führen, dass der Versicherte, falls er die am 28. April 1986 angetretene Stelle bis Ende September 1986 ohne sein Verschulden verlieren sollte, vorerst den Rest der verfügten Einstellungstage zu bestehen habe ( Art. 30 Abs. 3 AVIG ), obwohl ihm kein schuldhaftes Verhalten für die neu eingetretene Arbeitslosigkeit vorgeworfen werden könne. Daher sei die von der Kasse verfügte Einstellung auf die Dauer des Anspruches auf Taggelder herabzusetzen. Denn nach Auffassung des kantonalen Richters besteht neben der absoluten oberen Grenze der Einstellungsdauer, welche gemäss Art. 30 Abs. 3 AVIG je Einstellungsgrund höchstens 40 Tage beträgt, auch eine relative obere Grenze der Leistungskürzung. Nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz habe nämlich der Versicherte bei schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalles höchstens den vollen Schaden selber zu tragen. Hingegen gehe es nicht an, ihm gleichsam als Sanktion weitere Versicherungsleistungen vorzuenthalten, welche in keinem kausalen Zusammenhang mit dem ursprünglichen vermeidbaren Verhalten ständen. Die Leistungsverweigerung wegen schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalles beruhe nicht auf pönalen Überlegungen, sondern es gehe vielmehr darum, Beitragspflichtige und Steuerzahler, welche die Sozialversicherung finanzieren, ganz oder teilweise zu entlasten, wenn Versicherte durch ein qualifiziertes tadelnswertes Verhalten Schäden verursachten. 3. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung bemisst sich gemäss Art. 30 Abs. 3 AVIG nach dem Grad des Verschuldens. Dabei ist die tatsächliche Dauer der Arbeitslosigkeit für die Beurteilung des Verschuldens unerheblich, weil sie zumindest bei intensiver Stellensuche der Einflussnahme durch den Versicherten weitgehend entzogen ist. Bei Arbeitslosigkeit durch eigenes Verschulden steht das zu beurteilende Verhalten des Versicherten, welches zum Eintritt des Versicherungsfalles führt, in keinem kausalen Zusammenhang zur Dauer der nachfolgenden Arbeitslosigkeit, setzt der Versicherte doch die zum Eintritt der Arbeitslosigkeit führenden Gründe zu einem Zeitpunkt, in dem er noch nicht BGE 113 V 154 S. 157 wissen kann, wie lange die Arbeitslosigkeit dauern und wie hoch der dadurch verursachte Schaden sein wird. Würde die Dauer der Einstellung zumindest teilweise nach der Dauer der eingetretenen Arbeitslosigkeit bemessen, wäre nicht mehr - wie durch das Gesetz klar vorgeschrieben - allein das Verschulden des Versicherten massgebend. Insbesondere würden jene Versicherten, die zufälligerweise innert kürzester Frist erneut eine Arbeit aufnehmen können, erheblich bessergestellt, obwohl ihr Verschulden am Eintritt der Arbeitslosigkeit gleich oder eventuell sogar schwerer wiegen kann als bei denjenigen Versicherten, die nicht kurzfristig eine neue Arbeit aufnehmen können. Sodann ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung, wonach nicht bestandene Einstellungstage binnen sechs Monaten nach Beginn der Einstellungsfrist dahinfallen ( Art. 30 Abs. 3 AVIG ), dass die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung die Dauer der Arbeitslosigkeit überschreiten kann. Wie sich der Botschaft des Bundesrates zu einem neuen Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung vom 2. Juli 1980 entnehmen lässt, wollte der Gesetzgeber das Problem des Verfalls noch nicht bestandener Einstellungstage grosszügig regeln und die Arbeitsannahme gleichsam belohnen, indem einem Versicherten, der vor Ablauf der Einstellungszeit eine neue Stelle angenommen hat, die nicht bestandenen Einstellungstage schon sechs Monate nach Beginn der Einstellungsfrist gestrichen werden (BBl 1980 III 590). Der Gesetzgeber war sich der von der Vorinstanz kritisierten Konsequenz offenbar bewusst, dass der Versicherte, der vor Ablauf von sechs Monaten seit Beginn der Arbeitslosigkeit seine neue Stelle unverschuldeterweise wieder verliert, noch den Rest der verfügten Einstellungstage zu bestehen hat - unter der zu bejahenden Voraussetzung, dass die Dauer der verschuldeten Arbeitslosigkeit bei der Bemessung der Einstellungsdauer nicht mitberücksichtigt wird. Der Gesetzgeber befürwortete ein Dahinfallen von Einstellungstagen klarerweise erst nach Ablauf von sechs Monaten seit Beginn der Einstellungsfrist. Dass sich aus der erwähnten Ordnung für die Versicherten Härtefälle ergeben können, ist nicht zu verneinen, liegt aber in der Natur gesetzlicher, der Rechtssicherheit dienender Fristen. Das nachträgliche Bestehen noch nicht verfallener Einstellungstage beruht auch nicht auf pönalen Überlegungen, sondern es kommt damit - nach einem zeitlichen Unterbruch - die angeordnete, dem Grad des Verschuldens angemessene verwaltungsrechtliche BGE 113 V 154 S. 158 Sanktion wieder zum Tragen, welche bezweckt, der Gefahr missbräuchlicher Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung zu begegnen ( BGE 112 V 332 Erw. 3c). In der Nichtberücksichtigung der Dauer der Arbeitslosigkeit bei der Festsetzung der Einstellungsdauer liegt auch kein Verstoss gegen den bei verwaltungsrechtlichen Sanktionen zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismässigkeit (vgl. BGE 108 V 252 Erw. 3a mit Hinweisen; BGE 111 V 320 Erw. 4; ARV 1987 Nr. 1 S. 39). Ferner würde die Konzeption der Vorinstanz zur für die Praxis untragbaren Konsequenz führen, dass in jedem Fall das Ende der Arbeitslosigkeit abgewartet werden müsste, bis die Einstellungsdauer unter gebührender Berücksichtigung der Dauer der Arbeitslosigkeit festgesetzt werden könnte. Dabei ist auch auf das Interesse der Verwaltung hinzuweisen, die allenfalls umfangreichere Abklärungen erfordernde Frage der Einstellung rasch zu beantworten und gegebenenfalls zu verfügen. Bildet wie hier allein die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung (und nicht die Taggeldberechnung) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, so ist auch nicht zu prüfen, wie sich die zu bestehenden Einstellungstage auf die Anzahl der für eine bestimmte Kontrollperiode auszurichtenden Taggelder auswirken (nicht veröffentlichtes Urteil W. vom 3. Februar 1987). Massgebend ist, wie bereits gesagt, gemäss Art. 30 Abs. 3 AVIG allein der Grad des Verschuldens, nicht aber die tatsächliche Dauer der Arbeitslosigkeit. Eine Reduktion der Einstellungsdauer im Sinne des vorinstanzlichen Entscheides ist somit nicht zulässig. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 20. August 1986 aufgehoben.
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nan
de
1,987
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14634d33-bf51-4b51-b5a7-07b50d23f5c0
Urteilskopf 104 V 173 41. Auszug aus dem Urteil vom 17. April 1978 i.S. Zaccaria gegen Kantonales Arbeitsamt Solothurn und Kantonale Rekurskommission für Arbeitslosenversicherung Solothurn
Regeste Rückerstattung unrechtmässig bezogener Arbeitslosenentschädigungen ( Art. 35 Abs. 1 AlVG ). Der Begriff der grossen Härte ist gleich auszulegen wie der gleichlautende Begriff in Art. 47 Abs. 1 AHVG und Art. 79 Abs. 1 AHVV .
Erwägungen ab Seite 173 BGE 104 V 173 S. 173 Aus den Erwägungen: Nach Art. 35 Abs. 1 AlVG ist die Rückforderung von unrechtmässig ausbezahlten Taggeldern auf Gesuch hin ganz oder teilweise zu erlassen, wenn der Versicherte die Entschädigungen gutgläubig bezogen hat und die Rückforderung sich als grosse Härte auswirken würde. Der Begriff der grossen Härte wird im Arbeitslosenversicherungsrecht nicht definiert. Mit Recht verweist darum HOLZER in seinem Kommentar zu Art. 35 Abs. 1 AlVG (S. 182) auf Art. 47 AHVG , wonach auch in der AHV von der Rückforderung unrechtmässig ausbezahlter Renten und Hilflosenentschädigungen bei gutem Glauben und bei gleichzeitigem Vorliegen einer grossen Härte abgesehen werden kann. Ferner erklärt Art. 49 IVG den Art. 47 AHVG als auf die Rückerstattung unrechtmässig bezogener Invalidenversicherungsleistungen anwendbar. BGE 104 V 173 S. 174 Die gleiche Regelung findet sich in Art. 27 Abs. 1 ELV für den Erlass der Rückzahlung unrechtmässig bezogener Ergänzungsleistungen, in Art. 11 Abs. 2 FLG für die Rückerstattung von Familienzulagen für Kleinbauern und landwirtschaftliche Arbeitnehmer sowie in Art. 23 EOV für die Rückforderung und den Erlass unrechtmässig bezogener Erwerbsausfallentschädigungen. Ferner hat das Eidg. Versicherungsgericht Art. 47 AHVG auf den Erlass der Rückerstattung von Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung als anwendbar erklärt ( BGE 102 V 102 ). Im Interesse einer möglichst einheitlichen Ordnung des Rückerstattungserlasses im Bereich der Sozialversicherungen rechtfertigt es sich deshalb, die Rückerstattungs- und Erlasspraxis, die in der AHV entwickelt wurde, im Gebiet der Arbeitslosenversicherung sinngemäss anzuwenden. Nach der Rechtsprechung ist eine grosse Härte im Sinne von Art. 47 Abs. 1 AHVG gegeben, soweit zwei Drittel des Jahreseinkommens, dem ein angemessener Teil des Vermögens zuzurechnen ist, nach Abzug der Rückerstattungsforderung die auf den Rückerstattungspflichtigen zutreffende Einkommensgrenze des Art. 42 Abs. 1 AHVG nicht erreichen. Das bedeutet mit andern Worten, dass die Rückforderung unrechtmässig bezogener Renten durch einmaligen oder wiederholten Abzug (bzw. Verrechnung) nur in dem Ausmass realisiert werden darf, dass die erwähnten gesetzlichen Einkommensgrenzen nicht unterschritten werden (ZAK 1973, S. 199 und 175). Für die Bestimmung des im Einzelfall massgebenden anrechenbaren Einkommens und des hinzuzurechnenden Vermögensteils sind die Regeln der Art. 56-63 AHVV anzuwenden.
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de
1,978
CH_BGE
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CH
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146552d1-e5db-4112-86b8-39bcce5517cf
Urteilskopf 113 II 136 25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Januar 1987 i.S. M. X. gegen N. X. und Mitbeteiligte (Berufung)
Regeste Bäuerliches Erbrecht ( Art. 620 Abs. 1 ZGB ). Der Entwurf zu einem neuen Zonenplan ist durchaus geeignet, den Entscheid über die ungeteilte Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes zum Ertragswert zu beeinflussen; indessen geht es nicht an, gewisse Grundstückflächen unter dem Vorbehalt von der Integralzuweisung auszunehmen, dass der Zonenplan tatsächlich im Sinne des Entwurfs rechtskräftig abgeändert werde.
Sachverhalt ab Seite 136 BGE 113 II 136 S. 136 In dem zwischen den Parteien hängigen Erbteilungsprozess hat das kantonale Obergericht das teils auf dem Gebiet der Gemeinde A., teils auf demjenigen der Gemeinde B. gelegene landwirtschaftliche Heimwesen C. dem Beklagten M. X. ungeteilt zum Ertragswert zugewiesen; es nahm jedoch gewisse Grundstückflächen von der Zuweisung aus, verbunden mit dem Vorbehalt, dass sie nach Inkrafttreten des neuen Zonenplanes für die Gemeinde A. nicht in die Landwirtschaftszone umgezont sein würden. Das Bundesgericht heisst die Berufung und die Anschlussberufung, die von den Parteien hiergegen erhoben wurden, teilweise gut und weist die Sache zu neuer Beurteilung an die kantonale Instanz zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. a) Die Zuweisung, die ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück in der Zonenordnung erfährt, stellt ein wesentliches BGE 113 II 136 S. 137 Kriterium zur Beurteilung seiner künftigen Verwendung dar. Der Änderung bzw. Neufestlegung der Nutzung durch Planungsmassnahmen kommt deshalb grosses Gewicht zu, besonders dann, wenn sie auf dem am 1. Januar 1980 in Kraft getretenen Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG; SR 700) beruht (vgl. BGE 111 II 327 ). Die Zoneneinteilungen neurechtlicher Nutzungspläne bleiben regelmässig über viele Jahre hinweg gültig. Zwar sollen die kantonalen Richtpläne, welche die Raumplanung in den Grundzügen festlegen und wegweisend für die kommunale Nutzungsplanung sind, in der Regel alle zehn Jahre gesamthaft überprüft und nötigenfalls überarbeitet werden ( Art. 9 Abs. 3 RPG ). Eine Überprüfung dieser Pläne setzt indessen voraus, dass sich die Verhältnisse erheblich geändert haben ( Art. 21 Abs. 2 RPG ); ausserdem müssen gewichtige Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art für eine Anpassung gegeben sein ( BGE 111 II 327 mit Hinweis). Die planerischen Massnahmen beruhen auf prognostischen Annahmen über die Nutzung des fraglichen Landes und tragen Gegebenheiten wie der geographischen Lage, der Eignung für eine bestimmte Nutzung, der bestehenden Erschliessung und den vorhandenen Infrastrukturen, aber auch den legitimen Bedürfnissen vorab der Landwirtschaft im allgemeinen und der einzelnen Betriebe im einzelnen sowie des Gewerbes, der Industrie und des Wohnungswesens Rechnung. Die Nutzungsplanung orientiert sich nicht an den Markterwartungen, sondern beeinflusst den Markt, indem sie - den verbindlichen Richtlinien des Raumplanungsrechts folgend - Zonen festlegt, in denen gebaut werden darf oder für die ein Bauverbot bestehen soll. Der Nutzungsplan bestimmt, welche landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Eindämmung des Siedlungsgebietes im öffentlichen Interesse geschont und welche für die Überbauung freigegeben werden sollen. Am rechtskräftigen neuen Zonenplan orientiert sich alsdann der Markt mit der Folge, dass für die in den Landwirtschafts- oder Schutzzonen gelegenen Flächen der Nachfragedruck nachlässt, während er sich um so stärker auf die eingezonte Baulandreserve auswirkt. Ausserhalb des Marktes für reines Landwirtschaftsland bleibt die Nachfrage für ausgezonte bzw. nicht eingezonte Flächen auf eher spekulative Bauerwartungen im Sinne langfristiger Baulandreserven beschränkt. Was die eingezonten, jedoch noch landwirtschaftlich genutzten Grundstücke anbelangt, darf im allgemeinen angenommen werden, dass sie unter dem Einfluss des erhöhten Nachfragedrucks, aber auch der sich ebenfalls am Nutzungsplan orientierenden BGE 113 II 136 S. 138 Erschliessung bzw. Infrastrukturanpassung innerhalb einer 15jährigen Zeitspanne (vgl. Art. 15 RPG ) für die Landwirtschaft verlorengehen. Landwirtschaft wird auf solchen Flächen gewissermassen nur noch auf Zusehen hin betrieben. Vom Raumplanungsrecht geprägte Nutzungspläne lassen sich mit den früheren Zonenplänen mit ihren sehr oft überdimensionierten Bauzonen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Markt und die künftige Überbauung der eingezonten Gebiete nicht vergleichen. Die frühere Einzonung einer Liegenschaft oder eines Grundstücks in eine grosszügig bemessene Bauzone änderte an der Nutzungsart oft nichts und spielte daher als Kriterium für die Zukunftsprognose bei einem Zuweisungsentscheid der vorliegenden Art nur eine untergeordnete Rolle. Anders verhält es sich, wenn bei der neuen Zoneneinteilung die Bauzonen redimensioniert und den Bedürfnissen der Bevölkerung sowie der Bevölkerungsentwicklung angepasst worden sind (vgl. hierzu BGE 107 Ib 335 f. E. 2b mit Hinweisen), was zwangsläufig zu einer Verknappung des zur Verfügung stehenden Baulandes und damit zu einer Beschleunigung der Entwicklung mit Bezug auf die Überbauung der eingezonten Baulandreserve der betreffenden Gemeinde führen muss. Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Grundstück im Sinne von Art. 620 ZGB landwirtschaftlicher Charakter beizumessen sei, d.h. ob gesagt werden könne, es bestehe für die absehbare Zukunft keine bestimmte Erwartung für eine Überbauung (vgl. BGE 83 II 113 f.), bilden solche Zonenpläne deshalb ein gewichtiges Indiz. b) Dass das Obergericht den Vorarbeiten zu einem neuen Zonenplan für die Gemeinde A. Rechnung trug, statt einfach auf den noch gültigen Plan aus dem Jahre 1973 abzustellen, ist nach dem Gesagten grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Ausscheidung eines Grundstücks im Zonenplan ist indessen für den Zuweisungsrichter nicht absolut verbindlich. Dieser hat anhand der konkreten Gegebenheiten vielmehr für jedes einzelne Grundstück zu prüfen, ob sich nicht allenfalls eine vom Plan abweichende Prognose aufdränge. Im vorliegenden Fall ist zudem zu beachten, dass im Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Urteils ein neurechtlicher Zonenplan noch nicht in Kraft stand. Auch bei einem rechtskräftigen Plan kann im übrigen nicht die Gewissheit bestehen, dass eine der Bauzone zugeschlagene Parzelle innerhalb der nächsten 15 Jahre tatsächlich auch überbaut werden wird. c) Kann der Zonenplan für den Richter nicht die Bedeutung einer verbindlichen Weisung haben, erscheint die von der Vorinstanz BGE 113 II 136 S. 139 ins Urteil aufgenommene Resolutivbedingung schon aus dieser Sicht als unzulässig. Mit dieser hat das Obergericht den endgültigen Entscheid über die Zuweisung der fraglichen Grundstückflächen den Verwaltungsinstanzen überlassen. Vor allem aber läuft der angebrachte Vorbehalt Art. 604 Abs. 1 ZGB zuwider, wonach jeder Miterbe das Recht hat, zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft zu verlangen. In gewissen Fällen kann oder muss die Teilung zwar aufgeschoben werden: Die Erben können durch die letztwillige Verfügung des Erblassers verpflichtet werden, die Gemeinschaft für eine bestimmte Zeit fortzuführen, oder sie haben auch die Möglichkeit, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Sodann sieht das Gesetz selbst für gewisse Fälle den Aufschub der Teilung vor, so wenn beim Erbgang auf ein noch nicht geborenes Kind Rücksicht zu nehmen ist ( Art. 605 Abs. 1 ZGB ) oder wenn der Erblasser noch unmündige Nachkommen hinterlässt ( Art. 621ter ZGB ). Schliesslich kann gemäss Art. 604 Abs. 2 ZGB auf Ansuchen eines Erben hin auch der Richter die Verschiebung der Teilung anordnen (vgl. TUOR/PICENONI, N. 5 ff. zu Art. 604 ZGB ; NEUKOMM/CZETTLER, Das bäuerliche Erbrecht, 5. Aufl., S. 251 f.). Möglich ist allenfalls auch die vorläufige Einstellung des eingeleiteten Teilungsverfahrens. Keine der genannten Voraussetzungen ist indessen hier erfüllt. Das obergerichtliche Urteil verstösst mithin insofern gegen Bundesrecht, als bezüglich der dem Beklagten mit Vorbehalt zugewiesenen Teilflächen der Parzellen Nrn. ... die Parteien in Missachtung ihres Teilungsanspruchs verpflichtet werden, die Erbengemeinschaft bis zum Eintritt der Rechtskraft des neuen Zonenplans fortzuführen. Die vorinstanzlichen Ausführungen im angefochtenen Entscheid erlauben es dem Bundesgericht nicht, selbst über die Zuweisung der fraglichen Grundstückflächen zu befinden. Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit dieses unter Einbezug der ausserhalb des Zonenplanprojektes liegenden Gesichtspunkte (zu denken ist insbesondere an die voraussichtliche Nachfrage für die konkreten Landflächen) seine tatsächlichen Feststellungen ergänze und alsdann neu entscheide. Dabei wird die Vorinstanz - im Lichte der prozessrechtlichen Vorschriften und in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens - zu prüfen haben, inwiefern den (zum Teil vor Bundesgericht erstmals und deshalb in unzulässiger Weise gestellten) Beweisanträgen der Parteien stattzugeben sei.
public_law
nan
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1,987
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1465f10c-0416-4798-801f-4f208c382ed7
Urteilskopf 88 I 297 47. Auszug aus dem Urteil vom 7. Dezember 1962 i.S. X. und Mitbetelligte gegen Steuerrekurskommisslon des Kantons Aargau.
Regeste Wehrsteuer: Beruht der bei der Veräusserung von Vermögensstücken (Aktien einer Immobiliengesellschaft) erzielte Gewinn auf Erwerbstätigkeit, so wird er auch dann als Einkommen erfasst, wenn er nicht im Betriebe eines zur kaufmännischen Buchführung verpflichteten Unternehmens erlangt worden ist (Art. 21 Abs. 1 lit. a und d WStB).
Sachverhalt ab Seite 297 BGE 88 I 297 S. 297 A.- Eine industrielle Unternehmung in Basel suchte in der weiteren Umgebung dieser Stadt Industrieland zu erwerben. Sie wandte sich deshalb an X., Direktor einer Handelsfirma und Amman der ländlichen Gemeinde A. Dieser wurde von Bankverwalter Y. und Notar Z. darauf aufmerksam gemacht, dass in der Landgemeinde B. Boden erhältlich sei. Die Industriefirma zeigte dafür Interesse. BGE 88 I 297 S. 298 Im Jahre 1954 gründeten X., Y. und Z. eine Immobiliengesellschaft mit einem Aktienkapital von Fr. 50'000.--. Diese Gesellschaft schloss am 8. Juli 1954 mit dem Industrieunternehmen eine schriftliche Vereinbarung ab, worin festgehalten wurde, dass sie bestrebt sein werde, in B. einen Landkomplex, wie ihn der Vertragspartner wünschte, zu erwerben. Die Industriefirma verpflichtete sich, nach Erwerb eines ihr zusagenden Landkomplexes durch die Immobiliengesellschaft deren Aktienmantel "um das Total der Landkaufpreise" zu übernehmen, d.h. gegen Bezahlung eines Betrages, der in der Vereinbarung durch Festlegung abgestufter Quadratmeterpreise für die verschiedenen Lagen von vornherein bestimmt wurde. Für den Fall, dass die Landbeschaffung gelinge, sicherte das industrielle Unternehmen der Arbeitgeberin des X. die Entrichtung einer "Courtage" von 2% der Kaufsumme für die Inanspruchnahme ihres Personals zu. Für den Fall des Misslingens sollte es einzig die "generellen Planungskosten" der Immobiliengesellschaft bis zu einem bestimmten Maximalbetrag vergüten. In der Folge kaufte die Immobiliengesellschaft Land in B. zusammen. Die einzelnen Kaufverträge enthielten die Klausel, dass sie nur dann zustande kommen sollten, wenn der gesamte in Aussicht genommene Komplex erworben werden könne. Nachdem die Industriefirma festgestellt hatte, dass die von ihr gestellten Bedingungen erfüllt waren, leistete sie an die Immobiliengesellschaft Vorschüsse zur Bezahlung der Kaufpreise. Sie überwies ihr im I-aufe des Jahres 1955 insgesamt mehr als eine Million Franken. Damit war der Preis für die Aktien der Immobiliengesellschaft erlegt, und diese gingen an die Industriefirma über. Von der an die Immobiliengesellschaft überwiesenen Summe blieb nach Abzug der für den Landerwerb aufgewendeten Beträge, der Kosten der Gründung dieser Gesellschaft und des Aktienkapitals von Fr. 50'000.-- ein beträchtlicher Überschuss, der auf X., Y. und Z. gleichmässig verteilt wurde. BGE 88 I 297 S. 299 B.- Diese Bezüge wurden bei der Einschätzung von X., Y. und Z. für die Wehrsteuer der 9. Periode (Berechnungsjahre 1955/6) als Einkommen aus Erwerbstätigkeit (Art. 21 Abs. 1 lit. a WSTB) erfasst. Die Veranlagungsbehörde nahm an, es handle sich um Entschädigungen für die Ausführung eines Auftrages der Industriefirma. Die kantonale Rekurskommission schützte diesen Standpunkt. C.- Gegen die Entscheide der Rekurskommission erheben die drei Steuerpflichtigen Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie beantragen, ihr steuerbares Einkommen sei herabzusetzen. Zur Begründung wird geltend gemacht, die Einkünfte der Beschwerdeführer aus der Transaktion mit der Industriefirma seien nicht Erwerbseinkommen (Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB), insbesondere nicht Entschädigungen für Auftragsbesorgung und auch nicht Einkommen aus gewerbsmässigem Liegenschaftshandel, sondern Kapitalgewinne aus Aktienverkauf und unterlägen daher, weil nicht im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens erzielt, der Wehrsteuer für Einkommen nicht (Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB). D.- Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerden. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Gemäss Art. 21 Abs. 1 WStB unterliegt der Wehrsteuer das gesamte Einkommen der natürlichen Personen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag oder anderen Einnahmequellen, insbesondere nach lit. a jedes Einkommen aus einer Tätigkeit (namentlich aus Handel, Gewerbe usw.) mit Einschluss der Nebenbezüge (wie Entschädigungen für Sonderleistungen, Provisionen und dgl.). Danach wird u.a. jedes Entgelt für irgend eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit als Einkommen erfasst, gleichgültig, ob die Tätigkeit im Haupt- oder bloss im Nebenberuf und ob sie regelmässig oder wiederkehrend oder nur einmalig ausgeübt wird. Auch der Gewinn, der bei der Veräusserung von Vermögensstücken erzielt wird, kann unter Umständen BGE 88 I 297 S. 300 auf Erwerbstätigkeit beruhen und daher Erwerbseinkommen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB bilden. Stellt er dagegen einen Kapitalgewinn dar, der dem Veräusserer ohne solche Tätigkeit zufällt (Zuwachsgewinn), so unterliegt er nach Art. 21 Abs. 1 lit d WStB der Wehrsteuer für Einkommen nur dann, wenn er im Betriebe eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens erzielt wird. 2. Die kantonalen Behörden betrachten die Einkünfte, welche Gegenstand des Streites sind, als Vergütung für die Ausführung eines Auftrages der Industriefirma durch die Beschwerdeführer. Das ist auch der Hauptstandpunkt der eidgenössischen Steuerverwaltung. Die Beschwerdeführer fechten diese Auffassung mit der Begründung an, die Industriefirma habe die Vereinbarung vom 8. Juli 1954 mit der Immobiliengesellschaft und nicht mit deren Aktionären abgeschlossen, und vor allem habe sie dabei das volle Risiko auf den Vertragspartner überwälzt und sich nicht verpflichtet, ihm seine Auslagen - abgesehen von einem unbedeutenden Betrag für Planungskosten - zu ersetzen, was die Annahme eines Auftrages ausschliesse. Sie machen geltend, es liege überhaupt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor, insbesondere auch nicht aus erwerbsmässigem Liegenschaftshandel. Die Industriefirma habe lediglich ein bedingtes Kaufsrecht an den Aktien der Immobiliengesellschaft erworben. Es handle sich um einen beim Verkauf der Aktien erzielten Kapitalgewinn, der mangels Verpflichtung der Verkäufer zur kaufmännischen Buchführung der Wehrsteuer vom Einkommen nicht unterliege. Indessen steht fest, dass die Beschwerdeführer eine rege Tätigkeit entfaltet haben, um der idustriellen Unternehmung das von ihr gewünschte Land zu verschaffen. Zu diesem Zweck hat X., dem die Unternehmung ihr Anliegen unterbreitet hatte, sich mit Y. und Z. in Verbindung gesetzt. Sie haben ihn darauf aufmerksam gemahct, dass in B. Land erhältlich sei. Hierauf ist zur Durchführung der BGE 88 I 297 S. 301 beabsichtigten Transaktion die Immobiliengesellschaft gegründet worden, und zwar offenbar deshalb, weil die Industriefirma befürchtete, bei Bekanntwerden ihres Interesses für Landkäufe könnten Preistreibereien einsetzen, und weil die Beschwerdeführer nicht als Makler in Erscheinung treten wollten. X. hat für die Immobiliengesellschaft die Verhandlungen mit den Grundeigentümern geführt und den Kontakt mit dem industriellen Unternehmen aufrecht erhalten. Y. hat die Buchhaltung der Immobiliengellschaft besorgt, und Z. hat als Revisor dieser Gesellschaft geamtet. Ausserdem haben diese beiden, wie ohne weiteres angenommen werden darf, X. bei seinen Bemühungen, in B. Land für das industrielle Unternehmen zusammenzubringen, aktiv unterstützt; waren sie doch, der eine als Bankverwalter und der andere als Notar, mit den Verhältnissen auf dem Liegenschaftsmarkt in der Gegend vertraut. Z. hat also entgegen seiner Darstellung nicht bloss als instrumentierende Urkundsperson mitgewirkt. Weil jeder der drei Beschwerdeführer ds Seinige zur Erreichung des gemeinsamen Ziels beigetragen hat, haben sie den Betrag, der von der durch das industrielle Unternehmen an die Immobiliengesellschaft als Kaufpreis für deren Aktien überwiesenen Summe nach Abzug der Kosten geblieben ist, unter sich gleichmässig aufgeteilt. Diesen Betrag haben sie offensichtlich als Entgelt für intensive - und erfolgreiche - Arbeit im Interesse der Industriefirma erhalten. Sie haben die Arbeit in der begründeten Erwartung übernommen, dafür in dieser Weise entschädigt zu werden. Man hat es also mit Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB zu tun. Ob diese Tätigkeit, unter dem Gesichtspunkte des Zivilrechtes betrachtet, Auftragsbesorgung (Erfüllung eines einfachen Auftrags oder eines Mäklervertrags) oder (vom Geschäftsherrn genehmigte) Geschäftsführung ohne Auftrag oder Handel mit Immobiliarwerten für eigene Rechnung der Beschwerdeführer oder Geschäftsführung für die Immobiliengesellschaft oder etwas anderes ist, kann offen BGE 88 I 297 S. 302 gelassen werden. Auf jeden Fall war sie auf Erwerb gerichtet und sind daher die Einkünfte, welche die Beschwerdeführer daraus gezogen haben, als Einkommen (Nebenbezüge) gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB zu besteuern. Anders wäre es, wenn die Beschwerdeführer die in Frage stehenden Einnahmen bloss im Rahmen der Verwaltung eigenen Vermögens oder nur in Ausnützung einer zufällig sich bietenden Gelegenheit, ohne eine eigentliche gewerbliche Tätigkeit, erzielt hätten (Urteil H. vom 28. März 1958, Erw. 1b, wiedergegeben in ASA Bd. 27 S. 176). So verhält es sich indessen nicht; denn nach den gesamten Umständen müssen jene Einnahmen als Entgelt für eine Erwerbstätigkeit betrachtet werden. X. selbst hat die Einkünfte seinerzeit der Steuerkommission gegenüber - zutreffend - als "Honorar" und "Entschädigung" bezeichnet. Daraus, dass die umstrittenen Einkünfte Einkommen aus Erwerbstätigkeit darstellen, folgt weiter, dass sie nicht als Zuwachsgewinn im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB - wonach sie mangels Buchführungspflicht der Empfänger von der Wehrsteuer für Einkommen befreit wären - betrachtet werden können. Von einem solchen Gewinn (Kapitalgewinn) kann umsoweniger gesprochen werden, als der für die Landbeschaffung erforderliche Kapitaleinsatz im wesentlichen nicht von den Beschwerdeführern, sondern von der industriellen Unternehmung geleistet worden ist.
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Urteilskopf 107 II 260 39. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 19 mai 1981 dans la cause Reverdin contre Menache (recours en réforme)
Regeste Herabsetzung des Mietzinses ( Art. 19 BMM ). Es sind nur diejenigen Änderungen der Berechnungsgrundlage zu berücksichtigen, die seit der letzten Mietzinsfestsetzung eingetreten sind (E. 2). Sofern es an einer Vereinbarung zwischen den Parteien fehlt, tritt die Mietzinssenkung erst auf den nächsten Kündigungstermin in Kraft, gerechnet ab Fühlungnahme des Mieters mit dem Vermieter im Sinne von Art. 19 Abs. 1bis BMM (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 260 BGE 107 II 260 S. 260 A.- Albert Menache est locataire d'une villa appartenant à Dominique Reverdin, construite en 1970 à Chêne-Bourg (Genève). Le bail a été conclu en mai 1975 pour trois ans, du 15 juin 1975 au 14 juin 1978. Depuis lors, il se renouvelle tacitement d'année en année, sauf avis de résiliation donné six mois avant l'échéance. Le loyer est fixé à 1900 fr. par mois, soit 22'800 fr. par an. B.- Au début de 1978, Menache s'est adressé à Reverdin en demandant une baisse de loyer fondée sur la diminution du taux de l'intérêt hypothécaire. Le bailleur a accepté de réduire le loyer à 1'800 fr. par mois dès le 15 juillet 1978. Estimant cette baisse insuffisante, Menache a saisi la Commission de conciliation, le 29 juin 1978, d'une demande de réduction du loyer selon l' art. 19 AMSL . Le 23 mai 1979, le Tribunal des baux et loyers de Genève a réduit le loyer à 1'583 fr. 35 par mois dès le 1er janvier 1979. Sur appel des deux parties, la Cour de justice du canton de Genève a annulé ce jugement par arrêt du 27 octobre 1980 et réduit le loyer à 1'653 fr. 40 par mois dès le 1er janvier 1979. BGE 107 II 260 S. 261 C.- Le défendeur recourt en réforme au Tribunal fédéral. Il conclut à ce que le loyer annuel de 21'600 fr. payé par le demandeur soit reconnu non abusif et, par conséquent, licite; subsidiairement, pour le cas où une réduction du loyer serait admise, il demande qu'elle ne prenne effet qu'à l'échéance du bail, soit le 15 juin 1979. Le Tribunal fédéral admet partiellement le recours, annule l'arrêt attaqué et réduit le loyer dû par l'intimé au recourant à 1'700 fr. 90 par mois dès le 15 juin 1979. Erwägungen Extrait des considérants: 2. L' art. 19 AMSL permet au locataire de contester le montant de son loyer s'il l'estime devenu abusif selon les art. 14 et 15 en raison d'une notable modification des bases de calcul, résultant en particulier d'une baisse des frais. Cette modification doit être intervenue depuis la dernière fixation du loyer, qui constitue le moment déterminant pour la comparaison des anciennes et nouvelles bases de calcul, et cela tant pour les facteurs de baisse que pour les motifs de hausse, opposables en compensation à la requête de réduction du locataire ( ATF 106 II 359 s. consid. 3b). En l'espèce, on doit partir de la date d'entrée en vigueur du bail, soit du 15 juin 1975, pour examiner si une modification des bases de calcul survenue depuis lors rend excessif le rendement que l'immeuble en cause procure au défendeur. Jusqu'à la requête du locataire, le loyer n'a en effet pas été modifié depuis la conclusion du bail. Ce loyer est réputé avoir procuré alors au défendeur un rendement convenable, sans être excessif. Il constitue, avec les facteurs de hausse et de baisse intervenus ultérieurement, la seule base de calcul pour l'application de l' art. 19 AMSL ( ATF 106 II 359 s. consid. 2 in fine et 3). Il n'y a dès lors pas lieu de procéder, comme l'a fait la cour cantonale, à la détermination du rendement convenable de l'immeuble loué sur la base du capital investi par le bailleur. 3. La cour cantonale a fixé au 1er janvier 1979 l'entrée en vigueur de la réduction du loyer qu'elle a admise, en déclarant faire application de l' art. 23 al. 2 AMSL et en se référant à l'argumentation des juges de première instance. Ceux-ci admettent qu'en principe la réduction de loyer, comme la majoration, ne peut prendre effet que dès l'échéance du bail suivant immédiatement le dépôt de la demande (en l'espèce, le 15 juin 1979); BGE 107 II 260 S. 262 l'autorité judiciaire peut toutefois, à titre exceptionnel, fixer une autre date en application de l' art. 23 al. 2 AMSL ; on aboutirait en effet à des situations inéquitables si une réduction de loyer justifiée ne devait prendre effet que longtemps après la modification des bases de calcul; en l'espèce, l'échéance du bail se situe onze mois environ après le dépôt de la demande, ce qui constitue un délai excessif; pour tenir compte équitablement des intérêts du locataire et du bailleur, il y a lieu de fixer au 1er janvier 1979 la prise d'effet de la baisse. Le défendeur soutient qu'une réduction de loyer ne pourrait entrer en vigueur qu'à l'échéance du bail suivant le dépôt de la demande, soit le 15 juin 1979. Il conteste que l' art. 23 al. 2 AMSL soit applicable au bail en cause, qui se renouvelle d'année en année et ne peut être considéré comme un bail d'une longue durée. a) L' art. 19 AMSL ne précise pas à partir de quel moment la baisse du loyer peut ou doit intervenir. Le Conseil fédéral a jugé qu'une telle disposition serait superflue, en déclarant ce qui suit dans son Message du 4 octobre 1976: Cette baisse a en principe effet - de même que la hausse du loyer - dès le prochain terme de résiliation. Au cours de la procédure devant l'office de conciliation, les parties peuvent convenir d'une autre date. Devant l'autorité judiciaire, il y a lieu d'appliquer l'art. 23. 2e alinéa, de l'arrêté; en d'autres termes, cette autorité a le pouvoir de décider si, dans quelle mesure et à partir de quelle date ou à quelles conditions la baisse du loyer peut être requise (FF 1976 III p. 880). Selon GMÜR/CAVIEZEL (Mietrecht-Mieterschutz, p. 102), le juge fixe de cas en cas, selon l' art. 23 al. 2 AMSL , la date de laquelle il convient de faire partir la réduction de loyer; rien ne s'oppose en principe à ce que celle-ci prenne effet rétroactivement au moment où le motif de baisse est intervenu. GUINAND/KNOEPFLER (FJS 359 p. 15) citent l' art. 23 AMSL et posent le problème des montants qui auraient été payés en trop par le preneur; appliquant les dispositions générales sur l'enrichissement illégitime, ils estiment que "dans la logique du système, soit de la nullité du loyer abusif", l'enrichissement remonte au moment de la baisse des frais, par exemple de la diminution du taux hypothécaire. LA FÉDÉRATION ROMANDE DES LOCATAIRES (Guide du locataire 1981, p. 133) considère que la baisse de loyer doit en principe intervenir à l'échéance contractuelle suivant le contact préalable ou la requête à la Commission de conciliation; le juge BGE 107 II 260 S. 263 peut toutefois, en vertu de l' art. 23 al. 2 AMSL , prévoir une date plus rapprochée, notamment si le contrat est de longue durée (en principe, plus d'un an). b) Introduit à l'occasion de la prorogation de l'arrêté en 1977 pour en combler une lacune, l' art. 19 AMSL a été présenté comme un pendant de l'art. 15 lettre b, en vertu duquel les hausses de coûts peuvent être reportées sur le locataire, comme une règle de procédure permettant à celui-ci d'attaquer le loyer comme abusif, indépendamment d'une majoration (FF 1976 III p. 878 s.). Cette disposition reste donc soumise au système général de l'arrêté, selon lequel le loyer est en principe fixé librement par les parties contractantes (FF 1976 III p. 868). Le loyer ainsi fixé peut être contesté dans les trente jours suivant la conclusion du bail par le locataire qui l'estime abusif et a été contraint à conclure le bail par la situation difficile dans laquelle il se trouve ( art. 17 AMSL ). Si le locataire ne fait pas usage de cette faculté, le loyer convenu par les parties reste en principe inchangé jusqu'à l'échéance contractuelle, sauf accord sur une modification avant terme. Cela résulte expressément de l' art. 18 al. 1 AMSL s'agissant de majoration, et doit également être admis en cas de réduction vu le système de l'arrêté qui vise à protéger les locataires contre les loyers abusifs ( art. 1er AMSL ) mais reste fondé sur le principe de la liberté des contrats. De même que les hausses de coûts ne peuvent être reportées sur le locataire qu'à l'expiration du délai de dénonciation, les baisses ne peuvent lui profiter avant l'écoulement de ce délai. c) L'examen des loyers n'a pas lieu d'office; c'est au locataire d'attaquer le loyer qu'il estime abusif (FF 1976 III p. 868). L'autorité judiciaire déclare nuls les loyers qui se révèlent abusifs au cours de la procédure ( art. 23 al. 1 AMSL ). S'agissant d'une nullité relative, et non pas absolue, on ne peut pas en tirer argument, comme le font GUINAND/KNOEPFLER (loc.cit.), pour dire que la réduction de loyer prend effet au moment de la baisse des frais. L' art. 23 al. 2 AMSL ne permet pas non plus d'admettre que l'autorité judiciaire peut décider librement de la date à partir de laquelle la baisse de loyer entre en vigueur. Cette disposition vise à ce que le juge saisi se prononce sur tous les points essentiels qui y sont mentionnés, afin de clarifier la situation, même si la partie demanderesse ne s'en prévaut pas (FF 1972 I p. 1235). Il s'agit d'une règle de procédure et non d'une norme de droit matériel qui autoriserait le juge à fixer l'entrée en vigueur d'une modification du loyer indépendamment de l'échéance contractuelle. BGE 107 II 260 S. 264 La portée de cette règle n'a pas été étendue lors de la modification de l'arrêté en 1977. d) Le demandeur fait valoir que la baisse de loyer aurait dû intervenir dès le 1er février 1978 en vertu de l'art. 28 du bail conclu par les parties. Cet art. 28 dispose que "le bailleur pourra réadapter le loyer prévu de manière à compenser l'augmentation effective des charges qui résulterait pour lui de toutes hausses du taux des intérêts hypothécaires qui lui seraient notifiées après la signature du bail" et que "les hausses de loyer y relatives entreront en vigueur le 1er jour du mois suivant notification écrite faite au locataire par le bailleur". Si cette clause était valable, on devrait admettre que le délai d'un mois qu'elle prévoit en faveur du bailleur pour adapter le loyer à la hausse du taux de l'intérêt hypothécaire s'appliquerait également au locataire requérant une adaptation à la baisse de ce taux. Mais l'art. 28 du bail est nul et ne peut donc conférer de droit à aucune des deux parties. En effet, ou bien on l'assimile à une clause d'indexation du loyer, et il n'est pas valable au regard de l' art. 9 AMSL , puisque le bail n'a pas été conclu pour cinq ans au moins. Ou bien on le considère comme une clause permettant au bailleur de majorer le loyer par une déclaration unilatérale, et il est nul en vertu de l' art. 11 AMSL . e) L'arrêt attaqué doit dès lors être réformé en ce sens qu'une réduction du loyer du demandeur ne peut prendre effet que pour le plus prochain terme de résiliation suivant son intervention auprès du défendeur ( art. 19 al. 1bis AMSL ), soit au 15 juin 1979.
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Urteilskopf 139 V 209 27. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Familienausgleichskasse Arbeitgeber Basel gegen T. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_90/2013 vom 10. April 2013
Regeste Art. 3 Abs. 1 lit. b FamZG ; Anspruch auf Ausbildungszulagen. Die Anerkennung eines Praktikums als Ausbildung im Sinne von Art. 49 bis Abs. 1 AHVV hängt nicht davon ab, ob im Anschluss an das Praktikum im selben Betrieb eine Lehrstelle angetreten werden kann, sondern davon, ob das Praktikum für die Ausbildung notwendig ist. Zudem muss bei Antritt des Praktikums tatsächlich die Absicht bestehen, die angestrebte Ausbildung zu realisieren (E. 5).
Erwägungen ab Seite 209 BGE 139 V 209 S. 209 Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Die Vorinstanz hielt fest, dass eine ordentliche Lehre als Kleinkinderzieherin weder ein gesetzliches noch ein reglementarisches Praktikum voraussetze, dass jedoch praktisch alle Institutionen, welche die Ausbildung Fachperson Betreuung/Fachrichtung Kinderbetreuung anbieten, ein Praktikum verlangten. Dies sei auch in BGE 139 V 209 S. 210 Anbetracht des hohen Anforderungsprofils bei der angestrebten Tätigkeit sinnvoll. So werden bei den persönlichen Voraussetzungen Freude am Umgang mit Menschen, psychische Stabilität und hohe Belastbarkeit, gute körperliche Verfassung, hohes Verantwortungsbewusstsein, ausgeprägtes Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft, Geduld und Respekt, gute Umgangsformen bzw. Team-, Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit, Offenheit und Organisationsfähigkeit, Fähigkeit sich abzugrenzen, Sinn für Sauberkeit und Ordnung, gute Beobachtungsgabe und rasches Reaktionsvermögen, Flexibilität im Sinne von Bereitschaft zu unregelmässiger Arbeitszeit und Fähigkeit, in wechselnden Situationen zu reagieren, verlangt. Daraus folgerte die Vorinstanz, dass das Praktikum nicht in erster Linie dazu diene, sich eigene Branchenkenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, sondern dass die Institutionen dadurch die Möglichkeiten erhielten, Lehrstelleninteressentinnen und -interessenten zu finden, welche in persönlicher Hinsicht tatsächlich für die Ausbildung geeignet seien. Demnach - so die Vorinstanz - sei das von der Tochter der Beschwerdegegnerin absolvierte Praktikum als Teil des Ausbildungsganges im Sinne von Art. 25 Abs. 5 AHVG in Verbindung mit Art. 49 bis Abs. 1 AHVV (SR 831.101) zu verstehen. 4.2 Demgegenüber hält die Beschwerdeführerin fest, dass die Ausbildung zur Fachperson Betreuung gesetzlich kein Praktikum als Voraussetzung zur Grundausbildung erfordere. Gemäss Art. 15 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz, BBG; SR 412.10) werde lediglich die abgeschlossene obligatorische Schule vorausgesetzt. Deshalb verstosse die Rz. 3361.1 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über die Renten (RWL) in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/75/lang:deu/category:23 , wonach ein Praktikum trotzdem als Ausbildung anerkannt werden könne, wenn im Anschluss daran im selben Betrieb eine Lehre gemacht werden könne, gegen Art. 49 bis Abs. 1 und 2 AHVV . 5. 5.1 In BGE 139 V 122 wurde die Frage, ob die Anerkennung bloss faktisch notwendiger Praktika als Ausbildung durch die RWL gegen Art. 49 bis Abs. 1 AHVV verstösst, verneint. Denn in dieser Verordnungsbestimmung werden nicht bloss rechtlich, sondern auch faktisch anerkannte Bildungsgänge als Ausbildung qualifiziert. Akzeptiert man notwendige Praktika als zur Ausbildung gehörend, so wirkt es als BGE 139 V 209 S. 211 zweitrangig, ob diese gesetzlich oder reglementarisch vorgeschrieben oder bloss faktisch geboten sind; demnach ist auch ein bloss faktisch notwendiges Praktikum als Ausbildung im Sinne von Art. 49 bis Abs. 1 AHVV zu qualifizieren ( BGE 139 V 122 E. 4.3 und 4.4 S. 125). 5.2 Gemäss Rz. 3361.1 RWL wird ein faktisch notwendiges Praktikum bloss dann als Ausbildung anerkannt, wenn vom Betrieb schriftlich zugesichert wird, dass das Kind bei Eignung nach Abschluss des Praktikums eine Lehrstelle im betreffenden Betrieb erhält. Eine entsprechende Verknüpfung lässt sich indessen aus dem Wortlaut von Art. 49 bis Abs. 1 AHVV nicht ableiten, wird doch darin festgehalten: "In Ausbildung ist ein Kind, wenn es sich auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten Bildungsganges systematisch und zeitlich überwiegend entweder auf einen Berufsabschluss vorbereitet oder sich eine Allgemeinausbildung erwirbt, die Grundlage bildet für den Erwerb verschiedener Berufe." In der Praxis würde die Umsetzung von Rz. 3361.1 RWL durch die Verknüpfung von Praktikum und Lehrstelle erheblich erschwert oder gar verunmöglicht, weil Ausbildungsbetriebe nur über eine begrenzte Anzahl von Lehrstellen verfügen, und deshalb Praktikum und Lehre häufig nicht am selben Ort absolviert werden können. Auch bezüglich des Zeitpunktes, eine entsprechende Bestätigung eines Lehrbetriebes zu erhalten, können weitere Schwierigkeiten in der Erfüllung von Rz. 3361.1 RWL entstehen, da bei einem einjährigen Praktikum eine Lehrstellenzusage eher an dessen Ende zu erwarten ist. Eine Verknüpfung zwischen Praktikum und Lehrstelle im gleichen Betrieb als Voraussetzung für die Qualifikation einer Ausbildung scheint deshalb weder praktikabel, noch erfüllt sie das Ziel der Ausbildungszulagen, welche in erster Linie der beruflichen Ausbildung von Jugendlichen dienen soll, weshalb der Begriff der Ausbildung in diesem Zusammenhang weit verstanden werden muss (KIESER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Familienzulagen, Praxiskommentar, 2010, N. 38 zu Art. 3 FamZG ). 5.3 Es steht demnach fest, dass die Anerkennung eines Praktikums als Ausbildung im Sinne von Art. 49 bis Abs. 1 AHVV nicht davon abhängt, ob im Anschluss an das Praktikum im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb auch eine Lehrstelle angetreten werden kann, sondern ob das Praktikum für die Ausbildung faktisch notwendig ist. Hingegen soll nicht jedes Praktikum automatisch im Sinne einer Ausbildung verstanden werden, sondern nur dann, wenn mit dem Antritt eines Praktikums tatsächlich die Absicht besteht, die BGE 139 V 209 S. 212 angestrebte Ausbildung zu realisieren. Diese Absicht ergibt sich bei der Tochter der Beschwerdegegnerin aus der Bestätigung des Kinderhorts X. vom 18. Juni 2012. Die Tatsache, dass ein einjähriges Praktikum eingegangen wird, zeugt bereits durch die Dauer für die Ernsthaftigkeit, die angestrebte Ausbildung zu absolvieren. 5.4 Gestützt auf die Tatsache, dass ein Praktikum bei der Ausbildung Kinderbetreuung eine faktische Notwendigkeit ist (vgl. E. 4.1) und diese Ausbildung von der Tochter der Beschwerdeführerin auch bewusst angestrebt wurde, hat die Vorinstanz zu Recht einen Anspruch auf Ausbildungszulagen ab 1. August 2012 bejaht.
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Urteilskopf 101 Ia 73 14. Auszug aus dem Urteil vom 28. Mai 1975 i.S. Association nationale suisse pour le tourisme équestre und Mitbeteiligte gegen Verwaltungsgericht des Kantons Zürich.
Regeste Art. 4 BV ; Fahr- und Reitverbot entlang der Töss. Rechtsnatur der örtlichen Verkehrsanordnungen.
Sachverhalt ab Seite 73 BGE 101 Ia 73 S. 73 Die Baudirektion des Kantons Zürich erliess am 25. April 1972 ein allgemeines Fahrverbot entlang den Tössufern von der Tössegg bis zur Tössscheide sowie ein Reitverbot für das selbe Gebiet, ausgenommen das linke Tössufer zwischen Rossbergsteg und Kyburgbrücke. Diese Verbote wurden von vier Reitvereinen, dem Gemeinderat Neftenbach und 17 Einzelpersonen beim Regierungsrat angefochten, welcher die Rekurse vereinigte und am 23. Januar 1974 abwies. Gegen seinen Entscheid erklärte der Regierungsrat die Beschwerde an das Verwaltungsgericht zulässig. Das Verwaltungsgericht, das von 11 der Rekurrenten angerufen wurde, trat jedoch am 24. Oktober 1974 auf die Beschwerde nicht ein, da es sich beim angefochtenen Fahr- und Reitverbot um eine Anordnung generell-abstrakter Natur handle, die der Überprüfung durch das Verwaltungsgericht entzogen sei. Gegen den Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichtes erhoben am 5. Dezember 1974 die Association nationale suisse pour le tourisme équestre (ANSTE), Alfred J. Büchi, Dr. Gottfried E. Stiefel, Jürg Hasler, der Kavallerieverein Winterthur und Umgebung, der Reitclub Winterthur, der Reitverein Tösstal, Fritz Meier, BGE 101 Ia 73 S. 74 Werner Bosshard, Rolf T. Kasser und der Gemeinderat Neftenbach staatsrechtliche Beschwerde wegen formeller Rechtsverweigerung. Das Bundesgericht hat die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gutgeheissen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführer machen geltend, beim angefochtenen Fahr- und Reitverbot handle es sich nicht um einen Rechtssetzungserlass, sondern um eine überprüfbare konkrete Verfügung; der Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts stelle daher eine gegen Art. 4 BV verstossende Rechtsverweigerung dar. a) Rechtssätze sind Anordnungen genereller und abstrakter Natur, die für eine unbestimmte Vielheit von Menschen gelten und die eine unbestimmte Vielheit von Tatbeständen regeln ohne Rücksicht auf einen bestimmten Einzelfall oder auf eine Person (GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, Bd. 1, S. 6; vgl. auch IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, Nr. 212 I). Der Verwaltungsakt, bzw. die Verwaltungsverfügung ist demgegenüber ein individueller, an den einzelnen gerichteten Hoheitsakt, durch den eine konkrete verwaltungsrechtliche Rechtsbeziehung rechtsgestaltend oder feststellend in verbindlicher und erzwingbarer Weise geregelt wird (vgl. BGE 92 I 79 ; IMBODEN a.a.O. Nr. 321 I; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, S. 11; Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren). Zwischen Rechtssatz und Verfügung steht die sog. Allgemeinverfügung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie sich einerseits an einen unbestimmten Personenkreis richtet, also "genereller" Natur ist, andererseits aber einen konkreten Tatbestand regelt. Ihrer Konkretheit wegen wird die Allgemeinverfügung in der Lehre den Verwaltungsakten zugeordnet (GRISEL, Droit administratif suisse, S. 193, IMBODEN a.a.O. Nr. 212 IV; GIACOMETTI nennt diese Verwaltungsanordnungen "generelle Verwaltungsakte", vgl. Allgemeine Lehren, S. 343 f.). b) Aufgestellte Verkehrszeichen gelten für eine unbestimmte Zahl von Personen, regeln aber - örtlich begrenzt - eine bestimmte Verkehrssituation. Sie sind daher im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln der Strassenverkehrsordnung konkreter Natur und stellen, wie Lehre und Rechtsprechung BGE 101 Ia 73 S. 75 in der Schweiz und in Deutschland in neuerer Zeit übereinstimmend annehmen, Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen dar (GRISEL, a.a.O. S. 193, IMBODEN a.a.O. Nr. 212 IV, BGE 99 IV 166 , anders noch BGE 77 I 107 ; FORSTHOFF, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. I, 10. A., S. 217 f. N. 4, WOLFF/BACHOF, Verwaltungsrecht I, 9. A., S. 389, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 27 Nr. 34 S. 181, Neue Juristische Wochenschrift 1970 S. 2075). Verkehrssignale sind jedoch nicht an sich unmittelbar verbindliche, verselbständigte Vorschriften, sondern verkörpern von der zuständigen Behörde durch Verfügung erlassene örtliche Verkehrsanordnungen (vgl. BGE 98 IV 121 , BGE 99 IV 166 ; s. auch Art. 82 Abs. 4 und 6 SSV ). Das Verkehrszeichen ist somit ein Erscheinungsbild der ihm zugrundeliegenden Verfügung und weist als solches die gleiche Rechtsnatur wie diese auf. Behördliche Anordnungen zur Regelung bestimmter örtlicher Verkehrsverhältnisse sind demnach als Allgemeinverfügungen zu behandeln. c) Es stellt sich die Frage, ob eine Verkehrsanordnung auch dann noch als "örtlich" betrachtet werden darf, wenn ihr räumlicher Anwendungsbereich ausserordentlich gross ist, sich etwa wie im vorliegenden Fall über 50 km erstreckt. Ob die räumliche Ausdehnung als Kriterium zur Unterscheidung von Rechtsnormen und Verfügungen überhaupt geeignet ist, mag hier offenbleiben. Sie vermag jedenfalls die Rechtsnatur der angefochtenen Anordnung nicht zu beeinflussen. Das erlassene Fahr- und Reitverbot bezieht sich konkret nur auf die beiden Tössufer, bzw. grosse Teile davon, und ist damit örtlich eindeutig bestimmt; die Länge des Flusses ändert nichts daran. Das von der Baudirektion erlassene Fahrverbot entlang der Töss kann in gewissem Sinne als Summe von einzelnen Allgemeinverfügungen verstanden werden. Beschränkungen und Anordnungen für den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr, welche nicht für die ganze Schweiz gelten, müssen, um verbindlich zu sein, durch Signale oder Markierungen angezeigt werden ( Art. 5 Abs. 1 SVG ). Gilt eine Vorschrift auf langen Strecken, so ist das betreffende Signal in angemessenen Abständen zu wiederholen ( Art. 73 Abs. 3 SSV ). Jedes dieser Signale, das sich nur auf eine begrenzte, ihm sichtbar zugeordnete Verkehrsfläche beziehen kann, bedarf der rechtlichen BGE 101 Ia 73 S. 76 Grundlage, d.h. einer entsprechenden behördlichen Verfügung. Diese einzelnen Verfügungen sind in der Anordnung des allgemeinen Fahrverbotes der Baudirektion zusammengefasst, welches insofern als Summe von Allgemeinverfügungen erscheint. Für das Reitverbot, das nach kantonalem Recht erlassen wird, gilt Analoges (vgl. § 6 Abs. 1 und § 9 der Verordnung über die Verkehrsbeschränkungen und die Strassensignalisation vom 20. August 1964). 4. Das Verwaltungsgericht hat, sich auf die selbe, den vorstehenden Erwägungen zugrundeliegende Definition des Rechtssatzes stützend erklärt, die angefochtenen Fahr- und Reitverbote seien nicht nur genereller, sondern auch abstrakter Art. Diese Auffassung ist nach dem Gesagten offensichtlich unhaltbar. Das Verwaltungsgericht hält die Verbote deshalb für abstrakt, weil sie "für eine unbestimmte Zahl von Einzelfällen" gelten, "in denen das rund 50 km lange öffentliche Tössufer auf beiden Seiten, unter Vorbehalt der genannten Ausnahmen, zu irgendwelcher Zeit und auf irgend eine Weise befahren oder beritten werden soll". Dass die Verbote für eine unbestimmte Zahl von Einzelfällen gelten, bedeutet in diesem Falle jedoch nichts anderes, als dass sich die Verbote an eine unbestimmte Zahl von Personen richten, die sich in die Verkehrssituation entlang der Töss begeben oder sich dorthin begeben könnten; dies ist das Merkmal der generellen, nicht der konkreten Natur der fraglichen Verkehrsanordnung. Abstraktheit des angefochtenen Verbotes kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Ufer der Töss "zu beliebiger Zeit" nicht befahren oder beritten werden dürfen; auch eine dauernd, auf unbestimmte Zeit geltende Anordnung kann zur Regelung eines konkreten Falles dienen (GRISEL, a.a.O. S. 193). Es hilft deshalb auch nicht, wenn sich das Verwaltungsgericht darauf beruft, dass das Bundesgericht mit Urteil vom 14. März 1973 i.S. Buff und Mitbeteiligte den Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts geschützt habe, obgleich in jenem Falle der Adressatenkreis der damals streitigen abstrakten und generellen Anordnung sehr viel enger gewesen sei. Die hier angefochtene Verkehrsanordnung richtet sich wohl an einen unbestimmten Personenkreis, ist aber auf Grund ihres konkreten Charakters als Allgemeinverfügung zu qualifizieren.
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Urteilskopf 85 IV 101 26. Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1959 i.S. Walther gegen Dobiaschofsky und Generalprokurator des Kantons Bern.
Regeste Mietzinskontrolle. a) Begriff des Mietzinses im preiskontrollrechtlichen Sinne (Erw. 1 lit. a). b) Art. 2 Abs. 1 PKB 1953 und Art. 4 Abs. 1 VMK 1953 untersagen jede, von der zuständigen Behörde nicht genehmigte Erhöhung des Mietzinses (Erw. 1 lit. b). c) Art. 41 ff. und Art. 62 ff. OR . Steht dem Mieter, der für die Überlassung der Mieträumlichkeiten mehr als den von der Preiskontrollstelle festgesetzten Zins bezahlt, obwohl er sich der Widerrechtlichkeit der Mietzinserhöhung bewusst ist, gegen den Vermieter eine Schadenersatzforderung oder ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu? (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 101 BGE 85 IV 101 S. 101 A.- Hardy Walther, der seit anfangs 1953 an der Hofmeisterstrasse in Bern ein Elektroinstallationsgeschäft BGE 85 IV 101 S. 102 betreibt, mietete, weil er den Betrieb in das Stadtzentrum verlegen wollte, im gleichen Jahre in der Liegenschaft Hirschengraben 10 ein weiteres Ladenlokal. Durch Vertrag vom 30. April 1954 räumte er dem bisherigen Mieter, dem Kunsthändler A. Dobiaschofsky, das Recht ein, das Ladenlokal als Untermieter weiter zu benützen, wogegen sich dieser verpflichtete, über den von der Preiskontrollstelle bewilligten Mietzins (Fr. 7200.-- pro Jahr) hinaus ein halbjährliches Entgelt von Fr. 750.-- zu bezahlen. Am 24. Oktober 1955 kündigte Walther dem Dobiaschofsky auf den 30. April 1956, erklärte sich am 7. Dezember 1955 aber bereit, dem Untermieter die Frist zum Auszug bis längstens am 30. August 1956 zu erstrecken, worauf dieser am 15. Dezember 1955 versprach, die Mieträume auf den 30. Juni 1956 zu verlassen. Da Dobiaschofsky inzwischen von der Preiskontrollstelle erfahren hatte, dass der halbjährliche Zuschlag von Fr. 750.-- zum Mietzins nicht bewilligt werde, leistete er ab Dezember 1955 die vereinbarten Mietzinsraten nicht mehr. Als Walther ihn deswegen mahnte, antwortete er mit Schreiben vom 22. Februar 1956, dass er seit 1. Mai 1954 jährlich Fr. 1500.-- zuviel bezahlt habe und diese Leistungen mit den laufenden Mietzinsen verrechne. Am 25. Juni 1956 willigte Walther auf Drängen DobiaschofskYS in eine weitere Verlängerung des Mietvertrages bis Ende April 1957 ein, da dieser auf 1. Mai 1957 andere, für die Fortführung seines Geschäftes geeignete Räume mieten konnte. Dieses Entgegenkommen hatte er davon abhängig gemacht, dass Dobiaschofsky sich verpflichtete, die rückständigen Mietzinse im Betrage von Fr. 3000.-- (fünf Monate à Fr. 600.--) und zusätzlich noch Fr. 5000.-- zu bezahlen. Jenen Betrag erbrachte Dobiaschofsky am 20. August 1956, und die Fr. 5000.-- bezahlte er anfangs Oktober 1956. B.- Am 18. Juni 1958 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern Walther gemäss Art. 15 des Bundesbeschlusses über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle BGE 85 IV 101 S. 103 vom 10. Juni 1953 (PKB 1953), sowie Art. 4 und 42 der Verordnung des Bundesrates über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechtes vom 30. Dezember 1953 (VMK 1953) zu Fr. 1000.-- Busse und zur Leistung von Fr. 3330.-- Schadenersatz an Dobiaschofsky. Es ging davon aus, dass es - wegen entsprechender Beschränkung der Überweisung - einzig das Verhalten Walthers in den Monaten Juni bis Oktober 1956 zu beurteilen habe, und nahm an, der Verurteilte habe sich dadurch über das Verbot, die Mietzinse ohne Genehmigung der zuständigen Amtsstelle zu erhöhen, hinweggesetzt, dass er für die Überlassung des Ladenlokals an Dobiaschofsky über den 30. Juni 1956 hinaus ausser dem behördlich festgesetzten Mietzins die Bezahlung von Fr. 5000.-- verlangt und auch entgegengenommen habe. C.- Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie ihn freispreche und die Zivilklage abweise. Mit Anschlussbeschwerde beantragt der Zivilkläger Dobiaschofsky, Walther sei zu verurteilen, als Schadenersatz einen Fr. 4000.-- übersteigenden Betrag zu bezahlen. Jede dieser Parteien beantragt ferner die Abweisung der Beschwerde der Gegenpartei. Der Generalprokurator des Kantons Bern hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. a) Nach der tatsächlichen Feststellung des Obergerichtes, an die der Kassationshof gemäss Art. 277 bis Abs. 1 BStP gebunden ist, hat Walther am 25. Juni 1956 die Verlängerung des Mietvertrages bis Ende April 1957 u.a. davon abhängig gemacht, dass Dobiaschofsky über den von der Preiskontrollstelle auf Fr. 7200.-- pro Jahr festgesetzten Mietzins hinaus weitere Fr. 5000.-- bezahle. Um die von Walther gemieteten Räume bis Ende April 1957 benützen zu können, musste Dobiaschofsky also den ursprünglich BGE 85 IV 101 S. 104 vereinbarten Mietzins und diesen Betrag erbringen. Die Fr. 5000.-- waren daher ein Teil des Entgeltes für die Überlassung der Mieträumlichkeiten und bildeten im preiskontrollrechtlichen Sinne einen Teil des Mietzinses (vgl. Botschaft des Bundesrates über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle, BBl 1953 I S. 294). b) Art. 2 Abs. 1 PKB 1953 und Art. 4 Abs. 1 VMK 1953 untersagten, die Mietzinse ohne Bewilligung der zuständigen Behörde zu erhöhen. Nach der Rechtsprechung fällt unter dieses Verbot nicht nur die Vereinbarung, sondern auch das Fordern und Anbieten, sowie die Leistung und Annahme eigenmächtig erhöhter Mietzinse ( BGE 85 IV 61 ff. und dort angeführte Entscheidungen). Indem Walther für die Überlassung der Mieträumlichkeiten über den von der Preiskontrollstelle festgesetzten Zins hinaus weitere Fr. 5000.-- forderte, mit dem Mieter eine dahingehende Vereinbarung abschloss und die vereinbarte Leistung entgegennahm, hat er im Sinne der angeführten Bestimmungen den Mietzins erhöht. Da er die dafür vorgeschriebene behördliche Bewilligung nicht eingeholt hatte, tat er es widerrechtlich. Daran ändert nichts, dass die zusätzliche Leistung dazu bestimmt war, den Gewinnausfall auszugleichen, den Walther erlitt, indem er darauf verzichtete, sein eigenes Geschäft in die Mieträumlichkeiten zu verlegen. Art. 2 Abs. 1 PKB 1953 und Art. 4 Abs. 1 VMK 1953 untersagen jede, von der zuständigen Behörde nicht genehmigte Erhöhung des Mietzinses, ohne zu unterscheiden, aus welchem Grunde sie vorgenommen wird. Der Entscheid darüber, ob eine Erhöhung nach den Vorschriften des PKB 1953 und der VMK 1953 begründet sei, steht ausschliesslich den Preiskontrollbehörden zu. Solange sie eine Erhöhung nicht bewilligt haben, sei es weil kein dahingehendes Gesuch gestellt oder dieses abgewiesen wurde, ist sie im preiskontrollrechtlichen Sinne widerrechtlich. Nach der tatsächlichen (vgl. BGE 74 IV 205 Erw. 3; BGE 75 IV 75 /6, 152 Erw. 3) und daher verbindlichen BGE 85 IV 101 S. 105 Feststellung des Obergerichtes war sich der Verurteilte der Widerrechtlichkeit seines Vorgehens auch durchaus bewusst. Da er die zusätzliche Leistung von Fr. 5000.-- bewusst und gewollt gefordert, mit Dobiaschosfky vereinbart und von diesem entgegengenommen hat, hat er sich vorsätzlich über das Verbot der Art. 2 Abs. 1 PKB 1953 und Art. 4 Abs. 1 VMK 1953 hinweggesetzt. 2. a) Durch die am 25. Juni 1956 zwischen Walther und Dobiaschofsky getroffene Abmachung, dass dieser als Entgelt für die weitere Überlassung der Mieträumlichkeiten über den von der Preiskontrolle festgesetzten Zins hinaus Fr. 5000.-- bezahlen werde, haben die Parteien im Sinne von Art. 39 Abs. 2 VMK 1953 für den Mieter ungünstigere Bedingungen vereinbart, als sie nach dieser Verordnung zulässig waren. Nach der angeführten Bestimmung war diese Vereinbarung nichtig. Indem Dobiaschofsky sie dennoch erfüllte, hat er eine Nichtschuld bezahlt (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. November 1956 i.S. Gubler). Gemäss Art. 63 Abs. 1 OR könnte er das Geleistete, um das Walther ungerechtfertigt bereichert worden ist, nur zurückfordern, wenn er nachzuweisen vermöchte, dass er bei der Bezahlung der zusätzlichen Vergütung in einem Irrtum über seine Schuldpflicht befangen war. Dass dies der Fall gewesen sei, behauptet Dobiaschofsky mit Recht selber nicht. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichtes, an die der Kassationshof gebunden ist, war er sich der Widerrechtlichkeit solcher Abmachungen und damit der Unverbindlichkeit der durch sie abgegebenen Zahlungsversprechen schon anfangs 1956, also längst vor der Bezahlung der Nichtschuld, bewusst. Das ergibt sich übrigens auch aus dem von ihm am 22. Februar 1956 an Walther gerichteten Brief, worin er sich darauf berief, dass er nach den angestellten Erhebungen jährlich Fr. 1500.-- (d.h. den über den behördlich bewilligten Mietzins hinausgehenden Betrag) zuviel bezahlt habe, ferner aus dem Schreiben des von Dobiaschofsky mit der Wahrng BGE 85 IV 101 S. 106 seiner Interessen beauftragten Anwaltes vom 18. April 1956, worin dieser gegenüber der Hauseigentümerin ausdrücklich feststellte, er habe von der Preiskontrollstelle erfahren, dass die (am 30. April 1954 über den behördlich bewilligten Mietzins hinaus versprochenen) Fr. 1500.-- in klarer Umgehung gesetzlicher Vorschriften geleistet worden seien. Dobiaschofsky war demnach auf Grund der ihm von der Preiskontrollstelle erteilten Auskünfte spätestens vom 22. Februar 1956 an nicht im Zweifel darüber, dass Vereinbarungen, wonach er als Gegenleistung für die Verlängerung des Mietvertrages über den ordentlichen Mietzins hinausgehende Zahlungen erbringen werde, widerrechtlich seien und damit keine Zahlungspflicht zu begründen vermochten. Ist die Rückforderung demnach schon nach Art. 63 Abs. 1 OR ausgeschlossen, so kann dahin gestellt bleiben, ob nicht der Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung auch Art. 66 OR entgegenstehen würde. b) Zufolge der widerrechtlichen, vom Verurteilten vorsätzlich vorgenommenen Mietzinserhöhung musste Dobiaschofsky für die Überlassung der Mieträumlichkeiten über den 30. Juni 1956 hinaus Fr. 5000.-- mehr bezahlen, als der Vermieter auf Grund der verbindlichen Verfügung der Preiskontrollstelle vom 3. August 1950 hätte fordern dürfen. Um diesen Betrag wurde Dobiaschofsky somit durch das (schuldhafte) Vorgehen des Verurteilten widerrechtlich geschädigt. Gemäss Art. 41 Abs. 1 OR ist dieser daher grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Durch die Mietzinserhöhung, die Voraussetzung für die Verlängerung des Mietvertrages über den 30. Juni 1956 hinaus war, hat Dobiaschofsky jedoch nicht nur einen Schaden erlitten, sondern es ist ihm dadurch auch ein Vorteil erwachsen, indem er die Mieträume, die er zufolge rechtsgültiger Kündigung auf jenen Zeitpunkt hätte verlassen müssen, weiterhin benützen und dort sein Geschäft weiter betreiben konnte, das er sonst in ungeeignetere und BGE 85 IV 101 S. 107 ungünstiger gelegene Räumlichkeiten hätte verlegen oder aufgeben müssen. Es ist ein anerkannter Grundsatz im schweizerischen Schadenersatzrecht, dass eine Vorteilsanrechnung stattzufinden hat, da sonst der Geschädigte bereichert würde ( BGE 71 II 89 ). Voraussetzung für die Vorteilsanrechnung ist einzig, dass Nachteil und Vorteil begründet wurden durch unter sich in innerm Zusammenhang stehende Handlungen. Das trifft hier zu. Der Dobiaschofsky erwachsene Schaden und die für ihn vorteilhafte Belassung in den Mieträumlichkeiten waren Wirkungen ein und desselben Verhaltens, nämlich der (widerrechtlichen) Mietzinserhöhung. Wie gross der auf den Schaden anzurechnende Vorteil war, ist nicht ziffermässig festgestellt. Es liegt jedoch auf der Hand, dass Dobiaschofsky als erfahrener Geschäftsmann im Frühling 1956 sich nicht wiederholt an Walther gewendet hätte, um gegen zusätzliche Leistungen eine Verlängerung des Mietvertrages über den 30. Juni 1956 hinaus zu erwirken, wenn die Räumung des Geschäftslokals auf diesen Zeitpunkt für ihn nicht erheblich grössere Nachteile zur Folge gehabt hätte. Das ist offenbar auch der Sinn der vorinstanzlichen Feststellung, dass Dobiaschofsky, wenn er nicht bis zum Bezug der Räume an der Laupenstrasse (d.h. bis Ende April 1957) in den bisherigen Lokalitäten am Hirschengraben hätte bleiben können, erhebliche finanzielle Einbussen erlitten hätte und sich unter dem Drucke dieser Verhältnisse bereit erklärt habe, den zusätzlichen Betrag von Fr.5000.-- zu bezahlen. Darnach hat Dobiaschofsky, vor die Entscheidung gestellt, gegen Leistung eines Mehrzinses bis zum 30. April 1957 in den bisherigen Lokalitäten bleiben zu können oder es bei der Kündigung auf den 30. Juni 1956 bleiben zu lassen und die daraus sich ergebenden finanziellen Einbussen auf sich zu nehmen, das kleinere Übel gewählt. Das ergibt sich übrigens auch aus dem Schreiben, das Dobiaschofsky am 18. April 1956 der Hauseigentümerin zugehen liess und BGE 85 IV 101 S. 108 worin er feststellte, dass durch das Festhalten an der Kündigung die Existenz seiner Familie schwer erschüttert würde. Ist demnach davon auszugehen, dass Dobiaschofsky durch die Leistung des Mehrzinses grösseren Schaden abgewendet hat, so bleibt, da er sich diesen Vorteil anrechnen lassen muss, für einen Schadenersatzanspruch aus Art. 41 OR kein Raum. Dobiaschofsky könnte aber auch kein Schadenersatz zugesprochen werden, wenn davon auszugehen wäre, dass er für die Verlängerung des Mietvertrages mehr aufgewendet hat, als ihm dadurch an Verlusten erspart blieb. Nach Art. 44 Abs. 1 OR kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden, wenn der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt hat. Dobiaschofsky hat in die Mietzinserhöhung nicht nur eingewilligt, sondern den entscheidenden Anstoss zu der rechtswidrigen Vereinbarung gegeben, indem er sich, um eine Verlängerung des Mietvertrages zu erwirken, die vor allem in seinem Interesse lag, wiederholt anerbot, einen Mehrzins zu bezahlen. Durch das Anbieten, wie auch durch die Vereinbarung und die Leistung des über dem höchstzulässigen Stand liegenden Mietzinses hat er sich zudem gleichfalls über das Verbot der Mietzinserhöhung hinweggesetzt und nach Art. 42 VMK 1953 bzw. Art. 15 PKB 1953 strafbar gemacht (vgl. BGE 85 IV 61 ff.). Wenn schon die blosse Einwilligung des Geschädigten zur Entbindung von der Ersatzpflicht führen kann, so drängt sich dieser Ausschluss geradezu auf, wenn der Geschädigte nicht nur die unerlaubte Handlung, durch die der Schaden herbeigeführt wurde, veranlasst hat, sondern daran auch beteiligt war und erst noch erhebliche Vorteile daraus zog. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: 1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde des Hardy Walther wird dahin teilweise gutgeheissen, dass Spruch 2 des angefochtenen Urteils aufgehoben und die Zivilklage des Hans Dobiaschofsky abgewiesen wird. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Hardy Walther abgewiesen. 2.- Die Nichtigkeitsbeschwerde des Hans Dobiaschofsky wird abgewiesen.
null
nan
de
1,959
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
146d7907-960b-4eee-b05f-dfe34c6fe89d
Urteilskopf 116 Ia 113 21. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 2 mars 1990 en la cause Claude et Anita Stoll c. Genève, Tribunal administratif et Département de justice et police (recours de droit public)
Regeste Art. 4 BV : Die vom Genfer Gesetzgeber vorgenommene Einteilung von Betrieben zur Abgabe von Speisen und Getränken ist nicht willkürlich und führt für sich allein zu keiner rechtsungleichen Behandlung (E. 2). Art. 31 Abs. 2 BV : Die vom Gesetz vorgesehene Verpflichtung, Betriebe mit Alkoholausschankbewilligung zwischen 11 und 14 Uhr offenzuhalten, entspricht keinem öffentlichen Interesse, soweit diese Verpflichtung für eine Bar gilt, die über Mittag keine warmen Speisen anbietet. In Anbetracht der persönlichen Situation der Beschwerdeführer ist diese Verpflichtung auch unverhältnismässig (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 113 BGE 116 Ia 113 S. 113 Depuis le mois de décembre 1984, Claude et Anita Stoll exploitent le "Bar Mexico", rue Sismondi 12, à Genève. Au bénéfice d'une autorisation d'exploiter en qualité de gérant, Claude Stoll s'occupe de la gestion du bar et assume tous les soirs la fonction de musicien-chanteur, tandis que son épouse accueille BGE 116 Ia 113 S. 114 la clientèle et supervise l'activité des deux employées exerçant la fonction de barmaid. L'établissement est ouvert six jours par semaine, de 18 heures jusqu'à la fermeture légale. Il n'y est pas servi de repas, mais une petite restauration, dont s'occupe Madame Stoll. Le 22 décembre 1988, le Département de justice et police du canton de Genève a informé Claude et Anita Stoll qu'à partir du 1er janvier 1989, la loi sur la restauration, le débit de boissons et l'hébergement du 17 décembre 1987 (LRDBH) et son règlement d'exécution du 31 août 1988 entreraient en vigueur en lieu et place de la loi sur les auberges, débits de boissons et autres établissements analogues du 12 mars 1892 et ses règlements d'application. Selon la nouvelle loi, le "Bar Mexico" entre dans la catégorie des cafés-restaurants, qui constitue la catégorie principale et résiduelle des établissements voués à la restauration et au débit de boissons. A ce titre, il est soumis au temps d'exploitation minimal de l'art. 50 LRDBH, fixé à 10 heures par jour, et en tout cas de 11 à 14 heures et de 18 à 22 heures. Par lettre du 9 janvier 1989, Claude et Anita Stoll ont fait part de leurs critiques à l'égard de l'art. 50 de la nouvelle loi, et ont demandé à être dispensés de l'obligation qui leur était faite d'ouvrir leur établissement entre 11 et 14 heures. A l'appui de leur demande les recourants invoquaient l'état de santé de Madame Stoll qui, diabétique, dépend de l'insuline et a absolument besoin de la présence de son mari en cas d'hypoglycémie, notamment en fin de matinée où ses problèmes de santé sont les plus aigus. Une ouverture entre 11 et 14 heures les obligerait à engager du personnel supplémentaire et bouleverserait complètement le fonctionnement de leur entreprise familiale. Le 24 janvier 1989, le Département de justice et police a refusé la dérogation sollicitée et a imparti aux époux Stoll un délai au 1er mars 1989 pour prendre les mesures nécessaires à l'ouverture de leur établissement pendant les heures légales. Il relevait que la licence d'alcool n'étant octroyée que si elle répondait à un besoin, le temps d'exploitation minimum devait être respecté. Les requérants n'étaient cependant pas tenus d'assurer un service de restauration chaude entre 11 et 14 heures, car celui-ci n'était exigé que pour les établissements titulaires d'une demi-licence. Claude et Anita Stoll ont saisi ensuite le Tribunal administratif du canton de Genève, en insistant sur le genre spécifique du BGE 116 Ia 113 S. 115 "Bar Mexico" et sur le fait qu'ils ne pouvaient supporter des heures d'ouverture plus longues. Par arrêt du 21 juin 1989, le Tribunal administratif a rejeté le recours, en retenant que le texte clair de l'art. 50 LRDBH ne souffrait aucune dérogation pour des motifs non prévus par le législateur. Par ailleurs, les intéressés ne pouvaient ni se prévaloir des raisons majeures mentionnées à l'art. 50 al. 1 de la loi, qui ne concernaient pas les heures d'ouverture journalières de l'alinéa 2, ni bénéficier d'éventuels droits acquis, dont les conditions n'étaient pas remplies en l'espèce. Claude et Anita Stoll ont formé contre cet arrêt un recours de droit public pour violation des art. 4 et 31 Cst. Le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé l'arrêt attaqué. Erwägungen Extrait des considérants: 2. a) Les recourants estiment tout d'abord que le rattachement des bars à la catégorie, considérée comme résiduelle, des cafés-restaurants, violerait le principe de l'égalité de traitement et constituerait un acte arbitraire, dans la mesure où il s'agit de deux sortes d'établissements nettement distincts, pour lesquels la loi aurait dû prévoir une réglementation différente. b) L'art. 16 LRDBH classe les établissements voués à la restauration et au débit de boissons en 9 catégories, soit les cafés-restaurants, les cantines, les cercles, les clubs sportifs, les pensions, les dancings, les cabarets-dancings, les buvettes permanentes et les buvettes temporaires. L'art. 17 al. 1 lettre A LRDBH définit les cafés-restaurants comme "des établissements à caractère public où sont servis à toute personne des mets et des boissons, et qui n'entrent pas dans la définition d'une autre catégorie d'établissements voués à la restauration et au débit de boissons". Les définitions des différentes catégories d'établissements ne sont toutefois que générales et relativement schématiques et n'excluent nullement que les exploitants confèrent un style particulier et original à leur établissement, dans les limites de la loi (voir Mémorial des séances du Grand conseil 1985, p. 4234 et 4246; voir également Mémorial des séances du Grand Conseil 1987, p. 6424/6425). c) Selon la jurisprudence, le principe de l'égalité de traitement ne permet pas de faire, entre divers cas, des distinctions qu'aucun fait important ne justifie ou de soumettre à un régime identique BGE 116 Ia 113 S. 116 des situations de fait qui présentent entre elles des différences importantes et de nature à rendre nécessaire un traitement différent ( ATF 112 Ia 258 consid. 4a et les arrêts cités). On admet également qu'une réglementation viole l' art. 4 Cst. lorsqu'elle ne repose pas sur des motifs sérieux, n'a ni sens ni but, opère des distinctions qui ne trouvent pas de justification dans les faits à réglementer ou n'opère pas celles qui s'imposent en raison de ces faits (ATF ATF 114 Ia 323 consid. 3a, ATF 111 Ia 91 consid. 3a, ATF 110 Ia 113 consid. 2b). La réglementation relative à l'exploitation des cafés, restaurants et autres établissements du même genre est du domaine des cantons qui disposent en la matière d'un pouvoir formateur étendu ( art. 31ter et 32quater Cst. ). Le Tribunal fédéral n'examine donc que sous l'angle de l'arbitraire et avec retenue la question de la classification des établissements voués à la restauration et au débit de boissons. d) En l'espèce, il est constant que le législateur genevois entendait lutter contre la prolifération des "bars à champagne" et des abus relevés dans cette catégorie d'établissements. Il a ainsi écarté volontairement la possibilité de créer une catégorie spéciale pour les bars, tout en reconnaissant un caractère général à la catégorie des cafés-restaurants, qui permettait certains aménagements en fonction du style particulier des différents établissements. Dans ces circonstances, même si la façon dont le législateur a réparti les établissements voués à la restauration et au débit de boissons peut paraître surprenante à certains égards, la réglementation des art. 16 et 17 LRDBH n'a pas été adoptée sans motifs et n'est, comme telle, pas insoutenable. L'absence de distinction entre les cafés-restaurants et les bars n'est donc pas, à elle seule, constitutive d'une inégalité de traitement ou d'un acte arbitraire. Le recours doit dès lors être rejeté en tant qu'il porte sur l'inconstitutionnalité des art. 16 et 17 LRDBH. 3. a) Les recourants invoquent ensuite une violation de l' art. 31 al. 2 Cst. et soutiennent que le temps d'exploitation minimal qui leur est imposé par l'art. 50 al. 2 LRDBH n'est pas justifié par un intérêt public suffisant et ne respecte pas le principe de la proportionnalité. b) Les cantons peuvent apporter des restrictions de police au droit d'exercer librement une activité économique ( art. 31 al. 2 Cst. ); ces restrictions doivent cependant reposer sur une base légale, être justifiées par un intérêt public prépondérant et, selon BGE 116 Ia 113 S. 117 le principe de la proportionnalité, se limiter à ce qui est nécessaire à la réalisation des buts d'intérêt public poursuivis ( ATF 115 Ia 121 , ATF 114 Ia 36 ; ATF 113 Ia 40 consid. 4a et les arrêts cités). En l'espèce, l'art. 50 LRDBH dispose ce qui suit: "1 Sauf raisons majeures, les cafés-restaurants au bénéfice d'une licence d'alcool doivent être exploités au moins 44 semaines par année, sous réserve du caractère saisonnier de l'exploitation et 4 1/2 jours par semaine. 2 Ils doivent être ouverts au moins 10 heures par jour d'exploitation, et en tout cas de 11 h à 14 h et de 18 h à 22 h. 3 Le Conseil d'Etat est habilité à fixer le temps d'exploitation minimal pour les établissements au bénéfice d'une demi-licence." c) S'agissant de l'intérêt public, le Département de justice et police relève que les heures d'ouverture prévues à l'art. 50 al. 2 LRDBH tiennent compte des moments où traditionnellement la demande en boissons alcoolisées est la plus forte, soit aux heures des repas. La non-ouverture d'un établissement bénéficiant d'une licence d'alcool aux heures indiquées fausserait l'appréciation qu'il est appelé à faire de la notion du besoin contenue à l'art. 39 al. 1 LRDBH, en ce sens qu'il serait paradoxal qu'une licence accordée sur la base de la clause de besoin ne soit pas effectivement utilisée, puisque le besoin qu'elle est censée couvrir ne le serait ainsi pas dans les faits. Cette argumentation n'est pas pertinente, dans la mesure où elle ne tient pas compte de la nature de l'établissement des recourants qui ne servent aucun repas à midi. En réalité, l'obligation d'ouverture des bars ne servant pas de repas entre 11 et 14 heures entraîne une consommation accrue d'alcool qui va directement à l'encontre des autres mesures prises par le législateur en vue de lutter contre l'alcoolisme (voir, au sujet des buts poursuivis par la loi, l'art. 2 al. 1 lettre b LRDBH). On ne voit donc pas en quoi cette obligation, faite aux recourants d'ouvrir leur bar en dehors des heures de fréquentation ordinaire, peut correspondre à un intérêt public quelconque. Si une réglementation linéaire paraît justifiée, et même souhaitable, pour les cafés-restaurants, elle est manifestement trop rigide pour des bars qui ne servent pas de repas à midi. Du moment que la clientèle des bars est essentiellement nocturne, une telle réglementation revient pratiquement à nier le caractère spécifique des bars ou à imposer leur transformation en cafés-restaurants susceptibles de servir des repas à midi. A ce titre, l'intérêt privé des exploitants l'emporte manifestement sur l'intérêt public à l'ouverture des bars entre 11 et 14 heures, et cela même BGE 116 Ia 113 S. 118 en faisant abstraction des raisons personnelles invoquées par les recourants. d) L'obligation imposée par l'art. 50 al. 2 de la loi genevoise apparaît également disproportionnée, dès lors qu'elle ne prévoit aucune dérogation pour tenir compte des cas particuliers qui peuvent se présenter. En l'espèce, les autorités cantonales se sont donc contentées d'appliquer le texte clair de la loi, sans examiner les raisons, pourtant pertinentes, invoquées par les recourants pour bénéficier d'une dérogation. Or, la rigidité des heures d'ouverture de l'art. 50 al. 2 LRDBH leur imposerait des heures de travail excessives par rapport à leur situation personnelle ou les obligerait à engager des employés supplémentaires, ce qui serait incompatible avec le caractère familial de leur entreprise ou le chiffre d'affaires qu'ils sont susceptibles de réaliser entre 11 et 14 heures. De telles exigences dépassent donc largement le but de police visé; les recourants font d'ailleurs valoir à juste titre que leur établissement n'a jamais troublé l'ordre public, contrairement aux abus qui ont pu être constatés dans certains bars. e) Il en résulte que la réglementation prévue par l'art. 50 al. 2 LRDBH viole l' art. 31 Cst. dans la mesure où elle ne répond pas à un intérêt public suffisant et institue une exigence disproportionnée. Le recours doit dès lors être admis sur ce point et la décision attaquée annulée, en tant qu'elle impose aux recourants l'obligation d'ouvrir leur établissement entre 11 et 14 heures.
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14757a72-d2cd-4005-9492-d4ad78af1d64
Urteilskopf 118 II 363 71. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. August 1992 i.S. F. gegen X. (Berufung)
Regeste Bestimmung des Streitwerts ( Art. 36 Abs. 3 OG ). Soweit ein Schadenszins akzessorisch zu einer streitigen Kapitalforderung und nicht als eigenständige Forderung geltend gemacht wird, ist er bei der Ermittlung des Streitwerts nicht mitzuzählen.
Erwägungen ab Seite 363 BGE 118 II 363 S. 363 Erwägungen: Es ist von Amtes wegen zu prüfen, ob der für die Berufungsfähigkeit geforderte Streitwert von wenigstens 8'000 Franken gegeben ist. Gemäss Art. 46 OG ist dabei auf die Rechtsbegehren abzustellen, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren. Zinsen und andere als Nebenrechte geltend gemachte Ansprüche fallen bei der Bestimmung des Streitwertes nicht in Betracht ( Art. 36 Abs. 3 OG ). Vor der Rekurskommission des Kantons Thurgau war eine Schadenersatzforderung von Fr. 7'435.-- aus dem Verkehrsunfall vom 6. Oktober 1984 nebst 5% Zins seit Unfalldatum streitig. Der Kläger glaubt sich zur Berufung berechtigt, weil der geforderte Zins Schadenszins und damit ein dem bezifferten Betrag gleichwertiger BGE 118 II 363 S. 364 Bestandteil des eingeklagten Schadens sei. Dem ist insoweit beizupflichten, als der Zinsanspruch nicht in einem Schuldnerverzug des Schadenersatzpflichtigen, sondern in der Verursachung des Schadens gründet, demnach Schadenszins darstellt und Teil der Schadenersatzforderung ist ( BGE 81 II 519 ; BREHM, N 97 zu Art. 41 OR ; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band I, 4. Auflage, S. 174). Damit ist freilich die Frage, ob er deswegen bei der Berechnung des Streitwertes mitzuzählen ist, noch nicht beantwortet. Gemäss Rechtsprechung sind Zinsen, soweit sie akzessorisch zu einer streitigen Kapitalforderung und nicht als eigenständige Forderung geltend gemacht werden, ausnahmslos nicht in die Streitwertberechnung einzubeziehen. Diese Praxis hat das Bundesgericht schon zum früheren Art. 54 Abs. 1 OG , der inhaltlich mit dem heutigen Art. 36 Abs. 3 OG übereinstimmt, begründet und seither stillschweigend weiter befolgt ( BGE 67 II 41 , BGE 64 II 134 , BGE 61 II 335 E. 1; BIRCHMEIER, N 4 zu Art. 36 OG ; POUDRET, N 7.2 zu Art. 36 OG ; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, S. 83; WEISS, Die Berufung an das Bundesgericht in Zivilsachen, Bern 1908, S. 60; WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, Diss. Lausanne 1964, S. 139 ff.; analog zum kantonalen Recht: STRÄULI/MESSMER, N 1 zu § 20 ZPO /ZH sowie LEUCH, N 2 zu Art. 138 ZPO /BE). Das gilt ebenso für rückständige Zinsen, Zinsverluste und zum Kapital aufgerechnete Zinsen, bei Forderungen aus Wertpapieren auch für den Gegenwert der ihnen beigegebenen Coupons ( BGE 61 II 335 E. 1, BGE 31 II 795 ). Nicht akzessorisch sind hingegen jene Zinsen, die Berechnungskomponenten für Regressforderungen oder für Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung darstellen und in diesen neuen Hauptforderungen aufgegangen sind ( BGE 67 II 41 , BGE 64 II 134 ; POUDRET, N 7.6 zu Art. 36 OG , STRÄULI/MESSMER, N 1 zu § 20 ZPO /ZH; LEUCH, a.a.O.). Entscheidend unter dem Gesichtspunkt von Art. 36 OG ist dabei allein das Merkmal der Akzessorietät zur eingeklagten Hauptforderung. Weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum wird eine Unterscheidung nach der Natur der Zinsforderung vorgenommen, dem Schadenszins mithin gegenüber dem Verzugszins keine Sonderstellung eingeräumt. Dafür bietet weder das Gesetz eine Handhabe, noch lässt sich eine Rechtfertigung erkennen. Beide Zinsen dienen dazu, den Gläubiger schadlos zu halten, und beide sind einer Hauptforderung zugeordnet, von der sie abhängen. Dass der eine Zins als Bestandteil der materiellen Forderung, der andere als Abgeltung des Schadens aus dem Schuldnerverzug aufgefasst wird, rechtfertigt BGE 118 II 363 S. 365 nicht, ihre Akzessorietät zur Hauptforderung prozessual unterschiedlich zu beurteilen. Auch im vorliegenden Fall hat daher die Zinsforderung bei der Ermittlung des Streitwertes ausser Betracht zu fallen. Da die Kapitalforderung allein die von Art. 46 OG verlangte Streitwertgrenze nicht erreicht, ist auf die Berufung nicht einzutreten.
public_law
nan
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CH_BGE_004
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Urteilskopf 137 IV 297 43. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen X. (Beschwerde in Strafsachen) 6B_277/2011 vom 3. November 2011
Regeste Art. 117 AuG ; Teilnahme eines ausländischen Stellenbewerbers, der nicht berechtigt ist, in der Schweiz zu arbeiten, an einem Anstellungsverfahren. Die Bewilligung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz muss nach Vertragsabschluss und im Zeitpunkt des Stellenantritts vorliegen. Die Stellenbewerbung und die Teilnahme an einem Anstellungsverfahren setzen keine entsprechende Bewilligung voraus. Der Arbeitgeber, der einen ausländischen Stellenbewerber im Hinblick auf eine allfällige Anstellung probeweise arbeiten lässt, beschäftigt diesen nicht im Sinne von Art. 117 AuG (E. 1).
Sachverhalt ab Seite 298 BGE 137 IV 297 S. 298 A. X. ist Geschäftsführer des Restaurants A. in Bülach (ZH). Er liess B., der sich um eine Stelle als Küchenhilfe beworben hatte, am 18. und 19. August 2009 über die Mittagszeit während je maximal 90 Minuten in der Küche probeweise und unentgeltlich arbeiten. B. verfügte lediglich über einen Ausweis N (für Asylsuchende) ohne Arbeitsbewilligung. B. Mit Entscheid der Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirkes Bülach vom 21. Juli 2010 wurde X. wegen Beschäftigung eines Ausländers ohne Bewilligung verurteilt. Die Einzelrichterin bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.-, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von vier Jahren. Zudem widerrief sie den bedingten Vollzug einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 50.- aus dem Jahre 2008. Das Obergericht des Kantons Zürich hiess eine von X. dagegen erhobene Berufung mit Entscheid vom 18. Januar 2011 gut. Es sprach ihn von Schuld und Strafe frei. C. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben, und die Sache sei zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. D. Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 117 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG; SR 142.20) . Sie macht zusammengefasst geltend, die Tätigkeit von B. sei nicht ehrenamtlich, nicht in Erfüllung einer sittlichen Pflicht und auch nicht aus Gefälligkeit erfolgt. Vielmehr sei sein Einsatz letztlich auf Erwerb ausgerichtet gewesen. Bloss von untergeordneter Bedeutung sei, ob für X. (nachfolgend: Beschwerdegegner) die Leistung von Arbeit oder die Bewertung der Fähigkeiten im Hinblick auf eine allfällige spätere Anstellung im Zentrum gewesen sei. Der Arbeitsvertrag habe unter einer Suspensivbedingung gestanden, dass sich der Stellenbewerber bewähren würde. Dieser habe faktisch eine unbezahlte Probezeit absolviert. Nicht massgeblich sei, ob ein Arbeitsvertrag oder nur schon ein einseitiger Entscheid auf Seiten des Arbeitgebers vorgelegen habe oder nicht. Der Beschwerdegegner habe hingegen entschieden, BGE 137 IV 297 S. 299 die offene Stelle im Bewährungsfalle mit B. zu besetzen, weshalb eine "Art Vorvertrag" bestanden habe. Ein solcher möglicher Einstieg in eine Anstellung habe Einfluss auf den Schweizer Arbeitsmarkt. 1.2 Die Vorinstanz erwägt, eine Erwerbstätigkeit im Sinne des Ausländergesetzes liege vor, wenn die Tätigkeit üblicherweise gegen Entgelt ausgeübt werde. Dies gelte auch, wenn sie im Einzelfall nicht entlöhnt werde. Die Lehre stelle diesbezüglich darauf ab, ob die Aufnahme der Tätigkeit durch die ausländische Person einen Einfluss auf den Schweizer Arbeitsmarkt habe. Der Beschwerdegegner habe B. zweimal während je maximal 90 Minuten unentgeltlich Arbeit verrichten lassen, die gemeinhin gegen Entgelt geleistet werde. Diese Tätigkeit könne nicht als Erwerbstätigkeit qualifiziert werden. Ein (konkludenter oder ausdrücklicher) Arbeitsvertrag sei nicht abgeschlossen worden. Auch habe sich der Beschwerdegegner noch nicht zur Anstellung des Stellenbewerbers entschieden. Dieser habe sich nicht in einer Probezeit im Sinne von Art. 335b Abs. 1 OR respektive Art. 5 des Landes-Gesamtarbeitsvertrags des Gastgewerbes befunden, sondern vielmehr in einem Evaluationsverfahren. "Schnupperhalbtage" seien in vielen Betrieben üblich und hätten noch keinen Einfluss auf den Arbeitsmarkt. Im Zentrum stehe nicht die Leistung von geldwerter Arbeit durch den Bewerber, sondern die Bewertung der Fähigkeiten eines Kandidaten im Hinblick auf eine allfällige spätere Anstellung. 1.3 Das Verhalten von Flüchtlingen ist (nebst Art. 115 f. des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]) nach den Bestimmungen in Art. 115 ff. AuG zu würdigen (NÄGELI/SCHOCH, Ausländische Personen als Straftäter und Straftäterinnen, in: Ausländerrecht [...], 2009, S. 1108). Nach Art. 117 Abs. 1 AuG wird bestraft, wer als Arbeitgeber vorsätzlich Ausländer beschäftigt, die in der Schweiz nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sind. Gemäss Art. 11 Abs. 2 AuG gilt als Erwerbstätigkeit jede üblicherweise gegen Entgelt ausgeübte unselbständige oder selbständige Tätigkeit, selbst wenn sie unentgeltlich erfolgt. Gemäss Art. 91 Abs. 1 AuG hat sich der Arbeitgeber vor dem Stellenantritt des Ausländers durch Einsicht in den Ausweis oder durch Nachfrage bei den zuständigen Behörden zu vergewissern, dass die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz besteht. Art. 91 Abs. 1 und Art. 117 Abs. 1 AuG entsprechen im Wesentlichen der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Ausländergesetzes BGE 137 IV 297 S. 300 am 1. Januar 2008 (siehe die Botschaft vom 8. März 2002 über die Ausländerinnen und Ausländer, BBl 2002 3709 ff., 3820 Ziff. 2.11.1 und 3833 Ziff. 2.15). Nach Art. 23 Abs. 4 des früheren Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG [BS 1 121]) wurde bestraft, wer Ausländer beschäftigte, die nicht berechtigt waren, in der Schweiz zu arbeiten. Gemäss Art. 3 Abs. 3 ANAG durfte der nicht niedergelassene Ausländer eine Stelle erst antreten und vom Arbeitgeber zum Antritt der Stelle nur zugelassen werden, wenn ihm der Aufenthalt zum Stellenantritt bewilligt worden war. Nach Art. 10 Abs. 1 der früheren Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO [AS 1986, 1791]) durfte der Arbeitgeber keinen Ausländer eine Stelle antreten lassen, ohne sich vorher durch Einsicht in den Ausländerausweis oder durch Nachfrage bei der Fremdenpolizei zu vergewissern, dass der Arbeitnehmer zum Antritt dieser Stelle berechtigt war. Zwar war in Art. 23 Abs. 4 ANAG nicht ausdrücklich vom Arbeitgeber die Rede, doch hatte der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Bestimmung im Kampf gegen die Schwarzarbeit in der Schweiz gerade die Arbeitgeber im Auge, wie sich auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt ( BGE 137 IV 159 E. 1.3 mit Hinweis). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum früheren Recht war der Anwendungsbereich von Art. 23 Abs. 4 ANAG mit Rücksicht auf dessen Sinn und Zweck nicht auf Arbeitgeber im zivilrechtlichen Sinne ( Art. 319 ff. OR ) beschränkt, sondern vielmehr weit zu fassen. "Beschäftigen" im Sinne dieser Bestimmung bedeutete, jemanden eine Erwerbstätigkeit ausüben zu lassen. Auf die Natur des Rechtsverhältnisses kam es nicht an ( BGE 128 IV 170 E. 4.1 S. 175 mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung hat unter dem neuen Recht weiterhin Bestand. 1.4 Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hatte am 17. August 2009 das Bewerbungsgespräch stattgefunden. Der Beschwerdegegner wollte mit dem rund dreistündigen Einsatz von B. abklären, ob sich dieser für die zu besetzende Stelle eignen würde. Er hatte demnach noch keinen Entscheid über die Anstellung getroffen. Ebenso wenig stellt die Vorinstanz fest, dass der Stellenbewerber bereits eine Entscheidung für oder gegen den Abschluss eines Arbeitsvertrages gefällt hatte. Die Parteien befanden sich somit in laufenden Vertragsverhandlungen, und der Einsatz vom 18. und 19. August 2009 war Teil des Evaluationsverfahrens. Dieser Umstand ist wesentlich. Im Vordergrund standen nach den BGE 137 IV 297 S. 301 zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz die Bewertung der Fähigkeiten des Stellenbewerbers und - aus dessen Sicht - zudem das Einholen von Informationen über die mögliche Anstellung (Arbeitsplatz, Arbeitsbedingungen, Belegschaft usw.). Gleichzeitig waren ein betrieblicher Nutzen für den Beschwerdegegner und die Ausbildung des Stellenbewerbers (im Gegensatz zu einer Tätigkeit im Rahmen eines Praktikums oder Volontariats) nachrangig. Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen behauptet, die Parteien hätten im Sinne einer "Suspensivbedingung" den Arbeitsvertrag bereits abgeschlossen gehabt und diesen einzig vom erfolgreichen Arbeitseinsatz abhängig gemacht, entfernt sie sich in unzulässiger Weise vom verbindlichen Sachverhalt der Vorinstanz ( Art. 105 Abs. 1 BGG ). Eine willkürliche ( Art. 9 BV ) Beweiswürdigung macht sie nicht geltend. Rund vier Wochen nach den eingeklagten Vorfällen trat B., nachdem der Arbeitsvertrag abgeschlossen worden war und der Beschwerdegegner die Arbeitsbewilligung eingeholt hatte, die Stelle als Küchenhilfe im Restaurant A. an. 1.5 Die Vorinstanz qualifiziert den fraglichen Einsatz von B. nicht als Beschäftigung im Sinne von Art. 117 Abs. 1 AuG . Dies ist nicht zu beanstanden. 1.5.1 Unbestritten ist, dass B. über keine Arbeitsbewilligung verfügte. Die Zulassung von Ausländern zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bedingt unter anderem, dass die Voraussetzungen nach den Art. 20-25 AuG erfüllt sind ( Art. 18 AuG ). Die Zulassung Asylsuchender richtet sich gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. l AuG und Art. 43 AsylG nach Art. 52 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201). Danach kann eine vorübergehende Erwerbstätigkeit bewilligt werden, wenn die asylrechtlichen Voraussetzungen nach Art. 43 Abs. 1-3 AsylG sowie die Voraussetzungen von Art. 18 lit. b AuG (Gesuch des Arbeitgebers), Art. 21 AuG (Vorrang) und Art. 22 AuG (Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen) erfüllt sind. Zudem muss es die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage erlauben. Mit Blick auf das Ausländergesetz und die VZAE ist zu folgern, dass die entsprechende Bewilligung erst im Zeitpunkt des Stellenantritts und nach erfolgtem Vertragsabschluss vorliegen muss. Nach Art. 91 Abs. 1 AuG , der unter der Marginalie "Sorgfaltspflicht von Arbeitgebern und Dienstleistungsempfängern" steht, hat der Arbeitgeber vor dem Stellenantritt der Ausländerin oder des Ausländers BGE 137 IV 297 S. 302 Abklärungen zu treffen betreffend die erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit in der Schweiz. Nach ROSCHACHER ist auf den Arbeitsbeginn nach Vertragsabschluss abzustellen (VALENTIN ROSCHACHER, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931 [ANAG], 1991, S. 105 f.). Liegt eine Bewilligung nicht vor, ist sie vom Arbeitgeber zu beantragen ( Art. 11 Abs. 3 AuG ). Nach Art. 22 AuG ist im konkreten Fall nachzuweisen, dass die orts-, berufs- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Diese Bestimmung soll inländische Arbeitnehmer vor Lohn- und Sozialdumping und die ausländischen Arbeitnehmer vor finanzieller Ausbeutung schützen (BBl 2002 3781 Ziff. 2.4.2; vgl. auch MANFRED REHBINDER, Berner Kommentar, 1992, N. 14 zu Art. 342 OR ). Zu diesem Zweck hat der Arbeitgeber bei der für die Zulassung zum Arbeitsmarkt zuständigen Stelle einen Arbeitsvertrag einzureichen. Dieser muss Angaben zur Dauer der Erwerbstätigkeit, zu den Anstellungsbedingungen und zur Entlöhnung enthalten ( Art. 22 Abs. 2 VZAE ). Aus der Notwendigkeit, dem Gesuch den im konkreten Fall abgeschlossenen und unterzeichneten Arbeitsvertrag beizulegen, erhellt, dass die blosse Bewerbung und die Teilnahme an einem Rekrutierungsprozess nicht von einer Bewilligung abhängig sein können. Vielmehr wird der Arbeitgeber regelmässig im Rahmen der fortgeschrittenen Vertragsverhandlungen das Einholen einer Arbeitsbewilligung zusagen. Liegt diese im entsprechenden Zeitpunkt nicht vor und wird damit die Arbeitsaufnahme verunmöglicht, entsteht möglicherweise eine Schadenersatzpflicht (REHBINDER/STÖCKLI, Berner Kommentar, 2010, N. 8 zu Art. 320 OR ). 1.5.2 Zudem erscheint die für beide Parteien unverbindliche Teilnahme an einem Evaluationsverfahren nicht sanktionswürdig. Einem effektiven Stellenantritt gehen in aller Regel eine Vertragsanbahnung (Stellenausschreibung, Auswahlverfahren usw.) und der Abschluss des (Arbeits-)Vertrages voraus. Dass ein ausländischer Bewerber bereits für das Auswahlverfahren und vor dem Vertragsabschluss über eine Arbeitsbewilligung im Sinne von Art. 18 ff. AuG verfügen müsste, ist nicht plausibel, geschweige denn praktikabel. Eine Integration in den Arbeitsmarkt ist in diesem Augenblick nicht erfolgt. Mit der Vorinstanz ist anzunehmen, dass eine entsprechende Tätigkeit im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens keinen Einfluss auf den Arbeitsmarkt hat (vgl. EGLI/MEYER, in: Handkommentar zum Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer, 2010, N. 6 zu Art. 11 BGE 137 IV 297 S. 303 AuG ). Der gegenteiligen Auffassung der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden. Nicht massgeblich ist der Umstand, dass für andere Kandidaten die Wahrscheinlichkeit einer Anstellung theoretisch geschmälert wird. Dies ist im Übrigen bereits der Fall, sobald der Stellenanbieter nicht nur den inländischen Arbeitnehmer (im Sinne von Art. 21 Abs. 2 AuG ) zur Wahl hat, sondern verschiedene Dossiers ausländischer Bewerber prüfen, mit verschiedenen Ausländern Bewerbungsgespräche führen oder mit ihnen Eignungstests durchführen kann. Solange die Stelle nicht besetzt wird, wird die Situation von anderen Bewerbern nicht in relevanter Weise tangiert. Der Arbeitsmarkt wird erst durch die Anstellung respektive mit dem Stellenantritt massgeblich beeinflusst. Hier setzen die fremdenpolizeilichen Bestimmungen an. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführerin findet keine Stütze im geltenden Recht (E. 1.5.1) und läuft zudem auf eine Abschottung der inländischen Märkte gegen ausländische Konkurrenz hinaus. Erst bei der konkreten Anstellung respektive dem Stellenantritt sieht das Ausländergesetz einen Inländervorrang vor. Danach setzt die Zulassung zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit den Nachweis voraus, dass keine dafür geeigneten inländischen Arbeitnehmer gefunden werden können ( Art. 21 AuG ). Der Arbeitgeber muss entsprechende erfolglose Suchbemühungen nachweisen, indem er beispielsweise die zu besetzende Stelle bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) meldet und im Hinblick auf mögliche Kandidaten aus der EU und den EFTA-Staaten im "European Employment Services" ausschreiben lässt (SPESCHA/KERLAND/BOLZLI, Handbuch zum Migrationsrecht, 2010, S. 139). Dadurch soll sichergestellt werden, dass vorhandene fähige Arbeitskräfte berücksichtigt werden, bevor neue Zulassungen bewilligt werden (MARC SPESCHA, in: Migrationsrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 1 zu Art. 21 AuG ). Selbst wenn nach der Argumentation der Beschwerdeführerin der Beschwerdegegner B. in die engere Auswahl genommen und dessen Stellenantritt einzig von einem erfolgreichen dreistündigen Einsatz abhängig gemacht hätte, bedingte dessen Stellenantritt nach wie vor die behördliche Zulassung zum schweizerischen Arbeitsmarkt und damit die Respektierung des Inländervorrangs im Sinne von Art. 21 AuG . Dies wird in der Beschwerde verkannt. Die fragliche Tätigkeit hat den Schweizer Arbeitsmarkt nicht unterwandert. Die Bestimmungen des Ausländergesetzes und der entsprechenden Verordnungen verhindern, dass neu einreisende Ausländer die inländischen BGE 137 IV 297 S. 304 Arbeitskräfte in unerwünschtem Mass konkurrieren. Soweit die Beschwerdeführerin eine Benachteiligung von Mitbewerbern geltend macht, ist ihre Befürchtung deshalb unbegründet. Schliesslich macht es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin mit Blick auf den Arbeitsmarkt durchaus einen Unterschied, ob die Anstellung eines ausländischen Bewerbers nicht zu Stande kommt oder bei bestehendem Arbeitsvertrag (während oder nach Ablauf der Probezeit im Sinne von Art. 335b Abs. 1 OR ) gekündigt wird. 1.5.3 Indem der Beschwerdegegner B. im Rahmen eines Rekrutierungsprozesses und vor Abschluss eines Arbeitsvertrages probeweise während rund drei Stunden in der Küche seines von ihm geführten Restaurants arbeiten liess, hat er ihn nicht im Sinne von Art. 117 AuG beschäftigt. Daran ändert die von der Beschwerdeführerin angeführte Beweisproblematik nichts. Ob die Schwarzarbeit dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer nachgewiesen werden kann, ist eine Frage der Beweiserhebung und Beweiswürdigung.
null
nan
de
2,011
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
147e46b5-467f-4fe2-bf45-4a1eafa6c050
Urteilskopf 80 IV 147 30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. September 1954 i.S. Hodel gegen Jugendanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste 1. Art. 268 Abs. 2 BStP . Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde. 2. Art. 91 Ziff. 2 Abs. 1, Art. 93 Abs. 1 StGB . Unter welchen Voraussetzungen kann die Erziehung eines Jugendlichen in einer Familie durch Erziehung in einer Anstalt ersetzt werden?
Sachverhalt ab Seite 148 BGE 80 IV 147 S. 148 A.- Charles Hodel, geb. 1937, stahl am 6. Oktober 1953 ein Fahrrad. Das Kantonale Jugendgericht Luzern erklärte ihn daher am 3. Februar 1954 des Diebstahls schuldig und wies ihn im Sinne des Art. 91 Ziff. 2 StGB zur Nacherziehung in eine vertrauenswürdige Fremdfamilie ein. B.- Am 30. Juni 1954 erkannte das gleiche Gericht, Charles Hodel werde in Abänderung des Urteils vom 3. Februar 1954 im Sinne von Art. 91 Ziff. 1 StGB in eine Erziehungsanstalt eingewiesen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Eltern des Jugendlichen, namentlich die Mutter, hätten dem Vollzug des Urteils eigensinnig und uneinsichtig Widerstand geleistet, obschon sie vom Jugendanwalt und vom Vorsteher des Justizdepartmentes mehrmals mündlich und schriftlich aufgeklärt und verwarnt worden seien. Es erweise sich somit als unmöglich, das Urteil vom 3. Februar 1954 zu vollziehen. Das uneinsichtige und querulantische Verhalten namentlich der Mutter beweise, dass der Junge einer konsequenten und verständigenNacherziehung in einer Umgebung bedürfe, in der die einsichtslosen Eltern keinen schädigenden Einfluss ausüben könnten. Wer sich in solcher Weise gegen den Vollzug begründeter Verfügungen der Behörden zur Wehr setze und nicht einsehen wolle, dass das Delikt des Sohnes einer negativen Charakterentwicklung entsprungen sei, für die die Eltern als Erzieher einen Teil der Verantwortung zu tragen hätten, zeige die Bereitschaft, das dringliche Werk der Nacherziehung des sittlich gefährdeten Jungen in einer Fremdfamilie erheblich zu bedrohen. C.- Josef und Martha Hodel-Raddatz, die Eltern des Charles Hodel, führen Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid vom 30. Juni 1954 mit dem Antrag, er sei aufzuheben und das Urteil vom 3. Februar 1954 wieder in Kraft zu setzen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Erkenntnisse über Massnahmen gegen Jugendliche sind Urteile im Sinne des Art. 268 Abs. 2 BStP (BGE 68 BGE 80 IV 147 S. 149 IV 159). Das gleiche trifft zu für Erkenntnisse, die gemäss Art. 93 Abs. 1 StGB eine solche Massnahme durch eine andere ersetzen (vgl. BGE 70 IV 115 ). 2. Gemäss Art. 93 Abs. 1 StGB kann die zuständige Behörde jederzeit die gegen einen Jugendlichen getroffene Massnahme durch eine der andern Massnahmen ersetzen. Voraussetzungen der Änderung nennt die Bestimmung keine. Die Behörde ist daher nur an die gesetzlichen Voraussetzungen gebunden, unter denen die neue Massnahme überhaupt zulässig ist, für den Fall der Einweisung in eine Erziehungsanstalt also z.B. an das Erfordernis der sittlichen Verwahrlosung, Verdorbenheit oder Gefährdung des Jugendlichen; im übrigen entscheidet sie nach ihrem Ermessen. Die Änderung darf somit nicht nur verfügt werden, wenn die Massnahme teilweise vollzogen worden ist und sich als ungeeignet erwiesen hat, oder wenn die Person des Jugendlichen, z.B. eine neue oder nachträglich bekannt gewordene Tatsache aus seinem Vorleben, die Abweichung vom ausgefällten Urteil nahe legt; auch andere Umstände, die befürchten lassen, dass die verhängte Massnahme ihren Zweck verfehlen würde, können die Änderung rechtfertigen. Etwas anderes gilt auch nicht, wenn die Behörde angeordnet hatte, der Jugendliche sei gemäss Art. 91 Ziff. 2 StGB einer vertrauenswürdigen Familie zur Erziehung zu übergeben, und nunmehr findet, die Erziehung in einer Anstalt sei die geeignetere Massnahme. Übergang von Familienerziehung zu Anstaltsversorgung ist in dieser Bestimmung ausdrücklich vorgesehen für den Fall, dass sich jene nicht bewährt (Abs. 1 Satz 2). Das bedeutet aber nicht, dass die Behörde nicht nach Ermessen gestützt auf Art. 93 Abs. 1 auch in anderen Fällen den Jugendlichen in eine Anstalt einweisen dürfe, statt den Versuch der Erziehung in einer Familie zu unternehmen oder fortzusetzen. Solche Einengung ihrer Entscheidungsfreiheit widerspräche der Stellung, die die Anstaltserziehung im System der Massnahmen gegen Jugendliche einnimmt. Das Gesetz nennt die Einweisung in eine Erziehungsanstalt an erster Stelle, lässt BGE 80 IV 147 S. 150 sie keineswegs der Erziehung in einer Familie nachgehen, etwa in dem Sinne, dass jene nur zulässig wäre, wenn diese versagt. Liegt die Wahl der einen oder andern Massnahme von Anfang an im Ermessen der Behörde, so ist kein Grund dafür zu finden, weshalb die Erziehung in einer Anstalt nur noch unter der besonderen Voraussetzung der Nichtbewährung des Jugendlichen in einer Familie zulässig sein sollte, wenn einmal die Übergabe an eine solche verfügt worden ist. Art. 91 Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 ist nicht Sondervorschrift, die die Anwendung des Art. 93 Abs. 1 ausschlösse, sondern verdeutlicht bloss, dass mit dem Fehlschlagen der Familienerziehung die Sache nicht erledigt ist, die Behörde vielmehr den Versuch der Erziehung in einer Anstalt zu unternehmen hat. Dass erstere Bestimmung die letztere nicht ausschaltet, ergibt sich auch daraus, dass sonst der Übergang zu einer besonderen Behandlung im Sinne des Art. 92 ebenfalls ausgeschlossen wäre, wenn die Übergabe an eine Familie verfügt worden ist; diese Beschränkung wäre offensichtlich unvernünftig. 3. Lag somit die Einweisung des Charles Hodel in eine Erziehungsanstalt im Ermessen des Jugendgerichtes, obwohl die angeordnete Erziehung in einer fremden Familie noch nicht begonnen hatte, so ist die Beschwerde unbegründet. Das Jugendgericht hat das Ermessen nicht überschritten. Es ist nicht offenbar unvernünftig, aus dem widerspenstigen und von Einsichtslosigkeit zeugenden Verhalten der Eltern zu schliessen, dass diese der Nacherziehung ihres Sohnes in einer anderen Familie Hindernisse in den Weg legen könnten, die den Erfolg der Massnahme gefährden würden, und daher Anstaltserziehung anzuordnen, um den Jugendlichen dem ungünstigen Einflusse seiner Eltern wirksamer zu entziehen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
nan
de
1,954
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
148359f3-ccd9-4b1f-af07-d0705dfa9ae4
Urteilskopf 81 I 177 31. Urteil vom 8. Juni 1955 i.S. Juchli gegen Appellations gericht des Kantons Basel-Stadt.
Regeste Parkingmeter. Kantonale Vorschriften, wonach das Aufstellen von Fahrzeugen auf öffentlichem Boden an gewissen Stellen nur während einer bestimmten Zeit und nur gegen Einwurf eines Geldstücks in den der Kontrolle der zeitlichen Beschränkung dienenden Parkingmeter gestattet ist. Anfechtung wegen Verletzung der Art. 4, 30 Abs. 2, 46 Abs. 2 BV und 71 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 MFG. 1. Verhältnis des Art. 71 Abs. 6 MFG zu Art. 46 Abs. 2 BV und des Art. 71 Abs. 1 Satz 2 MFG zu Art. 30 Abs. 2 BV . Zuständigkeit des Bundesgerichts oder des Bundesrates zur Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung dieser Vorschriften? (Erw. 5 a und 6 a). 2. Die Schaffung von Parkflächen mit Parkingmeter - ist mit Art. 4 BV vereinbar (Erw. 3 und 4); - stellt keine nach Art. 71 Abs. 6 MFG oder 46 Abs. 2 BV unzulässige Doppelbesteuerung dar (Erw. 5 b); - verstösst jedenfalls dann nicht gegen Art. 30 Abs. 2 oder 71 Abs. 1 Satz 2 (Verbot kantonaler Weggelder bzw. Durchgangsgebühren), wenn in angemessenem Abstand davonParkplätze vorhanden sind, auf denen unentgeltlich parkiert werden kann (Erw. 6 b).
Sachverhalt ab Seite 178 BGE 81 I 177 S. 178 A.- Die vom Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt erlassene Verordnung über den Strassenverkehr vom 17. September 1929 bestimmt in § 45: "Das Parkieren von Fahrzeugen ist nur dort zulässig, wo es ausdrücklich gestattet ist. Die Parkplätze haben nur der Erleichterung des Strassenverkehrs zu dienen." BGE 81 I 177 S. 179 Am 31. März 1952 beschloss der Regierungsrat, diesem § 45 folgenden Abs. 2 beizufügen: "Parkflächen, die mit Parkingmeter versehen sind, dürfen zu den auf dem Parkingmeter angeführten Zeiten nur dann zum Parkieren von Fahrzeugen benützt werden, wenn sofort nach dem Anhalten die auf dem Parkingmeter angegebene Gebühr bezahlt wird. Das Polizeidepartement wird ermächtigt, Einzelheiten durch polizeiliche Vorschriften zu regeln." Nachdem solche Vorschriften am 5. Juli 1952 erlassen worden waren, wurden an der in der Innerstadt gelegenen Spiegelgasse 24 Parkflächen durch Bodenmarkierung gekennzeichnet und mit Parkingmeter versehen. Auf diesen Parkflächen ist das Parkieren werktags von 7 bis 19 Uhr nur gestattet gegen eine Gebühr, die 10 Rappen für eine Viertelstunde und 20 Rappen für eine halbe Stunde beträgt und durch Einwurf einer entsprechenden Münze in den Parkingmeter zu entrichten ist. B.- Der in Zürich wohnhafte Beschwerdeführer Josef Juchli stellte sein Personenautomobil im Herbst 1952 wiederholt auf einer mit Parkingmeter versehenen Parkfläche auf, ohne die vorgeschriebene Gebühr zu entrichten. Vor dem Polizeigerichtspräsidenten bestritt er gestützt auf ein Rechtsgutachten von Prof. Ruck die Zulässigkeit des Parkingmeters nach baselstädtischem Recht und machte ausserdem geltend, diese Einrichtung sei bundesrechtswidrig, wogegen sich die verzeigende Behörde auf ein dem Regierungsrat erstattetes Rechtsgutachten von Prof. Imboden berief. Durch Urteil des Polizeigerichtspräsidenten vom 2. Dezember 1953 wurde Juchli des wiederholten vorschriftswidrigen Stationierens des Autos durch Nichtbezahlen der Parkingmeter-Gebühr sowie der Diensterschwerung schuldig erklärt und in Anwendung der §§ 132 und 31 POIStrG mit Fr. 25.- gebüsst. Die den Parkingmeter betreffenden Erwägungen dieses Entscheids lassen sich wie folgt zusammenfassen: Bundesrechtlich stehe der Errichtung von Parkingmetern nichts entgegen, da die Regelung des Gemeingebrauchs an der öffentlichen Strasse grundsätzlich BGE 81 I 177 S. 180 den Kantonen zustehe. Das Aufstellen von Motorfahrzeugen auf öffentlichem Grund stelle, soweit es nach den räumlichen und zeitlichen Verhältnissen nur einer beschränkten Zahl der interessierten Verkehrsteilnehmer möglich sei, einen gesteigerten Gemeingebrauch dar und könne von einer Gebrauchserlaubnis abhängig gemacht werden. Für die Sachbenützung an sich dürfe dabei freilich keine Gebühr erhoben werden; dagegen sei eine solche zulässig für die Inanspruchnahme des der Regelung und Überwachung des Parkierens dienenden Parkingmeters. Art. 71 Abs. 1 MFG sei nicht anwendbar, da es sich um keine Durchgangsgebühr handle. Kantonalrechtlich sei die Errichtung von Parkingmetern ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie bedürfe keiner besondern baupolizeilichen Bewilligung, und die Erhebung einer Gebühr sei zulässig nach § 4 des kantonalen Gesetzes vom 31. März 1921 über die Verwaltungsgebühren. Eine Beschwerde gegen dieses Urteil wies der Ausschuss des Appellationsgerichts am 22. Februar 1954 ab mit der Begründung: Den Erwägungen der Vorinstanz könne ohne Bedenken beigepflichtet werden; der vom Beschwerdeführer angerufene Art. 30 BV falle von vorneherein ausser Betracht, weil er lediglich von Weg- und Brückengeldern handle, und die Ausführungen über die beschränkte Eignung von Parkingmetern zur Erreichung des damit angestrebten Zweckes seien unbehelflich, da dem Richter die Überprüfung der Zweckmässigkeit einer Verordnung oder Verwaltungsverfügung nicht zustehe. C.- Gegen dieses Urteil hat Josef Juchli beim Bundesgericht sowohl Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268 ff. BStP als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Der Kassationshof ist durch Urteil vom 19. Mai 1954 auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten. In der staatsrechtlichen Beschwerde wird unter Berufung auf Art. 4, 30, 37bis, 46 und 64bis BV geltend gemacht: a) Art. 30 BV , der die Weg- und Brückengelder aufgehoben habe, wolle damit jede fiskalische Behinderung BGE 81 I 177 S. 181 des Strassenverkehrs ausschliessen, weshalb denn auch Art. 71 Abs. 1 MFG kantonale Durchgangsgebühren ausdrücklich verbiete. Dürfe aber der rollende Verkehr nicht besteuert werden, so dürfe es auch der ruhende Verkehr nicht, der die notwendige Ergänzung des rollenden Verkehrs bilde und daher wie dieser zum gewöhnlichen Gemeingebrauch gehöre. Die Behauptung der kantonalen Instanzen, das Parkieren stelle einen gesteigerten Gemeingebrauch dar und seine Überwachung könne daher gebührenpflichtig erklärt werden, sei Unsinn. Das Recht der Kantone, die Statiomerungsdauer zeitlich zu beschränken, werde selbstverständlich nicht bestritten, doch dürfe für eine solche Einschränkung, die keine zusätzliche Leistung des Staates, sondern das Gegenteil davon sei, keine Gebühr verlangt werden. b) Eine solche verletze auch den Art. 37bis BV und den gestützt darauf erlassenen Art. 71 Abs. 6 MFG, der die Befugnis der Kantone zum Bezug von Motorfahrzeugsteuern abschliessend regle und dem Standortkanton zuweise. Der Beschwerdeführer bezahle die Motorfahrzeugsteuern im Kanton Zürich und dürfe daher im Kanton Basel-Stadt in keiner Weise zu dieser Steuer herangezogen werden. Die Parkingmeter-Gebühr sei eine solche Steuer und ihre Erhebung vom Beschwerdeführer eine auch nach Art. 46 BV verbotene Doppelbesteuerung. c) Art. 64bis BV sei verletzt, weil "der Erlass von Strafurteilen auf Grund von bundesrechtswidrigen Normen die Hoheit des Bundes auf dem Gebiete des Strafrechts missachtet". d) Der Bezug von Parkingmeter-Gebühren verstosse gegen Art. 4 BV , weil es eine grobe Willkür darstelle, für eine Minderleistung des Staates Gebühren zu beziehen, während die Normalleistung gebührenfrei sei, ferner deshalb, weil es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, wofür auf das Gutachten von Prof. RUCK verwiesen werde. Jeder andere Strassenbenützer habe sodann das selbstverständliche Recht, am Strassenrand Fahrzeuge BGE 81 I 177 S. 182 (Handkarren, Fuhrwerke usw.) aufzustellen; nur vom Automobilisten eine Gebühr dafür zu erheben, verstosse gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit. D.- Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Beschwerde, auch insoweit, als die Streitsache als ein Anstand im Sinne von Art. 111 litt. a OG zu betrachten sein sollte. E.- Das Bundesgericht führte mit dem Bundesrat einen Meinungsaustausch über die Zuständigkeitsfrage ( Art. 96 Abs. 2 OG ). Für dessen Ergebnis wird auf die nachstehenden Erwägungen verwiesen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Mit der Verurteilung wegen Diensterschwerung (§ 31 basel-städt. POIStrG) hat sich der Beschwerdeführer schon im kantonalen Rechtsmittelverfahren abgefunden; streitig ist einzig, ob er der Übertretung von Verkehrsvorschriften (§ 132 POIStrG) schuldig erklärt werden durfte. 2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass es sich bei den von ihm missachteten Vorschriften über die Parkingmeter um "polizeiliche Vorschriften zum Zweck der Sicherheit und Bequemlichkeit des Verkehrs" im Sinne von § 132 POIStrG handelt, macht aber geltend, sie seien verfassungswidrig. Eine selbständige staatsrechtliche Beschwerde gegen diese Vorschriften wäre heute wegen Verspätung nicht mehr möglich; dagegen kann der Beschwerdeführer ihre Verfassungsmässigkeit im Anschluss an die gestützt darauf ergangenen Urteile des Polizeigerichtspräsidenten und des Appellationsgerichtsausschusses noch mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten ( BGE 78 I 413 Erw. 1 mit Zitaten, BGE 80 I 137 Erw. 4). 3. Der Beschwerdeführer bezeichnet die Erhebung von Parkingmeter-Gebühren u.a. deshalb als Willkür im Sinne des Art. 4 BV , weil es dafür an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Damit wird dem Regierungsrat vorgeworfen, BGE 81 I 177 S. 183 er habe durch Erlass von § 45 Abs. 2 der Strassenverkehrsverordnung die ihm zustehende Verordnungsbefugnis überschritten und in das Gebiet der Gesetzgebung eingegriffen. Wäre dies der Fall, so würde der Grundsatz der Gewaltentrennung verletzt sein, der in der baselstädt. KV zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, sich aber aus der darin vorgenommenen Verteilung der Gewalten ergibt ( BGE 71 I 7 Erw. 3). Dass dieser Grundsatz in der Beschwerde nicht angerufen wird, schadet nichts; die Rüge der Willkür genügt jedenfalls dann, wenn, wie hier, der Entscheid darüber, ob der Grundsatz verletzt sei, von der Tragweite kantonaler Gesetzesvorschriften abhängt, deren Auslegung und Anwendung das Bundesgericht nur im beschränkten Rahmen des Art. 4 BV überprüfen kann (vgl. BGE 70 I 8 Erw. 3, BGE 74 I 117 Erw. 5). Indessen enthält die Beschwerde für die Rüge der Willkür keine Begründung, sondern verweist einfach auf das Gutachten von Prof. Ruck. Eine solche Verweisung auf Eingaben des kantonalen Verfahrens vermag die nach Art. 90 lit. b OG erforderliche Begründung nicht zu ersetzen ( BGE 81 I 56 Arw. 1 mit Zitaten) und kann hier umso weniger genügen, als das Gutachten den Urteilen beider kantonaler Instanzen vorausgegangen ist. Zur Anfechtung dieser Urteile hätte in der Beschwerdeschrift selber dargelegt werden müssen, weshalb der dort (und im Gutachten von Prof. Imboden) vertretene Standpunkt auf einer unhaltbaren, willkürlichen Auslegung gesetzlicher Bestimmungen, insbesondere des § 4 des Verwaltungsgebührengesetzes, beruhe. Auf die Rüge, die Aufstellung von Parkingmetern und die Erhebung von Gebühren für ihre Benutzung verstiessen gegen kantonales Recht und entbehrten einer gesetzlichen Grundlage, kann daher mangels Begründung nicht eingetreten werden. 4. Die Einrichtung von Parkflächen mit Parkingmeter soll nach dem Beschwerdeführer weiter deshalb mit Art. 4 BV unvereinbar sein, weil es sich um eine rein fiskalische Massnahme handle, die unsinnige Folgen habe BGE 81 I 177 S. 184 und die Automobilisten schlechter stelle als die übrigen Strassenbenützer. Diese Rügen werden in der staatsrechtlichen Beschwerde zum ersten Mal erhoben. Im kantonalen Verfahren hat der Beschwerdeführer wohl die Zweckmässigkeit des Parkingmeters bestritten, aber nicht behauptet, er verstosse aus den eben angeführten Gründen gegen Art. 4 BV . Ob deshalb das Eintreten auf diese Rügen abzulehnen sei (vgl. BGE 77 I 8 Erw. 3 mit Zitaten), kann indessen dahingestellt bleiben, da sie ohnehin unbegründet sind. Ein allgemein verbindlicher Erlass verletzt Art. 4 BV nur, wenn er sich nicht auf ernsthafte, sachliche Gründe stützen lässt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, die sich durch keine vernünftigen Gründe rechtfertigen lassen ( BGE 78 I 416 Erw. 4; BGE 77 I 107 , 189; BGE 61 I 92 ). Davon kann bei den basel-städt. Vorschriften über den Parkingmeter nicht die Rede sein. Angesichts der zunehmenden Belastung des Strassennetzes im Innern der grossen Städte erweist es sich als notwendig, das Stationieren von Automobilen an gewissen Orten zeitlich zu beschränken und so einen Teil des zur Verfügung stehenden Parkraums einer grössern Zahl wechselnder Benutzer zugänglich zu machen. Diese Massnahme, zu der die Behörden auch nach Auffassung des Beschwerdeführers ohne weiteres befugt sind, bedarf zu ihrer Wirksamkeit einer strengen Kontrolle, die am zweckmässigsten und zuverlässigsten durch ein Uhrwerk, eben den Parkingmeter, erfolgt. Dessen Kosten durch Erhebung einer kleinen Gebühr den Benützern aufzuerlegen, in deren Interesse die Einrichtung geschaffen wurde, erscheint als natürlich und billig, zumal kein Zwang zur Benutzung besteht. Sollten die Parkingmeterflächen, wie der Beschwerdeführer befürchtet, entgegen ihrer Bestimmung hauptsächlich zu dauerndem Stationieren benutzt werden, so wird es Sache der Behörden sein, solchem Missbrauch durch geeignete Massnahmen zu steuern. Da die Parkingmeterflächen, wie der Regierungsrat in BGE 81 I 177 S. 185 seiner Vernehmlassung ausdrücklich bestätigt, gegen Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr auch andern Fahrzeugen (Fuhrwerken, Anhängern, Motorrädern usw.) offen stehen, kann auch nicht von einer rechtsungleichen Behandlung der Automobilisten gesprochen werden; ausgeschlossen von den Parkingmeterflächen sind nach § 6 der "Polizeilichen Vorschriften" nur Fahrräder, Fahrräder mit Hilfsmotor und Fahrradanhänger, also Fahrzeuge, die weniger Raum als die Automobile beanspruchen und daher leicht anderswo unterzubringen sind. 5. Der Beschwerdeführer, dessen Automobil seinen Standort in Zürich hat, macht weiter geltend, er dürfe vom Kanton Basel-Stadt in keiner Weise zu Motorfahrzeugsteuern herangezogen, also auch nicht mit der eine solche Steuer darstellenden Parkingmeter-Gebühr belastet werden. Art. 37bis BV , auf den er sich dafür beruft, gewährleistet kein verfassungsmässiges Individualrecht; er umschreibt lediglich die Befugnis des Bundes zum Erlass von Vorschriften über Automobile und Fahrräder und äussert sich über deren Besteuerung nicht. Mit dieser befasst sich dagegen Art. 71 des gestützt auf Art. 37 bis BV erlassenen MFG, indem er u.a. in Abs. 1 den Kantonen das (aus ihrer Steuerhoheit folgende) Recht zur Erhebung von Steuern und Gebühren ausdrücklich wahrt und in Abs. 6 eine die Doppelbesteuerung ausschliessende Vorschrift aufstellt. Diese letztere Bestimmung kommt hier in Betracht. Soweit ihr Anwendungsbereich geht, bleibt für den daneben angerufenen Art. 46 Abs. 2 BV kein Raum ( Art. 113 Abs. 3 BV ; BGE 70 IV 25 , BGE 50 I 336 , BGE 43 I 43 ); das aus diesem abgeleitete allgemeine Verbot der interkantonalen Doppelbesteuerung ist auf Automobilsteuern nur insoweit anwendbar, als die Sonderbestimmung von Art. 71 Abs. 6 MFG nicht zutrifft. a) Während die Verletzung des Art. 46 Abs. 2 BV mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht geltend zu machen ist, erscheint dessen Zuständigkeit hinsichtlich Art. 71 Abs. 6 MFG nicht ohne weiteres als gegeben. BGE 81 I 177 S. 186 Das Bundesgericht hat im Meinungsaustausch mit dem Bundesrat die Auffassung vertreten, dass dieser gemäss Art. 125 Abs. 1 lit. b OG zuständig sei, da die Vorschrift administrativen Charakter habe. Der Bundesrat dagegen sprach sich für die Zuständigkeit des Bundesgerichts aus, weil es sich um eine Bestimmung über die Abgrenzung der örtlichen Zuständigkeit im Sinne von Art. 125 Abs. 2 (und 84 Abs. 1 lit. d) OG handle. Diese Betrachtungsweise erweckt indessen Bedenken. Art. 125 Abs. 2 gilt wohl nur für Fälle, wo eine durch bundesrechtliche Vorschrift begründete Zuständigkeit in Frage steht. Art. 71 Abs. 6 MFG ist aber keine bundesrechtliche Zuständigkeitsvorschrift, so wenig wie Art. 46 Abs. 2 oder Art. 59 BV , welche Bestimmungen nicht das Recht und die Pflicht der Kantone zur Steuererhebung bzw. zur Beurteilung von persönlichen Ansprachen begründen, sondern lediglich die Grenzen der kantonalen Steuer- bzw. Gerichtshoheit festsetzen (vgl. BGE 72 I 176 Erw. 2, BGE 80 I 11 ). Dagegen lässt sich der Streit über die Anwendung des Art. 71 Abs. 6 MFG als Anstand über eine durch das Bundesrecht vorgesehene Beschränkung kantonaler Abgaben im Sinne von Art. 111 lit. a OG auffassen. Ein solcher Anstand wird vom Bundesgericht als einziger Instanz beurteilt und ist ihm durch Klage zu unterbreiten, die, wenn sie wie hier mit einer staatsrechtlichen Beschwerde konnex ist, mit dieser verbunden und zusammen mit ihr von der staats- und verwaltungsrechtlichen Abteilung beurteilt werden kann (vgl. nicht veröffentl. Urteil i.S. Lonza SA vom 26. September 1946 Erw. 3 und dort angeführte weitere Urteile). Das Bundesgericht ist somit auch zum Entscheid darüber zuständig, ob die Erhebung der streitigen Parkingmeter-Gebühr vom Beschwerdeführer gegen Art. 71 Abs. 6 MFG verstösst. b) Diese Vorschrift, die sich an die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 44 I 17 , BGE 50 I 109 ) anschliesst, regelt ausdrücklich nur den Fall der Verlegung des Standorts eines Automobils in einen andern Kanton BGE 81 I 177 S. 187 und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an die Automobilsteuer in diesem Kanton zu entrichten ist. Ihre Tragweite geht aber über den Wortlaut hinaus. Sie setzt die Geltung des von der bisherigen Rechtsprechung ( BGE 44 I 16 ' BGE 47 I 515 , BGE 57 I 6 ) aufgestellten Grundsatzes voraus, wonach zur Besteuerung der Automobile ausschliesslich der Standortkanton zuständig ist, weshalb auch dieser Grundsatz als darin enthalten zu gelten hat. Er ist im vorliegenden Falle nicht verletzt. Während Abs. 1 des Art. 71 MFG von Steuern und Gebühren spricht, gilt Abs. 6 nur für Steuern und meint damit die Abgaben, die schon vor Erlass des MFG erhoben und angesichts ihrer Höhe und mangels hinreichenden Zusammenhangs mit den Leistungen des Gemeinwesens für die Strassen von jeher als eigentliche Steuern aufgefasst worden sind ( BGE 44 I 15 , BGE 48 I 76 , BGE 57 I 5 ). Bei den streitigen Parkingmeter-Gebühren handelt es sich jedoch nicht um Steuern, sondern ganz offensichtlich um Gebühren, denn sie stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung, werden nur von deren Benützern erhoben und erscheinen im Hinblick auf ihre bescheidene Höhe als angemessenes Entgelt für diese Benutzung. Art. 71 Abs. 6 MFG ist somit auf die Parkingmeter-Gebühren nicht anwendbar, wird also durch ihre Erhebung nicht verletzt. Und das gleiche ist auch für den daneben angerufenen Art. 46 Abs. 2 BV zu sagen, da auch das aus diesem abgeleitete allgemeine Verbot interkantonaler Doppelbesteuerung nur für eigentliche Steuern, nicht auch für Gebühren oder Vorzugslasten gilt (vgl. BGE 47 I 299 , BGE 51 I 377 , BGE 63 I 152 , BGE 64 I 305 ). 6. Nach Auffassung des Beschwerdeführers verletzt die Parkingmeter-Gebühr die Art. 30 Abs. 2 BV und Art. 71 Abs. 1 MFG, denn mit dem Verbot von Weg- und Brückengeldern bzw. kantonalen Durchgangsgebühren werde jede fiskalische Behinderung des rollenden wie des ruhenden Strassenverkehrs untersagt. a) Die Tragweite dieser beiden Bestimmungen und BGE 81 I 177 S. 188 ihr Verhältnis zueinander lässt sich nur auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte erfassen. Die BV von 1848 erklärte das Zollwesen als Sache des Bundes (Art. 23), ermächtigte diesen, die bestehenden Zölle, Weg- und Brückengelder usw. gegen Entschädigung abzulösen (Art. 24) und verbot, solche Abgaben unter irgendwelchen Namen ohne Genehmigung der Bundesversammlung neu einzuführen (Art. 31). Diese beiden letzten Bestimmungen wurden im Zollgesetz vom 30. Juni 1949 sowie in demjenigen vom 27. August 1851, das bis 1893 in Kraft blieb, wiederholt und näher ausgeführt. Nachdem in der Folge alle bisherigen Binnenzölle, Weg- und Brückengelder usw. abgelöst worden waren, wurde ihr Verbot (das ohnehin gemäss Zollgesetz weitergalt) nicht in die BV von 1874 übernommen; dagegen bestimmte diese (im Hinblick auf die Übernahme neuer Lasten durch den Bund) in Art. 30 Abs. 2, dass die den Kantonen bisher bezahlten Entschädigungen für die losgekauften Zölle, Weg- und Brückengelder usw. wegfallen (vgl. dazu BLUMER-MOREL, Bundesstaatsrecht, 2. Aufl. Bd. I S. 502 ff.; HIS, Geschichte des schweiz. Staatsrechts Bd. III S. 673 ff.; BURCKHARDT, Komm. zur BV S. 208 ff.). Um 1925 begannen einzelne Kantone angesichts des zunehmenden Motorfahrzeugverkehrs, für die Benutzung gewisser Strassen durch Automobile Gebühren zu erheben, die 1927 beim Bundesgericht als nach Art. (28 und) 30 Abs. 2 BV unzulässige Weggelder angefochten wurden. Im Meinungsaustausch über die Zuständigkeitsfrage vertrat das Bundesgericht die Auffassung, dass hierüber wie bisher (vgl. SALIS, Bundesrecht II. Aufl. Bd. IV Nr. 1438/39, SALIS-BURCKHARDT, III Nr. 1064 I) auf Grund der Zollgesetzgebung vom Bundesrat zu entscheiden sei, während dieser sich auf den Standpunkt stellte, dass das in der BV 1848 enthaltene Verbot der Weggelder als ungeschriebenes Verfassungsrecht weitergeltend anzusehen und daher das Bundesgericht zuständig sei (Meinungsaustausch vom 23. Januar 23. Januar/25. Juni 1928 i.S. Aebi c. Glarus und Kamer/Bar tholomäi BGE 81 I 177 S. 189 c. Nidwalden). Die Frage blieb damals offen, da die betreffenden Kantone auf ihre Gebühren verzichteten im Hinblick auf den Erlass des Bundesbeschlusses vom 21. September 1928 über die Ausrichtung von Bundesbeiträgen an die Kantone für die Automobilstrassen. Dieser noch in Kraft stehende Bundesbeschluss bestimmt in Art. 4 Abs. 2, dass kantonale Durchgangsgebühren nicht zulässig sind, was dann wörtlich in Art. 71 Abs. 1 MFG übernommen wurde. Im Meinungsaustausch zur vorliegenden Beschwerde vertrat das Bundesgericht die Auffassung, dass die Frage der Zulässigkeit von Gebühren für die Inanspruchnahme des kantonalen Strassennetzes durch Automobile nun nicht mehr nach Art. 30 Abs. 2 BV , sondern nach Art. 71 Abs. 1 MFG und daher gemäss Art. 125 Abs. 1 lit b OG vom Bundesrat zu beurteilen sei. Der Bundesrat anerkannte seine Zuständigkeit zur Beurteilung von Beschwerden wegen Verletzung des in Art. 71 Abs. 1 MFG enthaltenen Verbots kantonaler Durchgangsgebühren, hielt aber dafür, dass diese Bestimmung weniger weit reiche als Art. 30 Abs. 2 BV und dass, da die Parkingmeter-Gebühr nicht als Durchgangsgebühr im Sinne von Art. 71 Abs. 1 MFG bezeichnet werden könne, das Bundesgericht zu entscheiden habe, ob sie ein nach Art. 30 Abs. 2 BV verbotenes Weggeld darstelle. Soweit indessen der Anwendungsbereich von Art. 71 Abs. 1 MFG geht, ist dieser massgebend, bleibt für die Berufung auf Art. 30 Abs. 2 BV kein Raum (vgl. das oben in Erw. 5 für das Verhältnis von Art. 71 Abs. 6 MFG zu Art. 46 Abs. 2 BV Ausgeführte) und ist daher der Bundesrat zuständig. Doch erübrigt sich eine Überweisung der vorliegenden Beschwerde an ihn, da er bereits im Meinungsaustausch bestimmt erklärt hat, die streitige Parkingmeter-Gebühr könne nicht als Durchgangsgebühr bezeichnet werden und verletze Art. 71 Abs. 1 MFG nicht. Ob Art. 30 Abs. 2 BV , aus dem die Weitergeltung des in der BV von 1848 und in der früheren Zollgesetzgebung ausdrücklich enthaltenen Verbots von BGE 81 I 177 S. 190 Weg- und Brückengeldern abzuleiten ist (BURCKHARDT, Komm. S. 221, FLEINER, Bundesstaatsrecht I. Aufl. S. 580 Anm. 2, RUCK, Verwaltungsrecht, III. Aufl. Bd. II S. 329), über Art. 71 Abs. 1 MFG hinaus geht und ob er, was als sehr zweifelhaft erscheint und für den damit zusammenhängenden Art. 28 BV verneint wurde ( BGE 35 I 752 ; ebenso BURCKHARDT, Komm. S. 214 vor Anm. 4), ein verfassungsmässiges Individualrecht begründet, kann dahingestellt bleiben, da die Parkingmeter-Gebühr, wie die nachstehenden Ausführungen ergeben, ebensowenig ein verbotenes Weggeld wie eine unzulässige Durchgangsgebühr darstellt. b) Das (ursprünglich im Interesse des freien Handelsverkehrs aufgestellte) Verbot solcher Abgaben hat den Zweck, jede fiskalische Behinderung des freien Verkehrs zu Fuss und mit Fahrzeugen auf den im Gemeingebrauch stehenden öffentlichen Strassen und Brücken auszuschliessen. Der danach jedermann als Gemeingebrauch unentgeltlich offen stehende Fahrverkehr umfasst, da der rollende Verkehr nicht Selbstzweck ist, neben diesem auch seine notwendige Ergänzung, den sog. ruhenden Verkehr, das Anhalten und Stationieren, und zwar nicht nur für die kurze Zeit, die zum Ein- und Aussteigen von Personen und Auf- und Abladen von Waren nötig ist. Ob auch ein stunden- oder gar tagelanges Stationieren von Fahrzeugen noch zum Gemeingebrauch gehört oder aber, wie im Gutachten von Prof. Imboden angenommen wird, jedenfalls im Innern der Städte zu den verkehrsreichen Zeiten als gesteigerter Gemeingebrauch behandelt werden darf, braucht nicht geprüft zu werden, denn der Beschwerdeführer anerkannt ausdrücklich, dass das Stationieren zeitlich beschränkt werden kann. Streitig ist einzig, ob es mit Art. 30 Abs. 2 BV (und 71 Abs. 1 MFG) vereinbar ist, für die Benützung der der Kontrolle solcher zeitlicher Beschränkung dienenden Parkingmeter eine Gebühr zu verlangen. Da das Anhalten und kurzfristige Stationieren die notwendige Ergänzung des rollenden Verkehrs ist, würde BGE 81 I 177 S. 191 eine Ordnung, die in einer Ortschaft oder einem grösseren Teilgebiet einer solchen zwar das Befahren der Strassen frei liesse, aber jegliches Anhalten oder doch jedes nicht ganz kurze Stationieren gebührenpflichtig erklären würde, wohl gegen Art. 30 Abs. 2 BV (und 71 Abs. 1 MFG) verstossen, da darin eine mit dem Verbot von Weggeldern und Durchgangsgebühren unvereinbare Behinderung des freien Verkehrs läge. Eine solche unzulässige Behinderung kann aber in der Schaffung von Parkflächen mit Parkingmeter jedenfalls dann nicht erblickt werden, wenn in angemessenem Abstand davon Parkplätze vorhanden sind, auf denen unentgeltlich parkiert werden kann. Nun hat der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt in seiner Vernehmlassung auf Anfrage des Instruktionsrichters bestätigt, dass in Basel "ausser der Parkingmeterzone genügend Parkplätze und Parkgelegenheiten vorhanden sind, welche den Durchgangsverkehr ohne Benützung der Parkingmeterzonen ermöglichen", was zweifellos richtig ist, da bisher in Basel nur 24 Parkflächen mit Parkingmeter versehen worden sind und der Beschwerdeführer nie behauptet hat, dass in deren Nähe keine unentgeltlich benutzbaren Parkflächen vorhanden seien. Da zudem selbst auf den mit Parkingmeter versehenen Parkplätzen das Parkieren von Gütertransportfahrzeugen zum Auf- und Abladen von Waren im Zubringerdienst während der ersten 15 Minuten gebührenfrei ist (§ 5 der "Polizeilichen Vorschriften") und daher natürlich erst recht ein kurzes Anhalten zum Ein- und Aussteigen von Personen gestattet sein muss, kann von einer mit dem Verbot von Weggeldern bzw. Durchgangsgebühren unvereinbaren Behinderung des Strassenverkehrs in der Innerstadt von Basel keine Rede sein. Es handelt sich beim Parkingmeter vielmehr um eine im Interesse der Automobilisten liegende Einrichtung, die ihnen Gelegenheit zu kurzfristigem Parkieren verschafft, die sie benützen können, aber nicht müssen, und für deren Benutzung eine bescheidene Gebühr zu erheben als durchaus billig erscheint. 7. Art. 64bis BV , auf den sich der Beschwerdeführer BGE 81 I 177 S. 192 schliesslich noch beruft, gewährleistet so wenig wie Art. 64 (vgl. BGE 65 I 75 Erw. 5, BGE 75 I 48 Erw. 5) ein verfassungsmässiges Individualrecht. Dagegen hat die Rechtsprechung aus Art. 2 Üb.-Best. zur BV ein solches Recht abgeleitet, auf Grund dessen sich der Einzelne gegen den Erlass und die Anwendung bundesrechtswidrigen kantonalen Rechts mit staatsrechtlicher Beschwerde zur Wehr setzen kann. Diese Bestimmung wird jedoch vom Beschwerdeführer nicht angerufen und ist übrigens auch nicht verletzt, da sich § 132 des basel-städt. POIStrG im Rahmen des den Kantonen in Art. 335 Ziff. 1 StGB vorbehaltenen Polizei- und Verwaltungsstrafrechts hält und die vom Beschwerdeführer missachteten polizeilichen Vorschriften über die Parkingmeter, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt und übrigens schon Prof. Ruck in seinem Gutachten festgestellt hat, nicht bundesrechtswidrig sind. Dispositiv Demnach erkennt des Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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